Besetzung der baltischen Staaten
Die Besetzung der baltischen Staaten beinhaltete die militärische Besetzung der drei baltischen Staaten – Estland, Lettland und Litauen – durch die Sowjetunion unter der Schirmherrschaft des Molotow-Ribbentrop-Pakts, der am 23. August 1939 unterzeichnet wurde.[1][2] Im Frühjahr 1940 besetzte die Rote Armee die drei baltischen Staaten. Sie wurden dann im August 1940 als Unionsrepubliken in die Sowjetunion annektiert, obwohl die meisten westlichen Mächte und Nationen ihre Eingliederung nie anerkannten.[3][4] Teile der Bevölkerung wurden in Massendeportationen in das Innere der Sowjetunion und in Arbeitslager gebracht. Am 22. Juni 1941 griff Nazi-Deutschland die Sowjetunion an und besetzte innerhalb weniger Wochen die baltischen Gebiete. Im Juli 1941 gliederte das Dritte Reich das Ostseegebiet in sein Reichskommissariat Ostland ein. Als Ergebnis der Baltischen Operation der Roten Armee von 1944 eroberte die Sowjetunion die baltischen Staaten zurück und sperrte die verbleibenden deutschen Streitkräfte bis zu ihrer formellen Kapitulation im Mai 1945 im Kurland-Kessel ein.[5]
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Unabhängigkeitsprozess
Durch den Frieden von Nystad 1721 und Kurland 1795 erwarb das Russische Kaiserreich die baltischen Gebiete als autonome Herzogtümer, die vom deutschbaltischen Adel verwaltet wurden.[6] 1914 brach der Erste Weltkrieg aus und bis 1915 hatten deutsche Armeen Litauen und Kurland besetzt und die Gebiete in Ober Ost eingegliedert.[7] Als das Russische Reich zu zerfallen begann, entstanden in vielen Regionen Unabhängigkeitsbewegungen. Nach der Oktoberrevolution von 1917 in Russland versuchten die baltischen Politiker, die unabhängigen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu gründen; Die deutsche Kontrolle dauerte jedoch bis Anfang 1918 im gesamten Gebiet an. Später im Jahr 1918 wurde das Gebiet in den russischen Bürgerkrieg hineingezogen und am 16. Februar wurden in Litauen, am 24. Februar in Estland und am 18. November 1918 in Lettland Unabhängigkeitserklärungen abgegeben.[8]
Sowjetische Besatzung und Annexion (1940–1941)
Im September und Oktober 1939 zwang die sowjetische Regierung die baltischen Staaten, gegenseitige Beistandspakte zu schließen, die ihnen das Recht einräumten, sowjetische Militärbasen zu errichten.[9] Im Mai 1940 wandten sich die Sowjets der Idee einer direkten militärischen Intervention zu, beabsichtigten aber immer noch, durch Marionettenregime zu regieren.[10] Ihr Vorbild war die Finnische Demokratische Republik, ein Marionettenregime, das die Sowjets am ersten Tag des Winterkriegs errichtet hatten.[11] Die Sowjets organisierten eine Pressekampagne gegen die angeblich alliierten Sympathien der baltischen Regierungen. Im Mai 1940 marschierten die Deutschen in Frankreich ein, das einen Monat später überrannt und besetzt wurde. Ende Mai/Anfang Juni 1940 wurden die baltischen Staaten der militärischen Zusammenarbeit gegen die Sowjetunion beschuldigt, indem sie im Winter zuvor Treffen abgehalten hatten.[12]:43 Am 15. Juni 1940 wurde die litauische Regierung erpresst, dem sowjetischen Ultimatum zuzustimmen und zuzulassen der Einmarsch einer nicht näher bezeichneten Anzahl sowjetischer Truppen. Präsident Antanas Smetona schlug den Sowjets bewaffneten Widerstand vor, aber die Regierung lehnte ab und schlug einen eigenen Kandidaten für die Führung des Regimes vor.[56] Die Sowjets lehnten dieses Angebot jedoch ab und schickten Wladimir Dekanosow, um die Angelegenheiten zu übernehmen, während die Rote Armee den Staat besetzte.[13]
Deutsche Besatzung (1941–1944)
