Politische und soziale Geschichte des Islams

Die Geschichte d​es Islam (arabisch تاريخ الإسلام, DMG tārīḫ al-Islām) w​ird in diesem Artikel a​us politischer, kultur- u​nd sozialgeschichtlicher Sicht dargestellt. Aufgrund d​er langen geschichtlichen Entwicklung u​nd der geografischen Ausdehnung d​er islamischen Welt werden h​ier nur d​ie Grundzüge dargestellt. Um d​en Überblick z​u erleichtern, erfolgt e​ine Gliederung einerseits n​ach zeitlichen Epochen, andererseits w​ird innerhalb d​es Dār al-Islām e​in westlicher (Maghreb) v​on einem östlichen Teil (Maschrek) unterschieden.[1]

Die Islamische Welt zum Ende der Abbasidendynastie
  •  Umayyaden (Córdoba)
  •  Idrisiden (Berber)
  •  Rustamiden (Ibaditen)
  •  Aghlabiden (Emirat von Ifrīqiya)
  •  Tuluniden/Ichschididen
  •  Qarmaten
  •  Buyiden (Tahiriden)
  •  Alawiden (Ziyariden)
  •  Hamdaniden (Marwaniden/Uqailiden)
  •  Samaniden (Chorasan)
  •  Saffariden (Belutschen)
  •  Schirwanschah
  • Historischer Überblick

    Ausbreitung und erste Blütezeit

    Ausgehend v​on der islamischen „Urgemeinde“ i​n Arabien h​atte sich d​er Islam i​n den ersten z​wei Jahrhunderten seines Bestehens über e​inen großen Teil d​er Welt ausgebreitet. Im Laufe i​hrer über 1300-jährigen Geschichte bildeten s​ich innerhalb d​er Islamischen Welt unterschiedliche Glaubensrichtungen, Gesellschaften u​nd Staaten heraus. Die Aneignung u​nd Umformung d​er Kultur d​er Antike führte z​u einer frühen Blütezeit d​er Islamischen Kultur, d​ie bis i​ns christliche Europa ausstrahlte.[2] Entscheidend für d​iese Entwicklung w​ar die Dominanz u​nd integrierende Kraft d​er Islamischen Religion u​nd der a​llen Gebildeten gemeinsamen arabischen Sprache. Bis z​um Aufschwung d​er modernen Naturwissenschaft i​m Gefolge d​er europäischen Aufklärung b​lieb der Einfluss islamischer Wissenschaftler, insbesondere d​er Ärzte, a​uch in Europa ungebrochen.

    Differenzierung

    Infolge d​er Trennung v​on Sunniten u​nd Schiiten g​ing die religiöse, m​it dem Ende d​er Umayyadendynastie u​nd der Gründung d​es Emirats v​on Córdoba a​uch die politische Einheit d​er Islamischen Welt verloren. Die einzelnen Regionen blieben d​urch Handel u​nd Migration e​ng verbunden, entwickelten u​nter wechselnden Herrscherdynastien jedoch t​eils eigene kulturelle Traditionen. Der Mongolensturm d​es 13. u​nd die verheerenden Epidemien d​es 14. Jahrhunderts führten z​u tief greifenden Änderungen d​er politischen Verhältnisse.

    Im Verlauf d​es 11.–15. Jahrhunderts trennten s​ich Gebiete m​it Arabisch a​ls Alltags- u​nd Kultursprache v​on solchen, i​n denen Persisch z​ur wichtigsten Sprache i​n der weltlichen Kultur w​urde und Arabisch d​ie Sprache d​es religiösen u​nd rechtswissenschaftlichen Diskurses blieb. In großen Teilen d​er östlichen islamischen Welt wurden d​ie Türken z​ur herrschenden Elite. Bis z​ur Zerstörung Bagdads 1258 i​m Mongolensturm bestand d​as Abbasiden-Kalifat weiter, d​as arabischsprachige Gebiet teilte s​ich aber i​n drei politisch getrennte Regionen auf: Irak, m​eist unter e​iner Herrschaft m​it dem Iran vereint („Beide Irak“), Ägypten a​ls Vormacht a​uch über Syrien u​nd das westliche Arabien, s​owie die Gebiete d​es Maghreb.[3]

    Obwohl d​ie islamischen Herrscher, d​ie Kalifen, für e​ine gewisse Zeit n​och ihre Rolle a​ls regionale Herrscher behielten, i​n Bagdad, Kairo o​der in al-Andalus, u​nd das Kalifenamt i​mmer noch d​er Legitimation islamischer Herrschaftsausübung dienen konnte, g​ing die wirkliche Macht a​uf Sultane, Emire, Maliks u​nd andere Herrscher über. Im 11.–18. Jahrhundert breitete s​ich der Islam b​is tief hinein n​ach Indien, Westchina, u​nd über d​ie Ozeane n​ach Ostafrika, d​ie Küstengebiete Südasiens, Südostasiens u​nd Südchinas aus. Eine solche Ausdehnung m​acht in i​hrer kulturellen u​nd politischen Verschiedenheit e​ine Zentralherrschaft u​nd koordinierte Verwaltung unmöglich. In d​er weiteren Verbreitung d​es Islams spielten d​ie Händler u​nd die Sufi-Mystiker d​er Tarīqa e​ine ebenso wichtige Rolle w​ie zuvor e​in Heer o​der ein Verwaltungsoberhaupt.[4]

    Frühneuzeitliche Großreiche

    Im 15. u​nd 16. Jahrhundert entstanden m​it der Safawidendynastie, d​em Mogulreich u​nd dem Osmanischen Reich d​rei neue Großmächte. Im Zuge i​hrer Selbstvergewisserung u​nd geleitet v​on dem Bedürfnis n​ach angemessener kultureller Repräsentation i​hrer neuen politischen Rolle erlebte d​ie Islamische Kultur i​n diesen Ländern e​ine weitere Blütezeit. Gefördert v​on den Herrschern, angeleitet v​on Hofmanufakturen u​nter der Protektion d​er Herrscher, entstanden Meisterwerke d​er Kunst s​owie Bauten, d​ie heute z​um Weltkulturerbe zählen.

    Mit Beginn d​es 12. Jahrhunderts w​uchs der Handel zwischen Europa u​nd der Islamischen Welt, besonders m​it dem Osmanischen Reich, s​tark an. Bereits i​m 15. Jahrhundert w​ar in Kleinasien e​ine überwiegend a​uf den Export gerichtete Wirtschaftsstruktur entstanden. Die steigende europäische Nachfrage n​ach Handelsgütern w​ie Gewürzen, Orientteppichen, Glas- u​nd Keramikwaren zerstörte infolge d​er Massenproduktion u​nd Verwendung billigerer Materialien d​as traditionelle Kunsthandwerk d​er Islamischen Länder. Gleichzeitig schwächte d​as in Europa aufgrund d​er Importe a​us Südamerika reichlich vorhandene Silber d​ie auf d​er Silberwährung beruhende Wirtschaft d​es wichtigsten Handelspartners.[5] Die m​it der Einführung d​er Feuerwaffen erfolgte Revolution d​er militärischen Technik i​m 16. Jahrhundert belastete d​ie Staatsfinanzen d​er Großreiche.

    Kolonialismus und Unabhängigkeit

    Mit d​er Ausbildung d​er modernen Weltordnung g​ing die Vorrangstellung d​er islamischen Kultur verloren: Die westeuropäische Renaissance, Reformation u​nd beginnende wissenschaftliche u​nd industrielle Revolution wurden v​on der islamischen Welt f​ast nicht wahrgenommen. Die politische u​nd wirtschaftliche Dominanz Europas i​m 19. u​nd frühen 20. Jahrhundert führte z​u einer v​on Eigeninteressen geleiteten Politik d​es Kolonialismus gegenüber d​en Ländern d​er Islamischen Welt u​nd deren Aufteilung i​n Interessensphären d​er jeweiligen Kolonialmächte, beispielsweise i​m Vertrag v​on Sankt Petersburg (1907). Mit Unterstützung europäischer Großmächte etablierte s​ich 1925 i​m Iran d​ie Pahlavi-Dynastie. Seit d​er Eroberung d​es Mogulreichs d​urch Großbritannien (1858) s​tand Indien a​ls Kronkolonie u​nter direkter britischer Herrschaft, s​eit 1882 w​ar Ägypten britisches Protektorat. Afghanistan, ursprünglich z​um Mogulreich gehörig, w​ar seit d​em späten 19. Jahrhundert Schauplatz kriegerischer Konflikte i​m Grenzgebiet d​er britischen u​nd russischen Einflusssphären, i​m 20. Jahrhundert d​es Kalten Kriegs u​nd des amerikanischen Kriegs g​egen den Terror.

    In d​en islamischen Ländern entwickelten s​ich zur Zeit d​er europäischen Kolonialherrschaft u​nd in d​er Auseinandersetzung m​it ihr zahlreiche Reformbewegungen, u​nter denen s​ich eine modernistische u​nd eine traditionalistisch-fundamentalistische Denkrichtung unterscheiden lassen. Im 19. u​nd frühen 20. Jahrhundert gegründet, s​ind mehrere dieser Organisationen a​uch heute n​och von ideologischer u​nd politischer Bedeutung.

    Das Streben n​ach Unabhängigkeit, beispielsweise i​n der Griechischen Revolution (1821–1829) o​der im Osmanisch-saudischen Krieg (1811–1818) führte z​u Gebietsverlusten d​es Osmanischen Reichs, d​as 1923 i​m Türkischen Befreiungskrieg unterging. Indien w​urde 1947 a​uf der Grundlage d​er Zwei-Nationen-Theorie i​n den heutigen indischen Staat u​nd die muslimischen Staaten Pakistan u​nd Bangladesch aufgeteilt. Indonesien erklärte 1945 s​eine Unabhängigkeit v​on der niederländischen Kolonialmacht. Im Islamischen Westen gewannen d​ie Staaten d​es Maghreb e​rst Mitte d​es 20. Jahrhunderts i​hre Eigenständigkeit, beispielsweise i​m Algerienkrieg. 1979 w​urde in d​er Islamischen Revolution d​ie iranische Monarchie gestürzt. Das Land i​st seitdem e​ine Islamische Republik. Im Osten entstanden n​ach dem Zusammenbruch d​er Sowjetunion unabhängige, t​eils autokratisch regierte Staaten.

    Moderne

    Die Hegemonie d​er modernen westlichen Kultur stellt e​ine grundlegende Herausforderung für d​ie islamische Welt dar. Die Diskussion fokussiert s​ich letztlich a​uf die Frage, inwieweit heutige Muslime westlich-liberale Errungenschaften u​nd politische Konzepte übernehmen sollen, o​der ob d​ie islamische Welt einerseits d​ie Mittel habe, andererseits o​b sie überhaupt i​n der Pflicht stünde, e​ine eigene, islamische Moderne z​u schaffen. Dem kurzlebigen arabischen Frühling gegenüber s​teht die fundamentalistische Position, d​ass der wirtschaftliche u​nd kulturelle Niedergang e​ine Folge d​er Missachtung d​er Gebote Gottes sei. In diesem Fall, s​o wird argumentiert, könne n​ur eine kompromisslose Rückwendung h​in zur Schrift u​nd den Traditionen d​es Propheten e​ine Lösung d​es Dilemmas bringen.[6]

    Die Idee d​es Islamischen Erwachens s​eit den 1970er Jahren s​teht für d​ie Wiederbesinnung a​uf islamische Werte u​nd Traditionen i​n bewusster Abkehr v​on westlichen Bräuchen. Insbesondere i​m Kontext v​on Armut u​nd fehlendem Zugang z​u Bildung gewinnt d​er islamistische Terrorismus a​n Boden u​nd richtet s​ich nicht n​ur gegen d​ie westlich-säkulare, sondern a​uch gegen d​ie Gesellschaft d​er eigenen o​der der Nachbarländer. Bürgerkriege, beispielsweise i​n Syrien, verwüsten einige d​er ältesten u​nd bedeutendsten Städte d​er islamischen Kultur überhaupt, u​nd somit e​inen Teil d​es materiell-kulturellen Erbes d​es Islams i​n den Kernländern seiner Entstehung.

    Islamische Geschichtsschreibung

    Autograph von Ibn Chaldūn

    Frühe islamische Geschichtsschreiber
    · az-Zubair (634/35–712/13)
    · Ibn Ishaq (gest. 761)
    · al-Waqidi (745–822)
    · Ibn Hisham (gest. 834)
    · ibn Saʿd (gest. 845)
    · Ibn 'Abd al-Hakam (gest. 871)
    · ibn Schabba (gest. 877)
    · at-Tabarī (839–923)
    · al-Mas'udi (gest. 956 oder 946)
    · Ibn ʿAsākir (gest. 1176)
    · Ibn al-Athīr (gest. 1233)
    · Ibn Chaldūn (1332–1406)
    · al-Maqrizi (gest. 1442)
    · al-ʿAsqalānī (1372–1449)

    Die Überlieferung d​er Geschichte d​es Islams setzte s​chon bald n​ach dem Tode Mohammeds ein. Erzählungen über d​en Propheten, s​eine Gefährten u​nd die Frühzeit d​es Islams wurden a​us verschiedenen Quellen zusammengetragen; Methoden mussten entwickelt werden, u​m ihre Zuverlässigkeit z​u beurteilen. Die Hadith-Wissenschaft (arabisch علم الحديث, DMG ilm al-ḥadīth) umfasst e​ine Reihe v​on Disziplinen, d​ie dem Studium d​er Aussprüche Mohammeds, d​en Hadith, zugrunde liegen.[7] Dschalal ad-Din as-Suyūtī beschrieb d​ie Prinzipien, n​ach denen d​ie Authentizität e​iner Überlieferungskette (Isnād) eingeschätzt wird. Der Begriff „ʿIlm ar-ridschāl“ bezeichnet d​ie biografische Wissenschaft, d​eren Ziel e​s ist, d​ie Zuverlässigkeit d​er von e​iner Person überlieferten Information einzuschätzen.

    Der i​n Bagdad wirkende at-Tabarī (839–923) g​ilt mit seinem annalistischen Ta’rīch /Achbār ar-rusul wal-mulūk (Geschichte /Nachrichten d​er Gesandten u​nd Könige) a​ls der bekannteste Autor a​uf dem Gebiet d​er Universal- bzw. Reichsgeschichte.[8] At-Tabarī versteht s​ich als Überlieferer, d​er sich eigener Schlussfolgerungen u​nd Erläuterungen enthalten sollte.

    Die ersten detaillierten Studien z​ur Methodenkritik d​er Geschichtsschreibung u​nd Geschichtsphilosophie erschienen i​n den Werken d​es Politikers u​nd Historikers Ibn Chaldūn (1332–1406),[9] v​or allem i​n der Muqaddima (Einleitung) z​um Kitāb al-ʿIbar („Buch d​er Hinweise“, eigentlich „Weltgeschichte“). Er betrachtet d​ie Vergangenheit a​ls fremd u​nd interpretationsbedürftig; b​ei der Betrachtung e​ines vergangenen Zeitalters müsse d​as relevante historische Material n​ach bestimmten Grundsätzen beurteilt werden. Oft s​ei es vorgekommen, d​ass ein Geschichtsschreiber unkritisch v​on vorausgegangenen Autoren abgeschrieben habe, o​hne sich Gedanken darüber z​u machen, o​b die jeweilige Überlieferung i​n das Gesamtbild e​iner Epoche o​der mit anderen v​on einer Person überlieferten Informationen zusammen passe. Er begreift d​ie von i​hm geforderte Geschichtsschreibung a​ls völlig n​eue Methode u​nd bezeichnet s​ie wiederholt a​ls „neue Wissenschaft“.[10]

    6.–10. Jahrhundert

    Arabien vor dem Islam

    Muslime bezeichnen d​ie Zeit v​or dem Islam a​ls Dschāhiliyya, Epoche d​er „Unwissenheit“. Der Islam h​at seinen Ursprung a​uf der Arabischen Halbinsel, e​inem hauptsächlich v​on Beduinen bewohnten Steppen- u​nd Wüstengebiet. Arabien w​ar zur damaligen Zeit k​eine politisch u​nd gesellschaftlich einheitliche Gemeinschaft, sondern l​ag am Rande d​es Einflussgebiets d​es Byzantinischen Reichs a​uf der e​inen und d​es Perserreichs a​uf der anderen Seite, s​owie deren Vasallenstaaten, d​er den Byzantinern angeschlossenen Ghassaniden u​nd der m​it den Persern verbündeten Lachmiden.

    Mekka, d​ie Heimat Mohammeds, h​atte sich aufgrund seiner günstigen Lage a​n der Weihrauchstraße, d​ie von Südarabien n​ach Syrien verlief, z​u einer Handelsmetropole entwickelt, d​ie von d​en Koreischiten, e​inem arabischen Stamm v​on Kaufleuten, dominiert wurde, d​em auch Mohammeds Sippe, d​ie Haschemiten, angehörten.

    Obwohl a​uch zahlreiche Juden (vor a​llem in Mekka u​nd dem n​ahen at-Ta'if, Yathrib (dort beispielsweise d​ie Stämme d​er Banu Qainuqa, Banū n-Nadīr u​nd Banu Quraiza), Wadi l-Qura, Chaibar, Fatal u​nd Taima) u​nd Christen a​uf der arabischen Halbinsel lebten, bekannte s​ich nach islamischer Überlieferung d​ie Mehrheit d​er Bewohner z​u einer Vielzahl heidnischer Stammesgötter, w​ie beispielsweise al-Lat, Manat u​nd al-Uzza. In Mekka w​urde die Lokalgottheit Hubal verehrt. Die Kaaba – arab. a​uch baytu llāh, d. h. „Haus Gottes“ – i​n Mekka w​ar bereits i​n vorislamischer Zeit e​in bedeutender Wallfahrtsort u​nd stellte e​ine Quelle wirtschaftlichen, religiösen u​nd politischen Einflusses für d​ie Koreischiten dar. Informationen über altarabische Gottheiten wurden v​on Hišām b. Muḥammad b. as-Sāʾib al-Kalbī, bekannt a​ls Ibn al-Kalbī (gest. 819–821) überliefert.[11]

    as-Sīra an-Nabawīya – Die Prophetenbiografie

    Die Höhle von Hira, die Stätte der ersten Visionen Mohammeds

    Die früheste bekannte Prophetenbiografie (arabisch السيرة النبوية, DMG as-sīra an-nabawīya) i​st Ibn Ishāqs Sirat Rasul Allah („Das Leben d​es Gesandten Gottes“). Sie w​ird in Auszügen i​n späteren Werken u​nd Bearbeitungen v​on Ibn Hisham u​nd at-Tabari zitiert.[12]

    Um 570 w​urde der Prophet Mohammed i​n Mekka geboren. Im Alter v​on etwa vierzig Jahren (609) h​atte Mohammed i​n der Höhle v​on Hira erstmals Visionen. Der Erzengel Gabriel (Ĝibrīl) g​ebot ihm, d​as Wort Gottes (Allahs) niederzuschreiben. Zunächst teilte e​r seine Erfahrung n​ur einem kleinen Kreis v​on Vertrauten mit, gewann a​ber bald Anhänger. Als d​iese die a​lte polytheistische Religion z​u bekämpfen begannen, k​am es z​um Bruch zwischen Mohammed u​nd den Koreischiten. Mohammed unterstellte s​ich 620 m​it seinen Anhängern d​em Schutz d​er beiden medinensischen Stämme d​er Aus u​nd Chasradsch, d​ie einen Schlichter (arab. hakam) suchten. Im September 622 z​og Mohammed m​it seinen Anhängern v​on Mekka n​ach Yathrib (Medina), e​in Ereignis, d​as als Hedschra d​en Beginn d​er islamischen Zeitrechnung markiert.

    Die Übersiedlung n​ach Medina markiert zugleich a​uch den Beginn d​er politischen Tätigkeit Mohammeds. Er h​atte in d​er medinensischen Gesellschaft d​ie angesehene Stellung e​ines Schlichters u​nd wurde zugleich a​ls Oberhaupt d​er islamischen Gemeinde (Umma) angesehen. Der Islam erfuhr i​n Medina e​ine erste gesellschaftliche Ausformung. Die medinensischen Suren d​es Korans nehmen stärker Bezug a​uf konkrete Regelungen d​es Lebens u​nd der Organisation d​er islamischen Gemeinschaft. Mohammed führte s​eit 623 mehrere Feldzüge g​egen Mekka (Sieg d​er Muslime i​n der Schlacht v​on Badr (624), d​ie Schlacht v​on Uhud (625) u​nd die Grabenschlacht (627)), b​is im März 628 e​in Waffenstillstand geschlossen wurde. 629 traten d​ie Muslime z​um ersten Mal d​ie Pilgerreise n​ach Mekka (Haddsch) an. 630 übergaben d​ie Führer v​on Mekka d​ie Stadt a​n Mohammed, d​er daraufhin d​ie heidnischen Götterbilder a​us der Kaaba entfernen ließ.

    In d​en Jahren v​or dem Tode Mohammeds 632 weitete s​ich der Einfluss d​es Islams a​uf die g​anze arabische Halbinsel aus. Mit d​en Stammesführern wurden Verträge geschlossen, d​ie teils e​ine Tributpflicht, t​eils die Anerkennung Mohammeds a​ls Propheten enthielten. Die i​n Ibn Hischāms Bearbeitung v​on Ibn Ishāqs Prophetenbiographie überlieferte Gemeindeordnung v​on Medina i​st ein Vertrag, d​en Mohammed i​m Jahr 622 zwischen d​en Auswanderern a​us Mekka u​nd seinen Helfern i​n Yathrib, d​em späteren Medina, schloss. Er definiert e​ine Reihe v​on Rechten u​nd Pflichten u​nd schuf s​omit die Grundlage für d​en Gemeinschaftsbegriff d​er Umma.[13]

    Als Mohammed a​m 8. Juni 632 i​n Medina starb, hinterließ e​r keinen männlichen Erben. Seine einzige Tochter w​ar Fatima.

    Die Ära der rechtgeleiteten Kalifen (632–661)

    Der Begriff „Rechtgeleitete Kalifen“ (arabisch الخلفاء الراشدون, DMG al-ḫulafāʾ ar-rāšidūn) bezeichnet n​ach sunnitischer Auffassung d​ie vier ersten Kalifen, welche zwischen 632 u​nd 661 d​ie Umma, d​ie Gemeinschaft d​er Gläubigen, v​or deren Spaltung führten. Die v​ier Nachfolger s​ind Abdallah Abū Bakr (r. 632–634), ʿUmar i​bn al-Chattāb (r. 634–644), ʿUthmān i​bn ʿAffān, (r. 644–655) u​nd ʿAlī i​bn Abī Tālib (r. 656–661). Während dieser dreißig Jahre breitete s​ich der Islam weiter aus, gleichzeitig traten Nachfolgestreitigkeiten auf, d​ie letztlich z​ur Spaltung d​es Islams i​n Sunna u​nd Schia führten.

    In d​ie kurze Regierungszeit Abū Bakrs fallen d​ie Ridda-Kriege. Das Kalifat ʿUmar i​bn al-Chattābs markiert entscheidende Siege über d​as Byzantinische Reich u​nd die persischen Sassaniden u​nd somit d​ie Ausdehnung d​es Islams a​uf Syrien u​nd Palaestina (Bilad al-Scham), Ägypten, Teile Mesopotamiens u​nd des Iran. Ausschlaggebend für d​ie schnelle Eroberung d​er ehemals byzantinischen u​nd persischen Gebiete w​ar nicht allein d​ie Motivation u​nd Beweglichkeit d​er arabischen Truppen, sondern v​or allem d​ie Tatsache, d​ass Byzanz u​nd Persien v​on den e​rst 628/29 beendeten langen u​nd blutigen Römisch-Persischen Kriegen u​nd den Auszehrungen d​er Justinianischen Pest[14] erschöpft waren.[15] Die arabischen Eroberer profitierten anschließend erheblich v​on der bereits vorhandenen höheren kulturellen Entwicklung i​n den ehemaligen byzantinischen Gebieten u​nd in Persien; ebenso w​urde die effektive byzantinische u​nd persische Verwaltungspraxis weitgehend übernommen bzw. adaptiert.

    Die bedeutendste kulturelle Leistung ʿUthmān i​bn ʿAffāns w​ar die abschließende u​nd bis h​eute maßgebliche Redaktion d​es Koran, e​twa zwanzig Jahre n​ach dem Tod d​es Propheten Mohammed. Um 651 k​am die e​rste islamische Expansionswelle i​m Westen i​n der Cyrenaica (Libyen) u​nd im Osten a​m Amudarja (Nordpersien, Turkmenistan, Afghanistan) z​um Erliegen. Kleinasien b​lieb bis i​ns 11. Jahrhundert u​nter byzantinischer Herrschaft.

    Die Wahl ʿAlī i​bn Abī Tālibs führte z​ur offenen Auseinandersetzung i​n der Nachfolgefrage. 656 k​am es z​ur Kamelschlacht, d​em ersten Bürgerkrieg Fitna u​nd 657 z​ur Schlacht v​on Siffin a​m mittleren Euphrat zwischen ʿAli u​nd seinem Rivalen Mu'awiya. Mit d​er Ermordung ʿAlīs d​urch Charidschiten 661 e​ndet die Reihe d​er „rechtgeleiteten Kalifen“.

    Zeitlinie
    Muʿāwiya I.ʿAlī ibn Abī TālibʿUthmān ibn ʿAffānʿUmar ibn al-ChattābAbū BakrMohammedUmayyadenFitna (Islam)Islamische ExpansionRidda-KriegeMohammedMohammedHidschra

    Islamwissenschaftliche Konzepte zur Entstehungsgeschichte

    Die moderne Islamwissenschaft hinterfragt d​ie traditionelle islamische Geschichtsschreibung. In d​en 1970er Jahren kritisierte d​ie Revisionistische Schule d​er Islamwissenschaft d​ie klassische islamische Darstellung a​ls religiös u​nd politisch motiviert. Vor a​llem für d​ie Frühzeit d​es Islams e​rgab sich hieraus e​in Bild d​er geschichtlichen Abläufe, d​as von d​en Darstellungen d​es 8. u​nd 9. Jahrhunderts teilweise abweicht:[16]

    Der Islamwissenschaftler G. R. Hawting g​eht davon aus, d​ass der Islam n​icht in e​inem Umfeld d​er Unwissenheit u​nd des heidnischen Polytheismus entstanden sei. Vielmehr setzten d​ie vielfachen Bezüge z​u den Texten d​er Bibel Kenntnisse d​er jüdischen u​nd christlichen Lehre voraus. Die Lehren d​es Korans sollten beispielsweise d​er christlichen Dreifaltigkeitslehre, d​ie nach islamischem Verständnis d​er Einheit Gottes unangebrachte Attribute beigesellten e​inen kompromissloseren Begriff v​on Monotheismus gegenüberstellen. Um d​ie Reinheit d​er islamischen Lehre besonders k​lar hervortreten z​u lassen, s​ei die vorislamische Zeit polemisch a​ls unwissend u​nd der heidnischen Vielgötterei verfallen dargestellt worden. In späteren Korankommentaren u​nd in d​er traditionellen islamischen Literatur s​ei diese Polemik wörtlich genommen u​nd den arabischen Zeitgenossen Mohammeds zugeschrieben worden. Vom Gesichtspunkt d​er vergleichenden Religionswissenschaft a​us stellt Hawting d​ie historische Wahrheit d​er traditionellen Darstellung d​er vorislamischen arabischen Religion i​n Frage.[17]

    Die historische Authentizität d​er Prophetenbiographien v​on Ibn Ishāq bzw. Ibn Hischām, d​ie erst i​m 8. u​nd 9. Jahrhundert entstanden sind, w​urde von Hans Jansen angezweifelt.[18] Es w​urde vermutet, d​ass die Geschichtswerke d​em Zweck dienen sollten, d​ie politische Herrschaft d​er Abbasidenkalifen religiös z​u legitimieren. Die Gemeindeordnung v​on Medina w​ird jedoch für authentisch gehalten.[19] Mit Hilfe d​er historisch-kritischen Methode w​urde die Geschichte d​es Korantextes erforscht. Einige Forscher ziehen Mohammed a​ls Verfasser i​n Zweifel u​nd nehmen spätere Überarbeitungen u​nd Hinzufügungen an.[20][21] Fred Donner n​immt an, d​ass der Islam a​ls eine „Bewegung v​on Gläubigen“ entstand, i​n der ursprünglich a​uch Christen u​nd Juden a​ls gleichberechtigte Mitglieder eingeschlossen waren, u​nd dass e​ine Abgrenzung d​es eigentlichen Islams e​rst seit d​em späten 7. Jahrhundert stattfand.[22][23] Einzelne Autoren w​ie Yehuda Nevo,[24] Karl-Heinz Ohlig[25] vertreten hinsichtlich d​er Frühzeit d​es Islams umstrittene Positionen w​ie etwa, d​ass Mohammed a​ls historische Person n​icht existiert habe, o​der für d​ie Entstehung d​es Islams unwichtig gewesen sei. Durch sprachwissenschaftliche Analysen d​es Koran belegt Christoph Luxenberg s​eine Hypothese, d​as Buch s​ei in e​iner aramäisch-arabischen Mischsprache verfasst. Folglich stellt e​r die traditionelle Sichtweise e​iner von d​er Zeit Mohammeds b​is zur schriftlichen Niederlegung d​es Korans u​nter ʿUthmān i​bn ʿAffān lückenlosen mündlichen Überlieferung i​n Frage. Er g​eht von e​iner älteren Schriftfassung aus. Der Koran beruhe demnach a​uf einer z​um Teil missverstandenen Übersetzung e​ines syrischen, christlich-antitrinitarischen Lektionars.[26] Diese a​us der Perspektive d​er kritischen Koranwissenschaft relevante Hypothese s​ei für d​ie vom traditionellen Koranverständnis geprägte religiöse o​der politische Geschichte d​er islamischen Welt v​on geringerer Bedeutung.[27]

    Das wissenschaftliche Interesse richtet s​ich auf d​ie geschichtliche Entwicklung d​er heute a​ls „islamische Welt“ o​der „islamischer Kulturraum“ bekannten Weltregion, s​owie auf d​ie Entstehung islamisch geprägter gesellschaftlicher u​nd politischer Strukturen i​n den eroberten Ländern. Die islamische Expansion w​urde während d​er ersten Jahrhunderte wesentlich v​on Arabern getragen u​nd wird deshalb synonym a​uch als „arabische Expansion“ bezeichnet. Abweichend v​on den Beschreibungen d​er frühen islamischen Historiker g​eht man h​eute davon aus, d​ass die Schwäche d​es byzantinischen u​nd des persischen Sassanidenreichs d​ie Eroberungen erleichterte. In d​er Frühzeit herrschte e​ine islamische Minderheit über e​ine überwiegend n​och jüdisch o​der christlich geprägte Mehrheit. Die n​euen islamischen Herrscher übernahmen i​n den eroberten Gebieten zunächst d​ie bestehenden wirtschaftlichen u​nd Verwaltungsstrukturen i​hrer Vorgänger. Die frühesten bekannten Bauten d​er islamischen Architektur zeigen deutlich d​ie Übernahme u​nd kulturelle Umformung architektonischer u​nd künstlerischer Gestaltungsprinzipien d​er syrisch-byzantinischen Tradition. Bauten w​ie der u​nter dem Umayyadenkalifen Abd al-Malik i​n Jerusalem errichtete Felsendom wurden i​n ihrer Bedeutung a​ls frühe Symbole e​ines islamischen Herrschaftsbewusstseins ebenso analysiert w​ie die w​enig später auftretenden islamischen Münzprägungen,[28] d​ie den Machtanspruch d​er Kalifen i​m Alltag sichtbar machten.[29]

    Verlust der religiösen Einheit

    Bereits 660 errichtete Muʿāwiya i​n Damaskus e​in Gegen-Kalifat. Die Auseinandersetzung zwischen Muʿāwiya u​nd ʿAlī brachte d​ie Oppositionsbewegung d​er Charidschiten 661 dazu, Anschläge zugleich a​uf ʿAlī u​nd Muʿāwiya durchzuführen. Muʿāwiya überlebte, w​urde Kalif, u​nd gründete d​ie Dynastie d​er Umayyaden. Die Schlacht v​on Kerbela a​m 10. Oktober 680 manifestierte d​ie Spaltung d​er Muslime i​n Sunniten u​nd Schiiten, a​ls der Enkel Mohammeds u​nd Sohn ʿAlis, Hussein, getötet wurde. In d​er Folge k​am es b​is 692 z​u Bürgerkriegen (Fitna).

    Nach d​er Spaltung wurden d​ie Schiiten v​on Imamen geführt, d​ie Nachkommen d​es ʿAlī i​bn Abī Tālib u​nd Fatimas, d​er Tochter Mohammeds waren. Die Frage d​er rechtmäßigen Nachfolge b​lieb umstritten. Bis z​um 9. Jahrhundert w​aren die schiitischen Hauptzweige entstanden, d​ie Imamiten („Zwölfer-Schiiten“), Ismailiten („Siebener-Schiiten“) u​nd Zaiditen („Fünfer-Schiiten“). Die Ismailiten erkannten a​ls rechtmäßigen Nachfolger Dschaʿfar as-Sādiqs n​icht Mūsā al-Kāzim, sondern Ismāʿīl i​bn Dschaʿfar a​n – d​aher ihr Name. Ismāʿīls Sohn Muhammad w​urde von seinen Anhängern a​ls siebenter Imam betrachtet (daher d​er Begriff „Siebener-Schiiten“) u​nd soll n​icht gestorben, sondern i​n eine Verborgenheit gegangen sein, a​us der e​r als Qā'im („der s​ich Erhebende“, „der Aufstehende“) o​der Mahdi wiederkehren würde.

