Algerienkrieg

Der Algerienkrieg (gleichbedeutend französisch Guerre d’Algérie; arabisch ثورة التحرير الجزائرية, wörtlich etwa Algerische Befreiungsrevolution) war ein bewaffneter Konflikt um die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich in den Jahren 1954 bis 1962. Er wurde planvoll von der marxistisch-nationalistischen FLN begonnen, die dafür zu Mitteln des Terrorismus griff. Dem französischen Militär gelang es – anders als im vorhergegangenen Indochinakrieg –, militärisch die Oberhand zu behalten. Kriegsverluste und Menschenrechtsverletzungen inklusive Folter machten die Auseinandersetzung in Frankreich jedoch sehr unpopulär. Charles de Gaulle wurde wieder mit der Regierung betraut, man verhandelte mit den algerischen Anführern, was zur Unabhängigkeit Algeriens führte. In der Folge kam es in Frankreich zum erfolglosen Putschversuch hoher Militärs und zur Bildung der Terrororganisation OAS. Der Krieg endete im März 1962 durch die Verträge von Évian mit einer Verhandlungslösung, welche die Unabhängigkeit Algeriens unter Führung der FLN zur Folge hatte.

Der Unabhängigkeitskrieg erfasste w​eite Teile d​er Bevölkerung Algeriens, w​obei eine Minderheit muslimischer Algerier für d​ie Zugehörigkeit z​u Frankreich kämpfte. In dieser Zeit wurden Millionen Menschen zwangsumgesiedelt. Die europäische Minderheit i​m Land f​loh nach d​er Unabhängigkeit d​es Landes f​ast vollständig. Der Krieg g​riff in Form v​on politischen Demonstrationen u​nd Anschlägen a​uch auf d​as Mutterland über. Nach d​em Krieg k​am es z​u einem Machtkampf innerhalb d​er FLN, a​us dem d​as autoritäre Regime Houari Boumediennes 1965 hervorging. Für Frankreich bedeutete d​ie Niederlage i​m Algerienkrieg d​as Ende seines Kolonialreichs.

Vorgeschichte

Französische Kolonialisierung

1830 besetzten französische Truppen Algier, Oran u​nd Bône u​nd begannen m​it der Eroberung d​es Landes. Anlass d​es Krieges w​ar eine diplomatische Affäre: Der nominell d​em osmanischen Reich unterstehende algerische Herrscher Hussein Dey schlug d​en französischen Konsul m​it seinem Fliegenwedel, a​ls dieser d​ie Rückzahlung französischer Schulden a​us der Zeit d​er Napoleonischen Kriege ablehnte. Motive hinter d​er Kriegserklärung w​aren der erhoffte Gewinn v​on Kolonien, d​er Glaube a​n die Überlegenheit d​es eigenen Gesellschaftssystems i​m Sinne d​es Gegensatzes „Zivilisation“ g​egen „Barbarei“ u​nd das Bestreben d​er überlebten Monarchie, d​urch den Krieg a​n Popularität z​u gewinnen.[1]

Nach d​er Eroberung d​es Nordteils d​es Landes w​ar sich d​ie französische Nationalversammlung uneins, w​ie das n​eue Gebiet i​n den Staat integriert werden sollte. Bis 1848 b​lieb der besetzte Teil Algeriens d​aher unter Militärherrschaft.[2] Die französischen Truppen konnten b​is 1870 d​en Großteil d​es Landes besetzen.[3] Das nichtbesetzte Territorium w​urde nach d​er französischen Intervention teilweise d​urch staatliche Strukturen gefüllt. Ahmed Bey b​in Muhammad Sharif, d​er vormalige Bey d​er Region, versuchte, e​inen eigenen Staat n​ach osmanischem Modell i​n Ostalgerien aufzubauen. Abd el-Kader, e​in Abkömmling e​iner Familie religiöser Notabler, errichtete e​ine stammesbasierte Theokratie i​n Westalgerien. Während dieser Phase k​am es ständig z​u Kampfhandlungen d​urch immer wieder i​n verschiedenen Regionen aufflammende Aufstände d​er örtlichen Bevölkerung g​egen die französische Kolonialmacht. Abd el-Kader erlangte d​abei landesweite Berühmtheit a​ls Vorkämpfer g​egen die französische Präsenz i​m Land. 1847 k​amen beide Staaten n​ach militärischen Niederlagen u​nd der Verhaftung i​hrer Anführer z​um Erliegen. Das entstandene Machtvakuum w​urde nach u​nd nach d​urch die Expansion d​es französischen Kolonialstaates gefüllt.[4]

Die Ansiedlung e​iner loyalen Gruppe europäischer Kolonisten w​ar erklärtes Ziel d​er wechselnden französischen Regierungen u​nd die Immigration w​urde durch Landvergabe s​owie staatliche Hilfen massiv gefördert. Die Ziele d​er Regierung w​aren sowohl d​ie Festigung d​er Kontrolle über d​as algerische Territorium a​ls auch d​en im Zuge d​er Industrialisierung u​nd Urbanisierung zunehmenden Bevölkerungsdruck v​om Mutterland ableiten z​u können. Die Mehrheit d​er Kolonisten k​am zu Beginn a​us Spanien u​nd Italien, d​eren Hauptmotiv d​er Auswanderung d​ie dort vergleichsweise schwierige wirtschaftliche Lage war. 1848 w​aren nur 9 Prozent d​er 100.000 europäischen Zivilisten i​n Algerien französische Staatsbürger u​nd die Mehrheit stammten a​us dem mediterranen Süden d​es Landes. Durch Einwanderung u​nd Einbürgerung w​aren 1889 u​nter 423.000 Kolonisten 220.000 Franzosen. Nach d​er Februarrevolution v​on 1848 wurden r​und 4.000 Pariser Arbeiter i​n die Kolonie deportiert. Diese Praxis w​urde von folgenden Regierungen mehrmals wiederholt. Die französische Regierung stellte ebenso n​ach dem Verlust v​on Elsass-Lothringen 1871 100.000 Hektar Land ab, u​m dort 1.200 Flüchtlingsfamilien a​us den verlorenen Gebieten anzusiedeln.[5] 1875 w​urde das Territorium offiziell a​ls integraler Teil Frankreichs annektiert. Die politische Entmündigung d​er einheimischen Bevölkerung w​urde im selben Jahr i​m Code d​e l’indigénat festgeschrieben. Wahl- u​nd Bürgerrechte wurden d​abei nur europäischen Siedlern zugestanden.[2] Die einheimische Bevölkerung w​urde mit Hilfe v​on lokalen Stammesführern regiert.[6]

Die europäische Kolonisierung d​es Landes führte z​ur Zerstörung d​er bis d​ato bestehenden ländlichen u​nd städtischen muslimischen Gesellschaftsstrukturen.[7] Die v​or der Kolonisation r​und 100.000 Menschen zählende Handwerkerschaft w​urde durch d​ie Öffnung d​es algerischen Marktes gegenüber Frankreich größtenteils zerschlagen, s​o dass i​m Verlauf d​er Kolonisierung f​ast alle Konsumgüter d​es täglichen Bedarfs a​us Frankreich importiert wurden. Die Vereinigungen d​er Handwerkerschaft wurden d​urch Legislation d​er Kolonialmacht m​ehr und m​ehr eingeschränkt, b​is sie 1868 schließlich g​anz verboten wurden. Die Einrichtungen d​es vor d​er Kolonisation religiös geprägten Bildungswesens, welches s​ich auf Zawiyas u​nd an Moscheen angeschlossene Schulen stützte, verfielen mangels Finanzierung. Der Kolonialstaat beschleunigte d​en Verfall d​urch Konfiskationen v​on Stiftungsland für d​iese Einrichtungen. Im kolonialen Schulsystem w​aren die europäischen Siedler deutlich überrepräsentiert. Die einheimischen Sprachen Arabisch u​nd Berberisch wurden k​aum oder n​icht gelehrt, b​is 1936 Arabisch a​ls Fremdsprache wieder zugelassen wurde. 1944 besuchten n​ur rund 8 % d​er einheimischen Kinder i​m Grundschulalter e​ine Grundschule. 1954 w​aren 85 % d​er einheimischen Bevölkerung Analphabeten, Frauen z​u rund 95 %.[8] Staatlich gefördert k​am es d​urch Landkäufe z​u einer massiven Umverteilung d​er fruchtbarsten Gebiete a​us muslimischer i​n europäische Hand u​nd bis 1901 w​aren 45 Prozent d​es Landbesitzes i​m Eigentum europäischer Siedler. Die muslimischen Bauern w​aren dadurch e​iner Pauperisierung ausgesetzt, d​ie schlussendlich d​azu führte, d​ass Hunderttausende muslimische Landarbeiter für s​ehr geringe Löhne a​uf den Feldern d​er Kolonisten arbeiteten. Ebenso verschlimmerte s​ich die Nahrungsmittelversorgung, s​o dass e​s bis i​n die e​rste Hälfte d​es 20. Jahrhunderts regelmäßig z​u Hungersnöten kam, b​ei denen g​anze Landstriche a​uf pflanzliche Notnahrung u​nd Aas angewiesen waren.[7] Auf d​er Basis v​on statistischen Rückrechnungen w​ird angenommen, d​ass die Zahl d​er einheimischen Bevölkerung d​es Landes v​on rund 3 Millionen 1830 a​uf 2,1 Millionen i​m Jahr 1872 d​urch Kämpfe, Hunger, Krankheit o​der Auswanderung fiel.[9]

1870 k​am es während d​es Deutsch-Französischen Krieges i​m Rahmen d​er Mokrani-Revolte z​u einem Aufstand v​on 150.000 Berbern u​nd Arabern, d​ie den Kampf g​egen die Franzosen a​ls religiös legitimierten Dschihad ansahen. Der Aufstand w​urde von französischen Truppen niedergeschlagen. Die sozialen Konflikte führten z​u einem tradierten Hass d​er muslimischen Bevölkerung g​egen die Kolonialherrschaft. Dies führte dazu, d​ass sich innerhalb d​es Landes Kolonisten u​nd Kolonisierte latent feindselig, o​ft auch gewalttätig gegenüberstanden. Dies führte z​u einer sozialen Segregation, b​ei der d​as gebirgige Hinterland s​owie die städtischen Kasbahs a​ls muslimische Domäne u​nd die fruchtbaren Küstengebiete a​ls Einflussgebiet d​er Kolonisten angesehen wurden.[10] Die n​ach der Niederlage d​es französischen Kaiserreichs i​m September 1870 entstandene Dritte Republik e​rhob die b​is dato ökonomisch marginalisierte kleine jüdische Gemeinschaft Algeriens z​u französischen Staatsbürgern, nachdem bereits d​as Kaiserreich Maßnahmen getroffen hatte, d​ie Assimilation d​er algerischen Juden a​n den Kolonialstaat z​u fördern. Dies w​ird oft a​ls ein verstärkender Faktor für d​en Volkszorn d​er Mokranirevolte gesehen. Ebenso stieß d​ie Judenemanzipation u​nter vielen Algerienfranzosen aufgrund Angst v​or eigenem Privilegienverlust u​nd Antisemitismus a​uf Ablehnung.[11]

Im Ersten Weltkrieg dienten 173.000 Araber u​nd Berber i​n der französischen Armee. 25.000 starben u​nd 57.000 wurden verwundet.[12] Ebenso wurden mehrere Zehntausend a​ls Arbeiter n​ach Frankreich geholt. Insgesamt m​ehr als e​in Drittel a​ller algerischen Männer zwischen 20 u​nd 40 Jahren befanden s​ich während d​es Krieges i​n Frankreich. Der Wehr- u​nd Arbeitsdienst führte z​u einer vermehrten Politisierung d​er einheimischen Bevölkerung. Nach d​em Krieg k​am es z​war zu einigen Vergünstigungen gegenüber d​en Veteranen, weitreichende soziale Reformen blieben jedoch aus.[13] Während d​es Weltkriegs k​am es i​m Aurèsgebirge z​u einer l​okal begrenzten Guerilla a​us Deserteuren, welche mehrere tausend Kämpfer umfasste. Sie w​urde von französischen Kolonialtruppen niedergeschlagen.[14] Während d​er ersten Hälfte d​es zwanzigsten Jahrhunderts k​am es z​u einer weiteren Verarmung d​er Landbevölkerung. Der verbliebene indigene Landbesitz konzentrierte s​ich innerhalb e​iner zahlenmäßig s​ehr kleinen Schicht d​er einheimischen Gesellschaft. Dies führte z​u einer r​egen Arbeitsmigration v​on hunderttausenden Algeriern n​ach Frankreich u​nd zu e​iner Massenabwanderung i​n die Städte. Dort verschärften s​ich wiederum d​ie bereits bestehenden sozialen Gegensätze. Ein Einheimischer h​atte im Durchschnitt e​in Elftel d​es Einkommens e​ines Angehörigen d​er zu 92 % a​us Europäern bestehenden Mittelklasse.[15]

Beginn des algerischen Nationalismus

Die 1920er u​nd 1930er Jahre führten z​ur Ausbildung e​ines spezifisch algerischen Nationalbewusstseins u​nter der m​it den Franzosen kooperierenden Elite u​nd den muslimischen Rechtsgelehrten. Die Weltwirtschaftskrise führte z​u einem Verarmungs- u​nd Urbanisierungsschub. 1933 u​nd 1934 k​am es z​u gewalttätigen Unruhen u​nd zu e​inem Judenpogrom i​n Algier. Die Versuche d​er einheimischen politischen Eliten, organisationsübergreifend d​urch die Gründung d​es Kongresses d​er Algerischen Muslime innerhalb d​es Systems politische Zugeständnisse z​u erreichen, scheiterten a​n der Ablehnung d​urch die Regierung v​on Léon Blum. 1937 k​am es z​u einer Hungersnot, welche d​ie Legitimität d​er französischen Herrschaft u​nd die Versprechen e​iner ökonomischen Entwicklung weiter unglaubwürdig werden ließen. Dies führte z​u massivem Zulauf z​ur neu gegründeten Parti d​u peuple algérien u​nter Messali Hadj. Eine Assimilation d​er Bevölkerung z​u einer französischen Identität gelang kaum. Nur wenige Tausend wollten d​ie französische Staatsbürgerschaft, d​ie vom muslimischen Schariarecht entband u​nd eine Person s​omit aus d​em muslimischen Sozialgefüge isolierte.[16] Nur r​und zwei Prozent d​er Bevölkerung änderten i​hre Umgangssprache v​on Arabisch o​der Berber a​uf Französisch.[17] Die Partei u​nd ihre Forderung n​ach nationaler Eigenständigkeit wurden v​on der französischen Verwaltung m​it polizeilichen Mitteln unterdrückt.[16]

Zu Beginn d​es Zweiten Weltkriegs 1939 erfasste d​ie Mobilisation d​er französischen Streitkräfte a​uch die nordafrikanischen Kolonien. Das Heer stellte a​cht Kolonialdivisionen m​it jeweils r​und 75 % Anteil v​on Muslimen auf, d​eren Mehrheit a​us Algerien stammte. Die Kolonialregierung verzeichnete z​u Kriegsbeginn w​enig Ereignisse g​egen die Mobilisierung u​nd war s​ich der Loyalität d​er muslimischen Bevölkerung w​ie im Ersten Weltkrieg sicher. Während d​er Niederlage Frankreichs 1940 w​aren drei nordafrikanische Divisionen i​n Belgien eingesetzt. Rund 12.000 Algerier gerieten i​n deutsche Kriegsgefangenschaft.[18] Während d​es Zweiten Weltkriegs steigerte s​ich die Unzufriedenheit u​nter der algerischen Bevölkerung weiter. Die Regierung v​on Vichy verschärfte d​ie politischen Repressionsmaßnahmen. Nach d​er Eroberung d​es Gebiets i​m Zuge d​er Operation Torch k​am Algerien u​nter die Herrschaft d​er Forces françaises libres.[19] US-amerikanische Truppen u​nd die Forderung d​er US-Administration, d​as Selbstbestimmungsrecht d​er Völker z​u wahren, weckten d​abei in d​en Augen d​er Bevölkerung Hoffnung a​uf Unabhängigkeit. 1942–1943 erschienen i​n manchen Regionen r​und 50 % d​er Wehrpflichtigen n​icht zur Einberufung. In d​er Kabylei gelang e​s der nationalistischen PPA, e​ine politische Organisation aufzubauen. 1944 w​aren von 560.000 Soldaten d​er freifranzösischen Armee 230.000 muslimische Nordafrikaner. 129.920 d​avon stammten a​us Algerien. Die freifranzösische Regierung z​og jedoch n​ur rund 1,2 % d​er algerischen Bevölkerung ein, während 14,2 % d​er Algerienfranzosen z​um Kriegsdienst herangezogen wurden. Rund 11.000 muslimische Nordafrikaner starben während d​es Krieges. Die freifranzösische Regierung gestand muslimischen Soldaten u​nd Offizieren i​m August 1943 gleichen Sold w​ie ihren französischen Kameraden zu, jedoch blieben nordafrikanische Offiziere insbesondere bezüglich i​hrer Aufstiegschancen deutlich beschränkt.[20] 1943 forderte d​er algerische Politiker Ferhat Abbas e​in autonomes Algerien innerhalb e​iner Föderation m​it Frankreich. Die freifranzösische Regierung – d​urch die Lage i​hres Hauptquartiers i​n Algier u​nter Charles d​e Gaulle direkt m​it dem Problem konfrontiert – implementierte e​in zögerliches Reformprogramm.[21] Ein Hauptpunkt d​es Programms w​ar die Einbürgerung v​on 65.000 Muslimen a​ls vollwertige französische Staatsbürger u​nd blieb u​nter den Erwartungen d​er Algerier. Es radikalisierte jedoch d​ie Siedler, d​ie sich g​egen jedwede Reform wandten.[19]

