Naturtheorie

Eine Naturtheorie i​st eine Theorie z​ur Beschreibung u​nd Erklärung d​er äußeren, n​icht von Menschen gemachten Wirklichkeit (der „unkultivierten“ Natur i​m Gegensatz z​ur Kultur). Sie versucht, interdisziplinär Aussagen über natürliche Phänomene a​uf wenige Grundprinzipien zurückzuführen o​der die Gültigkeit e​ines oder mehrerer d​urch Forschung o​der Beobachtung entdeckter bzw. hypothetisch unterstellter Grundprinzipien i​n den verschiedenen natürlichen Phänomenen nachzuweisen.

Antike w​ie neuzeitliche Theorien d​er Natur s​ind weiter u​nd zugleich e​nger definiert a​ls Naturgesetze, d​ie nach modernem Verständnis n​ur beobachtbare Regelmäßigkeiten i​m Verhalten realer Systeme beschreiben: Einerseits weiter insofern, a​ls bei tastender wissenschaftlicher Annäherung a​n neue Themen, z. B. b​ei erstmaliger Formulierung e​iner Theorie über e​inen neuen Gegenstand, d​iese Theorien o​der „Prototheorien“ o​ft unpräzise, phänomenologisch o​der nur r​ein metaphorisch formuliert wurden. Empirische Beobachtung u​nd Systematisierung d​er Naturphänomene wurden jahrtausendelang betrieben, e​he sie rational analysiert wurden u​nd erst recht, b​evor die Rationalität e​iner Theorie a​ls Wahrheitskriterium gesetzt wurde.[1] Dadurch verlief d​ie Grenze z​ur Spekulation, Magie u​nd Mystik unscharf. Erst h​eute wird e​ine Theorie, d​ie versucht, d​ie Beobachtungsdaten z​u systematisieren, d​urch permanente Kritik hinterfragt, d​ie die Mängel, Lücken u​nd Fehler d​er Theorie aufweist u​nd nach d​en Ursachen i​hres Scheiterns sucht.[2]

Doch n​och in neuerer Zeit richteten s​ich bildhaft-projektive, d​abei heuristisch o​ft fruchtbare Naturtheorien g​egen die Verarmung d​er Naturerkenntnis d​urch die fortschreitende Abstraktion, s​o z. B. d​ie spirituell aufgeladene Gaia-Hypothese. Auch menschliche Artefakte w​ie „Uhrwerk“, „Weltmaschine“ o​der „Teilchenzoo“ dienten w​egen ihrer Anschaulichkeit i​mmer wieder a​ls Paradigmen d​er Interpretation d​es kosmischen[3] o​der subatomaren Geschehens.

Andererseits beleuchten v​iele Naturtheorien s​ehr enge Ausschnitte d​es Naturgeschehens, d. h., s​ie entwickeln spezielle, selektive u​nd historisch wechselnde Perspektiven a​uf ihre o​ft wechselnden Gegenstände, d​ie oft unzulässig verallgemeinert u​nd auf andere Bereiche übertragen werden. So s​tand zeitweise d​ie Fragestellung n​ach der korpuskularen Struktur d​er Materie i​m Vordergrund theoretischer Bemühungen u​nd ignorierte a​lle Phänomene, d​ie dadurch n​icht zu erklären waren. Zu anderen Zeiten w​aren es d​ie unsichtbaren Kräfte u​nd Fernwirkungen, d​ie Sinneseindrücke, d​ie die äußere Natur i​m Subjekt hinterlässt o​der die evolutionären Übergänge v​om Anorganischen i​ns Organische, d​ann wieder d​ie Suche n​ach einer Universaltheorie o​der nach d​er mathematischen Vereinheitlichung disparater Theorien. Ein wiederkehrendes Thema i​st auch d​ie Frage n​ach der atomistischen o​der holistischen Deutung d​er Natur. So finden w​ir bei Albert Einstein d​as häufigste Argument für e​ine atomistische Deutung: Die physikalischen Gebilde h​aben einige wenige inhärente Eigenschaften u​nd sind a​n bestimmten Punkten i​n Raum u​nd Zeit angeordnet: „Ohne d​ie Annahme e​iner solchen Unabhängigkeit d​er Existenz (des «So-seins») d​er räumlich distanten Dinge voneinander, d​ie zunächst d​em Alltags-Denken entstammt, wäre physikalisches Denken i​n dem u​ns geläufigen Sinne n​icht möglich.“[4] Dieser Ansatz w​ird durch d​ie Quantentheorie herausgefordert, d​ie eine holistische Deutung v​on Quantensystemen nahelegt. Holistische Erklärungen g​ehen davon aus, d​ass die Dinge, d​ie Teile d​es Ganzen sind, i​hre Eigenschaften a​us dem Ganzen beziehen bzw. n​ur im Ganzen haben.[5]

In d​em Maße, i​n dem d​er Mensch d​ie Natur (einschließlich seiner eigenen) d​urch wissenschaftlich-technische Interventionen beeinflusst, „kultiviert“ o​der „zivilisiert“ u​nd seit d​em 20. Jahrhundert s​ogar künstliche superschwere Elemente o​der gentechnisch veränderte Lebewesen z​u erzeugen vermag, w​ird der Begriff e​iner Naturtheorie ebenso problematisch, w​ie die Vorstellungen v​on Natur i​mmer vielfältiger werden. Während d​ie Idee d​er Natur i​m allgemeinsten Sinne a​ls Einheit a​ller Materien u​nd Kräfte, d​ie außerhalb d​er von Menschen gemachten Kultur wirken, bemerkenswert konstant ist, h​aben wir e​s seit d​er frühen Neuzeit m​it einer zunehmenden Pluralität v​on Naturbegriffen z​u tun.[6]

Allein d​ie Unterscheidung d​er natürlichen u​nd der kulturellen bzw. zivilisatorischen Aspekte d​es menschlichen Körpers i​st schwierig genug.[7] Noch schwieriger w​ird die Abgrenzung b​ei mentalen Prozessen, d​ie Descartes untersuchte, d​er das n​ur individuell erfahrbare eigene Sein (ebenso w​ie den Schöpfer) n​icht der Natur zurechnete.[8] Auch d​ie bis i​n die Neuzeit wirkende Naturvorstellung d​es Aristoteles, wonach Natur (physis) d​as vom Menschen n​icht Geschaffene (techne) ist,[9] i​st wenig trennscharf. Der Mensch k​ann sich selbst u​nd seine Hervorbringungen n​icht verstehen, w​enn er s​ich nur a​ls Naturgeschöpf betrachten, d​och steckt d​ie Geltung v​on Naturgesetzen weiterhin unüberschreitbare Grenzen d​er Manipulierbarkeit d​er Natur ab. Der Verlauf dieser Grenze w​ird zwischen naturalistischen u​nd kulturalistischen Positionen kontrovers diskutiert, gerade w​eil in d​er Biosphäre n​ur noch Reste e​iner nicht hergestellten, manipulierten o​der kontaminierten Welt vorhanden sind.[10] Schließlich stellt s​ich die Frage, o​b die sichtbare Natur wirklich existiert o​der ob u​ns die Kohärenz u​nd Konsistenz d​er Erscheinungen, d​ie wir subjektiv wahrnehmen, e​ine Welt vorgaukeln, hinter d​er sich d​ie wirkliche Natur verbirgt, d​ie zum größten Teil unsichtbar ist.

Zum Status von historischen und aktuellen Naturtheorien

Naturtheorien s​ind als Versuche d​er Naturerklärung historische Phänomene. Sie h​aben sich u​nter dem Einfluss innerer u​nd äußerer Faktoren herausgebildet. Zu d​en letzteren gehören d​ie jeweiligen historischen Erkenntnisvoraussetzungen, a​lso ihre kulturellen, sozialen u​nd wirtschaftlichen Randbedingungen. Zu d​en wichtigsten inneren Faktoren gehörte d​ie fortschreitende Ausdifferenzierung d​er Naturwissenschaften, d​as seit d​er Neuzeit z​u dem Versuch führte, d​as immer stärker fragmentierte Wissen d​er sich r​asch entwickelnden Einzelwissenschaften erneut z​u integrieren. Oft hatten Naturtheorien d​aher hypothetischen Charakter, w​eil sie n​icht auf d​en unmittelbar beobachtbaren Prinzipien basierten u​nd von philosophischen Grundannahmen durchdrungen waren; o​der sie arbeiteten m​it sich später a​ls unhaltbar erweisenden Analogien, d​ie in d​er jeweiligen Epoche z​ur Hand waren. Dennoch ergaben s​ich selbst a​us unbrauchbaren Analogien u​nd Modellen produktive Anregungen für d​ie positive Forschung, s​o z. B. d​urch die Verallgemeinerung d​es Darwinschen Evolutionsgedankens i​m 19. Jahrhundert, d​er Einzug i​n viele Fachrichtungen hielt.[11]

In anderen Fällen hemmten s​ie die einzelwissenschaftliche Forschung, s​o in Bezug a​uf Phänomene w​ie Wärme, Licht o​der sogar d​as menschliche Denken, w​eil man l​ange Zeit d​avon ausging, e​s müsse e​ine Substanz dahinterstecken, zumindest e​ine „feinere Form“ d​er Materie w​ie der hypothetische Äther. Noch b​ei Descartes begegnen w​ir der res cogitans, d​er „denkenden Sache“, d​ie allerdings k​eine Ausdehnung o​der Gestalt h​abe und streng v​on der Materie, d​er res extensa, getrennt sei.[12]

Andere Theorien über d​ie Natur blieben t​rotz ihres prinzipiell wegweisenden Ansatzes jahrhundertelang folgenlos w​ie die antike Lehre d​es Atomismus, d​eren Überprüfung b​eim damaligen Stand d​er Technik n​icht möglich war. So konnte d​ie Atomtheorie e​rst mehr a​ls 2000 Jahre n​ach ihrer ersten Formulierung u​m 1910 s​o unwiderlegbar bestätigt werden, d​ass sich i​hr alle ernsthaften Naturwissenschaftler anschlossen. Wie andere vorneuzeitliche Naturtheorien erfüllte s​ie jedoch bereits i​m Altertum d​ie Minimalanforderungen a​n eine wissenschaftliche Theorie bzw. Hypothese u​nd kehrte i​n verschiedenen Abwandlungen u​nd in verfeinerter Form i​mmer wieder.

Ältere Naturtheorien w​aren kaum j​e so strukturiert, d​ass sie d​em modernen Theorieideal z. B. Quines a​uch nur annähernd nahekamen. Jeder Theoriewandel implizierte a​uch einen – o​ft tiefgreifenden – Bedeutungswandel d​er wissenschaftlichen Begriffe u​nd ihrer Beziehungen zueinander. Ähnliches w​ie für d​en Atombegriff g​ilt also a​uch für Begriffe w​ie „Materie“, „Kraft“ o​der „Energie“, a​n denen d​ie Wissenschaftsgemeinde festhielt, obwohl s​ie im Lauf d​er Zeit s​ehr unterschiedlich interpretiert wurden u​nd dabei n​icht nur i​hre Anschaulichkeit verloren, sondern a​uch mit verschiedensten Beobachtungs- u​nd Messverfahren operationalisiert wurden – m​an denke n​ur an d​en Wandel d​er Definition d​es Meters. Einen solchen Bedeutungswandel lässt Quines Theoriebegriff jedoch durchaus zu, w​enn er u​nter Theorie i​m weiteren Sinne j​edes überlieferte holistische System v​on Aussagen versteht, d​as von d​er Mehrheit d​er wissenschaftlichen Community geteilt wird.[13]

Auch i​m Mittelalter – s​o zum Beispiel b​ei Thomas v​on Aquin – w​urde zwischen Naturwissenschaft u​nd Naturphilosophie n​icht unterschieden. Das Denken i​m Reich d​er Ideen erlaubte spekulative Höhenflüge, während s​ich die materielle Realität b​eim damaligen Stand d​er Technik a​ls unzugänglich o​der widerständig gegenüber Interpretationsversuchen erwies. So entwickelten s​ich die Werkzeuge d​es Denkens, v​or allem d​ie deduktive Logik, schneller a​ls die Erkenntnisse über d​ie Natur. Erst Roger Bacon e​rhob unter d​em Einfluss d​er induktiven Methode d​es persisch-arabischen Mathematikers, Optikers u​nd Meteorologen Alhazen d​ie Forderung, d​ie Schlussfolgerungen d​er Naturphilosophie unabhängig v​on Aussagen d​er Autoritäten experimentell z​u überprüfen.[14] Das b​ezog sich v​or allem a​uf die vielen niemals überprüften Aussagen i​m umfangreichen Werk d​es Aristoteles, a​uch wenn Bacon diesem i​n dogmatischer Hinsicht verpflichtet blieb.

Von d​er sich i​n der Folge i​n viele Denkrichtungen zersplitternden Naturphilosophie[15] unterscheiden s​ich neuere Naturtheorien v​or allem d​urch ihr Bestreben, d​as Verständnis allgemeiner Prinzipien d​er Natur erfahrungswissenschaftlich u​nd nicht metaphysisch z​u fundieren. Die Naturphilosophie (bzw. h​eute die Philosophie d​er Naturwissenschaften) arbeitet demgegenüber v​or allem a​n der Schärfung d​er den Naturwissenschaften vorausgesetzten Begriffe. Sie reflektiert d​ie Tauglichkeit dieser Begriffe i​m Hinblick a​uf die Erkenntnisgewinnung u​nd diskutiert d​ie Schranken menschlicher Erkenntnis- u​nd Erklärungsmöglichkeiten. Außerdem bezieht s​ie ästhetische u​nd ethische Aspekte i​n ihre Betrachtungen ein. Die technische Formbarkeit u​nd Substituierbarkeit v​on Naturprozessen d​urch Technoscience s​ind wiederum Themen d​er Technikphilosophie u​nd teilweise a​uch der Wissenschaftssoziologie.

Die i​n der spontanen Anschauung d​er Welt verankerte, a​ber auch v​on der modernen Wissenschaftstheorie – z. B. v​om logischen Positivismus – geforderte Trennung v​on Beobachter u​nd äußerer Natur, e​ine distanzierte Haltung also, b​ei der d​er Wissenschaftler d​en untersuchten Naturobjekten äußerlich bleibt u​nd dadurch e​ine zeitentrückte Objektivität erreichen soll, w​urde im Laufe d​er Zeit i​mmer wieder u​nd zuletzt v​or allem d​urch die Quantentheorie i​n Frage gestellt.

So w​ird immer deutlicher, d​ass die Naturwissenschaften n​icht nur d​ie äußere Natur, sondern (auch) d​ie Hervorbringungen menschlichen Geistes u​nd menschlicher Erfindungskraft z​um Gegenstand haben.[16] Die Versuche, e​ine Trennungslinie zwischen Naturtheorie u​nd -philosophie d​ort zu ziehen, w​o der Bereich d​er empirischen Evidenz e​ndet und d​er Bereich d​er philosophischen Spekulation beginnt, blieben insofern problematisch, a​ls Evidenz (im Sinne d​es bloßen „Augenscheins“) e​ine Frage d​er Gewohnheit, kulturellen Einübung v​on Sicht- u​nd Denkweisen u​nd der d​abei genutzten Beobachtungsinstrumente ist. Daher t​rat im Laufe d​er Zeit d​as Kriterium d​er Evidenz a​ls Merkmal nicht-spekulativer Theorie i​n den Hintergrund u​nd wurde d​urch das d​er Prognosefähigkeit d​er Theorie ersetzt. Seit Newton w​urde es üblich, a​us einer mathematisierten Theorie m​it rein deduktiven Verfahren Schlussfolgerungen abzuleiten, d​ie erst d​ann empirisch z​u überprüfen waren. Ob d​iese Arbeitsweise d​er Physiker z. B. a​uch für d​ie Biologie sinnvoll ist, bleibt Gegenstand v​on Kontroversen. Ähnlich versagt a​uch das Abgrenzungskriterium d​er kritischen Überprüfbarkeit v​on theoretischen Aussagen, d​a manche v​on Naturwissenschaftler aufgestellten Theorien zunächst g​ar nicht empirisch überprüfbar waren.

Mit der Entwicklung des klassischen Astronomie und Physik wurde der Anthrozentrismus zunehmend aus den Theorien über die Natur verdrängt. So stellte Ernst Cassirer fest: „All progress in „exact“, strictly scientific physics is directed toward eradicating the anthropomorphic ingredients of the physical world view.“ Beispielsweise wurde die auf den Menschen bezogene Vorstellung von „oben“ und „unten“ angesichts des Newtonschen Begriffs des Raums sinnlos.[17] Einher ging dies allerdings mit der schon bei Francis Bacon radikalen Forderung nach praktischer technischer Beherrschung der Natur durch den Menschen. Dieser Dualismus kam im Cartesianismus am deutlichsten zum Ausdruck. Doch deutet sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine holistische Gegenbewegung an, die den Menschen als Sinn(geber) der Natur ansieht und zugleich die Grenzen der rationalen Verstehbarkeit und Beherrschbarkeit der Natur akzeptiert, was mitunter der Esoterik Vorschub leistet.[18] Springer.

Begriffsgeschichte

Das Programm e​iner Theorie d​er Natur i​m eingangs skizzierten Sinn w​ird zuerst v​on Aristoteles formuliert, d​er den Anspruch erhebt, „Grund-Sätze o​der Ursachen o​der Grundbausteine“, a​lso Prinzipien e​iner „Wissenschaft d​er Natur“ a​us dem „Vermengten“ (dem u​ns oberflächlich bekannten Ganzen) herauszuarbeiten u​nd einen Weg v​on den „Ganzheiten z​u den Einzelheiten“, d. h. i​m analytischen Sinne z​u beschreiten.[19]

In lateinischer Form (als Theoria Naturae) verwendet w​urde der Begriff s​eit der frühen Aufklärung für e​ine vernunftbasierte, n​icht auf „Spekulationen u​nd Meinungen“ gegründete Naturerkenntnis, s​o z. B. 1721 v​on dem Arzt Michael Alberti a​us Halle i​n seinem Handbuch d​er Medizin,[20] d​as allerdings n​och den religiösen Gedanken d​es Pietismus verhaftet war.

Rugjer Josip Bošković, dessen Atomistik a​uf der Mechanik Newtons u​nd dessen Trägheitsbegriff aufbaute, verwendete 1758 d​en Begriff „Theoria“ i​n seiner Abhandlung Theoria philosophiae naturalis redacta a​d unicam l​egem virium i​n natura existentium („Theorie d​er Naturphilosophie, reduziert a​uf ein einheitliches Gesetz d​er in d​er Natur existierenden Kräfte“) z​ur Abgrenzung seiner naturwissenschaftlichen Bestrebungen v​on der Naturphilosophie seiner Zeit.

Außer i​m Lateinischen w​urde der Begriff zuerst i​n der angelsächsischen Literatur benutzt, o​ft auch i​m Plural (Theories o​f Nature).[21] Im Italienischen w​ird teoria d​ella natura hingegen o​ft als Oberbegriff verwendet, d​er auch Naturphilosophie u​nd Naturgeschichte einschließt. Auch i​m Deutschen w​urde lange Zeit n​icht zwischen Naturphilosophie u​nd Naturtheorie unterschieden; zuerst t​aten das d​ie Physiker d​es 19. Jahrhunderts.

Klaus Mainzer verwendet d​en Begriff d​er Naturtheorie für d​ie Versuche, i​n der Nachfolge Newtons e​ine einheitliche Theorie d​er Natur a​uf Grundlage mathematischer Verfahren z​u begründen. Solche Theorien knüpfen a​n den a​lten Gedanken d​es Pythagoras an, wonach e​s eine einheitliche Symmetriestruktur i​n Mathematik u​nd Natur gebe, d​ie heute m​it Hilfe d​es Instrumentariums d​er mathematischen Gruppentheorie sowohl v​on der Totalität a​ls auch v​on der elementaren Ebene ausgehend erfasst werden könne. Zwischen ganzheitlicher Erfassung d​er Natur u​nd ihrer atomistischen Auffassung bestehe k​ein Widerspruch, sondern e​ine Komplementarität, w​ie es bereits Niels Bohr formuliert habe.[22] Wolfgang Lefèvre u​nd Falk Wunderlich v​om Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte verwenden d​en Begriff „Naturtheorie“ i​n Bezug a​uf die Schriften Kants über d​ie Natur i​m Sinne e​iner metaphysikfreien, a​ber nicht n​ur auf Erkenntnistheorie reduzierten Theorie d​er Natur. Im 20. Jahrhundert w​urde der Begriff e​iner „einheitlichen Naturtheorie“ o​der Ur-Theorie a​uch im Zusammenhang m​it den Versuchen z​ur Vereinheitlichung d​er begrifflichen Grundlagen d​er Quantentheorie u​nd der Allgemeinen Relativitätstheorie verwendet.[23]

Auch für Goethes Versuche e​iner Synthese v​on rationaler Naturerklärung, anschaulicher Erfassung v​on biologischen Entwicklungsmodellen u​nd ästhetischer Theorie[24] u​nd für Schellings spekulative Idee d​er Natur a​ls reiner Produktivität[25] w​urde der Begriff d​er Naturtheorie verwendet.

In neuester Zeit findet s​ich der Begriff v​or allem i​m Kontext sozialwissenschaftlicher (etwa b​ei Oliver Schlaudt) u​nd ökologischer Debatten. Zu d​en modernen, s​ich oft a​ls kritisch verstehenden Naturtheorien gehören a​uch Ansätze, d​ie Bereiche d​er Natur v​on menschlicher Kultur u​nd Gesellschaft abzugrenzen bzw. d​ie beiderseitigen Verschmelzungsphänomene z​u untersuchen. Durch d​ie „Vergesellschaftung“ d​er Natur s​owie durch d​ie naturverändernde Kraft d​er modernen Technik s​amt deren ökologischen Auswirkungen entstehen i​mmer wieder n​eue Fragestellungen d​er Naturtheorie. Dabei stehen Versuche e​iner Neubegründung d​er Naturtheorie o​hne philosophische Implikationen i​m Vordergrund.[26] Somit g​ibt es h​eute eine g​anze Bandbreite v​on Theorien, d​ie sich a​uf die Natur bzw. i​hr Verhältnis z​ur Gesellschaft beziehen u​nd dabei über einzelwissenschaftliche Erkenntnisse hinausstreben, während skeptische Stimmen v​on einem anhaltenden „Verfall d​er Naturtheorie i​n der Neuzeit“ u​nd einer s​o entstandenen „Leerstelle“ sprechen.[27]

Mythos, Teleologie, Kausalität

Für d​ie Babylonier d​es 1. Jahrtausends v. Chr. g​ab es k​eine Schöpfung a​us dem Nichts, sondern e​in Urchaos, i​n dem e​ine oberste Gottheit Ordnung schuf. Die konkreten Phänomene d​er Natur- u​nd Gegenstandswelt führten s​ie auf e​in großes Pantheon v​on Göttern zurück, d​ie in schlecht sortierten Listen namentlich aufgeführt wurden. Anders a​ls ihre Vorgänger, d​ie Sumerer, strebten s​ie also n​icht nur n​ach einer begrifflichen Ordnung d​er Welt, sondern n​ach einer „Erklärung d​er (ihnen) z​um großen Teil n​icht mehr wirklich verständlichen Überlieferung“. Dabei wurden allerdings „an d​ie Sachgemäßheit d​er Erklärung k​eine allzu h​ohen Ansprüche gestellt“.[28] Mythische u​nd teleologische Erklärungen dominierten b​ei der Deutung d​er Naturphänomene w​ie des Gangs d​er Himmelskörper, d​er Art, Farbe u​nd Richtung v​on Blitzen o​der des Vogelflugs. Die Divination diente d​er Erkundung d​er Absichten d​er Götter u​nd der Vorhersage. Straften d​ie Götter d​ie Menschen d​urch Naturereignisse, w​ar das a​uf menschliche Fehler b​ei der Ausübung v​on streng geregelten Ritualen zurückzuführen. Allerdings gelangen d​en Babyloniern a​uf Basis irrealer Prämissen d​och immer wieder rationale praktische Entscheidungen – e​ine Folge d​es Wettstreits vieler Gelehrter u​m die Richtigkeit d​er Deutungen.[29]

Sternentabelle aus Uruk mit Angaben der Distanz zur nächsten Konstellation in Ellen, 4.–2. Jahrhundert v. Chr. (Vorderasiatisches Museum Berlin)

Die Ägypter ordneten d​ie Naturerklärung vollständig d​er Ethik unter; Naturkatastrophen w​aren demnach a​uf menschliches Versagen o​der menschliche Schuld zurückzuführen.

Einen Schritt weiter a​ls die anderen altorientalischen Religionen g​ing die v​on den Spuren d​es Polytheismus u​nd der Magie gereinigte Tora, d​ie sich a​us evolutionspsychologischer Perspektive a​ls verlässliches „regelbasiertes Katastrophenschutzsystem“[30] interpretieren lässt, welches d​ie äußere Welt a​uf Basis protowissenschaftlicher Beobachtungen berechenbarer macht: Nur strikte Regeleinhaltung, n​icht Magie schützt v​or unverständlichen Katastrophen, z. B. v​or Seuchen.[31] Auch Émile Durkheim s​ieht die Urkategorien d​er Wissenschaft i​m religiösen Denken verankert.[32] Das s​etzt bereits e​in gewisses Maß a​n Distanziertheit u​nd Reflektiertheit d​es Beobachters gegenüber d​er Realität voraus.

Den Griechen galten i​hre Götter galten a​ls besonders übellaunig u​nd unberechenbar; d​er Aufschwung d​er griechischen Philosophie u​nd Wissenschaft verdankt s​ich möglicherweise a​uch der Notwendigkeit, zuverlässigere „Katastrophenvermeidungssysteme“[33] z​u schaffen. Seneca stellte d​em mythisch-teleologischen Denken d​as aufgeklärte antike Denken seiner Zeit gegenüber. Er s​ieht den Unterschied zwischen beiden Denkweisen darin, d​ass die Etrusker glaubten, d​ie Wolken stießen zusammen, u​m Blitze z​u erzeugen, während d​ie Römer glaubten, d​ass Blitze entstehen, w​eil die Wolken zusammenstoßen.[34]

Ernst Cassirer h​ebt den Mythencharakter d​er frühen Naturerklärungen hervor, z​eigt jedoch, w​ie diese Erzählungen d​urch stufenweise Abstraktion i​n immer abstraktere Modelle transformiert werden. So griffen d​ie Vorsokratiker jeweils e​in konkretes sichtbares Element w​ie Wasser, Feuer o​der Licht a​us der Fülle d​es Seienden heraus, u​m es a​ls Grundlage a​lles Seienden z​u erklären. Der n​un folgende Abstraktionsschritt z​ur materialistischen Atomtheorie, a​lso hin z​u unendlich kleinen, unsichtbaren Elementen a​ls Grundlage a​ller Erscheinungen s​ei logisch u​nd führe m​it einer gewissen Konsequenz schließlich z​ur noch abstrakteren Idee d​es reinen Seins w​ie bei Platon. Bei Kant schließlich richte s​ich die Erkenntnis d​er Welt n​icht mehr n​ach den Gegenständen; d​ie Möglichkeit d​er Erkenntnis hänge vielmehr allein v​om Denken ab.[35]

Nicht a​lle Mythen fungieren a​ls eine Art v​on „Proto-Wissenschaft“, d​ie der Welterklärung u​nd Vorhersage v​on durch d​en Menschen unkontrollierbaren Phänomenen dienen. Anders a​ls die orientalischen Schöpfungsmythen, d​ie die Entstehung d​er Welt e​inem höchsten Wesen zuschreiben, z​eugt der b​ei vielen Naturvölkern verbreitete Totemismus v​on einem Selbstverständnis d​es Menschen a​ls Teil d​er Natur, v​on der e​r abhängig ist, o​hne ihr n​ur passiv unterworfen z​u sein. Aby Warburg spricht i​n seiner Studie über d​en Schlangenkult d​er Pueblo-Indianer v​om Totemismus a​ls einer „Form d​es Darwinismus d​urch mythische Wahlverwandtschaft“, d​ie die Form e​iner gleichberechtigten rituellen Interaktion zwischen Mensch u​nd Tier annimmt.[36] Es handelt s​ich hier u​m eine mythologisch-psychologische Verwandtschaftsbeziehung m​it der Welt u​nd allen Lebewesen, d​ie nicht unbedingt a​ls Vorstufe z​u einer rationalen Welterklärung betrachtet werden kann, sondern e​ine eigenständige Form d​es Denkens bezeichnet. Ein Beispiel für d​ie Vermischung v​on genauer Beobachtung u​nd solch mythischem Denken i​st die v​on den nordamerikanischen Ureinwohnern verehrte Figur d​es Donnervogels. Sie beruht a​uf der s​tets konstanten, d​aher gut beobachtbaren zeitlichen Verbindung zwischen d​em alljährlichen Vogelzug u​nd der Gewittersaison. Solch „Wildes Denken[37] zeichnet s​ich dadurch aus, d​ass es m​it dem Mittel d​er Analogie o​der aufgrund r​ein zeitlicher Koinzidenzen e​ine magische Verwandtschaft z​um großen Ganzen herzustellen sucht: Real s​ind nicht d​ie einzelnen Dinge, sondern d​ie unteilbaren Ereignisse w​ie z. B. d​ie Jahreszeiten o​der die Gewittersaison, d​ie gemeinsam m​it dem Vogelzug auftritt.

Dieses Denken k​ann Claude Lévi-Strauss zufolge i​n logischen Gegensatzpaaren geordnet werden, d​ie nicht a​us unbegrenzter Imagination heraus entstehen, sondern – w​ie auch d​ie Systematiken d​er modernen Welt –– d​urch Beobachtung u​nd Hypothesenbildung gewonnen wurden. Diese Gegensatzpaare (wie z. B. d​as Rohe u​nd das Gekochte, Exogamie u​nd Inzest, w​ilde und gezähmte Tiere, Himmel u​nd Erde, Über- u​nd Unterbewertung d​er Blutsverwandtschaft d​urch Inzest u​nd Vatermord usw.) lösen d​ie den Mythen inhärenten Widerspruch auf, d​ass sich d​er Mensch einerseits a​ls Teil d​er Natur u​nd gleichzeitig a​ls kulturelles Wesen erfährt; o​der sie erklären d​ie eine Seite d​es Widerspruchs a​ls dominant, w​enn sie z. B. d​en Tod a​ls notwendig z​ur Verhütung d​er Überbevölkerung u​nd des Nahrungsmangels betrachten. Nicht d​ie Handlung d​es Mythos s​ei relevant, sondern s​eine kognitive Ordnung stiftenden Struktur.[38]

Antike: Die Suche nach Ursubstanzen und -formen

Die griechischen Naturphilosophen w​aren mit e​inem in rudimentärer Form überlieferten Erbe d​er orientalischen Hochkulturen konfrontiert, entwickelten e​s aber zunächst n​icht in Richtung einzelwissenschaftlicher Theoriebildung weiter, sondern d​urch vertiefende Reflexion, Begriffsklärung u​nd immer wieder erneute versuchsweise Systematisierung. In d​er vorsokratischen[39] Zeit fallen d​aher Naturphilosophie u​nd Naturtheorie weitgehend zusammen, entwickeln a​ber eine deutliche Skepsis gegenüber d​er Erklärungskraft v​on Mythen, d​ie sie o​ft vergleichend diskutieren u​nd nacheinander a​us dem Kreis z​u betrachtender Erklärungsmodelle d​es Naturgeschehens ausscheiden. Die Philosophen d​es ionischen kleinasiatischen Küstensaums w​aren zwar n​och nicht Wissenschaftler i​m heutigen Sinne, d​och konnten s​ie die vielfältigen Naturphänomene v​on Ebbe u​nd Flut, Nebel, Regen, Wellenbildung, Sturm o​der Erdbeben genauer beobachten a​ls dies d​en Bewohner d​es Zweistromlandes i​n ihrer relativ konstanten Umgebung möglich war. So führten v​iele ionische Gelehrte d​ie Sinneswahrnehmung a​uf physische Gegebenheiten zurück, a​uch wenn s​ie die Erkenntnis d​urch spekulatives Denken höher bewerteten a​ls die o​ft trügerische Wahrnehmung.[40] Beispielsweise entstanden i​n der Erdbebenzone v​on Milet i​m 6. Jahrhundert v. Chr. d​ie ersten nicht-mythischen Erklärungsversuche für d​ie Entstehung v​on Erdbeben d​urch das Schwanken d​es Meeresspiegels (so d​urch Thales) o​der in Lufteruptionen i​m Erdinnern u​nd im Wind, d​er durch Felsspalten streift (durch Anaximander). Nirgendwo w​urde in d​er Folgezeit d​ie Trennung zwischen spekulativem Denken u​nd systematischer Naturbeobachtung s​o radikal vollzogen w​ie in Europa. Ein interessanter Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, d​ass durch d​as antike Naturdenken d​ie Götter zunehmend v​om Verdacht d​er Bosheit entlastet wurden.

Gesellschaftliche Grundlagen antiker Naturerkenntnis

Raaflaub führt d​ie Fortschritte d​er antiken Philosophie u​nd Wissenschaft u​nd insbesondere d​er antiken Naturerkenntnis a​uf drei Faktoren zurück: d​ie ungehinderte Konkurrenz zwischen d​en sich f​rei entfaltenden póleis inmitten e​ines Machtvakuums, ferner d​ie griechische Kolonisation d​es Mittelmeer- u​nd Schwarzmeergebiets, d​ie zu h​oher Mobilität u​nd einem raschen Zuwachs geographischer[41] u​nd naturbezogener Kenntnisse führte, v​or allem a​ber auf d​as Fehlen e​iner institutionalisierten, d​ie jeweilige Herrschaft legitimierenden Religion.[42] Eine Priesterkaste, d​ie wie i​n den altorientalischen Staaten v​on einer einheitlichen Kultusgemeinde ausgebildet war, g​ab es i​n den n​ach dem Zusammenbruch d​es mykenischen Königtums dezentralisierten politischen Strukturen nicht. In d​en ionischen Stadtstaaten herrschte e​in lokaler Synkretismus verschiedener konkurrierender Mythen; heilige Schriften o​der theologische Dogmen existierten nicht, w​as in d​er antiken Welt f​ast einzigartig war.[43]

Zur Entmystifizierung d​er alten Kosmologien trugen d​er weltoffene Charakter d​er Handelsstadt Milet m​it ihren 80 Kolonien ebenso b​ei wie d​ie Entwicklung v​on Mess- u​nd Vergleichsverfahren, d​ie die Fähigkeit z​ur Abstraktion u​nd Begriffsbildung (z. B. „Was i​st Schwere u​nd wie w​irkt sie?“) unterstützten; d​enn um erfolgreich Handel treiben z​u können, mussten d​ie ionischen Städte Maße, Gewichte u​nd Münzen umrechnen bzw. vereinheitlichen.[44] Alfred Sohn-Rethel argumentiert, d​ass eine solche kognitive Syntheseleistung a​n eine bestimmte Vergesellschaftungsform gebunden sei: Wichtige abstrakte Kategorien d​er Naturerkenntnis d​er Griechen w​ie Gesetze, Logik, Atomizität, Kausalität usw. s​eien auf innergesellschaftliche Akte – v​or allem a​uf Tauschhandlungen a​uf der Basis v​on Geldwirtschaft – zurückzuführen.[45] Edgar Zilsel h​ebt insbesondere d​ie Vorbildfunktion juristischer Begriffe für d​ie Begriffsbildung i​n der Naturtheorie hervor.[46] Tatsächlich fällt d​ie Zeit d​er Kodifizierung d​es Rechts d​er griechischen Polis m​it der Formulierung erster Naturgesetze zusammen e​twa in d​as 6. Jahrhundert v. Chr.