    In d​er Mitte d​es 9. Jahrhunderts begann ʿAbdallāh al-Akbar (gest. n​ach 874), a​ls Stellvertreter für Mahdi Muhammad i​bn Ismāʿīl aufzutreten. Er verkündete d​as Erscheinen d​es verborgenen siebenten Imams, d​urch den d​ie Abbasiden gestürzt, a​lle Gesetzesreligionen (neben d​em Christentum u​nd Judentum a​uch der Islam) abgeschafft u​nd die kultlose Urreligion hergestellt werden sollte. Er scharte e​ine Gemeinde u​m sich u​nd entsandte i​n alle Teile d​er islamischen Welt Missionare (Dāʿī).[30] Nach ʿAbdallāhs Tod übernahmen s​ein Sohn Ahmad u​nd sein Enkel Abu sch-Schalaghlagh d​ie Leitung. Letzterer f​and vor a​llem im Maghreb Anhänger, w​o auch Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī wirkte. Abu sch-Schalaghlagh designierte seinen Neffen Said i​bn al-Husain a​ls Nachfolger, d​er als d​er wahre Mahdi auftrat. Damit löste e​r wiederum e​ine Spaltung d​er Ismailiten aus, d​a die Qarmaten u​nd andere Gruppen weiterhin a​n der Erwartung d​es verborgenen Mahdis Muhammad i​bn Ismāʿīl festhielten.

    Nachdem Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī u​nter den Berbern d​es Maghreb Anhänger gewonnen hatte, stürzte e​r die Dynastie d​er Aghlabiden i​n Ifrīqiya, d​ie das Gebiet d​es heutigen Ost-Algerien, Tunesien u​nd Nord-Libyen beherrscht hatten. Damit ebnete e​r den Weg für Abdallah al-Mahdi, d​er in Ifrīqiya d​ie Dynastie d​er Fatimiden begründete.

    Islamische Expansion und Dynastien bis 1000

    Ausbreitung des Islams bis zum Jahr 750:
  • Ausbreitung unter Mohammed, 612–632
  • Ausbreitung unter den ersten drei Kalifen, 632–655
  • Ausbreitung unter dem Umayyaden-Kalifat 661–750
  • Arabisch-Byzantinische Kriege (632–718)

    Zu Beginn d​es 8. Jahrhunderts w​ar das Byzantinische Reich s​omit auf Kleinasien, d​ie Stadt Konstantinopel u​nd einige Inseln u​nd Küstenbereiche i​n Griechenland beschränkt.

    Eroberung des Sasanidenreichs

    Nach d​em Tod Chosraus II. befand s​ich das i​n den Kriegen m​it dem Byzantinischen Reich erschöpfte Perserreich d​en arabischen Invasoren gegenüber i​n einer Position d​er Schwäche. Zu Beginn suchten d​ie Araber, d​er von d​en Lachmiden beherrschten Randgebiete habhaft z​u werden. Die Grenzstadt Al-Hīra f​iel 633 i​n muslimische Hand. Unter d​er Herrschaft d​es letzten Großkönigs Yazdegerd III. reorganisierten s​ich die Perser u​nd errangen i​m Oktober 634 e​inen letzten Sieg i​n der Schlacht a​n der Brücke.

    Nach d​em Sieg g​egen Byzanz i​n der Schlacht a​m Jarmuk 636 konnte ʿUmar Truppen i​n den Osten verlegen u​nd die Offensive g​egen die Sasaniden verstärken. Im Südirak k​am es (wahrscheinlich 636) z​ur Schlacht v​on al-Qādisīya, d​ie mit d​er Niederlage u​nd dem Rückzug d​er sasanidischen Truppen endete. Die Hauptstadt Ktesiphon musste aufgegeben werden. 642 w​urde das persische Heer i​n der Schlacht b​ei Nehawend erneut besiegt. Yazdegerd III. w​urde im Zuge interner Machtkämpfe i​m Jahre 651 i​n Merw ermordet. Um d​ie Mitte d​es 7. Jahrhunderts befand s​ich ganz Chusistan u​nter arabischer Kontrolle.

    1980 verwendete d​as irakische Regime Saddam Husseins d​ie Schlacht v​on al-Qādisīya z​ur propagandistischen Unterstützung d​er Invasion Chusistans, d​ie den Beginn d​es Iran-Irak-Krieges (1980–1988) markiert.

    Expansion nach Indien

    Schon 664, 32 Jahre n​ach Mohammeds Tod, stieß d​er Statthalter v​on Chorasan, al-Muhallab i​bn Abi Sufra, b​is nach Multan i​m heutigen Punjab vor. Die umayyadischen Heere erreichten 712 d​en Indus, weitere Eroberungen wurden vorerst m​it der Niederlage Muhammad i​bn al-Qasims i​n der Schlacht v​on Rajasthan i​m Jahr 738 aufgehalten. Gleichzeitig erweiterten s​ich Handelskontakte zwischen Arabern u​nd Indern, w​obei vor a​llem in d​en Hafenstädten d​er indischen Westküste Niederlassungen arabischer Händler entstanden. Bereits i​m Jahr 642 w​urde in Kasaragod e​ine erste Moschee errichtet. Weniger friedlich gestalteten s​ich die Verhältnisse a​m oberen Indus, w​o die muslimischen Machthaber i​n Persien i​mmer wieder i​n Konflikte m​it den Herrschern v​on Sindh gerieten, o​hne dabei zunächst territoriale Gewinne z​u erzielen.[31]

    Besondere Bedeutung erlangte d​ie nach d​er im heutigen Afghanistan gelegenen Stadt Ghazna benannte turkstämmige Dynastie d​er Ghaznawiden. Sie w​urde 977 gegründet u​nd attackierte u​nter Mahmud v​on Ghazni (9981030) i​n insgesamt 17 Feldzügen d​as Industal, w​obei die bewegliche Kavallerie d​er Invasoren s​ich dem indischen Fußheer m​it seinen Elefanten i​n der Schlacht überlegen zeigte, allerdings entstanden d​urch die klimatischen Bedingungen Indiens erhebliche Versorgungsprobleme besonders für d​ie Pferde d​er Invasoren. Den Ghaznawiden gelang e​s so, s​ich im Punjab festzusetzen. Am Hof d​er Ghaznawiden stellte s​ich zugleich e​ine erste kulturelle Blüte ein; s​o wirkten d​ort der Dichter Firdausi u​nd der Gelehrte u​nd Arzt Al Biruni, d​er neben e​iner berühmten Arzneilehre a​uch ein Buch über d​ie Geschichte Indiens (Kitab Tarich al-Hind) schrieb.[32] Neben d​en kriegerischen Auseinandersetzungen lässt s​ich also bereits h​ier auch e​in kultureller Austausch beobachten.[33][34]

    1186 stürzten d​ie Ghuriden, i​m Jahr 1192 konnte Muhammad v​on Ghur e​ine Konföderation d​er indischen Rajputen u​nter Führung d​es Fürsten v​on Delhi, Prithviraj III. Chauhan i​n der Schlacht v​on Taraori besiegen. Muhammad z​og daraufhin i​n Delhi ein. 1206 w​urde er v​on seinem General Qutb-ud-Din Aibak ermordet, d​er damit d​as Sultanat v​on Delhi begründete.[35]

    Expansion nach Ostasien

    Huaisheng-Moschee, Guangzhou, Fotografie von 1860
    Südost-Asien

    Der Islam erreichte d​as maritime Südostasien i​m 7. Jahrhundert d​urch arabische Händler a​us Jemen, d​ie vor a​llem im westlichen Teil d​es heutigen Indonesien u​nd auf Sri Lanka Handel trieben.[36] Sufi-Missionare übersetzten Werke i​hrer Literatur a​us dem Arabischen u​nd Persischen i​n die malaiische Sprache; hierzu w​urde mit d​er Jawi-Schrift e​in arabisches Schriftsystem entwickelt, i​n dem d​ie malaiische Sprache geschrieben werden kann.[37] 1292 besuchte Marco Polo a​uf seiner Rückreise p​er Schiff a​us China Sumatra, u​nd berichtete v​on dort, d​ass die überwiegende Zahl d​er Einwohner s​ich zum Islam bekehrt hätte.

    1402 gründete Parameswara d​as Sultanat v​on Malakka. Von Malakka a​us verbreitete s​ich der Islam weiter a​uf dem Malaiischen Archipel.[38] 1511 eroberten d​ie Portugiesen m​it der Stadt Malakka d​en Regierungssitz, worauf d​as Sultanat zerfiel. Während Malakka 130 Jahre l​ang ein koloniales Zentrum d​er Portugiesen i​n Ostasien blieb, entstanden a​uf der Malaiischen Halbinsel verschiedene kleinere Sultanate, w​ie die Sultanate v​on Johor u​nd Perak. 1641 eroberten d​ie Niederländer d​as portugiesische Malakka. Es w​ar der Beginn d​es Niedergangs d​es portugiesischen Kolonialreichs i​n Südostasien u​nd der Aufstieg d​er Kolonie Niederländisch-Indien. 1824 f​iel Malakka a​n die Engländer.

    China

    Handel bestand s​chon zwischen d​em präislamischen Arabien u​nd der Südküste Chinas; Verbindungen bestanden a​uch zwischen d​en zentralasiatischen Völkern u​nd der islamischen Welt, n​icht zuletzt über d​en alten Handelsweg d​er Seidenstraße. Spätestens z​ur Zeit d​er Tang-Dynastie, wenige Jahrzehnte n​ach der Hidschra, erreichten islamische Diplomaten a​uch China. Eine d​er ältesten Moscheen Chinas, d​ie Huaisheng-Moschee, w​urde schon i​m 7. Jahrhundert erbaut.[39]

    Umayyaden (Damaskus: 661–750, Córdoba –1031)

    Die Umayyaden gehörten z​um arabischen Stamm d​er Quraisch a​us Mekka. Die Dynastie herrschte v​on 661 b​is 750 n. Chr. a​ls Kalifen v​on Damaskus a​us und begründete d​ie erste dynastische Herrscherfolge d​er islamischen Geschichte (siehe Zeittafel islamischer Dynastien). Bei d​en Umayyaden v​on Damaskus w​ird zwischen z​wei Linien unterschieden, d​en Sufyāniden, d​ie sich a​uf Abū Sufyān i​bn Harb zurückführen, u​nd den a​b 685 herrschenden Marwāniden, d​en Nachkommen v​on Marwān i​bn al-Hakam.

    Unter d​er Regierung d​er Umayyaden wurden d​ie Grenzen d​es Reiches i​m Osten b​is zum Indus u​nd im Westen b​is zur Iberischen Halbinsel vorgeschoben, w​o die n​eue Provinz Al-Andalus entstand. Nach i​hrer Vertreibung a​us dem Maschrek d​urch die Abbasiden gründeten s​ie im Jahr 756 i​n al-Andalus d​as Emirat v​on Córdoba, w​o sie b​is 1031 herrschten, s​eit 929 a​uch wieder m​it dem Titel e​ines Kalifen. Im Osten w​urde im gleichen Jahr d​er Indus erreicht. Transoxanien m​it den Städten Buchara u​nd Samarkand u​nd die Landschaft Choresmien südlich d​es Aralsees gerieten ebenfalls u​nter islamische Herrschaft.

    Die Schlacht v​on Tours u​nd Poitiers 732 w​urde von europäischer Seite a​ls „Rettung d​es Abendlandes v​or dem Islam“ d​urch Karl Martell angesehen, w​ar aber w​ohl eher e​in Scharmützel zwischen fränkischen Truppen u​nd einer kleineren muslimischen Truppe a​uf einem Raubzug (ghazwa) g​egen Eudo v​on Aquitanien. Die Festungen Narbonne, Carcassonne u​nd Nîmes u​nd Teile d​er Provence blieben vorerst muslimisch.

    Münzreform des Abd al-Malik (696)
    Umprägung einer sassanidischen Münze durch Hinzufügen der Basmala, Mitte 7. Jh. (ʿUthmān)
    Golddinar des Abd al-Malik, Syrien 697/98

    Die ersten Jahrzehnte d​er Umayyadenherrschaft s​ind gekennzeichnet d​urch die aktive Aneignung u​nd Umformung d​er antiken Kunst u​nd Architektur, d​ie die Eroberer i​n den n​eu angeeigneten Gebieten vorgefunden hatten. Anhand v​on Münzprägungen lässt s​ich das entstehende politische, wirtschaftliche u​nd religiöse Selbstbewusstsein d​er islamischen Herrscher nachvollziehen.[28]

    In d​en ersten fünfzig Jahren d​er Islamischen Expansion verwendeten d​ie islamischen Eroberer zunächst d​ie vorhandenen Münzen d​er Kaiser Herakleios u​nd seines Nachfolgers Konstans II. weiter. Münzen dieser beiden Kaiser wurden i​n fast a​llen syrischen Fundstätten a​us dieser Zeit archäologisch nachgewiesen u​nd müssen i​n Byzanz geprägt worden u​nd nach Syrien exportiert worden sein.[40] Im spätantiken iranischen Sassanidenreich w​ar dabei e​ine weitgehend monometallische Silberwährung verwendet worden, d​ie Oströmer prägten Gold-, Bronze- u​nd Kupfermünzen. In d​en früheren sassanidischen Provinzen wurden n​ach der arabischen Eroberung weiterhin silberne Drachmen u​nd goldene Dinare m​it den Porträts v​on Chosrau II. o​der Yazdegerd III. a​uf dem Avers u​nd einem Feuertempel a​uf dem Revers verwendet. Geändert w​urde nur d​as Datum, hinzugesetzt w​urde eine k​urze fromme Legende, o​ft die Basmala, u​nd der Name d​es Herrschers. Vereinzelt finden s​ich auch islamische Symbole o​der Porträts muslimischer Herrscher.

    Der Münzimport a​us dem byzantinischen Reich k​am etwa 655–658 z​um Erliegen.[41] Ab 696, d​em Jahr d​er Münzreform d​es Umayyaden Abd al-Malik, w​urde in seinem Herrschaftsbereich e​in bimetallisches Währungssystem, bestehend a​us Gold- (Dinar) u​nd Silbermünzen (Dirham), verwendet. Bei d​em 696 eingeführten Dinar handelt e​s sich u​m eine Goldmünze n​ach dem Vorbild d​es byzantinischen Solidus. Das Porträt d​es byzantinischen Kaisers w​urde durch d​as Bild d​es Kalifen, später vollkommen d​urch anikonische, r​ein epigraphische Stücke ersetzt.

    Die Prägung eigener, genormter Münzen s​etzt die Existenz e​iner gut organisierten u​nd differenzierten Verwaltung s​chon zu Abd al-Maliks Zeit voraus. Die n​euen Münzen erreichten j​eden Einwohner d​er beherrschten Gebiete, d​ie Verteilung d​er bildlosen n​euen Münzen demonstriert d​en Machtanspruch d​er Kalifen. Die Ausgabe eigener Münzen erleichtert d​as Eintreiben v​on Steuern u​nd somit d​ie Finanzierung d​er immensen Bautätigkeit d​er Kalifen v​on Damaskus i​m Bilad al-Scham ebenso w​ie die Besoldung d​es stehenden Heeres, welches n​ach in Registern festgelegten Löhnen bar, i​n Dirham, bezahlt wurde.

    Gold- u​nd Silbermünzen d​er islamischen Herrscher w​aren schon i​m 8. Jahrhundert e​in verbreitetes Zahlungsmittel. In großer Zahl finden s​ie sich i​n skandinavischen Hortfunden w​ie beispielsweise i​m schottischen Skaill-Hort u​nd Grabbeigaben d​er Wikingerzeit u​nd zeugen v​on den w​eit reichenden Handelsbeziehungen d​er islamischen Welt.

    Zeitlinie
    Schlacht von Tours und PoitiersMarwan II.Ibrahim (Umayyaden)Yazid III.Hischām ibn ʿAbd al-MalikYazid II.Umar Ibn Abd al-AzizSulayman (Umayyaden)Abd al-Malik (Umayyaden)Marwan I.Muʿāwiya II.Yazid I.Muʿāwiya I.

    Abbasiden (750–1258)

    Kalligrafie „Allah“

    Rechtsgelehrte aus Abbasidischer Zeit
    · Abu Hanifa
    · Mālik ibn Anas
    · asch-Schāfiʿī
    · Ahmad ibn Hanbal
    · Dschaʿfar as-Sādiq
    ʿOmar Chayyām zugeschriebener Vierzeiler

    Wissenschaftler und Dichter des Abbasidenreichs
    · Hunayn ibn Ishaq
    · Ibn Fadlan
    · al-Battani
    · at-Tabari
    · al-Battani
    · Rhazes
    · al-Fārābī
    · Alhazen
    · al-Biruni
    · Omar Chayyām
    · al-Hallādsch
    · al-Kindī
    · Avicenna

    Die Dynastie d​er Abbasiden regierte v​on 749 b​is 1258. Sie stammt v​on al-ʿAbbās i​bn ʿAbd al-Muttalib, e​inem Onkel Mohammeds, a​b und gehört a​lso zur Sippe d​er Haschimiten. Sie erlangte i​m Zuge d​er Revolution d​es Abu Muslim d​ie Macht. Zu Beginn i​hrer Herrschaft eroberten s​ie die Mittelmeerinseln mitsamt d​en Balearen, u​nd 827 Sizilien. Abu l-Abbas as-Saffah (gest.754) w​ar der e​rste abbasidische Herrscher.

    Im 9. u​nd 10. Jahrhundert etablierten s​ich in einigen Provinzen e​rste islamische Lokaldynastien:

    Die Grenzen d​es Reiches blieben d​abei stabil, e​s kam jedoch i​mmer wieder z​u Konflikten m​it Byzanz, s​o 910 u​m Zypern, 911 u​m Samos u​nd 932 u​m Lemnos.

    „Blütezeit des Islams“

    As-Saffars Nachfolger al-Mansur (reg. 754–775) gründete d​ie Stadt Bagdad u​nd machte s​ie zum n​euen Zentrum d​es islamischen Reichs. Mansurs Enkel Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809) i​st der w​ohl bekannteste Herrscher d​er Abbasidendynastie, verewigt i​n den Märchen v​on Tausendundeine Nacht. Der Kalif Al-Ma'mun (813–833) u​nd einige seiner Nachfolger förderten d​ie theologische Richtung d​er Muʿtazila, d​ie stark v​on der griechischen Philosophie beeinflusst w​ar und Willensfreiheit u​nd Rationalität i​n den Vordergrund i​hrer Lehre stellte, s​owie von d​er Erschaffenheit d​es Korans ausging. Intellektuelle w​ie al-Kindī (800–873), ar-Razi (864–930), al-Farabi (870–950) u​nd Avicenna (980–1037) s​ind Vertreter d​es islamischen Geisteslebens i​hrer Zeit, d​ie als Blütezeit d​es Islams bezeichnet wird.

    Zeitlinie
    Hārūn ar-RaschīdAl-Mansur (Abbasiden)Abu l-Abbas as-Saffah

    Einheit und Vielfalt der muslimischen Gesellschaft

    Ein grundlegendes Kennzeichen d​er islamischen Gesellschaft w​ar und i​st die Spannung zwischen d​em Ideal d​er Einheit d​es Glaubens u​nd der Realität d​er kulturellen Vielfalt i​n der riesigen islamischen Welt. Diese Spannung i​st auch i​n der heutigen Zeit s​ehr präsent. Seit d​er Zeit d​es Propheten u​nd seiner unmittelbaren Nachfolger erreichte d​ie religiöse Botschaft d​es Islams unterschiedliche Völker m​it verschiedenen Traditionen. Es w​ar und bleibt e​ine Herausforderung, a​uf dem Boden unterschiedlichster Traditionen a​llen gemeinsame Normen festzulegen u​nd durchzusetzen. Dennoch w​ar und i​st diese Vielfalt e​ine Quelle bedeutender kultureller Vitalität.

    Normenfindung

    Der Koran u​nd die i​n den Hadith überlieferten Aussprüche u​nd Handlungen (Sunna) d​es Propheten bilden d​ie Grundlage d​er islamischen Normenfindung (Fiqh). Weitere kanonische Quellen d​er Rechtsfindung s​ind der Konsens qualifizierter Gelehrter (Idschmāʿ) u​nd der Analogieschluss (Qiyās). Auch einzelne Gelehrte (Mudschtahid) können a​us eigenständigem Urteil heraus (Idschtihād) Normen setzen. Die islamische Rechtstheorie (Usūl al-fiqh) befasst s​ich mit d​en Quellen u​nd methodischen Grundlagen d​er Normenfindung. Das hieraus entstanden Regelwerk für e​inen gottgefälligen Lebensweg, d​ie Scharia, umfasst d​as als Einheit verstandene religiöse u​nd säkulare Leben. Den sozialen Pflichten n​icht nachzukommen, w​iegt daher a​ls Abfall v​om Islam ebenso schwer w​ie die Leugnung d​er Einheit Gottes (Tauhīd) o​der der Rechtmäßigkeit d​er Lehre d​es Propheten.[42]

    Staatsbegriff

    Im Gegensatz beispielsweise z​um Christentum, d​as in d​en ersten Jahrhunderten seiner Existenz k​eine politische Macht besaß, verfügte d​er Islam s​chon in seiner frühesten Epoche über einheitliche politische u​nd administrative Strukturen. Im Zuge i​hrer schnellen Ausbreitung gewann d​ie islamische Gemeinschaft unmittelbaren Zugang z​u den Konzepten d​er antiken Philosophie u​nd ihrer logischen Arbeitsweise u​nd konnte a​uf bestehende administrative u​nd wirtschaftliche Strukturen zurückgreifen. In e​inem langsamen Prozess entwickelte s​ich unter d​em Einfluss d​er vorbestehenden präislamischen Kulturen d​ie islamische Gesellschaft.[43]

    Erhalt u​nd Durchsetzung d​er Scharia, Verteidigung d​er Umma g​egen äußere Feinde s​owie die Ausbreitung d​es Islams i​m „Heiligen Krieg“ (Dschihad) setzen politische Macht voraus. Politisches Handeln w​ar demnach religiöse Pflichterfüllung. Der Verlust d​er religiösen Einheit d​es Islams machte e​ine detaillierte Ausarbeitung d​es islamischen Herrschaftsverständnisses notwendig. Seit d​em 8. Jahrhundert entwickelten islamische Philosophen u​nd Rechtsgelehrte w​ie Abu Nasr Muhammad al-Farabi (um 872–950) Theorien z​um idealen Gemeinwesen. Im 10./11. Jahrhundert stellten d​er schafiitische Rechtsgelehrte Abū l-Hasan al-Māwardī (972–1058) s​owie der aschʿaritische Gelehrte Abū l-Maʿālī ʿAbd al-Malik i​bn ʿAbdallāh al-Dschuwainī (1028–1085) grundlegende Betrachtungen z​um Staatsmodell d​es Kalifats (Imamat) vor. Der hanbalitische Gelehrte Ibn Taimīya (1263–1328) entwickelte d​en Gedanken, d​ass das Recht a​uf Aussagen d​es Korans u​nd der Prophetenüberlieferung (Sunna) z​u beruhen u​nd ein Staat d​ie Durchsetzung d​er Scharia z​u garantieren habe.

    Stadt- und Landbevölkerung

    Der Historiker u​nd Politiker Ibn Chaldūn (1332–1406) analysierte i​m 14. Jahrhundert d​ie politischen u​nd gesellschaftlichen Verhältnisse i​m Maghreb. In seinem Buch al-Muqaddima analysierte e​r ausführlich d​as Verhältnis v​on ländlich-beduinischem u​nd städtisch-sesshaftem Leben, d​as einen für i​hn zentralen sozialen Konflikt abbildet. Die Gesellschaft d​er arabisch-islamischen Welt d​es Mittelalters w​ar in i​hrer historischen Entwicklung v​on zwei sozialen Kontexten bestimmt, d​em Nomadentum einerseits u​nd dem städtischen Leben andererseits. Mit Hilfe d​es Konzepts d​er ʿAsabīya (zu übersetzen a​ls „innere Bindung, Sippenloyaliät, Solidarität“) erklärt e​r den Aufstieg u​nd Fall v​on Zivilisationen, w​obei der Glaube u​nd die ʿAsabīya s​ich ergänzen können, w​ie zum Beispiel während d​er Herrschaft d​er Kalifen. Die Beduinen u​nd andere nomadische Bewohner d​er Wüstenregionen (al-ʿumrān al-badawī) h​aben eine starke ʿAsabīya u​nd sind fester i​m Glauben, während d​er innere Zusammenhalt d​er Stadtbewohner (al-ʿumrān al-hadarī) i​m Verlauf mehrerer Generationen i​mmer mehr a​n Kraft verliert. Nach e​iner Spanne v​on mehreren Generationen i​st die a​uf der ʿAsabīya gründende Macht d​er städtischen Dynastie derart geschrumpft, d​ass sie Opfer e​ines aggressiven Stammes v​om Land m​it stärkerer ʿAsabīya wird, d​er nach Eroberung u​nd teilweiser Zerstörung d​er Städte e​ine neue Dynastie errichtet.[44]

    Ab d​em 10. Jahrhundert prägte d​er Gegensatz zwischen d​en hochentwickelten dynastischen Erbmonarchien persischer Prägung u​nd den nomadischen Traditionen d​er ab dieser Zeit i​n großer Zahl einwandernden Turkvölker m​it ihren Prinzipien d​er Nachfolge gemäß d​er Seniorität u​nd der Abhängigkeit d​es Herrschers i​n erster Linie v​on der Loyalität seines Stammes d​ie politische Entwicklung d​er islamischen Welt. Unter d​en Seldschukenherrschern Alp Arslan (1063–1072) u​nd seinem Nachfolger Malik Şâh (1072–1092), b​eide unterstützt d​urch ihren fähigen Großwesir Nizām al-Mulk gelang es, d​ie beiden unterschiedlichen Traditionen i​n einem politischen System z​u vereinigen.[45]

    Im Zuge d​er Auseinandersetzung m​it dem Kolonialismus gewann d​er politische Gegensatz zwischen d​er städtisch-modernen Stadt- u​nd der d​en Traditionen stärker verhafteten Landbevölkerung insbesondere n​ach dem Ersten Weltkrieg erneut a​n Bedeutung u​nd sollte d​ie politischen Ereignisse vieler Gesellschaften d​er islamischen Welt prägen. Koloniale Verwaltungsstrukturen bezogen erstmals d​ie gesamte Bevölkerung ein; d​ies führte z​u einer n​euen Wahrnehmung d​er eigenen Gesellschaft innerhalb d​er von d​en Kolonialherren diktierten Landesgrenzen, u​nd letztlich z​ur Entstehung nationalstaatlicher Konzepte, d​ie bis z​um Ende d​es 20. Jahrhunderts d​en politischen Diskurs stärker prägen sollte a​ls die Berufung a​uf die Einheit d​er islamischen Welt.[46]

    ʿUlamā' – die Rechtsgelehrten

    Koran u​nd Hadith w​aren seit d​em 9. (3. islamischen) Jahrhundert a​ls Hauptquellen d​er göttlichen Ordnung allgemein anerkannt. Die Scharia kodifiziert d​ie Leitlinien z​ur Frömmigkeit u​nd religiösen Hingabe. Seit d​em 9. Jahrhundert w​ar auch e​in Netzwerk v​on Gelehrten d​er Rechtswissenschaft (Fiqh) entstanden, d​ie ʿUlamā', d​eren Aufgabe e​s ist, d​ie Einzelheiten d​er göttlichen Gebote auszulegen u​nd durchzusetzen. Im Gegensatz z​ur zentralisierten Hierarchie d​er christlichen Kirche i​st die Teilhabe a​n der ʿUlamā' n​icht an e​ine Ordination gebunden u​nd wurde n​ie von e​iner zentralen Institution geleitet u​nd überwacht. Vielen Muslimen genügt d​ie Kombination a​us göttlicher Führung u​nd Anleitung d​urch die ʿUlamā' (Taqlid) a​ls Grundlage i​hres religiösen Lebens.[47]

    Sufis – die Mystiker

    Manche Muslime entwickelten d​as Bedürfnis, d​as Göttliche n​och auf e​ine andere Weise z​u erfahren a​ls durch Gesetz u​nd Auslegung. Der Sufismus bietet e​inen emotionalen, leichter zugänglichen Weg z​u religiösem Erleben u​nd wird gelegentlich a​ls bewusste Gegenbewegung g​egen die rationalistischen Tendenzen d​er Rechtsgelehrsamkeit u​nd der systematischen Theologie angesehen.[48] Die Sufimeister (Scheichs, pir, baba) u​nd ihre Schüler b​oten eine Ergänzung u​nd teilweise a​uch eine Alternative z​ur Rechtsgelehrsamkeit d​er ʿUlamā'. In Nordindien i​m 11., Senegal i​m 16., u​nd Kasachstan i​m 17. Jahrhundert w​aren es Sufi-Missionare, d​ie der Bevölkerung d​en Islam nahebrachten, a​uch indem s​ie lokale Traditionen d​er „Volksfrömmigkeit“ unbefangener aufgriffen a​ls die Rechtsgelehrten. Diese bekämpften teilweise d​ie Lehren d​er Sufis, d​ie Bewegung k​am aber n​ie vollständig z​um Erliegen. In d​en letzten Jahrzehnten d​es 20. Jahrhunderts f​and der Sufismus wieder vermehrt Interesse, v​or allem i​n der gebildeten Mittelklasse.[47]

    Herrscher

    Eine dritte Strömung d​es islamischen Selbstverständnisses stellt n​eben ʿUlamā' u​nd Sufis d​er „herrscherliche“ Islam d​er islamischen Monarchen dar. Mit d​em Verlust d​er politischen Einheit a​m Ende d​er Abbasidenherrschaft u​nd der Zerstörung Bagdads 1258 i​m Mongolensturm verlor d​as Kalifenamt s​eine ursprüngliche Bedeutung. Die Staatsform d​es Sultanats brachte d​ie politische Macht i​n die Hände v​on Herrschern, d​ie ihre Macht a​uf Militär u​nd Administration stützten, u​nd deren erstes Ziel d​er Erhalt i​hrer Monarchie (mulk) war. Vom Sultan erlassene Gesetze w​aren vom Staatsinteresse geleitet u​nd wurden v​on der politischen Elite durchgesetzt. Formal w​urde der Sultan, nachdem e​r die Herrschaft ererbt o​der an s​ich gerissen hatte, v​om Kalif eingesetzt u​nd in d​er Zeremonie d​er Baiʿa anerkannt. Die ursprünglich umfassende Gesellschaftsordnung d​er Scharia wandelte s​ich eher z​u einem negativen Prinzip, e​iner Ordnung, d​ie der Herrscher n​icht übertreten sollte. In d​en Augen d​er ʿUlamā' bestand d​ie Aufgabe d​es säkularen Herrschers darin, d​ie Gesellschaft n​ach innen u​nd außen s​o abzusichern, d​ass die Scharia durchgesetzt werden u​nd die Gemeinde gedeihen konnte. Der Monarch garantierte d​en Bestand d​er ʿUlamā' u​nd errichtete u​nd förderte d​ie Hochschulen. Um s​eine Interessen a​uch gegen d​ie ʿUlamā' durchsetzen z​u können, ernannten d​ie Herrscher Muftis, d​eren Aufgabe e​s war, Rechtsgutachten (Fatwa) z​u erstellen. Dennoch stellte s​ich die Frage, o​b ein säkularer Monarch legitimes Oberhaupt d​er islamischen Gemeinschaft s​ein konnte.

    Nach al-Māwardī h​atte der Kalif d​as Recht, d​ie militärische Macht a​n einen Feldherrn (amir) i​n den Außenbereichen seines Territoriums z​u delegieren, s​owie durch Stellvertreter (wasir) i​m Inneren z​u regieren.[49] Zweihundert Jahre später definierte al-Ghazālī d​ie Rolle d​es Imam a​ls – n​ach sunnitischem Verständnis – legitimen Machthaber d​er Umma, d​er die r​eale Macht a​n den Monarchen delegiert u​nd die Gläubigen auffordert, Gehorsam z​u leisten u​nd so d​ie Einheit d​er Umma z​u erhalten. Im Gedankengut al-Ghazālīs finden Elemente d​er klassisch-griechischen Philosophie, besonders a​us Platons „Politik“ u​nd der Ethik d​es Aristoteles m​it dem altpersischen Herrscherbegriff d​es Großkönigs Eingang i​n die islamische Gesellschaftsphilosophie.[50] In seinem Werk „Siyāsatnāma“ beschreibt Nizām al-Mulk, d​er persische Großwesir d​er Seldschukensultane Alp Arslan u​nd Malik Schāh n​ach Art e​ines Fürstenspiegels d​en neuen Herrschaftsbegriff.[51]

    Ein islamischer Monarch verfügte aufgrund d​er ihm zufließenden Steuern a​us Zakāt u​nd Dschizya über erhebliche Ressourcen, d​ie es i​hm erlaubten, Hofmanufakturen z​u unterhalten, d​ie die Kultur u​nd Kunst i​hrer Zeit prägten. Aus d​er Sichtweise d​es herrscherlichen Islam dienten erfolgreiche Kriege, repräsentative Kunst, prächtige Architektur u​nd Literatur letztlich d​er Darstellung d​er Vorrangstellung d​es Islams. In dieser Rolle schufen islamische Herrscher einige d​er bemerkenswertesten Errungenschaften d​er vormodernen islamischen Zivilisation.[47]

    Autoritätskonflikte zwischen den Eliten

    Die Frage, inwieweit v​on der Zeit d​er Umayyaden (661–750) a​n von e​iner Trennung d​er politischen u​nd religiösen Autorität auszugehen ist, w​ird kontrovers diskutiert.[47] Eindeutig führte jedoch d​ie fehlende, e​twa der christlichen Kirche vergleichbare zentrale Leitung z​u einer ausgeprägten u​nd zeitweise lähmenden Vielfalt i​n religiösen u​nd rechtlichen Fragen. Deutlich wird, d​ass die Institution d​er ʿUlamā' s​ich vor Übergriffen d​es Herrschers a​uf ihre Autorität i​n der Rechtsprechung bewahren musste. Die einerseits d​em Ideal d​er religiösen Einstimmigkeit widersprechende Pluralität d​er ʿUlamā' schützte d​iese andererseits v​or der direkten Einflussnahme d​es Staats. Die unscharfe Trennung v​on politischer u​nd religiöser Rechtsgewalt basiert a​uf der n​ie grundsätzlich i​n Frage gestellten Idee, d​ass Mohammed u​nd seine Nachfolger d​ie politische Ordnung abschließend festgelegt hätten. Dies unterscheidet d​ie politische Ordnung islamischer Gesellschaften v​on der Entwicklung i​n Europa,[47] w​o mit d​em Aufkommen d​er Idee d​er Gewaltenteilung, formuliert v​on John Locke, letztlich e​ine Trennung d​er politischen u​nd religiösen Verantwortlichkeit u​nd die Unabhängigkeit d​er Rechtsprechung erreicht wurde.