Am 22. Juni 1941 marschierten die Deutschen in die Sowjetunion ein. Die baltischen Staaten, die vor kurzem durch Drohungen, Gewalt und Betrug sowjetisch geworden waren, begrüßten im Allgemeinen die deutschen Streitkräfte, wenn sie die Grenzen überquerten.[14] In Litauen brach eine Revolte aus und eine unabhängige provisorische Regierung wurde gebildet. Als sich die deutschen Armeen Riga und Tallinn näherten, wurden Versuche unternommen, nationale Regierungen wiederherzustellen. Man hoffte, dass die Deutschen die baltische Unabhängigkeit wiederherstellen würden. Diese politischen Hoffnungen schwanden bald und die baltische Zusammenarbeit wurde weniger offen oder hörte ganz auf.[15] Die Deutschen wollten die baltischen Gebiete an das Dritte Reich angliedern, wo "geeignete Elemente" assimiliert und "ungeeignete Elemente" ausgerottet werden sollten. In der Praxis war die Umsetzung der Besatzungspolitik komplexer; aus Verwaltungsgründen wurden die baltischen Staaten mit Weißrußland in das Reichskommissariat Ostland aufgenommen.[16] Das Gebiet wurde von Hinrich Lohse regiert, der von bürokratischen Vorschriften besessen war.[63] Der Ostseeraum war die einzige östliche Region, die eine Vollprovinz des Dritten Reiches werden sollte.[17]
Versuche die Unabhängigkeit wiederherzustellen und die sowjetische Offensive von 1944
Während der Besatzung gab es mehrere Versuche, die staatliche Unabhängigkeit wiederherzustellen. Am 22. Juni 1941 stürzten die Litauer die sowjetische Herrschaft zwei Tage vor dem Eintreffen der Wehrmacht in Kaunas, wo die Deutschen dann über einen Monat eine provisorische Regierung amtieren ließen.[18] Der lettische Zentralrat wurde 1943 als Untergrundorganisation gegründet, aber 1945 von der Gestapo zerstört. 1941 schlug Jüri Uluots in Estland die Wiederherstellung der Unabhängigkeit vor; später, bis 1944, war er eine Schlüsselfigur im geheimen Nationalkomitee. Im September 1944 wurde Uluots kurzzeitig amtierender Präsident des unabhängigen Estland.[19] Im Gegensatz zu den Franzosen und Polen hatten die baltischen Staaten keine Exilregierungen im Westen. Folglich fehlten Großbritannien und den Vereinigten Staaten jegliches Interesse an der baltischen Sache, während der Krieg gegen Deutschland unentschieden blieb.[19] Die Entdeckung des Massakers von Katyn 1943 und das gefühllose Verhalten gegenüber dem Warschauer Aufstand 1944 hatten Schatten auf die Beziehungen geworfen; dennoch zeigten sich alle drei Sieger auf der Konferenz von Jalta 1945 solidarisch.[20]
Literatur
- Kristian Gerner, Stefan Hedlund: The Baltic States and the end of the Soviet Empire. Routledge, London 1993, ISBN 0-415-07570-X.
- John Hiden, Patrick Salmon: The Baltic Nations and Europe. Longman, Harlow, England 1994, ISBN 0-582-25650-X.
- Romuald J. Misiunas, Rein Taagepera: The Baltic States, years of dependence, 1940–1990, 2. Auflage, C Hurst & Co Publishers Ltd., Berkeley und Los Angeles 1993, ISBN 978-1-85065-157-4.
Anmerkungen
- Rein Taagepera: Estonia: return to independence. Westview Press, 1993, ISBN 978-0-8133-1199-9, S. 58.
- Ineta Ziemele: State Continuity, Succession and Responsibility: Reparations to the Baltic States and their Peoples?. In: Martinus Nijhoff (Hrsg.): Baltic Yearbook of International Law. 3, 2003, S. 165–190. doi:10.1163/221158903x00072.
- Robert B. Kaplan, Richard B. Baldauf Jr.: Language Planning and Policy in Europe: The Baltic States, Ireland and Italy (en). Multilingual Matters, 1. Januar 2008, ISBN 9781847690289, S. 79: „Most Western countries had not recognised the incorporation of the Baltic States into the Soviet Union, a stance that irritated the Soviets without ever becoming a major point of conflict.“
- Igor I. Kavass: Baltic States. W. S. Hein, 1972, ISBN 9780930342418: „The forcible military occupation and subsequent annexation of the Baltic States by the Soviet Union remains to this day (written in 1972) one of the serious unsolved issues of international law“
- Norman Davies: Ian Dear, Michael Richard Daniell Foot (Hrsg.): The Oxford companion to World War II. Oxford University Press, 2001, ISBN 978-0-19-860446-4, S. 85.
- Hiden & Salmon (1994). S. 12–13.
- Hiden & Salmon (1994). S. 24.
- Gerner & Hedlund (1993). S. 49.
- Gerner & Hedlund (1993). S. 59.
- Hiden & Salmon (1994). S. 113.
- Hiden & Salmon (1994). S. 112.
- Prit Buttar: Between Giants 21. Mai 2013, ISBN 978-1-78096-163-7.
- Hiden & Salmon (1994). S. 114.
- Hiden & Salmon (1994). p. 115.
- Baltic states - region, Europe. In: britannica.com.
- Hiden & Salmon (1994). p. 116.
- Hiden & Salmon (1994). p. 117.
- Hiden & Salmon (1994). p. 120.
- Hiden & Salmon (1994). p. 121.
- Hiden & Salmon (1994). p. 123.