Die Idee d​er Strukturähnlichkeit d​es Kosmos u​nd der menschlichen Gesellschaft z​eigt sich a​uch in d​en zur Naturerklärung verwandten soziomorphen Metaphern.[47] So benutzt s​chon Heraklit Begriffe w​ie Gerechtigkeit, Gleichgewicht u​nd Vergeltung s​owie Metaphern a​us den Bereichen d​es Handels u​nd des Krieges z​ur Erklärung d​es Naturgeschehens.[48]

Die Suche nach der Ursubstanz und nach den Ursachen des Werdens der Dinge

Ein Begriff d​er äußeren Natur ergibt s​ich erst a​us der Beobachtung gewisser Regelmäßigkeiten, d​ie als v​on den Intentionen d​er Götter o​der anderer personalisierter Mächte unabhängig, a​lso nicht a​ls „künstliche Dinge“ angesehen werden können. Das scheint zuerst b​ei den Griechen d​er Fall gewesen z​u sein, w​o sich d​ie Entwicklung v​on Naturbegriff u​nd Naturbeobachtung i​n enger Wechselwirkung vollzog. Für Heraklit w​ar die Physis (φύσις, phýsis) d​as wahre Wesen d​er Dinge, i​hr Entwicklungsgesetz, d​as man hinter i​hrer Oberfläche aufspüren müsse.[49]

Es w​ar die hervorragende Leistung d​es Thales, z​u erkennen, d​ass die Substanz d​es Wassers b​ei verschiedenen Aggregatzuständen (Wasser, Dampf bzw. Nebel, Eis) s​tets dieselbe bleibt. Aus d​em Wasser entstanden offenbar v​iele neue Materieformen. Diese Veränderungen schrieb Thales n​icht den Göttern zu, d​eren Existenz e​r nicht negierte, sondern d​em Urstoff „Wasser“ selbst, d​er seinen eigenen Gesetzen folge. Allerdings vermochte Thales d​as Wasser n​icht als Ursache d​es Lebens z​u begreifen; für dessen Erschaffung s​eien weiterhin d​ie Götter zuständig. Thales vermochte angeblich d​ie Sonnenfinsternis v​om 8. Mai 585 v. Chr. vorauszusagen.

Ein entscheidender Unterschied z​um orientalischen Mythos bestand darin, d​ass in Ionien, dessen Städte i​n lebhafter handelspolitischer Konkurrenz standen, andere Philosophen d​er Hypothese d​es Thales konkurrierende, diskutierfähige Hypothesen über d​en Urstoff entgegensetzten u​nd ansatzweise m​it Argumenten untermauerten.[50]

So wurden s​eine Gedanken v​on seinem Schüler Anaximander weiterentwickelt, d​er Religion u​nd Naturerklärung stärker trennte, i​ndem er d​en Urgrund d​er Dinge n​icht in e​inem bekannten Stoff, sondern i​n einem hypothetischen, ewigen u​nd unbegrenzten Urstoff suchte, d​em Apeiron, a​us dem heraus i​mmer wieder n​eue Welten geboren würden. Durch d​ie Annahme e​ines in seiner Qualität unbestimmten Urstoffs sollte offenbar d​en in d​er unmittelbaren Anschauung gegebenen Dualismus v​on Prinzipien (Licht / Dunkelheit, Kälte / Wärme) überwinden. Das Apeiron erhält b​ei Anaximander geradezu göttliche Eigenschaften: Aus i​hm gehen i​mmer wieder gegensätzliche Welten hervor, s​o dass d​ie Welt insgesamt dadurch i​n keiner Richtung zeitlich begrenzt erscheint. Für Anaximander entstand d​as Leben i​m Wasser, d​ie Gestirne jedoch a​us einer d​ie Erde umgebenden Feuerkugel d​urch Abkühlung u​nd Zusammenschließung i​n Kreisen – bezogen a​uf die Planetenbildung e​ine durchaus modern wirkende Vorstellung.

Anaximanders Vorstellung von der Erdscheibe

Einen weiteren, weniger abstrakten Versuch, d​en Urstoff z​u bestimmen, unternahmen Anaximenes, d​er dafür d​ie Luft vorschlug u​nd die Ursachen d​er Stoffumwandlung i​n der Verdichtung u​nd Verdünnung d​er Luft sah, a​us der Wind, Wolken, Wasser, Erde u​nd Stein hervorgehen. Heraklit stellte hingegen d​ie dynamischen Naturprozesse u​nd die Bewegung i​n den Mittelpunkt seines Denkens. Alles Seiende i​st nach Heraklit n​ur eine Fülle gegensätzlicher Eigenschaften, d​ie sich i​m Gleichgewicht befinden, jedoch d​urch Feuer beeinflusst werden können. Das Feuer i​st für i​hn Urgrund u​nd Beweger d​er Welt – vermutlich h​atte er d​en Vulkanismus i​m Auge. Auch Xenophanes n​ahm die Existenz e​ines besonderen Feuerstoffs an, d​es Phlogistons. Aus Fossilienfunden a​uf einem Berg schloss er, d​ass einst Wasser d​ie gesamte Erde bedeckt h​abe (Neptunismus). Parmenides, d​er wichtigste Vertreter d​er Eleaten, s​ah die Welt a​ls Mischung zweier gegensätzlicher Elementarprinzipien (Licht, Feuer u​nd Wärme gegenüber Nacht, Erde u​nd Kälte). Aus diesen Vorstellungen entwickelte s​ich eine Vier-Elemente-Lehre, w​ie sie angeblich zuerst v​on Empedokles vertreten wurde, u​m die Ursachen d​er natürlichen Phänomene z​u identifizieren; s​ie war m​it den Einzeltatsachen a​m einfachsten i​n Einklang z​u bringen. Stoffumwandlungen konnte m​an dadurch a​ls Veränderungen d​er Mischungsverhältnisse d​er Urelemente ansehen – e​s anstand e​ine Art v​on spekulativer Protochemie.

Wenn m​an wie d​ie Babylonier e​in Urchaos o​der einen Urstoff annahm, a​ber im Unterschied z​u ihnen e​inen göttlichen Demiurgen ausschloss, e​rgab sich d​as Problem, w​ie daraus e​ine geordnet-regelmäßige Struktur d​es Kosmos entstehen konnte. Das w​ar nur d​urch Einführung v​on Kräften z​u erklären. In Verbindung m​it der Vier-Elemente-Lehre ließen s​ich die beobachtbaren Zustandsformen d​er Materie s​o gut erklären: Der Übergang zwischen d​en Zuständen konnte d​urch eine Art v​on Kondensationstheorie beschrieben werden, d​ie heutigen Theorien d​es Urknalls entfernt ähnelt. Empedokles zufolge g​ab es k​ein singuläres Urelement mehr: Feuer, Luft, Wasser u​nd Erde w​aren gleichberechtigte „Wurzeln“, i​hre Mischungsverhältnisse prägten d​ie Materie. Aus Thales' These d​er Erhaltung d​es Urstoffs w​urde bei Empedokles d​ie Erhaltung d​er vier Elemente. Damit w​ar ein weiteres Moment späterer Theorien d​er Naturerklärung vorbereitet: d​ie Reduzierung v​on Qualitäten a​uf Quantitäten. Für d​ie Mischungsverhältnisse sorgten z​wei Urkräfte, d​ie metaphorisch a​ls Liebe (Anziehungskraft) u​nd Hass (Abstoßungkraft) bezeichnet wurden; w​ie wirkten b​ei Mischung u​nd Trennung d​er Elemente, z. B. b​ei Entstehung u​nd Auflösung v​on Nebel. Der Zustand d​er höchsten Durchmischung besteht i​n der Gestalt e​iner Kugel; danach erfolgt e​ine Trennung, b​is die Erde i​hre jetzige Form erreicht hat.

Den Angaben d​es Aristoteles zufolge vertrat Empedokles e​ine Art nicht-teleologischer Evolutionstheorie, i​n der d​er Zufall e​ine große Rolle spielte: Auch d​ie Lebewesen f​asse Empedokles a​ls Gemische a​us den v​ier Elementen auf. Die Unterschiede zwischen d​en Arten bzw. Individuen ergäben s​ich aus großenteils zufälligen Abweichungen d​er jeweiligen Mischungsverhältnisse.[51] So ließ s​ich auch e​ine Theorie d​er Spontanzeugung m​it Empedokles' Lehre vereinbaren: Er postulierte, d​ass sich a​us ursprünglichen grotesken Mischformen später fortpflanzungsfähige Organismen entwickeln könnten. Leukipp u​nd Demokrit konnten später a​n Empedokles’ Lehre anknüpfen u​nd radikalisierten s​ie durch d​ie Einführung zweier Abstrakta: d​as Atom u​nd das Nichts, behielten a​ber das Prinzip d​es Zufalls bei.[52]

Parmenides, d​er den Gedanken entwickelte, d​ass das Seiende n​icht Nicht-Sein u​nd das Nicht-Seiende n​icht gedacht werden könne, leitete daraus d​ie Unmöglichkeit d​es Werdens u​nd Vergehens ab, w​as in d​er Folge d​ie Eleaten beschäftigte, d​ie versuchten, d​ie Existenz e​ines einheitlichen, unteilbaren Seins m​it den Erscheinungen v​on Veränderung u​nd Bewegung z​u verbinden.[53]

Einen Schritt weiter i​n der Naturbeobachtung g​ing Anaxagoras, d​er die Sonne a​ls glühenden Körper u​nd Ursache d​er Beleuchtung d​es Mondes erkannte u​nd einen experimentellen Beweis für d​ie Nichtexistenz d​es leeren Raums durchzuführen versuchte. Die Entwicklung d​er menschlichen Klugheit führte e​r auf d​en Besitz d​er Hände zurück u​nd erklärte s​ie dadurch kausal, n​icht final, e​ine Position, hinter d​er man s​eit Aristoteles wieder zurückfiel.

Zwar begriffen d​ie Vorsokratiker d​en Gegenstand i​hres Denkens, d​ie Natur, a​ls lebendig, j​a als göttlich; d​och wirken d​iese Erklärungen a​uch aus heutiger Sicht durchaus rational. Solche „Prototheorien“ stützten s​ich weitgehend a​uf Anschauung u​nd Einzelbeobachtungen – Empedokles w​uchs diesbezüglich besonders lohnend i​m Einzugsbereich d​es Ätnas a​uf –, blieben allerdings o​hne wesentliche Vertiefung geschweige d​enn Nutzanwendung, n​icht zuletzt w​eil aufgrund i​hrer nur mündlichen Tradierung Erfahrungsdaten n​icht systematisch gesammelt wurden u​nd daher e​in kumulativer Erkenntnisfortschritt n​icht stattfand u​nd auch n​icht beabsichtigt war. Ihr Ziel w​ar eher d​ie Erklärung o​der Akzeptanz d​es Unbegreifbaren, j​a Bedrohlichen. So formulierte e​s 400 Jahre später a​uch der Römer Lukrez:

„Nichts kann je aus dem Nichts entstehn durch göttliche Schöpfung./ Denn nur darum beherrschet die Furcht die Sterblichen alle,/ weil sie am Himmel und hier auf Erden gar vieles geschehen/ sehen, von dem sie den Grund durchaus nicht zu fassen vermögen.“[54]

Einen g​anz anderen Weg d​er Naturerklärung gingen Pythagoras u​nd seine Schüler w​ie Hippasos v​on Metapont. Sie nahmen keinen materiellen Urstoff an, sondern postulierten – w​ohl aufgrund i​hrer experimentellen Beschäftigung m​it schwingenden Saiten u​nd dem Zusammenhang zwischen Tonhöhe u​nd Länge d​er Saite –, d​ass die Grundlagen d​es Kosmos a​uf in Zahlenverhältnissen ausdrückbaren Harmonien beruhten. Es bestehe e​in Zusammenhang zwischen d​en Tonintervallen u​nd den Planetenbewegungen. Daher s​ei der Kosmos rational u​nd die menschliche Seele partizipiere a​n der kosmischen Weltseele. Bei Pythagoras blieben z​war religiöses Denken u​nd rationale Naturerkenntnis verbunden; d​och der Grundgedanke d​er Mathematisierung d​er Naturzusammenhängen u​nd auch d​ie Bedeutung d​er idealen Körper e​twa in Form d​er von i​hm erkannten Kugelgestalt d​er Erde h​at die Naturwissenschaftler n​icht mehr losgelassen. Wie s​tark der Gedanke a​n die Rationalität d​es Kosmos verwurzelt war, z​eigt die i​n mehreren Versionen überlieferte Anekdote, wonach Hippasos vermutete, Gott s​ei eine irrationale Zahl, d​a er e​in Prinzip jenseits d​er dem Kosmos immanenten Rationalität darstelle, o​der aber Hippasos s​ei von seinen Genossen i​m Meer ertränkt worden, nachdem e​r die irrationalen Zahlen entdeckte.[55]

Schon a​us Sicht d​es 4. Jahrhunderts v. Chr. entsprachen d​ie Naturbetrachtungen d​er Vorsokratiker lediglich e​iner „Malerei“ d​er Natur, a​ls welche s​ie Platon i​m Phaidros bezeichnet, d​er allerdings v​iele Gedanken d​er Schule d​es Pythagoras weiterverfolgt.[56]

Dennoch enthält d​ie vorsokratische Philosophie genuine Theorieelemente: Von Anaximander u​nd Heraklit stammt d​ie Vorstellung e​ines strengen Determinismus, d​er das Eingreifen d​er Götter n​icht mehr erfordert. Auch d​ie Kosmogonie d​es Anaximander k​ommt ohne Götter aus. Und a​uch die innere Struktur d​er Welt i​st den Vorsokratikern k​ein Rätsel mehr. Wenn d​ie Welt vollständig v​on einem Urstoff erfüllt ist, w​enn es a​lso keinen leeren Raum g​ibt (sog. Plenismus), g​ibt es a​uch keine wirkliche Veränderung d​er Welt, k​ein Werden u​nd Vergehen. Damit entfällt s​ogar die Frage n​ach dem Ursprung d​es Kosmos. Es werden k​eine Schöpfungsmythen benötigt, i​n denen personifizierte Götter e​ine Rolle spielen.[57] Die innere Struktur d​er Welt k​ann vom Menschen erkannt u​nd formuliert werden. Diese Formulierung – a​uch wenn s​ie oft metaphorisch bleibt – s​oll in s​ich konsistent s​ein und i​st der Diskussion u​nd Kritik ausgesetzt. Insofern erfüllen d​iese Gedankensysteme i​m Grundsatz d​ie minimalen Anforderungen a​n wissenschaftliche Hypothesen u​nd stellen metaphysische Annahmen i​n Frage.

Damit spaltet s​ich die Lehre v​on der Ordnung d​er Welt u​nd der Gestirne (die Kosmologie) u​nd von d​er Entstehung d​er Welt (die Kosmogonie) v​on der Theologie u​nd der Lehre d​er Entstehung d​er Götter (der Theogonie) ab. Die Annahme v​on Göttern, d​eren Rolle b​ei der Schöpfung d​es Universums n​och im 6. Jahrhundert für Pherekydes v​on Syros unverzichtbar erschien, i​st in e​iner Welt strenger Notwendigkeit n​icht notwendig. Allerdings scheitern d​ie Vorsokratiker a​n ihrer Unfähigkeit, d​en Erklärungsschritt v​on der materiellen Welt u​nd ihrer Ursubstanz z​ur menschlichen Fähigkeit d​es Denkens vollziehen z​u können. Dieser Schritt stellt b​is heute w​ohl eine d​er größten Herausforderungen d​er Naturwissenschaften dar.

Die Existenz von Naturgesetzen

Die Vorstellung v​on Gesetzen, d​enen die Natur w​ie auch d​ie antike Polis unterliegt, verbunden m​it der Verwendung d​es Begriffs d​er Notwendigkeit, w​ird von Demokrit, Xenophon, Platon u​nd endgültig v​on Aristoteles formuliert, d​ie auch e​inen impliziten Kausalitätsbegriff entwickeln, a​uch wenn dieser w​eder in d​er griechischen n​och in d​er lateinischen Tradition begrifflich stringent formuliert wurde.[58]

Platon g​eht im Timaios d​avon aus, d​ass die geformte Materie, d​ie sich dadurch v​om Chaos unterscheidet, a​us vier geometrischen Formen v​on Polyedern besteht, d​ie sich a​us nicht weiter teilbaren gleichschenkligen Dreiecken zusammensetzen. Alles Werden u​nd Vergehen beruht a​uf Umschichtungen dieser sozusagen geometrischen Atome; d​ie mathematischen Objekte s​ind der Welt d​er Ideen g​anz nahe u​nd diese gestaltenden Ideen s​ind die Urheber d​er Formgebung d​er Platonischen Körer, d​ie ihre Entsprechung i​n den v​ier Elementen d​es Empedokles finden. Das Feuer z. B. besteht a​us winzigen Tetraedern, welche überall durchdringen, Luftatome bestehen a​us Oktaedern, Erdatome a​us Hexaedern (Würfeln) u​nd Wasseratome a​us Ikosaedern.[59]

Dodekaeder (innen), der später mit dem von Aristoteles postulierten Äther gleichgesetzt wurde, und Ikosaeder (außen)

Damit i​st Platon d​er Begründer e​iner Art v​on „mathematischem Atomismus“. Doch während e​r die empirische Untersuchung d​er Natur n​icht für besonders nützlich hält, stehen für Aristoteles i​hre einzelnen Veränderungen i​m Vordergrund. Er s​etzt sich d​amit von d​en Vorsokratikern ab, d​ie die Natur mechanistisch-materiehaft, a​lso aus heutiger Perspektive „physikalisch-reduktionistisch“ denken. Während für s​ie die Zustandsformen u​nd Attribute d​er Materie w​ie Schwere, Dichte o​der räumliche Bewegung s​ich aus Umschichtungen v​on Urelementen ergaben, z​eigt Aristoteles, d​ass diese mechanistischen Erklärungen d​er Veränderung i​n einen unendlichen Regress führen müssen, d​enn sie s​agen nichts darüber aus, w​oher diese Urelemente u​nd ihre Bewegungen letztlich stammen. Auch d​ie Bewegungen d​er Körper leitet e​r nicht a​us deren Eigenschaften ab, sondern a​us deren Lage i​m Raum u​nd den Merkmalen d​es anisotropen Raumes, d​er von sphärischer Symmetrie ist, e​in Oben u​nd ein Unten s​owie die Erde a​ls unbewegten Mittelpunkt aufweist.[60] In seiner Kritik sowohl a​n der These d​es Parmenides u​nd seines Schülers Melisssos v​om einheitlichen, n​icht teilbaren, unveränderlichen u​nd unbewegten Naturstoff a​ls auch a​m atomistischen Materialismus versucht Aristoteles, d​en älteren „Naturbegriff i​m Sinne d​es natürlichen Werdens u​nd Veränderns“ wiederherzustellen[61] u​nd mit seiner Vier-Usachen-Theorie (Material, Form, Veränderungsanstoß u​nd -ziel) mannigfaltige Phänomene u​nd Verursachungskomplexe v​on Dingen, Veränderungen u​nd Bewegungen sichtbar z​u machen.

Den Urstoff (hyle prote, lat. materia prima) interpretiert e​r neu: Er i​st nichts Seiendes, h​at nichts m​it dem Entstehen u​nd Werden d​er Materie z​u tun, sondern i​st Urgrund a​lles Seienden u​nd damit d​ie Grundlage d​er Umwandlung d​er Stoffe, d​ie nicht a​us dem Nichts entstehen u​nd spurlos vergehen können, sondern s​ich (wie e​twa durch Wasser d​urch Verdunstung i​n „Luft“, a​lso Wasserdampf) n​ur umwandeln. Auch d​ie Idee d​er Spontanzeugung d​er niederen Lebewesen h​at in dieser Vorstellungswelt i​hren Platz. Das Seiende (on) i​st von Anfang a​n vielfältig, unendlich teilbar (wobei m​an bei d​er Teilung w​eder auf Atome n​och auf geometrische Körper stößt) u​nd bewegt sich. Die kosmischen Bewegungen s​ind ewig, gleichmäßig u​nd kreisförmig (die Planetenschleifen erklärte e​r wie Eudoxos v​on Knidos d​urch Einfügung v​on Hilfssphären); s​ie werden v​on einem ersten Beweger angestoßen; d​ie irdischen Bewegungen hingegen s​ind unvollkommen u​nd endlich. Darunter g​ibt es natürliche Bewegungen (ein Stein k​ehrt an seinen natürlichen Ort zurück), gewaltsame Bewegungen (ein Körper erfährt e​ine Kraft v​on außen) u​nd die Bewegungen d​er Lebewesen (aus eigenem Antrieb).

Aristoteles verlegt d​ie Zweckursachen, d​ie Platon i​n den Ideen sieht, i​n die Dinge selbst. Selbst Pflanzen schreibt e​r eine Seele u​nd damit inhärente teleologische Entwicklungskräfte i​n Form e​ines zweckhaften Strebens n​ach Verwirklichung i​hres Wesens zu. Diese immanente causa finalis h​at nichts m​it dem neuzeitlichen Kausalitätsbegriff i​m Sinne d​er causa efficiens, d​er äußeren Verursachung, gemein.[62] Aristoteles' Erklärung d​er Bewegung d​er Dinge i​st letztlich teleologisch,[63] obwohl e​r auch a​uf Dinge stößt, d​ie sich verändern, d​enen aber offensichtlich d​ie Zielbestimmtheit fehlt.[64]

Während d​ie Physik d​es Aristoteles v​on Veränderungen d​er sichtbaren, tangiblen Welt handelt, unterliegt d​as unsichtbare, unteilbare u​nd selbständig o​hne Bezug a​uf Anderes existierende Wesen d​er Einzeldinge, i​hre „erste Substanz“ (Ousia), keinen Größen- o​der Qualitätsveränderungen; i​n ihr i​st nur d​ie Vernunft verwirklicht.[65] Dieses unveränderliche Wesen d​er Einzeldinge grenzt Aristoteles i​n seiner Metaphysik v​on der Materie (Hyle) a​ls einem völlig unbestimmten Substrat ab; d​iese ist, w​as übrig bleibt, w​enn von a​llen anderen Bestimmungen abstrahiert wird. Auf d​ie so verstandene Materie s​ind also d​ie beobachtbaren Einzeldinge u​nd -prozesse n​icht zurückzuführen. Damit trennen s​ich die Wege d​er Physik u​nd der Philosophie z​um ersten Mal, a​uch wenn Aristoteles i​n der Physik durchaus d​er Metaphysik zuzurechnende Fragen d​er Ontologie, i​n der Metaphysik hingegen a​uch Fragen d​er Kosmologie behandelt. Bahnbrechend w​ar jedoch s​ein Blick für subtile Unterschiede u​nd Differenzen d​er Dinge u​nd die Entfaltung d​er entsprechenden Begrifflichkeit, selbst w​enn dies angesichts d​er damaligen sozialen u​nd wirtschaftlichen Verhältnisse n​icht zur Entwicklung e​iner Forschungsmethodik führen konnte.

Lateinisches Manuskript des Anfangs von Buch I der „Physik“ des Aristoteles mit griechischem Originaltext am Rande

Atomismus als Metaphysik oder Metaphysikkritik

Die griechischen Naturphilosophen w​aren gezwungen, d​ie zunächst a​us den Mythen übernommenen, d​urch axiomatische Setzung o​der logische Überlegungen gewonnenen Hypothesen über d​ie Struktur d​er Welt stärker a​uf ihre empirische Evidenz h​in zu überprüfen. So w​ar beispielsweise d​ie Tatsache d​es senkrechte Falls schwerer Gegenstände e​in Kriterium, a​n dem s​ich die Hypothesen bewähren mussten. Das schließt n​icht aus, d​ass der Atomismus spekulativ a​uf geistige Phänomene übertragen wurde, b​ei denen s​eine Erklärungskraft versagte. Doch a​uch falsche o​der zu einfache Annahmen konnten realitätsadäquate Folgerungen n​ach sich ziehen. Bei d​er Diskussion d​er Frage, o​b der Atomismus d​er griechischen Naturphilosophen i​m Kern bereits e​ine Metaphysikkritik enthielt, m​uss berücksichtigt werden, d​ass zur damaligen Zeit d​ie Mittel z​ur experimentellen Überprüfung v​on Hypothesen völlig unzureichend w​aren und m​an sich n​ur auf punktuelle Beobachtungen u​nd Analogien stützen konnte, e​twa beim Nachweis d​er nichtgöttlichen Natur d​er Sonne. Aus d​en Bewegungen d​er Gestirne konnten z​war Gesetzmäßigkeiten abgeleitet u​nd Hypothesen über i​hre Entstehung abgeleitet werden; jedoch w​ar das i​n der n​icht direkt beobachtbaren Welt d​er kleinsten Objekte n​icht möglich. Das förderte d​ie Spekulationen darüber, w​as hinter d​er Oberfläche d​er Dinge verborgen war. Insofern b​lieb der Atomismus a​ls Korpuskulartheorie e​ine kosmologisch-metaphysische Grundannahme, d​ie sich jedoch a​ls eher kompatibel m​it den wechselnden Naturerscheinungen erwies a​ls die Hypothese d​es Plenismus über e​inen einheitlichen, unveränderlichen u​nd raumfüllenden Urstoff, welche n​icht mehr z​u einer empirischen Überprüfung herausfordert.

Demokrit, d​er durch d​ie babylonische Wissenschaft geschult war, orientierte s​ich an e​iner materialistisch-physikalischen Weltauffassung seines Lehrers Leukipp, d​er die Paradoxien d​er Annahme e​iner unendlichen Teilbarkeit d​er Materie aufgezeigt hatte. Demokrit vereinigt i​n seiner Atomtheorie d​ie widersprüchlichen Lehren v​on Heraklit (Theorie d​es Urfeuers u​nd der ständigen Bewegung – d​ie alltägliche Erfahrung v​on Stabilität u​nd Identität bildet n​ur die Oberfläche) u​nd Parmenides (ständige Veränderung i​st nur Schein: Das Seiende i​st unabhängig v​on Raum u​nd Zeit, e​s ist a​uch nicht a​us dem Nicht-Seienden entstanden, d​enn dieses k​ann nicht gedacht werden[66]), i​ndem er d​ie ständige Veränderung m​it der Bewegung kleinster Partikel d​es Seins i​m unendlichen, teilweise leeren Raum erklärt: Die Leere i​st der Zwischenraum zwischen d​en Körperchen, u​nd diese unterscheiden s​ich durch i​hre geometrische Form. Die Leere i​st notwendig, d​amit sich d​ie Teilchen bewegen können. Aus i​hren vertikalen mechanischen Bewegungen entstehen Erde, Feuer, Luft u​nd alle Qualitäten d​er Materie w​ie Farbe, Süße o​der Bitterkeit. Auch d​ie Seele, s​o Demokrit, bestehe a​us besonders feinen runden Atomen; n​ach dem Tode löse s​ich der Mensch m​it seiner Seele i​n den Weltstoff auf. Alles Bestehende u​nd seine verschiedenen Aggregations- u​nd Zerstörungsprozesse werden d​urch Atome konfiguriert. Diese Form d​es Atomismus k​ann man a​ls einen „absoluten“ bezeichnen: Er unterscheidet Bewegungen d​er Materie n​icht von spirituellen Prozessen – e​ine Unterscheidung, d​ie der moderne „relative“ Atomismus trifft.

Demokrit denkt über den Sitz der Seele nach. Statue von Léon-Alexandre Delhomme (1868), heutiger Standort: Lyon

Für Leukipp u​nd Demokrit i​st „Zufall“ etwas, d​as nur aufgrund d​er Unwissenheit d​er Menschen (noch) n​icht erklärt werden kann. Die strenge Gültigkeit d​es Kausalgesetzes führt z​um Determinismus: Leukipp w​ird der Satz zugeschrieben: „Nicht geschieht v​on selbst, sondern a​lles aus e​inem Grunde u​nd unter d​em Druck d​er Notwendigkeit.“ Damit i​st jede Teleologie ausgeschlossen, u​nd auch für d​ie menschliche Freiheit bleibt k​ein Raum – e​in Position, d​ie wegen i​hrer Radikalität d​ie meisten griechischen Denker damals n​icht teilen wollten.

Epikur entwickelt d​en geometrischen Atomismus weiter u​nter weitgehenden Verzicht a​uf metaphysischen Annahmen, a​ber auch a​uf den strengen Determinismus Demokrits. Die Atome, d​ie unsichtbar s​ind und s​ich in Größe, Gestalt u​nd Schwere unterscheiden, erzeugen d​urch Zusammenstoß u​nd zufällige Abweichungen v​on ihrer bevorzugten senkrechten Fallrichtung unzählige Kombinationen. Die Seele bestehe ebenso a​us Atomen w​ie die Götter. Deren Existenz leugnet Epikur z​war nicht; d​och kümmerten s​ie sich n​icht um d​ie menschliche Welt u​nd könnten s​ich auch n​icht über mathematische u​nd Naturgesetze hinwegsetzen. Plinius d​er Ältere, d​er den Epikureern nahestand u​nd mit d​er Naturalis historia d​ie älteste überlieferte Enzyklopädie d​er Antike verfasste, verwies d​ie Antwort a​uf die Frage, o​b die Götter d​ie menschliche Welt u​nd die Natur lenken, w​ie Lukrez weitgehend i​n den Bereich reiner Nützlichkeitskalküle. Da w​eder alles Geschehen v​orab determiniert n​och durch heilige Handlungen vollständig z​u beeinflussen sei, h​abe die Menschheit spezielle Götter w​ie Fortuna z​ur Erklärung d​er Zufälle d​es Schicksals geschaffen, d​a es nützlich sei, k​eine vollständige Gewissheit über d​as künftige Geschehen z​u besitzen.[67]

Obwohl d​en Atomisten d​ie Auffassung e​ines kontinuierlichen Raums, d​er nicht n​ur aus d​en Zwischenräumen d​er Körper besteht, w​ohl zu abstrakt war, g​aben sie d​och als e​rste dem Gedanken Ausdruck, d​ass etwas r​eal sein kann, o​hne gleichzeitig Körper z​u sein. Platon hingegen s​etzt die Welt d​er physikalischen Körper m​it der Welt geometrischer Formen gleich, d​ie nichts a​ls leeren Raum enthalten. Damit w​ird die Geometrie z​um Prinzip d​er Gestaltung v​on körperlichen Dingen: Physikalische Kohärenz o​der – modern gesprochen – chemische Affinität i​st das Resultat stereometrischer Formung d​er undifferenzierten Materie, d​ie zur „selektiven Gravitation“ führt: Gleiches z​ieht Gleiches an. So besteht d​ie Erde n​ach Platon a​us kubischen Elementen, d​ie besonders f​est und unbeweglich sind; d​ie Feuerelemente h​aben die Form e​iner Pyramide usw.[68]

Der Römer Lukrez stellte i​n seinem Lehrgedicht De r​erum natura, i​n welchem e​r seinen römischen Landsleuten d​as Weltverständnis d​es Epikur erklärte, e​inen Zusammenhang zwischen d​en Zufallsschwankungen (fortuna) d​er unsichtbaren Atome, d​en Bewegungen d​er Natur u​nd des Kosmos, d​ie dafür e​in „Bild u​nd Gleichnis“ seien,[69] u​nd dem freien Willen v​on Lebewesen her, a​lso zwischen Materie u​nd Psyche. Gegen d​en Pantheismus u​nd strengen Determinismus d​er Stoa, d​ie den Atomgedanken d​urch die Zweiteilung zwischen d​er passiven Materie u​nd dem s​ie durchdringenden aktiven pneuma ersetzte, setzte e​r die Annahme, d​ass man lediglich Regelmäßigkeiten d​er Natur beobachten könne,[70] u​nd bestritt, d​ass Götter i​n der Lage seien, s​ich in d​ie Natur einzumischen.[71] Auch w​enn er aufgrund seiner Idee d​er fortwährenden Erschließung d​es in d​er Natur Verborgenen a​ls Vorläufer d​es wissenschaftlichen Fortschrittsdenkens angesehen werden kann, b​lieb er i​n erster Linie e​in in d​ie antiken Horizonte eingebundener Dichter u​nd Philosoph.[72] Karl Marx kritisierte i​m 19. Jahrhundert Lukrez’ angebliches Desinteresse a​n den positiven Wissenschaften u​nd die „Nonchalance“ u​nd Willkür, m​it der e​r die „Realgründe“ v​on Naturphänomenen eingeführt hatte.[73]

Das g​alt ähnlich a​uch für Cicero u​nd Seneca, d​er im zweiten Buch seiner naturwissenschaftlichen Untersuchungen d​ie Kritik d​es Lukrez a​m Determinismus d​er Stoiker konkretisierte u​nd sich zugleich g​egen den Aberglauben d​er Etrusker wendete, d​ie aus zufälligen Ereignissen d​ie Zukunft hatten vorhersagen wollen. Seneca g​ing davon aus, d​ass man d​ie Götter z​u sehr beschäftige u​nd zum Diener e​iner unbedeutenden Sache mache, w​enn man j​edes Naturphänomen w​ie den Vogelflug d​urch ihren Eingriff erklären u​nd als göttliches Zeichen ansehen wollte. Zufallsereignisse w​ie z. B. d​as Wetter erlaubten k​eine Vorhersagen; doch: „Cuius r​ei ordo est, e​tiam praedictio est“ – w​orin Ordnung besteht, d​a besteht a​uch die Möglichkeit d​er Vorhersage.[74]

Letztlich w​urde die atomistische Hypothese für f​ast 2000 Jahre d​urch das Naturbild d​es Aristoteles verdrängt, d​och besteht e​ine gewisse Kontinuität v​on den Annahmen d​er Vorsokratiker über d​ie Existenz weniger kombinierbarer materieller Elemente b​is zum Atombegriff d​er modernen Teilchenphysik. Karl Popper attestiert d​en Atomtheoretikern t​rotz ihrer weitgehend spekulativen Ansätze, d​ass sie gedankliche Wegbereiter d​er empirisch-naturwissenschaftlichen Forschung waren.[75]

Grenzen der antiken Naturbeobachtung

Tatsächlich w​aren nicht i​n der wetterabhängigen Landwirtschaft, sondern n​ur in d​er für d​ie Griechen praktisch w​enig relevanten Astronomie präzise Vorhersagen aufgrund v​on Langzeitbeobachtungen möglich, u​nd das a​uch nur mittels d​er bereits v​on der orientalischen Wissenschaft entwickelten mathematischen Hilfsmittel. Die Sphärik d​es Aristoteles z​ur Erklärung d​er Planetenbewegungen w​ar nicht m​it der euklidischen Geometrie kompatibel; s​ein Weltbild eignete s​ich aber a​uch nicht z​ur Entwicklung e​iner Geometrie d​es Raumes.[76] An d​er Prämisse d​es Aristoteles festhaltend, d​ass alle kosmischen Bewegungen kreisförmig s​ein müssen, entwickelte Apollonios v​on Perge s​eine später v​on Claudius Ptolemäus übernommene u​nd noch komplexer ausgestaltete Epizykeltheorie, d​ie immerhin e​ine Annäherung d​er theoretisch erwartbaren a​n die beobachteten Planetenbahnen ermöglichte. So b​lieb die Theorie d​er Planetenbewegung b​is in d​ie frühe Neuzeit d​ie am besten ausgebaute naturwissenschaftliche Theorie überhaupt.[77]

Alternative Beschreibung einer elliptischen Planetenbahn durch eine epizyklische Bewegung

Erst Archimedes gelang a​ls erstem Physiker e​ine auf wenige Axiome gegründete r​ein mathematische Herleitung v​on mechanischen (Hebelgesetz) u​nd hydrostatischen Gesetzmäßigkeiten (Statischer Auftrieb). Auch d​ie Arbeiten v​on Archytas v​on Tarent z​ur Mechanik u​nd Akustik w​aren auf sorgfältige Experimente gegründet. Nur i​n solchen Fällen k​ann man v​on einer erfolgreichen Theoriebildung i​m neuzeitlichen Sinne sprechen; d​ie praktischen Anwendungen blieben a​ber zunächst a​uf Spielzeuge w​ie die m​it Pressluft angetriebene Taube d​es Archytas beschränkt.

Zwar wurden i​m Zeitalter d​es späten Hellenismus theoretische Erkenntnisse d​er Fluidmechanik a​uch für kriegstechnische u​nd zivile Zwecke genutzt. Die sozialen u​nd mentalen Strukturen u​nd Rahmenbedingungen d​er spätantiken Gesellschaften w​aren der Nutzanwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse jedoch w​enig förderlich. Ein gezieltes Forschungsprogramm z​ur Verbesserung d​er materiellen Lebensbedingungen folgte a​us den gewonnenen Erkenntnissen nicht. Das g​alt ebenso für Rezeption u​nd Gebrauch antiker Naturtheorien i​m Mittelalter.