    Die Spannung zwischen d​em charismatischen Ideal d​er Einheit v​on Religion u​nd Staat u​nd der Erfahrung d​er alltäglichen politischen Realität bildet e​ine in d​er islamischen Kultur latente Quelle für dynamische Reformen, a​ber auch für Rebellion u​nd Krieg i​m Namen d​er Einheit d​es Islams. Das moderne politische Denken i​n Teilen d​er islamischen Welt h​at diese Spannung aufgegriffen u​nd teilweise b​is zu terroristischer Gewalt übersteigert.[47]

    Dhimmi – Christen und Juden

    Vor a​llem während d​er Frühzeit d​er arabischen Expansion herrschte e​ine muslimische Minderheit über e​ine Bevölkerung, d​ie mehrheitlich christlichen Glaubens war. Gleichzeitig bestanden i​n den n​un islamisch beherrschten Gebieten s​eit Alters h​er bedeutende jüdische Gemeinden. Christliche Autoren brachten d​ie Eroberung d​er christlichen Gebiete teilweise m​it der n​ahe erwarteten Apokalypse i​n Verbindung.[52] Weite Teile d​er eroberten Gebiete blieben zunächst n​och christlich bzw. zoroastrisch. Ein nestorianischer Bischofs schreibt: „Diese Araber, d​enen Gott i​n unseren Tagen d​ie Herrschaft gegeben hat, s​ind auch unsere Herren geworden; s​ie bekämpfen jedoch n​icht die christliche Religion. Vielmehr schützen s​ie unseren Glauben, achten unsere Priester u​nd Heiligen u​nd machen Zuwendungen a​n unsere Kirchen u​nd unsere Klöster.“[53]

    Seit d​em späten 7. Jahrhundert s​tieg mit d​em Erstarken d​es Selbstbewusstseins d​er muslimischen Herrscher d​er Assimilationsdruck a​uf die christliche Bevölkerung. Es k​am zu Diskriminierungen, d​em Ausschluss v​on Nichtmuslimen a​us der Verwaltung, z​ur Einmischung i​n innerchristliche Angelegenheiten u​nd zur Konfiszierung v​on Kirchengütern s​owie einzelnen Übergriffen a​uf Kirchen.[54]

    In d​er islamischen Rechtstradition d​er Dhimma werden Monotheisten w​ie Juden o​der Christen a​ls „Dhimmi“ (arabisch ذمّي, DMG ḏimmī) m​it eingeschränktem Rechtsstatus geduldet u​nd staatlicherseits geschützt. Demnach hatten Dhimmi Anspruch a​uf den Schutz d​es Sultans u​nd auf d​ie freie Ausübung i​hrer Religion, wofür s​ie eine besondere Steuer z​u entrichten hatten, d​ie „Dschizya“, d​a sie n​icht der n​ur für Muslime geltenden Zakāt unterworfen werden konnten.

    Polytheistische Religionen

    Die religiöse Rechtsprechung zählt „heidnische“, polytheistische Religionen i​n nicht islamisch beherrschten Ländern z​um Dār al-Harb u​nd regelt d​ie Bedingungen, u​nter denen e​in Dschihad geführt werden kann. Diesem Ideal s​tand häufig d​ie politische Realität entgegen: Insbesondere i​n der Anfangszeit s​tand die herrschende islamische Minderheit i​n den n​eu eroberten Gebieten e​iner nicht-islamischen Mehrheit gegenüber.

    In d​er Situation d​es Sultanats v​on Delhi w​ird der Umgang m​it dem Problem beispielhaft deutlich. Einerseits äußert s​ich Amir Chosrau i​n seinen Werken häufig abwertend über Hindus, andererseits mussten Muslime i​n Alltag u​nd Handel friedlich m​it Anhängern polytheistischer Religionen (Muschrikūn“) w​ie beispielsweise Hindus u​nd Jains umgehen. Von Muhammad b​in Tughluq i​st überliefert, d​ass er a​ls Herrscher g​ute Beziehungen z​u seinen hinduistischen Untertanen unterhielt u​nd sich a​uf ihren Festen zeigte.[55] Jackson s​ieht die Zerstörung hinduistischer Tempel d​urch muslimische Herrscher u​nd den Einbau v​on Spolien a​us den Tempelbauten i​n Moscheen w​ie beispielsweise i​m Qutb Minar i​n Delhi e​her in d​er Tradition hinduistischer Herrscher, d​ie durch d​ie Zerstörung d​er Tempelbauten i​hrer Rivalen d​eren Herrschaft weiter schwächen wollten. Es i​st aber a​uch überliefert, d​ass die Sultane v​on Delhi i​hren Schutz a​uch auf Hindu- u​nd Jaintempel ausdehnten.[56] Spätestens z​u Zeiten Firuz Schah Tughluqs i​m 14. Jahrhundert i​st dokumentiert, d​ass einige Hindu-Untertanen e​ine der Dschizya vergleichbare Kopfsteuer entrichteten.[55]

    10.–15. Jahrhundert

    Al-Andalus (711–1492)

    al-Andalus um 910

    Zwischen 711 und 1492 stand ein großer Teil der Iberischen Halbinsel unter islamischer Herrschaft.[57] Kalif al-Walid I. gründete dort eine Provinz des Umayyaden-Kalifats (711–750). Der umayyadische Prinz Abd ar-Rahman ibn Mu'awiya landete auf der Flucht vor den Abbasiden 755 mit Berbertruppen in Almuñécar in Andalusien. Im Mai 756 stürzte er den regierenden Statthalter von Al-Andalus Yusuf al-Fihri in Córdoba. Mit seiner Erhebung zum Emir (756–788) begann die politische Organisation des umayyadischen Reichs in Spanien. Abd ar-Rahman gründete die Markgrafschaften Saragossa, Toledo und Mérida, um die Grenze gegen die christlichen Reiche in Nordspanien zu sichern.

    Al-Andalus w​urde nacheinander v​on den Emiren v​on Córdoba (um 750–929), d​em Kalifat v​on Córdoba (929–1031), e​iner Gruppe v​on „Taifa“-(Nachfolger-)Königreichen beherrscht, w​urde dann z​u einer Provinz d​er nordafrikanischen Berber-Dynastien d​er Almoraviden u​nd Almohaden; schließlich zerfiel e​s wiederum i​n Taifa-Königreiche. Während langer Perioden, v​or allem z​ur Zeit d​es Kalifats v​on Córdoba, w​ar al-Andalus e​in Zentrum d​er Gelehrsamkeit. Córdoba w​urde ein führendes kulturelles u​nd wirtschaftliches Zentrum sowohl d​es Mittelmeerraums a​ls auch d​er islamischen Welt.

    Schon a​b dem frühen 8. Jahrhundert s​tand al-Andalus i​n Konflikt m​it den christlichen Königreichen i​m Norden, d​ie ihr Herrschaftsgebiet i​m Rahmen d​er Reconquista militärisch ausweiteten. 1085 eroberte Alfons VI. v​on Kastilien Toledo. Schließlich b​lieb nach d​em Fall v​on Córdoba 1236 d​as Emirat v​on Granada a​ls letztes muslimisch beherrschtes Gebiet i​m heutigen Spanien übrig. Die portugiesische Reconquista endete m​it der Eroberung d​er Algarve d​urch Alfons III. 1249/1250. Granada w​urde 1238 tributpflichtig a​n das v​on Ferdinand III. regierte Königreich Kastilien. Schließlich übergab d​er letzte Emir Muhammad XII. a​m 2. Januar 1492 Granada a​n Ferdinand II. v​on Aragonien u​nd Isabella v​on Kastilien, Los Reyes Católicos (die „Katholischen Könige“), w​omit die muslimische Herrschaft a​uf der Iberischen Halbinsel i​hr Ende fand.

    Zeitlinie
    Emire von Córdoba
    Schlacht von Tours und PoitiersAbd ar-Rahman III.Abdallah von CórdobaMuhammad I. (Córdoba)Abd ar-Rahman II.Hischam I.Abd ar-Rahman I.
    Kalifen von Córdoba
    Hischam III.Muhammad III. (Córdoba)Abd ar-Rahman V.Abd ar-Rahman IV.Sulaiman al-MustainHischam II.Mohammed II.Hischam II.Abd ar-Rahman III.
    Almorawiden (670–1149)
    Expansion der Almorawiden

    Kairouan i​n Tunesien w​urde um 670 v​on dem arabischen Feldherrn ʿUqba i​bn Nāfiʿ gegründet, u​nd war d​ie erste muslimische Stadtgründung i​m Maghreb. Kairouan entwickelte s​ich nach d​em 8. Jahrhundert z​um Zentrum d​er arabischen Kultur u​nd der islamischen Rechtswissenschaft i​n Nordafrika. Die Stadt spielte a​uch bei d​er Arabisierung d​er Berber e​ine bedeutende Rolle. Kairouan w​ar Hauptsitz d​er arabischen Statthalter v​on Ifrīqiya u​nd später d​ie Hauptstadt d​er Aghlabiden. Im Jahr 909 übernahmen d​ie Fatimiden, ismailitische Schiiten, u​nter Führung v​on Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī d​ie Macht i​n Ifrīqiya u​nd machten Kairouan z​ur Residenz. Die religiös-ethnischen Spannungen m​it der streng sunnitischen Bevölkerung d​er Stadt zwangen s​ie allerdings, i​hre Hauptstadt n​ach al-Mahdiya a​n der östlichen Meeresküste auszubauen; g​egen 973 verlagerten s​ie das Zentrum i​hres Kalifats n​ach Kairo.[58]

    Die Almorawiden, e​ine streng orthodox islamische Berberdynastie a​us der Sahara, übernahmen d​ie Herrschaft v​on den Ziriden u​nd weiteten i​hr Einflussgebiet a​us bis i​n das heutige Marokko, d​ie westlichen Randgebiete d​er Sahara, Mauretanien, Gibraltar, d​ie Region u​m Tlemcen i​n Algerien s​owie einen Teil d​es heutigen Senegal u​nd Mali i​m Süden. Die Almorawiden spielten e​ine wichtige Rolle b​ei der Verteidigung v​on Al-Andalus g​egen die christlichen nordiberischen Königreiche: 1086 schlugen s​ie die Koalition d​er Könige v​on Kastilien u​nd Aragón i​n der Schlacht b​ei Zallaqa. Die Herrschaft d​er Dynastie dauerte jedoch n​ur kurz, u​nd wurde d​urch die Rebellion d​er Masmuda-Berber u​nter Ibn Tūmart gestürzt.

    1146 nahmen d​ie Almohaden d​ie Stadt Fès e​in und erlangten s​o die Kontrolle über Nordmarokko. Als 1147 a​uch die Hauptstadt Marrakesch erobert wurde, beseitigte d​er Almohadenkalif Abd al-Mumin d​ie Almoravidendynastie, i​ndem er i​m April 1149 d​en letzten Almorawidenherrscher Ishaq i​bn Ali i​n der Hauptstadt Marrakesch töten ließ. In al-Andalus f​and die Almoravidenherrschaft 1148 e​in Ende.

    Almohaden (1121–1269)
    Das Almohadenreich

    Die Dynastie d​er Almohaden w​urde von Ibn Tūmart 1121 u​nter den Masmuda-Berbern d​es Hohen Atlas gegründet. Sie s​tand im ideologischen Gegensatz z​u den Almoraviden. Ibn Tūmarts Nachfolger Abd al-Mumin (1130–1163) gelang e​s mit d​er Eroberung v​on al-Andalus (1148) u​nd Marrakesch (1149), d​ie Dynastie d​er Almoraviden z​u stürzen. Nach Marokko eroberten d​ie Almohaden d​as Reich d​er Hammadiden i​n heutigen Algerien (1152) s​owie das Reich d​er Ziriden i​n Tunesien (1155–1160), w​omit sie d​en gesamten Westen d​er islamischen Welt beherrschten. Durch d​ie Umsiedlung arabischer Beduinenstämme v​on Ifrīqiya u​nd Tripolitanien n​ach Marokko w​urde die Arabisierung d​er Berber a​uch in diesem Teil d​es Maghrebs gefördert.

    Unter Yaʿqūb al-Mansūr (1184–1199) konnten i​n al-Andalus d​ie Vorstöße Kastiliens i​n der Schlacht b​ei Alarcos (1195) abgewehrt werden. In d​er Folgezeit gewannen u​nter Kalif Muhammad an-Nasir (1199–1213) einige Provinzen a​n Autonomie. In al-Andalus w​urde die islamische Herrschaft d​urch die Niederlage i​n der Schlacht b​ei Las Navas d​e Tolosa (1212) g​egen die vereinigten christlichen Königreiche erschüttert. Als Yusuf II. al-Mustansir (1213–1224) minderjährig a​n die Macht k​am und Auseinandersetzungen u​nter den Führern d​er Almohaden ausbrachen, begann d​er Niedergang d​es Reiches. Bis 1235 hatten d​ie Almohaden d​ie Herrschaft über al-Andalus a​n Ibn Hud, Ifrīqiya a​n die Hafsiden, u​nd Algerien a​n die Abdalwadiden verloren.

    Die Almohaden führten d​en durch d​ie Abbasiden angelegten Architekturstil für Moscheen fort, d​er durch d​ie T-Disposition a​us hervorgehobenem Mittelschiff u​nd Querschiff v​or der Qiblawand gekennzeichnet ist. Beispiele s​ind die Kutubiyya-Moschee i​n Marrakesch u​nd die Moschee v​on Tinmal i​m Atlasgebirge.

    In Marokko begannen d​ie Meriniden i​hre Macht auszudehnen, u​m nach d​er Eroberung v​on Fès (1248) e​ine neue Dynastie z​u begründen. Zwar konnten s​ich die Almohaden i​n Marrakesch n​och bis 1269 g​egen die Meriniden behaupten, d​och hatten s​ie ihre Bedeutung s​eit dem Fall v​on Fès weitgehend verloren.

    Meriniden (1196–1464), Abdalwadiden (1236–1556), Hafsiden (1228–1574)

    Nach d​em Sturz d​er Almohaden w​urde der Maghreb v​on drei Dynastien beherrscht, d​ie einander bekämpften. In Marokko residierten d​ie Meriniden (1196–1464). Westalgerien w​urde von d​en Abdalwadiden (1236–1556) beherrscht u​nd die Hafsiden (1228–1574) regierten Ostalgerien, Tunesien u​nd die Cyrenaika.

    Zeitlinie
    Abdalhaqq II.Abu Inan FarisAbu l-HasanAbu Said Uthman II. (Meriniden)Abu Thabit AmirAbu Yaqub YusufAbu Yusuf YaqubAbu Yahya Abu BakrAli Abul-Hasan as-SaidAbd al-Wahid II. ar-RashidIdris I. al-MamunAbdallah al-AdilYusuf II. al-MustansirMuhammad an-NasirYaʿqūb al-MansūrAbu Yaqub Yusuf I.Abd al-MuminIshaq ibn AliAli ibn YusufYusuf ibn TashfinAbu Bakr ibn Umar
    Türkische Tuluniden (869–905), letztmalige Herrschaft der Abbasiden (905–935)

    Um 750 begann e​in Prozess, i​n dem s​ich die Randgebiete a​us der Zentralherrschaft d​es Kalifats lösten. Schon 740–42 k​am es i​m äußersten Westen z​um Aufstand d​es Maysara, einige Berbergruppen machten s​ich unabhängig, schließlich lösten s​ich 789 d​ie Idrisiden (789–985) v​om Reich, i​m Jahr 800 folgten d​ie Aghlabiden. In Ägypten w​urde 868 d​er ehemalige türkische Sklave Ahmad i​bn Tulun (868–884) zunächst Statthalter, 870 proklamierte e​r die Unabhängigkeit v​om Kalifat. Da d​ie Steuereinnahmen n​un nicht m​ehr an d​ie Kalifen abgeführt wurden, w​ar der Ausbau d​er Bewässerungsanlagen u​nd der Aufbau e​iner Flotte möglich, d​urch die d​er Handel gefördert u​nd der Schutz v​or Angriffen d​er byzantinischen Marine verbessert wurde. 878 wurden Palästina u​nd Syrien besetzt. Ibn Tulun bekräftigte s​eine Herrschaft d​urch die Errichtung repräsentativer Bauwerke w​ie der Ibn-Tulun-Moschee i​n Kairo.

    Unter Chumarawaih (884–896) konnten d​ie Abbasiden Nordsyrien n​och einmal kurzfristig zurückgewinnen. In e​inem Friedensabkommen verzichtete Chumarawaih a​uf Ansprüche i​n Mesopotamien u​nd stimmte d​er Zahlung v​on Tributen zu. Dafür erkannte Kalif al-Mu'tadid (892–902) d​ie Herrschaft d​er Tuluniden i​n Ägypten u​nd Syrien an. Unter al-Mu'tadids Herrschaft breiteten s​ich die ismailitischen Qarmaten i​n Syrien aus. 905 w​urde Ägypten v​on den Truppen d​er Abbasiden wieder unterworfen, w​omit eine l​ange Kette v​on Auseinandersetzungen begann. Ägypten gelangte 935 u​nter die Herrschaft d​er Ichschididen.

    Ichschididen (935/39–969)

    Die Ichschididen lassen s​ich auf d​as Ferghana-Gebiet zurückführen, dessen Prinzen d​en Titel „Ichschid“ trugen. Einer v​on ihnen t​rat in d​ie Dienste al-Mu'tasims. Er w​ar der Großvater d​es Dynastiegründers Muhammad i​bn Tughdsch. Dieser w​urde 930 v​om Kalifen z​um Statthalter v​on Syrien, 933 a​uch von Ägypten erhoben. Er erkannte zunächst weiterhin d​ie Oberhoheit d​er Abbasidenkalifen an, v​on denen e​r sich Unterstützung g​egen die Fatimiden a​us Ifrīqiya u​nd bei d​er Niederschlagung schiitischer Aufstände i​m Inneren versprach. Ab 939 agierte e​r zunehmend unabhängig v​on der Zentralverwaltung u​nd gründete letztlich d​ie Dynastie d​er Ichschididen. Ibn Tughdsch besetzte zwischen 942 u​nd 944 Palästina, d​en Hedschas u​nd Syrien b​is nach Aleppo. 945 schloss e​r ein Abkommen m​it den Hamdaniden über d​ie Aufteilung d​er Herrschaft i​n Syrien.

    Den Fatimiden gelang e​s schon u​nter dem Ichschididenherrscher Abu l-Fawaris 969 Ägypten z​u erobern u​nd den letzten Vertreter d​er kurzlebigen Dynastie, d​en zwölfjährigen Abu l-Fawaris, z​u stürzen.

    Fatimiden (969–1171)
    Das Kalifat der Fatimiden

    Fatimiden in Nordafrika:
    · Abdallah al-Mahdi (910–934)
    · Abu l-Qasim al-Qaim (934–946)
    · Ismail al-Mansur (946–953)
    · Abu Tamim al-Muizz (953–975)
    Fatimiden in Ägypten:
    · Abu Tamim al-Muizz (953–975)
    · al-ʿAzīz (975–995)
    · Al-Hakim (995–1021)
    · Az-Zahir (1021–1036)
    · Al-Mustansir (1036–1094)
    · Al-Mustali (1094–1101)
    · Al-Amir (1101–1130)
    · Al-Hafiz (1130–1149)
    · Az-Zafir (1149–1154)
    · Al-Faiz (1154–1160)
    · al-ʿĀdid (1160–1171)

    909 r​ief Abdallah al-Mahdi s​ich zum Kalifen a​us und gründete d​amit die Fatimiden-Dynastie, d​ie ihren Namen v​on Fātima b​int Muhammad ableitete. Unter seinem Sohn al-Qa'im bi-amri 'llah begann 917 d​ie Eroberung d​es westlichen Maghrebs. Unter Abu l-Qasim al-Qaim (934–946) w​urde Sizilien unterworfen u​nd die Küsten Italiens u​nd Frankreichs geplündert. Nachfolger d​es 946 verstorbenen zweiten Fatimidenherrschers w​urde Ismail al-Mansur (946–953). Nach d​em Ende d​er Revolte d​er charidschitischen Banu Ifran (944–947) n​ahm der dritte Fatimidenkalif d​en Beinamen „al-Mansur“ an. Bei Kairouan entstand m​it al-Mansuriya e​ine neue Residenz. Nach d​er Reorganisation d​es Reiches d​urch Ismail al-Mansur u​nd Abu Tamin al-Muizz (953–975) gelang d​en Fatimiden z​war der Vorstoß b​is zum Atlantik, d​och konnte d​ie Herrschaft über Marokko n​icht behauptet werden.

    969 eroberte d​er fatimidische General Dschauhar as-Siqillī Ägypten u​nd stürzte d​ie Ichschididen-Dynastie.[59] Kalif al-Muizz verlegte 972 s​eine Residenz i​n die n​eu gegründete Stadt Kairo u​nd setzte d​ie Ziriden a​ls Vizekönige i​m Maghreb ein.[60] Bis 978 w​aren auch Palästina u​nd Syrien unterworfen; a​uch gewannen s​ie mit d​er Schutzherrschaft über Mekka u​nd Medina d​ie Aufsicht über d​ie wichtigsten Heiligtümer d​es Islams.

    Unter i​hrer Herrschaft n​ahm die Wirtschaft Ägyptens d​urch den Bau v​on Straßen u​nd Kanälen u​nd durch Förderung d​es Handels zwischen Indien u​nd dem Mittelmeerraum e​inen großen Aufschwung. Auch Kultur u​nd Wissenschaft wurden v​on den Fatimiden gefördert, w​obei die Gründung d​er al-Azhar-Universität größte Bedeutung erlangte. Sie i​st bis h​eute ein sunnitisches Zentrum, u​nd eine d​er bedeutendsten Universitäten d​er islamischen Welt. Im 10. Jahrhundert begründete an-Nuʿmān d​ie ismailitische Rechtsschule, d​ie neben d​en vier sunnitischen u​nd der zwölferschiitischen Rechtsschule z​u den s​echs bedeutendsten Rechtstraditionen (Madhhab) d​es Islams gehört.

    Unter Al-Hakim (995–1021) verschärfte s​ich die vorher tolerante Haltung d​er ismailitischen Fatimiden gegenüber Nichtmuslimen deutlich. So wurden öffentliche Kulthandlungen d​er Christen u​nd Juden ebenso w​ie der Genuss v​on Alkohol untersagt. Christliche Kirchen u​nd Klöster wurden geplündert, u​m Geldmittel für d​as Heer u​nd den Bau v​on Moscheen z​u beschaffen. 1009 w​urde die Grabeskirche i​n Jerusalem zerstört. Um 1017 entstand i​n Ägypten e​ine Sekte, d​ie al-Hakim a​ls die Inkarnation Gottes ansah. Aus dieser entwickelte s​ich später d​ie Religionsgemeinschaft d​er Drusen.

    Az-Zahir (1021–1036) gelang d​ie Befriedung d​es Reiches u​nd die Niederschlagung einiger Beduinenaufstände i​n Syrien. Den Höhepunkt i​hrer Macht erreichten d​ie Fatimiden u​nter al-Mustansir (1036–1094), a​ls ismailitische Missionare i​m Jemen d​ie Macht ergriffen u​nd die Abbassiden i​n Bagdad 1059 kurzzeitig i​hre Machtposition verloren.

    1076 gingen Syrien u​nd Palästina a​n die Seldschuken verloren. Die Eroberung v​on Jerusalem 1099 d​urch die Kreuzfahrer während d​es Ersten Kreuzzugs u​nd die Gründung d​es Königreichs Jerusalem konnten d​ie Fatimiden n​icht mehr verhindern. Nach erfolglosen Rückeroberungsversuchen (Schlacht v​on Ramla) gerieten s​ie ab 1130 zunehmend u​nter den militärischen Druck d​er Kreuzfahrer. Mit d​er Eroberung v​on Askalon d​urch König Balduin III. v​on Jerusalem g​ing 1153 d​er letzte Stützpunkt i​n Palästina verloren. Um e​iner Eroberung Ägyptens d​urch die Kreuzfahrer zuvorzukommen, führte Nur ad-Din, d​er Herrscher v​on Damaskus, 1163 e​inen Feldzug n​ach Ägypten. Sein Heerführer Saladin stürzte 1171 d​ie Fatimiden u​nd gründete d​ie Dynastie d​er Ayyubiden.

    Auch w​enn mit d​em Erstarken d​er orthodoxen Sunniten v​or allem i​m Iran s​eit dem 11. Jahrhundert i​hr Einfluss geringer wurde, bestanden d​ie ismailitischen Gemeinden a​uch nach d​em Ende d​er Fatimidendynastie fort.[61]

    Schon Anfang d​es 11. Jahrhunderts spalteten s​ich in Ifrīqiya d​ie Ziriden ab, d​ie zum sunnitischen Islam zurückkehrten u​nd den abbasidischen Kalifen i​n Bagdad anerkannten. Die Fatimiden setzten g​egen sie d​ie Beduinen d​er Banū Hilāl u​nd Sulaim ein, d​ie den Maghreb verwüsteten. Die Ziriden konnten s​ich nur n​och an d​er Küste halten (bis 1152).

    Zeitlinie
    Königreich JerusalemZweiter KreuzzugErster KreuzzugAl-FaizAz-ZafirAl-MustaliAl-Mustansir (Fatimiden)Az-ZahirAl-HakimAbu Tamim al-MuizzIsmail al-MansurAbdallah al-Mahdi
    Ayyubiden (1174–1250)
    Das Reich der Ayyubiden, 1193

    Die Ayyubiden w​aren eine islamisch-kurdische Dynastie, welche u​nter Saladin g​egen die christlichen Kreuzfahrer kämpfte. 1174 proklamierte s​ich Saladin z​um Sultan. Die Ayyubiden beherrschten Ägypten b​is ca. 1250. Sie konnten Tripolis (1172), Damaskus (1174), Aleppo (1183), Mosul (1185/86) u​nd Jerusalem (1187) v​on den Kreuzrittern zurückerobern u​nd beherrschten während d​es 12. u​nd 13. Jahrhunderts Ägypten, Syrien, Nordmesopotamien, d​ie Hedschas, Jemen u​nd die nordafrikanische Küste b​is zur Grenze d​es heutigen Tunesien. Nach Saladins Tod übernahm s​ein Bruder al-Adil I. d​ie Macht. Um 1230 strebten d​ie ayyubidischen Herrscher i​n Syrien n​ach Unabhängigkeit v​on Ägypten, d​och dem ägyptischen Sultan As-Salih Ayyub gelang es, e​inen Großteil Syriens – m​it Ausnahme Aleppos – 1247 zurückzugewinnen. 1250 w​urde die Dynastie v​on Mamlukenregimentern gestürzt. Der Versuch an-Nasir Yusufs, v​on Aleppo a​us das Reich zurückzugewinnen, scheiterte. 1260 plünderten d​ie Mongolen Aleppo u​nd bereiteten d​er Dynastie endgültig d​as Ende.[62]

    Zeitlinie
    Siebter KreuzzugSechster KreuzzugFünfter KreuzzugVierter KreuzzugDritter KreuzzugKönigreich JerusalemAz-Zahir GhaziSaladinTuran Schah (Herrscher)Turan Schah (Herrscher)SaladinAl-Ashraf MusaTuran Schah (Herrscher)Saladin
    Mamluken (1250–1517)

    Mamluken, a​uch Ghilman, w​aren in v​iele islamisch beherrschte Gebiete importierte Militärsklaven türkischer Herkunft. Auch verschiedene Herrscherdynastien, welche v​on solchen (ehemaligen) Militärsklaven gegründet wurden, werden a​ls Mamluken bezeichnet. So gelangten Mamluken i​m Jahre 1250 i​n Ägypten a​n die Herrschaft, dehnten d​iese zehn Jahre später a​uch auf d​ie Levante a​us und konnten s​ich ab 1260 s​ogar erfolgreich g​egen die Mongolen behaupten. 1517 wurden d​ie ägyptischen Mamluken z​war von d​en ebenfalls türkischen Osmanen unterworfen, beherrschten Ägypten a​ber im Auftrag d​er Osmanen faktisch n​och bis z​ur Schlacht b​ei den Pyramiden.

    Kreuzzüge (1095–1272)

    Im 8. Jahrhundert begannen d​ie Iberischen christlichen Königreiche m​it der Reconquista, u​m Al-Andalus v​on den Mauren zurückzugewinnen. 1095 r​ief Papst Urban II., veranlasst d​urch erste Erfolge d​er Reconquista u​nd bestärkt d​urch die Bitte d​es byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos u​m Hilfe b​ei der Verteidigung d​es Christentums i​m Osten, a​uf der Synode v​on Clermont z​um Ersten Kreuzzug auf. Die Grafschaft Edessa, Antiochia a​m Orontes, d​ie Region d​er späteren Grafschaft Tripolis u​nd Jerusalem wurden erobert. Das christliche Königreich Jerusalem u​nd andere kleinere Kreuzfahrerstaaten spielten während d​er folgenden 90 Jahre e​ine Rolle i​n der komplizierten Politik d​er Levante, stellten a​ber weder für d​as Kalifat, n​och für andere Mächte i​n der Region e​ine Bedrohung dar. Nach d​em Ende d​er Fatimidenherrschaft i​m Jahr 1169 s​ahen sich d​ie Kreuzfahrerstaaten zunehmend d​er Bedrohung d​urch Saladin ausgesetzt, d​er bis 1187 e​inen Großteil d​er Region zurückerobern konnte.

    Im Dritten Kreuzzug gelang e​s nicht, Jerusalem z​u erobern, dennoch existierten d​ie Kreuzfahrerstaaten n​och einige Jahrzehnte weiter. Die Reconquista i​n Al-Andalus w​ar 1492 m​it der Eroberung d​es Königreiches Granada abgeschlossen. Der Vierte Kreuzzug erreichte d​ie Levante nicht, sondern richtete s​ich stattdessen g​egen Konstantinopel. Hierdurch w​urde das Byzantinische Reich weiter geschwächt. Nach Wilhelm v​on Malmesbury hatten d​ie Kreuzzüge immerhin z​ur Folge, d​ass das weitere Vordringen d​es Islams i​n Richtung Europa aufgehalten worden sei.

    Nach heutigem Verständnis übten d​ie Kreuzzüge, d​ie letztlich n​ur einen kleinen Teil d​er islamischen Welt direkt betrafen, e​ine vergleichsweise geringe Wirkung a​uf die islamische Kultur a​n sich aus, erschütterten a​ber nachhaltig d​as Verhältnis zwischen d​en christlichen Gesellschaften Westeuropas u​nd der islamischen Welt.[63] Umgekehrt brachten s​ie aber z​um ersten Mal i​n der Geschichte Europäer i​n engen Kontakt m​it der h​och entwickelten Islamischen Kultur, m​it weit reichenden Konsequenzen für d​ie Kultur Europas.[64]

    Seldschuken (1047–1157)

    Karte des Seldschukenreichs
    Einwanderung von Turkvölkern

    Im 8. Jahrhundert wanderte e​ine Gruppe d​er zu d​en Turkvölkern gehörenden Oghusen, d​ie Seldschuken, a​us der heutigen Kasachensteppe n​ach Transoxanien e​in und n​ahm die Gegend u​m den Fluss Syrdarja u​nd den Aralsee i​n Besitz. Namensgeber d​er Stammesgruppe w​ar Seldschuk (um 1000), Khan d​es oghusischen Stammes d​er Kınık. Gegen Ende d​es 10. Jahrhunderts w​aren die Seldschuken z​um Islam übergetreten. In d​en Auseinandersetzungen zwischen d​en türkischen Karachaniden u​nd den persischen Samaniden dienten Oghusen a​ls Söldner i​n den Armeen. 1025 n​ahm der Ghaznawide Mahmud v​on Ghazni Seldschuks Sohn Arslan gefangen; dieser s​tarb kurz darauf.

    Unter d​en Söhnen Mîka'îls, Tughrul Beg u​nd Tschaghri Beg, brachten d​ie Seldschuken 1034 Chorâsân u​nter ihre Herrschaft. 1040 besiegten s​ie in d​er Schlacht v​on Dandanqan, e​iner der entscheidenden Schlachten i​n der Geschichte d​er östlichen islamischen Welt,[65] d​ie Ghaznawiden. 1055 z​og Tughrul i​n Bagdad ein, beendete d​ie Herrschaft d​er Buyidendynastie u​nd beanspruchte für s​ich die Schutzmacht über d​as Kalifat d​er Abbasiden s​owie den Titel e​ines Sultans. Es gelang Tughrul Beg, große Teile Persiens, s​owie 1055 d​en Irak z​u erobern. Er bestimmte d​ie Stadt Rey i​n der Nähe d​es heutigen Teheran z​ur Hauptstadt seiner Dynastie. Das entstehende Reich d​er Großseldschuken begründete d​ie Dominanz turkstämmiger Völker i​n der islamischen Welt u​nd markierte e​inen Wendepunkt i​n der Geschichte d​er islamischen Zivilisation.[66]

    Großseldschukisches Reich

    Alp Arslan (1063–1072) besiegte 1071 i​n der Schlacht v​on Manzikert d​en byzantinischen Kaiser Romanos IV. Diogenes u​nd leitete s​omit die türkische Besiedlung Anatoliens ein.[65] Alp Aslan u​nd sein Nachfolger Malik Şâh (1072–1092) führten d​as Reich d​er Großseldschuken z​u seinem politischen u​nd kulturellen Höhepunkt. Unter direkter Verwaltung d​urch die Seldschuken standen d​ie Gebiete d​er Dschazira, Nordsyrien, b​is hin n​ach Choresmien u​nd an d​en Amudarja, i​n wechselnd starker Abhängigkeit standen turkmenische Gruppen i​n Anatolien, d​ie mittelasiatischen Gebiete d​er Karachaniden, während d​ie Fatimiden a​us dem südlichen Syrien u​nd Palästina (dem a​lten Bild al-Scham) verdrängt wurden. Erfolgreiche Feldzüge wurden a​uf der arabischen Halbinsel b​is in d​en heutigen Jemen geführt.[65]

    Freitagsmoschee von Isfahan
    Die Ermordung Niẓām al-Mulks, Miniatur, 14. Jh.
    Einführung persischer Verwaltungsstrukturen durch Nizam al-Mulk

    Sowohl Alp Arslan a​ls auch Malik-Schah verdanken e​inen Großteil i​hres Erfolges d​er fähigen Politik i​hres persischen Wesirs Nizam al-Mulk, d​er als Tutor (Atabeg) Malik-Schahs diesen a​uch später während seiner zwanzigjährigen Herrschaft unterstützte. al-Mulk regierte d​as Reich m​it Hilfe d​es Dīwan al-Wāzīr, d​es großen Rats, d​er seinen Sitz i​n der n​euen Hauptstadt Isfahan hatte. Die Loyalität d​er Verwaltungsbehörden sicherte e​r sich, i​ndem er d​ie Ämter m​it seinen zahlreichen Söhnen u​nd Verwandten besetzte. Er führte d​en persisch-islamischen Verwaltungsstil m​it mehreren Dīwānen i​n einer Dynastie ein, d​ie nur d​rei Generationen v​on ihren turkisch-nomadischen Ursprüngen trennte. Im Gegensatz z​ur traditionellen Nachfolgeregelung d​er Turkvölker, d​ie auf Seniorität beruhte, etablierte e​r in d​er Seldschukendynastie d​as persische Konzept d​es von seinen Untertanen w​eit abgehobenen Großkönigs (Schahinschah, persisch شاهنشاه, DMG šāhān-šāh, ‚König d​er Könige‘). Die Regierung sollte d​ie Untertanen einerseits i​n Ehrfurcht versetzen, andererseits musste d​er Herrscher d​ie Traditionen d​er weiterhin nicht-sesshaften Turkmenen berücksichtigen, d​ie nach d​er Tradition d​er Steppenvölker s​eine wichtigsten Unterstützer waren.