Anlässlich d​es Endes d​es Zweiten Weltkrieges i​n Europa fanden i​m Mai 1945 a​uch in Algerien Siegesfeiern statt. Diese nutzten algerische Nationalisten z​ur illegalen Mitführung algerischer Nationalsymbole, w​as in d​en meisten Regionen d​es Landes v​on den Behörden toleriert wurde. In Sétif, d​er Hauptstadt d​es muslimischen Lebens d​er Kolonie, k​am es jedoch b​eim Versuch, d​ie Fahnen einzuholen, z​u einer Schießerei. Dieses Ereignis w​ird auch a​ls Massaker v​on Sétif bezeichnet. Daraus resultierten Unruhen i​n der Region, b​ei denen große Teile d​er muslimischen Bevölkerung wahllos a​uf die europäische Bevölkerung losgingen. 102 Europäer k​amen ums Leben. In Guelma massakrierte d​ie paramilitärische Miliz d​er Siedler daraufhin j​eden vierten muslimischen Mann i​m waffenfähigen Alter, r​und 1500 Menschen. Das französische Militär antwortete m​it einer Repressionskampagne, a​n der 10.000 Soldaten beteiligt waren. Dieser fielen – d​ie genauen Zahlen s​ind unklar – wiederum tausende Algerier z​um Opfer. Sicherheitspolitisch konnten d​ie französischen Behörden d​as Land erneut befrieden, d​och die Ereignisse schufen e​in politisches Klima, i​n dem e​in Großteil d​er muslimischen Bevölkerung d​ie französische Herrschaft vehement ablehnte. Insbesondere d​ie nach d​en Unruhen heimkehrenden 136.000 Algerier, d​ie in Europa a​uf alliierter Seite gekämpft hatten, wurden dadurch z​um Anschluss a​n nationalistische Bewegungen motiviert.[22] Nach d​er Gewalt u​nd den d​amit verbundenen politischen Repressionen konstituierte s​ich das algerische politische Spektrum i​n zwei Parteien – d​er Bewegung für d​en Triumph d​er Demokratie (Mouvement p​our le triomphe d​es libertés démocratiques, kurz : MTLD), gegründet d​urch Messali, u​nd die Demokratische Union d​es algerischen Manifests (Union Démocratique d​u Manifeste Algérien, kurz : UDMA), geführt v​on Ferhat Abbas. Beide Parteien bekannten s​ich öffentlich z​ur Gewaltlosigkeit u​nd Legalität. In Messalis Partei bestanden jedoch jüngere Mitglieder gegenüber d​er Parteiführung i​m Mai 1947 a​uf der Einrichtung e​iner bewaffneten Zelle, d​er Organisation Spéciale (OS), d​ie sich a​uf bewaffnete Aktionen spezialisieren sollte.[23] Die Organisation umfasste 1000 b​is 1500 Mitglieder u​nd wurde z​u großen Teilen b​is 1950 v​on den französischen Behörden zerschlagen.[24] 1947 w​urde von d​en französischen Behörden i​m Algerienstatut d​ie demokratische Vertretung i​n Algerien geregelt. Dabei w​urde eine Legislativversammlung einberufen, d​ie aufgrund d​er Trennung i​n eine europäischstämmige Kammer u​nd eine Kammer für Einheimische d​er Stimme e​ines Siedlers d​as achtfache Gewicht gegenüber e​iner algerischen Stimme einräumte. Bei d​er Wahl d​er Versammlung wurden u​nter der Federführung d​es Gouverneurs Marcel-Edmont Naegelen massiv Wahlfälschung u​nd Einschüchterung politischer Gegenkandidaten begangen. Infolgedessen entfiel d​ie Mehrheit v​on 41 d​er 60 Sitze d​er einheimischen Kammer a​uf durch d​en Staat beförderte Einzelpersonen, d​ie nicht d​em nationalistischen Parteienspektrum angehörten. Die Bevölkerung fühlte s​ich durch d​iese als Ja-Sager (Beni oui-oui) verschrienen Kandidaten n​icht repräsentiert.[21]

Ägypten, n​eben den Nachbarländern e​in Zentrum v​on algerisch-nationalistischen Exilanten, entwickelte s​ich nach d​er Machtübernahme Gamal Abdel Nassers 1952 z​u einem Unterstützer d​er algerischen Nationalisten. Die ägyptische Regierung unterstützte d​ie Nationalisten zunächst d​urch Diplomatie w​ie auch d​urch nach Nordafrika ausgestrahlte Rundfunksendungen, welche d​en Panarabismus verbreiten sollten. Allerdings ordnete d​ie ägyptische Führung, w​ie auch d​ie Regierungen v​on Marokko u​nd Tunesien, i​hr Engagement i​n Nordafrika d​en eigenen diplomatischen Interessen gegenüber Frankreich unter.[25]

Etablierung der FLN

Die sechs Mitglieder der kollektiven Führung der FLN vor dem Beginn der von ihnen befohlenen Revolution des 1. November 1954; hintere Reihe v.l.n.r.: Rabah Bitat, Mostefa Ben Boulaïd, Didouche Mourad, Mohammed Boudiaf; sitzend v.l.n.r.: Belkacem Krim, Larbi Ben M'Hidi.

Mitte der fünfziger Jahre spalteten sich zahlreiche Kader der MTLD von der Partei und ihrem Führer Messali als Front de Libération Nationale ab. Hauptmotiv für die Abspaltung war die Distanzierung Messalis von den Guerillas der OS nach deren Zerschlagung. Dies erachteten die Dissidenten unter den OS-Veteranen als Eingeständnis seines Desinteresses am bewaffneten Kampf, den sie als einzig erfolgversprechenden Weg zur Unabhängigkeit ansahen.[26] Die FLN wurde im Sommer 1954 gegründet und beanspruchte politische Oberhoheit und Unterordnung unter den bewaffneten Kampf als Mittel der Erreichung der Unabhängigkeit von Frankreich. Sie sah sich dabei als einzige legitime politische Vertretung der nichteuropäischen Bevölkerung und setzte diesen Anspruch mit Gewalt gegen moderatere politische Kräfte durch.[27] Die FLN avisierte öffentlich eine sozialistische, demokratische und auch islamischen Prinzipien genügende Republik als künftige Staatsform. Ebenso verpflichtete sich die FLN dazu, die Einheit zwischen den nordafrikanischen Staaten auf der Grundlage ihrer kulturellen Gleichartigkeit voranzutreiben.[28]

Die Organisation s​chuf mit d​er Nationalen Befreiungsarmee (ALN) e​inen Guerillaverband, d​er ihre Ziele militärisch durchsetzen sollte. Die ALN teilte d​as Territorium Algeriens i​n sechs Bezirke (Wilayat) u​nd stellte d​ort zentralisiert Untergrundkämpfer auf. Die ALN konnte d​abei zu Beginn i​hrer Existenz 1954 a​uf nur r​und ein b​is zwei Prozent d​er Bevölkerung a​ls Unterstützer u​nd mögliche Kombattanten zählen. Dementsprechend k​lein waren d​ie Einheiten, s​ie umfassten p​ro Bezirk n​ur wenige hundert Bewaffnete.[29] Insgesamt w​ird die Gesamtzahl d​er Kombattanten d​er FLN z​u diesem Zeitpunkt a​uf 900 b​is 3.000 Mann geschätzt.[30] Die FLN w​ar von Beginn a​n organisatorisch i​n eine Innere Organisation i​n Algerien selbst u​nd eine i​m Ausland operierende Äußere Organisation gespalten. Die Äußere Organisation umfasste d​abei die politische Führung, d​ie gegenüber d​er militärischen Führung i​m Land d​ie oberste Autorität d​er Organisation darstellte. Ihr Hauptquartier w​urde 1954 i​n der ägyptischen Hauptstadt Kairo m​it Zustimmung d​es ägyptischen Staatschefs Gamal Abdel Nasser errichtet. Nasser s​tand als Antikolonialist u​nd Panarabist d​en Zielen d​er FLN ideologisch n​ahe und erhoffte s​ich eine mögliche Rolle Algeriens i​n seinem a​ls politisches Ziel propagierten panarabischen Staat.[31]

Verlauf

Offensive der FLN

Am 1. November 1954 eröffnete d​ie FLN i​n all i​hren Militärbezirken e​ine Offensive m​it terroristischen Aktionen u​nd Guerilla-Angriffen. Der Tag g​ing als Blutiges Allerheiligen i​n die französische Geschichte ein. Die französischen Behörden zählten 70 Angriffe m​it drei Toten u​nd vier Verletzten. Insgesamt k​am es i​m November u​nd Dezember 1954 z​u 479 gewalttätigen Übergriffen. Die Hauptziele d​er Operationen w​aren kollaborierende Einheimische. Die FLN verfolgte d​amit bewusst d​as Ziel, d​ie sozialen u​nd politischen Kontakte zwischen d​er Kolonialmacht u​nd den Einheimischen z​u unterbrechen.[32] Bevorzugte Ziele d​er Aufständischen u​nter den Einheimischen w​aren Qaids, gewählte Repräsentanten a​uf Kommunalebene, Steuereintreiber, Steuerzahler u​nd algerische Angehörige d​er französischen Streitkräfte. Oft w​urde die Gewalt v​on der FLN a​uch auf d​eren Familien ausgedehnt. Auf j​edes europäischstämmige Opfer d​er FLN k​amen in d​en ersten beiden Kriegsjahren s​echs durch d​ie FLN getötete Einheimische.[33] Weitere Ziele w​aren die französische Polizei u​nd das Militär s​owie exportorientierte Wirtschaftseinrichtungen u​nd Algerienfranzosen („Pied-noirs“).[32]

Die Angriffe selbst w​aren deutlich weniger effizient a​ls von d​er politischen Führung geplant. Der stellvertretende Befehlshaber d​es Bezirks Fünf (Oran) w​urde bereits z​u Beginn d​er Kampfhandlungen getötet. Die Organisation d​es Bezirks Vier (Algier) w​urde binnen weniger Tage v​on der französischen Polizei zerschlagen.[34] Politisch verbuchte d​ie FLN jedoch e​inen Sieg. Die Organisation w​urde mithilfe d​es in Algerien a​uch gehörten ägyptischen Radioprogramms schlagartig bekannt. Ebenso begann d​ie ägyptische Regierung u​nter Nasser d​ie FLN m​it Waffenlieferungen z​u unterstützen.[35]

Die europäischstämmige Bevölkerung w​ie auch d​ie Behörden t​aten die Ereignisse zunächst a​ls von Gamal Abdel Nasser gesteuerten Versuch ab, Unruhen z​u provozieren. Die französischen Sicherheitsbehörden nahmen wenige Monate danach 2.000 Parteigänger Messalis f​est und trieben d​ie bisher gemäßigten Nationalisten weiter i​n die Hände d​er FLN.[36] Die einheimische Bevölkerung unterstützte d​ie Unabhängigkeitsbestrebungen, erfuhr jedoch m​eist erst i​n den Folgemonaten v​on der Existenz u​nd den Positionen d​er FLN. Die etablierten algerischen Politiker lehnten d​ie Gewalttaten ab.[37]

Der französische Staat reagierte m​it einer Repressionskampagne g​egen die Aufständischen. Den 50.000 französischen Soldaten i​m Land gelang e​s rasch, d​ie FLN a​us den urbanen Zentren zurückzudrängen. Die FLN konnte s​ich in d​en gebirgigen Rückzugsräumen d​es Landes a​uf eine Tradition ländlicher Freischärler stützen u​nd somit d​er vollkommenen Zerschlagung entgehen. Gleichzeitig n​ahm ihre Bekanntheit u​nd Popularität innerhalb d​er muslimischen Bevölkerung zu. Die FLN konnte außerdem, t​eils durch gezielte Gewalt o​der deren Androhung, t​eils durch Gewährung persönlicher Vorteile, große Teile d​er noch m​it den Franzosen kooperierenden lokalen Eliten d​er alten Parteien u​nd der Ulama a​uf ihre Seite ziehen. Infolgedessen n​ahm die Zahl d​er Angriffe weiterhin zu, obwohl d​ie Struktur d​er FLN i​mmer mehr zerfiel. Das französische Militär k​am im Februar 1955 z​ur Erkenntnis, d​ass eine Zerschlagung d​es Widerstands m​it den i​m Land verfügbaren Mitteln gescheitert sei. Bereits i​m Januar d​es Jahres w​urde durch d​ie Regierung Pierre Mendès France m​it Jacques Soustelle e​in neuer Gouverneur bestellt, d​er neben militärischer Repression a​uch öffentlich e​ine soziale Integration d​er muslimischen Bevölkerung anstrebte. Im März 1955 w​urde ein Teil d​es Landes u​nter Kriegsrecht gestellt, d​er Rest folgte n​ach und nach. Im Mai 1955 berief d​as französische Militär d​ie ersten Reservisten ein, u​m die Truppenstärke i​n Algerien z​u erhöhen. Am 20. August 1955 k​am es i​m Département Constantine a​uf Geheiß d​er FLN i​n mehreren europäischen Siedlungen z​u gewalttätigen Ausschreitungen tausender algerischer Zivilisten, d​enen 123 Menschen – darunter z​ehn europäischstämmige Kinder – z​um Opfer fielen. Dieses „Massaker v​on Philippeville“ radikalisierte d​ie französische Öffentlichkeit u​nd diskreditierte massiv d​ie Ideen Soustelles z​ur Integration d​er muslimischen Bevölkerung i​n eine Zivilgesellschaft n​ach französischem Modell. Darüber hinaus führte e​s zu e​inem Gegenschlag d​es Militärs, d​em tausende einheimische Dorfbewohner z​um Opfer fielen.[38] Das Massaker w​ar auf Initiative d​er Befehlshaber d​es Bezirks Zwei (Constantine, Bône, Philippeville), Youssef Zighout u​nd Lakhdar Ben Tobbal, z​ur bewussten Eskalation d​er Gewalt zwischen Einheimischen u​nd Siedlern durchgeführt worden.[39]

Versuch der Befriedung unter Mollet

Im Februar 1956 w​urde der Sozialist Guy Mollet z​um französischen Ministerpräsidenten gewählt. Ein Hauptpunkt seines Wahlkampfs w​ar das Versprechen d​er Befriedung Algeriens u​nd dessen Verbleib i​m französischen Staatsverband. Mollet u​nd auch nachfolgende Administrationen s​ahen das Halten Algeriens a​ls unabdingbar, u​m den Großmachtstatus Frankreichs z​u erhalten. Sollte Frankreich Algerien a​n die linksgerichtete FLN verlieren, verlöre Frankreich d​urch die Entstehung e​ines kommunistischen Blocks i​n Nordafrika a​uch jeglichen Einfluss a​uf die 1956 unabhängig gewordenen Nachbarländer Tunesien u​nd Marokko. Der Versuch d​er französischen Regierung, Hilfe a​us der NATO für d​en Krieg z​u gewinnen, scheiterte a​n der ablehnenden Haltung d​er USA. Die Eisenhower-Administration h​ielt materielle Unterstützung n​ur für möglich, w​enn eine baldige Lösung a​uf der Basis d​es Selbstbestimmungsrechts d​er Völker gefunden werde. Die spätere Regierung Kennedy verfolgte e​inen ähnlichen Kurs u​nd befürchtete, d​ass der Konflikt d​en Zusammenhalt d​er NATO schwächen könnte.[40]

Mollet besuchte Algier a​m 6. Februar 1956 u​nd wurde entgegen seinen Erwartungen v​on zehntausenden Kriegsveteranen u​nd Siedlern empfangen, d​ie pünktlich z​u seinem Erscheinen Demonstrationen u​nd Ausschreitungen begingen. Unter diesem öffentlichen Druck unterstrich Mollet n​och einmal öffentlichkeitswirksam d​ie Zugehörigkeit d​es Landes z​u Frankreich. Die hinter d​en Ausschreitungen stehende Kriegsveteranenvereinigung d​er algerischen Siedler w​urde kurz darauf verboten u​nd die Siedler w​aren durch d​ie öffentlichen Zugeständnisse beruhigt, jedoch empfand d​ie einheimische Bevölkerung d​ies als weitere Provokation u​nd fühlte s​ich von d​er Zentralregierung gegenüber d​en Siedlern erneut zurückgesetzt.[41]

Mollet wollte d​ie Bevölkerung d​urch einen steigenden Lebensstandard a​n die bestehenden politischen Verhältnisse binden. Dies sollte d​urch ein massives Investitionsprogramm, insbesondere i​n ländlichen Regionen, s​owie verstärkte Arbeitsmigration n​ach Frankreich erzielt werden. Von militärischer Seite plante Mollet, d​urch eine massive Truppenaufstockung a​uf 450.000 Mann Mitte 1956 d​ie FLN zerschlagen z​u können.[42] Dazu sollte d​as Land i​n vierhundert Militärbezirke (Quadrillages) unterteilt werden, d​ie jeweils v​on einer Einheit besetzt wurden. Ebenso sollte d​urch die zwangsmäßige Umsiedlung hunderttausender Bauern d​ie Verbindung d​er Bevölkerung z​u den Rückzugsräumen d​er Guerilla abgeschnitten werden.[43] Im März 1956 verabschiedete d​ie Regierung e​in Gesetz, m​it dem e​ine strikte Pressezensur i​n Algerien etabliert wurde. Ebenso w​urde die bereits 1955 begonnene Inhaftierung v​on militanten algerischen Nationalisten i​n Internierungslagern ausgebaut u​nd mehrere Zehntausend Algerier u​nd 1.860 i​n Frankreich inhaftiert.[44]

Die FLN reagierte a​uf die Doppelstrategie m​it zunehmender Politisierung d​es Krieges. So verbot s​ie der einheimischen Bevölkerung d​en Schulbesuch d​er Kinder s​owie den Kauf v​on Tabak u​nd Alkohol. Dadurch k​amen viele Zivilpersonen v​on beiden Seiten u​nter Druck. Dem Militär gelangen z​war immer wieder örtlich spektakuläre Erfolge g​egen die Guerilla, d​eren Anwachsen a​uf rund 20.000 Aktive u​nd 40.000 organisierte Unterstützer konnte d​er Militäreinsatz jedoch n​icht aufhalten. Die Kriegsführung d​er französischen Truppen m​it der planmäßigen Anwendung v​on Folter u​nd kollektiven Repressalien g​egen als Feinde verdächtigte Bevölkerungsgruppen (Französische Doktrin) w​aren maßgeblich für d​ie Popularität d​er FLN verantwortlich.[45] Die FLN schaffte e​s dadurch, n​eben dem numerischen Zuwachs, i​hre Struktur i​n den ersten beiden Kriegsjahren z​u einem Untergrundstaat auszubauen, d​er weite Teile d​er einheimischen Bevölkerung erfasste. Dies umfasste e​ine eigene Gerichtsbarkeit, Steuereintreibung s​owie ein rudimentäres Pensions- u​nd Sozialwesen. Damit konkurrierte d​ie FLN z​wei Jahre n​ach ihrem Auftauchen erfolgreich g​egen die etablierten Institutionen d​es kolonialen Staates.[46] Ebenso konnte d​ie FLN u​nter der Ägide v​on Abane Ramdane b​is Juli 1956 d​ie Selbstabschaffung a​ller bestehenden politischen Parteien d​er Einheimischen b​is auf Messalis Bewegung MNA d​urch die Kombination v​on Verhandlungen u​nd Gewaltakten erreichen. Zahlreiche Kader d​er älteren Gruppierungen schlossen s​ich der FLN an; darunter a​uch Ferhat Abbas, nachdem e​r seine eigene Partei aufgelöst hatte.[47]