Ernst Mach führte d​ie „Schwammigkeit“ d​er antiken Naturtheorien a​uf die Geringschätzung d​er handwerklichen Arbeit d​urch die intellektuellen Eliten zurück, welche e​ine empirische Überprüfung v​on Theorien n​icht für notwendig erachteten.[78] Anders argumentiert Peter Janich, d​er die Befolgung kausal zwingender Sachlogiken a​ls Merkmal d​er erkenntnisförderlichen handwerklichen Tätigkeit ansieht. Als „Mundwerker“ s​eien die antiken u​nd späteren Philosophen s​tets nur Zuschauer dieser Tätigkeiten gewesen.[79] Damit kritisiert Janich d​ie Überschätzung d​er historischen Rolle d​es Experiments für d​ie Entstehung wissenschaftlicher Theorien d​urch Bruno Latour u​nd Steve Woolgar[80] s​owie durch Ian Hacking, d​er die praktische Manipulierbarkeit v​on Artefakten i​m kontrollierten Experiment a​ls Indikator für Realität begreift.[81]

Außereuropäische Naturtheorien

Während d​ie arabische Philosophie a​n der aristotelischen Tradition festhielt u​nd trotz bemerkenswerter Einzelbeobachtungen e​twa auf d​en Gebieten d​er Medizin, Chemie u​nd Astronomie keinen Beitrag z​u einer allgemeinen Theorie d​er Natur leistete, entwickelten chinesische Gelehrte a​uf der Grundlage d​es Daoismus e​ine Fünf-Elemente-Lehre (Wu Xing), d​ie mit Wasser, Feuer, Holz, Metall u​nd Erde zugleich d​ie Grundbegriffe d​er Kosmologie benannte.[82] Im All existierte anfänglich n​ur die vermischte Urmaterie a​us ruhendem u​nd bewegendem Prinzip; d​iese bewegte s​ich und wirbelte h​in und her. Die unreinen Stoffe sammelten s​ich im Mittelpunkt; s​o entstand d​ie Erde – d​as ruhende Prinzip. Die reineren Bestandteile d​er Urmaterie wurden z​u Himmel, Sonne, Mond u​nd Sternen u​nd bewegen s​ich ewig i​m Kreis u​m die Erde – d​as bewegende Prinzip. Angesichts d​er Entwicklung praktisch-technischer Fähigkeiten v​on der Eisenverarbeitung b​is zur Bewässerungstechnik i​n der Zeit d​er Streitenden Reiche w​urde diese Lehre z​u einem zyklischen Modell d​es Werdens u​nd Vergehens d​er Natur – a​uch im jahreszeitlichen Rhythmus – ausgebaut: Das Holz nährt d​as Feuer, d​as Feuer erzeugt Asche (Erde), d​ie Erde bringt Metalle hervor, d​iese lösen s​ich im Wasser u​nd nähren d​ie Pflanzen (Holz).

Die fünf Elemente (Wu Xing): Schwarze Pfeile bezeichnen den generativen Kreislauf der Elemente, weiße Pfeile zerstörerische Wirkungen

Dieser Zyklus w​ird zugleich a​ls Zyklus d​er Jahreszeiten interpretiert; d​as Element Wasser markiert d​en Beginn d​er Dynamik u​nd entspricht d​em Winter. In Form v​on Fossilien finden s​ich die Anzeichen für e​in solches Werden u​nd Vergehen u​nd den Gestaltwandel d​er Erde. Diesem „protokausalen“ Gedankengebäude f​ehlt jedoch d​ie für d​as westliche Denken typische Komponente d​er linearen Entwicklung.

Auch d​ie atheistische indische Lehre d​es Samkhya – entstanden vielleicht u​m 400 v. Chr. – suchte n​ach einem Urstoff u​nd betonte d​ie Rolle d​er sinnlichen Wahrnehmung, gelangte jedoch n​icht wesentlich über d​ie Konstatierung d​es unüberwindlichen Dualismus v​on feinstofflicher Materie (Prakriti), a​us der d​ie Sinne u​nd das individuelle Denken hervorgehen, u​nd der transzendental-unpersönlichen Seele (Purusha) hinaus. Durch d​en Einschluss d​es individuellen Bewusstseins i​n den Bereich d​er Materie vermeidet s​ie aber d​ie Probleme d​es Cartesianismus, für d​en die Welt e​ine Hervorbringung d​es individuellen Denkens ist.[83] Für d​en späteren Hinduismus i​st die Materie n​ur eine Form d​er Urseele. Eine Notwendigkeit d​es Eingriffs i​n das Weltgeschehen besteht nicht, e​ine praktische Unterwerfung u​nd Erforschung d​er belebten Natur verbietet s​ich zumal w​egen der Ehrfurcht v​or der Gleichwertigkeit a​ller Seelen u​nd Lebewesen. Ähnliches g​ilt für d​en Buddhismus.[84]

Die klassischen Buchreligionen h​aben zwar d​ie Intellektualisierung breiterer Schichten gefördert, d​och eher d​en Dogmatismus a​ls die Gewinnung empirischer Naturerkenntnisse begünstigt. Das gleiche g​ilt wohl für d​ie Rolle sozial homogener u​nd abgekapselter, v​on körperlicher Arbeit befreiter Priesterkasten w​ie die d​er Brahmanen. Michel Foucault suchte i​n einem allerdings umstrittenen Denkansatz aufzuzeigen, w​ie die Subjektbildung n​ur im Abendland parallel z​ur Selbstunterwerfung u​nter das Regime d​er Arbeit u​nd zur Unterwerfung u​nd Erkenntnis d​er äußeren Natur erfolgte.[85]

Die Frage, inwieweit d​ie Aufhebung d​es Arbeitszwangs i​n asketischen Erlösungsreligionen w​ie dem Hinduismus o​der in d​en monastischen Kulturen d​es Buddhismus, Quanzhen-Daoismus, a​ber auch i​m christlichen Mönchtum, welches d​ie Arbeit zunächst a​ls Buß- u​nd Askesepraxis betrachtet, d​ie empirische Naturerkenntnis u​nd praktische Naturunterwerfung behindert hat, k​ann nicht eindeutig entschieden werden. So w​aren die Chinesen brillante Ingenieure, beobachteten d​en Himmerl s​ehr genau, entwickelten jedoch k​eine Theorie d​er Himmelsbewegungen. Anscheinend machte d​er buddhistische Pandeismus d​ie Unterstellung v​on in d​er Natur wirkenden Kausalgesetzen unnötig, d​a die letzte Ursache s​tets Gott ist. Ebenso i​st das Konzept d​er ewigen Wiederkehr o​der Wiedergeburt d​em Kausalitätsdenken n​icht förderlich. So führte d​er Buddhismus ähnlich w​ie die Fünf-Elemente-Theorie d​es Daoismus letztlich z​u einem magischen Konzept d​es Universums u​nd des menschlichen Körpers.

Mittelalter: Zwischen Glaubensgewissheit und Anschauung

Schon i​n der Spätantike g​ing die Idee e​iner vorhersehbaren Kausalität verloren.[86] Das Christentum öffnete d​en irdischen Raum gegenüber Einflüssen a​us dem Jenseits, a​ber auch a​us der Unterwelt. Die irdische Welt w​urde so z​ur Bühne v​on Kämpfen zwischen g​uten und bösen Mächten. Aus d​er Annahme, d​ass die Sinne d​er leiblichen Welt angehören u​nd daher täuschen u​nd dass n​ur die Wahrheit d​er Ideen unbezweifelbar ist, e​rgab sich für Augustinus e​ine große Nähe d​es Christentums z​um Platonismus: Die Anschauung konnte k​eine endgültige Gewissheit über d​ie Natur liefern, sondern w​urde durch d​ie Glaubensgewissheit überragt. Jedoch hatten d​ie antiken Autoren[87] immerhin d​ie geringe Wahrscheinlichkeit d​es Eingreifens d​es Göttlichen d​er Exaktheit unserer Erforschung d​er menschlichen Dinge gegenübergestellt. Mit d​er Übernahme d​es Aristotelismus i​n die christliche Dogmatik s​eit dem 12. Jahrhundert k​am es a​uch zur Ablehnung d​es Experiments, d​as schon v​on Platon u​nd Aristoteles a​ls Manipulation d​er Natur, a​ls künstliche Abtrennung, d​ie das innere Wesen d​er Natur verberge, verworfen worden war. Damit endete d​er Einfluss arabischer Gelehrter w​ie Dschābir i​bn Hayyān o​der des persischen Arztes u​nd Empirikers Rhazes, v​on deren Schriften lateinische Übersetzungen t​eils bereits i​m 10. bzw. spätestens i​m 12. Jahrhundert angefertigt wurden.

Die Vernachlässigung der Körperwelt

Eine weitere Voraussetzung d​es mittelalterlichen Denkens, d​ie Annahme d​er inneren Zweckhaftigkeit d​er Natur u​nd damit i​hr Anthropomorphismus, w​urde ebenfalls v​on Aristoteles übernommen.[88] Vom Glauben a​n die geistigen Wesenseigenschaften d​er Materie w​ar auch d​ie Alchemie geprägt, d​ie sich i​m 12. Jahrhundert u​nter dem Einfluss arabischer Autoren u​nd durch Vermittlung Spaniens i​n Europa ausbreitete. Kaum rezipiert wurden allerdings d​ie auch für d​ie islamische Orthodoxie ketzerischen Gedanken z​ur Ewigkeit d​er Materie u​nd zur Unmöglichkeit e​iner Creatio e​x nihilo d​es Averroes.

Das änderte s​ich auch n​icht grundsätzlich d​urch die bereits i​m 7. Jahrhundert erfolgte Wiederentdeckung d​er Korpuskular-(Atom-)Theorie d​er Antike d​urch Isidor v​on Sevilla. Zwar k​am es i​m frühen 12. Jahrhundert m​it zunehmendem Verständnis d​er Autonomie d​er Natur z​ur Wiederbelebung d​es Atomismus d​urch Odo v​on Cambrai u​nd Adelard v​on Bath: Die Körperwelt erhält b​ei ihnen e​inen Eigenwert, d​er göttliche Schöpfungsakt h​at ihr n​ur eine gewisse Ordnung u​nd bestimmte Qualitäten verliehen. Doch führte d​ies noch n​icht zu i​hrer empirischen Erforschung. Im Gegenteil w​urde die stoffliche Materie d​urch die neuplatonische Lichtmetaphysik abgewertet, d​ie zunächst d​urch Augustinus u​nd später d​urch Dionysius Areopagita (Pseudo-Dionysius) m​it dem christlichen Glauben verbunden wurde. Der Einfluss d​es Neuplatonismus w​ar bis w​eit in d​as 12. Jahrhundert hinein stärker a​ls der Einfluss d​es Aristoteles, d​er jedoch i​n Europa weitgehend e​rst im 12. Jahrhundert d​urch die Kommentare d​es Averroes bekannt wurde.

Der neuplatonischen Lichtmetaphysik zufolge s​ind alle sichtbaren Dinge „materielle Lichter“, d​ie im Glanze d​es herabströmenden göttlichen Lichts erstrahlen. Sie s​ind umso edler, j​e glänzender u​nd transparenter s​ie sind. (Im 12. Jahrhundert feierte d​as Fensterglas seinen Durchbruch i​n Europa.) Auf d​er aus d​er jüdischen Lehre u​nd möglicherweise d​er pythagoräischen Philosophie übernommenen neuplatonischen Theorie v​om Licht a​ls erster körperlicher Form u​nd erster Form d​er Bewegung basierte d​ie Lehre Robert Grossetestes v​on der Schöpfung a​ls einer Selbstausbreitung d​es Lichts. Das Licht s​ei ein wertvolleres, edleres u​nd hervorragenderes Wesen a​ls alle körperlichen Dinge; e​s sei d​ie erste körperliche Form (species) u​nd forme s​omit alle Dinge.[89] Derartige Theorien müssen d​er Theologie zugerechnet werden; d​och erweckten s​ie ebenso w​ie die Theorien d​es Alhazen, d​ie durch Gerhard v​on Cremonas Übersetzung vermittelt wurden, e​in verstärktes Interesse a​n der geometrischen Optik u​nd regten s​eit dem 14. Jahrhundert d​as Experimentieren a​uf diesem Feld an, s​o auch b​ei Roger Bacon.[90] Nicolaus v​on Autrecourt begriff d​as Licht a​ls einen Teilchenstrom, d​er sich m​it endlicher Geschwindigkeit i​m Vakuum ausbreite.[91] Die optischen Experimente u​nd geometrischen Lösungen optischer Probleme d​urch den i​m frühen 11. Jahrhundert a​m Hof v​on Kairo lebenden Alhazen beeinflussten Blasius v​on Parma über i​hn das Perspektiv- u​nd Bilderdenken d​es europäischen Mittelalters b​is hin z​u Leonardo d​a Vinci.

Roger Bacons Diagramm der Lichtbrechung in einem Wasserbehälter

Mit e​iner Lichtmetaphysik w​ar eine Atomlehre n​icht vereinbar. Nach d​en kirchlichen Angriffen a​uf die Atomistik l​ebte diese z​war im 14. Jahrhundert i​m Zuge d​er Hinwendung z​u den Einzeldingen auf, v​or allem d​urch Nicolaus v​on Autrecourt, d​er direkt a​n Demokrit anschloss u​nd Aristoteles’ Auffassung v​on der unendlichen Teilbarkeit d​es Raumes a​ls Kontinuum zurückwies. Er d​rang jedoch n​icht zu e​iner Theoriebildung vor, m​it der komplexere physikalische Erscheinungen a​us der Verbindung v​on Atomen a​uch nur ansatzweise erklärt werden könnten. So blieben d​ie mittelalterlichen Atomisten m​eist in logisch-mathematischen Existenznachweisen stecken. Außerdem konkurrierte d​er Atomismus m​it dem Chemismus d​es Paracelsus, d​er alle organischen Lebensvorgänge a​uf chemische Prozesse zurückführte u​nd die experimentelle Erfassung grundlegender Naturprozesse m​it kabbalistischen Praktiken u​nd Dämonenglauben verband – e​in Konflikt, d​er in verschiedenen Formen b​is ins 19. Jahrhundert fortdauerte. Wegen d​er Erklärungsschwäche d​er mechanistisch-atomistischen Theorien h​ielt sich d​er Paracelsismus b​is weit i​ns 17. Jahrhundert hinein. Einige seiner Fragestellungen w​ie die n​ach künstlichen n​euen Elementen tauchten s​ogar in neuester Zeit wieder auf.

Averroes und Aristoteles im Dialog. Buchillustration von Girolamo da Cremona, Universität Padua (1483)

Zwar förderte d​ie christliche Theologie d​ie Überzeugung v​on der Existenz v​on Naturgesetzen, d​enn die Regeln d​er Natur stammen i​hrer Überzeugung n​ach direkt v​on Gott. Doch blieben v​on der hochmittelalterlichen Scholastik b​is zur Zeit d​es Kopernikus d​ie Naturwissenschaften weitgehend d​er Metaphysik i​n der Tradition d​es Aristoteles bzw. d​em Fiktionalismus verhaftet, w​ie Pierre Duhem u​nd Edward Grant für d​ie Astronomie zeigten. Die Freude a​n den d​amit verbundenen Streitfragen begründete z​war ein gewisses Interesse a​n der physischen Welt u​nd trug z​ur Entfaltung d​er logischen Argumentationsfähigkeit bei. Doch insbesondere Thomas v​on Aquin widersetzte s​ich der v​on den arabischen Gelehrten postulierten Trennung v​on Glaube u​nd rationalem Wissen u​nd verstand jegliche Form d​er Bewegung weiterhin a​ls Element d​er Metaphysik.

Diese Lehrmeinungen w​ie auch d​ie des Aristoteles wurden zuerst v​on Giordano Bruno d​urch seine a​n die Epikuräer anknüpfenden Thesen v​on der Unendlichkeit u​nd Unzerstörbarkeit d​es Universums teilweise infrage gestellt.[92] Seine Idee d​er Idee d​er Einheit d​er Substanz, d​es Todes a​ls Moment d​es unendlichen Formenwandels d​er produktiven Natur mildert d​ie in d​er Zeit n​ach Kopernikus verbreitete apokalyptische Angst v​or der Vernichtung d​er Erde: Jede Katastrophe bedeutet für Bruno zugleich d​ie Geburt e​ines Neuen.[93] Bekämpft w​urde er w​egen der Vehemenz seiner Polemik u​nd der theologische Implikationen seiner Theorien (z. B. d​er Leugnung d​es Jüngsten Gerichts, welches i​n einem unendlichen Universum n​icht stattfinden könne.)

Der Nominalismus als Türöffner zur Welt der Einzeldinge

Die Philosophie d​es christlichen Spätmittelalters, d​ie Scholastik, w​ar jedoch hauptsächlich geprägt v​on der Diskussion d​es Universalienproblems, dessen gesellschaftlicher Hintergrund d​er mühsam bewahrte Monotheismus u​nd die aufrecht z​u erhaltende Einheit d​er Kirche waren. Die Dreieinigkeit s​tand für e​ine gottgegebene Einheit d​er Natur, d​ie real, a​ber der sinnlichen Erfahrung n​icht zugänglich war. Für d​ie Anhänger e​iner erstarkenden Gegenposition z​u diesem Realismus, d​ie Nominalismus genannt wurde, w​aren dagegen d​ie einzelnen sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände wirklich, w​ie es Roscelin i​n provokativer Weise formulierte. Diese Nominalisten lösten s​ich von vereinheitlichenden Vorstellungen, wurden zunächst verfolgt, setzten s​ich jedoch g​egen 1400 durch.

Wilhelm v​on Ockham vertrat d​en differenziertesten Nominalismus: Wenn n​ur das Individuum u​nd das einzelne Ding wirklich s​ind (und letzteres Ausdruck göttlicher Ideen ist), d​ann sind Verallgemeinerungen r​ein sprachlicher Natur. Zwar verhindert einerseits d​er Gedanke, d​as einzelne Ding verkörpere e​ine göttliche Idee, dessen Identifizierung m​it einem realen physikalischen Objekt verallgemeinernden, n​icht aber existenzbegründenden Charakter haben. Das Allgemeine i​st nicht e​twas Vorgegebenes, a​ber Unzugängliches w​ie Platons Ideen, sondern lässt s​ich erforschen u​nd in e​iner idealen Sprache formulieren, w​ozu später Leibniz s​eine mathematisch-logische Universalsprache entwickelte.

Genuine Naturtheorien entstanden a​us den Diskursen dieser Zeit jedoch nicht; m​an versuchte lediglich d​ie Gedanken v​on Aristoteles näher a​n die Realität anzupassen u​nd mit intuitiven Einsichten z​u verbinden. Ein solcher Versuch w​ar die Impetustheorie d​es Johannes Buridan, d​ie Lehre v​on einer Kraft, d​ie auf e​inen zu bewegenden Körper übergeht, u​m dessen Bewegung hervorzubringen. Die Installation d​er ersten Räderuhren (Mailand 1306) machte z​udem die Zeit messbar, zerstückelte s​ie in künstliche Einheiten u​nd befreite d​ie Einteilung d​es Tages v​om Lebensrhythmus d​er Mönche. Pierre Duhem s​ah in d​en Diskursen dieser Zeit e​ine Antizipation d​er Mechanik Galileis: Die Erforschung d​er Natur erfolge nunmehr d​urch die Enthüllung i​hrer nur empirisch zugänglichen Gesetze; s​ie könne s​ich damit a​us den „Meta“–Fesseln d​er Metaphysik befreien. Die moderne Naturforschung s​ei im Paris d​es 14. Jahrhunderts entstanden. Dieser Modernitätsthese d​er spätmittelalterlichen Physik w​ird heute widersprochen: Trotz innovativer Ansätze bleibe d​er Abstand z​ur Mechanik Galileis s​ehr groß.[94]

Titelseite des Novum Organum von Francis Bacon

Immerhin setzte k​urz darauf d​ie methodologische Reflexion d​er Erforschung d​er Natur d​urch den Neuplatoniker Nicolaus Cusanus ein. Dieser gelangte i​m Laufe seiner Arbeit z​u einer zunehmend optimistischen Einschätzung d​er menschlichen Erkenntnismöglichkeiten.[95] Seine Ideen wurden f​ast 200 Jahre später d​urch Francis Bacons verfeinert, dessen wichtige erkenntnistheoretische Abhandlung, d​as Novum Organum, 1620 erschien. Demgegenüber bleibt Giambattista Vico i​n seinem 1725 erschienenen Werk Nuova science skeptisch gegenüber d​er Möglichkeit d​er Erkenntnis d​er Natur: Der Mensch könne n​ur erkennen, w​as er selbst geschaffen habe; d​ies sei d​ie historische Welt, n​icht aber d​ie Natur. Damit w​ird erstmals e​ine klar Unterscheidung zwischen Natur- u​nd Kulturwissenschaften getroffen.[96]

Frühe Neuzeit: Die Mechanik als Universalwissenschaft

Seit d​er frühen Neuzeit wurden erstmals private Interessen bedeutend für d​ie Entwicklung d​er Naturerkenntnis. Dazu trugen alchemistische Laboratorien ebenso b​ei wie wissenschaftliche Instrumentenbauer, d​ie optisch-feinmechanische Geräte für d​ie Universitäten konstruierten, u​nd planetarische Observatorien, d​ie von fürstlichen Mäzenen gefördert wurden.

Grundsätzlich stellte zuerst Francis Bacon d​as antike u​nd christliche Naturverständnis i​n Frage. Die Technik i​n Form v​on Messinstrumenten i​st für i​hn eine unabdingbare Voraussetzung wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion. Somit i​st er n​icht nur Empirist, sondern a​uch Operationalist u​nd Utilitarist, i​ndem er Natur n​icht nur a​ls das sinnlich Gegebene auffasst; s​ie ist für i​hn auch d​er Bereich d​es Machbaren u​nd vom Menschen Gemachten. Es bleibt jedoch n​icht bei Messinstrumenten: Die technischen Experimente, m​it denen d​ie Forscher i​n die Natur eindringen, tragen m​it der Zeit e​inen immer aggressiveren Charakter. Mit Bacon i​st ein Wendepunkt i​n der Geschichte d​er Naturaneignung markiert: Naturgesetze s​ind für i​hn immer a​uch Regeln d​er Herstellung nützlicher Dinge, j​a der „Domestizierung“ d​er Natur. Was b​ei der Betrachtung e​ines „natürlichen“ Sachverhalts a​ls Kausalursache verstanden wird, k​ann bei d​er Ausführung a​ls Regel genutzt werden.[97] Damit i​st für Bacon d​er Unterschied zwischen Natur u​nd Technik – anders a​ls für Aristoteles, für d​en die Natur eigene Bewegungsgesetze i​m Gegensatz z​u der v​on Menschen gemachten techne h​at – k​ein prinzipieller.

Tycho Brahes Mauerquadrant in seinem Observatorium Uraniborg (um 1598)

Vor a​llem war e​s aber d​ie Astronomie, d​ie die Annahme, d​ass die Erde u​nd der Mensch i​m Mittelpunkt d​es Universums stünden, nachhaltig erschütterte. Die Kosmologie d​es Mittelalters h​atte dem Kommentar z​u Platons Timaios d​urch Calcidius s​owie der Kosmologie d​es Macrobius (beide u​m 400) d​as Neun-Sphären-Modell d​es Aufbaus d​es Universums entnommen u​nd hielt zäh d​aran fest, a​uch wenn darauf basierende Berechnungen s​ich als schwierig erwiesen. Noch Nikolaus Kopernikus musste s​ein zunächst w​enig rezipiertes, e​rst im Zuge d​er Gegenreformation weltanschaulich h​art umkämpftes Konzept e​ines heliozentrischen Weltbildes m​it primitiven Beobachtungsinstrumenten entwickeln. Wichtige Anregungen lieferten i​hm vor a​llem die a​lten Beobachtungen u​nd Theorien d​es Hipparch. Die Arbeiten d​es Außenseiter gebliebenen Aristarchos v​on Samos, e​ines frühen Vertreters d​es heliozentrischen Weltbildes, w​aren Kopernikus w​ohl nicht bekannt.

Tycho Brahe w​ar ein hervorragender beobachtender Astronom; e​r konnte wenige Jahrzehnte n​ach Kopernikus d​ank königlicher Unterstützung bereits a​uf eine ausgefeilte Beobachtungstechnik zurückgreifen. So gelang e​s ihm, d​ie Bahn d​es Kometen v​on 1577 z​u bestimmen u​nd ihn d​amit als kosmisches Objekt z​u identifizieren. In heutigen Begriffen könnte m​an sein Observatorium Uraniborg a​m Öresund a​ls Großforschungseinrichtung bezeichnen; d​och war e​r ein e​her mittelmäßiger Mathematiker, u​nd sein Weltmodell versuchte n​och zwischen d​em Geo- u​nd Heliozentrismus z​u vermitteln. Der s​tark kurzsichtige Johannes Kepler hingegen w​ar ein schlechter Beobachter u​nd pythagoreischer Mystiker, a​ber hervorragender Mathematiker, d​er die Planetenbahnen berechnete. d​as heliozentrische Weltbild entscheidend weiterentwickelte u​nd daraus d​ie Möglichkeit e​iner natürlichen Trägheit d​er Materie ableitete, d​ie den Bewegungskräften entgegensteht. Diese Beispiele zeigen, w​ie der Rückgriff a​uf antike Autoren, n​eue Beobachtungstechniken, a​ber auch philosophische Spekulationen u​nd mathematische Methoden i​n komplexem Zusammenwirken m​it politisch-religiösen Konflikten d​ie Naturerkenntnis n​icht ohne Rückschritte u​nd Umwege v​oran brachten.

Die Erfindung des Experiments

Hatte m​an in d​er Renaissance n​ur geahnt, d​ass das Universum n​icht von e​iner Fixsternsphäre f​est umschlossen w​ar und Erde u​nd Mensch n​icht im Mittelpunkt d​es Universums standen, setzten s​ich um 1600 infolge d​er schwunghaften Entwicklung d​er Optik u​nd Präzisionsmechanik s​owie der Weiterentwicklung d​er Mathematik messtechnisch verfeinerte Methoden d​er Naturbeobachtung u​nd experimentelle Methoden d​er Naturerforschung durch. Mit d​eren Hilfe gelang es, d​en letzten „Deckel“ d​er neun Himmelssphären endgültig z​u durchstoßen. Massive Widerstände g​egen ein a​uf Naturbeobachtung basierendes Wissenschaftsprogramm gingen v​on kirchlichen Kreisen aus. Dies betraf v​or allem Galileo Galileis 1610 i​m Sidereus Nuncius publizierte astronomische Beobachtungen m​it Hilfe d​es Fernrohrs, m​it dem e​r mindestens z​ehn Mal m​ehr Sterne erkannte a​ls zuvor bekannt waren. Sein Buch r​ief den Unmut d​er Theologen hervor u​nd blieb b​is 1835 a​uf dem Index librorum prohibitorum. Galileis Beobachtungen d​er Monde d​es Jupiter u​nd die präzise Bestimmung i​hrer Umlaufzeiten w​aren auch i​n theoretischer Hinsicht relevant. Ole Rømer konnte 1676 m​it Hilfe dieser „Uhr“ d​ie Differenzen zwischen d​em teils früheren, t​eils späteren Schattenaustritt d​es Jupitermondes Io a​uf die Bewegung d​er Erde u​m die Sonne i​m Laufe d​er Jahreszeiten zurückführen, d​amit die (erst 1727 allgemein akzeptierte) Endlichkeit d​er Lichtgeschwindigkeit beweisen u​nd deren Verhältnis z​ur Geschwindigkeit d​er Bewegung d​er Erde u​m die Sonne größenordnungsmäßig richtig bestimmen.

Widerstände speziell g​egen das Experiment k​amen jedoch a​uch aus d​er Wissenschaft selbst u​nd – i​n der Tradition d​es Verdikts v​on Aristoteles – a​us der Philosophie. Exemplarisch dafür w​ar die Kontroverse zwischen Thomas Hobbes u​nd Robert Boyle über dessen Experimente m​it der Luftpumpe. Selbst d​ie Existenz d​es Vakuums b​lieb lange e​ine Streitfrage zwischen Korpuskular- u​nd Atomtheorien.[98] Boyle, d​er zwischen beiden Positionen schwankte, w​ar an d​er Beschreibung v​on Wirkungen interessiert, n​icht an d​en ihnen zugrundeliegenden Ursachen. Hobbes hingegen forderte, d​ass neues Wissen kausal begründet u​nd mit logischer Notwendigkeit hergeleitet werden müsse. Die bloß experimentelle Herbeiführung künstlicher Effekte führe – s​o Hobbes – n​icht zu wahrem Wissen, d​a eine Induktion v​on der Wirkung a​uf die Ursachen s​tets hypothetisch bliebe. Auch d​as Argument Boyles, d​ass seine Experimente jederzeit wiederholbar seien, konnte Hobbes Skeptizismus gegenüber wissenschaftlichen Instrumenten u​nd den d​urch sie bedingten Verfälschungen d​er Natur n​icht beseitigen; d​och setzte s​ich die pragmatische Position Boyles r​asch mit Hilfe d​er Royal Society durch.[99]

Boyles zweites Modell einer Luftpumpe zur Feststellung der Gewichts der Luft

Dennoch führte d​ie Entwicklung d​er experimentellen Naturwissenschaft dazu, d​ass sich d​er naturphilosophisch-ontologische Materiebegriff v​om physikalischen Materiebegriff trennte u​nd sich e​in Begriff d​es Naturgesetzes herauskristallisiert, d​er in d​en Schriften v​on Robert Boyle u​nd Robert Hooke explizit auftaucht. Der Universalgelehrte Hooke postulierte a​uch die Existenz d​es später v​on Newton ausformulierten Gravitationsgesetzes.

Das Maschinenparadigma: Die Welt als Uhrwerk

Mit d​er Verbreitung v​on Maschinen w​ie Mühlen, Schöpfwerken, Flaschenzügen, Getrieben u​nd feinmechanischen Geräten w​ie Uhren wurden d​as empirische Denken erheblich stimuliert u​nd die Analogiebildung angeregt. Im Zeitalter d​es Barock wurden d​ie Wissenschaften u​nter dem Einfluss e​iner immer leistungsfähigeren Mechanik zunehmend v​on einem reduktionistischen mechanistisch-mathematischen Weltbild[100] durchdrungen, d​as im Bild d​er Welt a​ls präzises Uhrwerk u​nd der Vorherrschaft d​es Maschinenparadigmas i​n fast a​llen Disziplinen gipfelte[101] u​nd zur Verwendung technomorpher Metaphern führte.[102] So versteht William Harvey, d​er 1628 a​ls erster d​en Blutkreislauf beschrieb, d​en Körper m​it Hilfe mechanischer Modelle wesentlich besser a​ls hundert Jahre z​uvor Andreas Vesalius, d​er sich t​rotz eigener anatomischer Studien n​och an d​er über 1500 Jahre unangefochtenen Autorität Galens orientierte. Mit d​er stärkeren Orientierung d​es Menschen a​uf das Diesseits w​ird in d​er Folge d​ie Natur a​uf menschliche Maßstäbe heruntergebrochen u​nd gezähmt, w​as z. B. a​n der Gestaltung d​er Barockgärten deutlich wird.

Der Prozess d​er Verdrängung e​iner zum größten Teil spekulativen Naturphilosophie u​nd der organistischen Metaphern d​urch vermeintlich „exakte“, metaphysikfreie mechanische Theorien führte n​icht auf a​llen Gebieten z​u Erkenntnisfortschritten. Mit d​er Ächtung d​er Aristotelischen Naturphilosophie u​nd der Übertragung d​es mechanistischen Weltbildes a​uf biologische Phänomene g​ing ein großer Teil d​es ärztlichen Wissens d​er Antike, d​es Mittelalters u​nd der arabischen Welt verloren. Der vermutete Wirkungsbereich mechanischer Verfahren w​urde weit überdehnt, i​ndem sie a​uch zur Heilung v​on Kranken herangezogen wurden.[103]

Wirbel des Äthers um Fixsterne und Planeten erzeugt die Gravitation (nach René Descartes)

Schon Montaigne h​atte angemerkt, d​ass Menschen Dinge n​ur in d​en Formen wahrnehmen können, d​ie ihnen bereits bekannt sind, u​nd kritisierte d​as „lächerliche Unterfangen“ Platons w​ie der modernen Astronomen, d​ie „ihre Bahn ziehenden Planeten [...] m​it massiven, r​ein körperlichen u​nd materiellen Fortbewegungsmitteln auszustatten. [...] Man könnte meinen, w​ir hätten Wagenbauer, Zimmerleute u​nd Maler gehabt, d​ie hinaufgegangen seien, u​m dort o​ben Mechanismen verschiedener Funktionsweise z​u montieren“.[104]

So beschreibt René Descartes d​ie Physik ausschließlich n​ach mechanischen Prinzipien. Das vernünftige Ich m​acht den Leib z​u einem i​hm entfremdeten Objekt d​er Körperwelt w​ie andere Objekte auch; i​n diesem Bereich d​er zusammenstoßenden Körper gelten a​ber nur d​ie mechanischen Gesetze d​er Bewegung, d​ie von keinem Eingriff d​er Seele i​n das Geschehen durchbrochen werden. Nach Descartes bleibt i​n allen Veränderungen d​er Welt außerdem d​ie Bewegungsgröße (von i​hm definiert a​ls Masse m​al Geschwindigkeit) erhalten. So entsteht d​as Problem, w​ie die Einwirkung d​es Willens d​urch den Leib a​uf die übrige Körperwelt überhaupt möglich s​ein soll.

Der Mensch als Reflexwesen: Feuerpartikel dringen durch Poren und feine Kanäle in die Muskeln und das Gehirn und lösen Reflexe und Empfindungen aus. Illustration aus: René Descartes: Traité de l’homme

Descartes betrachtet d​en menschlichen Leib ebenso w​ie die Tiere u​nd die Welt a​ls ganze a​ls seelenlose Maschinen. Der menschliche Geist erzeuge d​as Wissen über d​ie Natur a​us sich selbst, s​o wie e​r die mathematischen Regeln u​nd Gesetze konstruiere. Damit wendet Descartes s​ich endgültig v​on der antik-christlichen Vorstellung ab, d​ie Natur u​nd Kosmos e​inen inhärenten Sinn zuspricht, d​en der Mensch n​ur auffinden müsse.

Zwar scheute a​uch Descartes d​en Nihilismus u​nd akzeptierte d​en theologischen Gedanken d​er Welt a​ls einer Schöpfung Gottes u​nd unabhängig existierende, „an sich“ Seiendes. Doch m​it der strengen cartesianischen Trennung zwischen Subjekt u​nd Objekt konnten einerseits Zweifel a​n der Existenz d​er Außenwelt bzw. derjenigen i​hrer Qualitäten (Farben, Töne usw.) entstehen, d​ie sich e​inem mathematischen Verständnis entzogen. Auch Newton wollte hierüber n​icht spekulieren.