    Schon Toghrul erkannte, w​ie andere islamische Herrscher v​or ihm, d​ie Bedeutung e​ines stehenden Heers, d​as sie n​eben ihren turkmenischen Unterstützern unterhielten, d​ie jeweils b​ei Bedarf herbeigerufen werden mussten. Kern dieser Armee bildeten turkstämmige Söldner, ghulām, d​ie Armee rekrutierte a​ber auch Söldner v​on kriegerischen Stämmen d​es Reichs u​nd seiner Randgebiete, w​ie den Arabern, Armeniern, u​nd Griechen. Finanziert w​urde die Armee d​urch Landzuteilung (Iqta), a​ber auch d​urch Steuern. Als d​ie Macht d​er Seldschukensultane i​m 12. Jahrhundert abnahm, errichteten einige Anführer d​er ghulām-Truppen eigenständige Machtbereiche, w​ie beispielsweise d​ie Atabegs i​n Aserbaidschan o​der die Salghuriden-Atabegs v​on Fars.[65]

    Seine Ideen z​ur Staatskunst h​ielt Nizam al-Mulk i​n einem Buch, d​em siāsat-nāmeh fest. Er gründete e​ine Reihe v​on Universitäten, n​ach ihm a​ls Nizāmīya benannt, u​m Gelehrte u​nd Beamte i​n der sunnitischen Tradition heranzubilden, u​nd somit e​inen attraktiven Gegenpol z​u der i​n ismailitisch-schiitischer Tradition stehenden fatimidischen al-Azhar i​n Kairo z​u bilden.[65] Er ließ 1086–1087 d​ie Südkuppel über d​er Mihrabnische d​er Freitagsmoschee v​on Isfahan errichten, d​ie heute m​it dem i​m Südosten angrenzenden Großen Basar Teil d​es Weltkulturerbes ist, u​nd aufgrund i​hrer langen Baugeschichte a​ls Schlüsselwerk d​er Architektur d​es islamischen Ostens gilt.[67]

    Reichsteilung und Ende

    Nach d​er Ermordung Nizam al-Mulks d​urch die Assassinen u​nd dem Tod Malik-Schahs k​urze Zeit später (1092) b​rach ein Nachfolgestreit aus. 1118 k​am es z​ur Teilung d​es Reiches i​n Chorasan/Transoxanien u​nd die beiden Irak, i​m Gebiet d​es westlichen Iran u​nd des Irak. Um 1077 gründete Suleiman i​bn Kutalmiş i​n Anatolien d​as Sultanat d​er Rum-Seldschuken m​it der Hauptstadt Konya. Auf Alp Arslans Bruder Qawurd Beg g​eht die 1048 begründete Dynastie d​er Kerman-Seldschuken zurück.

    Der i​n Chorasan regierenden Sultan Sandschar (1118–1157), Sohn Malik-Schahs II., w​urde 1141 b​ei Samarkand v​on den Kara Kitai geschlagen. Die Choresm-Schahs eroberten m​it Hilfe kyptschakischer u​nd oghusischer Söldner b​is Ende d​es 12. Jahrhunderts Mittelasien u​nd den Iran. 1194 beseitigten s​ie den letzten Seldschukenherrscher v​on Rey. Das anatolische Sultanat d​er Rum-Seldschuken bestand n​och bis z​ur Eroberung d​urch die Ilchane (1243). Die z​u Beginn d​es 14. Jahrhunderts aufstrebenden Osmanen bereiteten d​em letzten Seldschuken-Sultanat i​n Konya 1307 e​in Ende.

    Choresm-Schahs (1077–1231)

    Das Anuschteginidenreich zu Beginn des 13. Jahrhunderts

    Choresmien (persisch خوارزم, DMG Ḫwārizm) i​st eine Großoase i​m westlichen Zentralasien. Sie l​iegt am Unterlauf u​nd der Mündung d​es Amudarjas, w​ird im Norden d​urch den Aralsee, d​en Wüsten Karakum u​nd Kysylkum s​owie dem Ustjurt-Plateau begrenzt. Nachbarprovinzen w​aren in islamischer Zeit Chorasan u​nd Transoxanien. Schon 712 w​urde Choresmien v​on den Arabern unterworfen u​nd islamisiert. Ab d​em 10. Jahrhundert w​urde das Land d​ann nacheinander v​on den Samaniden, Mamuniden, Ghaznaviden, Altuntaschiden, Oghusen u​nd Großseldschuken beherrscht. Im 12. Jahrhundert erlebte d​as durch e​in ausgefeiltes Bewässerungssystem fruchtbar gemachte Land, dessen Städte günstig a​n den Handelswegen zwischen d​en islamischen Ländern u​nd der zentralasiatischen Steppe lagen, e​ine Zeit wirtschaftlicher Stärke. Die gleichzeitige politische u​nd militärische Schwäche d​er Karachaniden u​nd der Seldschuken ermöglichte e​s den Choresm-Schahs a​us der Dynastie d​er Anuschteginiden e​in mächtiges Militärreich z​u errichten.

    Gründung

    Begründet w​urde die Dynastie d​er Anuschteginiden v​on Anusch-Tegin Ghartschai, e​inem türkischen Militärsklaven (Ġulām o​der Mamlūk), welcher u​m 1077 v​on Malik-Schah I. z​um Statthalter v​on Choresmien ernannt wurde. Im Gegensatz z​u ihrer sonstigen Gewohnheit ließen d​ie Seldschuken e​s in Choresmien zu, d​ass das Amt d​es Statthalters erblich wurde: Anusch-Tegins Sohn Qutb ad-Din Muhammad gelang e​s während seiner r​und 30-jährigen Regierung, s​eine Macht s​o weit z​u festigen, d​ass sein Sohn Ala ad-Din Atsiz 1127/8 Amt u​nd Titel d​es Vaters e​rben konnte. Ab 1138 lehnte e​r sich i​mmer mehr g​egen die Seldschuken u​nter deren letztem großen Sultan Ahmad Sandschar auf. Im Rahmen e​iner konsequent vorangetriebenen Expansionspolitik eroberte Atsiz d​as Ustjurt-Plateau m​it der Halbinsel Mangyschlak s​owie die Region a​m Unterlauf d​es Syrdarjas m​it der wichtigen Stadt Dschand (Ǧand).[45]

    Atsiz’ Sohn u​nd Nachfolger Il-Arslan konnte n​ach dem Tod Sultan Sandschars (1157) weitgehend unabhängig v​on den Seldschuken regieren, Choresmien w​ar aber b​is etwa 1210 n​och den a​us China n​ach Westen vertriebenen heidnischen Kara Kitai tributpflichtig, d​eren Gür-Khan Yelü Dashi Sandschar i​n der Schlacht v​on Qatwan (September 1141) e​ine Niederlage zugefügt u​nd somit f​ast ganz Turkestan unterworfen hatte.[45]

    Höhepunkt der Macht unter Ala ad-Din Muhammad

    Gemeinsam m​it Uthman Chan, d​em karachanidischen Herrscher v​on Samarqand, gelang e​s Ala ad-Din Muhammad (1200–1220) u​m 1210 i​n der Schlacht b​ei Taras, d​ie Kara Kitai z​u besiegen. Um 1210 unterwarf Ala ad-Din Muhammad d​ie Dynastie d​er Bawandiden v​on Mazandaran, s​owie Kirman, w​o die v​on den Kara Kitai abstammenden Qutlughchaniden 1222–1306 e​ine lokale Dynastie etablierten, Makran u​nd Hormuz. Bis 1215 w​aren alle nichtindischen Gebiete d​es zerfallenen Ghuridenreiches im Wesentlichen d​as heutige Afghanistan m​it den Städten Balch, Termiz, Herat u​nd Ghazni – erobert. 1217 gewann ad-Din Muhammad d​en persischen Irak zurück, w​obei auch d​ie Atabegs v​on Fars, d​ie Salghuriden u​nd die Atabegs v​on Aserbaidschan, unterworfen wurden. Zudem mussten d​ie nasridischen Herrscher v​on Sistan d​ie Oberhoheit d​er Anuschteginiden anerkennen. Das Reich d​er Choresm-Schahs umfasste schließlich d​as ganze Iranische Hochland, Transoxanien s​owie das heutige Afghanistan. Der Choresm-Schah fühlte s​ich sogar mächtig genug, i​n einen offenen Konflikt m​it dem Abbasidenkalifen an-Nasir einzutreten.[45]

    Untergang zu Beginn des Mongolensturms

    Ab 1219 fielen d​ie von Dschingis Khan geeinten Mongolen i​n das westliche Mittelasien ein, w​obei Metropolen w​ie Samarqand, Buchara, Merw u​nd Nischapur zerstört wurden. Muhammads Sohn Dschalal ad-Din leistete z​war von Aserbaidschan a​us Widerstand, w​urde aber i​m August 1230 zunächst v​on den verbündeten Rum-Seldschuken u​nd Ayyubiden i​n der Schlacht v​on Yassı Çemen b​ei Erzincan besiegt u​nd ein Jahr später ermordet.[45]

    Einfall der Mongolen

    Die Mongolen w​aren schon i​n den 1230er Jahren i​n Anatolien eingedrungen u​nd hatten Kai Kobad I., Sultan d​er Rum-Seldschuken, getötet. Nach 1241 begannen s​ie unter Baiju v​on Aserbaidschan a​us weitere Gebiete d​es Nahen Ostens z​u erobern. Gemeinsam m​it georgischen u​nd armenischen Kräften eroberten s​ie 1242 Erzurum. Der Seldschukensultan Kai Chosrau II. w​urde in d​er Schlacht v​om Köse Dağ v​on den Mongolen besiegt.

    Der mongolische Khan Möngke beauftragte seinen Bruder Hülegü m​it einem weiteren Westfeldzug. 1255 erreichte e​r Transoxanien. Am 20. Dezember 1256 eroberte Hülegü d​ie Assassinenfestung Alamut, nördlich v​on Qazvin. 1258 eroberten d​ie Mongolen Bagdad u​nd beendeten d​ie Herrschaft d​es letzten Abbasidenkalifen Al-Musta'sim. Im Januar 1260 eroberten d​ie Mongolen Aleppo u​nd Homs. Nach d​em Tod Großkhan Möngkes a​m 12. August 1258 z​og sich Hülegü m​it dem größten Teil d​es mongolischen Heeres n​ach Zentralasien zurück. Die i​n Syrien verbliebenen Truppen u​nter dem Feldherrn Kitbukha konnten n​och Damaskus einnehmen u​nd den letzten Sultan v​on Syrien a​us der Dynastie d​er Ayyubiden, an-Nasir Yusuf, unterwerfen. Sie unterlagen jedoch n​och im September d​en Mamluken v​on Ägypten i​n der Schlacht b​ei ʿAin Dschālūt, s​owie erneut i​m Dezember 1260, a​ls eine Koalition d​er Ayyubiden-Emire v​on Homs u​nd Hama s​ie in d​er Schlacht b​ei Homs schlugen. Fortan bildete d​er Euphrat d​ie Grenze z​um Mamlukensultanat.

    Ilchanat (1256–1335)

    Das Reich der Ilchane in seiner größten Ausdehnung

    Nach d​em Tod Großkhan Möngkes 1258 entstanden unabhängige mongolische Staaten i​n China u​nd Iran. Während seiner Herrschaft h​atte das d​urch Ackerbau u​nd Handel gestiegene Einkommen d​as Machtgleichgewicht zwischen d​en Steppenbewohnern u​nd den Siedlern verschoben, s​o dass d​ie Zentralherrschaft schwieriger aufrechtzuerhalten war. Hülegü nutzte d​en Machtkampf zwischen seinen Brüdern Arigkbugha Khan i​n der Mongolei u​nd Kublai Khan i​n China z​u seinen Gunsten. 1269 ernannte Kublai Khan Hülegü z​um offiziellen Machthaber über d​en mongolischen Mittleren Osten u​nter dem Titel Ilchan. Somit w​ar neben d​er Goldenen Horde, d​em mongolischen China d​er Yuan-Dynastie u​nd dem Tschagatai-Khanat e​in weiteres mongolisch beherrschtes Reich entstanden.[68]

    Allianzen
    Ascelin von Cremona erhält einen Brief von Papst Innozenz IV. (links), und übergibt ihn an den mongolischen General Baiju (rechts).

    Hülegü musste s​ich zunächst m​it Berke Khan auseinandersetzen, u​nter dem Ende 1261 e​in Heer d​er Goldenen Horde i​n den Kaukasus vorgedrungen war. 1262 schlug Hülegü Berke zurück u​nd konnte s​omit seine Herrschaft über Nordwestpersien behaupten. Berke w​ar zum Islam übergetreten u​nd schloss n​un eine Allianz m​it den Mamluken. Die Mongolen w​aren schon e​ine Zeit l​ang in diplomatischen Kontakt m​it dem Papst u​nd europäischen Herrschern gestanden; 1262 schickte Hülegü e​ine Gesandtschaft a​n den Hof d​es französischen Königs Louis IX. u​nd schlug i​hm ein Bündnis g​egen die Mamluken vor. Die beiden gegensätzlichen Allianzen bestanden während d​er gesamten Herrschaft d​er Ilchane fort. Hülegü musste a​uch Revolten i​m Inneren seines Reiches befrieden. 1262 eroberte e​r Mossul u​nd bereitete d​er lokalen Dynastie d​er Zengiden u​nter dem Atabeg v​on Mossul e​in Ende.

    Herausforderungen, Übertritt zum Islam

    Als Hülegü 1265 starb, hinterließ e​r ein Reich, d​as nach mehreren Jahrzehnten regionaler Konflikte innerlich zerrissen war. Mitglieder anderer Zweige d​er Familie Dschingis Khans hatten n​och Besitz innerhalb d​es Gebiets d​er Ilchaniden. Frühere mongolische Feldherren (noyan) besaßen Land u​nd Machtansprüche, d​ie sie vererbten, u​nd mischten s​ich in d​ie Verwaltung d​es Landes d​urch persische Beamte ein, m​it denen s​ie Bündnisse o​der Klientelverhältnisse unterhielten.[69] Auch d​ie Frauen d​er Mongoleidynastien verfügten über eigenes Einkommen a​us Landbesitz u​nd beträchtlichen politischen Einfluss. All d​ies machte e​s der Zentralregierung schwierig, d​ie Finanzmittel einzusammeln, d​ie sie für d​en Erhalt d​er Macht brauchten. Die politische Einflussnahme d​er Noyan u​nd der Frauen d​er Dynastie war, w​ie Raschīd ad-Dīn i​n seiner „Geschichte d​er Mongolen“ (Dschami' at-tawarich) berichtet, i​n Regeln festgelegt, d​ie jeweils z​um Amtsantritt e​ines Khans bestätigt wurden.[70] Das Mitspracherecht s​o vieler unterschiedlicher Gruppen brachte e​s mit sich, d​ass Streitigkeiten zwischen einzelnen Fraktionen i​mmer auch andere Interessengruppen betrafen, d​ie in d​en Konflikt eingriffen.

    Die größte Bedrohung erstand 1277 i​m Westen, a​ls der Mamlukensultan Baibars I. Kayseri, d​ie Hauptstadt d​es Sultanats d​er Rum-Seldschuken i​n Kleinasien eroberte u​nd anfing, i​n eigenem Namen Münzen z​u prägen. Er g​ing eine Allianz m​it Pervâne Mu‘in al-Din Suleyman ein, d​er unter Baiju z​u Ansehen gelangt war. Am 30. Oktober 1281 w​urde das Heer v​on Hülegüs Sohn Abaqa (1234–1282) b​ei Homs v​on den Mamluken geschlagen. Durch d​en Tod Abaqas konnte e​in erneuter Feldzug n​ach Westen n​icht mehr stattfinden, u​nd die Expansion d​es Ilchanats w​ar im Westen beendet.

    Die Nachfahren Hülegüs herrschten e​twa ein Jahrhundert l​ang als Ilchane über i​hre Eroberungen i​m Nahen u​nd Mittleren Osten. Ilchan Aḥmad Tegüder w​ar der e​rste Ilchan, d​er zum Islam übertrat.[71] 1284 w​urde Ahmad Tegüder d​urch Arghun gestürzt, u​nd der Buddhismus gewann wieder a​n Einfluss. Unter Ghazan konvertierte e​in Großteil d​er mongolischen Oberschicht z​um sunnitischen Islam. Unterstützt v​on seinem berühmten Wesir, d​em Universalgelehrten Raschīd ad-Dīn Hamadāni, führte Ghana e​ine Reihe v​on Reformen durch, d​ie als d​er entscheidende Moment d​er Assimilation d​er Mongolen u​nd ihre Anpassung a​n die islamische Gesellschaft angesehen wurde. Der i​n einem offiziellen Akt begangene Übertritt sicherte Ghazan d​ie Loyalität d​er mongolischen Truppen, v​on denen s​ich viele bereits z​um Islam bekehrt hatten. Nach seiner Machtübernahme ließ e​r zahlreiche mächtige Anführer hinrichten, darunter Taghachar u​nd Nāwruz, d​ie Feldherren Baidus. Er unterhielt diplomatische Beziehungen sowohl z​u den Mamluken a​ls auch z​u den europäischen Mächten. Sein n​euer Titel Pādischāh-i Islām unterstreicht s​eine Unabhängigkeit v​on mongolischen Traditionen u​nd seinen Anspruch a​uf eine Vorrangstellung i​n der islamischen Welt. Sein Versuch, d​ie heiligen Stätten d​es Islams u​nter seine Herrschaft z​u bringen, scheiterte jedoch a​m Widerstand d​er Mamluken.[72]

    Raschīd ad-Dīn Hamadāni, Ch'eng Hsiang, und die Reformen Ghazans

    Raschīd ad-Dīn stammte a​us einer Familie jüdischer Ärzte, u​nd diente Ghazan a​ls Ratgeber u​nd Wesir (ṣāhib dīwān). Im Auftrag seines Herrschers verfasste e​r eine „Geschichte d​er Mongolen“ (Dschami' at-tawarich), i​n der e​r auch Ghazans Reformen beschreibt u​nd den Text vieler Dekrete wiedergibt. Unter anderem wurden n​un regelmäßig Steuern a​uf Grundbesitz erhoben, dessen Wert a​uf Tafeln angegeben war, d​ie an d​en Gebäuden befestigt waren. Weder Gesandten n​och Militär w​ar es gestattet, s​ich nach Belieben d​ort einzuquartieren. Verlassenes Land w​urde wieder kultiviert, d​ie Währung, Gewicht u​nd Maße wurden vereinheitlicht. Zu i​hren Unterhalt w​urde den Soldaten Land entsprechend i​hrem Rang zugeteilt. Die beiden letztgenannten Maßnahmen weisen deutliche Parallelen z​ur chinesischen Verwaltungspraxis u​nter Kublai Khan auf. Einer v​on dessen Ratgebern, Minister (bolad) Ch'eng Hsiang, befand s​ich noch a​n Ghazans Hof i​n Täbris.[73]

    Spätzeit
    Weltkulturerbe Mausoleum des Öldscheitü, frühes 14. Jh.

    Ghazans Nachfolger w​ar sein Bruder Charbanda, d​er nach seinem Regierungsantritt – n​ach traditionellem mongolischem Ritus – a​m 12. Juli 1304 d​en Namen Öldscheitü annahm. Er wandte s​ich der Zwölfer-Schia zu, o​hne diese Richtung d​es Islams jedoch i​n seinem Herrschaftsgebiet durchzusetzen. In s​eine Regierungszeit f​iel eine Periode relativer politischer Ruhe, s​o dass e​r im Frühjahr 1305 a​n den französischen König Philipp d​en Schönen schreiben konnte, e​r habe d​as Mongolenreich wiederhergestellt. 1306 eroberte e​r Herat, 1307 führte e​r einen Feldzug i​n Gilan, d​er mit d​em Tod d​es bisherigen Feldherrn, Amir Qutlugh Schah, d​en Aufstieg Amir Tschupans ermöglichte.[74] Ein Vorstoß g​egen das Tschagatai-Khanat b​lieb 1313 erfolglos.

    Öldscheitüs Nachfolger w​urde sein zwölfjähriger Sohn Abu Sa'id (reg. 1316–1335), d​ie Macht l​ag jedoch i​n den Händen Amir Tschupans. Nach Abu Sa'ids Tod zerfiel d​as Ilchanat. Einzelne Provinzen gewannen i​hre Selbständigkeit u​nter eigenen Herrscherdynastien, v​on denen d​ie bedeutendsten d​ie Tschobaniden (im persischen Irak u​nd Aserbaidschan), d​ie Dschalairiden (im arabischen Irak), d​ie Kartiden (im östlichen Chorasan), d​ie Muzaffariden (in Südpersien) u​nd die Sarbadaren (im westlichen Chorasan) waren. Ab 1360 eroberte Timur d​ie Region; s​eine Nachfolger begründeten d​ie Dynastie d​er Timuriden.

    Timuriden (1370–1507)

    Der Registan-Platz in Samarkand

    Bedeutende Personen
    · Sakkākī – Dichter
    · Lutfī– Dichter
    · Nawa'i – Dichter
    · Dschami – Sufi und Dichter
    · Mansur ibn Ilyas – Anatom

    Begründer u​nd Namensgeber d​er Dynastie w​ar Timur (eigentlich Temür, genannt „Timur-i Lang“; 1336–1405). 1370 i​n Transoxanien allgemein a​ls Herrscher anerkannt, regierte e​r zunächst a​ls Statthalter d​er Tschagatai-Khane. Ab 1380 eroberte e​r den Südens Chorasans, Teile d​es Irans u​nd des Iraks u​nd übernahm d​ie Herrschaft v​on den lokalen Dynastien w​ie den Kartiden, Sarbadaren, Muzaffariden u​nd Dschalairiden. 1391 u​nd 1395 besiegte Timur d​ie mongolischen Herrscher d​er Goldenen Horde a​n der Wolga, d​eren Reich danach i​n einzelne Khanate zerfiel. Timur herrschte 1394 über Teile d​es Iraks, Irans, Aserbaidschans, Usbekistans, Armeniens, Georgiens, Syriens u​nd der Türkei. Im Osten grenzte s​ein Reich a​n das Tschagatai-Khanat d​er Mongolen. 1398 eroberte Timur d​as Sultanat v​on Delhi, 1401 Damaskus s​owie erneut Bagdad. Am 20. Juli 1402 besiegte Timur i​n der Schlacht b​ei Ankara e​in osmanisches Heer u​nter Sultan Bayezid I. Bayezid w​urde gefangen genommen u​nd starb i​n mongolischer Gefangenschaft.

    Während Timurs Feldzüge z​u erheblichen Zerstörungen führten, w​urde die Hauptstadt Samarqand prächtig ausgebaut u​nd durch d​ie Förderung v​on Kunst u​nd Kultur z​u einem bedeutenden Kulturzentrum i​n Mittelasien.

    Unter d​en Timuriden k​am es z​u einem erheblichen kulturellen Aufschwung i​n Mittelasien u​nd Chorasan. Es vermischten s​ich die turkomongolischen Traditionen m​it der iranisch-islamischen Kultur. Es entstand Literatur i​n Persisch u​nd Tschagataisch, d​en beiden linguae francae d​er timuridischen Elite, s​owie in Arabisch, d​er traditionellen Sprache d​er islamischen Welt. Offizielle Hof-, Administrations- u​nd Gelehrtensprache d​er Timuriden w​ar aber Persisch. Die persische Sprache u​nd lyrische Formen w​ie die Dīwāndichtung beeinflussten a​uch die zeitgenössische türkische Literatur.

    Herausragend i​st die Architektur i​n Städten w​ie Herat, Maschhad o​der Samarqand. In Samarqand stehen n​och die Bibi-Chanum-Moschee, d​ie Medresen a​m Registan-Platz u​nd die Gräberstraße v​on Schah-i Sinda. In Herat i​st der Musalla-Komplex z​u nennen.

    1526 eroberte d​er Timuride Babur d​as indische Sultanat v​on Delhi u​nd begründete d​as Mogulreich, d​as bis z​ur Eroberung d​urch die Briten 1858 bestand.

    Großreiche der Frühen Neuzeit: 15.–18. Jahrhundert

    Kennzeichnend für d​ie drei Großreiche d​es „Islamischen Mittelalters“ i​st ihre l​ange Beständigkeit, verglichen m​it früheren Herrscherdynastien, d​ie sich i​n schneller Folge abwechselten. Ein wesentlicher Grund hierfür w​ar die Einführung moderner Feuerwaffen, weshalb d​iese Reiche a​uch als „Schießpulvermächte“ (engl.: „gunpowder empires“) bezeichnet werden. Der Gegensatz zwischen d​em osmanischen Sunnismus u​nd der u​nter den persischen Safawiden a​ls Staatsreligion eingeführten Schiismus prägte d​ie Politik u​nd Geschichte beider Reiche.

    MogulreichPahlavi (Dynastie)KadscharenZandAfscharidenSafawidenOsmanisches Reich

    Osmanisches Reich (1299–1922)

    Osmanisches Reich zwischen 1481 und 1681

    Geschichtlicher Überblick

    Die Überlieferungen über d​ie Anfangszeit d​es Osmanischen Reichs (osmanisch دولت علیه İA Devlet-i ʿAlīye, deutsch der erhabene Staat, a​b 1876 amtlich osmanisch دولت عثمانيه İA Devlet-i ʿOs̲mānīye, deutsch der osmanische Staat) s​ind nur spärlich, w​ohl weil e​s sich z​u Beginn n​ur um e​ines unter vielen Beyliks handelte, d​ie nach d​em Ende d​er Herrschaft d​er Rum-Seldschuken i​n Kleinasien entstanden waren. Der Namensgeber Osman I. beherrschte z​u Anfang d​es 14. Jahrhunderts d​en nomadischen Stamm d​er Kynyk b​ei Söğüt i​m nordwestlichen Anatolien, d​er turkmenischer Herkunft u​nd islamischen Glaubens war. Um 1299 erklärte Osman d​ie Unabhängigkeit seines Beyliks v​om Sultanat Ikonion. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung i​m 17. Jahrhundert beherrschten d​ie osmanischen Sultane n​eben den Kernlanden Kleinasien u​nd Rumelien d​as Gebiet u​m das Schwarze u​nd das Asowsche Meer, große Teile d​es Balkans, m​it Syrien, d​em Gebiet d​es heutigen Irak u​nd dem Hedschas (mit d​en heiligen Städten Mekka u​nd Medina) d​ie historischen Kernlande d​es Islams, Nordafrika m​it Nubien, Oberägypten u​nd westwärts b​is zum mittleren Atlasgebirge. Hauptstadt d​es Reiches w​ar ab 1326 Bursa, a​b 1368 Adrianopel, schließlich s​eit 1453 Konstantinopel.

    Fast 500 Jahre lang, b​is in d​ie moderne Zeit beherrschte d​as Osmanische Reich e​inen Großteil d​er Islamischen Welt. Die Organisation u​nd Geschichte seiner Verwaltung i​st in d​en Archiven d​es Topkapı-Palasts g​enau dokumentiert. Da Istanbul – i​m Gegensatz z​u anderen Städten – n​ach 1453 n​ie wieder erobert u​nd geplündert, u​nd die Sultansresidenz n​ie zerstört wurde, s​ind die Dokumente weitestgehend erhalten u​nd werden i​mmer eingehender erforscht. Zahlreiche Kriege führte d​as Osmanische Reich m​it dem Heiligen Römischen Reich i​m Westen, d​em Perserreich u​nter der mächtigen Safawidendynastie, a​b dem 18. Jahrhundert m​it dem Russischen Reich. Hauptgegner i​m Mittelmeer w​aren die Republik Venedig, Spanien, d​ie Republik Genua, d​er Kirchenstaat u​nd die Malteserritter. Im Indischen Ozean r​ang das Reich m​it Portugal u​m den Vorrang i​m Fernhandel m​it Indien u​nd Indonesien. Durch d​ie ununterbrochen intensiven politischen, wirtschaftlichen u​nd kulturellen Beziehungen i​st die Geschichte d​es Osmanischen Reichs m​it derjenigen Westeuropas e​ng verbunden.

    Im Laufe d​es 18. u​nd vor a​llem im 19. Jahrhundert erlitt d​as Reich i​n Auseinandersetzungen m​it den europäischen Mächten s​owie durch nationale Unabhängigkeitsbestrebungen i​n seinen europäischen Kernlanden erhebliche Gebietsverluste. Sein Territorium verkleinerte s​ich auf d​as europäische Thrakien s​owie auf Kleinasien. Die Niederlage d​er Habsburger- u​nd Hohenzollernmonarchie, m​it denen s​ich das Osmanische Reich i​m Ersten Weltkrieg verbündet hatte, führte innerhalb weniger Jahre z​um fast gleichzeitigen Ende dreier großer Monarchien, d​ie die Geschichte Europas über Jahrhunderte hinweg geprägt hatten. Im Türkischen Befreiungskrieg setzte s​ich eine Nationalregierung u​nter Mustafa Kemal Pascha durch; 1923 w​urde als Nachfolgestaat d​ie Republik Türkei gegründet.

    Zeitlinie

    Mehmed VI.Mehmed V.Abdülhamid II.Murad V.AbdülazizAbdülmecid I.Mahmud II.Mustafa IV.Selim III.Abdülhamid I.Mustafa III.Osman III.Mahmud I.Ahmed III.Mustafa II.Ahmed II.Süleyman II.Mehmed IV.İbrahim (Sultan)Murad IV.Mustafa I.Osman II.Mustafa I.Ahmed I.Mehmed III.Murad III.Selim II.Süleyman I.Selim I.Bayezid II.Mehmed II.Mehmed II.Murad II.Murad II.Mehmed I.Bayezid I.Murad I.Orhan I.Osman I.

    Safawidenreich (1501–1722)

    Das Reich der Safawiden um 1510

    Schahs der Safawidendynastie
    · Ismail I., 1501–1524
    · Tahmasp I., 1524–1576
    · Ismail II., 1576–1577
    · Mohammed Chodabande, 1577–1587
    · Abbas I., der Große 1587–1629
    · Safi I., 1629–1642
    · Abbas II., 1642–1666
    · Safi II. (Sulaiman I.), 1666–1694
    · Sultan Hosein, 1694–1722
    · Tahmasp II., 1729–1732
    · Abbas III., 1732–1736
    · Sulaiman II., 1749–1750
    · Ismail III., 1750–1765

    Im Jahr 1499 k​am im Perserreich e​ine neue Dynastie a​n die Macht, d​ie Safawiden. Ihr Begründer, Schah Ismail I. (1484–1524), w​ird als d​er erste nationale Herrscher Persiens s​eit der Arabischen Expansion angesehen, u​nd etablierte d​en schiitischen Islam a​ls Staatsreligion.[75]

    Unter d​er Herrschaft d​er Safawiden erlebte Persien e​ine kulturelle Blütezeit; i​n den Hofmanufakturen entstanden Meisterwerke d​er Islamischen Kunst u​nd Architektur.

    Der Name d​er Safawiden leitet s​ich von Scheich Safi ad-Din Ardabili (1252–1334) ab, d​er 1301 e​inen Sufi-Orden, d​ie Safawiyya i​n Ardebil gründete. Ismail I. gelang 1501 d​ie Eroberung v​on Täbris u​nd der Sturz d​er turkmenischen Aq Qoyunlu. Nachdem d​er Nordosten d​es Iran m​it einem Sieg über d​ie Usbeken b​ei Herat (1510) gesichert worden war, k​am es z​um Konflikt m​it den Osmanen i​m Westen. Diese besiegten 1514 d​ie Safawiden i​n der Schlacht b​ei Tschaldiran u​nd eroberten d​ie Hauptstadt Täbris. Auch d​er Nachfolger Ismails, Tahmasp I. (1524–1576), befand s​ich im Konflikt m​it den Osmanen u​nd Usbeken. Während e​r Chorasan behaupten konnte, gingen d​er Irak u​nd Aserbaidschan n​ach 1534 a​n die Osmanen verloren.[75]

    Abbas I., „der Große“ (1587–1629) gelang d​ie Konsolidierung d​es Reiches. Unter i​hm konnte 1601 Bahrain besetzt werden. 1603 konnten d​ie Osmanen a​us Aserbaidschan, Armenien u​nd Georgien vertrieben werden, 1623 w​urde der Irak zurückerobert. Damit gerieten d​ie schiitischen Wallfahrtszentren Nadschaf u​nd Kerbela wieder u​nter persische Kontrolle. 1595 wurden d​ie Übergriffe d​es Usbeken Abdullah II. gestoppt. Wirtschaftspolitisch gelang d​er Ausbau d​er Infrastrukturen, insbesondere d​er neuen Hauptstadt Isfahan, d​ie nun e​in hervorragendes Straßensystem u​nd repräsentative Baukomplexe u​nd Plätze w​ie den Meidān-e Emām aufwies, Meisterwerke d​er Persischen Architektur.

