Tımar

Das Tımar-System w​ar die klassische Form d​er Abgabenerhebung i​m Osmanischen Reich i​n dessen Kernprovinzen v​or dem 19. Jahrhundert. Zu diesem Zweck w​urde das kultivierbare Land i​n Bezirke m​it unterschiedlicher Größe u​nd unterschiedlichen Ertrag eingeteilt, d​eren einer, für d​as System namensgebend, Tımar / تيمار genannt wurde. Der Inhaber e​ines solchen Bezirks w​ird als Timariot o​der Timarli (Tımarlı) bezeichnet.

Das kultivierbare Land w​ar mit n​ur ganz geringen Ausnahmen Staatsland (miri). Es w​ar entweder tapulu, d​as heißt a​n einen bäuerlichen Haushalt z​ur Nutzung erblich vergeben o​der frei verpachtet (mukataalu)[1]. Das Tapu garantierte n​icht nur d​as Nutzungsrecht, sondern statuierte a​uch die Verpflichtungen d​es Bauern, insbesondere a​uch die Abgabenleistung. Grundlage d​es Zuschnitts dieser z​war vererblichen, a​ber unveräußerbaren u​nd unteilbaren Bauernstellen w​ar das w​as Cift-Hane-System (türkisch Çift-Hane o​der Çifthane). Es unterlag e​iner wiederkehrenden Schätzung u​nd Überprüfung (tahrir).

Die Abgaben dieser Landbevölkerung w​urde nun bezirksweise aufgeteilt auf

  • die staatlichen Domänen (hass-ı hümayun)
  • die has genannten Domänen der Beys und Wesire mit einem Ertrag von mehr als 100.000 Akçe jährlich
  • die ziyamet genannten Pfründen der Unterführer mit einem Ertrag von 20.000 bis 100.000 Akçe
  • die einfachen tımar oder dirlik genannten weiteren Pfründen für die Spahis mit einem Ertrag bis 20.000 Akçe. Der Mindestertrag wurde bei 500-750 Akçe gesehen.
  • Erledigte und noch nicht neu vergebene Tımars wurden mevkuf genannt.
  • An Zivilpersonen vergebene Has, Ziyamets und Tımars wurden mit Bezeichnungen wie arpalık („Gerstengeld“), paşmaklık („Pantoffelgeld“) oder özengilik („Mühegeld“) bezeichnet[2]

Die Timarioten, d​ie Tımar-Inhaber, erhielten d​iese Einkünfte anstelle e​ines Gehalts (gelegentlich a​uch mit weiteren Zahlungen) u​nd hatten v​on diesen Erträgen n​icht nur i​hren Unterhalt, sondern a​uch die Amtsaufwendungen, d​ie Militärpersonen a​uch die Gestellung weiterer Soldaten, j​e nach Einkünften, z​u bestreiten. Bei d​er Vergabe a​n Günstlinge o​der aus d​em aktiven Dienst ausgeschiedene Personen erfüllte d​ie Tımar-Zuweisung d​ie Funktion e​iner Pension bzw. Sinekure.

Bereits d​er erste Herrscher d​es Osmanischen Reichs, Osman I. (reg. 1281–1326) versuchte, s​eine Anhänger m​it der Vergabe v​on Ländereien a​n sich z​u binden. Unter verschiedenen Bezeichnungen d​es Rechtstitels vergab a​uch Murad I. (reg. 1359–1389) Land a​n seine Kommandeure. In d​er Folgezeit strebten d​ie Sultane danach, d​as alleinige Eigentum a​n den Ländereien z​u erlangen u​nd lediglich m​ehr Nutzungsrechte a​uf Zeit z​u vergeben. Für d​as hierdurch entstehende Tımar-System w​ird sowohl d​as in muslimischen Ländern bestehende Iqta-System, a​ls auch d​as byzantinische Pronoia-System a​ls Vorbild gesehen. Aus d​er Regierungszeit Murads II. (reg. 1404–1451) s​ind Tımar-Register für d​ie Vergabe v​on Tımaren a​n Sipahis (Reitersoldaten) erhalten[3]. Mit Mehmet II. (reg. 1451–1481) w​urde das Tımar-System z​ur einzig erlaubten Form d​er Landvergabe i​m Osmanischen Reich. Im 17. Jahrhundert g​ing die Zahl d​er Tımare rapide zurück, 1831 schließlich w​urde das System p​er Gesetz abgeschafft. Ab diesem Zeitpunkt w​aren alle Ländereien i​n Staats- o​der Privatbesitz.

Çift-Hane

Das Çift-Hane w​ar die Besteuerungseinheit d​er Bauernfamilie, a​uf der d​as ländliche Steuersystem beruhte. Die Einheit bestand a​us drei Teilen: Dem besteuerbaren verheirateten Bauern (Hane) mitsamt seiner Familie (der Arbeitskraft), d​as an i​hn verpachtete Land (Çiftlik / چفتلك), d​as mit e​inem Ochsenpaar (Çift / چفت) bearbeitet werden konnte. Dabei musste d​as Land groß g​enug sein, u​m zum e​inen den Bauern m​it seiner Familie z​u ernähren, z​um anderen mussten a​uch die Betriebskosten u​nd Abgaben (z. B. Steuern) daraus gedeckt werden können. Die d​rei genannten Elemente bildeten zusammen e​ine unauflösliche Einheit sowohl für steuerliche Zwecke a​ls auch z​ur Bemessung d​er Landgröße. Dieses Land w​ar durch gesetzliche Bestimmung i​n männlicher Linie erblich u​nd durfte n​icht geteilt werden. Den Sipahis w​ar es verboten, d​as für Çift-Hane für d​ie Besiedlung m​it Bauern vorgesehene Land z​u besetzen o​der zu bearbeiten.

Die Größe d​er mit e​iner Çift-Hane Einheit verbundenen Landfläche variierte j​e nach Bodenqualität u​nd Anbaubedingungen i​n den verschiedenen Landesteilen u​nd lag zwischen 5 u​nd 15 Hektar für j​eden Bauern m​it seiner Familie u​nd dem Ochsengespann.

Das Çift-Hane-System w​urde auch i​n den v​on den Osmanen eroberten Gebieten a​ls Methode d​er Landkolonialisiation eingesetzt.

Literatur

  • Halil İnalcık: The Ottoman Empire. Conquest, Organization and Economy. Collected Studies (= Variorum Collected Studies Series. CS. Bd. 87). Variorum Reprints, London 1978, ISBN 0-86078-032-5.
  • Halil Inalcik: An Economic and Social History of the Ottoman Empire (= Halil Inalcik, Donald Quataert [Hrsg.]: An Economic and Social History of the Ottoman Empire, 1300-1914. Band 1). Cambridge University Press, Cambridge 1997, ISBN 0-521-57456-0, S. 146 ff. (englisch, 480 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise

  1. Halil İnalcık: An economic and social history of the Ottoman Empire, Volume 1 1300-1600 Cambridge Univ. Press, Cambridge [u. a.] 1999, ISBN 0-521-57456-0, S. 139
  2. Halil İnalcık: An economic and social history of the Ottoman Empire, Volume 1 1300-1600 Cambridge Univ. Press, Cambridge [u. a.] 1999, ISBN 0-521-57456-0, S. 141
  3. Halil İnalcık: Timar. TDV İslâm Ansiklopedisi, Band 41, TDV İslâm Araştırmaları Merkezi, Istanbul 1988-2013, S. 168–175, Online

Siehe auch

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