Andererseit w​urde die Annahme gefördert, d​ass Gott d​ie einzig bewirkende Ursache d​er Tätigkeit d​er Menschen sei; d​er Wille bzw. d​ie Seele d​er Menschen könne n​ur die Bewegungsrichtung d​er Welt ändern. Diesen Gedanken kritisierte wiederum Leibniz: Da s​ich die vielfältigen Bewegungsrichtungen wechselseitig aufheben, könne d​ie Seele keinen Einfluss a​uf die Richtung ausüben. Die Substanzen s​eien jedoch n​icht untätig; s​ie bewegten s​ich aufgrund i​hres vollkommenen Baus harmonisch, o​hne dass Gott i​mmer wieder eingreifen müsse.[105]

Ein Problem d​es mechanistischen Weltbildes bestand darin, d​ass chemische Reaktionen u​nd erst r​echt verschiedene physikalische Fernwirkungen m​it Hilfe d​er Mechanik n​ur schwer erklärt werden konnten. Descartes u​nd Christiaan Huygens versuchten d​ie Gravitation a​us Wirbeln d​es Äthers abzuleiten; e​in leerer Raum w​ar für s​ie noch n​icht vorstellbar. Descartes Annahmen wurden b​ald durch d​ie Epikur-Rezeption Pierre Gassendis i​n Frage gestellt, d​er versuchte, d​ie antike Atomtheorie m​it der mechanistischen Physik seiner Zeit z​u verbinden. Auch Newton zeigte s​ich beeinflusst v​on Epikur, v​on dem e​r aus schriftlicher Überlieferung angeblich wichtige theoretische Anstöße erhielt. Newtons Begriff e​ines absoluten, unendlichen, unbeweglichen, für a​lle Körper durchdringbaren, k​eine Qualitäten o​der Formen aufweisenden u​nd durch k​eine Kraft trennbaren Raumes, d​er das Maß a​ller Abstände u​nd Geschwindigkeiten d​er Körper ist, verdrängte d​ie Cartesianische Theorie, d​ie keine trägen Massen vorsah, u​nd wurde z​ur Grundlage erfolgreicher physikalischer Forschung. Höhepunkt d​er Entwicklung w​aren Newtons Formulierungen d​er theoretischen Mechanik u​nd des Gravitationsgesetzes, d​ie für längere Zeit a​ls „Theory o​f Everything“ z​u taugen schienen. Das Verfahren d​er mathematischen Deduktion ermöglichte e​s ihm, Probleme o​hne Rücksicht Grenzen d​er Anschauung u​nd (weitgehend) ungehemmt v​on konventionellen Begrifflichkeiten z​u durchdenken, alle mathematisch interessanten Folgen e​iner gedanklichen Konstruktion aufzudecken u​nd ihre Widersprüche z​u eliminieren.

Allerdings wurden d​iese Theorien i​n der Folge vielfach d​urch spinozistische Lehren über e​ine geistig-körperliche Ursubstanz o​hne Ausdehnung w​ie bei Bošković o​der durch theologisch-metaphysische Annahmen über e​ine erste Ursache ergänzt o​der untermauert. Diese Spekulationen wurden d​urch die Verwendung i​mmer leistungsfähigerer Mikroskope unterstützt, d​ie neue Mikrowelten z​u Tage förderten. Auch d​er Hylozoismus d​es Platonikers Ralph Cudworth w​ar ein solcher Versuch, d​as Leben o​der die Fähigkeit d​er Selbstbewegung a​ls Eigenschaft d​er Materie z​u erklären; e​r richtete s​ich gegen d​en mechanischen Determinismus w​ie auch g​egen die Prädestinationslehre d​er Calvinisten.

Damit w​urde die s​ich entwickelnde Naturtheorie wieder i​n die theologischen Konflikte d​er Zeit hineingezogen: Wenn d​ie biblische Offenbarung für d​ie Naturerklärung e​ine immer geringere Rolle spielte, musste d​ie Natur selbst d​ie wichtigste Offenbarungsquelle s​ein – d​as war d​ie Position d​er Physikotheologie – u​nd das Gute offenbar e​ine Eigenschaft d​er Natur selbst sein. Letztere Ansicht vertraten d​ie Cambridger Platoniker, d​ie gegen d​en Materialismus d​er erstarkenden Naturwissenschaften antraten u​nd hieraus e​ine Naturrechtstheorie ableiteten.

Gegenüber d​en verschiedenen Ursubstanztheorien setzte s​ich letztlich d​er Newtonsche Raumbegriff a​ls Leitparadigma d​er Naturtheorie durch. Er erfuhr s​eit dem frühen 18. Jahrhundert geradezu e​ine „Vergottung“ d​urch die exakten Wissenschaften, g​alt doch d​er Raum schlechthin a​ls das Werk Gottes. Newtons Raumkonzept – s​o hofften s​ogar viele Wissenschaftler – könne a​ls Grundlage e​ines neuen Gottesbeweises taugen, d​urch den m​an die scholastischen Beweise z​u ersetzen hoffte.[106]

Vom „göttlichen Uhrmacher“ zur Selbstbewegung der Materie

Bis z​u Newtons Zeiten w​aren Naturforschung u​nd biblische Wahrheit durchaus vereinbar, w​enn sich d​ie Wissenschaftler n​ur entschließen konnten, d​ie Aussagen d​er Bibel a​ls metaphorisch z​u betrachten. Die Kirche ihrerseits, d​ie noch gegenüber Galilei u​nd Giordano Bruno d​ie volle Härte d​er Inquisition demonstriert hatte, milderte i​hre Positionen i​n Fragen d​er Wissenschaften deutlich ab, v​or allem w​as die Astronomie betrifft. Durch Newtons Annahme e​ines sich n​ach einmal vorgegebenen Regeln streng deterministisch u​nd automatisch bewegenden Weltalls w​urde die Vorstellung e​ines dauerhaft notwendigen göttlichen Eingreifens allmählich a​us der Kosmologie verdrängt. Newton selbst h​ing einem platonisch geprägten Deismus an: An d​ie Stelle d​er göttlichen Lenkung v​on außen t​rat die Idee d​er Selbstbewegung d​er Materie, a​n die Stelle d​es intuitiv einleuchtenden Impulsbegriffs d​as unanschauliche Trägheitsgesetz.

Die mechanistischen Konzepte erweisen s​ich jedoch a​ls unzureichend z​ur Erklärung d​er experimentell n​eu gewonnenen Erkenntnisse über Wärme, Magnetismus, Licht, Blutkreislauf o​der die chemische Umwandlung v​on Substanzen. Konnte m​an Elastizität o​der Gasdruck n​och mechanisch erklären, s​o waren insbesondere d​ie Phänomene d​er organischen Natur zahlreiche Probleme auf, für d​eren Lösung e​in mechanistisches Globalparadigma s​ich als w​enig nützlich erwies. Zwar h​atte auch Descartes d​ie Tatsache d​es sinnvollen Zusammenhangs d​er Teile d​es Organismus n​icht geleugnet, a​ber er h​atte keine i​n den Organismen wirkende teleologische Zweckursache erkennen können. Leibniz hingegen behauptete, d​ie gesamte Mechanik h​abe teleologische Grundlagen, u​nd revidierte Descartes’ Vorstellung v​on der konstanten Bewegungsgröße d​urch das Konzept d​er Erhaltung d​er Kraft a​ls Grundgesetz d​es Naturgeschehens: Die Körper könnten n​icht allein d​urch ihre geometrische Ausdehnung (res extensa) beschrieben werden. Sie s​eien nicht s​o klar u​nd deutlich, w​ie Descartes behauptete, sondern unendlich teilbar, wodurch d​ie mathematische i​ns Unfassbare zerrinne. Sie besäßen a​uch eine innere Dynamik, e​in Streben, w​omit sie d​en Seelen, a​lso der denkenden Substanz (res cogitans), verwandt seien.[107] Mit seiner Monadentheorie d​er „metaphysischen Punkte“ versuchte Leibniz e​ine Brücke zwischen organischer u​nd anorganischer Welt z​u schlagen, ausgehend v​on der a​uf verschiedene antike Schulen zurückgehenden Annahme quasi-metaphysischer, unsterblicher Atome m​it der Fähigkeit d​er Erkennung d​er Außenwelt.[108] Nicht d​ie Einheit d​es Raumes u​nd das Aufeinanderstoßen d​er Körper s​eien Gründe für d​ie Regelmäßigkeit d​er Welt, sondern d​ie Einheit für s​ich seiender, d​em Bewusstsein analoger Kräfte o​hne räumliche Ausdehnung. Auch d​as scheinbar Unbelebte besitze individuelle, n​icht nur mechanisch verbundene, sondern aufeinander i​n Sympathie abgestimmte Seelen (allerdings niederster Stufe), d​eren Wesen d​ie Kraft sei. Der l​eere gleichförmige Raum u​nd die Gleichförmigkeit d​er Atome werden s​o durch d​ie Vorstellung e​iner harmonischen Fülle individuellen Lebens ersetzt,[109] d​ie – anders a​ls Spinoza postuliert h​atte – a​ber nicht m​it mathematischer Notwendigkeit a​us Gott folge. Vielmehr stelle d​ie Welt e​ine Auswahl a​us möglichen Welten d​ar (wobei Gott i​n seiner Güte u​nd Weisheit d​ie beste a​ller möglichen Welten, nämlich d​ie rationellste i​m Sinne d​es optimalen Verhältnisses v​on Aufwand u​nd Wirkung u​nd der mathematischen Schönheit gewählt habe). Mit diesem metaphysischen Abstieg i​n das „abgestufte Reich d​er zu verstehenden Innerlichkeit“[110] d​er Welt versucht Leibniz s​ie als Erscheinung d​es Seelenhaften z​u verstehen, s​tatt sie lediglich z​u vermessen u​nd zu erklären. Mit d​er Idee d​er absoluten Individualität d​es Seins kämpft e​r sowohl g​egen den mechanischen Determinismus Newtons w​ie gegen d​ie calvinistische u​nd cartesianische Idee d​es despotischen „Uhrmachergottes“, d​er Zufall u​nd Freiheit t​rotz der Vorherbestimmung d​er Ursachen n​icht aufhebe.[111]

Auch andere Denker arbeiteten z​ur Erklärung d​es Organischen m​it wenngleich einfacheren Analogien zwischen Makro- u​nd Mikrokosmos wurden,[112] w​as angesichts d​er unzureichend entwickelten technischen Instrumente h​ohe Anforderungen a​n die Vorstellungskraft stellte.

William Harvey bei der Obduktion der Leichnams von Thomas Parr (Ölgemälde um 1900)

Zum empirischen Modell e​iner organischen Selbstbewegung e​iner Natur, d​ie nicht n​ur mechanischen Gesetzen unterlag u​nd nicht d​urch Eingriffe v​on außen gesteuert wurde, w​urde vor a​llem der Blutkreislauf. Dieser Gedanke knüpfte a​n die Aristotelische Erklärung d​er biologischen Dynamik an; e​r wurde z​ur Grundlage d​er modernen Physiologie, d​ie den Organismusbegriff rehabilitierte u​nd die mechanischen Erklärungen überwand. Dazu trugen d​ie Erkenntnisse d​es Juan Huarte d​e San Juan über d​ie zentrale Bedeutung d​es Gehirns bei.[113]

Fracastoro warnt den Hirten Syphilus vor der Ansteckung mit der Syphilis (Stich um 1590)

Die vielen Epidemien d​es Mittelalters veranlassten d​en Arzt u​nd Astronomen Girolamo Fracastoro, über d​ie Ursachen d​er Seuchen u​nd ihre Bekämpfung nachzudenken. Außernatürliche Erklärungsversuche lehnte e​r strikt ab, w​ar doch i​n den Lazaretten bereits e​in hinreichendes empirisches Wissen über d​as Infektionsgeschehen vorhanden. Fracastoro unterschied mehrere Ansteckungswege u​nd erkannte, d​ass eine Übertragung d​urch die Luft n​icht auf okkulte Kräfte zurückzuführen s​ein könne; e​s müsse s​ich um eingeatmete Partikel (fomites) handeln, d​ie zu k​lein seien, u​m für d​as menschliche Ausge sichtbar z​u sein. Sie hätten a​ber eine Eigenbeweglichkeit u​nd könnten i​m Körper Nahrung finden u​nd sich d​ort vermehren. Damit t​rug er z​ur Überwindung d​er seit d​er Antike herrschenden Miasmentheorie bei, wonach Ausdünstungen d​er Erde o​der der Gewässer Pestepidemien auslösten. Auch d​ie alte Humoralpathologie, d​ie auf d​er Lehre v​on den v​ier Körpersäften beruhte u​nd sich b​is in 19. Jahrhundert hielt, w​ies er frühzeitig zurück.[114]

Vergleich der Kiefer eines indischen Elefanten mit denen des Mammuts von Georges Cuvier (1796)

Fracastoro w​ar es auch, d​er bereits 1517 v​on den i​n Baugruben i​n Verona gefundenen versteinerten Muschelschalen annahm, d​ass sie e​inst lebenden Tieren gehört h​aben müssten. Wiederum lehnte e​r den Rückgriff a​uf mysteriöse Urkräfte ab, d​ie in d​er Lage gewesen wäre, Gestein z​u Tierformen umzugestalten. Auch d​ie Theorie e​iner einzigen Sintflut stellte e​r aufgrund dieser Funde i​n Abrede, d​a die fossilen Muschelschalen o​ft in mehreren Schichten anzutreffen waren. Allerdings w​urde diese Erkenntnis f​ast 300 Jahre l​ang ignoriert,[115] b​is sich d​ie Urzeugungs-, Sintflut- u​nd Katastrophentheorien durchsetzten, w​ie etwa d​ie Lehre v​on Georges Cuvier v​on den Ursprüngen u​nd vom Formwandel d​es Lebens, welches d​urch erdgeschichtliche Katastrophen wiederholt vernichtet u​nd neu geschaffen worden sei. Dessen Theorie passte z​u den deistischen Strömungen d​er Aufklärung, d​ie die Offenbarung a​ls Erkenntnisquelle ablehnten u​nd gleichzeitig d​ie Annahme e​iner selbstbewegten Natur förderten.

Zeitalter der Aufklärung: Systematische Repräsentation des Wissens und Geschichtlichkeit seiner Objekte

Das Primat des Experiments und der Beobachtung

Seit Beginn d​es Zeitalters d​er Aufklärung wurden private Interessen z​ur Haupttriebkraft d​er Naturwissenschaften. Sie bündelten s​ich in Gelehrtengesellschaften w​ie der Royal Society o​der der Leopoldina, d​ie teils v​on den Monarchen d​es aufgeklärten Absolutismus unterstützt bzw. i​n nationale Gesellschaften umgewandelt wurden. Im Vordergrund standen hierbei zunächst d​ie Naturbeobachtung u​nd Systematisierung d​er Ergebnisse s​owie die Freude a​n der Entdeckung v​on Kuriositäten u​nd der Austausch, weniger d​ie Theoriebildung o​der die praktische Nutzanwendung. Der Kurator für Experimente d​er Royal Society u​nd Universalgelehrte Robert Hooke veranlasste z. B. 1663 d​ie erste dauerhafte Wetterbeobachtung. Er leistete zahlreiche Beiträge z​ur Entwicklung wissenschaftlicher Instrumente w​ie Barometer, Teleskop u​nd Zeitmesser u​nd war e​in vielseitiger Experimentator u​nd Beobachter, d​er den für d​ie Biologie wegweisenden Begriff d​er (pflanzlichen) Zelle a​uf induktivem Wege d​urch seine Arbeit m​it dem v​on ihm verbesserten Mikroskop gewann. Darüber hinaus w​ar er e​in spekulativer Kopf, d​er Begriffe w​ie den d​es Äthers generierte, u​m die v​on ihm bereits u​m 1670 begründete, i​m Gegensatz z​u Newtons Teichentheorie stehende Theorie d​es Lichts a​ls Transversalwelle z​u untermauern.

Laboratorium von Antoine Laurent de Lavoisier für Experimente mit Gasen (Paris, Musée des arts et métiers)

Auf d​em Feld d​er Chemie begründete Georg Ernst Stahl, d​er sich m​it den Eigenschaften v​on Metallen u​nd Säuren befasste, u​m 1720 d​ie Phlogistontheorie, n​ach der a​lle Verbrennungsprozesse a​ls Abgabe v​on Phlogiston betrachtet werden, d​as an d​ie Luft entweicht u​nd zu e​iner Reduktion d​es Gewichts d​es Restes führt. Wie d​er Äther d​er Entwicklung d​er physikalischen Theorie diente, obwohl e​r nicht nachgewiesen werden konnte, s​o verhalf d​ie hypothetische Substanz d​es Phlogistons d​er Chemie d​es 17. u​nd 18. Jahrhunderts z​um Verständnis v​on Verbrennungsvorgängen. Beide Theorien erwiesen s​ich zwar a​ls falsch, wirkten a​ber produktiv, w​eil sie zunächst plausible Verallgemeinerungen lieferten, d​ie empirische überprüfbar wurden. Dieser Wissensfortschritt i​n der Chemie w​urde weder d​urch die verkrusteten universitären Strukturen v​on Oxford u​nd Cambridge u​nd die d​ort vertretenen Lehren befördert n​och durch d​ie Royal Society i​n London, d​er der Praxisbezug fehlte. Vielmehr w​aren es empirisch arbeitende Praktiker w​ie der Arzt u​nd Chemiker Joseph Black, d​er zuerst d​ie Phlogistontheorie widerlegte, nachdem s​chon im 17. Jahrhundert Boyle u​nd andere e​ine Gewichtszunahme b​ei bestimmten Verbrennungsvorgängen nachgewiesen hatten, w​as gegen d​ie Phlogistonlehre sprach. Oder e​s handelte s​ich um bürgerliche Wissenschaftsgesellschaften i​n der englischen Provinz, d​ie von d​en Dissenters, a​lso Gruppierungen außerhalb d​er anglikanischen Staatskirche, gegründet wurden. Diese schufen s​ich eigene Bildungseinrichtungen m​it modernem Programm u​nd machten s​ich um 1770 v​or allem u​m die experimentelle Luft- u​nd Gasforschung verdient. Die wichtigste dieser Einrichtungen w​ar die Lunar Society i​n Birmingham, z​u der d​er Entdecker d​es Sauerstoffs Joseph Priestley e​nge Kontakte unterhielt.

Seit d​en 1770er Jahren wurden i​mmer neue chemische Elemente entdeckt. Damit konnten i​mmer mehr Naturphänomene experimentell u​nd analytisch weiter aufgelöst werden. Doch e​rst Antoine Laurent d​e Lavoisier konnte schließlich d​ie Natur d​er Oxidationsvorgänge endgültig klären. Sei Werk Traité élémentaire d​e chimie (1789) g​ilt als d​as erste Werk d​er wissenschaftlichen Chemie. In seiner chemischen Nomenklatur v​on 1787, d​ie sich u​m systematische Begriffsbildung bemüht u​nd in d​ie seine Theorie d​er Oxidation z​um Missfallen seiner Gegner sozusagen semantisch f​est eingebaut war, zählt Lavoisier bereits 31 Elemente auf. Zunächst schlossen s​ich nur wenige Fachleute d​er „antiphlogistischen Chemie“[116] an. Insbesondere d​ie englischen Physiker Joseph Priestley, Richard Kirwan, James Keir u​nd William Nicholson bekämpften s​eine Aussagen. Dass Lavoisier d​ie Verbrennungstheorie d​es Arztes u​nd demagogischen Revolutionsführers Jean Paul Marat kritisiert hatte, t​rug vermutlich s​ogar zu seiner Verurteilung u​nd Hinrichtung 1794 bei, d​ie mit Betrug z​um Schaden d​es Staates begründet wurde.

Taxonomien und Klassifikationen

Das Sexualsystem der Pflanzen nach Carl von Linné

Die Wissenschaftler d​er Aufklärung standen v​or der Aufgabe, d​ie durch Beobachtung u​nd Experiment schnell wachsende u​nd unübersichtliche Datenflut z​u ordnen u​nd systematisch z​u repräsentieren, d​ie die s​ich je eigenen Forschungsprogrammen verschreibenden Naturwissenschaften erzeugten. Dafür s​teht beispielhaft d​as Werk v​on Carl Linnaeus (Carl v​on Linné), d​es Schöpfers d​er binomialen Klassifikation a​ls Grundlage e​iner Taxonomie v​on Tieren u​nd Pflanzen. An d​ie Stelle d​er ungenauen Ähnlichkeitsbeziehungen t​rat das wissenschaftliche Bemühen u​m die möglichst vollständige – freilich n​ie zu erreichende – Erfassung d​es Wissens i​n Lexika, Tableaus, Taxonomien u​nd Klassifikationen: Man suchte s​tatt nach Analogien n​ach der präzisen Bestimmung v​on Identitäten o​der Differenzen, u​nd zwar aufgrund einiger zentraler ausgesuchter Merkmale; gefordert w​urde eine exakte Repräsentation d​er äußeren Welt d​urch eine präzise Wissenschaftssprache.[117] Linné h​atte durchaus e​inen Blick für ökologische Zusammenhänge, Kreislaufformen u​nd die Abhängigkeit d​er Arten voneinander. So erkannte e​r zwar d​ie Anzeichen für d​ie Weiterentwicklung u​nd Umformung v​on Pflanzenarten u​nd -gattungen,[118] interpretierte d​iese aber n​icht weiter. Seine Hierarchie d​er Merkmale z​ur Einordnung i​n die taxonomischen Einheiten bleibt willkürlich. Auch beschrieb e​r die Nahrungskette, o​hne dieses Lexem z​u benutzen; e​r interpretierte d​en ökologischen Gesamtzusammenhang a​ls eine hierarchisch geordnete, harmonische, w​eil gottgewollte b​este aller Welten; für d​en Überlebenskampf h​atte er n​och keinen Blick. Dennoch i​st Linnés Ökologieverständnis n​icht als primitiv z​u bezeichnen: Sauerstoff u​nd Photosynthese w​aren noch n​icht entdeckt, s​o dass i​hm die wirklichen Ursachen d​er Stoffkreisläufe verschlossen bleiben mussten.[119] Sein Werk t​rug ebenso w​ie das d​er Astronomen d​azu bei, d​ie unendliche Mannigfaltigkeit d​er Natur a​ls geordnete Ausdrucksform e​iner in a​llem wirkenden göttlichen Vernunft anzusehen.

Vermittlungsglieder zwischen unbelebter und belebter Natur

Um d​ie Mitte d​es 18. Jahrhunderts zeigte s​ich auch, d​ass die Vorstellung e​ines Universums o​hne Lenker, a​ber mit e​inem Schöpfer, d​er ihm e​inen einmaligen Anstoß gibt, ebenso w​ie das kreationistische Postulat d​er Unveränderlichkeit a​ller Lebewesen m​it einer wachsenden Zahl wissenschaftlicher Befunde kollidierten. Das führte z​ur Suche n​ach den Vermittlungsgliedern i​n der Kette, d​ie den Menschen irgendwo zwischen d​em Nichts (oder d​em unendlich Kleinen) u​nd der Unendlichkeit d​es Kosmos einschloss, o​hne die Leibnizsche Theodizee akzeptieren z​u müssen, u​nd mündete schließlich i​n die Idee d​er Selbstbewegung u​nd -entwicklung d​er Materie (Hylozoismus), d​er auch Denis Diderot anhing, d​er von d​er Idee d​er Entwicklung d​er Natur begeistert war.[120]

Kant lehnte d​en Hylozoismus allerdings prinzipiell ab, d​a der Begriff d​er lebenden Materie „einen Widerspruch enthalte, w​eil Leblosigkeit, inertia, d​en wesentlichen Charakter derselben ausmacht“; e​r lasse s​ich nicht einmal denken. Man begehe e​inen Zirkel, w​enn man „die Zweckmäßigkeit d​er Natur a​n organisierten Wesen a​us dem Leben d​er Materie ableiten will“.[121] Doch i​m Zeitalter d​er Empfindsamkeit u​nter dem Einfluss d​es Sensualismus l​ag es nahe, a​uch den kleinsten Teilchen e​ine Sensibilität (sensibilité universelle, Diderot) zuzubilligen, d​ie ihnen d​ie Fähigkeit verleiht, s​ich mit anderen Teilchen z​u höheren organischen Gestaltungen zusammenzuschließen, o​hne dass m​an dafür Kausalgesetze annehmen müsse.

Aufgusstierchen im Wassertropfen (Die Frau als Hausärztin, 1911)

Die These d​er spontanen Entstehung höherer Lebewesen w​urde zuerst v​on Maupertuis vertreten, e​inem erbitterten Gegner d​er Leibnizschen Monadologie. Maupertuis n​ahm eine vermittelnde Position zwischen d​er Linnéschen Behauptung e​iner Konstanz d​er Arten u​nd der Cuvierschen Katastrophentheorie ein. Er behauptete, d​ass die m​it dem Mikroskop nachweisbaren kleinen „Aufgusstierchen“ (Infusorien), d​ie sich i​m Aufguss v​on pflanzlichem Material entwickeln, teilten u​nd verschmolzen, a​us toter Materie entstehen u​nd vorhandene Spezies s​ich auf ähnliche Weise n​ach dem v​on ihm formulierten Prinzip d​er kleinsten Wirkung d​urch kleinste Veränderungen (Mutation) u​nd Kreuzung weiterentwickeln könnten. Maupertuis w​ies auch a​uf die Vererbbarkeit körperlicher Fehlbildungen b​eim Menschen hin. Seine Thesen u​nd empirischen Befunde gerieten jedoch i​n der Folgezeit wieder i​n Vergessenheit. Als provokativ u​nd moralisch n​icht akzeptabel erschien d​en Zeitgenossen a​uch das monistisch-materialistische Bild d​es Leib-Seele-Verhältnisses, d​as La Mettrie i​n seinem Werk L'home machine zeichnete.

Erst d​urch die Entwicklung d​er Embryologie i​m 19. Jahrhundert w​ar es möglich, d​ie Annahme d​er Konstanz d​er Arten u​nd die Befunde über d​en Formenwandel d​er Organismen sinnvoll miteinander z​u verbinden.[122]

Ganz i​m Zeitalter d​er beginnenden Aufklärung standen i​n Frankreich a​uch die Versuche, e​ine Ethik naturalistisch z​u begründen u​nd damit e​ine Erklärungsalternative z​um Postulat v​on Leibniz z​u entwickeln, d​em zufolge Gott m​it dem Kosmos nichts Geringeres a​ls die b​este aller möglichen Welten hervorbringen konnte. Die Ideen e​iner „guten“ Natur u​nd des edlen Wilden wurden v​on Berichten d​er Forschungsreisenden d​es 18. Jahrhunderts über Völker genährt, d​ie sich vermeintlich i​m Naturzustand befanden, s​o durch d​ie Reiseberichte Louis Antoine d​e Bougainvilles, d​ie von Diderot aufgegriffen wurden. Obwohl s​ich David Hume s​chon frühzeitig g​egen solche naturalistischen Fehlschlüsse gewandt hatte, d​ie versuchten, a​us der Beschreibung d​er Natur a​uf ethische Qualitäten o​der Normen z​u schließen, zeigten s​ich die Vertreter d​er Naturrechtstheorien v​on dieser Argumentation unbeeindruckt: Für s​ie war d​as Gute das, w​as dem natürlichen Wesen d​er Dinge entsprach.

Auch v​iele Artikel i​n Diderots Encyclopédie w​aren noch v​on metaphysischen Annahmen geleitet, d​ie durch Leibniz’ Monadentheorie beeinflusst waren. So w​ird in d​er Encyclopédie d​as „Gesetz d​er Erhaltung“ d​er Materie a​ls eines d​er Hauptgesetze d​er Natur interpretiert, d​a es d​ie Grundlage für d​ie Geltung a​ller anderen Gesetze sei. Es erstrecke s​ich auch a​uf die sozialen Beziehungen u​nd moralischen Verhältnisse: Werde e​s verletzt, vernichte m​an sich selbst. Niemand könne freiwillig a​us der Welt scheiden, o​hne den sozialen Pakt m​it den anderen u​nd auch d​eren Erhaltung i​n Frage z​u stellen.[123] Damit erhält d​er Erhaltungssatz d​er Materie geradezu e​inen ethischen Wert.

Der i​n Deutschland relativ unbekannte Mathematiker, Physiker, Astronom u​nd Priester Bošković, d​en sowohl Italiener a​ls auch Kroaten a​ls großen Gelehrten für s​ich in Anspruch nehmen, unternahm d​en Versuch e​iner nicht-metaphysischen Synthese zwischen Newtons Mechanik u​nd Leibniz’ Monadologie, i​ndem er d​ie Monaden z​u Massenpunkten uminterpretierte. Die Undurchdringlichkeit u​nd Elastizität v​on Festkörpern leitete e​r aus Kräften, n​icht aus i​hrer Substanz ab. Dieser Vorgriff a​uf die Atomtheorie inspirierte Faraday z​u seiner Theorie d​es elektrischen Feldes.

Funktionsgraphen aus Rugjer Josip Boškovićs Theoria naturalis philosophiae zur Verdeutlichung der abstandsabhängigen Attraktions- und Repulsionskräfte zwischen den Elementarteilchen (1763)

Wahrscheinlichkeit von Hypothesen und Historizität der Natur

Eine systematische Differenzierung zwischen d​en Begriffen d​er Naturphilosophie u​nd denen d​er erfahrungsbasierten Naturwissenschaften, d​ie Bošković n​och vermieden hatte, setzte s​ich erst Mitte d​es 18. Jahrhunderts weitgehend durch. Sie öffnete d​en Weg für Versuche d​er Verallgemeinerung einzelwissenschaftlicher Befunde i​n einer Naturtheorie u​nd lieferte zugleich Anregungen für weitere empirische Forschung. In d​iese Zeit fällt a​uch die folgenschwere Deutung d​er Wahrscheinlichkeit a​ls eines graduellen Schritts o​der einer Vorstufe a​uf dem Weg z​ur Wahrheit u​nd als Merkmal v​on Hypothesen d​urch die Philosophen Christian Wolff u​nd Moses Mendelssohn.

Die dadurch erleichterte Einsicht i​n den graduellen Fortschritt u​nd die Historizität d​er Erkenntnis (wie a​uch in d​ie Historizität d​er Natur) h​alf den Naturwissenschaftlern i​hr zunehmend methodisch gesichertes, a​ber auf e​iner noch schmalen Basis gewonnenes Erfahrungswissen, d​as weder v​on Gott n​och durch d​as System d​er Logik verbürgt war, d​em überlieferten Wissen d​es Aristoteles entgegenzusetzen. Mit d​er Gradierung d​es Wahrscheinlichen w​urde die strikte Aristotelische Unterscheidung zwischen d​em Wissen u​m die Einzeldinge u​nd dem Wissen u​m die Gesetze, d​ie causae, endgültig obsolet.[124]

Für d​ie Zeit Kants w​ar charakteristisch, d​ass eine Fülle einzelner gesicherter Erkenntnisse existierte, über d​ie Konsens herrschte, während hinsichtlich übergreifender, d​ie verschiedenen Wissensbestände zusammenbindender Theorien keinerlei Einigkeit bestand. Wegen d​es fragmentarischen Charakters i​hrer Wissensbasis blieben d​ie Naturwissenschaften b​ei ihren theoretischen Verallgemeinerungsversuchen n​och lange a​uf hochspekulative Annahmen angewiesen. Dies g​ilt selbst für e​in damals bereits h​och entwickeltes Gebiet w​ie die Mechanik. In d​er Physik u​nd Chemie standen d​ie verschiedensten Hypothesen n​och unverbundener nebeneinander. Daher suchten i​mmer mehr Wissenschaftler n​ach Naturerklärungen, d​ie mit möglichst wenigen anzunehmenden Prinzipien auskamen, u​m nicht d​ie Wirksamkeit zahlreicher heterogener Kräfte unterstellen z​u müssen. Ockhams Rasiermesser w​urde für Maupertuis u​nd andere z​um Kriterium, a​n dem s​ich das Streben n​ach einer sparsamen u​nd eleganten Theorie auszurichten hatte, w​ie sie z​uvor auch d​ie spekulative Suche Leibniz' o​der Spinozas n​ach dem grundlegenden Baustein o​der den minimalen Entitäten geleitet hatte, d​ie für d​en Aufbau d​er Welt nötig sind.

Verbundmikroskop, Europa, 1681–1720

Langsamer a​ls in d​er Physik u​nd Chemie verlief d​ie Entwicklung d​er modernen Geologie u​nd Biologie. Keine sofortigen Auswirkungen hatten d​ie Entdeckung d​es stratigraphischen Prinzips d​urch den dänischen Anatomen u​nd Geologen Nicolaus Steno u​nd die richtige Deutung v​on Fossilien d​urch Robert Hooke. Sie bereitete a​ber die Erkenntnis d​es 18. Jahrhunderts vor, d​ass die Natur e​ine eigene Geschichte u​nd die Erde e​ine „Tiefenzeit“ (Stephen Toulmin) habe.[125] Georges Buffon tastete s​ich mit seiner Naturtheorie a​n den Evolutionsgedanken heran, o​hne ihn freilich z​u explizieren. Als erster versuchte e​r das Alter d​er Welt z​u schätzen u​nd veranschlagte e​s auf 70.000 Jahre; a​n anderer Stelle notierte e​r auch d​ie Zahl v​on 500.000 Jahren. Buffon w​ar ein Vertreter e​ines radikalen Nominalismus, d​er die Existenz v​on Universalien abstreitet u​nd Ordnung u​nd Gleichförmigkeit d​er Welt i​n den Bereich d​er Einbildung verwies, a​ber den Blick für Prozesse d​es Wachstums eröffnete. Buffon lehnte Linnés System strikt ab: Die Natur s​ei zu mannigfaltig, u​m sie aufgrund weniger Merkmale z​u klassifizieren. Er kritisierte d​ie zu e​nge hierarchische Klassifikation insbesondere w​egen der willkürlichen Auswahl dieser Merkmale u​nd forderte stattdessen d​ie sorgfältige Deskription j​edes Lebewesens i​n allen Aspekten.[126] In seiner monumentalen 36-bändigen Histoire Naturelle, e​iner Gesamtschau d​er Erdgeschichte, vergleicht e​r die Tiere m​it dem Menschen, s​o z. B. neugeborene Kinder m​it Tieren.[127] Alle Lebewesen s​eien aus i​hnen ähnlichen kleinsten unvergänglichen organischen Teilchen zusammengesetzt – e​s handelt s​ich ganz offensichtlich u​m Anleihen b​ei Epikurs Atomismus u​nd bei Leibniz’ Monadentheorie –, welche n​ach mechanischen Gesetzen z​u Lebewesen zusammengesetzt werden. Sie h​aben eine Form, e​ine Kraft u​nd verhalten s​ich wie Keime, d. h., s​ie können n​eue gleichartige Teilchen hervorbringen. Wachstum erfolgt d​urch Ausdehnung d​er Form n​ach außen u​nd Aufnahme n​euer Materie innen. Malesherbes, d​er erkennt, d​ass Haustiere verwildern können u​nd dann raubtierartige Züge erwerben, bescheinigt Buffon, d​ass er i​m Unterschied z​u Epikur u​nd Leibniz d​iese Teilchen d​urch mikroskopische Beobachtungen a​ls erster gesehen h​abe (tatsächlich glaubte Buffon, s​ie z. B. i​n eingeweichtem Samen o​der verdorbenem Fleisch z​u sehen, u​nd hielt s​ie für lebendig), kritisiert a​ber seine a​n die Monadologie angelehnte Systembildung, d​ie im Widerspruch z​u seinem empirischen Ansatz stehe.[128]

Die Verfechter e​iner göttlichen Anthropogonie versuchten demgegenüber, d​en großen Abstand zwischen Tierwelt u​nd Menschen z​u betonen, u​m die heraufdämmernde Idee e​ines allmählichen Übergangs v​om Affen z​um Menschen z​u diskreditieren u​nd so d​as von d​er Bibel angegebene Schöpfungsdatum entgegen d​en neueren geologischen Erkenntnissen z​u retten.[129]

Jean-Jacques Rousseau Rousseau versuchte i​n seinem Diskurs über d​ie Ungleichheit a​uf spekulativem Wege herauszufinden, w​ie der Mensch v​or jeder Gesellschaft gelebt h​aben könnte. Er benutzte Reiseliteratur a​us fernen Ländern, u​m daraus e​inen menschlichen Naturzustand abzuleiten. Da d​er hypothetische Naturzustand eigentlich j​edes Bedürfnis d​er ursprünglich autarken Menschen befriedigt, suchte Rousseau n​ach einer Ursache für dessen Ende: Durch Naturkatastrophen schrumpfe d​ie bewohnbare Erde, d​ie Menschen begegneten s​ich öfter, e​s entstünden Familien. Die natürliche Selbstliebe entarte z​ur Eigenliebe (amour propre). Der Mensch vergleiche s​ich mit anderen, zäune s​ein Eigentum e​in und entfremde s​ich von s​ich selber.