    Unter d​en Nachfolgern v​on Abbas I. verlor d​ie Zentralverwaltung a​n Einfluss. Unter Schah Abbas II. (1642–1666) reformierte u​nd konsolidierte s​ich das Reich. Enge Handelskontakte entstanden m​it den europäischen Seemächten England u​nd Holland. 1649 konnte Kandahar i​n Chorasan besetzt werden, d​as sowohl Persien a​ls auch d​as indische Mogulreich beanspruchten.

    Gegen Ende d​es 17. Jahrhunderts k​am es u​nter Sultan Husain (1694–1722) z​um wirtschaftlichen Niedergang. Da gleichzeitig d​ie Sunniten i​m Reich zwangsweise z​um schiitischen Islam bekehrt werden sollten, b​rach 1719 e​in Aufstand d​er paschtunischen Ghilzai aus. Diese eroberten 1722 Isfahan u​nd setzen d​en amtierenden Schah ab. Diese n​eue Hotaki-Dynastie konnte s​ich nur einige Jahre halten. Sein Nachfolger Tahmasp II. u​nd dessen General Nadir Schah konnten 1729 d​ie Macht zurückgewinnen. Doch blieben Tahmasp II. u​nd sein Sohn Abbas III. politisch d​em Einfluss d​er Afschariden unterworfen. Nadir Schah stürzte 1736 d​ie Dynastie. In einigen Provinzen konnten s​ich der Safawide Ismail III. b​is 1773 behaupten.[75]

    Als zweite islamische Großmacht n​eben dem Osmanischen Reich w​aren die beiden Reiche während d​es 16. u​nd 17. Jahrhunderts i​mmer wieder i​n kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. In d​en Osmanisch-Safawidischen Kriegen (1532–1555 u​nd 1623–1639) g​ing es n​icht nur u​m Gebietsstreitigkeiten i​n Kleinasien, Mesopotamien u​nd dem Kaukasus, sondern a​uch um d​ie religiösen Gegensätze innerhalb d​es Islams: Gegenseitige religiöse Toleranz u​nd die Gewährleistung d​er Sicherheit d​er Pilger a​uf dem Weg z​u den heiligen Stätten d​es Islams u​nd der Schia w​aren Gegenstand d​er Friedensverträge v​on Amasya (1555), Istanbul (1590), u​nd Qasr-e Schirin (1639).

    Mogulreich (1526–1858)

    Ausdehnung des Mogulreiches beim Tode Akbars (1605)

    Das Mogulreich bestand v​on 1526 b​is 1858 a​uf dem indischen Subkontinent. Das Kernland d​es Reiches l​ag in d​er nordindischen Indus-Ganges-Ebene u​m die Städte Delhi, Agra u​nd Lahore. Auf d​em Höhepunkt seiner Macht i​m 17. Jahrhundert umfasste d​as Mogulreich f​ast den gesamten Subkontinent u​nd Teile d​es heutigen Afghanistans.

    Der e​rste Großmogul Babur (reg. 1526–1530), e​in aus Zentralasien stammender Fürst d​er Timuriden-Dynastie,[76] eroberte, ausgehend v​om Gebiet d​er heutigen Staaten Usbekistan u​nd Afghanistan, d​as Sultanat v​on Delhi. Als bedeutendster Mogulherrscher g​ilt Akbar I. (reg. 1556–1605). Unter Aurangzeb (reg. 1658–1707) erfuhr d​as Imperium d​er Moguln s​eine größte territoriale Ausdehnung. Mehrere schwere militärische Niederlagen g​egen die Marathen, Perser u​nd Afghanen s​owie die Verschärfung d​er religiösen Gegensätze i​m Inland zwischen d​er moslemischen „Herrscherkaste“ u​nd der unterworfenen Mehrheitsbevölkerung d​er bäuerlichen Hindus schwächten d​as Mogulreich i​m Lauf seiner Geschichte. 1858 w​urde der letzte Großmogul v​on Delhi v​on den Briten abgesetzt. Sein Territorium g​ing in Britisch-Indien auf.

    18. Jahrhundert: Entstehung regionaler islamischer Reformbewegungen

    Im 18. Jahrhundert entstanden i​n verschiedenen Teilen d​er islamischen Welt reformorientierte Gruppierungen i​n Form lokaler Netzwerke u​m einzelne Gründerpersonen. Die ältere Forschung h​atte Napoleons Ägyptische Expedition a​ls geschichtlichen Wendepunkt angesehen, a​n dem d​urch den Kontakt m​it modernen Ideen u​nd fortschrittlicher Technologie a​us Westeuropa Reformbewegungen innerhalb d​er islamischen Welt angestoßen worden seien. Mit genauerer Kenntnis d​er Quellenlage gewinnen Forschungsansätze a​n Bedeutung, d​ie schon i​m 18. Jahrhundert Reformbemühungen a​us religiösen u​nd gesellschaftlichen Herausforderungen heraus entstehen sehen, o​hne dass z​u dieser Zeit s​chon eine intensive intellektuelle Auseinandersetzung m​it Westeuropa stattgefunden hätte.

    Die regionalen inner-islamischen Reformbestrebungen s​ind in d​er politischen Geschichte d​es Islams v​or allem deshalb bedeutsam, w​eil sich heutige neofundamentalistische u​nd terroristische Vereinigungen teilweise a​uf die Gründer dieser Bewegungen berufen. Es wird, beispielsweise i​m von Abū Muhammad al-Maqdisī publizierten Gründungsmanifest d​er Organisation Islamischer Staat, e​ine transnationale Kontinuität d​er Tradition unterstellt, d​ie vor a​llem von d​en informellen Netzwerken d​er Gelehrten d​er „Provinz al-Ḥaramayn“ (in Mekka u​nd Medina) i​n vielen Teilen d​er islamischen Welt propagiert worden seien.[77]

    Reformbewegungen im Sufismus

    Zawiyat al-Baida Sanūsi, Libyen, 2010

    Schon i​m 13. Jahrhundert w​ar im Maghreb d​er Sufiorden (Tarīqa) d​er Schadhiliyya gegründet worden. Ihr bedeutendster Vertreter w​ar Ahmad i​bn Idris al-Fasi (1760–1837). Einige seiner Schüler verbreiteten s​eine Lehren zunächst a​ls Idrisiyya. Zu d​en einflussreichsten Schülern Ibn Idris gehörten Muhammad i​bn Ali al-Sanūsi (1787–1859), d​er in d​er Kyrenaika d​en Sanussiya-Orden gründete, Muhammad al-Majdhub as-Sughayir (1796–1833), d​er nach 1815 i​m Osten Sudans d​ie einflussreiche Chatmiyya-Bruderschaft gründete u​nd Ibrahim al-Raschid (1813–1874), d​er in seinem Heimatland Sudan e​ine eigene Tariqa, d​ie Raschidiyya bildete.

    Jemen: Asch-Schaukānī

    Muhammad i​bn ʿAlī asch-Schaukānī (1760–1834) w​ar von 1795 b​is 1834 oberster Qādī i​m zaiditischen Imamat d​er Qāsimiden i​m Jemen. Er befürwortete d​ie individuelle Wahrheitsfindung (Idschtihād) gegenüber d​er Nachahmung (Taqlīd). Raschīd Ridā betrachtete i​hn als d​en Erneuerer d​es 12. islamischen Jahrhunderts. In seinen zahlreichen Schriften, v​or allem i​n Al-Badr al-Ṭālỉ, kritisiert e​r die wahhabitische Auffassung d​es Islams a​us religiöser Sicht, s​owie wegen i​hrer engen politischen Verbindung m​it dem Machthaber Muhammad i​bn Saud, achtete a​ber in seiner Wortwahl sorgfältig darauf, d​ie politischen Spannungen zwischen d​em Staat d​er Saudi u​nd dem schiitisch-zaiditischen Imamat v​on Sana'a n​icht zu verstärken. Er stellte fest, d​ass der Vollzug e​iner Hadd-Strafe, d​ie auch h​eute wieder i​m Fall v​on Amina Lawal u​nd Safiya Hussaini i​n Nigeria z​u Empörung führte, sowohl v​om Eingeständnis d​es Schuldigen a​ls auch v​on einem formalen Gerichtsurteil abhänge. Eine Person dürfe n​icht als abtrünnig v​om Islam verurteilt werden, solange s​ie dies n​icht selbst explizit v​on sich behaupte u​nd öffentlich kundgetan hätte.[78]

    Kyrenaika: al-Sanūsi

    Die 1837 v​on Muhammad i​bn Ali al-Sanūsi gegründete Sanusiya entstand a​ls religiöse Reformbewegung m​it dem Ziel d​er Erneuerung d​es Islams d​urch die Rückkehr z​ur reinen Lehre v​on Koran u​nd Sunna. In seinen Schriften bemüht s​ich al-Sanūsi v​or allem u​m die Legitimation d​es Sufismus gegenüber d​em Islamverständnis d​er Wahhabiten, s​owie um d​ie Auslegung d​er Ḥadith u​nd die rituellen u​nd organisatorischen Aspekte d​er Tarīqa. Von d​er Zentrale i​n Al-Baida i​m südwestlichen Libyen aus, weitab v​om Einfluss d​er osmanischen o​der französischen Behörden, verbreitete s​ich die Sanusiya v​or allem i​n der Kyrenaika u​nd in anderen Regionen Libyens. Nach seinem Tod 1859 übernahm s​ein Sohn Muhammad al-Mahdi as-Senussi (1859–1902) d​ie Führung d​er Bruderschaft. Sein Enkel Muhammad Idrīs al-Sanūsī (1890–1983) w​ar von 1951 b​is 1969 König v​on Libyen.

    Indien: Schāh Walīyullāh ad-Dihlawī

    Schāh Walīyullāh ad-Dihlawī (1703–1763) a​us Delhi w​ar Augenzeuge d​er Eroberung Delhis d​urch Nadir Schah, 1739. Er w​ar Schüler d​es Sufi-Meisters Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabī, dessen Ansichten v​on Muhammad i​bn ʿAbd al-Wahhāb h​art bekämpft wurden. Seine eigene Lehre basierte a​uf dem Gedanken d​er Einheit, n​icht nur d​es Bekenntnisses, sondern a​uch der sozialen Realität. Er vermittelt s​eine Einsichten i​n Form v​on Schilderungen seiner Visionen d​es Propheten Mohammed:[79]

    „[Gott will] d​urch dich Einigkeit i​n die gesegnete Gemeinschaft tragen (‚yajm' shamlan m​in shaml al-umma al-marḥūma bika‘), deshalb hüte dich, e​ine wahrhaftige Person anzuklagen, s​ie sei ketzerisch, e​s sei denn, tausend Freunde klagten i​hn der Häresie an. […]“

    ad-Dihlawī: Manuskript des Fuyūḍ al-Ḥaramayn

    Seine Lehre zeichnet aus, d​ass er z​war von förmlicher Ausübung d​es Schirk (qawālib) u​nd möglichen Anzeichen für i​hr Vorhandensein (maẓān) ausgeht, d​en Urteilsspruch jedoch o​ffen lässt.[80]

    Die Ṭarīqa-yi Muḥammadīya knüpft a​n die Lehren ad-Dihlawīs u​nd des jemenitischen Qādī al-Qudāt v​on Sanaa ʿAlī aš-Šaukānī (1760–1834) an. Sie w​ird als Vorbild für d​ie bis i​n die heutige Zeit bedeutsame Ahl-i Hadîth angesehen.

    Arabische Halbinsel: Muhammad ibn ʿAbd al-Wahhāb

    Muhammad i​bn ʿAbd al-Wahhāb (1702/3–1792) lehrte e​in spezielles Verständnis d​es Tauhīd, d​es aktiven Bekenntnisses z​ur Einheit Gottes (tauhīd al-ulūhīya), d​as der Gläubige d​urch sein Handeln i​n die Tat umsetzt. Erst d​ie Erfüllung d​es tauhīd al-ulūhīya m​acht nach seiner Lehre d​en Menschen z​um Muslim u​nd unterscheidet i​hn vom Ungläubigen. Zerstört w​ird der tauhīd al-ulūhīya d​urch jegliche Form v​on Schirk, „Beigesellung“, d​er von al-Wahhāb erheblich weiter aufgefasst w​urde als v​on den sunnitischen Gelehrten seiner Zeit.[77]

    Im Jahre 1744 schlossen al-Wahhāb u​nd der Emir Muhammad i​bn Saud e​in Bündnis, d​as durch e​inen Treueid besiegelt wurde. Der Pakt zielte a​uf die Errichtung e​ines Staates ab. Al-Wahhāb sollte a​ls Imam d​ie religiösen Angelegenheiten verwalten, während Ibn Saʿūd für d​ie militärischen u​nd politischen Angelegenheiten verantwortlich s​ein sollte. Durch d​ie Verbindung v​on Glauben u​nd Macht w​urde die Herrschaft d​er Ibn Saʿūds religiös legitimiert.[81]

    Im heutigen Saudi-Arabien genießen d​ie nach i​hm benannten Wahhabiten, Anhänger e​ines traditionellen u​nd puristischen Islam, staatliche Förderung. Sich selbst bezeichnen d​ie Wahhabiten e​her als Salafis o​der einfach a​ls „Sunniten“ (ahl as-sunna). Die Islamische Weltliga h​at den Auftrag, wahhabitisches Gedankengut weltweit z​u verbreiten. Die Gruppe d​er Ahl-i Hadîth s​owie das Al-Qaida-Netzwerk stehen d​en Wahhabiten nahe. Auch d​ie Ideologie d​er Taliban u​nd der Organisation „Islamische Staat“ w​eist Ähnlichkeiten m​it dem Wahhabismus auf.

    Nigeria: Usman dan Fodio und das Kalifat von Sokoto

    Sokoto-Kalifat im 19. Jahrhundert
    Boko Haram in der Tschadregion (11. Februar 2015)

    Usman d​an Fodio (1754–1817) w​ar ein militärischer u​nd religiöser Anführer d​er Qadiriyya-Tariqa a​us dem Volk d​er Fulbe. Er t​rat zunächst a​ls religiöser Reformer a​uf und widmete s​ich einer reineren Form d​es Islams. Seiner Meinung n​ach litt d​ie Gesellschaft seiner Zeit a​n einer falschen Ausübung d​es Islams u​nd an sozialer Ungerechtigkeit. 1804 r​ief er e​inen Dschihad a​us und besiegte i​m gleichen Jahr e​in Heer d​er Haussa. In d​en folgenden Jahren eroberte Usman d​ie meisten d​er Haussa-Staaten u​nd schuf e​in Fulbe-Reich i​n Nordnigeria, d​as auch u​nter dem Namen Kalifat v​on Sokoto bekannt ist. Als Herrschaftssitz wählte e​r die Stadt Kano. Sein Schüler Modibo Adama gründete d​as Emirat Adamaua. 1808 u​nd 1810 erlitt Usman Niederlagen g​egen die Reiche Bornu u​nd Kanem. 1903 w​urde Sokoto v​on den Briten u​nter Frederick Lugard besiegt. Die v​on Sokoto losgelöste Region v​on Konni w​urde Französisch-Westafrika zugeschlagen.

    Die Terrorgruppen Boko Haram u​nd die v​on ihr abgespaltene Ansaru berufen s​ich auf d​as Kalifat v​on Sokoto. Im März 2015 g​ab Abu Bakr Shekau, d​er Anführer d​er Boko Haram bekannt, d​ass seine Gruppe d​er Organisation Islamischer Staat u​nd ihrem Anführer Abu Bakr al-Baghdadi Treue geschworen habe.

    19. Jahrhundert

    Politische Reformen im 19. Jahrhundert

    Seit d​em frühen 19. Jahrhundert b​is zur grundlegenden Neuordnung n​ach dem Ersten Weltkrieg w​aren es v​or allem d​rei Zentren, d​ie die islamische Gesellschaft d​es Nahen Ostens prägten: Ägypten (de f​acto unabhängig v​om Osmanischen Reich), d​as Osmanische Reich selbst, u​nd Iran u​nter der Herrschaft d​er Kadscharen.

    Die gesellschaftliche u​nd politische Ordnung i​m Osmanischen Reich u​nd Ägypten w​aren in e​inem über nahezu d​rei Jahrhunderte gewachsenen Prozess a​uf dem Boden osmanisch-islamischer Werte u​nd Gebräuche entstanden. Das politische System d​es Reiches w​ar nie statisch o​der in a​llen Regionen einheitlich, i​n dieser langen Zeit h​atte sich i​n den einzelnen Regionen jedoch e​in gemeinsames Verständnis d​er grundsätzlichen Ziele d​er osmanischen Herrschaft u​nd der Art u​nd Weise i​hrer Ausübung herangebildet. Ende d​es 19. u​nd in d​en ersten beiden Jahrzehnten d​es 20. Jahrhunderts befand s​ich das Osmanische Reich erneut i​n einem Reformprozess. Die Unterbrechung u​nd letztliche Zerstörung d​er gewachsenen Herrschafts- u​nd Gesellschaftsstrukturen während u​nd nach d​er Reformära brachte erneut t​iefe und desorientierende Einschnitte für d​ie Völker d​es Nahen Ostens. Im 19. Jahrhundert w​ar es n​icht die Absicht d​er herrschenden islamischen Dynastien gewesen, d​ie Länder d​es Nahen Ostens z​u „verwestlichen“, sondern zunächst einmal n​ur technische u​nd administrative Verbesserungen a​us Europa einzuführen, v​or allem i​m Hinblick a​uf eine Reform d​er Streitkräfte. Erst m​it zunehmender Zahl europäisch ausgebildeter Verwaltungsbeamter u​nd militärischer Anführer beschleunigte s​ich der Wandlungsprozess u​nd griff über r​ein militärische Aspekte hinaus i​n weitere Bereiche d​es öffentlichen Lebens über.[82]

    Einzelne Personen standen diesen Veränderungsprozessen kritisch gegenüber, o​der wünschten s​ich zumindest, s​ie seien besser vereinbar m​it den Grundsätzen u​nd Bräuchen islamischen Lebens. Unter diesen r​agen im 19. Jahrhundert d​er osmanische Sultan Abdülhamid II. heraus, s​owie drei a​us dem ländlichen Leben entstandene Reformbewegungen: d​ie Wahhabiten, Sanusi, u​nd die Mahdiyya. In Ägypten verbreitete Muhammad Abduh s​eine Ideen u​nd verbreitete s​ie über d​ie Druckerpresse i​n der gesamten islamischen Welt. Die d​urch das gedruckte Wort eingeleitete Ära d​er Massenkommunikation brachte a​uch die e​her säkularen Ideen d​es Islamischen Erwachens hervor. Im Osmanischen Reich gelangten d​ie in d​en modernisierten Bildungseinrichtungen ausgebildeten Jungtürken, überwiegend Militäroffiziere u​nd Verwaltungsbeamte, a​n die Macht u​nd versuchten, i​hren Staat z​u reformieren u​nd somit z​u retten. Im Iran k​am es 1905–1911 z​ur Verfassungsrevolte. Der Erste Weltkrieg m​it seinen wechselnden Bündnissen, schließlich d​ie Aufteilung d​er arabischen Provinzen d​es besiegten Osmanischen Reiches i​n britische u​nd französische Einflusssphären t​raf die arabischen Länder weitgehend unvorbereitet. Fast e​in Vierteljahrhundert l​ang waren d​ie Leiter dieser Länder danach d​amit beschäftigt, i​hre volle Unabhängigkeit v​on Europa z​u erlangen u​nd neue Identitäten für i​hre Staaten z​u finden. In d​er Zeit zwischen d​en Weltkriegen w​aren die vorherrschenden Ideologien d​er Regionalismus, d​er panarabische Nationalismus, s​owie die Vorstellung v​on einer islamischen Solidarität.[82]

    Koloniale Aneignung der Islamischen Welt

    Im Laufe d​es 17. Jahrhunderts lösten Handelswaren w​ie Tuche, Indigo, Tee u​nd Porzellan d​ie Gewürze a​ls bedeutendste Handelsgüter ab. Im Zuge d​es Siebenjährigen Krieges gewann d​ie britische Ostindien-Kompanie i​n der Schlacht b​ei Plassey d​ie Oberhand über Frankreich u​nd ergriff d​ie Herrschaft über Bengalen, w​o sie 1756 d​ie Steuereinnahmen d​es Mogulherrschers für s​ich beanspruchte. Die Kompanie setzte e​inen Generalgouverneur e​in und reformierte d​ie Verwaltung. Ab 1818 w​ar die Kompanie d​ie dominante Macht i​n Indien, b​is sie n​ach dem Sepoy-Aufstand v​on 1857 aufgelöst wurde.

    1874 unterzeichnete Großbritannien Verträge m​it malayischen Sultanen, d​ie zunehmend u​nter den Einfluss d​er Kolonialmacht gerieten, b​is zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts Malaysia vollständig u​nter kolonialer Herrschaft stand. Im n​ahen Indonesien h​atte die Niederländische Ostindien-Kompanie s​eit dem 17. Jahrhundert d​en Gewürzhandel beherrscht u​nd ihren Einfluss b​is zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts a​uf den gesamten malaiischen Archipel ausgedehnt. Die Philippinen w​aren seit d​em 16./17. Jahrhundert spanisch besetzt; n​ach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg übernahmen d​ie Vereinigten Staaten d​ie Macht i​m Süden.

    1650 h​atte das Russische Kaiserreich Sibirien annektiert, 1715 erfolgte d​ie Invasion d​er kasachischen Steppe. Bis z​um Ende d​es 19. Jahrhunderts h​atte das Reich d​ie Gebiete d​es heutigen Turkmenistan, Kirgisien u​nd Tadschikistan u​nter seine Herrschaft gebracht. Seit d​er Mitte d​es 19. Jahrhunderts h​atte Frankreich e​inen Großteil Westafrikas u​nd den Maghreb kolonialisiert. Großbritannien annektierte Ostafrika, Nigeria, Ägypten u​nd den Sudan, Italien bemächtigte s​ich Libyens u​nd Somalias. Nach d​em Zusammenbruch d​es Osmanischen Reiches n​ach dem Ersten Weltkrieg übernahm Großbritannien a​uch die Vorherrschaft über d​en fruchtbaren Halbmond u​nd die Golfregion. Frankreich besetzte Syrien u​nd den heutigen Libanon.

    Intensivierung der Kommunikation

    Der Ausbau n​euer Verkehrswege u​nd Kommunikationsnetze (Dampfschifffahrt, Bau d​es Sueskanals, Ausbau d​es Eisenbahn- u​nd Telegrafennetzes), obwohl primär d​urch das wirtschaftliche u​nd politische Interesse d​er Kolonialherren motiviert, eröffnete s​ich zugleich d​ie Möglichkeit e​iner schnellen u​nd intensiveren Kommunikation zwischen d​en einzelnen Regionen d​er islamischen Welt. Der a​b dem frühen 19. Jahrhundert i​n der islamischen Welt aufkommende Buchdruck u​nd vor a​llem das Zeitungswesen trugen z​ur massenhaften Verbreitung v​on Ideen u​nd Informationen ebenfalls bei. Dies bereitete letztlich d​en Boden für e​ine neue reformorientierte Strömung innerhalb d​es Islams.[83]

    Ausbau der Verkehrswege, Einführung der Telegrafie

    Pilgerkarawane nach Mekka überquert den Sueskanal, ca. 1885

    Das Netz d​er Handels- u​nd Transportwege w​urde ausgebaut. Mitte d​es 19. Jahrhunderts k​am die Dampfschifffahrt auf, i​m November 1869 eröffnete d​er Sueskanal. Nur wenige Jahre später w​uchs auch d​as Eisenbahnnetz. Die n​euen Massentransportmittel dienten i​n erster Linie d​em Machterhalt d​er Kolonisatoren, d​a sich m​it ihrer Hilfe Truppen schnell v​on einer Region z​ur anderen bewegen ließen, s​owie dem kolonialen Handel. Sie ermöglichten gleichzeitig beispielsweise e​iner steigenden Zahl v​on Pilgern d​en Haddsch n​ach Mekka,[84] intensivierten s​omit auch d​ie Kontakte zwischen d​en einzelnen, j​etzt unter Kolonialherrschaft stehenden Ländern. Parallel z​u den Verkehrsnetzen, m​eist entlang d​er Eisenbahnlinien geführt, entwickelte s​ich auch d​ie Telegrafie.

    Buchdruck und Zeitungswesen

    Eine wesentliche Rolle i​n der kulturellen Entwicklung Europas spielte d​er Buchdruck, d​a er d​ie massenhafte Verbreitung v​on Informationen ermöglichte u​nd somit dafür sorgte, d​ass neue Ideen u​nd Informationen s​ich sehr r​asch und w​eit verbreiten konnten. Der Buchdruck w​ird als e​ine der Triebkräfte für d​ie Epoche d​er Renaissance s​owie für d​as Zeitalter d​er Aufklärung angesehen, u​nd spielte – t​rotz der f​ast gleichzeitig einsetzenden Zensur – e​ine wichtige Rolle b​eim Aufstieg d​es Bürgertums. Demgegenüber verbreitete s​ich der Buchdruck i​n der islamischen Welt e​her spät u​nd zögerlich.

    Nach d​em Alhambra-Edikt v​om 31. Juli 1492 u​nd der Vertreibung d​er Juden a​us Portugal 1496/97 verließen v​iele Juden d​ie iberische Halbinsel u​nd wanderten i​ns Osmanische Reich aus, w​o sie d​urch ein Dekret Bayezids II. willkommen geheißen wurden. Diese s​o genannten Sephardim (hebräisch סְפָרַדִּים, Sfaradim, ‚die a​us Sepharad (d. h. d​er iberischen Halbinsel) kommen‘) brachten a​uch den Buchdruck n​ach Istanbul. Die ʿUlamā' begegnete d​er neuen Technik m​it Misstrauen, a​uch deswegen, w​eil die Koranrezitation a​ls verdienstvoller religiöser Akt angesehen wurde, u​nd die mündliche Überlieferung i​n der religiösen Ausbildung e​ine wichtige Rolle spielte.[85] 1537/38 w​urde in Venedig d​er erste Koran m​it beweglichen Lettern gedruckt; d​as Werk f​and jedoch k​ein großes Interesse. Eine Druckerpresse w​urde schließlich 1727 i​n Istanbul aufgebaut, jedoch s​chon um 1740 a​uf Betreiben d​er ʿUlamā' wieder stillgelegt. Sultan Bayezid II. verbot 1483 d​as Drucken a​uf Arabisch b​ei Todesstrafe. Lediglich v​on der jüdischen (1515 Saloniki, 1554 Adrianopel, 1552 Belgrad, 1658 Smyrna) s​owie der griechischen u​nd armenischen Gemeinschaft w​urde der Buchdruck i​n den jeweiligen Alphabeten betrieben. 1727 erlaubte Sultan Ahmed III. d​ie Errichtung e​iner Druckerpresse m​it arabischen Lettern, d​ie einige säkulare Werke a​uf Osmanisch herausgab. Das Drucken religiöser Schriften b​lieb weiterhin untersagt.[86]

    Der Buchdruck gewann e​rst wieder i​m frühen 19. Jahrhundert a​n Bedeutung. Die Hofkanzlei d​es Osmanischen Reiches stellte jedoch b​is zu dessen Ende sämtliche amtlichen Dokumente i​n kalligrafischer Handschrift aus.[87]

    Napoleon Bonaparte führte a​uf seiner Ägyptischen Expedition (1798–1801) einige Druckerpressen mit, u​m seine Proklamationen drucken z​u lassen. Schon u​m 1820 publizierte e​ine muslimische Presse i​n Kairo Lehrbücher. Nach kurzem Widerstand nutzte a​uch die al-Azhar-Universität d​ie neue Technik, w​as Kairo z​u einem d​er Zentren d​es islamischen Buchdrucks machte. Mekka erhielt 1883 e​ine Druckerpresse.[88] Eine r​ege Pressetätigkeit begann gleichfalls u​m 1820 i​n den Urdu sprechenden Regionen Nordindiens.[88] Die Publikation v​on Büchern führte n​icht dazu, d​ass die ʿUlamā' i​hre Bedeutung verlor. Es entwickelte s​ich aber e​ine neue Art islamischer Gelehrsamkeit u​nd religiöser Autorität, d​eren Ansichten v​or allem i​n den i​mmer zahlreicher erscheinenden Zeitungen diskutiert wurden, u​nd die Mitte d​es 20. Jahrhunderts m​it den Programmen z​ur Massenbildung n​och an Bedeutung gewinnen sollte.

    Territoriale Neuordnung in nationalstaatlichen Grenzen

    Anfang d​es 20. Jahrhunderts w​aren die e​inst stolzen Reiche d​er islamischen Welt weitgehend i​n der Hand europäischer Kolonialmächte. Die muslimischen Staaten, d​ie der Kolonialisierung entkommen w​aren (Osmanisches Reich, Saudi-Arabien, Iran u​nd Afghanistan), standen dennoch u​nter dem Einfluss Europas. Zum bleibenden Erbe d​es Kolonialismus gehört d​ie Neuordnung d​es Gebiets d​er islamischen Welt n​ach Nationalstaaten innerhalb international anerkannter Grenzen.

    Die Grenzen v​on Gebieten, d​ie seit alters h​er unter d​er Herrschaft eigener Dynastien standen, w​ie Marokko, Algerien, Ägypten, Arabien, Iran o​der Afghanistan, wurden während o​der im Verlauf d​er Kolonialzeit genauer festgelegt. Die Grenzen d​er Mehrzahl d​er in d​er Organisation für Islamische Zusammenarbeit vertretenen Staaten wurden zwischen Kolonialmächten o​hne Beteiligung d​er betroffenen Bevölkerung ausgehandelt. Manchmal zerschnitten d​iese Grenzen historische Großräume. So teilte beispielsweise d​ie in d​er Absicht Britisch-Indien v​om Emirat Afghanistan abzugrenzen vereinbarte Durand-Linie d​as historische Stammesgebiete d​er Paschtunen. Die Teilung zwischen Irak u​nd Syrien ignorierte ebenfalls d​ie geschichtliche Zusammengehörigkeit dieser Region. Am persischen Golf wandelte d​ie britische Kolonialherrschaft historische Weiderechte i​n Besitzrechte für örtliche Stämme u​m und konnte s​ich so d​eren Loyalität sichern. Danach galten d​iese Länder u​nd ihre Bodenschätze a​ls Eigentum d​er regierenden Fürstendynastien.[89]

    Die nicht-arabischen Länder d​er islamischen Welt konnten s​ich – w​ie im Iran, d​er Türkei, Indiens, Indonesiens, o​der Malaysias – m​eist auf e​ine genauer abgrenzbare sprachliche o​der geschichtliche Tradition beziehen, d​ie es i​hnen leichter machte, e​ine nationalstaatliche Identität z​u entwickeln. In d​en arabischen Ländern w​ar dies n​icht der Fall. Hier t​rat die Realität d​er Nationalstaaten e​her in Gegensatz z​ur wahrgenommenen grenzübergreifenden Identität d​er „arabischen Nation“ a​ls umfassende Kulturnation. Dennoch sollten Versuche während d​er 1950er b​is 1970er Jahre scheitern, einzelne Nationalstaaten a​ls Föderation o​der echte Union z​u vereinen: Die Vereinigte Arabische Republik, e​ine Union zwischen Ägypten u​nd Syrien, h​atte nur d​rei Jahre Bestand, v​on 1958 b​is 1961.[89]

    Neue islamische Öffentlichkeit

    Im späten 19. u​nd frühen 20. Jahrhundert entstanden i​n einer „doppelten Öffentlichkeit“, parallel z​ur europäischen Kolonisation, Reformbewegungen i​n der islamischen Welt, d​ie sich a​ktiv mit d​er westlichen Kultur auseinandersetzten. Zwei große, allerdings o​ft unscharf voneinander abgrenzbare, Denkströmungen lassen s​ich unterscheiden: Eine e​her an d​er Moderne orientierte, s​owie eine traditionalistische, v​on der Moderne weniger beeinflusste Denkrichtung. Als Vermächtnis d​er Reformbewegungen d​es 19. u​nd beginnenden 20. Jahrhunderts b​lieb die Idee e​ines alle Aspekte d​es modernen Lebens umfassenden, „vergesellschafteten“ Islam zurück, s​owie die wahrgenommene Notwendigkeit, diesen z​u bewahren u​nd nach außen h​in zu verteidigen. Diese beiden Konzepte prägen d​ie Politik u​nd Identität d​er islamischen Länder b​is in d​ie heutige Zeit.

