Arbeitslager
Arbeitslager, auch Straflager oder Umerziehungslager genannt, sind Stätten, an denen Menschen zur Zwangsarbeit festgehalten werden, je nach Konzept des Lagers mit oder ohne Entgelt. Die ersten modernen Arbeitslager im 18. Jahrhundert waren britische Strafkolonien. Arbeitslager gibt es in einigen Ländern noch heute.
Ein Mensch kann in ein Arbeitslager aus verschiedenen Gründen gesperrt werden: Auf der einen Seite ist es die Strafe für eine kriminelle Handlung, aber auch unerwünschte politische (vgl. Politischer Gefangener) oder religiöse Betätigung, auf der anderen Seite beutet gleichzeitig der Einweisende die Arbeitskraft des Eingewiesenen aus.
Geschichte
Arbeitslager hat es in der Geschichte in verschiedenen Ausprägungen gegeben:
Großbritannien nutzte zunächst die 13 Kolonien in Nordamerika als Straflager. Nach der amerikanischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mussten die Briten einen neuen Ort für die Verbringung ihrer Gefangenen suchen. Die Wahl fiel auf Australien, das die Briten bis 1868 als Sträflingskolonie nutzten. Der historische Hintergrund für die ab dem 18. Jahrhundert zunehmende Anzahl von Straflagern besteht in der europäischen Bevölkerungsexplosion[1], dem damit entstehenden lohnabhängigen Industrieproletariat und der damit verbundenen sozialen Frage[2] und dem Pauperismus.
Am 24. November 1933 wurde im Deutschen Reich durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Besserung und Sicherung die Maßregel Arbeitshaus eingeführt. Neben den heute noch zulässigen Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder in Sicherungsverwahrung war auch die Unterbringung in einem Arbeitshaus (§ 42d RStGB) vorgesehen.
Eine späte Form der Arbeitslager waren neben den deutschen Konzentrationslagern auch der sowjetische Gulag, der in den 1950er Jahren seine größte Ausdehnung erreichte.
Beispiele
Beispiele sind unter anderem:
- Arbeitshäuser im Deutschen Kaiserreich,[3] im europäischen Mittelalter und den Vorläufern
- Vom Mittelalter teilweise bis ins 18. Jahrhundert, zum Beispiel Spanien, Galeerensklaven in den meist noch aus Galeeren und Galeassen bestehenden Flotten
- Bagnos: französische Zuchthäuser, in denen Sträflinge Schwerstarbeit verrichten mussten
- In Irland wurden während der großen Hungersnot (1845–1849) Arbeitshäuser gebaut. Zu essen bekam nur, wer arbeitete (Näheres hier)
- Verbannungs-Arbeitslager und Zwangsarbeit in Gefängnissen in der russischen Zarenzeit (siehe Schilderungen in einigen Romanen von Dostojewski): Zarentum Russland (1547–1721), Russisches Kaiserreich (-1917), vgl.: Katorga
- Sowjetische Arbeitslager: Gulag
- Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus: NS-Zwangsarbeit innerhalb und kombiniert mit:
- Arbeitserziehungslagern (zunächst auch als Polizeihaft- und Erziehungslager bezeichnet)
- Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern; die Bezeichnung „Arbeitslager der Waffen-SS“ war dabei der von der SS ab 1943 offiziell verwendete Deckname besonders für solche KZ-Außenlager, die im Zuge der verstärkten Untertageverlagerung der deutschen Rüstungsindustrie errichtet wurden.[4]
- Im März 1940 beschloss der Schweizerische Bundesrat, das Verbot der Erwerbstätigkeit für männliche Emigranten/Flüchtlinge aufzuheben und für sie Arbeitslager unter der Leitung der Polizeiabteilung zu errichten.
- Lager für die deutsche Bevölkerung unmittelbar nach Ende des 2. Weltkriegs in der Volksrepublik Polen, vorwiegend in den Ostgebieten des Deutschen Reiches, in Jugoslawien, in der Sowjetunion, im Rahmen der Kollektivschuld
- KZ Jasenovac im Unabhängigen Staat Kroatien
- Umerziehungslager Goli otok in Jugoslawien
- Arbeits- und Umerziehungslager in Vietnam und Kambodscha
- Arbeitslager in der Volksrepublik China[5]
- Haftarbeitslager (HAL) in der DDR[6]
- Arbeitserziehungslager für Jugendliche 1966–1967 in Rüdersdorf bei Berlin (DDR)[7]
- Zwangsarbeit wurde in Russland 2017 als Strafform wieder eingeführt, nachdem die gesetzliche Möglichkeit dazu im Jahr 2011 geschaffen worden war.[8]
- 6 Internierungslager für politische Gefangene und ca. 15–20 Umerziehungslager für Kriminelle im konventionellen Sinn in Nordkorea, welche in den westlichen Ländern häufig mit den deutschen Konzentrationslagern verglichen werden
Siehe auch
Literatur
- Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage: eine Chronik der Lohnarbeit (= Édition discours, Band 44), 2. Auflage, UVK, Konstanz 2008 (Originaltitel: Les métamorphoses de la question sociale, une chronique du salariat, 1995, übersetzt von Andreas Pfeuffer), ISBN 978-3-86764-067-1.
- Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper, Otto Steiger: Menschenproduktion: allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Suhrkamp TB 914, Frankfurt am Main 1979; 2. Auflage 1986, ISBN 3-518-10914-6.
- Simon Erlanger: „Nur ein Durchgangsland“: Arbeitslager und Interniertenheime für Flüchtlinge und Emigranten in der Schweiz 1940–1949, Chronos, Zürich 2006, ISBN 978-3-0340-0743-6 (Dissertation Universität Basel 2006, 278 Seiten, unter dem Titel: Lager und Weiterwanderung).
- Susanne Schorta: Arbeitslager und Heime für Flüchtlinge und Emigrantinnen in der Schweiz 1939–1945, 1990, OCLC 715795240 (Travail de séminaire dactylographié présenté pour un séminaire d'histoire à l'Université de Berne, été 1990 (Manuscript der Seminararbeit am Historischen Institut der Universität Bern, Sommer 1990), 70 Seiten).
- Suzanna Jansen: Das Paradies der Armen. Eine Familiengeschichte, 2016, Darmstadt: Konrad Theiss Verlag, (Die Autorin rekonstruiert ihre eigene Familiengeschichte bis zurück ins 18. Jahrhundert und entdeckt, dass ihre Vorfahren in einem Arbeitslager aufwuchsen, 262 Seiten)
Weblinks
Einzelnachweise
- Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper, Otto Steiger: Menschenproduktion. Allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979 (Inhalt)
- Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2008 (Inhaltsangabe)
- Vgl. Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874–1949)., Kassel 1992.
- Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation. 3. Auflage. Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen, Wien 1995, S. 71.
- Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung über Tibeter in chinesischen Arbeitslagern
- (PDF; 216 kB)
- Gerichtsentscheid des KG Berlin vom 6. August 2010, Aktenzeichen 2 Ws 28/10 REHA
- Im Jahr 2017 wird eine neue Form der Strafe in Russland eingeführt, Vedemosti, 4. Oktober 2016
2017 kehrt Russland zur Zwangsarbeit als Strafe zurück, Openrussia.org, 4. Oktober 2016