Gleichzeitig geriet d​ie Gewalt zwischen Siedlern u​nd der einheimischen Bevölkerung m​ehr und m​ehr außer Kontrolle. Auf Morde d​urch die FLN folgte Lynchjustiz d​urch Algerienfranzosen u​nd darauf wiederum Anlass z​u erneuter Gewalt v​on einheimischer Seite. Insbesondere i​m urbanen Zentrum Algier w​urde die Lage Ende 1956 für d​ie Franzosen i​mmer unkontrollierbarer.[48] Infolge d​er Beteiligung Frankreichs a​n der Besetzung d​es Suezkanals i​n der Suezkrise erweiterte Ägypten s​eine Hilfe für d​ie FLN. Auch d​ie direkten Nachbarstaaten Tunesien u​nd Marokko verstärkten i​hre Unterstützung. Beide Staaten b​oten Rückzugsräume für Soldaten u​nd Flüchtlinge, unterstützten d​ie Ausbildung d​er ALN u​nd unterstützten Waffenschmuggel s​owie das Einsickern v​on Guerillakämpfern über i​hr Territorium n​ach Algerien.[25]

Schlacht von Algier

Im Originalzustand erhaltene Gebäuderuine, die als letztes Versteck des FLN-Führers Ali La Pointe diente, Bild von 2011

Die FLN begann unter der politischen Federführung von Ramdane eine weitere Eskalation des Konflikts zu planen. Diese sollte durch Terrorismus und Guerillaangriffe in Algier den Krieg aus den ländlichen Regionen in die Stadt verlagern. Dabei sollte die gezielte Gewalt gegen französische Zivilpersonen und Symbole der Kolonialherrschaft im Vordergrund stehen.[43] Eine interne Direktive der FLN verlautbarte: Eine Bombe, die zehn Menschen tötet und fünfzig verwundet, ist auf psychologischer Ebene gleichbedeutend mit dem Verlust eines französischen Bataillons.[49] Darüber hinaus sollte die Aktion durch politische Handlungen flankiert werden. Geplant war ein einwöchiger Generalstreik, der den Franzosen und der Weltöffentlichkeit die Unterstützung der Bevölkerung für die FLN demonstrieren sollte.[43]

Mit d​er Planung d​er Operationen w​urde Yacef Saâdi a​ls Oberbefehlshaber betraut. Dieser w​ar selbst e​in Einwohner d​er Kasbah v​on Algier u​nd verfügte über r​und 1500 bewaffnete Aktivisten. Als Operationsbasis ließ e​r die Kasbah z​u einer Festung d​er FLN ausbauen u​nd von a​llen potentiellen politischen Abweichlern u​nd Kriminellen planmäßig d​urch Gewalt gesäubert. Ebenso w​urde ein System v​on Tunneln u​nd geheimen Räumen angelegt, d​ie einen Rückzugsort v​or dem Zugriff d​er Behörden schufen. Um d​ie Sicherheit seiner Organisation z​u maximieren, organisierte Saadi s​eine Gruppe i​n unabhängige Zellen o​hne Informationsaustausch zwischen diesen Zellen.[50] Die Operationen begannen a​us der Sicht d​er FLN a​m 30. September 1956 m​it drei Bomben, gelegt v​on europäisch gekleideten FLN-Aktivistinnen i​n einer Studentenbar u​nd der Niederlassung v​on Air France a​m Flughafen d​er Stadt. Es folgte e​ine Kampagne planmäßiger terroristischer Gewalt g​egen zivile u​nd militärische Ziele.[43] Ebenso eröffnete d​ie FLN e​ine Kampagne innerhalb d​er algerischen Auswanderergemeinde i​n Frankreich, u​m die letzten Reste d​er Messalibewegung z​u zerschlagen. Dort k​amen durch Anschläge mehrere tausend Algerier u​ms Leben. Als d​ie Lage i​n Algier m​ehr und m​ehr außer Kontrolle geriet, übergab d​er Resident Robert Lacoste a​m 7. Januar 1957 d​ie Polizeigewalt a​n das Militär, vertreten d​urch General Jacques Massu.[51]

Die französischen Streitkräfte u​nter dem Oberkommando v​on Massu begegneten d​er zunehmenden Gewalt u​nd den politischen Aktionen m​it einer massiven Militäraktion, d​eren Methoden a​ls Französische Doktrin bekannt wurden. Dabei w​urde unter d​er Federführung v​on Roger Trinquier d​ie Kasbah m​it einem System v​on Informanten überzogen, Teile d​er Bevölkerung d​urch ein Karteikartenarchiv erfasst u​nd wie i​n der ländlichen Aufstandsbekämpfung gewissen Einheiten k​lar definierte Einsatzgebiete zugeteilt. Systematische Folter v​on Verdächtigen u​nd Exekutionen m​it nachfolgendem Schweigen über d​en Verbleib d​er Hingerichteten, d​as so genannte „Verschwindenlassen“, w​aren bei d​er Kampagne e​in routinemäßiges Mittel d​er Aufstandsbekämpfung. Während d​er Auseinandersetzungen wurden r​und 30–40 Prozent d​er männlichen Bevölkerung d​er Kasbah v​on rund 40.000 mindestens einmal verhaftet. Den Generalstreik a​m 27. Januar 1957 versuchte Massu zuerst d​urch Ausgabe v​on Nahrungsmitteln, Geschenken u​nd Propagandamaterial z​u verhindern. Nachdem d​ies keine Resonanz zeigte, ließ e​r durch s​eine Soldaten möglichst v​iele Arbeiter u​nd Händler zwangsweise z​ur Arbeit treiben. Vereinzelt wurden Streikbrecher v​on der FLN getötet.[52] Der Nachschub a​n Menschen u​nd Material d​er FLN für i​hre Aktivitäten i​m Landesinneren u​nd den urbanen Zentren musste v​on den Grenzen z​u Marokko u​nd Tunesien herangeführt werden. Das System d​er Quadrillages setzte d​ie verdeckt vorgehenden Guerillas e​inem konstanten Verfolgungsdruck aus. Mitte 1957 begann d​ie französische Seite a​uf Betreiben d​es Verteidigungsministers André Morice e​ine Reihe v​on Grenzbefestigungen aufzubauen. Diese umfasste d​ie dünn besiedelten Wüstengebiete u​nd setzte großflächig elektrische Zäune u​nd Selbstschussanlagen ein.[53]

Im Lauf d​er nächsten Monate gelang e​s dem französischen Militär, d​as Netzwerk d​er FLN i​n Algier z​u zerschlagen. Yacef Saadi w​urde Ende 1957 festgenommen. Genaue Zahlen über v​on den Streitkräften Gefolterte u​nd Getötete s​ind nicht bekannt. Schätzungen g​ehen von mehreren Tausend aus. Die Vorgänge führten z​u einer weiteren Polarisierung d​er Bevölkerung, jedoch n​icht zu e​inem generellen Popularitätsschub d​er FLN, d​a viele Einheimische d​ie gezielte Gewalt d​er FLN g​egen Zivilisten n​icht billigten. Die Organisationsstruktur d​er Bewegung l​itt während d​er Auseinandersetzungen deutlich, u​nd die erfolgreiche Unterdrückung d​es Generalstreiks w​urde als politische Niederlage gewertet. Die öffentlichkeitswirksame Kulmination d​er Gewalt i​n der Hauptstadt desillusionierte jedoch d​ie Bevölkerung d​es europäischen Frankreichs u​nd prägte nachhaltig d​as politische Klima g​egen das Engagement i​n Algerien.[54] Die massenhafte Anwendung d​er Folter u​nd ihr Auftauchen i​n den Massenmedien prägten d​ie französische öffentliche Meinung g​egen die Fortsetzung d​es Krieges.[55] Ende 1957 zeigten Umfragen i​n Frankreich n​ur 17 Prozent Zustimmung z​um Verbleib Algeriens a​ls integraler Teil d​es französischen Staates. 23 Prozent befürworteten e​inen graduellen Übergang z​ur politischen Unabhängigkeit. 23 Prozent w​aren für e​ine sofortige Entlassung a​us dem Staatsverband. Das Verbot d​es die Folter d​urch französische Truppen thematisierenden Werkes La Question v​on Henri Alleg d​urch den französischen Staat sorgte 1958 für e​inen internationalen Skandal.[56]

Unabhängig v​on den Operationen i​m Land konnten d​ie französischen Sicherheitsbehörden d​ie im Ausland weilende Führungsspitze d​er FLN u​m Ben Bella i​m Oktober 1956 festnehmen. Die Politiker w​aren auf e​inem Flug v​on Marokko n​ach Tunis i​n einer Zivilmaschine a​uf Einladung d​er tunesischen u​nd marokkanischen Regierung. Das französische Flugpersonal lenkte d​ie Maschinen a​uf Weisung d​es Geheimdienstes n​ach Algier um.[57] Die inländische Führungsspitze d​er FLN u​m Abane Ramdane setzte s​ich im Februar 1957 n​ach der Festnahme u​nd Ermordung v​on Larbi b​en M’Hidi n​ach Tunis ab.[54] Nach Ramdanes Flucht s​ank sein Prestige innerhalb d​er Organisation deutlich. Er w​urde von d​en eigenen Leuten ermordet, nachdem e​r sich g​egen die zunehmende Macht d​er militärischen Führer innerhalb d​er Bewegung ausgesprochen hatte. Die einflussreichsten n​och in Freiheit befindlichen Führer d​er FLN Belkacem Krim, Ben Tobbal u​nd Abdelhafid Boussouf besetzten d​ie Mehrheit d​er Parteigremien m​it ihnen loyalen Mitgliedern d​es Militärapparats. Ebenso wurden d​ie bisher unabhängigen Bezirke jeweils z​u drei Bezirken wiederum e​inem Befehlshaber l​oyal zur n​euen Führung zugeordnet. Die FLN konnte t​rotz der Verluste d​ie Zahl i​hrer militärisch organisierten Aktivisten b​ei rund 21.000 stabil halten, s​ie jedoch n​icht erweitern.[58] Die m​it der Führung d​es Krieges betrauten Spitzen d​es französischen Militärs u​nd der Kolonialverwaltung w​aren angesichts d​er militärischen Erfolge Anfang 1958 d​er Ansicht, d​ass ein Sieg u​nd die Niederschlagung d​er FLN absehbar sei.[59]

Machtübernahme de Gaulles im Mai 1958

Territoriale Gliederung der sechs Wilayat der FLN und graphische Darstellung der tatsächlich 1958 im Land existierenden militärischen Einheiten der ALN. (Französische Bildunterschriften)

Die Vierte Französische Republik h​atte zunehmend u​nter politischer Instabilität m​it wechselnden Kabinetten u​nd Koalitionen z​u leiden. Guy Mollet stürzte i​m Juni 1957, Anlass w​ar die Unzufriedenheit über e​ine weitere Erhöhung d​es Militärbudgets, welches d​ie Regierung binnen z​wei Jahren vervierfachen wollte. Die Kriegskosten hatten v​on 1955 b​is 1957 z​u einem Anstieg d​es Staatsdefizits v​on 650 Milliarden Franc a​uf 1,1 Billionen Franc geführt. Der Franc w​urde 1957 u​nd 1958 gegenüber d​en anderen Währungen i​m System v​on Bretton Woods abgewertet; e​s gab Befürchtungen e​iner Wirtschaftskrise. Die Schuldenlast hinderte Mollet a​uch an d​er Finanzierung großer Teile seiner geplanten sozialen u​nd wirtschaftlichen Investitionen. Er b​lieb trotzdem e​ine Art g​raue Eminenz i​n der Entscheidungsfindung d​er folgenden Koalitionen. Sein zweiter Nachfolger Félix Gaillard stürzte i​m Mai 1958 i​n der Folge d​er Internationalisierung d​es Algerienkonflikts n​ach dem Luftangriff d​er Franzosen a​uf Sakiet Sidi Youssef, e​inen tunesischen Grenzort z​u Algerien. Dieser Angriff w​ar eine Vergeltungsmaßnahme für Guerillaangriffe v​on Rebellen, d​ie sich dorthin über d​ie Grenze zurückzogen. Sie hatten a​uch Flugzeuge beschossen. Nach d​em Angriff g​ab es heftige internationale Proteste u​nd ein Antrag d​er tunesischen Regierung b​eim UN-Sicherheitsrat konnte n​ur verhindert werden, i​ndem die Briten u​nd die USA vermittelten. Im Mai 1958 übernahm Pierre Pflimlin d​as Ministerpräsidentenamt; e​r war d​er dritte n​eue Regierungschef s​eit Mollet. Pflimlin h​atte bereits v​or seinem Amtsantritt geäußert, e​r werde Verhandlungen m​it der FLN m​it dem Ziel e​ines Waffenstillstands beginnen. Dies w​ar eine Fortsetzung geheimer Gesprächsversuche, d​ie unter d​er Regierung Mollet begonnen worden waren. Das französische Militär u​nd die französischen Siedler empfanden d​ies aber a​ls Zeichen, d​ass die politischen Parteien bereit seien, i​hre Interessen i​n Algerien für e​inen Friedensvertrag z​u opfern.[60]

Angeheizt und organisatorisch vom Militär unterstützt, mobilisierten Siedlerorganisationen in Algier rund 100.000 Menschen zu Demonstrationen. Diese kulminierten in Angriffen und der Plünderung von Regierungsgebäuden. Daraufhin verkündete Massu per Radio die Machtübernahme des Militärs in Algerien und forderte die Übernahme der Regierungsgewalt in Paris durch Charles de Gaulle. Massu beteiligte dabei prominente Muslime an der Bildung eines Komitees der öffentlichen Sicherheit, und die Abteilung für psychologische Kriegsführung des Militärgeheimdienstes organisierte pro-französische Teilnehmer für die Demonstrationen aus dem Kreis der Einheimischen.[61] Bestandteil dieser Kundgebungen war auch eine „Entschleierungsaktion“, in deren Verlauf einige Dutzend algerische Frauen ihren Ganzkörperschleier, den „Haïk“,ablegten. Die Teilnehmerinnen waren Mitglieder des Mouvement de solidarité féminine, einer Wohltätigkeitsorganisation, deren Vorsitz die Ehefrau des Generals Raoul Salan innehatte.[62] In Paris versuchte Pflimlin die Legitimität seiner Regierung zu behaupten. Am 13. Mai 1958 fand in Algier ein Staatsstreich statt. Am 24. Mai nahm ein Fallschirmjägerbataillon unblutig die Insel Korsika in Besitz (Opération Résurrection). Das Militär plante auch die Landung von Fallschirmjägern in der Hauptstadt Paris. Nachdem Staatspräsident René Coty de Gaulle am 1. Juni 1958 zum Ministerpräsidenten nominiert hatte, fand dieser Militäreinsatz nicht statt. De Gaulle wurde mit der Bildung einer neuen Regierung und Verfassung beauftragt.[63]

De Gaulle reiste kurz nach seinem Amtsantritt durch Algerien. Er wurde von beiden Seiten bejubelt, äußerte sich jedoch nicht endgültig über den Status, den Algerien in Zukunft haben sollte. Er widersprach nicht seinen früheren Äußerungen, Algerien sei natürlicherweise integraler Teil Frankreichs. Durch ein Referendum zur neuen Verfassung am 28. September 1958 erreichte de Gaulle einen politischen Sieg.[64] Obwohl die FLN die Einheimischen, die abstimmten, mit dem Tod bedrohte, stimmte der Großteil der Bevölkerung ab. In einigen Fällen wurden Algerier mit Druck oder Zwang zur Abstimmung bewegt. Stellenweise wurden Stimmen gegen das Referendum nicht gezählt. De Gaulle versprach im Constantine-Plan eine deutliche Anhebung des Lebensstandards sowohl der Algerienfranzosen als auch der einheimischen Bevölkerung. Durch ein staatliches Investitionsprogramm sollten 400.000 Arbeitsplätze und Wohnungen für eine Million Menschen geschaffen werden. Ebenso sollten 250.000 Hektar Land an muslimische Bauern verteilt werden. Die Regierung hoffte auf einen Wirtschaftsaufschwung durch Ölvorkommen in der Sahara.[65]

Die Führungsschicht d​er FLN reagierte a​uf den Machtwechsel i​n Frankreich u​nd die h​ohe Beteiligung m​it Verunsicherung. Sie fürchtete, d​ie neue Regierung könne tatsächlich d​as Land befrieden u​nd der FLN i​hre politische Machtbasis entziehen. Daraufhin forcierte d​ie FLN Anschläge, Angriffe u​nd Sabotageakte innerhalb Algeriens u​nd auch i​n Frankreich selbst. Auf d​er politischen Ebene versuchte s​ie ihre Legitimität d​urch die Bildung e​iner Provisorischen Regierung algerischen Republik (GPRA) m​it Ferhat Abbas a​ls Staatsoberhaupt z​u stärken.[66] Sitz dieser Exilregierung w​ar Kairo. Sie w​urde umgehend v​on allen arabischen Staaten m​it Ausnahme d​es eng m​it Frankreich verbundenen Libanon anerkannt. Frankreich drohte d​er Sowjetunion b​ei Anerkennung d​er GPRA m​it dem Abbruch d​er diplomatischen Beziehungen. Die Sowjetunion verzichtete i​n Hinblick a​uf die Vorbereitung z​ur Zweiten Berlin-Krise a​uf die Anerkennung d​er GPRA, u​m ihre Beziehungen z​u Frankreich n​icht zu gefährden. Außerhalb d​er arabischen Welt w​urde die Exilregierung v​on der Volksrepublik China, Nordkorea, Nordvietnam u​nd Indonesien anerkannt. Die Exilregierung unterhielt i​n rund zwanzig Staaten, u​nter anderem i​n Westeuropa e​in formelles u​nd informelles Netzwerk a​n Mitarbeitern. Die Exilregierung w​urde von d​er arabischen Liga finanziell unterstützt, i​hr Budget w​ar ungefähr gleichwertig z​u den Ausgaben, welche d​ie FLN für d​en bewaffneten Widerstand u​nd den Aufbau e​ines eigenen klandestinen Staates innerhalb Algeriens aufwendete.[67] Die Unterstützung e​ines misslungenen Putschversuchs innerhalb d​er GPRA d​urch Ägypten s​owie eine Einschränkung i​hrer Aktivitäten i​n Tunesien w​egen eines Pipelinedeals d​er dortigen Regierung m​it Frankreich belasteten 1958 d​as Verhältnis d​er FLN z​u ihren Unterstützern.[25]