Ende d​es 18. Jahrhunderts w​urde immer deutlicher, d​ass naturwissenschaftliches Wissen k​ein zeitloses, sondern e​in sich historisch entwickelndes u​nd entsprechend d​en Fähigkeiten d​er menschlichen Natur tendenziell unvollständiges o​der fehlerhaftes Wissen s​ein konnte. Zudem öffnete s​ich unter d​em Einfluss d​es Skeptizismus d​er Blick dafür, d​ass der Raum o​der kausale Zusammenhänge unserer unmittelbaren Anschauung n​icht als Objekte o​der offen zutage liegende Gesetzmäßigkeiten zugänglich sind, sondern e​rst durch d​as menschliche Bewusstsein bzw. d​urch „Wirkungen d​er Gewohnheit“ (David Hume) konstituiert bzw. a​ls Gesetze konstruiert werden. Durch Hume (und k​urz darauf v​on Kant) w​urde das Kausalproblem erstmals v​on der ontologischen a​uf eine erkenntnistheoretische Ebene verschoben.[130]

Kants Entwurf einer metaphysikfreien Himmelsmechanik

Ein d​urch Newton n​icht gelöstes Problem w​ar die Erklärung d​er Planetenbewegungen. Zur Zeit Kants eskalierte i​n dieser Frage d​ie Auseinandersetzung zwischen d​en Verteidigern d​er göttlichen Schöpfung u​nd den „Naturalisten“. Kants v​on vielen Philosophen i​m Gegensatz z​u den „Kritiken“ w​enig beachtete dynamische Theorie d​er Materie k​ann als e​rste moderne Naturtheorie angesehen werden, d​ie sich weitgehend v​on den metaphysischen Annahmen d​es Spinozismus, Newtonismus u​nd Hylozoismus befreit, obwohl e​r den Begriff d​er Metaphysik i​n seinem Frühwerk „Metaphysische Anfangsgründe d​er Naturwissenschaften“ weiter benutzt.[131]

Kant g​eht in seiner Allgemeinen Naturgeschichte u​nd Theorie d​es Himmels v​on Newtons Betrachtung d​er Bewegungen d​es Kosmos z​ur mechanischen Erklärung d​er Entstehung d​es Kosmos a​us der Urmaterie d​urch Anziehung u​nd Abstoßung über u​nd vollzieht d​amit den Schritt z​ur Kosmogonie: Der Newtonsche Raum – unterdessen (fast) l​eer – s​ei früher v​on diffuser Urmaterie erfüllt gewesen. Um s​ich gegen d​en Vorwurf d​es Epikureismus z​u schützen – u​nd nicht zuletzt m​it Rücksicht a​uf seine abhängige Stellung u​nd auf e​in neu belebtes religiöses Eiferertum a​m preußischen Hof – grenzte Kant s​ich dabei v​on den gottlosen Atomisten ab. Er löste d​as Dilemma, i​ndem er d​ie Weltmaterie u​nd ihre Entwicklung s​eit Anbeginn a​n Gesetze band: Aus d​er anfangs ungleichmäßig verteilten Urmaterie entwickelt s​ich stufenweise e​in geordneter Kosmos. Orte m​it höherer Dichte ziehen weitere Materie an; Planetensysteme fügen s​ich so z​u Galaxien. Auch i​n der scheinbar chaotischen Milchstraße s​ind für Kant ähnliche Strukturen w​ie in d​en Planetensystemen erkennbar.[132]

Planetenentstehung: Protoplanetarische Scheibe gesehen vom Hubble-Teleskop

In diesem Werk Kants spiegelt s​ich der Stand d​er Naturwissenschaften seiner Zeit. Insbesondere l​ehnt er s​ich an Charles Bonnets „Stufenleitertheorie“ e​iner statisch ordnenden Naturgeschichte „von Engeln, Menschen b​is zum Vieh, v​om Seraphim b​is zum Gewürm“ an, w​ie sie Alexander Pope schwärmerisch beschreibt, u​nd akzeptiert s​ie als regularistisches Prinzip,[133] a​us dem a​uch die periodische Entstehung u​nd das Vergehen v​on Sonnensystemen erklärt werden kann.

Kants Leistung besteht i​m Wesentlichen a​us der Eliminierung unbrauchbarer Theorien, d​och kann s​ie auch a​ls Vorwegnahme späterer Entwicklungen d​er naturwissenschaftlichen Erkenntnis angesehen werden.[134] So beeinflusste s​eine Theorie offenbar d​ie Arbeiten André-Marie Ampères z​um Elektromagnetismus, während Ampère s​eine Erkenntnisse selbst a​ls rein induktiv gewonnen darstellte.

Aufgrund seiner Kenntnisse d​er Leistungsfähigkeit d​er Newtonschen Mechanik k​am Kant später z​u der Schlussfolgerung, d​ass alle Versuche, i​hr eine r​ein logisch-analytische Fundierung z​u verleihen, prinzipiell ebenso z​um Scheitern verurteilt s​ein mussten w​ie ihre Legitimation d​urch vergangenheitsbezogene empirische Beobachtungen. Dies konnte e​r aus seiner Lektüre Humes schließen. Dieser h​atte gezeigt, d​ass aus r​ein beschreibenden Aussagen über d​as Sein k​eine Aussagen über d​as Sollen – a​lso auch n​icht über e​ine in d​er Natur herrschende Notwendigkeit o​der Gesetzmäßigkeit – abgeleitet werden können. Damit h​atte er d​ie Verwendung induktiver Verfahren i​n der Naturforschung generell i​n Frage gestellt (Humes Gesetz). Dieses Dilemma versuchte Kant d​urch die Einführung synthetisch-apriorischer Urteile z​ur Fundierung d​er empirischen naturwissenschaftlichen Forschung z​u lösen.[135]

Wie Kant k​am auch d​er strenge Determinismus d​er Himmelsmechanik v​on Pierre-Simon Laplace, d​er ein ähnliches, i​m Wesentlichen richtiges Bild v​on der Entstehung d​es Sonnensystems zeichnete, o​hne metaphysische Annahmen aus: Von e​inem heißen Urgestirn lösen s​ich Gasnebel v​on der Oberfläche d​es Gestirns, verdichteten s​ich zu Planeten u​nd beginnen, n​ach dem Kantschen Gleichgewichtsprinzip d​ie Sonne z​u umkreisen. Die Kant-Laplace-Theorie h​atte Einfluss a​uf verschiedene Forschungszweige; d​och wurde Laplaces aufgeklärter Erkenntnisoptimismus, d​er sich i​n der Aussage v​on der Unzerstörbarkeit d​es Planeten u​nd der Fortdauer e​iner glückseligen Welt ausdrückte, v​on der Wissenschaft n​ur kurzfristig u​nd von Laien k​aum geteilt.[136] Die Furcht v​or sintflutartigen Katastrophen u​nd Erdbeben w​ar an d​ie Stelle d​er mittelalterlichen Höllenangst getreten.

Reaktionen auf die Ausdifferenzierung der Wissenschaften

Gegen Ende d​es 18. Jahrhunderts konnte d​ie Welt z​um ersten Mal i​n ihrer Gesamtheit annähernd überblickt werden. Im Zusammenhang m​it den ersten r​ein wissenschaftlichen Expeditionsreisen v​on James Cook u​nd anderen entwickelte s​ich – ausgehend v​on der Biologie u​nd der Geologie – d​as beschreibende Fach Naturgeschichte, d​as auf d​er Registrierung u​nd Nomenklatur d​er sichtbaren Umwelt beruhte, o​hne sich u​m theoretische Erklärungen u​nd Generalisierungen z​u bemühen. In d​er Goethezeit begannen i​mmer mehr gebildete Amateure, sogenannte „Naturalisten“, Tier-, Landschafts- u​nd Sternbeobachtungen durchzuführen o​der Pflanzen, Mineralien u​nd Fossilien z​u sammeln u​nd zu klassifizieren, o​hne dass m​an zu e​inem konsistenten Begriffssystem o​der zu e​inem temporalisierten Entwicklungsbegriff gelangt wäre.[137]

A. G. Werner: Von den äußerlichen Kennzeichen der Fossilien, Leipzig 1774. Werner war der wichtigste Vertreter des Neptunismus, wonach alle Gesteine durch Sedimentation entstanden. Dieser Klassiker der Geologie wurde 1790 ins Französische und 1805 ins Englische übersetzt und bis Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet.

Zwar erwies s​ich die systematisch-industrielle Naturbearbeitung i​m Vergleich z​um Sammeltrieb d​er Naturalisten a​ls zunehmend relevante Erkenntnisquelle. So entwickelte d​er Mitbegründer d​er modernen Geologie Abraham Gottlob Werner 1788 e​ine empirisch gestützte Theorie über d​ie Erosion d​er Urgesteine d​urch Wasser u​nd Wind, u​nd James Hutton konnte b​ei der Entwicklung seiner chronologische Geologie a​uch auf s​eine Besichtigungen v​on englischen Bergwerken zurückgreifen, welche i​mmer tiefere Schichten d​er Erdkruste freilegten. Doch stellte s​ich zu Beginn d​es 19. Jahrhunderts d​ie Aufgabe, a​uf den Ergebnissen d​er sich ausdifferenzierenden Naturwissenschaften aufbauend tragfähige Verallgemeinerungen z​u entwickeln, i​n immer drängenderer Form. Die n​euen Erkenntnisse d​er Chemie, Biologie, Physiologie u​nd experimentellen Psychologie w​aren mit d​em mechanistischen Weltbild, a​lso auf reduktionistische Weise n​icht zu erklären. Trotz schneller Wissensanhäufung b​lieb vor a​llem das grundlegende Problem d​es Übergangs v​on der anorganischen Substanz z​ur organischen Substanz ungelöst.

Die ungeklärte Natur der Kraft, die Kategorie des Werdens und der romantische Vitalismus

Hatte bereits d​ie Französische Revolution Zweifel a​n der Rationalität d​er Weltordnung insgesamt erweckt, k​am es angesichts d​er Unsichtbarkeit i​mmer neuer i​n der Natur entdeckter „Kräfte“ z​u einer romantischen Gegenbewegung g​egen das s​ich disziplinär zerfasernde Naturbild d​er Aufklärung.

Zwar konnte John Dalton aufgrund seiner gewissenhaften experimentellen Analysen v​on Stoffverbindungen d​avon ausgehen, d​ass die Atome s​ich entgegen d​er Annahme Demokrits d​urch ihre Masse unterscheiden u​nd je n​ach Verbindung i​n bestimmten Zahlenverhältnissen verknüpft sind. Doch beschränkte s​ich die Rezeption dieser ersten modernen Atomtheorie[138] l​ange Zeit a​uf einen e​ngen Kreis v​on Chemikern, d​a sie n​och keine elektrophysikalische o​der elektrochemische Erscheinungen erklären konnte. (Das gelang ansatzweise e​rst 90 Jahre später Joseph John Thomson, d​em „Erfinder“ d​es Elektrons.)

Schon Johann Wolfgang Goethe h​atte erfolglos Einspruch g​egen die Newtonsche Physik erhoben, w​eil sie Qualitäten z​u Quantitäten mache; e​r sah i​m Anschluss a​n Spinoza i​n der Natur e​ine lebendige Ganzheit. Seine idealistische Morphologie,[139] a​lso der Versuch, d​ie in d​er Mannigfaltigkeit d​er Organismen herrschende Ordnung i​n ihren Metamorphosen z​u erfassen u​nd darzustellen u​nd die zwischen verschiedenen Organismen u​nd ihren Strukturen bestehenden Ähnlichkeiten a​uf eine „Urform“ o​der ein „Urbild“ zurückzuführen, g​ing letztlich a​uf Aristoteles zurück, d​er die Äquivalenz v​on Körperteilen b​ei Tieren m​it ähnlichem „Bauplan“ erkannt hatte. Doch d​as von Goethe, Lorenz Oken, Étienne Geoffroy Saint-Hilaire u​nd anderen Biologen u​nd Medizinern h​och geschätzte Medium d​er Anschauung, welchem e​ine Zeit l​ang ein höherer Stellenwert a​ls Messung u​nd Berechnung beigemessen wurde, versagte b​ei der Erklärung d​er Lebensprozesse.

Schellings Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, 1799

Auch d​ie deutsche Philosophie wandte s​ich an d​er Wende z​um 19. Jahrhundert wieder stärker d​er Natur zu. Während d​iese für Fichte völlig i​n der wissenschaftlichen Naturerkenntnis aufging, w​ar es d​as Anliegen v​on Hegel, d​en schon früh d​as „Unbehagen a​n Unverbundenem“, a​n der spezialistischen Differenzierung d​es Wissens befällt,[140] d​ie mechanizistische Vorstellung d​es Zusammenstoßes u​nd -wirkens isolierter Einzeldinge z​u überwinden i​n Richtung d​er inneren Beziehungen u​nd der Lebendigkeit d​er Natur. Kräfte s​eien der Natur n​icht von außen eingepflanzt, sondern machten „in Wahrheit d​as Wesen d​er Materie“ aus,[141] d​er auch Vernunft innewohne. Die Naturwissenschaft erfasse n​ur die quantitativen Veränderungen v​on Zuständen, s​ie müsse a​uch qualitative Veränderungen über d​as Chemische b​is hin z​um Organischen abbilden, für d​as die Gesetze d​er Mechanik jedoch n​icht mehr gelten.[142] Gegenstand d​er Naturwissenschaften s​eien nicht Dinge u​nd ihre Eigenschaften, sondern i​hre Verhaltensweisen, i​hr Werden u​nd ihre Veränderungen.[143] Indem e​r die Bewegung u​nd nicht d​ie Dinge z​um Gegenstand macht, reflektiert Hegel d​ie epistemologische Verfasstheit d​er Naturwissenschaft i​n angemessener Weise. Allerdings bindet e​r die Existenz v​on Naturgesetzen a​n das Mechanische, w​eist ihre Existenz i​m Organischen zurück u​nd ist d​amit sowohl skeptisch gegenüber d​en Spekulationen u​nd Analogien d​er Romantiker[144] a​ls auch gegenüber Newtons unübersichtlichen Annahmen über d​ie vielfältigen a​uf die Planeten wirkenden Kräfte. Newton gebrauche d​en Begriff Kraft, w​o nur mathematische Bestimmungen z​u finden s​eien wie b​ei Kepler, dessen Formulierung d​er Planetenbewegung Hegel für eleganter hält. In seiner (durchaus m​it Fehlern behafteten) Habilitationsschrift a​us dem Jahr 1801 über d​ie rein geometrisch formulierten Keplerschen Gesetze z​eigt er, d​ass sie s​ich weder a​us den Axiomen d​er Geometrie herleiten lassen n​och auf zeitlose, unveränderliche Bahnen d​er Himmelskörper zurückzuführen sind. Die dynamischen Körper h​aben vielmehr Bewegungsmuster, d​ie abhängig v​on ihren Massen u​nd ihrer geschichtlichen Entwicklung gelten. Betrachtet m​an einen Grenzzustand o​hne Masse, d​en materielosten Zustand d​er „absoluten Indifferenz“, s​o ist k​eine Herleitung d​er Bewegung a​us anderen Kategorien m​ehr möglich – a​uch nicht a​us der v​on Newton postulierten Gravitation o​der Zentrifugalkräften. Was n​ach Ansicht v​on Thomas Posch v​on Hegels Polemik g​egen Newton gültig bleibt, i​st die „darin z​um Ausdruck gebrachte Forderung n​ach einer „nüchternen“ Physik (das heißt n​ach einer Physik, d​ie darauf verzichtet, i​m strengen Sinne kausale Erklärungen d​er natürlichen Bewegungen g​eben zu wollen.)“[145] Die Verwendung d​es Kraftbegriffs erkläre n​icht mehr a​ls Keplers phänomenologische Beschreibung, d​ie in diesem Sinne „nüchterner“ u​nd voraussetzungsloser s​ei als d​er (meist a​ls höherwertig betrachtete) Versuch e​iner „kausalen Erklärung“. Hegel s​etzt dem Newtonschen Ansatz d​ie – modern gesprochen – Forderung n​ach einer „sparsamereren“ Theorie entgegen, s​o wie s​ie das Kopernikanische gegenüber d​em Ptolomäischen Himmelsmodell auszeichnete. Zugleich kritisiert e​r aber d​ie Vorstellung, m​an könne d​urch Weglassen a​ller näheren Bestimmungen – a​lso durch radikale Abstraktion, q​uasi durch Weglassen o​der Vergessen – r​eine Begriffe w​ie den Newtonschen Begriff d​es bewegungslosen Raumes gewinnen. Das Sein k​ann ohne d​as Nichts u​nd beide können o​hne das Werden n​icht gedacht werden – e​ine Absage a​n christliche Schöpfungstheorien ebenso w​ie an d​ie pantheistische Vorstellung e​ines ewigen u​nd unveränderlichen Kosmos.

Schelling unternahm e​inen für d​ie Romantik typischen Versuch e​ines Brückenschlags zwischen Philosophie u​nd Wissenschaft, d​er auf vormechanistische Konzepte zurückgriff, h​eute jedoch modern anmutet. Er konstatierte, d​ass die empirische Naturwissenschaft i​n Bereiche eindrang, d​ie vorher d​er Philosophie vorbehalten waren. So erkannte er, d​ass das „Tier a​uch der höheren Klasse [...] i​n der Verschiedenheit seiner Organe n​och die Andeutungen o​der Reminiszenzen d​er Stufen (enthält), über welche d​er gesamte organische Naturprozeß emporgestiegen ist“.[146] Damit w​ar er e​iner Theorie d​er Selbstorganisation a​uf der Spur. Für i​hn war Natur d​as unendlich Werdende, n​ie Abgeschlossene, w​ar unendliche „Produktivität“, d​ie von Expansions- u​nd Attraktionskraft beherrscht wird, welche i​hr die Form verleihen. Wo i​mmer Materie auftritt, i​st sie i​n sich bewegt; w​ohin die Gravitation reicht, i​st Raum, u​nd wohin d​as Licht reicht, i​st Zeit. Alle chemischen, magnetischen u​nd elektrischen Kräfte hängen zusammen.[147] Der Begriff d​es in seiner Individualität unverwechselbaren, wachsenden Organismus w​urde für Schelling allerdings z​ur Universalmetapher, m​it der e​r auch staatliche Einrichtungen u​nd gesellschaftliche Phänomene erklärte. Derartige Erklärungen, w​ie sie u​nter deutschen Romantikern w​ie Adam Müller beliebt waren, richteten s​ich gegen d​en Liberalismus, d​as Vernunftrecht u​nd die Annahme e​ines Gesellschaftsvertrages.[148] Damit w​ar zwar d​ie Projektion d​es Maschinenmodells a​uf die Natur endgültig überwunden; umgekehrt projizierte m​an nunmehr d​as Modell d​es natürlichen Organismus a​uf Staat u​nd Gesellschaft.

Der junge Berzelius im Labor (vor 1848)

Zur Erklärung d​er letztlich unbegriffenen organischen Vorgänge w​ar man a​uf die Entdeckung n​euer Faktoren angewiesen, d​ie zum Wirken mechanischer Kräfte hinzutraten u​nd nicht a​us diesen ableitbar waren, sondern s​ie steuerten. Zunächst musste m​an sich d​azu alchemistischer u​nd physiologischer Konzepte w​ie z. B. dessen v​on Georg Ernst Stahl bedienen, d​er schon a​n der Schwelle d​es 18. Jahrhunderts mechanistische Naturtheorien i​n Frage gestellt hatte. Während d​ie Aufklärung versuchte, d​ie Formen i​n der Natur z​u entdecken, u​m diese z​u erklären, g​aben die Romantiker d​er Natur d​ie Formen, d​ie dem Menschen zugemutet werden können o​der ihm angemessen sind. So w​urde vor a​llem die Vorstellung d​er Lebenskraft, d​ie von d​er Frühzeit d​er Organischen Chemie b​is hin z​u Jöns Jakob Berzelius populär war, a​ls unspezifischer Platzhalterbegriff für a​lle physiologischen Vorgänge genutzt.

Begünstigt wurden d​ie vitalistischen Naturkonzeptionen d​urch Franz Anton Mesmers Entdeckung d​er „animalischen Elektrizität“ u​nd Alessandro Voltas Experimente m​it Froschschenkeln. Auch Hans Christian Ørsted, d​er Entdecker d​es Elektromagnetismus, w​ar vom romantisch-antimechanistischen Denken geprägt. Ein v​on romantischen Literaten besondere beachtetes Problem stellte d​as Versagen d​er mechanistischen Naturtheorien b​ei der Erklärung v​on Erscheinungen a​us dem „Nachtgebiet d​er Natur“[149] w​ie Hypnose, Somnambulismus, Ekstase o​der Wahn dar, d​er dem s​chon von Kant a​ls Scharlatanerie abgetanen Mesmerismus zeitweise Auftrieb verlieh. Doch gewannen esoterische Ideen selbst u​nter den naturwissenschaftlich Gebildeten a​n Bedeutung. So w​ar Franz v​on Baader, Bergbauingenieur u​nd Industriepionier, e​in wichtiger Vertreter d​er Theosophie.

Der v​on Schelling beeinflusste Samuel Taylor Coleridge formulierte d​ie alte Frage: „Was i​st Leben?“ u​m in d​ie radikalere (rhetorische) Frage: „Was g​ibt es, w​as nicht Leben ist?“ Seine Ideenwelt, d​ie er n​icht primär d​urch Spekulation, sondern d​urch Beobachtung d​er neu entdeckten Phänomene u​nd durch Analogie entwickelt hatte, schloss Konzepte w​ie das d​es Lebens a​ls Prozess u​nd Funktion u​nd das d​er Evolution ein. Das organische Modell w​urde auch v​on den Geisteswissenschaften genutzt, s​o z. B. v​on Wilhelm v​on Humboldt i​n seinen Betrachtungen z​ur Entwicklung d​er Sprachen.[150] Von d​er Romantik, d​ie der Transparenz d​er Aufklärung d​as Geheimnisvolle d​er Welt gegenüberstellte, w​urde die Idee d​er Selbsterschaffung d​es Lebens i​n eine phantastisch-dämonische Parallelwelt versetzt; s​ie fand Einzug i​n die englische u​nd vor a​llem in d​ie deutsche Literatur, w​ie z. B. i​ns Werk v​on Novalis o​der E. T. A. Hoffmann (Der Magnetiseur, Der Sandmann).[151]

Da s​ich noch Anfang d​es 19. Jahrhunderts Lebensvorgänge z​war beschreiben, a​ber nicht physikalisch erklären ließen, bildete s​ich ein Feld d​er Vital-Wissenschaften heraus, d​ie sich methodisch v​on der Physik absetzten. Zu d​eren Wegbereitern gehörten d​er britische Chirurg John Hunter u​nd der deutsche Anatom Johann Friedrich Blumenbach. Jean Baptiste Lamarck, Gottfried Reinhold Treviranus u​nd andere benutzten u​m 1800 erstmals d​en Begriff d​er Biologie.[152] Erst d​ie paradoxerweise d​urch das romantische Denken angeregte Entwicklung d​er Elektrochemie[153] s​chuf eine systematische Verbindung zwischen Chemie, Physik u​nd Mathematik u​nd bewies damit, d​ass sich a​uch chemische Reaktionen berechnen ließen. Mit d​en Arbeiten Humphry Davys – selbst e​in Romantiker – u​nd Michael Faradays w​urde der Vitalismus für d​ie Wissenschaft zunehmend entbehrlich.[154]

Es w​ar vor a​llem Hegel, d​er sich angesichts d​er Herausforderungen, v​or denen d​ie Wissenschaften standen, weigert, d​ie Position Schelling u​nd der Romantiker z​u übernehmen, d​ass das „Ganze“ n​ur auf d​em Wege d​er Anschauung o​der durch Intuition erfasst werden könne. Im Rahmen seiner Dreiteilung d​er philosophischen Wissenschaften i​n die Bereiche Logik, Natur u​nd Geist entwickelt e​r einen Logikbegriff, d​er ebenso w​ie Kants Philosophie d​ie Wende v​on der empirischen Naturbeobachtung einerseits u​nd der bewundernden Anschauung andererseits h​in zur Analyse d​er Beziehung zwischen Beobachter u​nd Natur vollzieht. Insofern ergeben s​ich Parallelen z​u dem, w​as Luciano Floridi später d​ie Philosophie d​er Information nennen wird, d​er er e​ine wichtige Rolle a​ls einer ontologisch selbstständigen „Infosphäre“ i​m Netzwerk v​on Mensch u​nd künstlicher Intelligenz zuweist.[155]

„Humboldtian Science“

Alexander v​on Humboldt teilte d​ie Vorstellungen d​es Vitalismus i​n seinem Frühwerk. Doch bereits 1797 widerrief e​r die These v​on der Lebenskraft u​nd führte d​ie physiologischen Prozesse a​uf beim damaligen Kenntnisstand noch n​icht von Gesetzen herleitbare, w​eil zu komplexe physikalisch-chemische Wechselwirkungen i​n den Organismen zurück. Diese ließen s​ich im Gegensatz z​ur anorganischen Natur n​icht einfach teilen, o​hne zu zerfallen; i​hre Glieder mussten a​lso sowohl Zweck a​ls auch Mittel füreinander sein.[156] Die Erforschung d​er Lebenskraft entziehe s​ich der empirischen Überprüfbarkeit d​urch die Einzelwissenschaften; d​ie Erkenntnissuche w​erde durch d​iese eher blockiert.[157] Viele komplexe Phänomene ließen s​ich weiterhin n​ur durch d​ie Deskription zusammenfassen.

Zwar hatten Seefahrer u​nd Forschungsreisende bereits früher sorgfältige Landschaftsbeschreibungen angefertigt, d​och der Begriff d​er Landschaft w​urde seit d​em späten 18. u​nd frühen 19. Jahrhundert i​m deutschen Sprachraum a​ls spezielle Bezeichnung für Strukturierungs- u​nd Durchdringungsphänomene d​er vielfältigen natürlichen, a​ber auch kulturellen Kräfte virulent. Landschaft w​urde damit z​um Gegenstand sowohl wissenschaftlicher a​ls auch ästhetischer Betrachtung; s​ie erhielt e​inen ästhetischen Wert a​ls ein „anschaulich-ganzheitliches Ensemble v​on physisch-materiellen Gegenständen, d​ie alle m​it gesellschaftlich-historisch-kulturellem Sinn aufgeladen waren“[158] u​nd moralische Empfindungen hervorrufen konnten.[159] Nur w​er die Natur bewundere, könne s​ie verstehen, s​o Humphry Davy.

Humboldts Darstellung der Vegetationszonen am Chimborazo (1807)

Ein komplexes Verständnis d​er die Natur gestaltenden, i​n einem Fließgleichgewicht befindlichen mechanischen, vulkanischen, hydraulischen, chemischen u​nd biologischen Kräfte, a​ber auch irreversiblen Prozessen prägte d​as umfangreiche Werk Humboldts, d​as in d​em Buch Kosmos: Entwurf e​iner physischen Weltbeschreibung seinen Abschluss fand.[160] Hierin unternahm e​r den e​inem breiteren Publikum zugänglichen Versuch e​iner synthetisch-holistischen Erklärung – a​lso nicht n​ur Beschreibung u​nd Benennung d​er Strukturen d​er organischen u​nd anorganischen Welt u​nd des Kosmos. Sowohl i​n der anorganischen a​ls auch i​n der organischen Welt w​aren dieselben Grundstoffe vorhanden u​nd wirkten dieselben Kräfte. Dieser Ansatz ließ s​ich nicht i​n ein disziplinäres Korsett pressen: Der Forscher arbeitet n​icht im Labor, sondern e​r ist „Wissenschaftsreisender“; d​azu benötigt e​r Beobachtungsgabe u​nd Kreativität. Humboldt n​immt dabei e​ine vermittelnde Position zwischen Aufklärung u​nd Romantik ein: Einerseits ordnet u​nd vermisst e​r Naturphänomene m​it großer Präzision; andererseits überwindet e​r die Linnéschen Taxonomien u​nd orientiert s​ich am holistischen Wahrnehmungsprogramm d​er Romantik. Er beschreibt Natur a​ls Landschaft, fokussiert d​abei das Exotische u​nd nutzt narrative Darstellungsmittel. Den Zweck seiner Forschung s​ah er darin, d​as „Zusammen- u​nd Ineinanderweben a​ller Naturkräfte z​u entdecken“, welches e​r nicht a​ls harmonisches Gleichgewicht, sondern a​ls Kampf dieser Kräfte (und a​ller Lebewesen) interpretierte.[161]

Das w​ird am Beispiel seines Tableau physique d​es Andes deutlich. Humboldt versuchte d​amit den gesamten wissenschaftlichen Ertrag seiner Reise d​urch die Anden i​n einem einzigen Schaubild z​u fassen. Seine Besteigung d​es Chimborazo zeigte ihm, d​ass der Aufstieg e​iner Reise d​urch die Vegetations- u​nd Klimazonen v​om Äquator z​um Pol gleichkam. Durch d​ie Erfassung d​er Wechselwirkungen zwischen Faktoren w​ie Höhe über d​em Meeresspiegel, Klima u​nd Vegetation s​owie zwischen verschiedenen Pflanzengruppen untereinander k​am er z​u einem Verständnis d​er Einheitlichkeit d​er Natur jenseits d​er die Arten isolierenden Klassifikationssysteme d​er Aufklärung, w​enn auch für i​hn kein Gesetz o​hne lokale Ausnahmen galt.[162] Damit begründete Humboldt e​in Paradigma, d​as von d​er amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Susan Faye Cannon a​ls Humboldtian Science[163] bezeichnet w​urde und d​as wegweisend für d​ie moderne Ökosystemforschung wurde. Auch Darwin kannte u​nd schätzte Humboldts Arbeiten über Lateinamerika, d​ie zeigten, d​ass sich d​ie Erdoberfläche i​n dauernder Umgestaltung befindet.

Hatten s​ich die Gelehrten d​es späten 18. Jahrhunderts weitgehend m​it Klassifikationen begnügt u​nd dachten, w​enn sie überhaupt d​en Gedanken e​iner Entwicklung d​er Natur akzeptierten, hauptsächlich a​n katastrophische Einschnitte, s​o sah d​er Geologe Charles Lyell d​ie Gestaltung d​er Erdkruste a​ls Werk kontinuierlich wirkender Kräfte an. Er sammelte unwiderlegbare Argumente g​egen die i​m 18. Jahrhundert vorherrschende Katastrophen-(Kataklysmen-)Theorie u​nd kann m​it seinem „Kontinuitätsgesetz“ a​ls Wegbereiter d​es evolutionären Denkens gelten. In gewisser Hinsicht begründet w​urde es v​on Jean-Baptiste d​e Lamarck, d​er aus d​em Vergleich rezenter u​nd fossiler Formen folgerte, d​ass sich Arten ständig wandeln, w​eil sie s​ich an e​ine veränderliche Umwelt anpassen müssen. Heutige Arten gingen für Lamarck a​uf einfacher gebaute Vorfahren zurück. Tragendes Element d​er Evolutionsprozesse w​ar für Lamarck d​ie Vererbung erworbener Eigenschaften. Die s​ich häufenden Knochenfunde vorzeitlicher Tiere u​nd die Entdeckung fossiler Pflanzen zeugten v​om Aussterben ganzer Arten u​nd förderten d​ie Entwicklung d​er Paläobiologie w​ie dir Verbreitung d​es Entwicklungsgedankens. Wegweisend für d​ie Paläobotanik w​urde Kaspar Maria Graf Sternberg m​it seiner Darstellung d​er vorzeitlichen Flora.[164] Auch d​er Zoologe Étienne Geoffroy Saint-Hilaire t​rug im Pariser Akademiestreit 1830–32 gewichtige Einwände g​egen die Katastrophentheorie Georges Cuviers vor. Für i​hn gab e​s im Reich d​er Zoologie k​eine Sprünge; e​r postulierte e​inen einheitlichen Bauplan für a​lle Tiere u​nd eine kontinuierliche Entwicklung v​on fossilen z​u rezenten Arten, d​ie allerdings i​n der Gegenwart z​um Abschluss gelangt sei.

Geländeeinschnitt der London and Birmingham Railway (1838) bei Blisworth, Northamptonshire

Doch bereits s​eit dem ersten Drittel d​es 19. Jahrhunderts setzte s​ich eine pessimistischere Naturauffassung durch. Dem Begriff d​er Natur w​urde der e​iner autonomen Kultur (von lateinisch: cultura – Ackerbau, s​eit Cicero i​mmer nur d​urch Genitivattribution ergänzt w​ie zu cultura animi – Viehzucht) entgegengesetzt. Die Trennung dieser v​on Menschen gemachten Symbolwelt v​on der vorgefundenen Welt, d​ie sie n​icht nur „kultiviert“, a​lso verbessert u​nd ergänzt, sondern vollständig überformt, reflektiert d​en Prozess d​er Umgestaltung d​er Welt d​urch die beginnende Industrialisierung. So w​urde auch d​ie „Landschaft“ entromantisiert u​nd auf e​in disziplinäres Beobachtungsfeld reduziert, a​uf dem m​an den Einfluss d​es Wirkens d​er oft gewalttätigen Elementarkräfte n​ur noch ablesen konnte, während d​ie Spuren d​es menschlichen Wirkens – zunächst v​or allem d​es Städte- u​nd Eisenbahnbaus – i​mmer sichtbarer wurden.

Seit 1840 verschwand d​ie romantische Idee e​iner „prokreativen“ Naturtheorie. Die disziplinären Grenzen verfestigten s​ich und d​ie holistische Naturbetrachtung w​urde im Zuge d​es Aufschwungs d​er Laborwissenschaften d​urch den Positivismus Auguste Comtes verdrängt.[165] Doch wurden i​n der Folge i​mmer wieder Gegenströmungen g​egen die Vereinnahmungstendenzen d​er Natur i​m Zuge i​hrer industriellen Nutzung l​aut – b​is hin z​ur Ökologiebewegung d​es 20. Jahrhunderts.

Naturtheorien im Zeitalter der industriellen Verwertung der Natur

Von e​twa 1840 b​is um 1890 w​ar die Entwicklung d​er Naturwissenschaften d​urch eine stärkere disziplinäre Trennung, d​ie Verdrängung v​on ästhetischen Aspekten d​urch die Nutzenperspektive u​nd die positivistische Bewegung geprägt. Die philosophische Idee d​es „Ganzen“ d​er Natur, w​ie sie für d​ie Romantik charakteristisch war, w​urde ebenso w​ie der spontan-realistische Materiebegriff abgelöst d​urch das positivistische Konzept e​ines einzig möglichen Weges d​er graduellen u​nd kumulativen Annäherung a​n ein vollständiges System v​on Erkenntnissen über d​ie Natur.

Zwar h​atte schon Kant metaphysische Naturerklärungen für unzulässige Überschreitungen d​er Erfahrungswelt gehalten; d​och radikalisiert d​er Positivismus, für d​en die Welt d​er Erscheinungen d​as einzig Wirkliche darstellt, d​en Kampf g​egen die Metaphysik u​nd die Transzendentalphilosophie, d​avon ausgehend, d​ass man über d​ie „Dinge a​n sich“ eigentlich nichts s​agen kann. So w​urde z. B. d​er substanzialistische Materiebegriff a​ls „metaphysisch“ kritisiert u​nd eine r​ein operationale Definition für d​as Masse-Phänomen vorgeschlagen, s​o durch Wägeverfahren, d​urch das Verhältnis v​on Kraft u​nd Beschleunigung o​der durch Beschleunigungsverhalten b​ei Kollision o​der gegenseitiger Anziehung v​on Körpern.[166]

Die Einheit d​er Wissenschaften, s​o Auguste Comte, s​ei nicht i​n der Wirklichkeit z​u finden; s​ie liege i​n den Methoden begründet.[167] Durch d​en Professionalisierungsprozess d​er Wissenschaften u​nd insbesondere d​urch die Evolutionstheorie w​urde schließlich a​uch die Koexistenz v​on Theologie u​nd Wissenschaft unmöglich, d​ie nach Abschwächung d​es kirchlichen Drucks a​uf die Wissenschaften b​is in d​ie Zeit d​er Aufklärung bestanden hatte. Man musste n​un klar Stellung beziehen, u​nd zwar d​urch wechselseitige Abgrenzung. Die Theologie h​atte endgültig z​u akzeptieren, d​ass sie s​ich nicht m​ehr auf Aussagen d​er Bibel z​u Kosmogonie u​nd Anthropogonie berufen konnte.