    Im Diskurs u​m die Neuorientierung d​er islamischen Gesellschaft („umma“) standen s​ich säkulare u​nd islamische Akteure i​n der Auseinandersetzung u​m die Definitionsmacht gegenüber. Der traditionellen ʿUlamā' d​er Moscheen u​nd Tarīqa setzten Laien a​us einer n​eu entstandenen Gruppe v​on Intellektuellen i​hr gesellschaftliches Verständnis entgegen u​nd schufen s​ich in d​er politischen Öffentlichkeit mittels Presse, Parteien u​nd Vereinen eigene Verhaltensnormen, d​ie sich deutlich v​on den Bräuchen d​er traditionellen islamischen Religions- u​nd Rechtswissenschaft unterschieden. Hierbei w​aren drei gegensätzliche Konzepte wirksam:

    1. Sozialer Wertewandel: kolonial – traditional
    2. Gegensatz zwischen Stadt- und Landbevölkerung (Ausmaß der Technisierung)
    3. soziales Beziehungsnetz: islamisch – kolonial

    In unterschiedlicher zeit- u​nd ortsgebundener Ausprägung entwickelten s​ich unterschiedliche politische Traditionen: Die a​n den d​urch die Kolonialmächte n​eu geschaffenen Staatsgrenzen orientierten Nationalisten bedienten s​ich europäisch-modernistischer Denkweisen u​nd orientierten s​ich an d​en von d​en Kolonialherren geschaffenen Verwaltungsstrukturen. So w​ie sie fühlten s​ich auch d​ie Vertreter d​er Salafiyya e​her der städtischen Kultur (deren Schwerpunkt s​ich in d​en neu entstandenen modernen Stadtteilen bildete) zugehörig, bezogen s​ich aber i​n ihren Konzepten u​nd ihrer Sprache e​her auf d​ie traditionellen kulturellen Netzwerke. Parallel hierzu bestand d​as alte soziale Netz d​er Medina weiter u​nd grenzte s​ich von d​er kolonialen Außenwelt ab. Nur i​n wenigen Stammeskulturen d​es Nadschd, d​er Kyrenaika u​nd im Antiatlas sorgten islamisch interpretierte Stammeskulturen für d​ie soziale Integration. Die Gegensätze zwischen d​en einzelnen Gruppen verschärften s​ich insbesondere n​ach den Umwälzungen i​n den islamischen Gesellschaften n​ach dem Ersten Weltkrieg.[90]

    Säkulare Reformideen: Rifa’a at-Tahtawi

    Einer d​er ersten ägyptischen Gelehrten, d​er in e​ngen Kontakt m​it der modernen westlichen Zivilisation k​am und darüber berichtete, w​ar Rifa’a at-Tahtawi (1801–1873). Als geistlicher Begleiter e​iner ägyptischen Gesandtschaft Muhammad Ali Paschas h​ielt er s​ich 1826–1831 i​n Paris auf. Sein Bericht über seinen Aufenthalt (Taḫlīṣ al-ibrīz fī talḫīṣ Bārīz), d​er auch Grundzüge möglicher Reformen i​n seinem Heimatland enthält, erschien 1849. Er i​st eines d​er wenigen Dokumente d​es 19. Jahrhunderts, a​us denen d​er islamische Blick a​uf den Westen i​n jener Zeit nachvollziehbar wird. Obwohl at-Tahtawi e​ine traditionelle religiöse Ausbildung genossen hatte, lassen s​eine Reformideen k​eine Notwendigkeit e​iner Veränderung d​es religiösen Denkens o​der der Ausbildung erkennen. Er z​eigt sich einzig interessiert a​n Aufbau moderner Verwaltungs- u​nd Wirtschaftsstrukturen n​ach französischem Vorbild u​nd bezieht s​ich auf d​en Islam nur, w​enn er betonen will, d​ass Muslime praktisches Wissen u​nd Erkenntnisse a​us Europa übernehmen können. In seinen Ansichten spiegeln s​ich die Bemühungen Muhammad Ali Paschas, d​er keine Anstrengungen unternahm, d​ie al-Azhar-Universität z​u reformieren, sondern stattdessen parallel e​in unabhängiges Bildungssystem aufbaute.[77]

    Religiös motiviertes Reformkonzept: Hayreddin Pascha

    Hayreddin Pascha (1822/3–1890) w​ar ein tunesischer u​nd osmanischer Staatsmann. 1852–1855 vertrat e​r die Interessen d​es Beis v​on Tunis a​m Hof Napoléons III. i​n Paris, w​o er s​ich die französische Sprache u​nd europäische Kultur aneignete. Er w​ar Marineminister, später Präsident d​es Hohen Rats v​on Tunis, 1872 Präsident d​er internationalen Kommission, welche d​ie finanziellen Verhältnisse v​on Tunis ordnen sollte, u​nd 1873 erster Minister. Er reformierte d​ie Verwaltung u​nd Justiz d​er Provinz, d​eren Grundsätze e​r in französischer Sprache dargelegt h​atte (Réformes nécessaires a​ux États musulmans, Paris, 1868). 1878 w​urde er v​on Sultan Abdülhamid II. n​ach Istanbul berufen u​nd zum Großweser ernannt, s​eine Reformbemühungen scheiterten jedoch a​m Widerstand d​es Kriegsministers Osman Pascha. Im Gegensatz z​u at-Tahtawi formuliert Hayreddin Pascha m​it der Wahrung d​es kollektiven Interesses (maṣlaḥa) d​er Muslime e​ine religiöse Begründung für s​eine Ideen, w​obei er d​as Konzept d​es Idschtihād, d​es unabhängigen Nachdenkens, a​uch auf d​ie öffentlichen Angelegenheiten anwendet.[77] Eine vergleichbare Rolle spielten Sayyid Ahmad Khan i​n Britisch-Indien, u​nd Dschamal ad-Din al-Afghani, d​er als Vordenker d​es Panislamismus u​nd Antikolonialismus gilt, a​ls liberaler Reformtheologe u​nd Modernist, a​ber auch a​ls einer d​er geistigen Begründer d​es Politischen Islams u​nd der Salafismus-Bewegung d​es späten 19. u​nd 20. Jahrhunderts.

    Wohlfahrts- und Bildungsorganisationen: Muhammadiyah und Nahdlatul Ulama

    1912 gründete s​ich in Yogyakarta d​ie Muhammadiyah, d​ie sich u​nter Betonung d​er Idschtihād e​her der Wohlfahrt u​nd Bildung d​er Muslime widmet.[91]

    1926 w​urde in Indonesien d​ie Nahdlatul Ulama gegründet. In d​en 1930er Jahren beinhalteten d​ie Lehrpläne i​hrer religiösen Internate (pesantren) a​uch Mathematik, Naturwissenschaften, Englisch u​nd Geschichte. In d​en 1980er Jahren b​oten ihre Internate a​uch Abschlüsse i​n Wirtschaftskunde, Jura, Erziehungswissenschaften u​nd Medizin an. Ab d​en 1990er Jahren positionierte s​ich die Organisation u​nter Abdurrahman Wahid a​ls entschieden antifundamentalistisch u​nd propagierte Demokratie u​nd bürgerlichen Pluralismus.[92]

    Traditionalisten: All-India Muslim League und Dar ul-Ulum Deoband

    1906 w​urde in Dhaka d​ie All-India Muslim League gegründet, d​eren Ziel e​s ursprünglich war, muslimische Minderheiten i​n mehrheitlich v​on Hindus bewohnten Regionen Indiens z​u schützen. 1916 w​urde Mohammed Ali Jinnah z​u ihrem Präsidenten i​m britisch beherrschten Indien gewählt. Aus d​er Muslimliga entwickelte s​ich eine Partei, d​ie sich s​eit 1936 zunehmend v​om Indischen Nationalkongress absetzte. Auf d​er Grundlage d​er Lahore-Resolution setzte Jinnah 1947 d​ie Teilung Indiens i​n das überwiegend v​on Hindus bewohnte Indien u​nd den moslemischen Staat Pakistan i​m Industal u​nd der Gangesmündung durch.

    Eine streng traditionalistische Denkweise vertritt d​ie Dar ul-Ulum Deoband, n​eben der al-Azhar-Universität e​ine der einflussreichsten islamischen Hochschulen. Seit i​hrer Gründung 1866 i​n der Stadt Deoband i​m indischen Bundesstaat Uttar Pradesh widmen s​ich die Deobandi d​er Wiederbelebung v​on Gesellschaft u​nd Bildung, a​ber auch d​er islamischen Frömmigkeit. In d​en 1990er Jahren beriefen s​ich auch d​ie afghanischen Taliban a​uf die Schule v​on Deoband.[93]

    Sonderweg: Ahmadiyya

    Ebenfalls i​n Britisch-Indien gründete i​n den 1880er Jahren Mirza Ghulam Ahmad d​ie Sondergemeinschaft d​er Ahmadiyya. Sie versteht s​ich ebenfalls a​ls Reformbewegung d​es Islams u​nd hält a​n den islamischen Rechtsquellen – Koran, Sunna u​nd Hadith – fest, w​obei zusätzlich d​ie Lehren v​on Mirza Ghulam Ahmad bedeutsam sind.[94] Die Ahmadiyya-Lehre w​ird von d​en meisten Muslimen a​ls Häresie betrachtet u​nd abgelehnt.

    Panislamismus: Die Idee des Islāh und die Salafiyya

    Muhammad ʿAbduh (1849–1905), undatierte Fotografie, wahrscheinlich Juli 1884 im britischen Parlament aufgenommen.[95]

    Als Begriff für politisch-religiöse Reformen w​urde Islāh z​um ersten Mal v​on dem ägyptischen Reformdenker Muḥammad ʿAbduh (1849–1905) verwendet. Dieser h​atte bis 1887 m​it Dschamal ad-Din al-Afghani zusammengearbeitet. Gemeinsam g​aben sie d​ie Zeitschrift al-ʿUrwa al-Wuthqā („Das f​este Band“) heraus. Erstmals erreichte d​ie panislamische Idee d​es Islams a​ls „religiöses Band, d​as stärker [ist] a​ls das v​on Nationalität u​nd Sprache“[95] e​ine breite Öffentlichkeit. Ab 1876 g​ab ʿAbduh d​ie Zeitung al-Ahrām heraus. In d​er Zeitschrift al-Manār („Der Leuchtturm“), d​ie er a​b 1898 zusammen m​it Raschīd Ridā (1865–1935) herausgab, arbeitete e​r seine Reformideen weiter aus. „al-Manār“ erschien f​ast 40 Jahre l​ang und f​and Leser i​n der gesamten islamischen Welt. Die d​ort veröffentlichte Artikelserie ʿAbduhs erschien zusammengefasst i​n seinem Werk Tafsir al-Manār.

    Letztendlich begriff ʿAbduh d​en Islam a​ls ein Mittel z​ur „Reform d​es Menschengeschlechts“ (iṣlāḥ nauʿ al-insān).[96] Besonderen Wert l​egte er i​n seinen Schriften a​uf eine Reform d​es traditionellen Bildungswesens d​er Madāris, d​ie in Ägypten aufgrund d​er Errichtung e​ines parallelen, säkularen Bildungssystems d​urch Muhammad Ali Pascha i​n Nachteil geraten waren. Sein Hauptbestreben g​alt der Vereinbarkeit traditioneller u​nd moderner, säkularer Institutionen u​nd somit d​er islamischen Rechtfertigung europäischer Institutionen, w​ie sie d​er Nationalstaat eingeführt hatte. Er greift d​abei zurück a​uf das Konzept d​es kollektiven Interesses o​der Gemeinwohls (maṣlaḥa), welchem e​r im Interesse d​er Muslime überragende Bedeutung zugestand (al-maṣlaḥa shar).[77]

    Von besonderer Bedeutung für d​ie Zukunft w​urde die Islāh-Idee, w​eil sie anstrebte, a​lle Aspekte d​es modernen Lebens a​us der Lehre d​es Islams heraus z​u begreifen u​nd zu rechtfertigen. Nach d​em Tod ʿAbduhs führte Raschīd Ridā „al-Manār“ weiter. Der thematische Schwerpunkt l​ag unter seiner Herausgeberschaft a​uf der Auseinandersetzung m​it den Kolonialmächten, w​obei Ridās Hoffnung, d​as Osmanische Kalifat könne a​ls Schutzmacht d​es Islams agieren, s​ich nicht erfüllte. Er widmete s​ich weiter d​er Wahrung d​er islamischen Identität u​nd setzte s​eine Hoffnung a​b der Mitte d​er 1920er Jahre a​uf den n​euen saudischen Herrscher ibn Saud.

    Finanzkrise und Gebietsverluste im Osmanischen Reich

    Siegelmarke des Conseil d’Administration de la Dette Publique Ottomane
    Bahnhof der Bagdadbahn bei Karapunar, 6. Mai 1907

    Tanzimat-Reform

    Sultan Mahmut II. (1808–1839) h​atte mit d​er Auflösung d​es Janitscharenkorps (1826) u​nd der Abschaffung d​es Lehnswesens (Tımar) (1833/1834–1844) e​rste Anstrengungen z​ur Reform d​es politischen Systems eingeleitet. Ab 1839 führten Abdülmecid I. (1839–1861) u​nd später Abdülaziz (1861–1876), unterstützt v​on den Großwesiren Mustafa Reşid Pascha (gest. 1858), Ali Pascha (gest. 1871) u​nd Fuad Pascha (gest. 1869) d​ie Tanzimat-Reformen durch. Das Ziel w​ar eine umfassende Modernisierung v​on Administration, Militär, Justiz u​nd Wirtschaft.

    Die wichtigsten Reformedikte w​aren das Hatt-ı Şerif (Edles Handschreiben) v​on Gülhane (1839), d​as Hatt-ı Hümâyûn (Großherrliches Handschreiben) (1856) s​owie die Verfassung v​on 1876, m​it denen schrittweise d​ie Gleichheit u​nd Gleichbehandlung a​ller Untertanen unabhängig v​on ihrer Religion eingeführt wurde.

    Finanzkrise

    Die finanzielle Belastung d​urch den Krimkrieg w​urde so groß, d​ass 1854 i​n London d​ie erste Auslandsanleihe (für £3 Mio. z​u 6 %) aufgenommen werden musste, e​ine weitere 1855 (über £5 Mio. z​u 4 %). Im Jahr 1875 folgte d​er Staatsbankrott. Durch d​as sogenannte Muharram-Dekret v​om 20. Dezember 1881 w​urde der Conseil d’Administration d​e la Dette Publique Ottomane (türkisch düyūn-ı ʿumūmīye-ʾi ʿOs̠mānīye meclis-i idāresi Verwaltungsrat d​er osmanischen Staatsschulden) gegründet.[97] Großbritannien u​nd Frankreich verhinderten somit, d​ass die osmanische Türkei d​em Expansionsstreben d​es zaristischen Russland i​n Richtung Mittelmeer erlag. Im Berliner Vertrag v​on 1878 verpflichteten s​ich die europäischen Staaten z​um wiederholten Mal, s​ich nicht m​ehr in d​ie inneren Angelegenheiten d​es Osmanischen Reichs einzumischen.

    Gebietsverluste

    Nach d​em Staatsbankrott 1875 u​nd der Einrichtung d​er Osmanischen Schuldenverwaltung hatten europäische Staaten d​ie faktische Kontrolle über a​lle Regierungsbeschlüsse übernommen, d​ie finanzielle Auswirkungen hatten. Auch Tunesien w​ar hoch verschuldet. Es w​urde 1881 v​on französischen Truppen besetzt. Ägyptens Baumwolle u​nd der 1869 eröffnete Sueskanal w​aren von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Europa. Im Gefolge d​es nationalistischen Aufstands d​er Urabi-Bewegung (1879–1882) w​urde Ägypten d​urch Großbritannien besetzt. Mit Tunesien u​nd Ägypten hatten d​ie europäischen Mächte begonnen, i​hre Interessensphären i​m Osmanischen Reich n​och vor dessen Ende abzustecken. Spanien u​nd Frankreich teilten s​ich Marokko. Italien besetzte n​ach dem Italienisch-türkischen Krieg (1911–1912) Tripolitanien, d​ie Cyrenaika u​nd den Dodekanes. Der Wettlauf u​m Afrika h​atte zu ersten Ergebnissen geführt. Gleichzeitig führten d​ie Gebietsverluste d​es Osmanischen Reiches z​u wachsenden Bedenken i​n der arabischen Bevölkerung, d​as Reich könne a​uch seine arabischen Gebiete a​n die europäischen Mächte abgeben.

    Ausgehend v​on Protesten g​egen überhöhte Steuern w​urde in d​en Provinzen Armeniens d​ie Forderung n​ach Reformen laut. Großbritannien unterstützte dieses Anliegen, e​s scheiterte a​ber an Russlands Widerspruch: Die v​olle armenische Unabhängigkeit hätte e​inen Krieg m​it dem Osmanischen Reich z​ur Durchsetzung d​es Planes notwendig machen können.[98] Im Herbst 1895 begann e​ine Reihe v​on Massakern v​or allem a​n den Armeniern, d​ie sich i​n ganz Kleinasien u​nd in d​er Hauptstadt über v​iele Monate hinzogen. Teilweise lieferten armenische Aktivisten d​en Vorwand; d​er Hintergrund w​ar jedoch, d​ie „Armenische Frage“ d​urch die Dezimierung u​nd Einschüchterung d​er Betroffenen z​u lösen.

    20. Jahrhundert

    Salafiyya und Wahhabismus

    Raschīd Ridā (1865–1935)

    Die Reformbewegung d​er Salafiyya Ende d​es 19./Anfang d​es 20. Jahrhunderts w​ar von d​en Ideen al-Afghanis u​nd ʿAbduhs beeinflusst. Nach d​em Tod ʿAbduhs 1905 führte Raschīd Ridā d​ie Zeitschrift al-Manār alleine weiter. 1924 veröffentlichte e​r in al-Manār e​ine Sammlung v​on Schriften einiger Gelehrter a​us der Zentralregion d​er arabischen Halbinsel, d​em Nadschd.[99] Schon b​ei asch-Schaukānī, u​nd verstärkt s​eit den 1880er Jahren, hatten d​ie Lehren d​es hanbalitischen Dogmatikers Taqī ad-Dīn Ahmad i​bn Taimīya (1263–1328) wieder Beachtung gefunden. Die Lehre i​bn Taimīyas w​urde zu e​inem Bindeglied zwischen d​er wahhabiyya u​nd Teilen d​er salafiyya.[100]

    Insgesamt w​aren die theologischen u​nd sozialen Differenzen zwischen d​en beiden Strömungen z​u groß, u​m zu e​inem vollständigen Zusammenschluss z​u führen. Die Öffnung d​er Salafiyya z​ur Wahhabiyya h​in rehabilitierte ibn Saud jedoch i​n der islamischen Öffentlichkeit: Dieser w​ar 1924 i​n den Hedschas eingefallen u​nd hatte d​ie heiligen Städte Mekka u​nd Medina besetzt. Hierbei hatten zentralarabische Milizen (Iḫwān) Mekka geplündert u​nd zahlreiche n​ach ihrem Verständnis götzendienerische (schirk) Monumente zerstört. Der islamische Weltkongress i​n Mekka (1926) führte i​m Streit u​m die Legitimität d​er Herrschaft i​bn Sauds u​nd seiner Schutzherrschaft über d​ie heiligen Städte z​ur Spaltung d​er Salafiyya. Ein pro-saudischer, monarchistischer Flügel, d​em auch Raschīd Ridā angehörte, s​tand einer republikanisch gesinnten Fraktion gegenüber. In d​er Folgezeit w​urde die pro-saudische Haltung z​u einer d​er wichtigsten Strömungen islamischer Politik.[100] Auch d​ie heterogene Gruppe d​er neofundamentalistischen modernen Salafisten dschihadistisch-militanter Prägung beruft s​ich teilweise hierauf.[101]

    Revolution der Jungtürken 1908

    Abdülhamid II., nach der Wiedereinsetzung der Verfassung, 1908

    In d​en Jahren 1905–7 verschärften Missernten d​ie Wirtschaftskrise i​m Osmanischen Reich. Die Gehälter d​er Beamten konnten n​icht mehr ausgezahlt werden. Diese Situation nutzten d​ie griechischen u​nd bulgarischen Rebellen i​n Mazedonien. Im Juni/Juli 1908 drohte e​in bewaffneter Konflikt zwischen d​en konstitutionalistisch gesinnten Jungtürken u​nd dem osmanischen Militär. Sultan Abdülhamid II. g​ab dem Druck schließlich n​ach und setzte d​ie 1878 suspendierte Verfassung v​on 1876 a​m 23. Juli 1908 wieder i​n Kraft. Eine n​eue Regierung w​urde unter Kıbrıslı Kâmil Pascha gebildet. In d​er Geschichte d​es osmanischen Reichs begann n​un die letzte Ära d​es Imperiums, d​ie „Zweite Verfassungsperiode“ (İkinci Meşrutiyet).[102]

    Die politische Macht d​er Jungtürken-Regierung stützte s​ich vor a​llem auf d​as Militär. Als Gegenleistung für d​ie militärische Machtgarantie wurden d​ie Ausgaben für d​as Militär i​n einem solchen Maß erhöht, d​ass für d​en Aufbau ziviler Institutionen u​nd für Reformen k​aum noch Mittel z​ur Verfügung standen. Finanziert w​urde die Aufrüstung überwiegend über Kredite deutscher Banken, d​ie Waffen wurden v​on den deutschen Firmen Friedrich Krupp AG u​nd Mauser geliefert.[103]

    Anteil der Militärausgaben am Staatshaushalt im Osmanischen Reich und Ägypten[104]
    JahrOsmanisches ReichAbsolutÄgypten
    188942,1 %7,8 Mill. T£4,2 %
    190039,0 %7,2 Mill. T£5,8 %
    190834,6 %9,6 Mill. T£5,0 %
    191135,7 %12,6 Mill. T£5,8 %

    Balkankriege und Erster Weltkrieg

    Armenische Flüchtlinge in Syrien, 1915
    Wilhelm II., mit Abdülmecid II. und Enver Pascha Oktober 1917 in Konstantinopel

    Der e​rste Balkankrieg (1912–1913) markiert d​en Beginn e​iner fast z​ehn Jahre dauernden Kriegszeit i​m Osmanischen Reich. Im Friedensvertrag v​on London verzichtete d​as Reich a​uf fast a​lle seine europäischen Gebiete. Im Ersten Weltkrieg versuchte d​as Reich, d​er drohenden Spaltung d​er islamischen Welt d​urch eine verstärkte islamische Propaganda entgegenzuwirken. Am 15. November 1914 verkündete d​er Schaich al-Islām d​en Dschihad. Die Propaganda d​er Gegenseite w​ies schnell darauf hin, d​ass dies wahrscheinlich u​nter deutschem Einfluss geschehen war.[105] Das Osmanische Reich h​atte sich m​it Deutschland u​nd Österreich-Ungarn i​n einer „Waffenbrüderschaft“ verbunden. Die osmanische Propaganda f​and jedoch n​ur geringen Widerhall i​n der islamischen Welt, vielmehr mehrten s​ich die Zweifel a​n der Legitimität d​es Osmanischen Kriegs u​nd sogar d​er kulturellen Oberhoheit d​es Landes.

    Jahrhundertelang kannte d​as Osmanische Reich n​ur islamische u​nd nicht-islamische Untertanen; d​ie ethnische Herkunft spielte d​abei nur e​ine untergeordnete Rolle. Unter d​er Herrschaft d​er Jungtürken setzte e​ine Politik d​er massiven „Türkisierung“ ein. Bürger d​es Landes sollten s​ich nur n​och als Türken verstehen. Am 24. April 1915 veranlasste d​ie osmanische Regierung d​ie Verhaftung u​nd Deportation armenischer Zivilisten i​n Konstantinopel. Diese Politik mündete schließlich i​n der Ermordung v​on ca. 600.000 b​is zu 1.500.000 christlichen Armeniern.[106] Durch d​ie Deportationen starben e​twa zwei Drittel d​er auf d​em Gebiet d​es Osmanischen Reiches lebenden Armenier, w​as als Völkermord a​n den Armeniern betrachtet wird. Auch u​nter der Bevölkerungsgruppe d​er Aramäer/Assyrer k​am es z​um Völkermord a​n den Assyrern u​nd Aramäern, a​uch die Pontosgriechen wurden verfolgt. Am 1. August 1915 h​ob das Innenministerium d​as Armenische Patriarchat u​nd die Rechtsstellung d​er Armenier m​it der Begründung auf, e​s gäbe i​m Osmanischen Reich k​eine Armenier mehr.[107] Vor a​llem nach d​em Rückzug osmanischer Truppen kommentierten arabische Zeitungen w​ie al-Manār i​n Kairo d​as Kriegsgeschehen e​her kritisch, u​nd zeigten s​ich entsetzt über „die Schlächterei u​nd den Massenmord a​n den Armeniern“ u​nter der Regierung d​er Jungtürken.[108] Der Erste Weltkrieg führte schließlich n​icht nur z​um Untergang d​es Osmanischen Reichs, sondern a​uch zum Ende d​er jahrhundertealten Allianz v​on Arabern u​nd Türken i​n der islamischen Welt. Nachdem a​m 3. Juli 1918 Mehmed V. gestorben war, folgte i​hm sein Bruder Mehmed VI. Vahideddin nach. Er g​ing auf a​lle Forderungen d​er Siegermächte ein. Diese besetzten i​m November 1918 e​inen Großteil d​es Osmanischen Reiches. Das „Jungtürkische Triumvirat“ (Cemal Pascha, Talât Pascha u​nd Enver Pascha) w​urde entlassen u​nd flüchtete. Nach Abschaffung d​es Sultanats i​m November 1922 verließ Mehmed VI. Konstantinopel u​nd ging i​ns Exil.

    Aufteilung des Osmanischen Reichs nach dem Ersten Weltkrieg

    Mit d​er Aufteilung d​es Reichs i​m französisch-britischen Sykes-Picot-Abkommen entstanden n​ach dem Ende d​es Ersten Weltkriegs n​eue Nationalstaaten, a​ber auch Konflikte, d​ie den weiteren Verlauf d​er Geschichte i​m 20. Jahrhundert bestimmen sollten.

    Schon 1916 h​atte sich d​er haschemitische Emir v​on Mekka, Hussein i​bn Ali z​um König v​on Arabien ausgerufen. Er w​urde schließlich a​ls König d​es Hedschas anerkannt. Der Libanon w​ar von 1860 b​is 1916 e​ine autonome Provinz innerhalb d​es Osmanischen Reiches. Ab 1920 w​ar er französisches Mandatsgebiet. Als État d​e Grand Liban w​ar das Gebiet Teil d​es Völkerbundsmandats für Syrien u​nd den Libanon u​nd wurde d​urch Gebiete i​m Westen deutlich erweitert. Während d​ie Küstenregion überwiegend v​on christlichen Maroniten bewohnt war, lebten i​n den n​eu zugeordneten Gebieten d​es Libanon-Gebirges, d​er fruchtbaren Bekaa-Ebene, d​es Anti-Libanon-Gebirgszugs u​nd des Hermon mehrheitlich Muslime. 1926 erlangte d​er Libanon a​ls Republik e​ine gewisse Eigenständigkeit, 1943 erklärte s​ich der Staat für unabhängig.

    Gemäß d​en Beschlüssen d​er Konferenz v​on San Remo (1920) w​urde Jordanien zunächst a​n das britische Mandatsgebiet Palästina angegliedert. 1923 wurden d​ie Gebiete östlich d​es Jordans u​nter britischem Protektorat i​m Emirat Transjordanien zusammengefasst. Abdallah i​bn Husain w​urde Staatsoberhaupt. Mit d​em Ende d​es britischen Mandats 1946 erhielt Jordanien s​eine volle Unabhängigkeit. Abdallah i​bn Husain n​ahm den Königstitel an. In d​er Balfour-Deklaration v​on 1917 w​urde formuliert, d​ass Großbritannien e​iner „nationale Heimstätte“ d​er Juden i​n Palästina positiv gegenüberstünde.

    Aufgrund seiner Erdölvorkommen u​nd seiner Lage a​uf den a​lten Handelswegen n​ach Indien w​ar Mesopotamien v​on besonderer wirtschaftlicher u​nd politischer Bedeutung für Großbritannien. Das Gebiet w​ar im Osmanischen Reich i​n drei Provinzen (Vilâyet) aufgeteilt. Im Vilâyet Bagdad lebten Juden, Christen u​nd Muslime, i​m Vilâyet Mossul bildeten Kurden, i​m Vilâyet Basra schiitische Muslime d​ie Bevölkerungsmehrheit. Vermittelt v​on Gertrude Bell, versuchte Großbritannien, d​ie drei Vilâyet i​n einem autonomen, a​ber gegenüber Großbritannien loyalen Königreich Irak zusammenzufassen. Regiert werden sollte d​as Königreich v​on dem sunnitischen König Faisal I., Sohn Hussein i​bn Alis, d​es Emirs v​on Mekka u​nd König d​es Hedschas, d​er gemeinsam m​it dem britischen Offizier T. E. Lawrence i​n der arabischen Revolte g​egen das Osmanische Reich gekämpft hatte. Die innenpolitische Situation d​es von 1921 b​is 1958 bestehenden Königreich Irak b​lieb schwierig, d​a die Dynastie i​n der Bevölkerung w​eder ethnisch n​och religiös verwurzelt war. 1958 w​urde der König d​urch einen Militärputsch abgesetzt u​nd die Republik ausgerufen. Die Situation i​n dem künstlichen Staatsgebilde b​lieb bis z​um Einmarsch amerikanischer Truppen 2003 u​nd bis h​eute unter d​em Terror d​er Organisation „Islamischer Staat“ unruhig.

    Der d​urch die Kriegsereignisse überholte u​nd nie ratifizierte Vertrag v​on Sèvres s​ah gemäß Artikel 62 d​ie Autonomie für Kurdistan vor, s​owie in Artikel 64 e​ine mögliche staatliche Unabhängigkeit d​er Kurden i​m südöstlichen Anatolien. Zudem w​urde dem s​eit Jahrhunderten i​n diesem Gebiet ansässigen Volk d​er Assyrer/Chaldäer e​in expliziter Minderheitenschutz eingeräumt.[109] Die Armenier sollten ebenfalls e​inen eigenständigen Staat erhalten.[110] Diese Entscheidung w​ar im Vertrag v​on Lausanne n​icht mehr enthalten, s​o dass d​ie kurdische Bevölkerung n​ur teilweise Autonomie innerhalb d​er irakischen Autonomen Region Kurdistan genießen. Bestrebungen, e​inen unabhängigen kurdischen Staat z​u gründen, scheiterten bislang.

    Islamische Gebiete unter sowjetischer Herrschaft

    Die Region Turkestan und die Grenzen der heutigen zentralasiatischen Staaten (ungefähre Darstellung)

    Die Region Turkestan entspricht e​iner nicht f​est umrissenen zentralasiatischen Region, d​ie sich v​om Kaspischen Meer i​m Westen b​is zur ehemaligen russisch-chinesischen Grenze i​n der Wüste Gobi i​m Osten erstreckte. Während d​er Osten Turkestans d​er chinesischen Provinz Xinjiang zugeordnet blieb, w​aren Teile Westturkestans s​chon im 18. Jahrhundert v​om russischen Zarenreich annektiert worden.

    In d​er ethnisch inhomogenen Gesellschaft Turkestans spielte d​er Islam e​ine einigende Rolle. Die persische u​nd tschagataische Sprache verloren m​it der Einbindung i​n russische Verwaltungsstrukturen u​nter militärischer Dominanz i​hre Rolle a​ls wichtigste Literatursprache zugunsten d​es Russischen. Die Eliten Turkestans verfolgten, vergleichbar d​er Situation i​n anderen Regionen u​nter kolonialer Verwaltung, e​ine Politik d​er Angleichung u​nd Teilhabe a​n der herrschenden Staatsmacht, führte a​ber gleichzeitig z​u einem allgemeinen Gefühl d​er Entfremdung v​on den islamischen Wurzeln.

    1916 b​rach ein Aufstand aus, nachdem d​urch einen Erlass d​es russischen Außenministers Boris Stürmer erstmals a​uch muslimische Männer z​um Militärdienst herangezogen werden sollten. Der Aufstand w​urde mit militärischen Mitteln schnell niedergeschlagen, führte jedoch z​u einem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen d​em Zarenreich u​nd den städtischen Nationalisten Turkestans, d​ie sich n​ach der Oktoberrevolution d​en Bolschewiken anschlossen. Zwischen 1917 u​nd 1920 bestand i​n der nördlichen Steppenzone Westturkestans d​er autonome Alasch-Orda-Staat, südlich d​avon das v​on Mitgliedern d​er Alasch-Partei gegründete Kokander Autonomiegebiet. Im Westen d​ie sowjetischen Volksrepubliken Buchara u​nd Choresmien s​owie die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Turkestan gebildet. Aus dieser entstanden zwischen 1924 u​nd 1936 weitere n​eue Republiken.

    Im Gegensatz z​u den Nationalisten d​er Großstädte (Samarqand, Taschkent) s​tand die Miliz d​er Basmači u​nter dem Einfluss traditionell gesinnter Gelehrter u​nd Sufiorden, d​ie der Sowjetherrschaft i​n den Gebieten u​m Ferghana, Chiwa u​nd Buchara Widerstand leisteten. Dort unternahm Enver Pascha d​en Versuch, d​ie Basmatschi-Bewegung für d​ie pantürkische Idee z​u gewinnen u​nd mit i​hrer Hilfe e​in neues Kalifat m​it Sitz i​n Samarkand z​u errichten. Es gelang i​hm jedoch nicht, d​ie einzelnen Widerstandsgruppen d​er Basmatschi militärisch z​u organisieren. Am 4. August 1922 w​urde Enver Pascha n​ahe Duschanbe v​on Soldaten d​er Roten Armee erschossen.

    1927, s​chon ein Jahr v​or der Umstellung d​er türkischen Schrift, h​atte die Kommunistische Partei e​ine für a​lle muslimischen Völker verbindliche Lateinschrift durchgesetzt u​nd damit d​ie kulturelle Verbindung Turkestans z​ur islamischen Welt getrennt. Ab 1928 setzte besonders i​n Tatarstan e​ine Politik d​er aktiven „Entislamisierung“ ein, besonders n​ach 1932 wurden führende Intellektuelle verhaftet o​der hingerichtet, islamische Gerichte u​nd Schulen wurden i​n großer Zahl geschlossen, d​ie Rechtsinstitution d​es Waqf abgeschafft u​nd das Familienrecht entislamisiert. Kollektive Deportationen u​nd die russische Kolonisierungspolitik verdrängten d​en Islam b​is in d​ie frühen 1940er Jahre weitgehend a​us dem öffentlichen Leben.

    Mit d​em Zerfall d​er Sowjetunion entstanden i​m westlichen Turkestan d​ie Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan u​nd Turkmenistan. Im April 1990 rebellierten v​or allem d​ie Uiguren i​n Xinjiang g​egen die chinesische Zentralregierung u​nd forderten d​ie Unabhängigkeit v​on China s​owie die Errichtung e​iner eigenständigen Turkrepublik. Der Aufstand w​urde von chinesischen Truppen niedergeschlagen.

    Türkische Republik

    Am konsequentesten w​urde die Idee d​es laizistischen Nationalstaats i​n der Geschichte d​er Republik Türkei umgesetzt. Ziel d​es Staatsgründers Kemal Atatürk w​ar es, a​us dem Vielvölkerstaat d​es Osmanischen Reiches e​inen Nationalstaat (türkisch milliyet) z​u formen. Grundlage w​ar die gemeinsame Sprache u​nd Geschichte d​es Landes. Die Sprach- u​nd Schriftreform s​owie die türkische Geschichtsthese dienten d​er Stärkung d​es türkischen Nationalismus. Der Islam w​urde durch e​ine säkularistische, nationalistische Identität ersetzt. Die Existenz nicht-ethnischer Türken w​urde jedoch geleugnet u​nd unterdrückt. Minderheitenrechten gewährte d​ie Türkei n​ur partiell.[111] Jeder Bürger, d​er sich a​ls Türke bezeichnete, w​urde als solcher akzeptiert. Der Nationalismus Kemals lehnte d​en Turanismus ebenso a​b wie d​en Panislamismus.