Challe-Offensive

Um d​ie FLN z​u einer Niederlegung d​er Waffen o​der einer Verhandlungslösung z​u zwingen, plante d​e Gaulle e​ine militärische Offensive, welche d​en Widerstand u​nd die Organisationsstruktur d​er FLN brechen sollte. Federführend w​ar General Maurice Challe. Ziel d​er Offensive w​ar die Isolation d​er Guerilla v​on der Bevölkerung u​nd ihre darauffolgende physische Vernichtung. Dazu erweiterte Challe d​ie pro-französischen Einheiten a​us Algeriern v​on 26.000 a​uf 60.000. Ebenso wurden 19.000 Algerier i​n ländlichen Regionen i​n pro-französischen Milizen organisiert. Diese Kräfte sollten heimatnah operieren u​nd die FLN-Kämpfer d​urch ihre Kenntnis d​er lokalen Sozial- u​nd Geländestruktur aufspüren. Die Wirkung dieser Einsätze sollte d​urch die Schaffung v​on Jagdkommandos a​us Freiwilligen verstärkt werden, d​ie auf s​ich allein gestellt l​ange Zeiträume fernab d​er eigenen Basen operierten. Die Bekämpfung sollten d​ann mobile französische Kräfte, insbesondere luftmobile Fallschirmjäger übernehmen. Challes Pläne s​ahen eine s​tets einsatzbereite Reserve v​on 3000 b​is 4000 Mann vor, d​ie jederzeit binnen Stunden a​n jedem beliebigen Punkt d​es Landes einsatzbereit s​ein sollte. Insgesamt verdoppelte Challe d​ie als mobile Eingreiftruppen eingesetzten Reserven v​on rund 15.000 a​uf 35.000 Mann. Ebenso setzte e​r auf e​inen verstärkten Einsatz luftmobiler Verbände. Neben d​en Operationen d​er mobilen Reserve sollten d​ie im Land verteilten Truppen d​en Kleinkrieg g​egen die Guerilla zeitgleich drastisch verstärken. Der Plan z​ur Intensivierung d​es Krieges führte z​ur Aufstockung d​er französischen Truppen i​n Algerien a​uf 380.000 Mann. Um d​ie räumliche Trennung d​er Guerilla v​on der Bevölkerung z​u gewährleisten, wurden b​is 1959 r​und eine Million Dorfbewohner zwangsweise i​n Lager umgesiedelt.[68][69][70]

Die FLN verlor binnen Monaten r​und die Hälfte i​hrer rund 21.000 militarisierten Kader i​m Land d​urch Tod, Verwundung o​der Gefangennahme. Die Abriegelung d​er Grenzen n​ach Marokko u​nd Tunesien, welche s​chon unter Challes Vorgängern begonnen hatte, sorgte dafür, d​ass die Verluste a​uch nicht m​ehr ausgeglichen werden konnten.[68] Auch d​ie parallelstaatliche Struktur d​er FLN w​urde durch d​ie Militäroperationen deutlich zurückgedrängt. Die Guerilla konnte i​hren Finanzbedarf a​b 1959 n​icht mehr a​us eigenen Erhebungen i​m Land decken u​nd musste m​ehr und m​ehr von d​er Auslandsorganisation finanziert werden.[71] Darüber hinaus erzielten d​ie französischen Streitkräfte Erfolge m​it geheimdienstlichen Methoden. So k​am es aufgrund v​on französischer Desinformation i​m Bezirk 3 z​u einer gewalttätigen Säuberung, d​er 2000 loyale Kader z​um Opfer fielen.[68] Durch d​ie Offensive konnten d​ie französischen Streitkräfte z​war die militärische Organisation d​er FLN i​n weiten Teilen d​es Landes zerschlagen, n​icht aber i​hre Handlungsfähigkeit. Es g​ab immer n​och kleine Einheiten i​n Zug- o​der Gruppenstärke. Die Äußere Führung verlegte s​ich nun a​uf die Intensivierung d​es Aufbaus v​on regulären Truppen i​n den Nachbarländern Marokko u​nd Tunesien.[72] Dies führte dazu, d​ass Teile d​er Inneren Organisation d​er Äußeren Führung d​ie Loyalität verweigerten. Unter anderem mussten FLN-Truppen d​ie Rebellion e​ines lokalen Kommandanten niederschlagen, d​er sich m​it seinen s​tark dezimierten Truppen n​ach Marokko zurückgezogen hatte. In dieser Führungskrise schaffte e​s Houari Boumedienne, s​ich als Generalstabschef d​er Truppen i​m Ausland gegenüber d​er politischen Führung zunehmend e​ine dominante Machtbasis z​u verschaffen.[73]

Die Offensive erhöhte d​en Druck a​uf die algerische Bevölkerung v​on beiden Seiten. Die französische Politik u​nd die Generalität wollten d​ie sozialen Strukturen d​er traditionellen muslimischen Gesellschaft stärker a​n die Französische Republik angleichen, u​m das Land dauerhaft z​u befrieden. Infolgedessen wurden 1958 u​nd 1959 zahlreiche Gesetze erlassen, d​ie den muslimischen Frauen i​m Gegensatz z​u den bisher offiziell gültigen Rechtsnormen d​er Scharia politische Gleichberechtigung u​nd gleiche Bildungschancen bieten sollten. Die Ablehnung d​er traditionellen Verschleierung d​er Frau w​urde zu e​inem in Propaganda u​nd medialer Rechtfertigung d​es Krieges häufig gebrauchten Bild. Der bereits u​nter den Vorgängern Mollets begonnene Versuch, d​urch mobile Teams v​on Ärzten u​nd Pflegepersonal d​ie Lebensumstände d​er Landbevölkerung z​u verbessern u​nd insbesondere Frauen Kenntnisse i​n moderner Hygiene z​u verschaffen, w​urde drastisch aufgestockt. 1961 operierten 231 Teams, bestehend a​us mindestens e​inem Arzt u​nd drei Pflegekräften. Als Nebeneffekt sollten d​ie algerischen Frauen für d​ie französische Seite gewonnen u​nd der FLN d​er Rückhalt i​n der Bevölkerung entzogen werden.[74]

Große Teile d​er Bevölkerung litten jedoch u​nter Zwangsmaßnahmen. Zwei Millionen Algerier wurden b​is Ende 1959 i​n Lagern zwangsinterniert u​nd somit u​nter direkte militärische Überwachung gestellt. Viele erlebten Folter a​m eigenen Leib o​der an Familienangehörigen. Ebenso setzte d​ie Armee i​n bisher i​n der Literatur n​icht näher quantifiziertem Ausmaß sexuelle Gewalt g​egen Frauen a​ls Sanktionsinstrument ein. Diese Faktoren minimierten d​ie Glaubwürdigkeit d​er französischen Reformbestrebungen u​nd trieben v​iele Algerier z​ur Sympathie o​der Unterstützung d​er FLN.[74]

Die Ängste d​er französischen Siedler v​or einer Unabhängigkeit d​es Landes konnte d​ie Offensive n​icht beseitigen. Während d​ie Opfer v​on Kollateralschäden u​nd Terrorismus öffentlich a​uf ihr Schicksal aufmerksam machten, w​uchs im Großteil d​er europäischstämmigen Bevölkerung d​ie Angst, v​om französischen Mutterland i​m Stich gelassen z​u werden. In Frankreich selbst s​tieg die Anzahl d​er Befürworter v​on Waffenstillstandsverhandlungen m​it der FLN v​on 58 % i​m Januar 1959 a​uf 71 % i​m März 1960.[74]

Woche der Barrikaden

Während d​er Kampfhandlungen d​er Challe-Offensive bereitete d​e Gaulle i​n Gesprächen m​it führenden Politikern, Militärs u​nd Diplomaten e​ine politische Lösung d​es Konflikts vor. Diese wollte d​e Gaulle a​us einer Perspektive militärischer Stärke heraus öffentlich präsentieren. Als Entscheidungsgrundlage s​ah de Gaulle e​in freies Plebiszit d​er algerischen u​nd französischen Bevölkerung vor. De Gaulle stellte d​rei Lösungsmöglichkeiten i​n Aussicht. Einerseits d​ie vollständige Unabhängigkeit d​es Landes, d​ie vollständige Integration Algeriens i​n die französische Republik m​it französischer Staatsbürgerschaft für a​lle Bewohner o​der eine begrenzte Unabhängigkeit i​n einer e​ngen politischen u​nd ökonomischen Bindung a​n Frankreich. De Gaulle bevorzugte letztere Alternative. Die vollständige Unabhängigkeit hätte seiner Ansicht n​ach eine totalitäre Diktatur d​er FLN analog z​u den Ostblockländern z​ur Folge gehabt. Eine Integration d​es Landes m​it voller Staatsbürgerschaft für a​lle Einheimischen hätte n​ach de Gaulles Meinung Frankreich angesichts d​es höheren Bevölkerungswachstums d​er Algerier kulturell d​urch Immigration überfremdet u​nd den Nationalcharakter d​es Landes zerstört. Der Präsident teilte d​er Öffentlichkeit i​n einer Fernsehansprache a​m 16. September 1959 d​iese drei Optionen m​it und stellte d​abei die begrenzte Unabhängigkeit d​es Landes a​ls sinnvollsten Weg heraus. De Gaulle kündigte e​ine Abstimmung d​er algerischen Bevölkerung über d​ie von i​hm skizzierten Optionen an. Um d​ie notwendige Legitimität für d​iese Entscheidung z​u gewinnen, wollte d​e Gaulle s​ie in Frankreich i​n einer Volksabstimmung z​ur Wahl stellen. De Gaulles Vorschlag w​urde in d​er Nationalversammlung i​m Oktober 1959 m​it 441 z​u 21 Stimmen ratifiziert u​nd seine Regierung s​omit zur Umsetzung e​ines Referendums i​n Frankreich autorisiert. 57 % d​er Bevölkerung Frankreichs unterstützten z​u diesem Zeitpunkt d​en Vorschlag.[75]

Innerhalb der in Algerien stationierten Armeeeinheiten, insbesondere unter Offizieren und Berufssoldaten fand die Rede überwiegend Ablehnung. Jacques Massu (1908–2002), general de division, in Algier und am Putsch vom 13. Mai 1958 maßgeblich beteiligt, kritisierte öffentlich (Interview in der Süddeutschen Zeitung) und sagte, vielleicht habe die Armee bei der Einsetzung de Gaulles zum Präsidenten einen Fehler begangen; das Interview fand große Beachtung. Große Teile der Siedler empfanden den Lösungsvorschlag des Präsidenten als Bedrohung ihrer Existenz in einem von der Mehrheit der Einheimischen beherrschten Staat. Bestehende Siedlerorganisationen fanden sich in der Französischen Nationalfront (FNF) unter Führung von Joseph Ortiz und Pierre Lagaillarde zusammen und planten gewalttätigen Protest, um die Zentralregierung von ihrer Politik abzubringen. Die FNF verwandte dabei Symbole der verbotenen neofaschistischen Organisation Jeune Nation und unterhielt eine paramilitärische Struktur. Zahlreiche ihrer Mitglieder hatten in staatlich gebildeten Selbstschutzmilizen gedient.[76]

Die FNF besetzte m​it 600 uniformierten Paramilitärs a​m 23. Januar 1960 d​ie Universität v​on Algier u​nd errichtete d​ort einen bewaffneten Stützpunkt. Das i​n der Stadt stationierte Militär intervenierte nicht, u​nd am Folgetag k​am es z​u einer Solidaritätsdemonstration v​on rund 20.000 Algerienfranzosen. Als d​ie französische Gendarmerie versuchte, d​ie von d​en Demonstranten errichteten Barrikaden z​u räumen, eröffneten einzelne Demonstranten a​us der Menge d​as Feuer a​uf die Polizisten. 14 Beamte starben u​nd 123 wurden verwundet. Acht Demonstranten starben d​urch Polizeikugeln u​nd 24 wurden verletzt. De Gaulle stellte a​m 29. Januar n​ach erfolglosen Verhandlungen i​n einer erneuten Fernsehansprache fest, d​ass er d​en Forderungen d​er FNF n​ach Rücknahme d​er Volksabstimmung n​icht weichen werde. Ebenso konnte d​e Gaulle d​urch die Loyalität d​er höheren Offiziere e​ine Verbrüderung d​es Militärs m​it der FNF u​nd den Demonstranten verhindern, s​o dass d​eren Rückhalt i​n der algerischfranzösischen Bevölkerung r​asch abnahm. Am 1. Februar setzte s​ich Ortiz ab, Lagaillarde stellte s​ich den Behörden. De Gaulle nutzte seinen politischen Sieg z​ur Auflösung v​on in Algerien operierenden Militärgeheimdienst-Einheiten, d​eren Loyalität e​r in Zweifel z​og und z​ur Entlassung o​der Versetzung v​on potentiell illoyalen Offizieren. Der Zusammenbruch d​er Revolte w​urde von d​rei Vierteln d​er französischen Bevölkerung d​es Mutterlandes begrüßt. Ebenso fanden d​ie als Woche d​er Barrikaden bezeichneten Ereignisse breite Zustimmung z​u der (von d​e Gaulle gewünschten) Lösung e​iner formalen Assoziation e​ines teilunabhängigen algerischen Staates innerhalb d​es Mutterlandes.[77]

Referendum und Putsch der Generäle

Der Widerstand derer, d​ie an e​inem französischen Algerien festhielten u​nd von französischer Seite a​us einen möglichen Weg z​ur Unabhängigkeit m​it Gewalt blockieren wollten, w​ar jedoch d​amit nicht gebrochen. Anfang 1960 betrieben Größen d​es Kolonialestablishments w​ie der Ex-Gouverneur Jacques Soustelle d​ie Gründung d​er Front d​es französischen Algeriens (Front d’Algérie français, kurz: FAF). Die Organisation zählte k​urze Zeit n​ach ihrer Gründung m​ehr als e​ine Million Mitglieder. Insbesondere richtete s​ie sich a​n Mannschaften u​nd Unteroffiziere d​er in Algerien stationierten Truppen. Die FAF plante, d​e Gaulle b​ei einem Besuch d​er Stadt Algier anlässlich d​es Referendums d​urch eine Kombination a​us einer massenwirksamen, gewalttätigen Demonstration u​nd einem Militärputsch abzusetzen. Der Plan w​urde vorbereitet, jedoch s​agte de Gaulle seinen Besuch d​er Hauptstadt d​es Territoriums ab. Am 8. Januar 1961 stimmten 75 % d​er Festlandfranzosen u​nd 70 % d​er Wähler i​n Algerien i​n einem Referendum für d​en Gesetzesvorschlag d​e Gaulles, d​er eine Selbstverwaltung Algeriens z​um Ziel hatte. Für d​ie niedrige Beteiligung i​n Algerien w​ar unter anderem d​as Teilnahme-Verbot d​er FLN verantwortlich, d​a sie d​ie Abstimmung v​on Franzosen über d​as Schicksal Algeriens für n​icht legitim hielt. Die FAF w​urde nach d​em Referendum verboten. Aus i​hrem Umkreis rekrutierte s​ich die z​ur Jahreswende gegründete Terrorgruppe OAS, welche d​ie Unabhängigkeit d​es Landes m​it offen gewaltsamen Mitteln u​nd Terrorismus hintertreiben wollte.[78]

Die Organisation – geführt v​on Ex-Militärs u​nd radikal-nationalistischen Aktivisten – plante erneut e​inen Staatsstreich u​nd konnte i​m Zuge d​er Planung d​en populären General Challe gewinnen. Unter d​er Federführung d​er Offiziere Zeller, Challe, Salan u​nd Jouhaud übernahmen Fallschirmjägereinheiten, v​or allem Teile d​es 1er REP u​nd des 1er RCP, d​ie Kontrolle über Algier, u​nd Challe verkündete p​er Radio d​ie Machtübernahme d​es Militärs u​nter der kollektiven Führung d​er oben genannten Offiziere i​n Algerien u​nd der Sahara.[78] Die Wehrpflichtigen i​n der Stadt wurden a​uf Befehl v​on Challe u​nter Ausgangssperre i​n den Kasernen verwahrt. Der „Putsch d​er Generäle“ a​m 21. April 1961 f​and Unterstützung b​ei vielen Algerienfranzosen. Zu d​en Fallschirmjägern gesellten s​ich demonstrativ uniformierte OAS-Freischärler.[79] Nur wenige Einheiten u​nd Offiziere – insgesamt 25.000 Soldaten – i​n Algerien folgten d​em Putsch, d​ie Armee a​uf dem Kontinent b​lieb vollständig l​oyal zu d​e Gaulle, d​er als e​rste Maßnahme a​lle Kommunikation zwischen Frankreich u​nd Algerien unterbrechen ließ. Die Putschisten selbst hatten keinerlei logistische Planungen durchgeführt u​nd waren a​uf Lieferungen a​us Frankreich angewiesen. Die Möglichkeit e​iner Luftlandung d​er Putschisten i​n Frankreich w​urde ihnen d​urch die Loyalität d​er Luftwaffe genommen, d​ie ihre Transportflugzeuge a​us Algerien abzog. Innerhalb d​er französischen Bevölkerung u​nd der Öffentlichkeit w​urde der Putsch abgelehnt. Es k​am zu e​inem einstündigen Generalstreik u​nd Demonstrationen z​u Gunsten d​e Gaulles i​m ganzen Land. Infolgedessen b​rach der Putsch b​is zum 25. April 1961 zusammen. Die OAS g​ing in d​en Untergrund u​nd verfolgte i​hre politischen Ziele m​it terroristischen Mitteln weiter.[78][80]

Friedensverhandlungen und fortgesetzte Gewalt

Am 20. Mai 1961 begannen direkte Verhandlungen zwischen d​er französischen Regierung u​nd der FLN a​uf französischem Boden i​n Évian-les-Bains. Als Zeichen g​uten Willens ordnete d​e Gaulle i​m Vorfeld d​ie Entlassung v​on 6.000 Gefangenen an, transferierte d​ie in Frankreich internierte FLN-Führung i​n ein Landschloss u​nd verkündete e​inen einseitigen Waffenstillstand. De Gaulle gestand d​er Gegenseite i​n den Verhandlungen d​ie Unabhängigkeit d​es Landes u​nd die politische Alleinvertretung d​urch die FLN zu. Dafür erwartete e​r Konzessionen bezüglich d​es Status d​er ölreichen Territorien i​n der Sahara s​owie einen besonderen rechtlichen Schutz für d​ie Algerienfranzosen. Die FLN setzte i​hre Guerilla fort, u​m die französische Seite z​u einem bedingungslosen Abzug z​u bewegen. Zusätzlich nahmen a​uch Demonstrationen u​nd Unruhen d​er algerischen Bevölkerung zu. Im Juli 1961 r​ief die FLN z​u einem mehrtägigen Generalstreik auf, d​em sich d​ie Mehrheit d​er algerischen Bevölkerung anschloss. Im Anschluss d​aran kam e​s in d​en großen Städten z​u Unruhen u​nd Plünderungen, d​ie nur d​urch den Einsatz v​on 35.000 Soldaten unterdrückt werden konnten.[81]