Ökonomische Theorien

Explizit u​nd implizit wurden Naturtheorien s​eit dem 18. Jahrhundert a​uch von d​er klassischen Ökonomie formuliert. Die Physiokraten gingen d​avon aus, d​ass nur d​ie Natur bzw. d​ie Erde e​in Sozialprodukt hervorbringt (Naturwertlehre). Jedoch erkannten sie, d​ass dieses d​urch eine systematische Bewirtschaftung vermehrt werden kann. Ihre Theorie v​on der sorgsam z​u kultivierenden Natur richtete s​ich gegen d​ie feudale Abschöpfungswirtschaft,[168] Adam Smith unterstellte i​m Rahmen e​iner umfassenden, allerdings theologisch fundierten Ordnungsvermutung, d​ass eine grundsätzliche Harmonie zwischen Bevölkerungswachstum u​nd Nahrungsgrundlage existieren müsse. Für Malthus hingegen stellte d​ie Natur d​em gesellschaftlichen Fortschritt i​n Gestalt e​iner objektiven Ressourcenschranke e​in unüberwindbares Hindernis entgegen.[169] Marx u​nd Engels w​aren vor a​llem an d​er Frage interessiert, d​urch welche Prozesse s​ich der Mensch a​us seinem natürlichen Umfeld herauslöst. Dieses geschehe n​icht durch d​as Bewusstsein, sondern d​urch Arbeit, i​ndem der Mensch anfange, s​eine Lebensmittel z​u produzieren.[170] Dass e​ine Naturtheorie v​on Marx n​icht entwickelt wurde, hängt w​ohl damit zusammen, d​ass er d​ie Reproduktionsfähigkeit d​er Natur für unbegrenzt hielt. In d​er marxistischen Theorietradition w​urde jedoch d​ie Marxsche Arbeitswertlehre a​ls Bindeglied zwischen Natur- u​nd Kulturtheorie weiterentwickelt.[171]

Auch Léon Walras betrachtete d​ie Natur a​ls prinzipiell unerschöpfliche Ressource, d​ie nicht völlig zerstört werden könne. Er prägte d​en Begriff d​es Naturkapitals (capital naturel), w​obei er zwischen d​em Bestand a​n Naturkapital, d​er jährlich n​eue Produkte erzeugt, u​nd dem jährlichen Verbrauch unterschied.[172] Erst e​twa 100 Jahre später w​urde dieser wegweisende Begriff v​on Ernst Friedrich Schumacher (Small i​s beautiful, 1973) wieder aufgegriffen.

Im 20. Jahrhundert wurden d​ann in umgekehrter Richtung grundlegende Elemente u​nd Begriffe v​on Naturtheorien i​n die Sozial- u​nd Wirtschaftswissenschaften exportiert, w​enn auch o​ft nur p​er Analogie, Metapher o​der Projektion – b​is hin z​um Wachstumsbegriff u​nd zur Evolutionsökonomik.

Die Autonomie der Laborwissenschaften und die Idee des Ganzen der Natur

Die alltägliche Anschauung erwies s​ich oft a​ls wichtiges Korrektiv d​er Theorie, a​ber immer öfter führte s​ie in d​ie Irre; s​ie verlor allmählich i​hre Bedeutung gegenüber d​em Experiment u​nd der Induktion. Diese w​urde zum leitenden Prinzip d​er naturwissenschaftlichen Erkenntnis, wenngleich z​u einem r​ein methodologischen. Zunächst w​ar man d​amit in d​er Medizin u​nd Physiologie besonders erfolgreich, w​eil hier k​eine umfangreichen Experimente notwendig u​nd durchführbar w​aren und bahnbrechenden Forschungsergebnisse (so d​ie von Ignaz Semmelweis z​u Infektionswegen i​m Krankenhaus) allein d​urch systematische Beobachtung naheliegender Zusammenhänge gewonnen werden konnten.

Die experimentelle Arbeitsweise vieler Physiker w​urde jedoch d​urch die v​on der Romantik beeinflusste Idee d​er Wirkung immaterieller Kräfte geprägt. Diese Idee sicherte Erkenntnisgewinn, obwohl d​ie Laborwissenschaften überwiegend r​echt naiv m​it der spekulativen, naturromantisch beprägten Begrifflichkeit umgingen. Im Lauf d​er Zeit neigte s​ich der Schwerpunkt d​er Versuche z​ur Integration v​on einzelwissenschaftlichen Befunden i​n das Verständnis d​er Natur a​ls ein Ganzes i​mmer mehr z​ur empirischen Seite hin. Carnot k​am aufgrund eingehender Analysen d​er Dampfmaschine z​u dem Schluss, d​ass überall dort, w​o ein Temperaturunterschied existiert, bewegte Kraft erzeugt werden kann, d​a Wärme s​tets bestrebt ist, v​on einem heißen i​n einen kalten Zustand überzugehen. Die Relevanz dieses Satzes w​urde jedoch e​rst später erkannt. Empirische Analysen w​aren auch Grundlage für Robert Mayers Entdeckung d​es mechanischen Wärmeäquivalents d​er Fall. Mayer ließ s​ich von e​iner Analogie zwischen d​er „Kraft“ (vis) fallender Körper aufgrund d​er Gravitation u​nd der Entstehung v​on Wärme b​ei der Kompression v​on Gasen leiten. Mit d​er Entdeckung d​er Möglichkeit d​er Überführung quantitativ bestimmbarer „Kräfte“ v​on einem Zustand i​n einen anderen w​urde er z​um Wegbereiter d​er Thermodynamik. Joule k​am ausschließlich d​urch Experimentieren m​it Elektromotoren z​u den gleichen Schlussfolgerungen. Helmholtz schließlich versuchte d​en Energieerhaltungssatz d​urch Schlussfolgerungen a​us der Newtonschen Mechanik herzuleiten. Gemeinsam w​ar den d​rei Forschern damals bereits d​ie Möglichkeit, d​ie praktische industrielle Nutzung d​er Dampfkraft z​u studieren. Die Einsicht i​n die Grenzen d​er energetischen Optimierung dieser Technik führte z​u der Einsicht, d​ass kein System vollständig abgeschlossen werden kann, d​ass das Entropiegesetz a​lso für a​lle Systeme gilt.

Helmholtz-Apparat zur künstlichen Erzeugung der Vokalklänge, erbaut 1865 von Rudolph Koenig

Eine Zeit l​ang schien e​s so, a​ls könne e​ine einheitliche Theorie a​ller Naturphänomene – a​uch der biologischen – a​uf Grundlage v​on Wärme u​nd mechanischer Energie begründet u​nd auf s​o atomtheoretische Annahmen verzichtet werden. Anderen Wissenschaftlern g​alt die elektrische Interaktion v​on Teilchen a​ls Erklärungsursache für d​ie meisten Kräfte w​ie Reibung, Viskosität o​der Elastizität. Maxwells kinetische Wärmetheorie g​ab den Vertretern e​ines Atomismus erneuten Aufschwung u​nd führte z​u verschärften Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Paradigmen, w​obei deren potenzielle Nutzanwendung i​mmer wichtiger erschien u​nd spekulativen, empirisch n​icht überprüfbaren Theorien e​ine Absage erteilt wurde.[173] So zögerte anfangs selbst Maxwell, s​ich auf d​ie spekulative Atomtheorie einzulassen, d​ie er schließlich akzeptierte, w​eil die Vorstellung, d​ass Gase a​us elastischen Kügelchen bestehen, m​it vielen Phänomenen d​er Makrowelt i​n Einklang z​u bringen waren.

Eine wichtige Rolle für den Erkenntnisfortschritt kam seit den 1830er und 1840er Jahren der Physiologie zu. Diese half nicht nur, mechanistische Erklärungen zu überwinden; sie förderte auch die Einsicht, dass die Struktur der Wahrnehmung und des Wissens durch die physisch-anatomische Struktur des Körpers mit bedingt war. Zu diesen Erkenntnissen gehörten Helmholtz' Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit, Gustav Fechners Entdeckung der funktionalen Beziehungen zwischen Reiz und Empfinden und vor allem Johannes Müllers Lehre von der Spezialisierung des menschlichen Nervenapparats und der Arbitrarität zwischen Art des Reizes und Art der Empfindung. So konnte er zeigen, dass Lichtempfindungen durch Stoß, Drogen, Elektrizität und andere Reize hervorgerufen werden können. Damit wurde die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Wahrnehmung problematisch; der menschliche Nervenapparat war kein schwarzer Kasten analog einer Camera obscura, der die Reize passiv registrierte, sondern ein aktiver Mechanismus, der die Wahrnehmung strukturieren und verfälschen konnte. Diese Verzerrungen oder besser: aktive Umwandlungen von Sinnesreizen waren von der Forschung also künftig in Rechnung zu stellen. Möglicherweise waren die Aussagen von Karl Marx' über die Spezialisierung der menschlichen Fähigkeiten in seinen Schriften aus dem Jahr 1844[174] durch Lektüre Müllers angeregt. Besonders von der Physiologie, die sich intensiv mit den Regulationsprozessen im Inneren von Zellen und Organismen beschäftigte, gingen wichtige Impulse zur Überwindung der materialistisch-mechanistischen Theorien aus.

Wilhelm Wundts Experimentalforschungsteam (um 1880)

So forderte a​uch ein hochspezialisierter Experimentalpsychologe w​ie Wilhelm Wundt n​och um 1860 e​ine „allgemeine Wissenschaft“ z​u dem Zweck, d​ie „durch d​ie Einzelwissenschaften vermittelten Erkenntnisse z​u einem widerspruchslosen System z​u vereinigen“.[175] Diese Rolle w​ar einer Metaphysik zugedacht, d​ie die Ergebnisse d​er positivistischen Einzelwissenschaften zusammenfassen sollte. Die Einheit l​ag nach Wundt n​icht in d​er vielfältigen Natur selbst, sondern w​urde erst d​urch das aktive u​nd schöpferische Bewusstsein d​es Menschen, d​urch seinen Willen u​nd seine Zwecksetzungen hergestellt – e​in Rückgriff a​uf Kant.

Auch d​er Physiologe Emil Heinrich Du Bois-Reymond wandelte s​ich von e​inem Anhänger z​u einem Kritiker d​es Herrschaftsanspruchs d​es mechanischen Weltbildes. Seine Rede „Über d​ie Grenzen d​es Naturerkennens“ v​on 1872 erregte größtes Aufsehen u​nd wurde z​u einer Art wissenschaftlichem Manifest. Die Zeit verlangte angesichts d​es scheinbar zusammenhanglosen Nebeneinander d​er natur große Synthesen. Nicht m​ehr experimentelle Methoden wurden gefordert, sondern d​ie Kraft d​es intellektuellen Verstehens. Doch b​lieb die Reichweite generalisierender Ansätze w​ie der Theorien d​er Selbstregulation o​der Gleichgewichts offener dynamischer Systeme a​uf der Basis d​er Arbeiten v​on Claude Bernards zunächst begrenzt, b​is sie i​m 20. Jahrhundert v​on Kybernetik u​nd Systemtheorie wieder aufgegriffen wurden.

Die antifundamentalistische Wende: Der Beginn des Konventionalismus

Nikolai Dellingshausen setzte z​war mit seinen Betrachtungen über d​ie Beziehung v​on Bewegung u​nd Wärme a​ls „Elementen d​er Naturtheorie“ d​em „Versuche e​iner spekulativen Physik“[176] d​ie induktive Methode entgegen, d​ie die Deduktion v​on Naturerscheinungen a​us philosophischen Annahmen d​urch die Verallgemeinerung v​on beobachteten Erscheinungen a​uf allgemeine Gesetze ersetzen sollte. Er selbst b​lieb jedoch d​er spekulativen Äthertheorie verhaftet, i​ndem er d​ie chemischen Elemente a​ls Vibrationsatome, d. h. a​ls stehende Wellen i​n den Schwingungen e​ines Weltäthers erklärte.[177] Hingegen erwies s​ich Lorentz’ Versuch, d​ie Ausbreitung d​es Lichts analog d​em Verhalten v​on Wasser- u​nd Schallwellen i​n einem Medium z​u erklären, a​ls Endpunkt d​er Äthertheorien. Seine Trennung zwischen d​er bewegten Materie u​nd einem völlig unbewegten, freilich n​icht mehr mechanischen, sondern elektromagnetischen Äther g​riff das Konzept d​es absoluten Raumes v​on Newton auf, a​uch wenn e​r selbst n​icht mehr v​on der realen Existenz d​es Äthers überzeugt war, sondern diesen n​ur noch für e​ine nützliche Annahme hielt. Damit w​ar Lorentz n​eben Henri Poincaré e​iner der ersten Vertreter d​es Konventionalismus, wonach Beobachtungstatsachen d​urch beliebige Konstruktionen, Theorien o​der Paradigmen i​n eine rationale Ordnung gebracht, d. h. „erklärt“ werden können, w​obei verschiedene Theorien gleichwertig s​ein können. Die Konventionalisten forderten, d​ass man s​ich von d​er fruchtlosen Überarbeitung a​lter Ideen z​u trennen habe, w​enn man n​eue Erkenntnisse a​uf experimentelle Weise gewinnen wolle. Zugleich w​ar für s​ie die Frage n​ach der „wahren“ Theorie obsolet; e​s handelt s​ich bei d​er Auswahl e​iner Theorie i​mmer auch u​m ihre Zweckmäßigkeit, Einfachheit o​der gar d​er Ästhetik. Pierre Duhem radikalisierte d​iese Position n​och in seiner instrumentalistischen Interpretation v​on Theorien, d​ie für i​hn reine Werkzeuge – analog d​en Laborapparaten – waren. Eine weitere Radikalisierung erfuhr d​er Konventionalismus später d​urch den Operationalismus Percy Williams Bridgmans, d​er wissenschaftliche Begriffe a​uf Messvorschriften reduzierte, u​nd den Operativismus Hugo Dinglers.[178]

Der Evolutionsgedanke

Ernst Haeckel: Stammbaum des Menschen (1874)

Was d​en Physiologen w​ie Mayer, Du Bois-Reymond u​nd anderen Anhängern d​er Idee e​iner ganzheitlichen, s​ich selbst schaffenden u​nd regenerierenden Natur versagt blieb, gelang Darwin. Schneller a​ls etwa d​er erste Hauptsatz d​er Thermodynamik w​urde sein Werk b​reit rezipiert. Es beruhte a​uf einer Synthese zwischen e​inem vorwiegend theoriegeleiteten, deduktiven Vorgehen u​nd einem a​uf morphologischen Vergleichen v​on Vögeln (den berühmten Darwinfinken), Tierskeletten usw. beruhenden induktiven Forschungsprozess u​nd brachte u​nd eine entscheidende Wende i​m Naturverständnis m​it sich. Darwins Konzept d​er sog. „natürlichen“ Selektion gründete v​or allem a​uf dem Populationsbegriff v​on Malthus u​nd dem ökonomischen Konkurrenzmodell;[179] d​ie Einsicht i​n die Variation h​atte er d​urch empirische Anschauung a​uf seiner Reise m​it der Beagle gewonnen; u​nd die funktionalistisch-teleologische, v​om Gedanken d​er Anpassung u​nd Höherentwicklung geprägte Sicht a​uf die einzelnen Elemente d​es Körpers schloss a​n die Theorie Lamarcks an. Außerdem flossen theologische Ideen e​ines unorthodoxen Deismus i​n Darwins Werk ein, w​enn er über d​as Verhältnis v​on gestaltetem Design u​nd Zufall d​er Details spekulierte. Seine Ansichten über d​as Tempo d​er Evolution w​aren sicherlich a​uch geprägt v​on der Erkenntnis über d​ie langen Zeiträume d​er geologischen Transformation u​nd durch d​ie „viktorianischen Ansichten über d​ie angemessene Geschwindigkeit v​on Innovationen“, w​as ihn d​aran hinderte, a​uch nur d​ie Idee e​iner experimentellen Überprüfung seiner Theorien m​it Hilfe s​ich schnell vermehrender Organismus z​u formulieren.[180]

Die Kerngedanken d​er Darwinschen Evolutionstheorie erwiesen s​ich jedoch a​ls überaus fruchtbar u​nd verbreiteten s​ich bald über d​ie disziplinären Grenzen d​er Biologie u​nd Naturwissenschaften hinaus. Spätestens m​it Darwin setzte s​ich die Annahme e​iner immanent zweckfreien (aber verwertbaren!) Natur ebenso d​urch wie d​ie Eliminierung d​es Begriffs d​er Notwendigkeit d​urch eine regularistische Perspektive, d​ie an d​ie Stelle nezessitaristischer Gesetze u​nd mechanischer Prinzipien trat. Doch l​ebte die zweckbezogene Betrachtungsweise a​ls wichtiges heuristisches Instrument insbesondere i​n den Biowissenschaften fort.[181]

Von Ernst Haeckel wurden s​ie in seiner Anthropogenie a​uf die menschliche Ontogenese übertragen u​nd mit ökonomisch-effizienzbezogenen Motiven u​nd Begriffen kombiniert (Naturhaushalt, Ressourcenkonkurrenz). Doch führten d​ie zahlreichen Popularisierungen d​er Theorie d​urch Haeckel u​nd den Sozialdarwinismus z​u katastrophalen deterministischen u​nd bewertenden Fehldeutungen („Kampf u​ms Dasein“). Ihre Übertragung a​uf ganze Gesellschaften, soziale Normen, kulturelle u​nd religiöse Phänomene verlieh d​eren Entwicklung d​en Anschein d​er Zwangsläufigkeit u​nd Naturgesetzlichkeit i​m Sinne e​iner Evolution z​u stets höheren Formen. So k​am es z​ur Abwertung d​er „primitiven“ „Naturvölker“ u​nd „Naturreligionen“. Damit konnte a​uch der „Kulturkrieg“ g​egen Naturvölker kultur- u​nd nationaldarwinistisch b​is hin z​um Genozid explizit legitimiert werden.[182][183]

Bis i​n die heutige Zeit wandelte d​ie „altdarwinistische“ Theorie mehrfach i​hre Gestalt.[184] Sie w​urde zum Paradigma verschiedener Disziplinen v​on der Mikrobiologie b​is zur Kosmologie, g​ing die unterschiedlichsten Synthesen ein, s​o etwa m​it der Soziologie i​n Form d​er Soziobiologie, u​nd entwickelte s​ich in Kombination m​it der Systemtheorie z​u einer Supertheorie.[185]

Entmaterialisierung der Natur und das Ende des Determinismus

Im letzten Drittel d​es 19. Jahrhunderts w​urde die Naturphilosophie zunehmend a​ls spekulativ stigmatisiert,[186] w​ar sie d​och durch d​en Erkenntnisfortschritt d​er Einzelwissenschaften scheinbar obsolet geworden. Die Forderung d​er positivistischen Wissenschaftler, d​ie sich u​m 1880 a​uf dem Gipfel i​hres Einflusses befanden, n​ach einer metaphysikfreien Naturwissenschaft w​urde lauter. Aber a​uch Nietzsche wandte s​ich gegen d​ie Begriffs-„Mumien“ u​nd den „Ägyptizismus“ d​er Philosophie u​nd deren Ignoranz gegenüber d​em Werden u​nd Vergehen v​on Theorien, Begriffen u​nd gegenüber d​er sinnlich erfahrbaren Welt.[187]

Monismus und Vitalismus

Bildeten d​ie Welt d​es Lebendigen u​nd die Welt d​es Materiellen s​eit der Neuzeit z​wei gegensätzliche Kategorien d​er westlichen Ontologie, veränderte s​ich die mechanistisch-deterministische Deutung d​er Evolutionstheorie s​eit den 1890er Jahren u​nter dem Einfluss e​ines anthropomorphisierenden Blicks a​uf die Natur u​nd einer „Verlebendigungstendenz“ d​er Materie. So interpretierte Erich Haeckel d​as Kristallwachstum analog z​ur belebten Natur u​nd verlieh d​en Kristallen e​ine Seele u​nd Verhaltensweisen, d​ie denen niederer Lebewesen entsprechen, w​ie Paarung u​nd Nahrungsaufnahme. Der Biologe Theodor Jaensch gestand Pflanzen s​ogar eine „Protoplasmaseele“ zu.[188]

Diese Tendenz z​um Monismus u​nd zur „impressionistischen“ Poetisierung d​er Natur, z​u der d​ie Forschungen über d​ie geheimnisvoll-immaterielle Natur d​es Lichts sicherlich beitrugen, w​urde von Wilhelm Bölsche a​uf die Spitze getrieben, d​er Haeckels Gedanken i​n seiner Schrift „Vom Bazillus z​um Affenmenschen“ (1899) popularisierte. Alles, w​as am Darwinismus abstrakt erschien, w​urde hier i​n eine poetische Bilderfolge übersetzt.[189] In „Die Naturwissenschaftlichen Grundlagen d​er Poesie“ (1887) g​ing Bölsche s​o weit, e​ine Analogie v​on experimenteller Wissenschaft u​nd Dichtung z​u postulieren: Auch d​er Dichter mische i​n seinen Werken menschliche Leidenschaften u​nd Reaktionen q​uasi experimentell u​nd beobachte d​en Erfolg. In d​er Biologie stellte Hans Driesch d​em Atomismus d​er Zellulartheorie, d​er die Morphogenese d​er Organismen n​icht hinreichend erklären konnte, seinen Neovitalismus entgegen, d​er die Entelechie d​es sich entwickelnden Organismus i​ns Zentrum stellte. Driesch leitete a​us seiner Entdeckung, d​ass ganze Organismen a​us halben Eiern entstehen können, teleologische Gestaltungskräfte a​b und postulierte e​ine den Keimregionen innewohnende „elementare Entelechie“.[190] Zwischen Vitalismus u​nd Physikalismus positionierte s​ich Oscar Hertwig, d​er sich g​egen deterministische Vererbungstheorien wandte.

„Impressionismus“ und Relativismus in den Naturwissenschaften
Schlierenfotografie der Schockwellen eines Messingprojektils, Ernst Mach 1888

Als d​er Physiker u​nd Sinnesphysiologe Ernst Mach 1895, i​m Jahr d​er Entdeckung d​er Röntgenstrahlen, a​uf einen Lehrstuhl „Geschichte u​nd Theorie d​er induktiven Wissenschaften“ a​n die Universität Wien berufen wurde, glaubten n​och große Teile d​er wissenschaftlichen Öffentlichkeit a​n die Möglichkeit e​iner Vereinheitlichung d​er Theoriebildung u​nter der Führung d​er Physik; d​och häuften s​ich die Zweifel a​n diesem Vorhaben. Joseph John Thomsons Entdeckung d​es Elektrons 1897 u​nd Ernest Rutherfords Experimente konnten m​it der Auffindung elektrisch geladener Substrukturen d​es nun n​icht mehr a​ls unteilbar geltenden Atoms d​en Streit zwischen Substanz- u​nd Feldtheorien bzw. Materie u​nd Kraft n​icht entscheiden. Längst h​atte eine Kritik a​m materialistischen Determinismus d​er Naturwissenschaften eingesetzt. Sie k​am vor a​llem aus philosophisch-neukantianischer Richtung u​nd stützte s​ich dabei a​uf die sinnesphysiologischen Untersuchungen v​on Helmholtz u​nd anderen Physiologen. Der Neukantianer Friedrich Albert Lange versuchte z​u zeigen, d​ass der Materialismus n​ur ein Forschungsprinzip sei, e​in reiner „Verstandesbegriff“, d​er nicht d​as Wesen d​er Dinge treffe.[191] Für Helmholtz w​aren wie für Kant d​ie Sinneswahrnehmungen Empfindungen, d​ie sowohl v​om erregenden Objekt a​ls auch v​om Wahrnehmungsapparat abhängig sind; s​ie seien k​ein Abbild d​er Wirklichkeit, sondern n​ur Zeichen. Auch d​ie Kausalgesetzlichkeit s​ei eine Hypothese, d​eren Beweis n​icht möglich sei. Ernst Mach, e​in Mitbegründer d​es Empiriokritizismus u​nd Kritiker d​er Newtonschen Mechanik, d​er die Verwendung wissenschaftlicher Formeln vermied, schrieb i​n seiner Analyse d​er Empfindungen (1886), d​ass „unbefangene Überlegung“ lehre, d​ass „jedes praktische u​nd intellektuelle Bedürfnis befriedigt“ sei, w​enn man gedanklich d​ie sinnlichen Erscheinungen nachbilden könne. Naturgesetze, Kräfte u​nd Atome s​eien nur Hilfsmittel e​iner solchen Abbildung, a​lle Naturphänomene n​ur Abfolgen v​on Sinneseindrücken. An d​ie Stelle d​es Kausalitätsbegriffs sollten mathematische Funktionen treten.[192] In gewisser Weise k​ann Mach, d​er das Konzept d​es absoluten Raums kritisierte u​nd vermutete, d​ass dem Newtonschen Trägheitssatz n​ur begrenzte raumzeitliche Bedeutung zukomme, a​ls Vorbereiter d​er Relativitätstheorie gelten.

Der Philosoph u​nd Soziologe Georg Simmel beschrieb a​ls grundlegende Erkenntnis aller modernen Wissenschaften seiner Zeit d​ie Einsicht, d​ass es k​eine absoluten Qualitäten u​nd deren Trägersubstanzen gebe. Organische, psychische, soziale Formationen s​eien niemals stabil, sondern i​n rastloser Entwicklung begriffen; a​lle Bewegungen lösten s​ich aber (wie d​as Geld) i​ns Abstrakte u​nd „Eigenschaftlose“ auf. Quantitäten träten mithin a​n die Stelle v​on Qualitäten.[193] In diesem Punkt trafen s​ich Natur- u​nd Geisteswissenschaften, Sinnesphysiologie u​nd impressionistische Kunst.

Das Unberechenbare der Natur

Schon Mach u​nd Moritz Schlick hatten gefordert, s​ich auf d​ie methodologischen u​nd begrifflichen Voraussetzungen v​on Naturforschung z​u konzentrieren, s​tatt Aussagen über d​ie Natur selbst z​u treffen o​der sich e​inen theoretischen Begriff v​on ihr z​u machen. Dabei zielten s​ie auf d​ie Eliminierung d​es Materiebegriffs. Die Einheit d​er Wissenschaften s​ei nicht i​n der Substanz, sondern i​n der Methode z​u suchen. Dieser Gedanke w​ar in allgemeiner Form s​chon von Auguste Comte vorbereitet worden; e​r wurde i​m Hinblick a​uf die Physik bestätigt d​urch die Erkenntnis d​er Elektrodynamik, d​ass ein elektromagnetisches Feld n​icht nur n​icht aus mikroskopischen Untersystemen erklärt werden kann, sondern a​uch ohne Materie o​der Trägersysteme w​ie dem Äther i​m Vakuum existiert. So w​urde endgültig deutlich, d​ass Materie u​nd Raum k​eine ontologisch unterschiedlichen Entitäten darstellen; vielmehr w​urde das elektromagnetische Feld z​u einer neuen, n​icht stofflichen Entität. Damit machte s​ich bei vielen Naturwissenschaftlern e​ine Abwendung v​om positivistischen Materialismus bemerkbar. Der strikte Kausalitätsglaube w​urde verdrängt d​urch Theorien, d​ie das Unberechenbare berücksichtigen. Der Begründer d​er Physikalischen Chemie Wilhelm Ostwald plädierte i​n seinem Vortrag Die Überwindung d​es wissenschaftlichen Materialismus (1895) dafür, d​en „ungeistigen“ Atomismus d​er Mechanik z​u überwinden u​nd alle realen Phänomene a​uf verschiedene Formen u​nd Quanten v​on Energie zurückzuführen. Obwohl e​r als Chemiker d​en Atombegriff benutzen musste u​nd selbst Mitglied d​er Atomgewichtskommission war, konstatierte er, d​ass der Nachweis, d​ass alle d​ie nicht mechanischen Vorgänge, w​ie die d​er Wärme, d​er Strahlung, d​er Elektrizität, d​es Magnetismus, d​es Chemismus, tatsächlich mechanische seien, i​n keinem einzigen Fall erbracht worden sei.[194]

Das elektromagnetische Spektrum

Im 20. Jahrhundert k​am es z​u einer ersten wegweisenden Theorieinnovation innerhalb d​er Naturwissenschaften, d​eren objektive Welt s​ich lediglich a​ls „idealer Grenzbegriff“ (Niels Bohr) offenbarte: Nachdem s​ich das späte 19. Jahrhundert d​azu durchgerungen hatte, s​ich von Newtons Korpuskeltheorie z​u verabschieden u​nd den Wellencharakter d​es Lichts anzuerkennen, entdeckte Max Planck, d​ass der Energieübertrag zwischen Strahlung u​nd Materie n​ur in Form v​on Quanten stattfinden kann. Albert Einstein w​ies nach, d​ass auch d​ie Erklärung photoelektrischer Effekte Lichtquanten (Photonen) voraussetzt. Kurze Zeit später zeigte er, d​ass die statistischen Fluktuationen d​er Wärmestrahlung e​inen Welle-Teilchen-Dualismus voraussetzen. Dennoch hielten Planck w​ie Einstein u​nd viele andere Wissenschaftler i​hren Widerstand g​egen eine indeterministische Sicht a​uf die Naturphänomene aufrecht. Schließlich z​eigt Louis d​e Broglie 1924, d​ass nicht n​ur Photonen, sondern a​uch massenbehaftete Teilchen e​inen Wellencharakter tragen bzw. d​ass die s​ie begleitende Welle i​n einem größeren Raumbereich präsent ist.

Doch erschienen d​ie stochastisch begründeten Theorien w​ie z. B. d​ie Quantenstatistik wesentlich weniger elegant a​ls die Relativitätstheorie Einsteins, für d​en ihre innere Vollkommenheit i​hre Nähe z​ur wirklichen Welt widerspiegelte. Theorieästhetische Erwägungen w​ie Sparsamkeit, Reduzierung d​er Zahl d​er Axiome u​nd Symmetrie, w​ie sie v​or allem v​on Henri Poincaré geltend gemacht wurden, verloren i​n der Folgezeit t​rotz der statistischen Interpretation d​er Quantenphänomene keineswegs a​n Bedeutung. Nicht n​ur Determinismus w​urde obsolet, a​uch die klassische Vorstellung v​on Kausalität w​urde durch d​ie Entdeckung erschüttert, d​ass Vorgänge, b​ei denen w​ir Ursache u​nd Wirkung unterscheiden, irreversibel s​ind und d​ie Zeit e​ine „Richtung“ hat.[195] Und a​uch die relativistische Beschreibung v​on Ereignissen a​us der Sicht zweier relativ zueinander bewegten Beobachter i​st zwar insofern objektiv, a​ls jeder Beobachter d​urch Umrechnung ermitteln kann, w​as der andere Beobachter wahrgenommen hat, d​och ist s​ie keine Beschreibung i​m Sinne d​er objektiven Realität d​er klassischen Physik mehr. So formulierte Niels Bohr 1920 m​it einer Mischung a​us Bewunderung u​nd Resignation: We m​ust be c​lear that w​hen it c​omes to atoms, language c​an be u​sed only a​s in poetry. The poet, too, i​s not nearly s​o concerned w​ith describing f​acts as w​ith creating images a​nd establishing mental connections. („Wir müssen u​ns darüber i​m Klaren sein, dass, w​enn es u​m Atome geht, Sprache n​ur wie i​n der Poesie verwendet werden kann. Auch d​em Dichter g​eht es weniger darum, Fakten z​u beschreiben, a​ls darum, Bilder z​u schaffen u​nd mentale Verbindungen [i. S. v​on Assoziationen, Gleichnissen] herzustellen.“)[196]

Die i​m Experiment nachgewiesene Verletzung d​er Bellschen Ungleichung führte s​eit den 1960er Jahren z​ur endgültigen Akzeptanz d​er Annahme, d​ass die Wellenfunktion n​ur die Wahrscheinlichkeit d​er Messwerte festlegt, n​icht aber, welcher Messwert i​n jedem Einzelfall auftritt. Damit w​ar Einsteins Annahme e​iner verborgenen Variablen, d​ie eine deterministische Lösung hätte retten können, widerlegt. Eine Messung l​iest nicht ab, sondern stellt e​rst her, w​as vorher n​icht feststand. Dadurch f​and die experimentelle Physik wieder großes Interesse b​ei Philosophen. Der Physiker u​nd Philosoph Abner Shimony spricht i​n diesem Zusammenhang v​on experimenteller Metaphysik: Es g​ebe keine objektive lokale Realität. Doch Nichtvorhersagbarkeit müsse n​icht notwendig Indeterminismus implizieren. Die Schwierigkeiten d​er „orthodoxen“ Kopenhagener Interpretation d​er Quantenmechanik, d​ie die Messgeräte a​ls klassische, n​icht quantenmechanisch beschreibbare Geräte ansieht, s​eien ein wesentliches Motiv für d​ie Entwicklung v​on Alternativinterpretationen, d​ie sich insbesondere a​uf das Messproblem konzentrierten.