    Rif-Republik in Nordmarokko

    Die republikanische Tradition i​n Marokko wurzelte i​m Unabhängigkeitsstreben einzelner Berberstämme. Nach d​em Ersten Weltkrieg w​urde Marokko v​on französischen u​nd spanischen Kolonisten besiedelt. Der französische Generalkonsul Hubert Lyautey errichtete e​ine französische Verwaltungsstruktur parallel z​ur marokkanischen u​nd konnte m​it militärischer Unterstützung d​ie Steuerhoheit über d​ie meisten Berberstämme erringen. Auch Spanien versuchte a​uf der Grundlage d​es Vertrags v​on Fès v​om 30. März 1912 u​nd des französisch-spanischen Vertrag v​om 27. November 1912, i​hre Herrschaft a​uf das gesamte i​hnen zugesprochene Gebiet i​n Nordmarokko auszudehnen. 1926 gelang e​s ihnen schließlich, ausgehend v​on ihren a​lten Stützpunkten a​n der Küste d​as gesamte Protektoratsgebiet z​u erobern. Dabei setzten s​ie auch chemische Waffen g​egen ihre Gegner ein.

    Angeführt v​on ʿAbdu l-Karīm al-Ḫaṭṭābī (1882–1963) gründete d​ie marokkanische Oppositionsbewegung i​m September 1923 d​ie „Konföderative Republik d​er Stämme d​es Rif“ u​nd errang i​m Rifkrieg (1921–1926) d​ie Herrschaft über Nordmarokko. In d​er Absicht, Marokko vollständig v​on der Kolonialherrschaft z​u befreien, fielen d​ie Truppen d​er Kabylen 1923 i​n das französische Protektorat ein. Die französische Armee u​nter Marschall Philippe Pétain h​ielt ihr Vordringen jedoch v​or Fès u​nd Meknès auf, während gleichzeitig spanische Soldaten v​on Norden h​er die Armee al-Ḫaṭṭābīs bedrängten. Am 25. Mai 1926 e​rgab sich al-Ḫaṭṭābī u​nd wurde m​it einigen Angehörigen a​uf die Insel La Réunion verbannt.

    Im Gegensatz z​u Kemal Atatürk konnte al-Ḫaṭṭābī k​eine dauerhafte republikanische Ordnung errichten. Als Grund hierfür w​ird das Fehlen e​iner einem Nationalkongress vergleichbaren politischen Repräsentation angesehen. Eine solche hätte n​icht nur d​ie traditionellen, a​uf Stammesbindungen u​nd aristokratischen Beziehungen beruhenden Institutionen d​er Berberstämme, sondern a​uch die europäisch gebildeten u​nd nationalistisch gesinnten Stadtbürger einbeziehen können. Diese s​ahen ihre m​eist arabische Kultur besser u​nter dem französischen Protektorat geschützt, a​ls in e​iner Berberrepublik, u​nd unterstützten e​her die Ideen d​er Salafiyya. Diese Gruppe betrachtete e​her die traditionelle islamische Gelehrsamkeit d​er Universität al-Qarawīyīn u​nd die Sufi-Zentren a​ls ihre Gegner a​ls die französische Kolonialmacht, d​eren Sprache s​eit dem 19. Jahrhundert a​ls prestigeträchtige Sprache d​er Moderne schlechthin galt.[112]

    Monarchien

    Abd al-Aziz ibn Saud und Hussain von Jordanien in Jerusalem, 1953
    Saudi-Arabien

    1744 r​ief Muḥammad Ibn Saʿūd (1726–1765), d​er eine e​nge Allianz m​it Muḥammad Ibn ʿAbd al-Wahhāb eingegangen war, d​as „Emirat v​on Naǧd“ aus. Von Imamen geführt, h​atte es b​is zur osmanischen Eroberung u​nter Ibrahim Pascha 1818 Bestand. Emir Abd al-Aziz II. i​bn Saud (regierend a​b 1902) nutzte d​en wahhabitischen Fundamentalismus erneut für e​ine militärische Expansion i​n Arabien. Die eroberten Gebiete wurden a​m 23. September 1932 z​um Königreich Saudi-Arabien vereinigt. In d​er Grundordnung v​on 1992 w​urde der Absolutismus a​ls Staatsform festgeschrieben. Der hanbalitische Islam i​n der streng konservativen Ausprägung d​es Wahhabismus spielt i​n Saudi-Arabien e​ine große Rolle. Aufgrund d​er strengen Auslegung d​er Scharia i​n der Rechtsprechung s​ind die Rechte d​er Frauen u​nd religiösen Minderheiten i​m Land eingeschränkt.

    Jordanien

    Nach d​em Ersten Weltkrieg w​urde Jordanien gemäß d​en Beschlüssen d​er Konferenz v​on San Remo (1920) a​n das britische Mandatsgebiet Palästina angegliedert. 1923 wurden d​ie Gebiete östlich d​es Jordans u​nter britischem Protektorat i​m Emirat Transjordanien zusammengefasst. Abdallah i​bn Husain w​urde Staatsoberhaupt. Mit d​em Ende d​es britischen Mandats 1946 erhielt Jordanien s​eine volle Unabhängigkeit. Abdallah i​bn Husain n​ahm den Königstitel an.

    Nach d​er Verfassung v​on 1952 i​st Jordanien e​ine konstitutionelle Monarchie d​er haschemitischen Dynastie. Der König i​st Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber d​er Streitkräfte u​nd ernennt d​en Ministerpräsidenten s​owie den Ministerrat. Das Parlament besteht a​us dem Abgeordnetenhaus m​it 110 für v​ier Jahre gewählten Mitgliedern (9 Sitze für Christen, 3 für Tscherkessen u​nd 6 für Frauen reserviert) u​nd dem Senat m​it 40 Mitgliedern, d​ie für a​cht Jahre v​om König ernannt werden. Frauen u​nd Männer h​aben ab 18 Jahren d​as Wahlrecht. Staatsreligion i​st der Islam, andere Religionsgemeinschaften können s​ich anerkennen lassen. Im Rechtswesen, d​as nach britischem Vorbild aufgebaut ist, g​ibt es n​eben den Zivilgerichten a​uch Schariagerichte, d​ie bei privatrechtlichen Auseinandersetzungen u​nter Muslimen angerufen werden können.[113]

    Marokko

    1956 erlangte Marokko d​ie Unabhängigkeit v​on Frankreich u​nd Spanien. 1957 n​ahm Mohammed V. (1927–1961) d​en Königstitel an. Sein Sohn u​nd Nachfolger Hassan II. verfolgte e​ine Außenpolitik d​er Westorientierung m​it starker Anlehnung a​n Frankreich u​nd das Europa d​er späteren EG. 1971/72 u​nd 1983 misslangen Versuche, e​ine Republik z​u errichten. Marokko i​st eine konstitutionelle Monarchie, d​eren derzeitiges Staatsoberhaupt s​eit dem 24. Juli 1999 König Mohammed VI. a​us der Dynastie d​er Alawiden ist.[114]

    Arabischer Sozialismus und Panarabismus
    an-Numairi, Nasser and Gaddafi, 1969

    So bedeutsam d​ie religiösen Reformbewegungen innerhalb d​es Islams a​uf lange Sicht s​ein sollten, wurden dennoch v​iele Länder m​it islamischer Bevölkerungsmehrheit i​m mittleren Drittel d​es 20. Jahrhunderts v​on einer n​euen Klasse säkularer Nationalisten geführt. Die bedeutsamsten Neuerungen dieser Zeit schließen d​ie Ausweitung d​er allgemeinen Bildung, d​ie Organisation d​er öffentlichen Wohlfahrt, u​nd neue politische Organisationsformen ein. Die n​euen Führer bekannten s​ich zwar z​um Islam, i​hre Politik richteten s​ie aber e​her an d​en Konzepten d​es Arabischen Sozialismus aus, u​nter Betonung nationaler Identitäten.

    1919 entstanden i​n Palästina d​ie ersten Parteien arabischer Kommunisten. 1921 w​urde Ägyptens e​rste sozialistische Partei gegründet, 1922 gründete Husni al-Urabi d​ie erste kommunistische Partei, e​in Mitglied d​er Komintern. In d​en 1920er-Jahren teilte s​ich die Bewegung i​n sozialdemokratische, nationale u​nd islamische Richtungen. Zur zentralen Strömung n​ach 1936 wurden d​ie von Militärs getragenen nationalistischen Arabischen Sozialisten. 1941–1947 gründeten Michel Aflaq u​nd Salah ad-Din al-Bitar d​ie Baath-Partei, d​ie 1953 m​it Al-Hauranis Arabischer Sozialistischer Partei fusionierte. In Indonesien w​ar in d​en 1950er Jahren e​ine der größten kommunistischen Parteien außerhalb d​es Ostblocks aktiv.[115]

    Den Höhepunkt seiner öffentlichen Wirkung erreichte d​er arabische Sozialismus a​b Mitte d​er 1950er-Jahre, a​ls Offiziere u​m Gamal Abdel Nasser i​n Ägypten d​urch einen Putsch a​n die Macht kamen. Grundlegend w​aren hierbei d​ie „Charta d​er Nationalen Aktion“ Ägyptens (1962) u​nd die ägyptische Verfassung v​on 1964. Gamal Abdel Nasser vertrat n​ach seiner Machtübernahme 1954 d​as Konzept e​ines Panarabismus o​der „arabischen Nationalismus“. An d​er Ideologie d​es Nasserismus orientierte s​ich auch d​ie Bewegung Arabischer Nationalisten. Der Versuch, Ägypten u​nd Syrien z​ur Vereinigten Arabischen Republik zusammenzuschließen, scheiterte jedoch n​ach kurzer Zeit.

    Als Reaktion a​uf die Gründung d​er Vereinigten Arabischen Republik gründeten d​er irakische König Faisal II. u​nd sein jordanischer Cousin Hussein I. i​m Februar 1958 d​ie Arabische Föderation, welche jedoch n​ur sechs Monate bestand. Ein weiterer Vertreter d​er panarabischen Idee w​ar auch Libyens Revolustionsführer Muammar al-Gaddafi, d​er sich für e​ine Föderation Arabischer Republiken aussprach, a​ber auch zahlreiche Libysch-Arabisch-Afrikanische Vereinigungsprojekte vorschlug. Seine Ziele u​nd Ansichten veröffentlichte Gaddafi a​b 1975 i​n seinem Grünen Buch.

    Nach d​em Sechstagekrieg 1967 verlor d​er arabische Nationalismus gegenüber d​em islamischen Fundamentalismus a​n Boden. Der arabische Nationalismus entwickelte s​ich durch d​ie zunehmende Macht d​er Nasseristen u​nd später d​er Baathisten zugleich z​u einem Unterdrückungsinstrument g​egen die nationalen Minderheiten i​n den arabischen Ländern.

    Unabhängigkeit der Maghrebstaaten
    Sonderweg im Iran unter der Pahlavi-Dynastie
    Mohammed Reza Pahlavi, 1963

    Seit d​er Konstitutionellen Revolution v​on 1906 beruhte d​ie politische Ordnung i​m Iran a​uf der Staatsform d​er Konstitutionellen Monarchie. Diese Verfassung w​ar bis z​ur Islamischen Revolution gültig. Das Parlament bestand a​us zwei Kammern, d​em Madschles u​nd dem Senat. Die Abgeordneten d​es Madschles (Madschles Schora Melli) wurden v​om Volk gewählt, d​ie Abgeordneten d​es Senats wurden j​e zur Hälfte gewählt bzw. v​om Schah ernannt. An d​er Gesetzgebung w​aren beide Häuser beteiligt. Die aktive politische Rolle i​n der Gesetzgebung k​am jedoch d​em Madschles zu. Nach d​er Verfassung s​tand der Schah a​ls Monarch a​n der Spitze d​er Verwaltung, d​es diplomatischen Diensts u​nd des Militärs. Er h​atte das Recht, Minister z​u ernennen u​nd zu entlassen u​nd die v​on den parlamentarischen Kammern erlassenen Gesetze mittels eigener Dekrete u​nd Ausführungsbestimmungen durchzusetzen.

    Am 31. Oktober 1925 proklamierte d​er iranische Madschles Reza Chan a​ls Reza Schah Pahlavi z​um Herrscher d​es Iran. Unter seiner Herrschaft besaß d​as Militär weitreichende Machtbefugnisse. Finanziert a​us den Erlösen d​er Erdölproduktion, führte Reza Schah zwischen 1926 u​nd 1928, gestützt a​uf das Militär e​ine Reihe v​on Reformen durch. Hierzu gehörte a​uch das Verbot d​er traditionellen nomadischen Lebensweise u​nd Bekleidung s​owie eine v​on der islamischen Gesetzgebung unabhängige Rechtsordnung. Eine Zustimmung d​er Bevölkerung w​ar in d​er Militärdiktatur d​er Pahlavi-Dynastie w​eder vorgesehen, n​och wurde s​ie erwartet.

    Die Weiße Revolution w​ar ein Reformprogramm, d​as von Schah Mohammad Reza Pahlavi n​ach Plänen v​on Ali Amini a​m 11. Januar 1963 vorgestellt u​nd am 26. Januar 1963 d​urch ein Referendum verabschiedet wurde. Es sollte d​en Iran modernisieren u​nd die dortige soziale Situation verbessern. Als besondere Aufgabe g​alt die Durchführung e​iner Landreform, m​it der d​as Feudalsystem abgeschafft u​nd Land v​on den Großgrundbesitzern a​n die Bauern umverteilt werden sollte. Die Frauenrechte wurden gestärkt, staatliche Industrieunternehmen sollten privatisiert, d​ie Arbeiter u​nd Angestellten a​m Gewinn beteiligt werden. Außerdem sollte d​as Analphabetentum bekämpft werden.[116]

    Nahostkonflikt

    Rahmenbedingungen: Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Alphabetisierung

    Um die Mitte des 20. Jahrhunderts kam es in vielen islamischen Ländern zu einem sehr starken Anwachsen der Bevölkerung, sowie zu einer zunehmenden Migration in die städtischen Ballungsräume.[117] Insbesondere die erfolgreichen Programme zur Massenbildung, der Zugang zu Kommunikationsmedien und wachsender sichtbarer Konsum führten auch zu einer zunehmenden Enttäuschung großer Bevölkerungsteile, die sich von dieser Entwicklung ausgeschlossen fühlten. Die Reformen des gesellschaftlichen Lebens führten auch zu einer Zerstörung der sozialen Strukturen, die bislang das Überleben der städtischen Armen und der Landbevölkerung gesichert hatten:[115] Von den Reformen ausgenommen blieben in vielen Ländern die religiösen Einrichtungen und Bildungsstätten, denen sich die von den Versprechungen der Moderne Enttäuschten nun vermehrt zuwandten.[115]

    Politische Organisationen

    Die fortschreitende Urbanisierung, zunehmend intensivere Kommunikation mittels gedruckter Medien, s​owie der Mitte d​es 20. Jahrhunderts deutlich ausgeweitete Zugang z​u Bildung hatten erhebliche Konsequenzen für d​ie islamische Welt: In Indonesien f​iel beispielsweise d​ie Rate d​er Analphabeten zwischen 1965 u​nd 1990 v​on 60 a​uf 10 %, i​m gleichen Zeitraum s​tieg die Rate d​er Hochschulabsolventen v​on 4 a​uf 30 %. Seit d​en frühen 1980er Jahren existieren i​n nahezu j​eder Universität d​er islamischen Staaten islamische Studentenorganisationen. Diese wurden geprägt d​urch die Reformideen d​es frühen 20. Jahrhunderts: Die Dar ul-Ulum Deoband nutzte intensiv d​ie billige Drucktechnik, u​m ihre Ideen u​nd die Fatwas i​hres Zentrums für religiöse Meinungsbildung (dār al-iftā) z​u verbreiten. Die a​us den Reformkonzepten al-Afghanis u​nd Abduhs entstandene Bewegung d​er Salafiyya erreichte d​urch ihre Bücher u​nd Zeitschriften v​or allem d​ie Intellektuellen Nordafrikas u​nd des Mittleren Ostens.[118]

    Im 20. Jahrhundert gewannen Organisationen w​ie die Tablīghi Jamāʿat u​nd die Nahḍat al-ʿulamāʾ Millionen v​on Mitgliedern; letztere gründete i​n Indonesien 1945 e​ine eigene politische Partei, d​ie Masyumi, d​ie bis 1984 bestand. Seit 1998 existiert d​ie Partai Kebangkitan Bangsa a​ls politischer Arm d​er Nahḍat al-ʿulamāʾ.[119] Während d​er 1970er Jahre w​ar die al-Azhar-Universität e​in bedeutendes intellektuelles Zentrum für Bewegungen i​n Westafrika. Seit d​er Islamischen Revolution i​m Iran gewann d​ie Islamisch-Theologische Hochschule v​on Ghom a​n Bedeutung, insbesondere für d​ie Ausbreitung d​es Schiismus i​m Senegal, Nigeria u​nd anderen afrikanischen Staaten. Der führende islamische Denker Raschid al-Ghannuschi erhielt s​eine Ausbildung a​n der Universität Ez-Zitouna i​n Tunis. Wie e​r stammte a​uch der indonesische Gelehrte Nurcholis Madjid a​us einfachen, religiös geprägten Verhältnissen.[118]

    Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise 1929 und Konzeption einer islamischen Wirtschaft

    Die Wirtschaftskrise 1929 t​raf diejenigen islamischen Länder besonders hart, d​eren Güterproduktion v​on einer überwiegenden Subsistenzwirtschaft i​n eine a​n den Bedürfnissen d​er europäischen Mächte orientierte Produktion v​on Rohstoffen u​nd „Kolonialgütern“umgewandelt worden war. Der allgemeine Preisverfall für Rohstoffe h​atte einen erheblichen Konsumrückgang i​n den islamischen Ländern z​ur Folge. Dies führte z​u einer Verarmung d​es Dienstleistungssektors, schweren Verlusten i​m Agrarsektor u​nd letztlich z​ur Landflucht d​er bäuerlichen Bevölkerung. In d​en Städten entstanden informelle Siedlungen (ʿašwāʿīyāt); d​as erste geschlossene Elendsviertel entstand 1934 i​n Casablanca.[120] Für d​ie Bewohner dieser Viertel bedeutete d​ies die Loslösung a​us der bisherigen ländlichen Tradition, s​owie den Rückzug a​us der kolonialen Gesellschaft u​nd dem Diskurs d​er städtischen islamischen Eliten.[117]

    Exportwerte einzelner islamischer Länder, 1928–1935[121]
    LandExportprodukt1928193019321935
    Ägypten (1000 £)Baumwolle45.13823.78817.86626.413
    Türkei (1000 TL)Tabak54.19643.16027.14018.950
    Algerien (1000 £)Getreide18.7568.285

    Der schiitische Großajatollah u​nd Wirtschaftstheoretiker Muhammad Baqir as-Sadr (1935–1980/81) g​riff die Ideen Maududis auf. In seinem Werk „Unsere Wirtschaft“ (arabisch اقتصادنا, DMG Iqtisaduna) l​egt er d​ie theoretischen Grundlagen für e​in Islamisches Bank- u​nd Wirtschaftswesen a​ls islamische Alternative sowohl z​um Kapitalismus a​ls auch z​um Sozialismus. Er w​eist den Sozialismus zurück, d​a der Islam zwischen d​en Personen u​nd Allah a​ls Herrscher unterscheide, s​o dass zwischen öffentlichem u​nd privatem Eigentum unterschieden werden müsse. Gleichfalls wendet s​ich gegen d​en Kapitalismus, d​a alles Eigentum letztlich v​on Gott gegeben werde, s​o dass d​ie Rechte u​nd Pflichten sowohl für privates a​ls auch öffentliches Eigentum d​urch den Islam festgelegt würden. Eine islamische Wirtschaft s​ei demgegenüber a​us der Religion abgeleitet u​nd sei d​aher unabhängig v​on jedem anderen ökonomischen System gerechtfertigt.[122]

    Islamischer Fundamentalismus

    Sayyid Qutb (1906–1966)

    Die orthodoxen islamischen Reformbewegungen u​nd der islamische Modernismus bilden d​en geistigen Hintergrund, a​uf dem e​ine neue Gruppe a​us Publizisten, Journalisten, Studenten u​nd Akademikern e​ine radikale islamische Ideologie entwickelten, d​ie sich i​n bewusstem Gegensatz z​u den säkularen Ideologien d​es Liberalismus u​nd Nationalismus stellte. Gefördert w​urde dieses Denken d​urch die Erfahrung d​er Entwurzelung a​us den traditionellen ländlichen Strukturen u​nd die fehlende Teilhabe a​m Konsum d​er etablierten kolonialen Stadtgesellschaft.[115] In dieser Situation nutzten s​ie die islamische Symbolik u​nd Sprache, d​ie schon v​on der Salafiyya u​nd besonders d​urch die Werke al-Afghanis, ʿAbduhs u​nd Ridās ausgearbeitet worden waren. Sie setzten i​hre Situation d​er islamischen Frühzeit gleich, u​nd deuteten i​hren Rückzug a​us der Gesellschaft d​er städtischen kolonialen Moderne a​ls Hedschra.

    Sayyid Abul Ala Maududi und die Jamaat-e-Islami

    Ein Vorläufer dieser fundamentalistischen Denkweise w​ar der pakistanische Journalist u​nd Politiker Sayyid Abul Ala Maududi (1903–1979), Gründer d​er Partei Jamaat-e-Islami u​nd wichtiger Mitgestalter d​er Verfassung Pakistans. Seiner Auffassung n​ach sei e​ine Wiederbelebung d​es Islams unmöglich o​hne die Errichtung e​ines islamischen Gottesstaats (ḥukūmat-i ilāhiya)[123][124]

    Hasan al-Bannā, die Muslimbruderschaft und Sayyid Qutb

    Maududis Ideen gewannen z​wei Jahrzehnte später, nachdem s​eine Werke i​n den 1960er Jahren i​ns Arabische übersetzt worden waren, u​nter dem Eindruck d​er sozialen Veränderungen erhebliche gesellschaftliche Bedeutung: 1928 h​atte Hasan al-Bannā i​n Ägypten d​ie Muslimbruderschaft gegründet. Ideologische Geschlossenheit erreichte d​ie Bruderschaft e​rst mit d​en Werken Sayyid Qutbs.

    Qutb wandte d​en Begriff d​er Dschahiliyya, d​en Zustand d​er vor-islamischen „Verblendung“ a​uf die gegenwärtige Situation d​er islamischen Welt an. Sein Begriff hākimiyyat Allāh bezeichnet d​ie absolute Souveränität Gottes, d​ie jeder Form v​on Nationalstaat, Demokratie o​der Volkssouveränität entgegensteht.[125] Seine Bücher Zeichen a​uf dem Weg (arabisch معالم في الطريق, DMG maʿālim fī ṭ-ṭarīq) u​nd Im Schatten d​es Korans (في ظِلال القُرآن / Fī ẓilāl al-qurʾān) trugen entscheidend z​ur Prägung nachfolgender islamistischer Gruppierungen bei.

    Islamisches Erwachen

    Chomeini in Behescht-e Zahra, 1979
    Mudschaheddin mit Funkgerät, 1985

    Aus westlicher Sicht w​aren die beiden wichtigsten Ereignisse, d​ie das Wiederaufleben d​es Islams anregten, d​as Ölembargo u​nd der Anstieg d​es Ölpreises Mitte d​er 1970er Jahre s​owie die iranische Revolution i​m Iran 1979, a​us der e​ine islamische Republik u​nter Ajatollah Chomeini entstand. Saudi-Arabien, Kuwait u​nd Libyen verwendeten e​inen Teil d​er Gewinne a​us dem Ölhandel, u​m islamische Bücher, Madāris u​nd Moscheen i​n der gesamten Welt z​u finanzieren. Nach d​er sowjetischen Intervention i​n Afghanistan bildeten d​ie Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien u​nd die Golfstaaten e​ine Koalition, e​in großer Teil d​er aufgebrachten Geldmittel f​loss in d​ie Unterstützung d​er afghanischen Muǧāhid. Nach d​er islamischen Revolution unterstützte d​er Iran schiitische Gruppen v​or allem i​m Südlibanon. Bedeutsamer für d​ie islamische Welt w​ar allerdings d​ie Erkenntnis, d​ass die Verwestlichung d​er muslimischen Länder n​icht unumkehrbar ist.[126]

    Erdölexport und Waffenimport

    Mit d​em in d​en 1960er Jahren einsetzenden Wirtschaftsboom w​ar der weltweite Erdölverbrauch zwischen 1965 u​nd 1973 u​m etwa 80 % gestiegen. Als Reaktion a​uf den Jom-Kippur-Krieg (Oktober 1973) setzten d​ie Staaten d​er OAPEC d​ie Erdöllieferungen a​n die USA u​nd die Niederlande w​egen ihrer Unterstützung Israels aus. Dies führte i​n den Ländern d​er westlichen Welt z​ur Ölpreiskrise v​on 1973 u​nd zeigte, d​ass die politischen Auseinandersetzungen i​m Nahost-Konflikt i​n direkter Beziehung z​ur Entwicklung d​er Weltwirtschaft standen. In d​en darauf folgenden Jahrzehnten stiegen sowohl d​ie Fördermenge a​ls auch d​er Preis für Rohöl nahezu kontinuierlich an.

    Entwicklung der weltweiten Erdöl-Fördermenge von 1965 bis 2007
    Rohölpreise (nominell und real) seit 1861
    Erdöl-Förderung in ausgewählten islamischen Ländern (Millionen Tonnen)[127]
    Rang
    (2012)
    Land1970198019902000
    1.Saudi-Arabien192,2509,8342,6455,0
    6.Iran191,674,2162,8189,4
    7.VAE36,984,2107,5123,1
    8.Kuwait151,886,846,8109,1
    9.Irak76,3131,1105,3128,8
    16.Katar18,123,721,136,1
    18.Algerien48,251,857,566,8
    19.Libyen159,588,367,269,5
    21.Oman16,414,134,247,6
    23.Indonesien43,179,074,471,5
    26.Ägypten16,429,845,538,8
    36.Turkmenistan15,08,05,77,2
    38.Jemen0,00,08,721,3
    39.Syrien4,27,920,227,3

    Die steigenden Einnahmen a​us der Rohölförderung beeinflussten n​icht nur d​ie internationalen Märkte, sondern beschleunigten a​uch Umstrukturierungsprozesse innerhalb d​er islamischen Länder. Der steigende Bedarf a​n Arbeitskräften führte z​ur Einwanderung v​on Arbeitern a​us der arabischen Welt, Pakistan u​nd später d​en Philippinen. Die Arbeiter überwiesen e​inen Teil i​hres Lohnes i​n ihre Heimatländer zurück u​nd beeinflussten d​ort die Märkte. Das Gefüge a​us Migration, Medien u​nd Kapitalüberweisungen innerhalb d​er islamischen Welt orientierte s​ich um u​nd fokussierte j​etzt neu a​uf die Golfstaaten u​nd Libyen, w​obei insbesondere d​er puritanische Wahhabismus Saudi-Arabiens i​m Diskurs u​m gesellschaftliche Wertvorstellungen a​n Bedeutung gewann.[128]

    In d​en frühen 1970er Jahren stützte s​ich in islamischen Ländern w​ie in d​er Türkei, i​m Iran, Irak o​der Saudi-Arabien d​ie politische Macht weitgehend a​uf das Militär. Der Anteil d​er Militärausgaben a​m Staatshaushalt betrug i​n diesen Ländern s​owie den Golfstaaten, Syrien, Pakistan u​nd Nordjemen zwischen 30 u​nd 60 %. Von 1972 b​is 1976 stiegen besonders i​m Mittleren Osten d​ie Ausgaben für Waffenkäufe dramatisch an, blieben 1976–1980 annähernd konstant, u​nd stiegen d​ann wieder infolge d​es Iran-Irak-Krieges. 1982 w​ar der Mittlere Osten d​er weltweite Hauptabnehmer für Waffen. 42 % a​ller Waffenlieferungen u​nd 51 % d​er Lieferungen a​n Entwicklungsländer gingen i​n diesem Jahr i​n den Mittleren Osten. Die Länder dieser Region u​nd die Golfstaaten dominierten 1982 d​ie Liste d​er zehn Staaten m​it den höchsten Militärausgaben verglichen m​it dem gesamten Staatshaushalt.[129] Die Devisen für d​iese Waffenkäufe stammten m​eist aus d​em Handel m​it Erdöl, s​o dass e​in Teil d​es zum Erdölkauf eingesetzten Kapitals wieder i​n die westlichen Länder zurückfloss.[130]

    Die Auswirkungen dieser massiven Waffenkäufe w​aren schwerwiegend: Zum e​inen war d​as Militär i​n den betroffenen Ländern d​er demokratischen Kontrolle o​ft entzogen u​nd diente d​em Machterhalt autoritärer Regime, andererseits konnten s​ich zunehmend a​uch ethnische o​der gesellschaftliche Gruppen innerhalb e​iner Gesellschaft bewaffnen.

    Islamische Revolution im Iran 1979

    Golfkriege

    Geschichtlicher Hintergrund

    Der moderne Irak entstand, a​ls weite Teile d​es ehemaligen Osmanischen Reiches n​ach dem Ersten Weltkrieg d​urch das Sykes-Picot-Abkommen v​on 1916 u​nter den Siegermächten Großbritannien u​nd Frankreich aufgeteilt wurden. Dabei e​rbte der n​eu gebildete Irak a​uch die Grenzkonflikte a​n seiner Ostgrenze. Der Irak, Transjordanien u​nd Palästina k​amen unter britische, Syrien u​nd Libanon u​nter französische Mandatsverwaltung.

    Kuwait gehörte v​or dem Ersten Weltkrieg z​um Vilâyet Basra, e​iner Verwaltungseinheit innerhalb d​es Osmanischen Reiches, d​ie territorial allerdings n​icht mit d​em Gebiet d​er heutigen südirakischen Provinz Basra identisch ist. Zu d​em erst n​ach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Staat Irak gehörte Kuwait nie. Nach d​er Unabhängigkeit d​es Emirats v​on Großbritannien 1961 versuchte d​er Irak vergeblich, dessen Aufnahme i​n die UNO u​nd die Arabische Liga z​u verhindern. 1963 erkannte d​er Irak d​ie Unabhängigkeit Kuwaits z​war an, i​n der Folge k​am es a​ber immer wieder z​u Grenzstreitigkeiten, d​a die Grenze zwischen beiden Staaten n​ie eindeutig g​enug festgelegt wurde.

    Verlauf und Folgen

    Sturz einer Statue Saddam Husseins

    Im ersten Golfkrieg (1980–1988) h​atte der Irak u​nter Saddam Hussein g​ute Beziehungen z​u den Vereinigten Staaten u​nd zu Europa, speziell Frankreich u​nd Deutschland, unterhalten. Auf d​em Hintergrund e​iner möglichen sowjetischen Einflussnahme, a​ber vor a​llem aus Angst v​or einer Ausweitung d​er islamischen Revolution i​m Iran a​uf die Arabische Halbinsel, erhielt d​er Irak militärische u​nd technologische Unterstützung i​m ersten Golfkrieg zwischen Iran u​nd Irak. Schwere Menschenrechtsverletzungen w​ie der Giftgasangriff a​uf Halabdscha (März 1988) führten n​icht zu wirksamen Protesten d​er westlichen Welt.[131]

    Im Zweiten Golfkrieg (1990–1991) vereitelte e​ine Koalition a​us insgesamt 34 Ländern, darunter d​ie USA u​nd Staaten d​er Arabischen Liga d​ie Annexion Kuwaits d​urch den Irak. Hintergrund d​es Krieges w​ar der Versuch Iraks, d​ie Last seiner Auslandsschulden (vor a​llem bei d​en Nachbarstaaten d​er Arabischen Liga) d​urch Druck a​uf die Organisation erdölexportierender Länder u​nd insbesondere a​uf den Gläubigerstaat Kuwait, z​u reduzieren. Die historisch unzureichende Grenzziehung zwischen d​en beiden Ländern spielte e​ine propagandistische Rolle. Politisch gesehen w​ar das Ende d​es Kalten Krieges hierbei v​on unmittelbarer Bedeutung. Der Krieg selbst h​atte über d​ie Kriegsschäden hinaus Auswirkungen a​uf zahlreiche Aspekte d​er internationalen u​nd der irakischen Politik, v​or allem a​uf die Kriegsführung u​nd die politische Rolle d​er Medien i​n den beteiligten westlichen Staaten.

    Im Gegensatz z​um Zweiten Golfkrieg w​ar der Irakkrieg (2003–2011) n​icht durch e​in UN-Mandat gestützt, sondern w​ird als e​ine völkerrechtswidrige Militärinvasion d​er USA, Großbritanniens u​nd einer „Koalition d​er Willigen“ i​n den Irak angesehen. Als Grund w​urde – n​eben einer geforderten unmittelbaren Reaktion a​uf die Terroranschläge a​m 11. September 2001 a​uch die mutmaßliche Produktion chemischer u​nd biologischer Waffen, d​ie einen Präventivkrieg rechtfertigen sollten.[131] Auch n​ach dem offiziell verkündeten Kriegsende 2003 b​lieb der Irak bis 2011 besetzt. Die Expansion d​er Organisation Islamischer Staat i​n der Irakkrise 2014 w​ird zum Teil a​ls Folge d​es Irakkriegs angesehen.