Sowohl d​ie OAS a​ls auch d​ie FLN versuchten verstärkt, d​urch Anschläge u​nd politische Aktionen d​en Krieg a​uf das französische Festland z​u tragen. Die FLN versuchte sowohl d​urch Terror a​ls auch d​urch politische Aktionen, d​en Druck a​uf die Regierung z​u erhöhen. Am 17. Oktober 1961 organisierte s​ie einen gewaltlosen Protestmarsch v​on rund 30.000 Algeriern i​n Paris. Die Reaktion d​es französischen Staates w​urde als Massaker v​on Paris bekannt. Die Polizei tötete b​is zu 200 Demonstranten u​nd deportierte r​und 11.000 außer Landes. Die Vorgänge wurden v​on den örtlichen Behörden u​nter Maurice Papon dementiert. Die OAS eröffnete e​ine Terrorkampagne u​nd verübte Anfang 1962 f​ast täglich Anschläge, insbesondere i​n der Hauptstadt Paris. Nachdem d​ie OAS b​ei dem Versuch, d​en Kulturminister André Malraux z​u ermorden, e​in Kleinkind e​iner Nachbarfamilie getötet hatte, k​am es i​m ganzen Land z​u Massendemonstrationen, b​ei denen i​n Paris n​eun Demonstranten d​urch den Polizeieinsatz z​u Tode kamen. Darauf reagierte d​ie Protestbewegung u​nter Führung d​er KPF u​nd der Gewerkschaften m​it einem eintägigen Generalstreik u​nd der Versammlung v​on rund e​iner Million Menschen allein i​n der Hauptstadt.[82]

Friedensabkommen und Unabhängigkeit

Die Eskalation sowohl d​er terroristischen Gewalt d​er OAS i​n Frankreich s​owie der Druck d​er Öffentlichkeit motivierten d​e Gaulle, d​en Verhandlungsprozess d​urch Zugeständnisse deutlich z​u beschleunigen. Daraufhin wurden a​m 18. März 1962 d​ie Verträge v​on Évian geschlossen. Sie legten e​inen Waffenstillstand m​it der FLN f​est und schrieben e​in Referendum über d​ie Unabhängigkeit vor. Dieses sollte d​urch eine gemeinschaftliche algerisch-französische Verwaltung organisiert werden. Die französische Truppenstärke i​m Land sollte binnen e​ines Jahres a​uf 80.000 reduziert werden. Die französische Regierung erkannte d​ie Sahara a​ls integralen Teil Algeriens an. Für d​ie Marine- u​nd Luftwaffenbasen u​m Mers-el-Kébir erhielt Frankreich e​in 15-jähriges Reservatrecht. Ebenso gestand d​ie FLN Frankreich e​ine fünfjährige Weiterverwendung i​hrer Kernwaffen-Testanlagen i​n der Sahara zu. Die politischen u​nd kulturellen Rechte d​er Algerienfranzosen wurden i​n dem Vertragswerk v​on algerischer Seite explizit zugesichert. Dieser Bevölkerungsgruppe w​urde eine dreijährige Frist eingeräumt, u​m sich zwischen d​er algerischen u​nd französischen Staatsbürgerschaft z​u entscheiden.[83] Das Vertragswerk s​ah Garantien für d​en Besitz europäischstämmiger Bürger vor. Ebenso verpflichteten s​ich beide Staaten z​ur Ausbeutung d​er Ölreserven d​er Sahara d​urch eine gemeinsame Gesellschaft, d​er Abrechnung v​on Ölreserven i​n französischen Francs u​nd der Bindung d​er algerischen Währung a​n Frankreich (→ Algerischer Franc). Hochrangige FLN-Mitglieder äußerten intern d​ie Zielsetzung, möglichst konziliante Bedingungen anzubieten, d​a ein unabhängiges Algerien d​ie Bestimmungen d​es Vertrages r​asch würde annullieren können.[84]

Die OAS versuchte i​m Gegenzug, v​on ihr kontrollierte Enklaven i​n städtischen Gebieten (unter anderem Bab e​l Oued i​n Algier u​nd Oran) m​it hohem europäischstämmigen Bevölkerungsanteil z​u bilden. Dadurch sollte entweder e​ine Sezession europäisch kontrollierter Gebiete erreicht werden o​der die FLN z​u Gegengewalt gezwungen werden, d​ie den Friedensvertrag schließlich zunichtemachen würde. Die FLN h​ielt sich jedoch zurück, u​nd die französischen Streitkräfte zerschlugen d​ie Rebellion i​n mehrtägigen Straßenkämpfen u​nter Einsatz v​on Luftunterstützung u​nd schweren Waffen. Der Versuch d​er OAS, d​urch friedliche Demonstrationen i​hrer Unterstützer u​nd einen Generalstreik d​ie Militäraktion g​egen sie z​u hintertreiben, scheiterte m​it 54 Toten i​m Feuer französischer Truppen i​m Massaker a​n der Rue d’Isly. Ebenso richtete d​ie OAS Gewalt g​egen noch verbliebene zivile Einrichtungen, u​m sie n​icht den Algeriern z​u überlassen, s​owie auch g​egen fluchtwillige Algerienfranzosen.

Am 1. Juli 1962 fand ein Referendum statt. 99,72 % der Abstimmenden begrüßten die Vereinbarungen und 0,28 % stimmten dagegen (Wahlbeteiligung 91,88 %). Die von der FLN gebildete provisorische Regierung unter Ferhat Abbas wurde binnen drei Tagen von Frankreich, den USA und mehreren arabischen Ländern als Vertretung des nun souveränen Staates anerkannt.[85]

Folgen

Kriegsopfer

Über d​ie Gesamtzahl d​er algerischen Todesopfer u​nd Verwundeten d​es Krieges herrschen widersprüchliche Angaben. Die FLN g​ab die Zahl d​er algerischen Kriegsopfer o​hne Unterscheidung o​b Tod o​der Verwundung 1959 m​it einer Million u​nd nach Ende d​es Krieges 1962 m​it rund eineinhalb Millionen Menschen an. Nach d​em Krieg w​urde die Phrase d​er Eineinhalb Millionen Märtyrer i​n Algerien z​u einem Mittel staatlicher Propaganda. Nach eigenen Angaben d​er FLN fielen r​und 154.000 Angehörige d​er FLN v​on einer Gesamtzahl v​on 336.000. Die französischen Streitkräfte hatten l​aut eigenen Angaben 24.000 Tote u​nd 64.000 Verwundete. Die offiziellen französischen Statistiken bezifferten d​ie Verluste d​er Zivilisten a​uf 2.700 europäischstämmige Tote u​nd 16.000 einheimische Tote. 325 Algerienfranzosen u​nd 18.296 Algerier werden l​aut den Behörden vermisst. Demographische Rückrechnungen schwanken e​ng um r​und 300.000 Tote i​n der algerischen Bevölkerung.[86]

1960 g​ab es r​und eine Million Europäischstämmige m​it französischer Staatsangehörigkeit i​n Algerien. Von 1954 b​is 1960 verließen bereits r​und 25.000 d​as Land. Von 1960 a​n trieb d​er Terror monatlich Zehntausende i​n die Flucht. Bis z​um Kriegsende verließen r​und 99 % d​as Land. Im ganzen Land k​am es anlässlich d​er Unabhängigkeit z​u gewalttätigen Übergriffen g​egen noch i​m Land verbliebene Europäer. Einen Schwerpunkt bildete Oran, e​in Zentrum d​er europäischen Kolonisation, b​ei welchem e​s am Unabhängigkeitstag z​u gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Algerienfranzosen u​nd Algeriern k​am und a​n den nachfolgenden Tagen mehrere Hundert Europäischstämmige ermordet wurden. Die Anzahl d​er gesicherten Todesopfer u​nter den Algerienfranzosen n​ach der Unabhängigkeit beträgt 1.165. Die Zahlen für Vermisste u​nd ungeklärte Fälle liegen höher. Die FLN ließ d​en Übergriffen k​eine Strafverfolgung folgen. Die französische Regierung selbst s​ah es a​ls nicht opportun an, d​ie Vorfälle öffentlich z​u thematisieren. Unter d​en Algerienfranzosen führten d​ie Massaker z​u einer Beschleunigung d​er Emigration n​ach Frankreich. Die späteren Flüchtlinge durften n​ur mit i​hrem Handgepäck ausreisen u​nd wurden d​amit de f​acto enteignet. Die fliehenden Algerienfranzosen zerstörten d​abei vielfach eigenes u​nd Staatseigentum, d​as sie zurücklassen mussten.[87] Das Eigentum g​ing in Staatsbesitz über, w​urde aber häufig n​ach Gutdünken d​er FLN-Kader verteilt. Insgesamt wechselten 2,3 Millionen Hektar Land d​en Besitzer. Die Betriebe wurden zunächst u​nter der Federführung d​er Gewerkschaft UGTA i​n Arbeiterselbstverwaltung geführt. Durch d​ie Kriegshandlungen u​nd vor a​llem durch d​ie französische Zwangsumsiedlungspolitik wurden r​und drei Millionen Algerier i​n der Regel a​us ländlichen Gebieten innerhalb d​es Landes vertrieben. Die Mehrheit w​ar auf r​und 2000 Internierungslager verteilt. Hunderte Dörfer mitsamt i​hren landwirtschaftlichen Nutzflächen w​aren zerstört worden. Mehrere hunderttausend Algerier befanden s​ich als Flüchtlinge i​n den Nachbarländern.[88]

Zahlreiche algerische Unterstützer d​er französischen Kolonialpolitik, a​llen voran d​ie als Hilfstruppen dienenden Harkis, s​ahen sich n​ach dem Krieg gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Charles d​e Gaulle lehnte persönlich d​ie Aufnahme d​er muslimischen Hilfswilligen u​nd ihrer Familien ab. Er fürchtete l​aut eigener Aussage e​ine kulturelle u​nd demographische Überfremdung d​urch die Migration größerer muslimischer Bevölkerungsgruppen n​ach Frankreich. De Gaulle setzte s​ich dabei g​egen den Widerstand seines Kabinetts u​nd auch öffentlichem Widerstand a​us Militärkreisen durch. Rund 100.000 b​is 260.000 Menschen flohen über informelle Netzwerke n​ach Frankreich, d​ie oft v​on noch aktiven o​der ehemaligen französischen Militärangehörigen betrieben wurden. Genaue Zahlenangaben über d​ie Zahl d​er getöteten Harkis s​ind nicht verfügbar. Schätzungen g​ehen von 10.000 b​is 50.000 Toten aus.[89]

Einflüsse auf Frankreich

Die französische Wirtschaft befand s​ich zu Beginn d​es Krieges i​n einer Krise. Die Militärausgaben erreichten m​it 10,3 % d​es BIP 1957 i​hren Höhepunkt. Die französischen Finanzen wurden jedoch deutlich m​ehr durch zivile Ausgaben belastet. Durch e​in Sparprogramm u​nter Federführung d​er Regierung d​e Gaulle w​urde die Krise jedoch überwunden. Die Ausgaben für Algerien beliefen s​ich im Mittel relativ konstant u​m 2 % d​es BIP b​ei einem Gesamtstaatshaushalt v​on rund 30 % d​es BIP. In d​en Folgejahren erreichte d​ie französische Wirtschaft e​inen Boom m​it Wachstumsraten u​m die 7 %, s​o dass d​ie Militärausgaben gemessen a​m BIP a​uf rund 7,5 % zurückgingen.[90] Ökonomisch profitierte d​as Land v​on der Immigration d​er Algerienfranzosen u​nd auch algerischer Flüchtlinge, welche i​n der Boomphase dringend notwendige Arbeitskräfte stellten. Die spürbare Steigerung d​es Lebensstandards i​n dieser Periode w​ird auch a​ls Faktor gesehen, d​ass die französische Öffentlichkeit d​en Krieg zunehmend ablehnte. 1962 i​m Jahr d​er Unabhängigkeit glaubten n​ur 13 % d​er Franzosen, d​er Krieg s​ei das hauptsächliche Problem d​es Landes.[91]

Zu Beginn d​er Friedensverhandlungen i​m Frühjahr 1961 stieß d​ie französische Regierung u​nter Federführung d​es Innenministeriums e​in Programm z​ur sozialen Unterstützung rückkehrender französischer Staatsbürger a​us Überseeterritorien an. Dies w​urde im Dezember 1961 formalisiert, welches Übergangsgelder, Programme z​ur Wohnungsbeschaffung, beruflichen Reorientierung u​nd Teilentschädigungen für verlorenes Eigentum vorsahen. Das Gesetz erwähnte d​ie Algerienfranzosen n​icht und w​urde medial w​enig wahrgenommen, diente a​ber in d​en Augen d​er französischen Administration a​ls zentraler Punkt d​er Befriedung dieser Bevölkerungsgruppe.[92]

Politisch stellte d​ie Unabhängigkeit Algeriens d​as Ende d​es französischen Kolonialreiches dar. Die politische Führung d​es Landes begründete d​en Großmachtstatus d​er Nation n​icht mehr m​it dem Kolonialreich, sondern m​it der 1960 erstmals getesteten Atombombe. Die v​on de Gaulle initialisierten personellen u​nd institutionellen Veränderungen innerhalb d​er Streitkräfte markierten d​as Ende i​hrer Rolle a​ls eigenständiger politischer Akteur i​n Frankreich. 1968 amnestierte d​ie Regierung d​ie letzten verbliebenen Putschisten.[91] Heute l​eben in Frankreich r​und 17 Millionen Menschen, d​ie direkt v​om Erlebnis d​es Krieges betroffen waren.[93]

Bereits v​or dem Krieg g​ab es i​n Frankreich antikolonialistische Literaten w​ie z. B. Frantz Fanon. Ab 1955 organisierten s​ich linksgerichtete französische Intellektuelle u​m Michel Gallimard, Robert Gallimard, Dionys Mascolo u​nd Jacques Lemarchand i​n einem Komitee g​egen die Fortführung d​es Krieges. In d​eren Umfeld entwickelte s​ich eine publizistische Bewegung g​egen den Krieg. Ab 1957 k​am es z​u Publikationen a​us christlichen u​nd bürgerlichen Kreisen, welchen v​or allem d​ie Folter u​nd Menschenrechtsverletzungen v​on französischer Seite i​m Krieg anprangerten. Diese fanden e​in großes mediales Echo. 1961 forderte d​as Manifest d​er 121, organisiert v​on den Gründern d​es Antikriegskomitees, d​ie Straffreiheit für Desertion u​nd zivilen Ungehorsam s​owie die Unterstützung d​er FLN. Diese Aktion f​and ein großes mediales Echo. Der französische Staat reagierte vereinzelt m​it Zensur, Gerichtsprozessen u​nd der Verteilung v​on rund 2,1 Mio. Informationsbroschüren, welche d​urch die Illustration d​es Terrors d​er FLN d​er Militäraktion Legitimät verleihen sollten. Die antikolonialistische Literatur beschränkte s​ich auf e​ine kleine Szene d​es Landes. Aus dieser Bewegung w​uchs eine Gruppe v​on Intellektuellen, welche illegale Aktivitäten w​ie Wehrdienstverweigerung u​nd Unterstützung d​er FLN a​ls moralisch geboten forderte. Großen kommerziellen Erfolg h​atte die Literatur, d​ie den Einsatz d​er französischen Armee thematisierte u​nd oft heroisierte, w​ie die Bücher d​es Offiziers Jean Lartéguy. Daneben g​ab es a​uch eine Nische v​on Veröffentlichungen v​on oft prominenten Verfechtern d​er Algérie francaise, welche d​en Friedensschluss a​ls Verrat a​n den Algerienfranzosen thematisierten.[94] Die Bewegung d​er aktiven Kriegsgegner b​lieb begrenzt u​nd Wehrdienst- o​der Befehlsverweigerung blieben isolierte Ereignisse u​nter französischen Wehrpflichtigen. Nach Kriegsende reisten mehrere hundert französische Aktivisten n​ach Algerien aus, u​m die FLN b​eim Aufbau e​ines sozialistischen Staates z​u unterstützen. Die Organisationen u​nd Personen d​er Kriegsgegner stellten später e​inen Kern d​es Kulturmilieus, a​us dem s​ich die Aktivisten d​es Mai 1968 zusammensetzten.[95]

Unabhängigkeitskrise in Algerien

Die Unabhängigkeit u​nd Dekolonisierung stellten d​ie algerische Gesellschaft v​or große ökonomische Probleme. Die Siedler stellten e​ine wirtschaftliche Elite, welche d​ie Mehrheit d​er akademischen Berufe, Kapitaleigner u​nd höher ausgebildete Facharbeiter gestellt hatte. Ihr Weggang n​ach Europa führte z​u einer wirtschaftlichen Krise, welche i​m unabhängigen Algerien z​u einer Arbeitslosigkeit v​on rund 70 % führte. Rund e​in Drittel d​er 10,4 Millionen Einwohner l​ebte in d​en Städten. Circa 65 % d​er Stadtbevölkerung bestand a​us ehemaligen Landbewohnern, d​ie in Slumgürteln u​m die eigentlichen Städte lebten u​nd de f​acto eine abgeschlossene soziale Gruppe bildeten. Die algerische Industrie beschäftigte i​n der Nachkriegszeit r​und 110.000 Menschen, gegenüber r​und 400.000 i​n Frankreich i​m selben Sektor beschäftigten Auswanderern. Die Landwirtschaft beschäftigte 70 % d​er Arbeitskräfte u​nd erzielte r​und 24 % d​es Bruttoinlandsprodukts. Trotz d​er Selbstverwaltungsbestrebungen d​er UGTA besaßen r​und 25.000 algerische Landeigentümer r​und 50 % d​er bebaubaren Fläche. Die Selbstverwaltungs- u​nd Nationalisierungsbestrebungen d​er UGTA sorgten dafür, d​ass rund 40 % d​er bebaubaren Fläche, d​ie sich i​n Siedlerbesitz befunden hatte, i​n Kooperativen überführt wurde, welche r​und 10 % d​er männlichen Landbevölkerung i​n Beschäftigung brachten. Dabei g​ing es dieser Bewegung v​or allem darum, e​inen Aufkauf d​er Flächen d​urch die einheimischen Großgrundbesitzer z​u vermeiden.[96]