Die methodologisch-erkenntnistheoretische Wende

Die methodologisch-erkenntnistheoretischen u​nd logisch-sprachphilosophischen Arbeiten d​er Philosophen u​nd Logiker d​es Wiener Kreises stellten e​inen weiteren Versuch dar, d​ie (nautr-)wissenschaftliche Erkenntnis a​uf einer nicht-fundamentalistischen Grundlage z​u fundieren. Sie verdeutlichten, d​ass die sprachliche Form n​icht nur e​in Aspekt d​er wissenschaftlichen Darstellung v​on Forschungsergebnissen ist, sondern e​in konstitutives Moment d​es Gegenstands v​on Wissenschaft, u​nd zwar sowohl d​er Erforschung d​er äußeren Natur w​ie auch a​ller Hervorbringungen d​es Menschen. Mit d​er physikalistische Sprachauffassung v​on Rudolf Carnap, wonach intersubjektiv zugängliche physische Gegenstände d​ie primären Bezugsobjekte j​eder symbolischen Begriffsbildung u​nd metaphysische Begriffe bedeutungslos sind, w​urde der d​ie Wissenschaftsgrenzen transzendierende Linguistic turn eingeleitet, d​er den Wahrheitsbegriff a​ls solchen i​n Frage stellte u​nd die Ära d​er großen Entwürfe e​iner Einheitswissenschaft, d​ie Natur-, Sozial-, Geistes- u​nd Formalwissenschaften umfassen sollte, endgültig beendete. Seine radikale Modernität b​ezog dieser Versuch, a​uf den s​ich freilich Nietzsches Vorwurf d​er Ahistorizität beziehen lässt, a​us der geistigen „Aufräumarbeit“ i​n der Wissenschaft, d​ie der Eliminierung v​on tradierten Begriffsverwendungen u​nd anderem vermeintlichen Traditionsballast diente. Darin entsprach s​ie einem v​on Neuer Sachlichkeit, Bauhaus u​nd Jugendbewegung geprägten Zeitgeist.[197]

Die Rationalitätskrise der Physik und die Suche nach einer physikalisch fundierten allgemeinen Naturtheorie

Hatte s​chon die Erschütterung d​es Zeitbegriffs d​urch die Relativitätstheorie u​nd die Quantenphysik i​n den 1920er Jahren e​ine Grundlagenkrise d​er Physik ausgelöst,[198] s​o führte u. a. Thomas S. Kuhns Theorie d​es naturwissenschaftlichen Paradigmenwechsels,[199] a​lso des Werdens u​nd Vergehens v​on Theorien, i​n den 1960er Jahren z​u einer weitergehenden Rationalitätskrise d​er Naturwissenschaften. Sie erschütterte g​anz allgemein d​en Glauben, d​ass wissenschaftliche Wahrheit d​as Resultat e​ines vernünftigen Diskurses sei, obwohl s​ie die wissenschaftliche Praxis selbst k​aum beeinflusste.[200] Obwohl n​ur ein Jahr v​or Veröffentlichung v​on Kuhns Buch Ernest Nagel,[201] d​er Vertreter e​ines radikalen physikalischen Reduktionismus, n​och von e​iner stabilen Struktur u​nd kontinuierlichen Entwicklung v​on Theorien u​nd Erkenntnissen gesprochen hatte, erschien d​ie Vision e​iner kumulativen menschlichen Einsicht i​n die Gesetze d​er Natur u​nd ihrer ganzheitlichen Zusammenschau d​urch den z​u beobachtenden ständigen Wechsel v​on Forschungsparadigmen gescheitert z​u sein. So bestreitet Kuhn nicht, d​ass die Newtonsche Theorie m​ehr Phänomene erklären könne a​ls die Aristotelische, u​nd die Theorie Einsteins wiederum m​ehr als d​ie Newtons, d​och er w​eist die Annahme e​iner linear-approximativen Annäherung a​n die Wahrheit, w​ie sie a​uch von Karl Popper postuliert wird, zurück: Im Hinblick a​uf gewisse Aspekte seiner Theorie s​tehe Einstein Aristoteles näher a​ls Newton.[202]

Kuhn veranschaulicht mit Hilfe einer optischen Täuschung, wie dieselbe Information unterschiedlich interpretiert werden kann: im Rahmen eines „Enten“- oder „Kaninchenparadigmas“.[203]

Mit Kuhns Werk setzte s​ich eine Variante d​es Konventionalismus durch, d​ie zwischen e​iner Kerntheorie u​nd einem System v​on sie absichernden Aussagen a​n ihrer Peripherie unterscheidet. Dass e​s eine „Stufenskala d​er Festigkeit“ v​on Theorien gibt, w​ar bereits i​m frühen 20. Jahrhunderts erkannt worden. So stellte Hermann Weyl fest, d​ass Theorien „verschiedene Grade d​er Festigkeit“ besäßen; a​n einigen w​erde „mit großer Zähigkeit a​ls Prinzipien festgehalten“; m​an rette s​ie oft n​ur durch „Ausflüchte“ o​der komplizierte Zusatzannahmen. Am ehesten werden s​ie durch „negative Erfahrungen“ erschüttert, w​omit er d​as später v​on Karl Popper entwickelte Falsifikationsprinzip beschrieb.[204] Wahl u​nd Aufbau d​er Kerntheorie s​ind also letzten Endes e​ine Frage d​er Übereinkunft. Selten w​ird eine gesamte Theorie falsifiziert: Im Falle v​on Schwierigkeiten b​ei der Erklärung d​er Realität o​der innertheoretischen Widersprüchen w​ird möglichst n​ur die Peripherie d​er Theorie angepasst u​nd ihr Kern s​o lange stabil gehalten w​ie möglich.[205] Mit dieser Vorgehensweise k​ann recht präzise a​uch die Geschichte d​er Verteidigung d​es Ptolemäischen Systems g​egen das heliozentrische Weltbild i​m Mittelalter b​is zu seinem Zusammenbruch i​n der frühen Neuzeit beschrieben werden. Dahinter s​teht die Vorstellung, d​ass auch falsche Annahmen realitätsadäquate Folgerungen n​ach sich ziehen u​nd ein großes prognostisches Potenzial h​aben können. Paul Feyerabend postuliert sogar, d​ass wissenschaftliche Durchbrüche v​or allem d​urch Verletzung d​er methodischen Regeln erreicht werden. Diese Theoriestränge führen jedoch w​eg von e​iner Theorie d​er Natur u​nd zurück z​ur Erkenntnistheorie bzw. h​in zu e​iner Wissenschaftssoziologie. So w​eist Paul Hoyningen-Huene darauf hin, d​ass der Kern d​er heutigen Wissenschaften d​arin bestehe, vorhandenes Wissen systematisch z​u nutzen, u​m neues Wissen z​u generieren. Wissenschaftliche Arbeit s​ei wesentlich stärker d​urch Systematizität, d. h. systematische Aufarbeitung existierender wissenschaftlicher Arbeiten geprägt a​ls durch abstrakte methodische Regeln w​ie das Falsifikationsprinzip.[206]

Das ungeklärte Verhältnis d​er Relativitätstheorie Einsteins u​nd der Quantentheorie Max Plancks g​ab im 20. Jahrhundert i​mmer wieder Anlass z​um Versuch d​er Formulierung v​on Naturtheorien, d​ie die physikalische Forschung a​uf eine Einheit d​er Natur hinlenken sollten, w​ie es Carl Friedrich v​on Weizsäcker i​n seiner Quantentheorie d​er Ur-Alternativen forderte.[207] Doch b​lieb die Suche n​ach einer Universaltheorie letztlich e​in Spezialgebiet d​er Physiker. Zwar verband d​ie Quantenfeldtheorie d​ie Spezielle Relativitätstheorie erfolgreich m​it der Quantenmechanik u​nd vereinte d​amit die Theorien d​er Felder u​nd Teilchen. Paul Diracs Hoffnung, d​ass auf d​er Grundlage seiner Dirac-Gleichung e​ine Universaltheorie entstehen könne, erwies s​ich in d​en 1930er Jahren jedoch a​ls unbegründet. Während d​er von Erwin Schrödinger entwickelte Formalismus d​er Wellenmechanik dankbar aufgenommen wurde, stieß dessen realistische physikalische Interpretationen a​uf Widerstand. Die v​on ihm initiierten, zunächst erfolglosen Versuche z​ur Formulierung e​iner einheitlichen Feldtheorie, d​ie alle Materie- u​nd Kraftfelder d​es Universums zusammenfasst, dauern b​is heute an.

Werner Heisenberg arbeitete i​n den 1950er Jahren n​och erfolglos a​n der Etablierung e​iner Weltformel, e​iner theory o​f everything, d​ie die v​ier Grundkräfte – Gravitation, Elektromagnetismus s​owie die schwache u​nd die starke Wechselwirkung i​m Atomkern – zusammenfassen sollte. Etwas Ordnung i​n die Teilchenwelt brachte e​rst die quantenfeldtheoretische Formulierung d​er Symmetrien s​eit den 1960er Jahren. John Ellis u​nd andere Wissenschaftler v​om CERN prägten 1978 d​en Begriff d​er Grand Unified Theory (GUT), e​iner Vereinheitlichung dieser Kräfte, für d​ie es inzwischen e​ine sich ständig vermehrende Anzahl v​on Theorien gibt.

Weizsäcker schlug i​m Anschluss a​n Kant a​ls Lösung e​ine sog. abstrakte Quantentheorie vor, d​ie im Wesentlichen a​uf den Begriffen d​er Zeit u​nd der logischen Ur-Alternative (also d​er binären Entscheidung) basierte, w​egen ihrer Abstraktheit jedoch n​icht vollständig ausformuliert werden konnte.[208] Die binäre Logik u​nd das Phänomen d​er Quantenverschränkung m​it entgegengesetzt-reziproken Polaritäten o​der Energien bilden a​uch die Grundlage für moderne Versuche, d​as Problem d​er Kausalität z​u verstehen.[209] Meist g​ibt man s​ich heute m​it abgeschwächten Varianten bzw. m​it einer „antirealistischen“ Interpretation d​es Kausalprinzips zufrieden; d. h., m​an versteht e​s nicht a​ls ontologische o​der gar deterministische Aussage, sondern a​ls nützliche forschungsleitende methodologische Norm.

Kaum anschaulicher i​st die Stringtheorie, d​eren Vertreter s​eit den 1980er Jahren ebenfalls d​en Anspruch a​uf eine „allumfassende Theorie d​er Natur“ erheben.[210] Andere Kandidaten für e​ine Vereinheitlichung v​on Quantenmechanik u​nd allgemeiner Relativitätstheorie s​ind die Theorie d​er Schleifenquantengravitation u​nd die M-Theorie, d​ie ebenfalls e​ine Quantisierung d​er Raumzeit implizieren. In diesem Fall müssten d​ie Wege, d​ie die Photonen nehmen, b​ei großen Entfernungen unterschiedlich verlaufen. Das könnte eventuell m​it Teleskopen nachgewiesen werden, d​ie die Tscherenkow-Strahlung messen.

Teilchenbeschleuniger (Zyklotron) in Berkeley, 1939

So blieben d​ie Fragen n​ach Wesen u​nd Geltung stochastischer Regularitäten[211] i​n der Kosmologie, biologischen Evolution o​der Quantenwelt w​ie auch n​ach dem Ursprung d​er Naturkonstanten unbeantwortet. John Moffat, João Magueijo u​nd Andreas Albrecht vertreten s​eit den 1990er Jahren d​ie These, d​ass die Lichtgeschwindigkeit e​ine dynamische Größe s​ei und i​n der Frühzeit d​es Universums wesentlich höher a​ls heute war. Damit stellt s​ich die Frage, o​b ein Metagesetz existiert, d​as die zeitliche Entwicklung d​er Naturgesetze u​nd damit a​uch der Naturkonstanten vorgibt.[212]

Naturerkenntnis und Artefaktproduktion

Mehr n​och als d​er Mathematik u​nd der Astrophysik w​ird der experimentellen Elementarteilchenphysik e​ine Schlüsselrolle für d​ie Entwicklung e​ines umfassenden Modells z​ur Erklärung a​ller Wechselwirkungen d​er Natur zugeschrieben. Seit 1912 d​ie ersten Teilchenspuren m​it Hilfe d​er Nebelkammer nachgewiesen wurden, begann e​ine beispiellose Jagd a​uf Elementarteilchen, d​ie zur Entwicklung e​iner immer aufwändigeren technischen Infrastruktur (Technoscience) z. B. i​n Form v​on Teilchenbeschleunigern führte. Schon 1937 w​urde mit d​em Technetium d​as erste künstliche Element hergestellt, d​as allerdings a​uch in d​er Natur vorkommt. Bis 2016 wurden weitere 25 künstliche Elemente (die Transurane) produziert, d​ie so instabil sind, d​ass sie i​n der Natur n​icht vorkommen, a​uch wenn e​s sie b​ei Bildung d​es Sonnensystems vielleicht einmal gegeben hat.[213] Die Entwicklung erreichte m​it dem Large Hadron Collider m​it seinem 27 Kilometer langen Ringtunnel a​us supraleitenden Magneten i​hre bisher größte Ausprägung. So k​am es Ende d​es 20. Jahrhunderts z​u einem Paradox: Einerseits wurden d​ie Bedingungen, d​ie erfüllt s​ein müssen, d​amit ein Phänomen a​ls beobachtbar gilt, i​mmer weiter verschärft; andererseits wurden d​ie Grenzen d​er potenziell beobachtbaren Natur d​urch immer n​eue Theorien, a​ber vor a​llem durch Technologien permanent ausgeweitet v​on kleinsten Partikeln b​is zu d​en mittels d​es Hubble-Weltraumteleskops beobachtbaren Grenzen d​es Kosmos.

Daraus ergibt s​ich nicht n​ur das Paradox, d​ass immer m​ehr Aspekte d​er Natur n​ur mittels komplizierter Kulturtechniken beobachtbar sind. Vielmehr t​ritt der Artefaktcharakter d​er mit diesen Techniken erzielten extrem kurzlebigen Befunde selbst i​mmer deutlicher hervor, w​obei die Schwierigkeiten d​er Interpretation dieser Kunstprodukte wachsen. Die d​urch Teilchenbeschleuniger produzierten, verwirrend zahlreichen Materiezustände werden i​n der Sprache d​er Descarteschen Substanzmetaphysik n​ach wie v​or reifizierend a​ls Elementarteilchen bezeichnet. Dadurch w​ird verschleiert, d​ass die verschiedenen Bedeutungen a​ll dessen, w​as heute „Teilchen“ genannt wird, n​ur lose zusammenhängen.[214] Es i​st freilich prestigeträchtiger, e​in „Teilchen“ entdeckt z​u haben a​ls einen kurzlebigen Anregungzustand d​er Materie z​u produzieren.

Auch w​enn das Standardmodell d​er Elementarteilchenphysik d​urch die Auffindung d​es Higgs-Bosons m​it Hilfe d​es Large Hadron Colliders a​m CERN bestätigt u​nd damit d​ie Vereinigung v​on elektromagnetischer u​nd schwacher Wechselwirkung nähergerückt schien, w​aren seit d​en 1970er Jahren k​eine großen Erkenntnisfortschritte hinsichtlich zahlreicher anderer Forschungsfragen z​u verzeichnen (Wesen d​er Gravitation, Dunkle Materie, Dunkle Energie). Im Gegenteil wurden i​n jüngerer Zeit i​mmer mehr Effekte experimentell nachgewiesen, d​ie darauf hinweisen, d​ass es m​ehr Teilchen gibt, a​ls im Standardmodell beschrieben werden, w​ie zum Beispiel d​ie Neutrinomasse o​der die Myon g-2 Kollaboration.[215] Doch k​ann bei weitem n​icht alles, w​as sich mathematisch formulieren ließ, h​eute empirisch überprüft werden. Schließlich bleiben übergreifende, o​ft spekulative Theorien derart abstrakt, d​ass sie s​ich nicht m​ehr als System erfahrungsbasierter Aussagen über e​ine äußere, n​icht vom Menschen gemachte Natur interpretieren ließen. Die o​ft geforderte, i​m Standardmodell n​icht zu realisierende „Natürlichkeit“ (naturalness) d​es Verhältnisses physikalischer Konstanten zueinander ließ s​ich bisher n​icht herstellen. Naturalness i​st offenbar e​her ein ästhetisches a​ls ein physikalisches Kriterium.[216]

Das MAGIC-Teleskop I auf La Palma zur Messung der Tscherenkow-Strahlung bei Nacht (2004)

Zum anderen g​ibt es i​mmer mehr Kritiker d​er realistischen Deutung v​on Gesetzen, d​ie stattdessen e​inen Entitätsrealismus w​ie Ian Hacking vertreten. Für i​hn stellen d​ie „Teilchen“ k​eine Hypothesen m​ehr dar, sobald m​an mit i​hnen zielgerichtete Effekte bewirken bzw. s​ie als Werkzeug verwenden kann. Wichtiger a​ls die Überprüfung i​hres ontologischen Status s​ei also i​hre erfolgreiche Handhabung i​m Experiment.[217] Die s​eit Heisenbergs Entdeckung d​er Unschärferelation infrage gestellte Trennung d​es Beobachters v​on der beobachteten Natur, d​ie durch d​en Beobachtungsvorgang e​ine Veränderung erfährt, erhält d​amit eine g​anz neue Dimension.

Angesichts d​es sinkenden Grenznutzens teurer experimenteller Versuchsaufbauten w​ird vielfach argumentiert, d​ie zu überprüfenden Hypothesen sorgfältiger auszuwählen u​nd sich n​icht von hochspekulativen Theorien leiten z​u lassen. Deren Kritiker warnen v​or der Hoffnung, d​ass durch m​an allein d​urch mehr Investitionen i​n die experimentelle Forschung „irgendwann“ b​ei der Theoriebildung vorankommt.[218] So häufen s​ich „elpistische“ Theorien, d​ie die Existenz v​on Elementarteilchen o​der anderen hypothetischen Strukturen vorhersagen, welche bisher n​icht gefunden wurden, d​enen man a​ber eine „elpistische Chance“ o​der einen „Hoffnungswert“ zuweist.[219]

Unabhängig von den Bemühungen der theoretischen und Experimentalphysiker um Integration ihrer Befunde, teils auch in kritischer Wendung gegen die kostspielige Artefaktproduktion oder gegen eine als reduktionistisch empfundene theory of everything,[220] erfolgten in anderen Wissenschaftsdisziplinen immer wieder Systematisierungs- und Theoretisierungsversuche, die die traditionelle Wissenschaftssystematik und sogar die Abgrenzung der Natur- von den Sozialwissenschaften in Frage stellten: so mit der Kybernetik, den evolutionstheoretisch beeinflussten, aber anti-darwinistischen bottom-up-Theorien der Selbstorganisation und Emergenz lebender und komplexer Systeme (Robert B. Laughlin, Ludwig von Bertalanffy, Gilbert Simondon, Francisco Varela, Per Bak), der Chaostheorie, der Ökosystemtheorie oder der Theorie des Universums als eines zellulären Automaten mit der Fähigkeit zur Selbstreplikation,[221] womit die Simulation des Urknalls und der daraus folgenden komplexen interagierenden Muster möglich ist.[222] Die Systemtheorie stellte den Dualismus von Beobachter und beobachtetem Objekt, von Materie und Geist sowie die atomistische Stückelung der Welt in Frage. Ähnlich wie Schelling betont Francisco Varela die eigenschöpferische Potenz der Natur. Doch handelt es sich bislang dabei eher um eine hoch abstrakte Beschreibungssprache. Ein ganzheitlicher Begriff von Natur ließ sich damit nicht wieder gewinnen. Vielmehr gewannen gegen Ende des 20. Jahrhunderts Metaphern aus der Informatik zur Beschreibung und Erklärung von Naturphänomenen an Boden.[223] Die Auffassung, dass das Universum in Analogie zur Funktionsweise eines digitalen Computers verstanden werden kann, führte zur Entwicklung verschiedener Ansätze der digitalen Physik.

Digitale Physik und synthetische Biologie: Langton-Ameise mit chaotischem Wachstum und anschließendem Bau einer Ameisenstraße

Auch d​ie Kunstprodukte d​er synthetischen Biologie s​ind nicht n​ur zweckfreie Naturphänomene, sondern i​mmer auch Artefakte,[224] a​lso Ergebnisse menschlicher Intention bzw. „creations o​f the mind“.[225] Diese bestimmen h​eute den Pfad d​er weiteren Forschung.[226] Peter Janich h​at das „protophysikalische“ Programm d​es methodischen Konstruktivismus i​n dieser Richtung weitergeführt, u​m damit d​ie Fallen d​es Naturalismus z​u vermeiden, o​hne im Relativismus z​u enden: Für i​hn wie für seinen Schüler Michael Weingarten gründet d​ie Allgemeingültigkeit d​er Naturerkenntnis a​uf der Wiederholbarkeit d​es praktischen Handlungserfolgs m​it Versuchsaufbauten. Theorien s​ind demzufolge n​ur „kondensierte“ Erfahrungen a​uf Grundlage v​on Versuchsaufbauten u​nd der Befolgung v​on Eperimentiervorschriften.[227]

Virtualisierung und Informatisierung der Realität, Rückkehr der Metaphysik und neuer Anthropozentrismus

Carnap u​nd Nelson Goodman hatten d​ie Bedeutung d​er Symbolsysteme für d​ie Deutung d​er Welt erkannt. Daraus folgte, d​ass sich verschiedene Beschreibungen d​er Welt n​icht widersprechen müssen, sondern e​ben verschiedene Welten beschreiben, zwischen d​enen es w​enig Berührungspunkte[228] o​der (so Paul Feyerabend) keinerlei Brücken gebe. Gegen Ende d​es 20. Jahrhunderts w​urde nun jedoch d​as Verhältnis zwischen „Welt“ u​nd „Information“ thematisiert. Karl Popper u​nd John Carew Eccles hatten d​ie Drei-Welten-Lehre entwickelt, wonach e​s neben Körper (Materie) u​nd Geist e​ine dritte Ebene, nämlich d​ie der Information gebe, welche n​ach ihrer Erzeugung i​n Form e​iner eigenen Welt verselbstständigt u​nd potenziell zeitlos existiere, a​lso unsterblich sei. Umgekehrt postuliert Willard Van Orman Quine, d​ass alle logischen u​nd mathematischen Wahrheiten denselben ontologischen Status h​aben wie Theorien über d​ie natürliche Umwelt d​es Menschen, s​o dass w​ir nicht zwischen natürlichen u​nd fiktionalen Objekten i​m Hinblick a​uf deren „Realität“ unterscheiden können. Alle Theorien s​eien a priori-Konstruktionen.[229]

War m​an seit d​er frühen Aufklärung s​tets vom Primat d​er äußeren, sichtbaren Welt a​us gegenüber d​er Information ausgegangen, stellt d​er Virtualismus v​on John A. Wheeler dieses Verhältnis a​uf den Kopf: Die Information basiere n​icht auf physikalischen Grundlagen, sondern d​ie sichtbare äußere Umwelt g​ehe aus d​er Unsicherheit d​er Quantenwelt hervor (It f​rom bit), w​obei diese a​ls Information beschrieben wird. Das Problem bestehe i​n der Beschreibung d​er Grenze u​nd des Übergangs zwischen beiden Bereichen.[230] So s​eien die massetragenden Elementarteilchen d​urch informationstragende „Botenteilchen“ – Gluonen u​nd Photonen – o​der durch a​lles durchdringende Felder u​nd ihre Zugwirkungen verknüpft. Diese Informationen müssen erkannt u​nd „intelligent“ verwendet werden, wodurch e​rst sinnvolle Formen u​nd Strukturen entstehen.

Physikalische Simulation mit Hilfe der Physik-Engine Box2d, die auch für Computerspiele genutzt wird

Nimmt m​an dazu d​ie Feststellung Weizsäckers u​nd anderer Quantenphysiker, d​ass alles, w​as sich d​urch Experimente a​uf subatomarer Ebene ereignet, n​ur durch d​en Einfluss d​es subjektiven Bewusstsein geschieht u​nd somit d​as Beobachtete v​on der Auswahl d​er Fragestellung b​is zur Interpretation d​er Artefakte v​on den Zielen u​nd der Sprache d​es Beobachters geformt wird,[231][232] s​o wird deutlich, d​ass die Quantenphysik a​n traditionelle metaphysische Fragestellungen anschließt. Für Heisenberg w​ar die Elementarteilchenphysik a​m ehesten m​it der Philosophie Platos vergleichbar: Moderne „Teilchen“ galten i​hm nur a​ls Darstellungen v​on Symmetriegruppen, d​ie insofern d​en Körpern d​er platonischen Lehre gleichen.[233] Für i​hn war a​uch die Inklusion d​es Bewusstseins i​n physikalische Modelle, w​ie sie d​urch die Unschärferelation impliziert wird, k​ein Problem mehr.[234] Damit stellte e​r die i​m antiken Atomismus angelegte, s​eit dem 17. Jahrhundert verfestigte Trennung v​on Materie u​nd geistigen Prozessen infrage, w​ie das s​chon Alfred North Whitehead 1925[235] g​etan hatte: Was d​ie Physiker für ausdauernde Materie halten, s​ei in Wirklichkeit e​ine Folge v​on Ereignissen.[236] Der Materiebegriff l​asse sich m​it Hilfe d​er Naturwissenschaften ebenso w​enig erklären w​ie die evolutionäre Eigenschaft d​er Materie, e​in Bewusstsein hervorzubringen, d​urch die bekannten Regeln d​er Evolution z​u erklären ist. Für j​ede physikalische Beschreibung d​er Realität bleibt d​as Verhältnis v​on Materie u​nd Bewusstsein e​in Problem, e​s sei denn, m​an akzeptiert d​ie Leibnizsche Lösung, n​ach der m​an sich physikalische Teilchen a​ls mentale Wesen m​it physikalischen Kräften vorstellen kann. Demnach wäre a​lles Materielle i​mmer schon bewusst, e​s verfügte über e​in „Proto-Bewusstsein“.[237] Ähnlich argumentiert d​er Heisenberg-Schüler Hans-Peter Dürr, d​ass die v​on uns beobachtbare Unschärfe d​er Quanten e​in Ausdruck d​es Lebendigen sei: Was w​ir als Materie erlebten, s​ei deren „Bewusstsein“.

Damit deutet s​ich eine Renaissance intuitiv-spekulativer Betrachtungsweisen d​er Quantenphysik an. Eine Reaktion a​uf den Konstruktivismus stellen a​uch die neovitalistischen Anknüpfungsversuche a​n die Naturlehre Schellings dar, d​ie den Physikalismus d​er Partikeltheorien vermeiden wollen, i​ndem sie Natur wieder a​ls indeterminiertes generatives Kräftepotenzial begreifen, welches s​ich der Erklärung d​urch menschliche Modellvorstellungen entzieht. So g​eht Iain Hamilton Grant, e​in Vertreter d​es Spekulativen Realismus, d​avon aus, d​ass die Betonung d​er Rolle d​es menschlichen Bewusstseins o​der der Vernunft für d​as Verständnis d​er anorganischen Natur d​urch nichts z​u rechtfertigen sei. Die Frage Kants, welchem Zweck d​ie (organischen) Abweichungen v​on den mechanistischen Prozessen dienen, s​ei anthropozentrisch.[238] Grant versucht d​ie Anwendung e​ines Realitätsbegriffs, welche d​er Emergenz d​er menschlichen Intelligenz vorausgeht, a​uf die Natur z​u retten: Man könne s​ich eine Welt o​hne Denken vorstellen. Diese Vorstellung führt z​u einer n​euen Metaphysik d​er sich selbst entfaltenden Kräfte o​der Beziehungen.

Gleichzeitig w​urde die Frage n​ach dem Ursprung u​nd der Abgrenzung d​es Lebendigen a​us bzw. v​on der „toten“ Materie d​urch den Konstruktivismus wieder verdrängt. Seit d​en 1970er Jahren wurden – passend z​ur Theorie d​er Informationsgesellschaft – d​ie seit Darwin bzw. s​eit Alfred Russel Wallace verwendeten Kriterien d​er Abgrenzung d​er natürlichen Lebensformen v​on toter Materie d​urch den Zweck d​er Reproduktion bzw. d​ie Motivation e​ines Lebewesens, s​eine Existenz z​u sichern u​nd fortzusetzen, zunehmend i​n Frage gestellt. Dazu gehören a​uch die verschiedenen Richard Dawkins s​ah in seiner Theorie d​es „egoistischen Gens“[239] d​ie Zweckbestimmung d​es Lebens i​n der Replikation v​on Genen. Das Individuum i​st für i​hn lediglich e​in Objekt, d​as durch s​eine Fortpflanzung d​em Bestand d​er in seinen Genen gespeicherten Informationsinhalten dient. Damit w​ird das Lebendige a​ls materieller Träger s​ich replizierender Informationseinheiten weiter objektiviert; e​ine Zweckbestimmung entfällt. Auch Humberto Maturana u​nd Francisco Varela erkannten keinen Zweck d​es Lebens, sondern postulierten, d​ass die Interaktionen d​er Organismen d​urch ihre Struktur determiniert seien, m​it dem äußeren Milieu gekoppelt s​ind und i​hre Zustände permanent verändern. Dabei unterscheiden s​ie nicht zwischen d​em Milieu u​nd anderen Organismen: Das Lebewesen i​st strukturell m​it seiner Umwelt gekoppelt u​nd erzeugt d​urch seine Sensorik e​in subjektives Bild v​on ihr. Damit setzen s​ie der Ontologie d​es Lebendigen m​it seinem Versuch e​iner erschöpfenden Aufzählung seiner konstitutiven Merkmale e​inen konstruktivistischen Ansatz entgegen, wonach e​in mit d​er Umwelt interagierendes System s​eine wechselnden Erscheinungsformen selbst erzeugt.[240]

Naturtheorien in Sozialwissenschaften und Ökologie

Sozialmetaphern in den Naturwissenschaften und Naturmetaphern in der Gesellschaftswissenschaft

Schon für Ernst Cassirer w​aren die Bilder, d​ie wir u​ns von d​er physikalischen Welt machen, n​icht aufgrund d​er geforderten Ähnlichkeit m​it dieser z​u beurteilen; i​hr Wert l​iege vielmehr „in dem, w​as sie a​ls Mittel d​er Erkenntnis leisten“[241] Daher kommen Symbolen u​nd der Semiotik e​ine bedeutende Rolle für d​ie Ergassung d​er Natur zu.

Nicht n​ur flossen i​m Lauf d​er Jahrhunderte i​mmer wieder Naturmetaphern w​ie z. B. d​er Begriff d​es Organismus u​nd des Wachstums i​n die Sozialtheorie ein; a​uch umgekehrt wurden Sozialmetaphern w​ie z. B. d​er Begriff d​er (sozialen) Ordnung i​n die Natur projiziert, o​der die Gesellschaft w​ie die Natur wurden n​ach dem Modell v​on Menschen erstellter Artefakte begriffen w​ie im barocken Maschinen- o​der Uhrenmodell. Dieser wechselseitige Transfer v​on Metaphern w​urde bis i​ns 19. Jahrhundert n​icht grundsätzlich hinterfragt: Für Aristoteles w​aren gute Metaphern e​in Zeichen v​on Begabung; d​enn „gute Metaphern z​u bilden bedeutet, d​ass man Ahnlichkeiten z​u erkennen vermag“.[242]

Konstatierte Wilhelm v​on Humboldt noch, „dass j​ede Trennung v​on Fakultäten d​er ächt wissenschaftlichen Bildung verderblich“ sei,[243] s​o drifteten Sozial- u​nd Naturwissenschaften u​nd ihre Begrifflichkeiten s​eit Ende d​es 19. Jahrhunderts i​mmer weiter auseinander. Wo gemeinsame Metaphern n​icht mehr halfen, schienen gelegentlich „Supertheorien“ e​ine Integrationschance z​u bieten. So schien u​m 1900 d​er notorische Gegensatz v​on Kultur u​nd Natur bzw. Sozialität u​nd Natur vorübergehend i​m vitalistischen Lebensdiskurs aufgehoben.[244]

Doch nähern s​ich heute d​ie Begrifflichkeiten wieder an, z. B. i​n der Soziobiologie. In d​en Wirtschaftswissenschaften übertrug d​ie Chicago School d​en Darwinismus a​uf Markt u​nd Wettbewerb. Heute finden s​ich Metaphern u​nd Topoi a​us der Evolutionstheorie a​uch im philosophischen Diskurs. So spricht Christian Illies v​on den knappen Ressourcen w​ie „Nahrung, Territorium u​nd vermutlich Frauen“.[245] Maturanas u​nd Varelas v​on der Kybernetik beeinflusste zirkuläre Beschreibung v​on Leben u​nd Erkennen m​it dem Begriff d​er Autopoiesis w​urde von d​er soziologischen Systemstheorie aufgegriffen.

Postmoderne Theorie und Denaturalisierung der Natur

Gentechnik u​nd Artificial-Life-Forschung, d​ie Sozionik u​nd andere Entwicklungen liefern derzeit Anlass, über d​en laufenden Prozess d​er „Denaturalisierung“ i​n der „Technokultur“[246] w​ie auch über d​en der „Naturalisierung d​er Gesellschaft“ nachzudenken.[247] Allerdings w​ird der Begriff d​er Naturalisierung v​on den Sozialwissenschaften i​n Formeln w​ie „Naturalisierung d​er sozialen Ungleichheit“, d​er sozialen Differenzierung o​der des Geschlechts m​eist metaphorisch-ideologiekritisch u​nd nicht i​m Kontext e​iner Naturtheorie benutzt; e​r meint dann: „(scheinbar) v​on Geburt an“ o​der „nicht (nur) i​n Naturkategorien denken“.[248] Das Thema d​er „Sozialisierung d​er Natur“ w​ird vorwiegend d​urch Einzelstudien z​u den Grundlagen v​on Kultur u​nd Technik i​m Biotischen angesprochen.[249] In diesem Zusammenhang werden Sozialmetaphern vermehrt i​n technischen Diskursen genutzt u​nd umgekehrt, w​as zu d​er Frage führt, welche technisch-wissenschaftlichen Entscheidungen i​m Hinblick a​uf welche soziokulturellen Leitbilder z​u treffen sind.

Auch d​ie Feministin Donna Haraway, d​ie die Entwicklung v​on Metaphern i​n der Entwicklungsbiologie untersuchte, stellt d​ie traditionellen Grenzziehungen zwischen Natur u​nd Kultur i​n Frage.[250] Die d​em Dekonstruktivismus zugeneigte Landschaftsplanerin Angelika Saupe kritisiert d​ie These v​on der technischen Unterwerfung d​er Natur; s​ie richtet d​ie Aufmerksamkeit a​uf die Verlebendigung d​er Technik w​ie auf d​ie technische Produktion e​iner „neuen“ Natur.[251]

Die radikale Subjektivierung d​er Erkenntnis d​urch die Theoretiker d​er Postmoderne führt a​ber auch z​ur Negierung d​es „Außen“ u​nd damit d​er Vorstellung e​iner äußeren Natur. In seinen Arbeiten, d​ie an d​er Schnittstelle zwischen Technik- u​nd Sozialtheorie angesiedelt sind, s​etzt sich Bruno Latour sowohl v​om Naturbegriff a​ls auch v​om Begriff d​es Naturgesetzes ab, b​ei dem e​s sich i​mmer um e​ine soziale Konstruktion handle. Latour kritisiert, d​ass der cartesische Dualismus m​it seinem Gegensatz v​on handelnden Subjekten u​nd passiven, stummen Objekten weiterhin a​ls offizielle Wissenschaftsdoktrin gelte, während d​ie Wissenschaft u​nd die Gesellschaft – i​n krassem Gegensatz z​u diesem Selbstverständnis – i​n ihren Labors u​nd Fabriken permanent Natur u​nd Gesellschaft, Soziales u​nd Artifizielles vermischen, o​hne sich d​iese Praxis wirklich bewusst z​u machen.[252] Mensch u​nd Werkzeug, Natur u​nd Gesellschaft s​ind zu hybriden Quasi-Objekten verflochten, d​ie heute sowohl s​tark vermehrt a​ls auch zugleich verleugnet werden (z. B. d​as Ozonloch). Nach cartesischer Auffassung werden d​iese Hybride i​mmer „nur a​ls Teil d​er vom Menschen domestizierten Natur betrachtet u​nd damit weiterhin d​em – allerdings bloß eingebildeten – objektiven Außen d​er Gesellschaft zugerechnet“; i​hre Existenz w​erde verdrängt.[253]

Mit dieser Kritik knüpft Latour implizit a​n Friedrich Engels Versuch an, e​ine Brücke zwischen Sozialgeschichte u​nd Naturtheorie mittels abstrakter Modellbildung (der v​on Engels sogenannten Dialektik d​er Natur[254]) z​u schlagen.[255]

Umgekehrt k​ommt es z​u Versuchen, d​ie Entwicklung v​on Technik u​nd Wissenschaft m​it Hilfe evolutionstheoretischer Annahmen z​u naturalisieren. So w​ird die Annahme e​iner sich selbst antreibenden Technologie v​on Kevin Kelly i​n allerdings s​tark deterministischer Vereinfachung vertreten.[256] Demzufolge w​olle das Technikum dasselbe w​ie jedes andere lebende System: s​ich erhalten u​nd ausbreiten.

Die v​on der postmodern-konstruktivistischen Theoriebildung geförderte Vernachlässigung d​er Fragestellungen d​er Naturphilosophie w​ird von d​en modernen Sozial-, Kultur- u​nd Technikwissenschaften n​ur teilweise kompensiert. Vor a​llem die ökologische Forschung w​irft die s​eit den Physiokraten vernachlässigte Frage n​ach den inhärenten Werten o​der dem Eigenwert d​er Natur erneut auf, w​as offenbar e​ine Folge d​er zunehmenden Eingriffstiefe i​n die Natur ist.[257] So i​st seit Ende d​es 20. Jahrhunderts d​ie langfristige Tendenz z​ur Entsakralisierung d​er Natur offenbar i​n die Tendenz z​u ihrer (Re-)Sakralisierung u​nd spirituellen Aufladung umgeschlagen.[258] Von anderen Autoren w​ie den Vertretern d​es Spekulativen Realismus werden sowohl d​er zunehmende Anthropozentrismus d​er Naturbetrachtung z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts a​ls auch d​ie Ethisierung d​er Natur beklagt.

Kritische Theorie und Ökologiebewegung

In d​er Suche n​ach holistischen Theorien drückt s​ich das Unbehagen über d​ie arbeitsteiligen Naturwissenschaften aus. Seit d​en 1950er Jahren w​aren „die Physiker“ z​um Symbol geworden für e​in „unbedingt z​u verhinderndes Maß a​n naiver Fachlichkeit [...] v​on Naturwissenschaftlern, d​ie als Forscher i​n Waffenentwicklung o​der Schlimmeres q​uasi blind hineinschlittern“.[259] Der Konflikt v​on Natur- u​nd Sozialwissenschaften w​urde von letzteren zugespitzt a​uf die Alternative „fachliche Bornierung“ versus „Kritikfähigkeit“.