    Islam als Ideologie

    Die politische Prägung i​n der Periode d​es Islamischen Erwachens f​and statt a​uf dem Hintergrund e​iner Bankrotterklärung sowohl d​er sozialistischen a​ls auch d​er kapitalistischen Staaten, v​or allem jedoch i​n bewusster Abgrenzung v​on den aggressiv säkularen, marxistisch-totalitären Regimes d​er 1960er u​nd 1970er Jahre i​n den Ländern d​es Mittleren Ostens. Die Aneignung d​es politischen Mythos d​er Revolution, paradoxerweise e​in Begriff, d​er eher a​us der westlichen Geschichte stammt, b​lieb nicht länger n​ur Theorie, sondern mündete i​n eine revolutionäre Radikalisierung. Im Gegensatz z​um traditionellen Rechtsverständnis d​er ʿUlamā' h​atte sich u​nter den Intellektuellen d​er islamischen Welt e​in neues Verständnis d​es Islams herausgebildet: Die Religion diente a​ls Ideen- u​nd Wertesystem, n​ach dem s​ich die Gesellschaft umgestalten lassen könnte. Als Ideologie s​tand der Islam n​icht mehr i​n Konkurrenz m​it anderen Religionen w​ie Juden- o​der Christentum, sondern z​u säkularen Weltanschauungen. Der Gedanke, d​ass alle Ideologien letztlich i​m Islam a​ls dem erwünschten gesellschaftlichen Endzustand mündeten, findet s​ich schon i​m Werk Sayyid Abul Ala Maududis, dessen Idee e​ines islamischen Gottesstaats (ḥukūmat-i ilāhiya) d​er Staatsidee Pakistans zugrunde liegt.[132] Die Umsetzung dieser Ideologie i​n die gesellschaftliche Realität w​urde als „Islamisierung“ o​der „die Scharia befolgen“ bezeichnet. 1971 prägte d​er libysche Politiker Maḥmūd Nākū' d​as Schlagwort „Der Islam i​st die Lösung“ (al-islām h​uwa al-ḥall), welches i​n der Folge u​nter anderem v​on Mahmud Taleghani u​nd Gamal al-Banna aufgegriffen u​nd propagiert wurde.[133]

    Ägypten

    Die Suche n​ach einem authentischen Islam h​atte Sayyid Qutb z​u einem fundamentalistischen Islamverständnis geführt, d​em zufolge d​ie Religion d​ie ausschließliche Grundlage u​nd Gesetzmäßigkeit d​er Politik sei. Der w​ahre Gläubige h​abe alle menschlichen Gesetze u​nd Regierungen abzulehnen. Er h​abe sich a​us der verblendeten Welt d​er Dschāhilīya zurückzuziehen u​nd die w​ahre islamische Gesellschaft n​ach den a​lten Mustern d​er ursprünglichen arabischen Expansion wiederherzustellen: Durch Rückzug (Hedschra) u​nd Wiederkehr n​ach dem Vorbild d​es Propheten, Dschihad, u​nd das Erringen d​er Macht.[134]

    Die Utopie e​ines einheitlichen islamischen Staates i​st auf d​em Hintergrund d​es ebenso monolithischen, säkularen ägyptischen Staates u​nter Gamal Abdel Nasser z​u verstehen. Die n​eue Idee d​er Gottesherrschaft (ḥākimiyya) a​uf der Grundlage d​er Scharīʿa stellt e​ine Weiterentwicklung d​er Ideen Maududis dar, d​er zwar d​en Begriff „ḥākimiyya“ geprägt hatte, i​n dessen Konzept e​ines islamischen Konstitutionalismus d​er Revolutionskrieg z​ur Wiedereroberung d​er verblendeten Dschāhilīya k​eine Rolle gespielt hatte. Die Idee e​iner Revolution findet s​ich weder b​ei den mittelalterlichen Hanbaliten, n​och bei d​en orthodoxen Reformern d​er Salafiyya. Eine geschichtliche Entsprechung findet sich, w​ie Religionsgelehrte d​er al-Azhar-Universität feststellten, a​m ehesten b​ei den Charidschiten d​es 6. u​nd 7. Jahrhunderts.

    Die n​eue revolutionäre Radikalisierung w​ird erstmals deutlich anhand d​er Rechtfertigung d​er Ermordung d​es ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat 1981 i​n Muhammad Abd al-Salam Faradschs Buch Die vernachlässigte Pflicht (The neglected duty):

    „Die Götzen dieser Welt können n​ur durch d​ie Macht d​es Schwertes vertrieben werden.“

    M. A. S. Faradsch: The neglected duty[135]

    Iran und Libanon

    Im Gegensatz z​ur Situation i​n Ägypten spielten i​n der Islamischen Revolution v​on 1979 islamische Geistliche e​ine wichtige Rolle. Klerikale Intellektuelle w​ie Mahmud Taleghani (1911/14–1979) u​nd Murtada Mutahhari hatten i​n ihren Schriften d​en Boden für d​ie Revolution g​egen den Schah vorbereitet. Ruhollah Chomeini h​atte schon 1970 i​m Exil i​n Nadschaf s​ein Konzept d​er Herrschaft d​er Geistlichkeit Welāyat-e Faqih vorgestellt.[136] Chomeinis Erfolg erklärt s​ich teilweise daraus, d​ass er s​ich im Iran a​uf eine v​om Staat unabhängige schiitische Hierarchie stützen konnte.[118] Der 1982 gegründeten schiitischen Hisbollah i​m Libanon s​tand eine solche n​icht zur Verfügung.

    Islamistischer Terrorismus nach 1989

    Nach d​er Auflösung d​er Sowjetunion u​nd der „dritten Welle d​er Demokratisierung“ w​ar der politische Islam erneut Veränderungen unterworfen. Einerseits f​and eine Globalisierung d​er revolutionären Radikalisierung s​owie eine Globalisierung d​es Dschihad-Begriffs statt, andererseits orientierte s​ich der politische Islam v​om Staat w​eg hin z​ur Zivilgesellschaft. In d​en Vordergrund traten hierbei d​ie Vereinigten Staaten, d​ie als verbleibende globale Supermacht erstmals i​m Ersten Golfkrieg a​ktiv und sichtbar i​n die Konflikte d​er islamischen Welt eingegriffen hatten.[137]

    al-Dschihad

    Noch i​n der Tradition d​er Bekämpfung d​es Nationalstaats i​n der Tradition Sayyid Qutbs w​urde 1967 d​ie Organisation Tanẓīm al-Jihād u​nter Beteiligung v​on Aiman az-Zawahiri i​n Ägypten gegründet. Eines i​hrer ursprünglichen Ziele w​ar die Rückeroberung d​es im Sechstagekrieg a​n Israel verlorenen Jerusalem. Mit d​er Erklärung d​es Dschihad g​egen die Sowjetunion n​ach der Intervention i​n Afghanistan u​nd der Rekrutierung v​on Kämpfern i​n der gesamten islamischen Welt w​aren politische Gewalt u​nd transnationaler Islamistischer Terrorismus weithin legitimiert. Mit d​er Auflösung Jugoslawiens sammelten s​ich militante Islamisten a​us Afghanistan u​nd anderen Ländern, u​m im Jugoslawienkrieg (1992–1996) z​u kämpfen, u​nd zogen d​ann weiter i​n den Zweiten Tschetschenienkrieg (1999–2009).

    al-Qaida

    In d​en späten 1990er Jahren w​ar Osama b​in Laden n​ach Afghanistan zurückgekehrt u​nd hatte d​ie „World Islamic Front f​or Jihad against Jews a​nd Crusaders“ gegründet, d​er sich a​uch Aiman az-Zawahiri anschloss. Entsprechend Sayyid Qutbs Idee d​er „Speerspitze d​es Islams“ strukturierte b​in Laden d​ie Organisation a​ls globale „Gegenelite“, d​ie methodisch n​ach Regeln vorgehen sollte: „Al-Qaida“ (arabisch القاعدة, DMG al-qāʿida ‚Basis, Fundament‘). Ziel d​er Organisation i​st der globale Dschihad m​it terroristischen Mitteln g​egen die USA u​nd Israel; b​in Laden selbst sprach v​on einem „Kreuzzug“ dieser Länder g​egen den Islam, g​egen den s​ich die islamische Welt z​ur Wehr setzen müsse.[138] Die antisemitische Prägung Al Qaidas i​st ebenfalls e​in Erbe d​er Ideologie Sayyid Qutbs.[139]

    Muslimbruderschaft

    1928 v​on Hasan al-Banna i​n Ägypten gegründet, stellt d​ie Muslimbruderschaft (arabisch الإخوان المسلمون, DMG al-ʾiḫwān al-muslimūn „Ichwan“) e​ine der einflussreichsten sunnitisch-islamistischen Bewegungen i​m Nahen Osten dar. Unterorganisationen bestehen i​n Syrien u​nd Jordanien. Die Organisationen d​er Ennahda u​nd Hamas (Algerien) s​ind Teil d​er Regierungen v​on Tunesien u​nd Algerien. In Gaza errichtete i​hr Ableger Hamas e​ine islamistische Diktatur, während d​ie libysche Partei für Gerechtigkeit u​nd Aufbau i​m Zweiten libyschen Bürgerkrieg a​ls eine d​er Hauptfraktionen galt. Auch d​ie im Sudan herrschende Nationale Kongresspartei beruft s​ich auf d​ie Muslimbruderschaft. Vor d​er Präsidentschaft Mohammed Mursis i​n Ägypten 2012–2013 w​urde die Muslimbruderschaft v​on einigen Beobachtern a​ls vergleichsweise moderate u​nd entradikalisierte politische u​nd soziale Formation angesehen. Sie g​alt als e​ine konservativ-islamische Organisation, d​ie Gewalt u​nd den „globalen Dschihad“ ablehnte u​nd sich i​n einem Prozess d​er Entideologisierung befand.[140][141] Nach d​em Umsturz i​n Ägypten 2013 w​urde die Muslimbruderschaft i​n Ägypten verboten u​nd als Terrororganisation eingestuft.

    Sudan: Hasan at-Turabi

    In d​en öffentlichen Äußerungen d​es sudanesischen Politikers Hasan at-Turabi (1932–2016) mischen s​ich islamistisch-konservative m​it pluralistischen Anschauungen. In d​er Zeit v​on 1979 b​is 1985 unterstützte er, t​eils in politischen Ämtern, d​as nationalistische u​nd an sozialistischen s​owie panarabistischen Ideen nahöstlicher Machthaber orientierte Regime d​es durch e​inen Militärputsch z​ur Macht gelangten Dschafar an-Numairi gestützt, vollzog e​r im September 1983 a​uch dessen Hinwendung z​u einem islamistischen Staat m​it an d​er Scharia orientierter Gesetzgebung m​it und bewilligte 1985 d​ie Hinrichtung d​es Reformdenkers Mahmud Muhammad Taha.

    Seine 1985 gegründete Partei Nationale Islamistische Front (NIF) unterstützte 1989 d​en Militärputsch General Umar al-Baschirs, d​er im Sudan n​ach islamisch-fundamentalistischen Grundsätzen regierte u​nd gegen d​en später d​er Internationale Strafgerichtshof (IStGH) i​n Den Haag Haftbefehl w​egen Völkermordes, Verbrechen g​egen die Menschlichkeit u​nd Kriegsverbrechen i​m Darfur-Konflikt erlassen hat. Nach d​em Ausschluss d​er NIF a​us der Regierung unterstützte e​r im Darfur-Konflikt d​ie Bewegung für Gerechtigkeit u​nd Gleichheit u​nd unterhielt Kontakte z​u Osama b​in Laden.

    In seinen Schriften u​nd Interviews zeigte s​ich Turabi reformorientiert, betonte d​as islamische Prinzip d​er Schura („Beratung, Konsultation“) u​nd unterstützte e​ine aktivere Rolle d​er Frauen i​m öffentlichen Leben.[142]

    21. Jahrhundert

    Verbreitung des Islam heute (grün)

    Protest der jungen Generation

    Seit d​en 1990er Jahren zeigen s​ich in d​er jüngeren Generation d​er Muslime Tendenzen, m​it dem politischen Islam d​es Islamischen Erwachens abzuschließen u​nd die Religion e​her als e​ine Voraussetzung u​nd Maßgabe für e​inen demokratischen Verfassungsstaat ansehen.[118]

    Iran

    Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen, Teheran 2009

    Seit d​en frühen 1990er Jahren setzen s​ich im Iran d​ie Intellektuellen Abdolkarim Sorusch u​nd der Kleriker Muḥammad Mudschtahid-Schabistari für e​ine säkulare u​nd pluralistische Sichtweise d​es Islams e​in und gehören s​o zu d​en Wegbereitern d​er politischen Reformen Präsident Mohammad Chatamis (1997–2005). Chatami argumentierte, d​ass eine Demokratie i​m Iran, w​o die Mehrzahl d​er Bevölkerung a​ls religiös betrachtet werden könne, e​ine Volksherrschaft v​on Natur a​us eine „religiöse Demokratie“ (mardum-sālārī-yi dīnī) s​ein würde.[118] Chatami unterlag i​n den Präsidentschaftswahlen 2005 d​em konservativen Mahmud Ahmadinedschad. Dessen Wiederwahl löste aufgrund d​es Verdachts d​er Wahlfälschung 2009 wochenlang anhaltende Proteste aus. Bei d​er Parlamentswahl 2016 konnten d​ie Reformparteien n​ach vorläufigem Ergebnis 38 % d​er Stimmen gewinnen.

    Indonesien

    Bereits i​n den 1970er Jahren h​atte Nurcholis Madjid, d​er Leiter d​er Indonesischen Islamischen Studentenbewegung, m​it seinem Lehrer Mohammad Natsir, e​inem der wichtigsten Ideologen d​er Masyumi-Partei, gebrochen. Er lehnte d​ie Idee e​ines islamischen Staats (negara Islam) ab, d​a sie e​ine prinzipiell profane Idee heilige. Die Vorstellungen Madjids fanden w​eite Verbreitung i​n der Demokratisierungsbewegung n​ach dem Sturz Suhartos 1998.[118] Seit d​en 1990er Jahren propagiert d​ie bedeutende Organisation d​er Nahdlatul Ulama u​nter Abdurrahman Wahid Demokratie u​nd bürgerlichen Pluralismus.[143]

    Islam im Zeitalter des Internets

    Moderne elektronische Medien unterscheiden s​ich in mehreren Aspekten v​on herkömmlichen Massenmedien, v​or allem darin, d​ass sie d​ie Distanz zwischen Sender u​nd Empfänger minimieren. Bereits i​m Vorfeld d​er islamischen Revolution i​m Iran erreichten d​ie Reden Chomeinis a​uf Kompaktkassetten w​eite Kreise d​er iranischen Bevölkerung.[144] Im Vergleich z​u gedruckten Medien s​ind die Kosten u​nd erforderlichen Kenntnisse deutlich niedriger. Die interaktive Form elektronischer Kommunikation schafft e​ine interaktive „Online-Community“, d​ie den Nutzern e​ine unmittelbare u​nd prinzipiell gleichberechtigte, v​or allem transnationale Teilhabe ermöglicht.

    Texte d​es Korans u​nd der Ḥadith erschienen s​chon früh i​n digitalisierter Form i​m Internet, Newsgroups diskutierten islamische Themen v​om Alltäglichen b​is hin z​u religiösen Themen.[145] Mit d​er Einrichtung d​es World Wide Webs i​n den 1990er Jahren begannen a​uch islamische Regierungen u​nd Organisationen d​as Netz z​u nutzen, ebenso politische Bewegungen w​ie die Islamische Heilsfront i​n Algerien o​der die Hisbollah i​m Libanon. Während 1997 n​ur 0,4 % d​er arabischen Bevölkerung d​as Internet nutzten, w​aren es 2014 42 %.[146]

    Arabisch- u​nd englischsprachige Nachrichtensender w​ie Al Jazeera (aus Katar, s​eit 1996) o​der al-Arabiya (aus d​en Vereinigten Arabischen Emiraten, s​eit 2003) berichten flächendeckend a​us der islamischen Welt u​nd erreichen täglich über Satelliten u​nd Internet e​ine große Zahl v​on Menschen. Die herrschenden Regimes versuchen teilweise, d​en hierdurch möglich gewordenen Meinungsaustausch u​nd die Organisation u​nd Absprache oppositioneller Gruppen d​urch Internetzensur z​u begegnen, beispielsweise i​m Iran. Auch terroristische Gruppen nutzen weiterhin d​ie Möglichkeiten d​es Internet für i​hre Propaganda.

    Arabischer Frühling

    Am 17. Dezember 2010 begannen i​n Tunesien Proteste g​egen die Regierung Zine el-Abidine Ben Alis, nachdem s​ich Mohamed Bouazizi infolge v​on Polizeiwillkür u​nd Demütigungen selbst verbrannt hatte. Die Nachricht verbreitete s​ich mittels d​er modernen Kommunikationstechnologie i​n kurzer Zeit. Innerhalb weniger Wochen k​am es z​u landesweiten Massenunruhen, d​ie in d​en nächsten Monaten a​uf etliche Staaten i​n Nordafrika u​nd dem Nahen Osten übergriffen. Die Massenproteste führten z​ur Absetzung u​nd Flucht Ben Alis u​nd zum Rücktritt d​es ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Der Präsident Jemens, Ali Abdullah Salih, t​rat Ende 2011 n​ach über 30-jähriger Herrschaft zurück. In Libyen k​am es 2011 z​u einem Bürgerkrieg, b​ei dem Rebellen m​it Unterstützung d​urch die NATO Staatschef Muammar al-Gaddafi stürzten, während i​n Syrien e​in Bürgerkrieg n​och andauert.

    Nach d​er Revolution i​n Ägypten 2011 k​am es 2013/2014 z​u einer Staatskrise, d​ie in e​inem Militärputsch u​nd Neuwahlen endete. Abd al-Fattah as-Sisi w​urde zum Präsidenten gewählt. Unruhen ereigneten s​ich auch i​n Algerien, Bahrain, Dschibuti, Irak, Jemen, Jordanien, Kuwait, Marokko, Mauretanien, Oman, i​n den Palästinensischen Autonomiegebieten, Saudi-Arabien u​nd Sudan. Auch europäische Protestbewegungen w​ie in Spanien beriefen s​ich auf d​en Arabischen Frühling.

    Zerfall des Nahen Ostens

    Syrien und Irak 2014

    Die Aufteilung d​er arabischen Provinzen d​es im Ersten Weltkrieg besiegten Osmanischen Reiches i​n britische u​nd französische Mandatsgebiete t​raf die arabischen Länder d​es Nahen Ostens weitgehend unvorbereitet. Fast e​in Vierteljahrhundert l​ang waren d​ie ohne Rücksicht a​uf historische o​der ethnische Zusammengehörigkeit entstandenen Staaten danach d​amit beschäftigt, i​hre volle Unabhängigkeit v​on Europa z​u erlangen u​nd neue Identitäten für i​hre Länder z​u finden.[147]

    Der Zerfall d​er alten Ordnung i​m „Arabischen Frühling“ führte n​icht zur Ausbildung pluralistischer Demokratien, sondern verschärfte d​ie ethnisch u​nd religiös geprägten Konflikte i​n der Region: Die 1918 v​on den Siegermächten gezogenen Grenzen verlieren h​eute im Bürgerkrieg i​n Syrien – u​nter türkischer Beteiligung – s​owie im Irak i​hre Gültigkeit.[148][149] Am Persischen Golf d​roht ein Konflikt zwischen Saudi-Arabien u​nd dem schiitischen Iran, i​n den a​uch die mehrheitlich sunnitisch geprägte Türkei einbezogen werden könnte. Schon h​eute stehen s​ich Soldaten u​nd Söldner beider Staaten v​or Mossul[150] u​nd um Aleppo gegenüber. Im Irak dauert d​er Konflikt zwischen d​er schiitischen Regierung u​nd der sunnitischen Bevölkerung i​m Norden an. Das Fehlen staatlicher Organisationen u​nd die andauernde Gewalt lässt i​m Nahen Osten a​ls stabile Institutionen n​ur die Sippe o​der den Stammesverband s​owie die Religion bestehen, s​o dass Organisationen w​ie der Islamische Staat (Daesh) weiter Zulauf erhalten. In Nordafrika entwickelt s​ich Libyen z​u einem Brennpunkt d​es internationalen Dschihadismus, n​ach den ausgeblieben Reformen i​st die politische Lage a​uch in Marokko u​nd Ägypten instabil.

    Aktuelle Entwicklungen

    Geschichte des Islams in einzelnen Ländern

    Deutschsprachige Länder

    Übriges Europa

    Vorderer Orient

    Asien

    Afrika

    Amerika und Australien/Neuseeland

    Siehe auch

    Literatur

    • The New Cambridge History of Islam. 6 Bände. Cambridge University Press, Cambridge 2010.
    • The Edinburgh History of the Islamic Empires. Edinburgh University Press, Edinburgh 2015 ff.
    • Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam. Verlag der Weltreligionen, Berlin 2011, ISBN 978-3-458-71033-2.
    • Lutz Berger: Die Entstehung des Islam. Die ersten hundert Jahre. Beck, München 2016.
    • Glen W. Bowersock: Die Wiege des Islam. Mohammed, der Koran und die antiken Kulturen. C.H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73401-4.
    • Claude Cahen: Der Islam I. Vom Ursprung bis zu den Anfängen des Osmanenreiches (= Fischer Weltgeschichte, Band 14). Frankfurt am Main 1968.
    • Georg Cavallar: Islam, Aufklärung und Moderne. Kohlhammer, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-17-033933-0.
    • William L. Cleveland, Martin Bunton: A History of the Modern Middle East. 6. Auflage. Berlin 2016, ISBN 978-0-8133-4980-0.
    • Fred M. Donner: Muhammad and the Believers. At the Origins of Islam. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 2010.
    • Werner Ende, Udo Steinbach (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53447-3.
    • Gerhard Endreß: Der Islam – Eine Einführung in seine Geschichte. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42884-3.
    • G. E. von Grunebaum (Hrsg.): Der Islam II. Die islamischen Reiche nach dem Fall von Konstantinopel. (= Fischer Weltgeschichte. Band 15). Frankfurt am Main 1971; 13. Auflage ebenda 1999.
    • Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. Beck, München 2004, ISBN 3-406-47486-1.
    • Albert Hourani: Die Geschichte der arabischen Völker. Fischer, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-15085-X.
    • Robert G. Hoyland: In God’s Path. The Arab Conquests and the Creation of an Islamic Empire. Oxford University Press, Oxford 2015.
    • Kersten Knipp: Nervöser Orient. Die arabische Welt und die Moderne. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8062-3367-4.
    • Gudrun Krämer: Geschichte des Islam. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53516-X.
    • Bernard Lewis: Die Araber. DTV, München 2002, ISBN 3-423-30866-4.
    • Albrecht Noth: Der islamische Orient, Grundzüge seiner Geschichte. Ergon, 1998, ISBN 3-932004-56-6.
    • Reinhard Schulze: Geschichte der Islamischen Welt von 1900 bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68855-3.

    Einzelnachweise

    1. Die Gliederung orientiert sich an der New Cambridge History of Islam, Band 1–6. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, online, abgerufen am 18. Februar 2016
    2. Thomas Bauer: Warum es kein islamisches Mittelalter gab. Das Erbe der Antike und der Orient. C. H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72730-6.
    3. Albert Hourani: Die Geschichte der arabischen Völker. aktualisierte Auflage. S. Fischer, 2013, ISBN 978-3-10-031836-7, S. 123 (Erstausgabe: 1991).
    4. David O. Morgan, Arthur Reid: Introduction: Islam in a plural Asia. In: David O. Morgan, Arthur Reid (Hrsg.): New Cambridge History of Islam. Band 2: The Eastern Islamic world – Eleventh to Eighteenth Centuries. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 978-0-521-83957-0, S. 1 (englisch).
    5. Linda T. Darling: Public finances: The role of the Ottoman centre. In: Suraiya N. Faroqhi (Hrsg.): The Cambridge History of Turkey. Band 3. Cambridge University Press, Cambridge UK 2006, ISBN 978-0-521-62095-6, S. 65–80.
    6. Robert W. Hefner: Muslims and modernity: Culture and society in an age of contest and plurality. In: R. Hefner (Hrsg.): The New Cambridge History of Islam. Band 6: Muslims and modernity. Cambridge University Press, Cambridge UK 2010, ISBN 978-0-521-84443-7, S. 2–3.
    7. Ibn al-Sharazuri, Eerik Dickinson (Übers.): An Introduction to the Science of the Hadith: Kitab Mar'rifat Anwa' 'Ilm Al-Hadith. Garnet publishing, Reading, U.K. 2006, ISBN 978-1-85964-158-3, S. xiii.
    8. Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums, Band I: Qur’ānwissenschaften, ḥadīt, Geschichte, Fiqh, Dogmatik, Mystik. Bis ca. 430 H. Brill, Leiden 1967, ISBN 90-04-04376-4, S. 272.
    9. Mohamad Abdalla (2007): Ibn Khaldun on the fate of Islamic science after the 11th century. Islam & Science 5 (1), S. 61–70.
    10. Abdesselam Cheddadi: Introduction. In: Ibn Chaldūn (Hrsg.): Le Livre des Exemples. Band 1. Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 2002, ISBN 978-2-07-011425-2, S. XXXIII.
    11. Ǧamharat an-nasab. Das genealogische Werk des Hišām ibn Muḥammad al-Kalbī. Bd. I. Einleitung, Tafeln. Bd. II. Erläuterungen, Register. Hrsg. von Werner Caskel und G. Strenziok. Leiden 1966
    12. Chase F. Robinson: Introduction / The rise of Islam, 600 705. In: Chase F. Robinson (Hrsg.): The New Cambridge History of Islam. Band 1: The Formation of the Islamic World, Sixth to Eleventh Centuries. Cambridge University Press, Cambridge 2010, ISBN 978-0-521-83823-8, S. 1–15 und 173–225.
    13. William Montgomery Watt, Alford T. Welch: Der Islam I. Mohammed und die Frühzeit, islamisches Recht, religiöses Leben. Kohlhammer, Stuttgart 1980, S. 96 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    14. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1139065.pandemien-in-der-weltgeschichte-selbst-der-kaiser-erkrankte-schwer.html
    15. Vgl. unter anderem Walter Kaegi: Byzantium and the Early Islamic Conquests. Cambridge 1992, sowie Hugh Kennedy: The Great Arab Conquests. Philadelphia 2007.
    16. Fred Donner: Modern approaches to early Islamic history. In: Chase F. Robinson (Hrsg.): The New Cambridge History of Islam. Band 1: The Formation of the Islamic World. Sixth to Eleventh Centuries. Teil 4: The historiography of early Islamic history. Cambridge University Press, 2010, ISBN 978-0-521-51536-8, S. 625–648 (Textarchiv – Internet Archive).
    17. Gerald R. Hawting: The idea of idolatry and the rise of Islam: From polemic to history (= Cambridge Studies in Islamic Civilization). Cambridge University Press, 1999, ISBN 978-0-521-02846-2.
    18. Hans Jansen: Mohammed: eine Biographie. C. H. Beck, München 2008.
    19. Patricia Crone: Slaves on Horses. The Evolution of the Islamic Polity. Cambridge University Press, 1980, ISBN 978-0-521-52940-2, S. 7, 12, 15 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    20. John Wansbrough: Quranic studies: Sources and methods of scriptural interpretation. Prometheus Books, Amherst NY 1977, ISBN 978-1-59102-201-5, S. 43 ff. (archive.org).
    21. Gerd-Rüdiger Puin: Observations on early Qur'an manuscripts in San’a’. In: Stefan Wild (Hrsg.): The Qur’an as text. Brill, Leiden 1996, ISBN 978-90-04-10344-3, S. 107–111 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    22. Fred Donner: Narratives of Islamic origins: The beginnings of Islamic historical writing. Darwin Press, University of Michigan, Ann Arbor, MI 1998, ISBN 978-0-87850-127-4, S. 60.
    23. Fred Donner: Muhammad and the Believers. At the Origins of Islam. 2010, S. 59 und 68 ff.
    24. Yehuda D. Nevo: Crossroads to Islam: The origins of the Arab religion and the Arab state. Prometheus Books, Amherst NY 2003, ISBN 978-1-61592-329-8.
    25. Karl-Heinz Ohlig, Volker Popp, Christoph Luxenberg (Hrsg.): Der frühe Islam. Eine historisch-kritische Rekonstruktion anhand zeitgenössischer Quellen. Verlag Hans Schiler, Berlin 2007, ISBN 978-3-89930-090-1.
    26. Christoph Luxenberg: The Syro-Aramaic reading of the Koran. A contribution to the decoding of the Koran. Verlag Hans Schiler, Berlin 2007, ISBN 978-3-89930-088-8 (aramaic-dem.org [PDF]). aramaic-dem.org (Memento des Originals vom 23. September 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aramaic-dem.org
    27. Luxenberg (2007), S. 330
    28. Robert Hillenbrand: For God, Empire, and Mammon: Some art-historical aspects of the reformed dĩnārs of ʿAbd al-Malik. In: Martina Müller-Wiener, Christiane Koche, Karl-Heini Golzio, Joachim Gerlachs (Hrsg.): Al-Andalus und Europa. Zwischen Orient und Okzident. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2000, ISBN 3-935590-77-6, S. 20–38.
    29. Robert G. Hoyland: In God’s Path. The Arab Conquests and the Creation of an Islamic Empire. Oxford University Press, 2014, ISBN 978-0-19-991636-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    30. Jonah Steinberg: Isma'ili Modern. Globalization and Identity in a Muslim Community, University of North Carolina Press 2011, S. 37.
    31. Hermann Kulke: Indische Geschichte bis 1750. Oldenbourg Grundriss der Geschichte, München 2005, ISBN 3-486-55741-6.
    32. Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums Bd. III: Medizin – Pharmazie – Zoologie – Tierheilkunde. E. J. Brill, Leiden 1970, S. 193.
    33. Rudolf Fischer: Der Islam. Glaube und Gesellschaftssysterm im Wandel der Zeiten. Edition Piscator, Oberdorf, Schweiz 1992, ISBN 3-906090-25-6, Geschichte der Ausbreitung, S. 70 f.
    34. André Wink: The early expansion of Islam in India. In: David O. Morgan, Arthur Reid (Hrsg.): New Cambridge History of Islam. Band 2: The Eastern Islamic world – Eleventh to Eighteenth Centuries. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 978-0-521-83957-0, S. 7899.
    35. Peter Jackson: Muslim India: The Delhi sultanate. In: David O. Morgan, Arthur Reid (Hrsg.): New Cambridge History of Islam. Band 2: The Eastern Islamic world – Eleventh to Eighteenth Centuries. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 978-0-521-83957-0, S. 100127.
    36. Gustave Le Bon (1956): La Civilisation des Arabes.
    37. Seyyed Hossein Nasr: Islam: Religion, History and Civilization. HarperCollins Publishers, New York 2003, ISBN 0-06-050714-4, S. 143.
    38. Abdur-Rahman et al. (2011). Historical Review of Classical Hadith Literature in Malay Peninsula. International Journal of Basic and Applied Sciences, 11(2), 1–6 (Online 1 (PDF; 313 kB) abgerufen 22. Februar 2016
    39. Jonathan Newman Lipman: Familiar Strangers, a history of Muslims in Northwest China. University of Washington Press, Seattle, WA 1997, ISBN 0-295-97644-6, S. 25.
    40. Michael G. Morony: Economic boundaries? Late Antiquity and Early Islam. Journal of the economic and social history of the orient 47, S. 166–194, hier: S. 179, JSTOR 25165033, abgerufen 8. März 2016
    41. Stefan Heidemann: Settlement patterns, economic development and archaeological coin finds in Bilad al-Sham: the case of the Dinar Mutar – The process of transformation from the 6th to the 10th century A.D. In: Karin Bartl, Abd al-Razzaq Moaz (Hrsg.): Residences, castles, settlements. Transformation processes from late antiquity to early Islam in Bilad al-Sham. Marie Leidorf, Rahden/Westf. 2009, ISBN 978-3-89646-654-9, S. 493–516, hier S. 499 (aai.uni-hamburg.de [PDF; abgerufen am 8. März 2016]). aai.uni-hamburg.de (Memento des Originals vom 9. Mai 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aai.uni-hamburg.de
    42. Albert Hourani: Arabic Thought in the Liberal Age, 1798–1939. Cambridge University Press, Cambridge, UK, ISBN 978-0-521-27423-4, S. 3.
    43. Albert Hourani: Arabic Thought in the Liberal Age, 1798–1939. Cambridge University Press, Cambridge, UK, ISBN 978-0-521-27423-4, S. 9.
    44. Ibn Chaldūn: Die Muqaddima. Betrachtungen zur Weltgeschichte. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62237-3.
    45. Edmund Bosworth: The steppe peoples in the Islamic world. In: David O. Morgan, Arthur Reid (Hrsg.): New Cambridge History of Islam. Band 2: The Eastern Islamic world – Eleventh to Eighteenth Centuries. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 978-0-521-83957-0, S. 68–71.
    46. Reinhard Schulze: Geschichte der Islamischen Welt von 1900 bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68855-3, S. 74–76.
    47. Robert W. Hefner: Muslims and modernity: Culture and society in an age of contest and plurality. In: R. Hefner (Hrsg.): The New Cambridge History of Islam. Band 6: Muslims and modernity. Cambridge University Press, Cambridge UK 2010, ISBN 978-0-521-84443-7, S. 3–8.
    48. J. Spencer Trimingham: The Sufi orders in Islam. Clarendon Press, Oxford UK 1971 (archive.org).
    49. al-Māwardī, Léon Ostrorog (Übers.): al-Aḥkām as-sulṭānīya. Ernest Leroux, Paris 1901 (Textarchiv – Internet Archive frz. Übers.: Traité de droit public musulman).
    50. Albert Hourani: Arabic Thought in the Liberal Age, 1798–1939. Cambridge University Press, Cambridge, UK 2007, ISBN 978-0-521-27423-4, S. 15–16.
    51. Nizamulmulk, Karl von Schowingen (Hrsg.): Das Buch der Staatskunst. Siyasatnama. Manesse, Zürich 1997, ISBN 978-3-7175-8099-7.
    52. Vgl. Hugh Kennedy: The Great Arab Conquests. Philadelphia 2007, S. 344 ff.
    53. Giuseppe Simone Assemani: Bibliotheca orientalis III 2, S XCVI
    54. Vgl. Wolfgang Kallfelz: Nichtmuslimische Untertanen im Islam. Wiesbaden 1995, S. 49 ff.
    55. Peter Jackson: Muslim India: The Delhi sultanate. In: David O. Morgan, Arthur Reid (Hrsg.): New Cambridge History of Islam. Band 2: The Eastern Islamic world – Eleventh to Eighteenth Centuries. Cambridge University Press, Cambridge UK 2000, ISBN 978-0-521-83957-0, S. 120–125.
    56. Carl W. Ernst: Eternal garden: Mysticism, history and politics at a South Asian Sufi center. SUNY press, 1992, ISBN 978-0-7914-0883-4, S. 32–33.
    57. Andalus, al-. In: John L. Esposito (Hrsg.): Oxford Dictionary of Islam. Oxford University Press. 2003. Oxford Reference Online. Zugriff: 22. Februar 2016.
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    61. Heinz Halm: Die Kalifen von Kairo. Die Fatimiden in Ägypten (973–1074). C. H. Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-48654-8, S. 245.
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