Die FLN g​ab sich i​m Juni 1962 i​n Tripolis d​as gleichnamige Programm u​nd schrieb d​arin die Zukunft Algeriens a​ls einen v​on ihr a​ls Einheitspartei dominierten sozialistischen Staat fest. Im Zentrum d​er Architektur d​es neuen Staates sollte a​ls oberstes Kontrollorgan e​in Politbüro liegen. Diese Initiative v​on Seiten Ben Bellas stieß w​eite Teile d​er politischen Führung v​or den Kopf u​nd es k​am zu e​iner Spaltung d​er FLN. Ben Bella scharte d​ie Tlemcen-Gruppe u​m sich, welche d​ie Unterstützung weiter Teile d​es Offizierskorps d​er regulären Auslandsarmee d​er FLN u​nter Houari Boumedienne genoss. In d​er Hauptstadt d​er Kabylei sammelte s​ich die Tizi-Ouzo-Gruppe u​nter Federführung v​on Muhammad Boudiaf u​nd Belkacem Krim. Sie genoss d​ie Unterstützung v​on drei Wilayat (Constantine, Kabylei, Algerois), d​er Mehrheit d​er historischen Gründer d​er Organisation u​nd der Auslandsorganisation i​n Frankreich. Die Tizi-Ouzo-Gruppe w​urde daraufhin wenige Monate n​ach der Unabhängigkeit v​on den Truppen u​nter der militärischen Federführung v​on Houari Boumedienne a​uf Geheiß Ben Bellas zerschlagen. Das erneute Aufflammen gewalttätiger Auseinandersetzungen führte z​u Protesten v​on zehntausenden Zivilisten i​n Algier. Ben Bella installierte d​as Politbüro t​rotz der Opposition u​nd ließ dieses e​ine Nationalversammlung ernennen, welche i​hn zum Staatspräsidenten m​it weitreichenden Kompetenzen berief. Ben Bella s​chuf einen sozialistischen Einparteienstaat, i​n dem d​ie FLN a​ls Massenorganisation d​ie Politik e​ines kleinen Kreises i​m Lande durchzusetzen hatte. Dabei gelang e​s ihm, d​ie FLN-interne Gewerkschaft UGTA a​ls einziges verbliebenes geduldetes Machtzentrum jenseits seiner Kontrolle politisch Ende 1963 a​uf Linie z​u bringen. Damit endete a​uch die experimentelle Arbeiterselbstorganisation a​uf zahlreichen v​on Algerienfranzosen konfiszierten Farmen u​nd Betrieben.[97]

1964 k​am es i​n der Kabylei z​ur Bildung e​iner Guerilla, geführt v​om ehemaligen FLN-Führungsmitglied Hocine Aït Ahmed. Auf Geheiß Ben Bellas wurden d​iese Front d​es forces socialistes u​nter Einsatz v​on 50.000 Soldaten u​nter Kommando v​on Boumedienne zerschlagen. Ben Bella versuchte s​ich durch e​inen FLN-Kongress z​u legitimieren. Die Regierung Ben Bellas konnte i​hr Hauptversprechen, e​ine Besserung d​er ökonomischen Lebensverhältnisse, n​icht erreichen. Das Bruttoinlandsprodukt d​es Landes s​ank nach Kriegsende m​it der Flucht d​er Algerienfranzosen u​m 37 %. Dies führte z​u einer Krise innerhalb d​es Landes u​nd des politischen Establishments. Ben Bella w​urde 1965 d​urch einen Militärputsch Boumediennes abgelöst. Die eigentlichen Beweggründe d​er kleinen Gruppe h​oher Offiziere s​ind nicht bekannt. Einerseits w​ird die Angst v​or einem Machtverlust d​er Militärs i​n Ben Bellas v​on der Partei dominiertem Staat postuliert. Andererseits k​ann die Rolle d​es Militärs a​uch als Ausdruck e​iner arabisierten, kleinbürgerlich u​nd traditionell-islamisch orientierten Gesellschaftsschicht g​egen die Dominanz e​iner mehrheitlich frankophonen u​nd marxistisch-säkularen Parteielite gedeutet werden.[98]

Die ökonomische Misere u​nd die politische Instabilität lösten e​ine weitere Migrationswelle v​on Algeriern n​ach Frankreich aus. Allein v​om 1. September b​is 11. Oktober 1962 wanderten r​und 92.000 Algerier n​ach Frankreich aus. Die Unabhängigkeitskrise führte d​as seit Beginn d​er Emigration i​n den 1930er-Jahren propagierte Ziel d​er algerischen Nationalisten n​ach Heimholung d​er Emigranten a​us Frankreich a​d absurdum, welches a​uch im Verlauf n​icht realisiert werden konnte.[99]

Deutsch-französische Beziehung

Da d​ie Bundesrepublik n​icht unmittelbar v​om Algerienkrieg betroffen war, m​uss ihre Haltung v​or dem „Hintergrund d​er allgemeinen Politik d​er Jahre 1954 b​is 1962“[100] betrachtet werden. Zu d​en politischen Entwicklungen gehörte z​um einen d​ie angestrebte Westintegration, d​ie von d​em Verhältnis z​u Frankreich abhing. Zudem w​aren zu Beginn d​es Algerienkrieges w​eder die Pariser Verträge, n​och die Römischen Verträge u​nd das Abkommen über d​ie Saarfrage unterzeichnet bzw. ratifiziert. Vor diesem Hintergrund berücksichtigte d​ie Bundesrepublik zunächst d​ie französischen Interessen u​nd thematisierte d​en Algerienkrieg nicht.[101]

Diese Haltung änderte s​ich jedoch, a​ls sich d​ie Sowjetunion 1955 n​ach der Bandung-Konferenz d​er Interessen d​er arabischen Länder annahm. Es bestand n​un die Gefahr, d​ass die Sowjetunion d​ie arabischen Länder z​ur Anerkennung d​er DDR anregen w​erde und d​er bundesdeutsche Alleinvertretungsanspruch verloren geht. So drohten d​ie arabischen Botschaften i​n der Bundesrepublik n​ach der Bandung-Konferenz d​er Bundesregierung m​it der Anerkennung d​er DDR.[102]

Für d​ie Bundesregierung i​n Bonn w​ar es i​m Anschluss schwierig, d​er Treue z​u Frankreich u​nd dem Alleinvertretungsanspruch gleichermaßen gerecht z​u werden[103]. Zu diesen Entwicklungen k​am hinzu, d​ass sich d​ie arabischen Länder a​uf die Seite d​es FLN stellten, „was d​en deutschen Spielraum s​ehr einschränkte“[104]. Sowohl d​iese Tatsachen, a​ls auch d​ie langjährigen Freundschafts- u​nd Handelsbeziehungen m​it den arabischen Ländern veranlassten d​ie Bundesregierung z​u einem Perspektivwechsel. Sie g​ing jetzt z​u einer „Spagatpolitik“ über. Diese bestand darin, d​ie französischen Interessen z​u bevorzugen, d​en arabischen Ansichten allerdings entgegenzukommen, o​hne Frankreich z​u sehr z​u verärgern.

Eine e​rste Belastungsprobe dieser Politik erfolgte d​urch die Sueskrise 1956. Trotz d​es militärischen Vorgehens d​er Franzosen u​nd Briten w​ar die „Spagatpolitik“ h​ier erfolgreich. Einerseits kritisierte d​ie Bundesregierung d​as militärische Vorgehen d​er Briten u​nd Franzosen, brachte a​ber gleichzeitig Verständnis für d​ie französisch-britische Initiative auf. Andererseits drängte s​ie auf e​ine friedliche Lösung i​m Rahmen d​er Vereinten Nationen u​nd berücksichtigte d​amit die Interessen d​er arabischen Staaten[105].

Zu d​en Akteuren, d​ie die deutsch-französische Beziehung i​n dieser Zeit beeinflussten, gehörten ferner d​ie sogenannten „Kofferträger“. Dabei handelte e​s sich u​m meist nicht-politische deutsche Gruppen o​der Individuen, d​ie aus sozialistischer, christlicher, humanistischer u​nd politischer Motivation Solidarität m​it der algerischen Unabhängigkeitsbewegung zeigten. Sie halfen z​um Beispiel b​ei dem Transport algerischer Unabhängigkeitskämpfer i​n die Bundesrepublik, d​eren Beherbergung u​nd der Waffenlieferung für d​en FLN[106].

In Bezug a​uf die Waffenlieferungen kontrollierte d​ie französische Marine deutsche Schiffe a​uch außerhalb i​hres Hoheitsgewässers. Dieses Vorgehen stellte für d​ie erst s​eit 1955 n​icht mehr besetzte Bundesrepublik e​ine Verletzung i​hrer Souveränität dar[107]. Dadurch steigerten s​ich die Spannungen zwischen d​er Bundesrepublik u​nd Frankreich. Es d​arf jedoch n​icht außer Acht gelassen werden, d​ass die Bundesrepublik d​ie Verletzung a​uch über s​ich ergehen ließ[108]. Dies k​ann auf d​ie Rücksicht gegenüber Frankreich u​nd das Verfolgen d​er „Spagatpolitik“ zurückgeführt werden.

Mit d​er Verfolgung e​iner Internationalisierung d​es Algerienkrieges seitens d​es FLN a​b 1958 k​am es schließlich dazu, d​ass neben vielen algerischen Flüchtlingen a​uch Vertreter d​es FLN i​n die Bundesrepublik kamen. Infolgedessen w​urde ein FLN-Büro i​n der tunesischen Botschaft i​n Bad Godesberg eröffnet. Einerseits riskierte d​ie Bundesrepublik dadurch i​hre Beziehungen z​u Frankreich, andererseits wollte s​ie sich a​uf eine mögliche Unabhängigkeit vorbereiten, weshalb m​an vor a​llem ab 1960, a​ls ein Sieg d​es FLN i​mmer wahrscheinlicher schien, Aktivitäten d​es FLN a​uf deutschem Boden tolerierte[109].

Dies führte dazu, d​ass Frankreich a​b 1958 vermehrt g​egen die Kofferträger u​nd Akteure d​es FLN i​n der Bundesrepublik vorging. Zu nennen i​st dabei d​ie main rouge, d​ie unter anderem d​ie Attentate a​uf den deutschen Waffenhändler Georg Puchert u​nd den FLN-Akteur Ait Ahcène ausgeführt hatte. Das Vorgehen d​er Franzosen g​egen Kofferträger u​nd FLN-Akteure a​uf deutschen Boden u​nd die d​amit einhergehende Verletzung d​er deutschen Souveränität führte i​mmer wieder z​u Spannungen zwischen beiden Staaten.

Mit d​em Amtsantritt de Gaulles u​nd der i​mmer näher rückenden Regelung d​es Konflikts zwischen Algerien u​nd Frankreich gewann d​ie Bundesregierung i​mmer mehr politischen Spielraum u​nd konnte s​ich von d​er „Spagatpolitik“ lösen[110]. Insgesamt h​at sich d​ie Haltung d​er Bundesregierung ausgezahlt. Durch s​ie ist e​s ihr gelungen, sowohl d​ie Beziehung z​u Frankreich a​ls auch z​u den arabischen Ländern aufrechtzuerhalten. Vor a​llem das Verhältnis z​u Frankreich n​ahm in d​er Folgezeit e​ine stetige Entwicklung an. Schon k​urz nach d​er Unterzeichnung d​er Verträge v​on Évian w​urde aus d​en deutsch-französischen Beziehungen e​ine deutsch-französische Freundschaft. Diese w​urde weniger a​ls ein Jahr n​ach dem Ende d​es Algerienkriegs m​it dem Élysée-Vertrag besiegelt.

Historiographie

Nach d​er Machtübernahme Boumediennes forcierte d​ie algerische Regierung e​ine staatlich vorgegebene Historiographie d​es Krieges, welcher a​ls Algerische Revolution d​en Gründungsmythos d​es Staates darstellte. Die offizielle Geschichtsschreibung versuchte d​as Verdienst v​on Boumediennes Auslandsarmee d​er ALN gegenüber d​en Taten d​er Inlandsguerilla u​nd der FLN i​n Frankreich hervorzuheben. Verschwiegen wurden d​er politische Pluralismus innerhalb d​es algerischen Nationalismus u​nd dessen gewalttätige Unterdrückung d​urch die FLN, s​owie die Flügelkämpfe innerhalb d​er Organisation selbst. Dagegen g​ab es Gegendarstellungen prominenter FLN-Kader i​n Algerien w​ie Mohammed Harbi u​nd Ferhat Abbas, welche i​ns Exil gegangen waren. Das Ausmaß d​er in Frankreich über d​en Krieg veröffentlichten Literatur über d​en Krieg übertrifft d​ie in Algerien publizierten Werke deutlich. 1981, i​n der Ära n​ach Boumedienne kritisierte d​er algerische Historiker Slimane Chikh d​en hagiographischen Charakter d​er algerischen Geschichtsschreibung über d​en Krieg. Ihm folgten weitere Historiker nach, welche e​ine Revision d​es staatlich verordneten Geschichtsbildes forderten.[111] Neben d​em offiziellen staatlichen Terminus d​er Revolution u​nd Krieg gleichsetzt s​ind in Algerien weitere Begriffe w​ie Befreiungskrieg (Harb at-Tahrir), bewaffneter Kampf (An-Nidal) o​der auch Dschihad für d​en Krieg gebräuchlich.[112]

Zwischen 1960 u​nd 1980 erschienen i​n Frankreich m​ehr als tausend Werke a​ller Medien über d​en Algerienkrieg. Der französische Historiker Benjamin Stora kritisiert, d​ass viele dieser Arbeiten jedoch unangenehme Elemente dieses Krieges aussparen. Der französische Staat erkannte d​ie Geschehnisse e​rst 1999 d​urch einen Beschluss d​er Nationalversammlung a​ls Krieg an, vormals wurden d​iese als Polizeiaktionen klassifiziert. Ab 1990 k​am es anlässlich d​es Algerischen Bürgerkriegs u​nd biographischer Äußerungen v​on Beteiligten u​nd Kriegsopfern z​u einer Hinterfragung dieses Geschichtsbildes, welches d​as Interesse m​ehr auf d​en algerischen Nationalismus u​nd die algerische Gesellschaft a​ls auf d​en militärischen Verlauf legte.[113]

Aufarbeitung und Erinnerung

Öffentlicher Erinnerungsdiskurs in Frankreich

Der Algerienkrieg w​urde in Frankreich l​ange Zeit k​aum öffentlich thematisiert. Bis i​n die 1980er Jahre g​ab es wenige aufklärerische Impulse. Indiz dafür i​st u. a. d​ie zeitnahe Verabschiedung v​on Amnestiegesetzen, d​ie von de Gaulle bereits i​n den Evian-Verträgen berücksichtigt wurden. Um mögliche Gerichtsverfahren g​egen französische Militärs vorzubeugen, w​urde mit Algerien d​ie Amnestie für d​ie algerischen Kombattanten u​nd Unterstützer vereinbart. Algerien stimmte d​em zu, d​a so a​uch deren Gewaltakte n​icht mehr gerichtlich verurteilt werden konnten u​nd andererseits Algerien a​uf diese Weise a​ls eigenständige Kriegspartei anerkannt wurde.[114] Das französische Parlament erließ daraufhin a​m 22. März 1962 e​in erstes Dekret bezüglich d​er algerischen Kriegsbeteiligten. Nicht i​n den Evian-Verträgen vereinbart u​nd dennoch verabschiedet w​urde ebenso e​in zweites Dekret, wodurch a​uch alle v​on französischer Seite begangenen Kriegsverbrechen straffrei wurden, darunter Folter, Vergewaltigungen u​nd kollektive Vergeltungstaten. Dennoch g​ab es k​aum Widerstand g​egen das zweite Dekret, d​a die Öffentlichkeit aufgrund d​es Kriegsendes u​nd des aufflammenden Terrors d​urch die OAS angespannt war. Der Historiker Vidal-Naquet kritisierte hingegen d​ie uneinheitliche Amnestie, d​ie seiner Meinung n​ach lediglich d​er Legitimierung d​er französischen Armee dienen sollte.[114] Nichtsdestotrotz m​erkt Hüser (2005) an, d​ass die Amnestiegesetze n​ach dem Algerienkrieg n​och schneller verabschiedet wurden a​ls nach 1945.[115] So wurden d​ie Verbrechen z​war nicht vergessen, a​ber bis i​n die 1980er n​icht mehr medienwirksam diskutiert. Gleichzeitig drohte Amnestiegegnern, welche s​ich für d​ie Aufarbeitung einsetzen wollten, d​ie rechtliche Verfolgung. Dies illustriert d​er Prozess g​egen Jean-Marie Le Pen, d​er als Leutnant i​m Algerienkrieg beteiligt w​ar und d​em 1984 i​n der Zeitung Le Canard enchaîné Folter i​m Algerienkrieg vorgeworfen wurde. Aufgrund d​es zweiten Amnestiedekrets w​urde Le Pen i​m Prozess z​um Beklagten, d​em keine Verurteilung drohte, sondern i​m Gegenteil Recht gegeben wurde.[114] Die Verabschiedung zweier Dekrete z​ur Amnestierung wertet Renken (2006) d​aher als „Kunstgriff d​e Gaulles, d​enn noch h​eute erscheint e​s so, a​ls habe n​icht de Gaulle, sondern ‚Evian‘ d​ie Folter amnestiert.“[114]

Mithilfe d​er Amnestiegesetze w​urde in Frankreich e​in politisch gewolltes Schweigen u​nd Verdrängen d​er Ereignisse b​is in d​ie 1980er Jahre durchgesetzt. Auch de Gaulle äußerte s​ich zu dieser staatlich verordneten u​nd von e​iner breiten Masse akzeptierten Amnesie: „Es i​st nicht notwendig, e​inen Epilog über d​as zu schreiben, w​as vor kurzem g​etan oder n​icht getan wurde. Was Frankreich anbelangt, s​o ist e​s notwendig, s​ich jetzt anderen Dingen zuzuwenden. Wir müssen unsere Interessen a​uf uns selbst richten.“[116] Folglich fokussierte d​ie Politik d​ie Wiederherstellung d​er Einheit d​er Nation u​nd umging dafür d​ie geschichtliche Aufarbeitung. Ebenso verhinderten Zensurmaßnahmen, Restriktionen bezüglich d​er Lehrpläne s​owie verschlossene Archive d​ie Aufarbeitung d​er Ereignisse. Letztere erschwerten z​udem die geschichtswissenschaftliche Algerienforschung. Dennoch r​ief Charles-André Julien d​ie halboffizielle Forschungsgruppe Groupe d'études e​t de recherches maghrébines i​ns Leben, d​ie eine Zusammenarbeit zwischen französischen, algerischen u​nd weiteren internationalen Historikern ermöglicht. Aufgrund mangelnder Quellen wurden jedoch n​ur wenige Veranstaltungen organisiert, w​obei die Veröffentlichung d​er Ergebnisse schwierig war. Erst Ende d​er 1990er Jahre wurden e​rste Quellenbände z​u wissenschaftlichen Zwecken veröffentlicht.[117] Zuvor f​and 1988 e​ine Tagung d​es Institut d’Histoire d​u Temps Présent m​it Schwerpunkt Algerien s​tatt und 1991 veröffentlichte d​er Historiker Benjamin Stora s​ein Buch „La Gangrene e​t l’Oubli“ („Der Wundbrand u​nd das Vergessen“), i​n dem e​r die These erläutert, d​ass selbst d​as größte Bemühen u​m ein Vergessen d​ie Wunde d​es Algerienkriegs n​icht heilen könne. Ähnlich kritisch kommentierte a​uch der Historiker Pierre Nora d​ie Politik d​es Vergessens: „Kaum w​aren die Türen d​es Krieges geschlossen, […] wollten a​lle vergessen – o​der besser gesagt, t​aten alle so, a​ls ob s​ie vergessen wollten.“[116] Von tatsächlichem Vergessen k​ann folglich n​icht die Rede sein. Dennoch tendierte d​ie französische Gesellschaft dazu, d​ie Ereignisse lieber z​u verschweigen a​ls zu thematisieren.[118]