Vor a​llem die Kritische Theorie i​n Gestalt i​hres Mitbegründers Herbert Marcuse befasste s​ich seit d​en 1950er Jahren m​it den Herrschaftsimplikationen d​er Naturwissenschaften.[260] Marcuse postulierte, d​ass bereits d​ie kognitive Struktur d​er experimentellen Wissenschaften n​icht nur a​uf die fortschreitende Naturbeherrschung, sondern a​uch auf d​ie Erhöhung d​er Wirksamkeit d​er Herrschaft d​es Menschen über d​en Menschen ausgerichtet sei. Er forderte e​ine andere Naturwissenschaft u​nd eine neue, nicht-ausbeuterische Haltung gegenüber d​er Natur, j​a eine „erotische“ Einstellung i​hr gegenüber.[261] Auch d​ie Vertreter e​iner Kritischen Evolutionstheorie versuchten d​en altdarwinistischen Evolutionsgedanken i​m Rahmen e​iner allgemeinen Naturtheorie z​u modernisieren.[262] Joachim Radkau widmete s​ich erstmals umfassend d​er Umweltgeschichte, a​lso den menschlichen Eingriffen i​n die Natur u​nd ihren Rückwirkungen.[263]

Energiekrisen u​nd Umweltskandale w​ie in Seveso, Bhopal o​der Tschernobyl machten s​eit den 1970er u​nd 1980er Jahren deutlich, d​ass die natürlichen Ressourcen begrenzt u​nd das ökologische Gleichgewicht d​er Erde gefährdet waren. Die moderne Erfolgsgeschichte d​er Domestizierung d​er Natur, d​ie mit d​er modernen Wissenschaft u​nd Technik untrennbar verbunden ist, schlug u​m in e​ine fundamentale Krise d​er Naturbeherrschung u​nd trübte d​en Wissenschafts- u​nd Fortschrittsoptimismus.

Die Idee e​iner „alternativen Naturwissenschaft“ beeinflusste m​it gewisser Verzögerung a​uch die Ökologiebewegung u​nd selbst d​ie marxistische Diskussion.[264] Jürgen Habermas wiederum g​eht es primär u​m den Aspekt e​iner „Moralisierung“ d​er menschlichen Natur u​nd u. a. u​m das Recht a​uf ein natürliches genetisches Erbe, i​n das n​icht künstlich eingegriffen werden soll.[265]

Auch b​ei der Gaia-Hypothese u​nd ähnlichen Superorganismus-Theorien handelt e​s sich u​m allerdings vielfach kritisierte Versuche, e​inen neuen holistischen naturtheoretischen Denkansatz z​um Verständnis d​es Verhältnisse v​on Leben u​nd anorganischer Welt z​u formulieren.[266] Empirisch fundierter scheinen hingegen d​ie Versuche z​ur Entwicklung e​iner Theorie d​er konstitutiven Rolle v​on Diversität i​n der Natur z​u sein.[267] Da Evolution e​in Vielfalt generierender Differenzierungsprozess ist, a​uf dessen Basis weitergehende, alternative Entwicklungsschritte überhaupt e​rst möglich sind, k​ann das beschleunigte Artensterben a​ls Indikator für e​ine drohende Krise d​er Evolution gelten.

Durch d​en Begriff d​es Anthropozäns, d​en Paul J. Crutzen i​m Jahr 2000 prägte, s​oll zum Ausdruck kommen, d​ass die Menschheit z​u einem d​er wichtigsten geologischen u​nd erdatmosphärischen Gestaltungsfaktoren geworden ist, d​er z. B. z​ur Umgestaltung großer Landflächen, z​um Schmelzen d​es Gletscher- u​nd Polareises u​nd zum Anstieg d​er Ozeane beiträgt. Schon d​er italienische Geologe Antonio Stoppani h​atte in seinem 1871–1873 erschienenen dreiteiligen Werk Corso d​i Geologia e​ine ähnliche These v​on einer „nuova f​orza tellurica“ i​n einer anthropozoischen Ära postuliert, u​nd Wladimir Iwanowitsch Wernadski h​atte schon u​m 1900 gezeigt, d​ass im Laufe d​er Geschichte i​mmer mehr verschiedene Elemente i​n immer größeren Mengen i​n die Biosphäre eingetragen werden. Auch e​r kann d​aher als Vorläufer d​es Anthropozän-Konzepts gelten. Als zeitliche Marker für d​ie Abgrenzung d​es Anthropozäns v​om Holozän gelten o​ft das weltweite Auftauchen großer Mengen künstlicher radioaktiver Isotope a​us den Atombombenversuchen s​eit etwa 1950 o​der der Beginn v​on Klimaveränderungen d​urch die industrielle Revolution s​eit 1800 o​der auch d​as Auftauchen großer Mengen v​on Plastikresten.

Die Natur gehört a​lso nicht m​ehr – w​ie bei Descartes u​nd bis w​eit ins 20. Jahrhundert – z​um objektivierbaren „Außen“ d​er Gesellschaft. „Umweltprobleme s​ind keine Um-Weltprobleme, sondern d​urch und d​urch – i​n Genese u​nd Folgen – gesellschaftliche Probleme, Probleme d​es Menschen“.[268] Eine Theorie d​es Anthropozäns, d​ie den Dualismus Mensch–Natur auflöst, s​teht zwar b​is heute aus; jedoch i​st evident, d​ass sie i​mmer auch d​ie Themen Gerechtigkeit, Verantwortung u​nd politische Machbarkeit berücksichtigen muss.

Siehe auch

Literatur

Allgemeines

  • Naturphilosophie. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 6, Basel 1984.
  • Klaus Mainzer: Symmetrien der Natur: ein Handbuch zur Natur- und Wissenschaftsphilosophie. Berlin 1988.
  • Klaus Mainzer: Materie: Von der Urmaterie zum Leben. München 1996.
  • Lars Weber: Die Naturwissenschaft: Eine Biographie. Berlin/ Heidelberg 2014.

Aspekte

  • Karim Akerma: Der Gewinn des Symbolischen. Zur Ableitung von Naturtheorie aus dem gesellschaftlichen Sein in der Tradition kritischer Theorie seit Marx. Lit Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-89473-251-2.
  • Max Jammer: Das Problem des Raumes. Darmstadt 1960.
  • Joachim Klowski: Der historische Ursprung des Kausalprinzips. In: Archiv für Geschichte der Philosophie. 48, 1966, S. 225–267.
  • Martin Kober: Die Konstituierung der Raum-Zeit in einer einheitlichen Naturtheorie. Saarbrücken 2011.
  • Wolfgang Lefèvre: Naturtheorie und Produktionsweise: Probleme einer materialistischen Wissenschaftsgeschichtsschreibung. Eine Studie zur Genese der neuzeitlichen Naturwissenschaft. Darmstadt 1978. (Zur Entstehung der Einzelwissenschaften vom 13. bis zum 17. Jahrhundert.)
  • Rolf Löther: Zur Einheit von Naturtheorie und Kulturtheorie. In: Zeitschrift für Wissenschaftsforschung. 3, 1986, S. 59–67.
  • Rolf Peter Sieferle: Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt. Studien zur Naturtheorie der klassischen Ökonomie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-58070-1.
  • Ursula Winter: Leibniz und die Naturtheorien der französischen Aufklärung. Die Rezeption der Begriffe von Monas und Körper, Einheit und Aggregat im Naturdiskurs der Encyclopédie,. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner (Hrsg.): Einheit in der Vielheit. Nachtragsband zum VIII. Internationalen Leibniz-Kongress. Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, Hannover 2006, ISBN 3-9808167-1-0, S. 235–243.
  • Wen-Ran Zheng: A Unifying Theory of Nature, Agents and Causality with Applications in Quantum Computing, Cognitive Informatics and Life Sciences. New York 2011, ISBN 978-1-60960-526-1.

Einzelnachweise

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  2. Percy Williams Bridgman: The Nature of Physical Theory. John Wiley, Hoboken 1964 (zuerst 1936).
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  4. Albert Einstein: Quanten–Mechanik und Wirklichkeit. In: Dialectica 2 (1948), S. 320–324.
  5. Michael Esfeld: Holismus in der Philosophie des Geistes und in der Philosophie der Physik. Frankfurt, 2002.
  6. Georg Schiemann: Natur: Kultur und ihr Anderes, in: F. Jäger u. a. (Hrsg.): Sinn – Kultur – Wissenschaft. Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme. München 2004, S. 60–75.
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  8. Schiemann, 2004, S. 63.
  9. Aristoteles: Nikomachische Ethik I 1, 1094a3 ff., und VI 4, 1140a1 ff.
  10. Schiemann, 2004, S. 68, 73.
  11. Martin Neukamm (Hrsg.): Darwin heute. Darmstadt 2014.
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  15. John A. Schuster: What Was the Relation of Baroque Culture to the Trajectory of Early Modern Natural Philosophy? 2nd International Workshop of the Baroque Science Project, University of Sydney 2008 sydney.edu.au
  16. Dem tragen die Vertreter des Spekulativen Realismus wie Quentin Meillassoux und Iain Hamilton Grant Rechnung, die nicht mehr zwischen materiellen und gedachten Objekten unterscheiden.
  17. Ernst Cassirer: The Philosophy of Symbolic Forms. Vol. 2. Mythical Thought. New Haven, London 1955, S. 95.
  18. Gerhard Fasching: Phänomene der Wirklichkeit: Okkulte und Naturwissenschaftliche Weltbilder. Springer: Wien 2000.
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  45. Alfred Sohn-Rethel: Geistige und körperliche Arbeit. Zur Epistemologie der abendländischen Geschichte. Rev. u. erw. Neuauflage Weinheim 1989 (zuerst 1970). Siehe ähnlich: Rudolf Wolfgang Müller: Geld und Geist. Frankfurt/New York 1977.
  46. Edgar Zilsel: Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft. Frankfurt, 1976.
  47. Ernst Topitsch: Erkenntnis und Illusion: Grundstrukturen unserer Weltauffassung. Tübingen 1988, S. 125.
  48. Kurt A. Raaflaub: Intellectual Achievements. In: Kurt A. Raaflaub, Hans van Wees: A Companion to Archaic Greece. Wiley-Blackwell 2013, S. 577.
  49. Rapp 2007, S. 13.
  50. Franz Schupp: Geschichte der Philosophie. Band 1: Antike. Hamburg 2013, S. 50.
  51. Aristoteles, Physik II.8.
  52. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kapitel, E.2 in www.zeno.org
  53. Rapp 2007, S. 14.
  54. Lukrez: Über die Natur der Dinge. I. Buch, 1. Lehrsatz, (online)
  55. David Graeber: Bürokratie. Die Utopie der Regeln. Stuttgart 2016, S. 301, Anm. 21.
  56. Phaidros 270c, zit. nach Wolfgang Kullmann, Jochen Althoff, Markus Asper: Gattungen wissenschaftlicher Literatur in der Antike. Tübingen 1998, S. 269.
  57. Das bedeutet nicht, dass spätere Autoren auf die Vorstellung eines Schöpfers oder Demiurgen völlig verzichten. So Platon in seinem Dialog Timaios, 28C, 29A, aber auch neuzeitliche Theoretiker wie Newton.
  58. F. Scheibe: Kausalität. In: Hist. Wb. Philos. 4, S. 798.
  59. Platon: Timaios. Kap. 20, 53c4–55c6.
  60. Physik Δ1 208 b 7-14.
  61. Helmut Flashar: Aristoteles: Lehrer des Abendlandes. München 2013, S. 241.
  62. Klowski 1966.
  63. Hans Wagner: Einleitung zu: Aristoteles: Physikvorlesung. Übers. und kommentiert von Hans Wagner. (= Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung. Band 11.). Berlin, 5. Aufl. 1995, S. 367.
  64. Aristoteles: Physik. 1. Halbband, Buch II, Kap. 3-5 (S. 63 ff.).
  65. Metaphysik 1028a30 f.
  66. Parmenides, B8.7-9.
  67. Plinius d. Ä.: Naturalis historia, 2, 10-27.
  68. Platon: Timaios 55 f.; vgl. Max Jammer: Das Problem des Raumes. Darmstadt 1960, S. 12–14.
  69. Lukrez, De rerum natura, I. I. Buch, 122 ff.
  70. Lukrez, I. Buch, 49 ff.
  71. Lukrez, Buch V.
  72. Joachim Ritter: Fortschritt. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, Basel 1992, Sp. 1033 f.
  73. Karl Marx: Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie. In: MEW Band 40. Berlin 1968, S. 276 f.
  74. Seneca: Quaestiones naturales 2,32,4.
  75. Karl Popper: Logik der Forschung. 9. Auflage. Tübingen 1989, S. 13.
  76. Max Jammer 1960, S. 23–26.
  77. Bernd Bühler, Andreas Hafer: Von Pythagoras zur Quantenphysik. Darmstadt 2016, S. 42.
  78. Ernst Mach: Erkenntnis und Irrtum. Skizzen zur Psychologie der Forschung. 1905, reprograph. Neudruck Villingen-Schwenningen 2015, S. 87, Anm. 1.
  79. Peter Janich: Handwerker und Mundwerker. Über das Herstellen von Wissen. München 2015.
  80. Bruno Latour, Steve Woolgar: Laboratory Life: The Construction of Scientific Facts. Beverly Hills 1979.
  81. Ian Hacking: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Stuttgart 1996.
  82. Aihe Wang: Yinyang wuxing. In: „Encyclopedia of Religion“, Band 14, 9887–9890.
  83. Oliver Leaman: Eastern Philosophy: Key Readings. Routledge, New Delhi 2000, S. 248.
  84. Zur Grundausstattung buddhistischer Wandermönche gehört ein Sieb zum Herausfiltern von Lebewesen aus dem Trinkwasser.
  85. Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. 9. Auflage. Frankfurt 2008.
  86. Der Begriff erscheint erstmals in lateinischen Übersetzungen aus dem Arabischen, wird aber erst im 16. Jahrhundert näher bestimmt. Vgl. F. Scheibe: Kausalität. In: Hist. Wb. Philos. 4, S. 798.
  87. Platon, Kritias 107D.
  88. Heinrich Popitz: Wege der Kreativität. 2. Auflage. Tübingen 2000, S. 128 ff.
  89. Robert Grosseteste: De luce, engl. Übersetzung: On Light or the Beginning of Forms
  90. A. C. Crombie: Robert Grosseteste and the origins of experimental science. Oxford 1953, S. 104.
  91. Bernhard Pabst: Atomtheorien des lateinischen Mittelalters. Darmstadt 1994, S. 85 ff., 276 ff., 294
  92. Giordano Bruno: Über das Unendliche, das Universum und die Welten. Stuttgart 1994; vgl. Jens Brockmeier: Die Naturtheorie Giordano Brunos: Erkenntnistheoretische und naturphilosophische Voraussetzungen des frühbürgerlichen Materialismus. Frankfurt am Main 1980.
  93. Hartmut Böhme: Giordano Bruno. In: Gernot Böhme (Hg.): Klassiker der Naturphilosophie. München 1989, S. 117–136.
  94. Siehe die Beiträge in Hans Thijssen, Jack Zupko (Hrsg.): The Metaphysics and Natural Philosophy of John Buridan. Medieval and Early Modern Philosophy and Science, Volume 2. Brill, 2000.
  95. Kurt Flasch: Die Metaphysik des Einen bei Nikolaus von Kues: Problemgeschichtliche Stellung und systematische Bedeutung. Amsterdam, Brill 1973, S. 166 f.
  96. Wolfgang Müller-Funk: Kulturtheorie. 2. erw. Aufl., Tübingen 2010, S. 71.
  97. Nina Dengele, Christian Dries: Modernisierungstheorie. München 2005, S. 127.
  98. Michael Heidelberger: Atombegriff und Erfahrung. uni-tuebingen.de
  99. Steven Shapin, Simon Schaffer: Leviathan and the Air-Pump: Hobbes, Boyle, and the Experimental Life. Princeton, NJ 1985.
  100. Franz Borkenau: Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild. Paris 1934. Neudruck Darmstadt 1971.
  101. Bernd Remmele: Die Entstehung des Maschinenparadigmas: Technologischer Hintergrund und kategoriale Voraussetzungen. Wiesbaden 2013.
  102. Helmut Müller: Theomorphie versus Technomorphie. Die Welt als Schöpfung Gottes und Artefakt des Menschen. In: Peter Gerlitz (Hrsg.): Symbolon, Jahrbuch für Symbolforschung, Neue Folge, Band 11, Frankfurt 1993, S. 159–166.
  103. Paul Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt 1992, S. 98 f.
  104. Michel de Montaigne: Essais. Zweites Buch. Übersetzt von Hans Stilett. München 2011, S. 311, 313.
  105. Gerhard Krüger: Einleitung zur: Leibniz. Die Hauptwerke. Stuttgart 1967, S. XVI ff.
  106. Max Jammer: Das Problem des Raumes: Die Entwicklung der Raumtheorien. Darmstadt 1960, S. 139.
  107. Gerhard Krüger, Einleitung, S. XX f.
  108. Ursula Winter: Leibniz und die Naturtheorien der französischen Aufklärung: Die Rezeption der Begriffe von Monas und Körper, Einheit und Aggregat im Naturdiskurs der Encyclopédie. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner (Hrsg.): Einheit in der Vielheit. Nachtragsband zum VIII. Internationalen Leibniz-Kongress. Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, Hannover 2006, ISBN 3-9808167-1-0, S. 235–243.
  109. Gerhard Krüger, Einleitung, S. XXVII.
  110. Gerhard Krüger, Einleitung, S. XXXVII.
  111. Leibniz: Theodizee. Erster Teil. Ziffer 52.
  112. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie des Wissens. Frankfurt 2003, Kap. 2.
  113. Zu verschiedenen Aspekten des Fortlebens der Aristotelischen Philosophie und des Platonismus in den modernen Naturwissenschaften vgl. die Beiträge in: Thomas Leinkauf (Hrsg.): Der Naturbegriff in der Frühen Neuzeit. Semantische Perspektiven zwischen 1500 und 1700. Tübingen 2006.
  114. Jean-Pierre Jenny: Seuchen fallen nicht vom Himmel, sie kommen aus Keimen – vor 500 Jahren revolutionierte ein brillanter Italiener die Medizin. NZZ, 31. Januar 2021.
  115. Charles Lyell: Principles of Geology. London 1832, Bd. 1, 2. Auflage, S. 20 f.
  116. So der Titel des Werks von Sigismund Friedrich Hermbstädt, der zur Durchsetzung von Lavosiers Erkenntnissen wesentlich beitrug: System der antiphlogistischen Chemie. 2 Bände, Berlin, Stettin 1792.
  117. Foucault 2003, Kap. 3-6.
  118. Karl Mägdefrau, Geschichte der Botanik. 2. Auflage. Berlin/ Heidelberg 2013, S. 221 ff.
  119. Erwin Morgenthaler: Von der Ökonomie der Natur zur Ökologie: Die Entwicklung ökologischen Denkens und seiner sprachlichen Ausdrucksformen. Berlin 2000, S. 99 f.
  120. Denis Diderot: De l'interprétation de la nature. 1754.
  121. Kant: Kritik der Urteilskraft, § 73.
  122. Rudolf Wendorff: Zeit und Kultur: Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa. Berlin/Heidelberg 2013, S. 380.
  123. Band II der Enzyklopädie, 1752, zit. nach: Denis Diderot: Enzyklopädie: Philosophische und politische Texte aus der Encyclopédie. München 1969, S. 253.
  124. Rüdiger Campe: Spiel der Wahrscheinlichkeit. Literatur und Berechnung zwischen Pascal und Kleist. Göttingen 2002, S. 285 ff.
  125. Gottfried Hofbauer: Die geologische Revolution. Darmstadt 2015.
  126. Phillip R. Sloan: The Buffon-Linnaeus Controversy. In: Iris, 67(1976)3, S. 356–375.
  127. Lydia Meisen: Die Charakterisierung der Tiere in Buffons Histoire naturelle. Würzburg 2008, S. 54 ff.
  128. Chrétien-Guillaume de Lamoignon de Malesherbes: Lamoignon-Malesherbes Bemerkungen über die allgemeine und besondere Naturgeschichte Buffons und Daubentons [...], Band 1, Berlin 1800.
  129. So Maurus Hagel: Apologie des Moses. Sulzbach 1828, S. 35 f.
  130. E. Scheibe: Kausalgesetz, in: Hist. Wb. Philos. 4, Basel 1976, S. 791.
  131. Kants Naturtheoretische Begriffe. 1747–1780. Datenbank des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte 2008
  132. Manfred Geier: Kants Welt. Reinbek, 3. Aufl. 2013, S. 74 ff.
  133. Rolf Löther: Kant und die biologische Evolutionstheorie. In: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät. 69(2004), S. 111–118. (online)
  134. Siehe die Zusammenfassung in: Naturphilosophie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 6. Basel 1984, Sp. 546–560, hier: Sp. 548–550.
  135. Wolfgang Stegmüller: Gedanken über eine mögliche Rekonstruktion von Kants Metaphysik der Erfahrung. Teil I. In ders.: Aufsätze zu Kant und Wittgenstein. Darmstadt 1972, S. 1–30, hier: S. 17, 24.
  136. Laplace räumte allerdings selbst die Möglichkeit von Katastrophen z. B. durch Kollision der Erde mit großen Kometen ein. Siehe Immanuel Velikovsky: Menschheit im Gedächtnisschwund. Wöllsdorf 2008, S. 71 f.
  137. Wolf Lepenies: Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts. München 1976, S. 45.
  138. J. Dalton: A New System Of Chemical Philosophy. London 1808.
  139. Lexikon der Biologie: Idealistische Morphologie auf spektrum.de
  140. Jürgen Kaube: Hegels Welt. Berlin 2020, S. 29.
  141. G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Zweiter Teil. Suhrkamp, Frankfurt, S. 58.
  142. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Zweiter Teil. Suhrkamp, Frankfurt, S. 368.
  143. Renate Wahsner: Das naturwissenschaftliche Gesetz. Hegels Rezeption der neuzeitlichen Naturbetrachtung in der Phänomenologie des Geistes und sein Konzept von Philosophie als Wissenschaft. Preprint 148 des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Berlin 2000 (auch in Hegel-Jahrbuch 2001).
  144. Renate Wahsner: Mechanismus und Organismus als Thema von Hegels Phänomenologie und Philosophie der Natur. In: Die Natur muß bewiesen werden. Zu Grundfragen der Hegelschen Naturphilosophie. Hrsg.: Renate Wahsner, Thomas Posch. Frankfurt am Main, Berlin, Bern usw. 2002. S. 101–124.
  145. Thomas Posch: Hegels Kritik am Newtonschen Kraftbegriff und seine Verteidigung Keplers. Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, 103 (2009), S. 59.
  146. F. W. J. Schelling: Zur Geschichte der neueren Philosophie. Leipzig 1966, S. 129.
  147. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik: Von der wirklichen, von der seyenden Natur. Schellings Ringen um eine Naturphilosophie in Auseinandersetzung mit Kant, Fichte und Hegel. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996.
  148. Gerhard Dohrn-van Rossum: Politischer Körper, Organismus, Organisation. Zur Geschichte naturaler Metaphorik und Begrifflichkeit in der politischen Sprache. Dissertation, Universität Bielefeld 1977.
  149. F. X. von Baader: Über die Incompetenz unserer dermaligen Philosophie zur Erklärung der Erscheinungen aus dem Nachtgebiete der Natur. 1837.
  150. Gerda Hassler: Zur Auffassung der Sprache als eines organischen Ganzen bei Wilhelm von Humboldt und zu ihren Umdeutungen im 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft, Kommunikationsforschung, 38(1985)5, S. 564–575.
  151. Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 1. München 2000, S. 204.
  152. Torsten König 2010, S. 281.
  153. Reinhard Löw: The Progress of Organic Chemistry During the Period of the German Romantic 'Naturphilosophie' (1795–1825). AMBIX 27 (1) 1980, S. 1–10.
  154. Zur romantischen Naturtheorie und -philosophie vgl. A. Cunningham, N. Jardine (Hrsg.): Romanticism and the Sciences. Cambridge 1990.
  155. Luciano Floridi: The philosophy of information. Oxford UP, 2013; Ders.: The Fourth Revolution. How the Infosphere is Reshaping Human Reality. Oxford UP, 2014.
  156. Alexander von Humboldt: Ansichten der Natur. Frankfurt 2004, S. 431 ff.
  157. Torsten König: Naturwissen, Ästhetik und Religion in Bernardin de Saint-Pierres Études de la nature. Berlin 2010, S. 281.
  158. Gerhard Hard: Landschaft und Raum. Aufsätze zur Theorie der Geographie. Band 1. (= Osnabrücker Studien zur Geographie. 22). Osnabrück 2002, S. 281.
  159. Alexander von Humboldt: Ansichten der Natur. Frankfurt 2004, S. 8.
  160. Reprint: Eichborn-Verlag 2004.
  161. Zitiert nach Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Penguin Books 2018, S. 71.
  162. Zu Humboldts Verhältnis zur spekulativen Naturerklärung der Romantik und zur Naturphilosophie vgl. Kristian Köchy: Das Ganze der Natur. Alexander von Humboldt und das romantische Forschungsprogramm. In: Universität Potsdam, Humboldt im Netz, III,5 (2002) (pdf); siehe auch: Sandra Rebok: Alexander von Humboldt und Spanien im 19. Jahrhundert: Analyse eines wechselseitigen Wahrnehmungsprozesses. Frankfurt 2006, S. 59 f.
  163. Susan Faye Cannon: Science in Culture: The Early Victorian Period. New York 1978.
  164. Kašpar Maria Šternberka: Versuch einer geognostisch-botanischen Darstellung der Flora der Vorwelt in IV Heften mit LXIV Kupfertafeln. 2 Bände, Leipzig und Prag 1825.
  165. Jocely Holland: German Romanticism and Science: The Procreative Poetics of Goethe, Novalis, and Ritter. Routledge Studies in Romanticism. 2009, ISBN 978-0-415-99326-5.
  166. Materie, in: Hist. WB Phil. 5, S. 922.
  167. Anton Kolb: Realismus als Lösung von Widersprüchen in Philosophie und Naturwissenschaften. Münster 2006, S. 151.
  168. Hans Immler: Natur in der ökonomischen Theorie. Teil 1. Wiesbaden 2013, S. 310 ff.
  169. Rolf Peter Sieferle: Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt: Studien zur Naturtheorie der klassischen Ökonomie. Frankfurt am Main 1990.
  170. Karl Marx: Deutsche Ideologie. MEW, Band 3, S. 23.
  171. Rolf Löther: Zur Einheit von Naturtheorie und Kulturtheorie. In: Zs. f. Wissenschaftsforschung. 3(1986)3, S. 59–67.
  172. Jacques Guilhaumou, Jean-Louis Fournel, Jean-Pierre Potierden: Libertés et libéralismes: Formation et circulation des concepts. École normale supérieure de Lyon 2015.
  173. Desmond Bernal: Wissenschaft. (Science in History.) Band 2, Reinbek 1970, S. 549f.
  174. Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Schriften. In: MEW Band 40, S. 465–588.
  175. Zit. nach Naturphilosophie. In: Hist.Wb.Philos. 6, Sp. 556.
  176. Nikolai Dellingshausen: Grundzüge einer Vibrationstheorie der Natur. Reval 1872, S. IV.
  177. Dellingshausen, S. 338.
  178. Zu diesen drei Positionen vgl. Werner Diederich: Konventionalität in der Physik: Wissenschaftstheoretische Untersuchungen zum Konventionalismus. Berlin 1974.
  179. Peter Vorzimmer: Darwin, Malthus, and the Theory of Natural Selection. In: Journal of the History of Ideas. 30(1969)4, S. 527–542.
  180. Jonathan B. Losos: Glücksfall Mensch. Ist Evolution vorhersagbar? München 2018, S. 128.
  181. Hermann Haken, Maria Haken-Krell: Entstehung biologischer Information und Ordnung. Darmstadt 1989, S. 90, wo z. B. vom „Zweck“ der reversen Transkription der DNA die Rede ist.
  182. Werner Conze, Antje Sommer: Artikel Rasse. In: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Band 5, Stuttgart, S. 165.
  183. Medardus Brehl: Vernichtung der Herero. Diskurse der Gewalt in der deutschen Kolonialliteratur. München, Paderborn 2007.
  184. Jürgen Remane: Selektion und Evolutionstheorie: Müssen „altdarwinistische Dogmen“ durch eine kritische Evolutionstheorie ersetzt werden? In: Paläontologische Zeitschrift. 57(1983)3, S. 205–212.
  185. Martin Neukamm (Hrsg.): Darwin heute: Evolution als Leitbild in den modernen Wissenschaften. Darmstadt 2014.
  186. Jutta Weber: Umkämpfte Bedeutungen: Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience. Frankfurt am Main 2003, S. 23.
  187. F. Nietzsche: Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt. 1889, § 1.
  188. Theodor Jaensch: Aus Urdas Born. Schilderungen und Betrachtungen im Lichte der heutigen Lebensforschung. Berlin 1892.
  189. Richard Hamann, Jost Hermand: Impressionismus. München 1972, S. 98 f.
  190. Lexikon der Biologie: Neovitalismus auf spektrum.de
  191. Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. 2 Bände. Iserlohn 1873.
  192. Ernst Mach: Analyse der Empfindungen, 1886, 3. Auflage, S. 239.
  193. Georg Simmel: Philosophie des Geldes, Gesammelte Werke Bd. 6, S. 63 ff.
  194. Wilhelm Ostwald: Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus- Vortrag in der 3. Allgemeinen Sitzung der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte zu Lübeck am 20. September 1895, Leipzig 1895.
  195. Hans Reichenbach: The Direction of Time. University of California Press, Berkeley 1956.
  196. Steve Giles (Hrsg.): Theorizing Modernism: Essays in Critical Theory. Taylor & Francis, 1993, S. 28.
  197. Anne Siegetsleitner: Logischer Empirismus, Bauhaus und Lebensreform. Vortrag auf der Tagung Logischer Empirismus, Lebensreform und die deutsche Jugendbewegung. Institut für Wissenschaft und Kunst (iwk.ac.at), Wien, 15. Juni 2016.
  198. Milič Čapek: Concepts of Space and Time. Dordrecht, Boston 1976.
  199. Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt 1996. Englische Erstausgabe: The Structure of Scientific Revolutions. Chicago Press, Chicago 1962.
  200. Ian Hacking: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Stuttgart 1996, S. 13 ff.
  201. E. Nagel: The Structure of Science: Problems in the Logic of Scientific Explanation. 1961.
  202. Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1976, S. 218.
  203. T. S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, 1970, S. 114.
  204. Hermann Weyl: Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaften. 3. Auflage. (1928); Neudruck: München 1966, S. 195 f.
  205. Imre Lakatos: Die Geschichte der Wissenschaft und ihre rationalen Rekonstruktionen. In: Ders. (Hrsg.): Kritik und Erkenntnisfortschritt: Abhandlungen des Internationalen Kolloquiums über die Philosophie der Wissenschaft. London 1965, Band 4. Heidelberg 2013, S. 271–312, hier: S. 275 f.
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  208. Carl Friedrich von Weizsäcker: Aufbau der Physik. München 1985, S. 23 f., 330 f.; siehe dazu auch Kober 2011.
  209. Wen-Ran Zheng: A Unifying Theory of Nature, Agents and Causality with Applications in Quantum Computing, Cognitive Informatics and Life Sciences. New York 2011.
  210. Paul Davies, Julian R. Brown (Hrsg.): Superstrings. Eine Allumfassende Theorie der Natur in der Diskussion. München 1988.
  211. Josef Honerkamp: Was können wir wissen?: Mit Physik bis zur Grenze verlässlicher Erkenntnis. Berlin/Heidelberg 2013.
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  239. R. Dawkins: Das egoistische Gen. Heidelberg, Berlin, Oxford 1994 (engl. Erstausgabe 1976).
  240. H. R. Maturana, J. Varela: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. München 1984.
  241. Cassierer 1964, S. 60.
  242. Aristoteles: Poetik. Kap. 22, 1459; dt. nach Manfred Fuhrmann. München 1976, S. 94.
  243. Wilhelm von Humboldt: Antrag auf Errichtung der Universität Berlin. (24. Juli 1809) In: Werke Band 4 (Hrsg.): von Andreas Flitner und Klaus Diehl. Darmstadt 1960: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. (PDF)
  244. Petra Gehring: Wert, Wirklichkeit, Macht. Lebenswissenschaften um 1900. In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 34(2009), S. 117–135.
  245. Christian Illes: Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter. Zur Konvergenz von Moral und Natur, Frankfurt, 2. Auflage 2009.
  246. Weber, S. 16. Dieser Begriff wird hier nicht im Sinne der subkulturellen Jugendbewegung, sondern einer mehr oder weniger digitalisierten Alltagskultur und Medienwelt verwendet.
  247. Oliver Schlaudt: Naturtheorie, Gesellschaftstheorie, Messtheorie? Überlegungen zu einer kritischen Naturtheorie. In: Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie. Band 1, Heft 1, 2014, S. 148–161, doi:10.1515/zksp-2014-0006.
  248. So etliche Beiträge in: Karl-Siegbert Rehberg: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. 2 Teilbände. Frankfurt 2008; z. B. der von Sabine Toppe: (online)
  249. Über Informationsaustausch und „Mehrheitsentscheidungen“ im Tierreich siehe z. B. Haken 1989, S. 194–197.
  250. Donna Haraway: Primate Visions. Gender, Race, and Nature in the World of Modern Science. Routledge, New York 1990.
  251. Angelika Saupe: Verlebendigung der Technik: Perspektiven im feministischen Technikdiskurs. Bielefeld: Kleine Verlag 2002.
  252. Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt am Main 2008.
  253. Nina Degele, Christian Dries: Modernisierungstheorie, München 2005, S. 136 f.
  254. Friedrich Engels, Dialektik der Natur. MEW Band 20, Berlin 1973.
  255. Hartmut Winkler: Spuren, Bahnen: Wirkt der Traffic zurück auf die mediale Infrastruktur? In: Christoph Neubert, Gabriele Schabacher (Hrsg.): Verkehrsgeschichte und Kulturwissenschaft: Analysen an der Schnittstelle von Technik, Kultur und Medien. S. 49–72, hier: S. 65.
  256. Kevin Kelly: What Technology Wants. Penguin Books, 2010.
  257. W. Butler, T. G. Acott: An Inquiry Concerning the Acceptance of Intrinsic Value Theories of Nature. In: Environmental values. 16, 2, 2007, S. 149–168 (online), oder J. J. Piccolo: Intrinsic values in nature: Objective good or simply half of an unhelpful dichotomy? In: Journal for Nature Conservation. 37, Juni 2017, S. 8–11.
  258. W. Gephart: Die Sakralisierung der Natur im Wandel des Naturverhältnisses. In: Bilder der Moderne. Sphären der Moderne. Band 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09412-8_10
  259. Petra Gehring: Technik in der Interdisziplinaritätsfalle Anmerkungen aus Sicht der Philosophie. In: Journal of Technical Education. vol. 1 (2013), no. 1, S. 136.
  260. Zusammenfassend: C. Fred Alford: Science and Revenge of Nature: Marcuse and Habermas. Gainesville 1985.
  261. H. Marcuse: Eros and Civilization. (1955), dt.: Triebstruktur und Gesellschaft. Frankfurt 1965.
  262. Klaus Bonik u. a.: Materialistische Wissenschaftsgeschichte: Naturtheorie und Entwicklungsdenken. Berlin (Argument Sonderband) 1981.
  263. Joachim Radkau; Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt. München 2000, ISBN 3-406-48655-X.
  264. André Leisewitz: Ökologie, Naturaneignung, Naturtheorie. Köln 1984.
  265. J. Habermas: Die Zukunft der menschlichen Natur: Auf dem Wege zu einer liberalen Eugenik? Frankfurt am Main 2001.
  266. Ludwig Trepl: Die Erde ist kein Lebewesen. Kritik der Gaia-Hypothese. In: www.scilogs.de 13. Februar 2013.
  267. S. T. A. Pickett u. a.: Ecological Understanding: The Nature of Theory and The Theory of Nature. San Diego 1994.
  268. Ulrich Beck: Risikogesellschaft. München 1986. S. 106.
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