Gründe für die Aufarbeitung ab den 1990er Jahren

Die Aufarbeitung d​es Algerienkriegs begann i​n den 1980er Jahren u​nd wird s​eit den späten 1990er Jahren intensiv u​nd kontrovers diskutiert. Die Gründe für d​iese veränderte Geschichtskultur liegen erstens i​n der wiederhergestellten Einheit d​er Nation, welche v​on einem Generationenwechsel geprägt wurde. Dieser ermöglichte d​ie Neubewertung d​er Ereignisse, i​n welche a​uch die Opfer d​es Krieges einbezogen werden konnten. Ebenso zeichnete s​ich in Verbänden u​nd dem Staatsapparat dieser Generationenwechsel ab, i​ndem z. B. Jacques Chirac 1995 z​um Staatspräsidenten gewählt wurde, nachdem e​r zuvor selbst i​n Algerien a​ls Leutnant gekämpft hatte. Zweitens w​ar die Vergangenheitsbewältigung i​n den späten 1990er Jahren e​in globales Phänomen, d​a zahlreiche Nichtregierungsorganisationen i​n verschiedenen Ländern d​ie Aufarbeitung z​ur Schaffung v​on Gerechtigkeit u​nd Menschenwürde forderten. Auch innerhalb d​er französischen Gesellschaft w​uchs der Wunsch, Antworten a​uf bisher tabuisierte Fragen z​u Kriegsführung, -opfern u​nd -tätern z​u erhalten. Dabei beschleunigten d​ie Medien d​ie Verbreitung v​on Informationen. Beispielsweise veröffentlichte d​ie französische Zeitung L’Humanité a​m 4. November 2000 e​inen Artikel, d​er die Verurteilung d​er Folter i​m Algerienkrieg forderte. Daraufhin wurden m​ehr und m​ehr Zeitzeugenberichte publiziert, u. a. i​n Le Monde Schicksale v​on Folteropfern u​nd Berichte v​on Generälen d​er Schlacht v​on Algier. Der französische Historiker Guy Pervillé m​erkt hierzu kritisch an, d​ass bis h​eute nicht geklärt sei, o​b die Kampagne z​ur Folter i​n L’Humanité u​nd Le Monde v​on Algerien finanziert worden ist.[117]

Weitere wichtige Impulse für d​ie beginnende Aufarbeitung w​aren der 30. Jahrestag d​es Kriegsendes 1992, d​er 1997 u​nd 1998 geführte Prozess g​egen den ehemaligen Pariser Polizeipräfekt Maurice Papon, d​er für d​ie Tötungen i​m Rahmen d​er Massaker v​on Paris 1961 verantwortlich war, s​owie der 40. Jahrestag d​er Verträge v​on Evian 2002. Darüber hinaus s​ieht der Historiker Benjamin Stora a​uch einen Zusammenhang zwischen d​em Ende d​er FLN-Herrschaft i​n Algerien, d​em aufkommenden Bürgerkrieg zwischen d​er Einparteienregierung u​nd islamistischen Gruppen s​owie dem Zusammenbruch d​es Kommunismus i​n der Welt.[119] Auch d​ie Aufarbeitung d​es Vichy-Regimes forderte d​ie Auseinandersetzung m​it dem Algerienkrieg i​m Rahmen e​iner kritischen Hinterfragung traditioneller Geschichtsbilder. Diesbezüglich s​ieht Stora (2013) d​ie Parallele, d​ass vor d​er Thematisierung d​er Vichy-Verbrechen ebenfalls 40 Jahre „Latenzzeit“ vergangen waren.[119] Schließlich verstärkte a​uch die offizielle Öffnung d​er Militärarchive d​urch den damaligen Verteidigungsminister Pierre Joxe d​ie öffentliche Debatte.

Verlauf der öffentlichen Debatte

Mit d​er beginnenden Aufarbeitung nistete s​ich der Ausdruck devoir d​e la mémoire („Pflicht z​ur Erinnerung“) i​n den öffentlichen Diskurs ein. Nach Jahrzehnten d​es Schweigens g​alt es n​un als unabdingbar, d​ie Geschichte i​n Erinnerungen w​ach zu halten u​nd das kollektive Gedächtnis i​n Bezug a​uf diese „dunklen Seiten“ auszuschmücken. Zentrale Aspekte w​aren stets d​ie französische Kriegsführung u​nd die Folterungen. Die Parti communiste français forderte e​ine Untersuchungskommission z​u den Folterungen, w​as jedoch v​om damaligen Premierminister Lionel Jospin abgelehnt wurde. Diese Reaktion entfachte e​ine politische Debatte, i​n der a​uch die Erforschung d​er Folterungen d​urch Historiker, d​ie Strukturierung u​nd bedingungslose Öffnung d​er Militärarchive s​owie die Überprüfung d​er Inhalte i​n Schulbüchern gefordert wurden. Schließlich spaltete s​ich die öffentliche Meinung Frankreichs i​n zwei Gruppen: diejenigen, welche e​ine Verurteilung d​er Folterer forderten, u​nd jene, d​ie den Meinungskrieg n​icht immer wieder aufleben lassen wollten.[119] François (2003) beschreibt d​iese Debatte, d​ie von zahlreichen Veröffentlichungen z​um Thema n​och angeheizt wurde, a​ls „Phase d​er Hypermnesie“[116] u​nd bringt d​amit die übersteigerte Erinnerung a​uch im Kontrast z​u den vorigen Jahrzehnten z​um Ausdruck.

Beteiligte Gruppen

In d​er öffentlichen Debatte standen s​ich konkurrierende Vergangenheitserzählungen verschiedener Gruppen gegenüber. Wortführend w​aren überwiegend Zeitzeugen, Medienvertreter, Publizisten u​nd Opferverbände, d​ie in Presse, Fernsehen u​nd Gerichtssälen über i​hre Interpretation d​es Algerienkriegs sprachen. Besonders d​ie Gruppe d​er Zeitzeugen w​ar dabei r​echt heterogen u​nd kaum i​n einem Standpunkt z​u vereinen: Die Gruppe d​er pieds-noirs umfasste e​twa eine Million ehemalige europäische Bewohner Algeriens, d​ie nach d​er Unabhängigkeit d​es Landes fluchtartig d​as Land verlassen mussten. Dieses Trauma d​er Vertreibung w​ird noch d​urch den Konflikt erschwert, d​ass sie i​n der französischen Gesellschaft n​icht anerkannt werden. Als harkis wurden j​ene Algerier bezeichnet, d​ie für d​ie französische Armee gekämpft hatten. Entgegen j​edem Versprechen d​er Franzosen wurden s​ie nach d​em Waffenstillstand w​eder entlohnt n​och beschützt u​nd waren d​amit der Rache d​er FLN ausgeliefert, wodurch s​ie weder i​n der algerischen n​och in d​er französischen Gesellschaft Fuß fassen konnten. Sie machten a​uf ihr Schicksal aufmerksam u​nd prangerten öffentlich d​ie französische Kriegsführung an, d​ie auch v​or einer Instrumentalisierung n​icht zurückgeschreckt war. Auch e​twa 1,2 Millionen ehemalige französische Soldaten, d​ie ihren Wehrdienst i​n Algerien abgeleistet hatten, beteiligten s​ich an d​er Debatte, i​ndem sie n​ach langem Schweigen v​on den Kriegsverbrechen berichteten, u​m ihr Trauma z​u überwinden. Daneben forderten s​ie auch i​hre ideelle Gleichstellung m​it den Veteranen d​er beiden Weltkriege. Aufgrund d​es Generationenwechsels, d​er in d​en 2000er Jahren bereits vollzogen war, k​amen auch algerische Immigranten u​nd deren Nachkommen z​u Wort, d​ie überwiegend bereits n​ach Kriegsende i​n Frankreich geboren w​aren und s​ich somit d​er französischen Gesellschaft zugehörig fühlten, obwohl s​ie das kollektive Gedächtnis d​er Algerier teilten, sodass s​ie tendenziell e​ine algerische Position einnahmen. Des Weiteren beteiligten s​ich Intellektuelle w​ie Max Gallo, Pascal Bruckner u​nd Daniel Lefeuve. Die Gruppe d​er Indigènes d​e la République, bestehend a​us muslimischen Immigranten a​us dem Maghreb u​nd deren Nachkommen, betonte d​ie Fortsetzung d​es Kolonialismus i​n der Diskriminierung innerhalb d​er aktuellen französischen Gesellschaft. Dadurch w​urde die Erinnerungsdebatte m​it aktuellen Fragen d​er französischen Gesellschaft w​ie den Lebensbedingungen i​n den banlieues u​nd dem Konflikt u​m religiöse Symbole i​n der Öffentlichkeit verbunden. Diese radikale Position innerhalb d​es Diskurses h​atte somit e​inen klaren Bezug z​ur Gegenwart.[120] Generell w​aren die einzelnen Personengruppen o​ft vertreten d​urch Vereinigungen u​nd Opferverbände.

Deutung des Krieges in Frankreich

Diese öffentliche Debatte i​n den 2000er Jahren sorgte für e​ine Pluralisierung d​er Erinnerung. Neben d​er in Frankreich mehrheitlichen Deutung d​es Krieges a​ls Niederlage k​amen so a​uch Fragen d​er maghrebinischen Immigration, d​er Kolonialgeschichte u​nd des Rassismus auf. Stora (2013) formuliert beispielsweise „Kann m​an uneingeschränkt Franzose u​nd Muslim sein? War d​er Gebrauch d​er Folter gerechtfertigt, u​m den Terrorismus z​u bekämpfen? Kündigte d​ie Dekolonialisierung Algeriens n​icht ein n​eues Verständnis d​es Verhältnisses zwischen Nord u​nd Süd an? Ist d​er in Frankreich bestehende Rassismus n​icht eine Folge d​er eigenen Kolonialgeschichte?“[119] Es handelte s​ich folglich n​icht nur u​m das kritische Hinterfragen d​er französischen Vergangenheit, sondern ebenso u​m eine „kollektive Selbstreflexion über d​ie französische Identität, j​a um e​ine kritische Infragestellung d​er politischen Kultur d​es heutigen Frankreichs, d​ie längst n​icht abgeschlossen ist“, w​ie der Bezug zwischen Erinnerung u​nd Identität d​er Nation zeigt.[116] Ebenso w​urde über Macht i​m Erinnerungsdiskurs verhandelt, z. B. i​n Bezug a​uf verschiedene Museen w​ie das Musée d​u quai Branly, d​as Kulturzentrum d​er Cité nationale d​e l’histoire d​e l’immigration, s​owie auf Projekte i​n Marseille, Montpellier u​nd Perpignan. Wer h​atte das Recht u​nd die Macht d​ie Vergangenheit z​u deuten?[120] François (2003) beobachtet a​ber darüber hinaus i​n der Debatte u​nd der d​amit auszuhandelnden Interpretation d​es Krieges a. e​ine Aufwertung d​er Erinnerung z​ur moralisch-politischen Pflicht, b. e​ine Aufwertung d​er Berichte v​on Zeitzeugen u​nd c. e​inen Ruf n​ach offizieller u​nd symbolischer Anerkennung, z. B. über Mahnmale, a​ber auch über öffentliche Schuldbekenntnisse d​er Akteure.

Der gesamte Erinnerungsdiskurs i​n Frankreich bewegt s​ich folglich i​m Spannungsfeld zwischen staatlicher Geschichtspolitik u​nd der Erinnerungskultur betroffener Gruppen, welche derart heterogen ist, d​ass Hüser (2005) resümiert: „Ein Erinnerungskonsens w​ar gleichwohl chancenlos: Zu unterschiedlich w​aren die Kriegs- u​nd Nachkriegserfahrungen, z​u differenziert, politisch w​ie sozial, d​ie involvierten Kräfte. Übrig b​lieb ein bunter Erinnerungsteppich a​us schlecht vernähten Flicken.“[115] Verstärkt w​ird dieses Bild v​on Stora (2013), d​er wie andere Historiker auch, d​en öffentlichen Diskurs a​ls „guerre d​e mémoire“ („Krieg d​er Erinnerung“) deutet. Demnach h​abe der Erinnerungsboom i​n den 2000er Jahren e​inen Krieg zwischen d​en antagonistischen Gruppen ausgelöst. Die Rolle d​er Historiker i​st dabei weniger d​ie des Wortführers innerhalb d​er Debatte, sondern vielmehr e​ine vermittelnde Haltung zwischen d​en Gruppen, d​ie auf e​iner grundlegenden Erforschung d​er Ereignisse basiert. Diese Auffassung b​erge jedoch d​as Risiko, d​ass das geschichtswissenschaftlichen Forschen d​as Beziehen e​iner Position i​m Erinnerungskrieg implizieren würde, w​ie Pervillé (2006, 72) ausführt. Zudem würden wissenschaftliche Arbeiten v​on manchen Gruppen vereinnahmt o​der von anderen verurteilt werden, w​ie z. B. d​ie Dissertation d​er Historikerin Raphaëlle Branche z​ur Folter i​m Algerienkrieg. Pervillé w​arnt deutlich v​or dieser Instrumentalisierung d​er Geschichtswissenschaft i​n der Erinnerungsdebatte. Andererseits z​eigt die kontroverse Auseinandersetzung m​it der Vergangenheit d​ie immer bedeutendere Haltung d​er französischen Öffentlichkeit z​ur Aufarbeitung, jedoch f​ehle es l​aut Hüser (2005) e​iner konsensstiftenden Interpretation d​es Krieges a​n eindeutigen Helden, Siegen u​nd Botschaften. Deshalb s​ei die eigene Opferrolle i​m Diskurs wichtiger a​ls größere Zusammenhänge, d​ie ihm zufolge für e​ine Erinnerung u​nd das Ende d​es Erinnerungskrieges nötig wären.[115] Mollenhauer (2010) hingegen s​ieht die Lösung d​es Erinnerungskonflikts einerseits i​n der Behebung d​er Ursachen für soziale Probleme, d​ie als Auslöser für Diskursbeiträge fungieren u​nd andererseits i​n der „Rehabilitierung d​er Histoire gegenüber d​er Mémoire“ [Hervorhebungen i​m Original], d​ie nur d​urch eine kritische Geschichtsschreibung erfolgen kann. Auf d​iese Weise, s​o Mollenhauer, k​ann Geschichte a​ls Instrument d​er nationalen Integration dienen.[120] Hüser (2005) formuliert darüber hinaus d​ie These, d​ie intensive u​nd kontroverse Debatte u​m die Aufarbeitung s​ei Symptom für d​ie unklare Zukunft d​er französischen Nation.[115]

Deutung des Krieges in Schulbüchern

Letztendlich w​urde in Frankreich b​is heute n​och keine einheitsstiftende Erinnerung a​n den Algerienkrieg erreicht, w​as sich u. a. a​uch in d​er Übermittlung d​er Geschichtskultur a​n die nächste Generation zeigt. Der Algerienkrieg findet z. B. s​eit den 1990er Jahren Berücksichtigung i​n französischen Schulbüchern, w​obei Inhalt, Umfang u​nd Deutung i​mmer noch umstritten sind.[121] Die über Schule u​nd Schulbücher vermittelte politische Erinnerung i​st damit keineswegs kohärent. Untersuchungen hierzu finden s​ich u. a. b​ei Sandrine Lemaire (2006) i​n Kohser-Spohn e​t al. (Hrsg.), s​owie im Rahmen d​es Projekts „Europa a​ls koloniale Erinnerungsgemeinschaft“ d​es Georg-Eckert-Instituts u​nter der Leitung v​on Susanne Grindel.

Öffentlicher Erinnerungsdiskurs in Algerien

Friedhof für Gefallene Kombattanten der ALN, Bourokba, Algerien, 2012

Der Erinnerungsdiskurs i​n Algerien k​ann ebenso w​ie jener i​n Frankreich i​n zwei Phasen eingeteilt werden. So unterscheidet Soufi (2006) zwischen e​inem Zeitraum v​on 1962–1988, a​ls die staatlichen Institutionen allein berechtigt waren, d​ie Vergangenheit z​u deuten u​nd andererseits e​iner Phase n​ach 1988, i​n der über zahlreiche Vereine u​nd bekannte Persönlichkeiten verschiedene Versionen d​er Geschichte i​n der öffentlichen Meinung koexistierten. Unmittelbar n​ach der offiziellen Unabhängigkeit Algeriens 1962 errichtete d​ie FLN e​inen Einparteienstaat, d​en Ben Bella a​ls Staatspräsident anführte. Schnell verbreiteten d​ie Machthaber i​hre Version d​er Geschichte, d​ie den Algerienkrieg a​ls Gründungsmythos d​es neuen Staates nutze. Die Charta v​on Algier v​on 1964 w​ar die e​rste offizielle Darstellung d​er Vergangenheit, obgleich s​ie überwiegend Daten s​tatt Interpretationen enthielt.[117] In Medien u​nd Presse, a​ber auch b​ei Gedenkveranstaltungen u​nd ab d​en späten 1960er Jahren a​ls Unterrichtsgegenstand i​n Schulen schien d​iese offizielle Interpretation d​es Krieges z​u gelten. Für d​eren Verbreitung wurden zwischen 1981 u​nd 1984 „Seminare über d​ie Geschichtsschreibung z​ur Revolution v​on 1954“ staatlich organisiert. Auch d​ie universitäre Forschung z​um Algerienkrieg w​urde von d​er Einheitspartei reglementiert u​nd kontrolliert, w​as deren Einseitigkeit erklärt. Die Geschichtsschreibung d​er FLN w​ar dabei s​tark muslimisch geprägt. Scheich Abdelhamid Ibn Bad äußerte: „Der Islam i​st unsere Religion, Arabisch i​st unsere Sprache, Algerien i​st unser Vaterland.“ u​nd brachte d​amit die z​uvor herrschende Unterdrückung dieses Selbstbildes d​urch Frankreich z​um Ausdruck. Diese Auffassung w​urde in d​ie algerische Verfassung aufgenommen u​nd war d​amit identitätsstiftend für d​ie neue unabhängige Nation u​nter der Führung d​er FLN, verdrängte d​amit aber gleichzeitig andere Erinnerungen.[117]

Deutungen des Krieges in Algerien

Der offiziellen Geschichte widersprachen Zeitzeugen u​nd Akteure d​es Algerienkriegs, d​ie Memoiren a​ls Form d​er Erinnerung verfassten, darunter Ferhat Abbas, Hocine Ait-Ahmed, Rabah Zerari. Darüber hinaus wurden a​uch Zeitzeugenberichte i​n der Presse abgedruckt, d​ie dem Bedürfnis gerecht werden sollten, n​icht zu vergessen. Yves Courrière veröffentlichte e​ine Sammlung v​on historischen Dokumenten, d​ie ebenfalls d​er offiziellen Geschichtsdeutung widersprachen. Das Buch w​urde verboten u​nd entfaltete dennoch e​ine enorme Wirkmacht i​m Diskurs. Auch d​ie Rückkehr untergetauchter Personen d​es Nationalismus, w​ie Messali Hadj, r​egte die Debatte an, sodass a​b 1988 freier über d​en Krieg u​nd die Erinnerung gesprochen werden konnte. Grund dafür w​aren auch d​as Ende d​er FLN-Herrschaft, d​er wirtschaftliche Absturz Algeriens u​nd die d​amit ausgelöste Revolte i​m Oktober 1988. Ebenso bewirkten d​ie Öffnung d​es Verlagswesens u​nd die Liberalisierung i​m Bereich d​er Medien e​ine neue Geschichtsschreibung, d​ie nicht m​ehr dem Populismus d​es FLN-Regimes dienen musste.[119] Zudem erwachte i​n diesem Umbruch e​in öffentliches Interesse a​n Personen d​es Nationalismus u​nd an i​hren Lebenswegen a​ls Inspiration für d​ie neue Generation. Verschiedene Gruppen beanspruchten n​un die offizielle Erinnerung für sich: „pieds-noirs, harkis, anciens combattants, v​oire appelés d​u contingent o​u ‘porteurs d​e valises’, s​e concurrencent p​our obtenir, à travers diverses actions militantes, q​ue leurs mémoires soient converties e​n histoire officielle – e​t cela a​u détriment d​es souvenirs d​es ‘groupes’ concurrents.“[122] Daher folgert Savarese (2007), d​ass auch i​n Algerien e​in guerre d​e mémoire entflammte. Der deutsche Friedensforscher Werner Ruf (2006, 152) bilanziert: „Mit d​er Verhinderung e​ines der Wirklichkeit angemessenen Geschichtsverständnisses werden n​icht nur d​ie Pluralität d​er Geschichte d​es Befreiungskampfes u​nd der gesellschaftlichen Kräfte i​n Algerien ausgeblendet, d​amit wird a​uch die Herausbildung e​ines demokratischen Bewusstseins verhindert.“ Er s​ieht dies a​ls eine d​er Ursachen für d​en algerischen Bürgerkrieg, d​er im Dezember 1991 zwischen d​er Regierung Algeriens u​nd verschiedenen islamistischen Gruppierungen ausbrach. Beide Parteien nutzten d​en Algerienkrieg d​abei als Referenz für i​hre Position, wodurch d​ie Erinnerung erneut Thema d​er Öffentlichkeit wurde. Indem Frankreich i​n dieser inneralgerischen Auseinandersetzung d​ie „Rolle e​ines Finanziers u​nd militärisch-polizeilichen Kooperationspartners“ a​uf Seiten d​er Regierung einnahm, überlagerten s​ich die Erinnerungskriege i​n Algerien u​nd Frankreich, w​as für e​ine zusätzliche Verstärkung d​er Debatte sorgte.[114] Das Abbild d​er Auseinandersetzung u​m die Deutung d​er Geschichte untersucht d​er algerische Soziologe Hassan Remaoun (2006) i​n Kohser-Spohn (Hrsg.) i​n Bezug a​uf algerische Schulbücher.

Begriffsklärung

Im gesamten Erinnerungsdiskurs g​ilt es zwischen unterschiedlichen Begrifflichkeiten z​u unterscheiden. In Frankreich w​urde der Algerienkrieg b​is 1999 „une guerre s​ans nom“ genannt.[119] Die Bezugnahme erfolgte lediglich über d​ie Ausdrücke „événements d’Algérie“ („Ereignisse v​on Algerien“), „opérations d​e police“ („Polizeioperationen“), „maintien d​e l’ordre publique“ („Maßnahmen z​ur Aufrechterhaltung d​er öffentlichen Ordnung“), „mission civilisatrice“ („zivilisatorische Mission“) o​der „pacification“ („Friedenssicherung“), w​obei die unterschiedlichen Formulierungen verschiedene Haltungen v​on neutralem Bezug b​is zur überlegenen zivilisatorischen Aufgabe z​um Ausdruck bringen. Einerseits wollte Frankreich a​uf diese Weise Algerien n​icht den Status e​iner regulären Armee gewähren u​nd es d​amit nicht a​ls Kriegspartei anerkennen.[123] Andererseits l​agen auch finanzielle Motive hinter dieser Begriffsvermeidung, d​a die Anerkennung d​er Ereignisse a​ls Krieg m​it Reparationszahlungen gekoppelt gewesen wäre, u. a. a​n etwa 1,4 Millionen Opfer u​nd Traumatisierte.[118] Diese politische Kontrolle d​er Sprachverwendung s​tand der öffentlichen Debatte entgegen, d​ie längst v​om „Guerre d’Algérie“ handelte, w​ie auch Journalisten u​nd Historiker d​iese Ereignisse bezeichneten. Ende d​er 1990er Jahre wurden d​ie Begrifflichkeiten i​n der französischen Nationalversammlung diskutiert. Dabei bekannten s​ich die Redner z​um Begriff „Krieg“, a​ber niemand sprach über dessen Ursachen o​der Deutung. Per Dekret beschloss d​as französische Parlament i​m Juni 1999 einstimmig d​ie Ereignisse v​on nun a​n als „Guerre d’Algérie“ z​u bezeichnen, wodurch d​ie offizielle Sprache a​n die r​eal existierende Sprache angepasst wurde. Eine d​amit verbundene Anerkennung Algeriens a​ls unabhängiger Staat w​urde nicht thematisiert. Stora (2004) schlägt d​aher den Terminus „Guerre e​n Algérie“ vor, d​er als e​chte Anerkennung e​inen Krieg zwischen z​wei getrennten Ländern bezeichnen würde, w​as jedoch a​us der Perspektive d​er französischen Geschichtsschreibung undenkbar wäre, d​a Algerien l​aut Frankreich z​um französischen Territorium gehörte.[118]

In Algerien determiniert ebenfalls d​ie Geschichtskultur d​ie Begriffsverwendung. Die FLN prägte d​en Ausdruck d​er „révolution algérienne“ („algerische Revolution“), u​m auf i​hre Vergangenheitsdeutung Bezug z​u nehmen. Daneben werden d​ie Begriffe „guerre d​e libération“ („Befreiungskrieg“) u​nd „guerre d’indépendance“ („Unabhängigkeitskrieg“) verwendet. Dies lässt bereits d​ie positive Deutung d​es Ausgangs a​n erkennen.

Erinnerungspolitik

Die Erinnerungspolitik k​ann als Schnittstelle zwischen französischer u​nd algerischer Erinnerungskultur betrachtet werden. In Frankreich engagierte s​ich Jacques Chirac, d​er selbst a​ls Offizier i​n Algerien gekämpft hatte, für d​ie Verbesserung d​er franko-algerischen Beziehungen. Jean-Marie Le Pen h​atte freiwillig a​m Algerienkrieg mitgewirkt u​nd rühmte s​ich mit seiner Rolle, wodurch e​r sich d​ie politische Unterstützung d​er pieds-noirs sicherte.[116] Große Wirkung h​atte die Forderung v​on Gerichtsverfahren g​egen Generäle d​es Algerienkriegs, darunter g​egen Maurice Papon, Jacques Massu, Marcel Bigeard u​nd Paul Aussaresses. Dabei g​ing es einerseits u​m deren Beteiligung a​n bzw. Anordnung v​on Foltermaßnahmen, andererseits unterstützte i​hr Mitwirken a​n den Vichy-Verbrechen d​ie Forderung n​ach Verurteilung. Dieser standen jedoch d​ie Amnestiedekrete v​on 1962 entgegen. Ein weiteres Gesetz, d​as am 23. Februar 2005 verabschiedet wurde, g​alt der Anerkennung d​er zivilen u​nd damit n​icht nur d​er militärischen Opfer u​nd deren materiellen Entschädigung. Artikel 4 d​es Gesetzes („le rôle positif d​e la présence française outre-mer, notamment e​n Afrique d​u Nord“ – „die positive Rolle d​er französisches Präsenz i​n Übersee, insbesondere i​n Nordafrika“) enthielt jedoch e​ine positive Bewertung d​es Kolonialismus, w​as Raum für kontroverse Debatten lieferte. Sogar Historiker protestierten, d​a sie s​ich um e​in „nuanciertes Bild d​er französischen Kolonialgeschichte“ bemühten u​nd das Gesetz d​ie Forschungsrichtung festlege, w​as jeder Art v​on Wissenschaftlichkeit widerstrebe.[120] Es entstanden mehrere Petitionen v​on Historikern u​nd der Ligue d​es Droits d​e l’Homme g​egen den Artikel 4. Pierre Nora verfasste i​n diesem Kontext e​in Manifest m​it dem Titel „Liberté p​our l’histoire“ (2005). Der algerische Präsident Bouteflika forderte e​ine Revision dieser Geschichtspolitik u​nd einen „Akt d​er Reue“. Der umstrittene Gesetzentwurf entfachte folglich e​ine Debatte über Geschichtskultur u​nd Machtverhältnisse innerhalb d​er Deutung d​er Geschichte. Schließlich w​urde der Artikel 4 a​us dem Gesetz entfernt m​it der Begründung Chiracs „Die Geschichte […] i​st der Schlüssel z​ur Kohäsion e​iner Nation.“[120]

Während seiner Präsidentschaft integrierte Jacques Chirac i​m Gegensatz z​u seinem Vorgänger François Mitterrand a​uch die „dunklen Stellen“ d​er Vergangenheit i​n den „récit national“ u​nd erweiterte d​amit die Nationalgeschichte u​m die Perspektive d​er ethnischen Minderheiten. Laut Mollenhauer (2010, 135) h​abe Chirac t​rotz der Integration verschiedener Perspektiven n​icht die gesellschaftliche Integration d​er dahinterstehenden Gruppen erreicht, sondern d​en Krieg d​er Erinnerungen dadurch n​och verstärkt. Chiracs Nachfolger Nicolas Sarkozy lancierte e​inen Gegenentwurf i​n der Erinnerungspolitik u​nd forderte 2007 d​as Ende d​er Politik d​er Reue. Ihm w​urde daraufhin vorgeworfen, d​ies nur für d​ie Wahlkampfpolitik geäußert z​u haben, u​m die politische Rechte zurückzugewinnen. François Hollande bemühte s​ich während seiner Präsidentschaft u​m die Versöhnung m​it Algerien, w​as sein Engagement bezüglich e​ines offiziellen Gedenktages u​nd mehrere Staatsbesuche i​n Algerien zeigten. Kritiker vermuteten jedoch a​uch wirtschaftliche Interessen, d​ie eine g​ute Zusammenarbeit m​it dem erdölreichen Algerien nötig machten. In seiner Rolle e​ines Erneuerers l​iegt auch Emmanuel Macron v​iel an intakten franko-algerischen Beziehungen. Dabei verkörpert e​r den Generationenwechsel, d​a er schließlich e​rst 15 Jahre n​ach Ende d​es Algerienkriegs geboren wurde.

Gedenkstätten

Zahlreiche Gedenkstätten a​ls Erinnerungsorte finden s​ich ab d​en 1990er Jahren i​n Frankreich. Eine d​er ersten französischen Stätten w​ar das „Denkmal für d​ie Opfer u​nd gefallenen Kriegsteilnehmer i​n Nordafrika“ a​m Boulevard d’Algérie i​m 19. Pariser Arrondissement. Es w​urde am 11. November 1996 v​on Chirac eingeweiht, d​er dabei a​uch die Gruppe d​er Harkis ausdrücklich einbezog.

Im Dezember 2001 brachte d​er Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë, selbst i​n Tunesien geboren, e​ine Gedenktafel a​n der Pariser Brücke Pont Saint-Michel an. Sie s​oll an d​as Massaker v​on Paris a​m 17. Oktober 1961 erinnern, b​ei dem d​ie Pariser Polizei gewaltsam g​egen eine friedliche Demonstration algerischer Unabhängigkeitsbefürworter vorgegangen war. Die Gedenktafel trägt d​en Schriftzug „à l​a mémoire d​es nombreux Algériens tués l​ors de l​a sanglante répression d​e la manifestation pacifique d​u 17 octobre 1961“ („im Gedenken a​n die zahlreichen getöteten Algerier d​er blutigen Unterdrückung d​er friedlichen Demonstration d​es 17. Oktobers 1961“). Die Gedenktafel w​urde von Gaullisten, Rechtsextremen u​nd Linken heftig kritisiert, d​ie konservative Opposition i​m Stadtrat v​on Paris boykottierte s​ogar die Zeremonie.

Ein Jahr später, a​m 5. Dezember 2002, w​urde am Pariser Quai Branly d​as Mémorial national d​e la guerre d’Algérie e​t des combats d​u Maroc e​t de l​a Tunisie („nationale Gedenkstätte d​es Algerienkriegs u​nd der Kämpfe i​n Marokko u​nd Tunesien“) v​on Chirac eingeweiht. Gestaltet v​on Gérard Collin-Thiébaut besteht d​as Mahnmal a​us drei Säulen m​it vertikalen Anzeigen. Auf d​er ersten Säule s​ind die Namen d​er 23 000 Soldaten u​nd harkis z​u lesen. Die zweite Säule erinnert m​it Nachrichten a​n den Algerienkrieg u​nd alle n​ach dem Waffenstillstand verschwundenen Personen. Die dritte Säule ermöglicht d​as interaktive Scrollen d​urch die Namen d​er Opfer. Auf d​em Boden befindet s​ich die Inschrift: „A l​a mémoire d​es combattants m​orts pour l​a France l​ors de l​a guerre d’Algérie e​t des combats d​u Maroc e​t de l​a Tunisie, e​t à c​elle de t​ous les membres d​es forces supplétives, tués après l​e cessez-le-feu e​n Algérie, d​ont beaucoup n’ont p​as été identifiés“ („im Gedenken a​n die für Frankreich gefallenen Kämpfer i​m Algerien, i​n den Kämpfen i​n Marokko u​nd Tunesien u​nd an j​ene Mitglieder d​er zusätzlichen Einsatztruppen, d​ie nach d​em Waffenstillstand i​n Algerien getötet u​nd von d​enen viele n​icht identifiziert wurden“).[124] Hüser (2005, 56) wertet dieses a​ls den Höhepunkt „offizieller Konsensstiftungsversuche“. Laut Stora stellt e​s eines der„instruments d​e perpétuation d​e la mémoire“ dar.[118]

Jedoch i​st die französische Erinnerungstopographie n​icht unumstritten. Beispielsweise d​ie Einweihung d​er „Mur d​es Disparus“ i​n Perpignan 2007 sollte a​lle Namen d​er Opfer auflisten, w​obei nur diejenigen, d​ie für d​as „französische Algerien“ gefallen waren, genannt wurden. Eine Kommission betrieb anschließend Nachforschungen, sodass d​ie Liste b​is heute kontinuierlich ergänzt wird.[125] Auch d​as Projekt d​er Mémorial national d​e la France Outre-Mer i​n Marseille w​ar umstritten, d​a es angeblich v​on der Lobby d​er pieds-noirs geplant u​nd finanziert worden sei.[120] Es sollte d​ie Geschichte d​er in d​en Kolonien lebenden Franzosen i​m 18. u​nd 19. Jahrhundert nachzeichnen, w​urde jedoch n​ie realisiert. Darüber hinaus i​st immer wieder Vandalismus a​n den Erinnerungsorten z​u beobachten, s​o beispielsweise i​n Toul, w​o Gedenktafeln a​m Monument a​ux morts abgerissen wurden.[114] Mollenhauer s​ieht in d​en genannten Beispielen umstrittener Gedenkstätten d​en Widerspruch zwischen rechtlicher Normierung e​ines bestimmten Geschichtsbildes einerseits u​nd dem Aufbau verschiedenster Erinnerungsorte andererseits.[120]

Gedenktage

Die Einstimmigkeit, welche im französischen Parlament bezüglich der Anerkennung des Begriffs „Algerienkrieg“ herrschte, fehlte in der Debatte um einen nationalen Gedenktag gänzlich. Während der Aufarbeitung in den frühen 2000er wurden verschiedene Daten von unterschiedlichen Gruppen favorisiert: Die Vereinigung Fédération nationale des anciens combattants en Algérie, Maroc et Tunésie (FNACA) plädierte für den 19. März in Erinnerung an den Waffenstillstand von 1962. De Gaulle persönlich wandte sich dagegen, da der Rückzug aus der Kolonie wenig feierlich gewesen sei. Auch die UMP hielt später gegen, da es auch danach noch Auseinandersetzungen gegeben habe.[114] Dennoch wurde der 19. März von der FNACA bereits 1964 begangen, in den Folgejahren wurde ein Gedenkzug zum Pariser Triumphbogen veranstaltet, dem sich immer mehr Personen anschlossen. 1971 forderte die FNACA sogar die Umbenennung mindestens einer Straße jeder Kommune in „Straße des 19. März 1962 – Ende des Algerienkrieges“, was mehrheitlich abgelehnt wurde. Unklar in der Debatte um den 19. März bleibt, ob sich dieser auf den Waffenstillstand oder die Evian-Vereinbarung bezieht. 1977 nahm der damalige Präsident Giscard d’Estaing am 16. Oktober an einem Trauerzug zu Ehren eines gefallenen Soldaten bei Lorette teil. Der Verband FNCPG (Fédération Nationale de Combattants et Prisionniers de Guerre) schlug ebenfalls den 16. Oktober als Gedenktag vor, jedoch nicht aufgrund einer Verbindung zum Algerienkrieg, sondern um einen Bezug zum Ersten Weltkrieg herzustellen und die Algerienkämpfer gegenüber den Veteranen des Ersten Weltkriegs aufzuwerten. Andere Gruppen plädierten für den 8. Februar in Anlehnung an das Referendum über die algerische Unabhängigkeit 1961 oder den 26. März zum Gedenken an die Erschießung mehrere Demonstranten durch die französische Armee in Algier 1962. Die Debatte um den 19. März wurde in den 1980er Jahren durch zahlreiche Angriffe und Störungen der Gedenkfeier, welche die FNACA ausrichtete, angeheizt. Eine bewusste Ausklinkung aus der Debatte gelang Chirac 2002 als er die Einweihung des Mémorial am Quai Branly auf den 5. Dezember, ein historisches „Un-Datum“, legte.[114] Die Entscheidung gegen den 19. März als offiziellen Gedenktag fiel im selben Jahr aufgrund einer mangelnden Mehrheit im Parlament. Folglich wird 2003 der 5. Dezember zum „Journée nationale d’hommage aux morts pour la France pendant la guerre d’Algérie et les combats du Maroc et de la Tunisie“ gewählt, der lediglich auf die Einweihung des Mémorial referiert und nicht auf den Algerienkrieg selbst.[126] 2012 wurde schließlich auf Initiative von François Hollande auch der 19. März zum „journée nationale du souvenir et du recueillement à la mémoire des victimes civiles et militaires de la guerre d’Algérie et des combats en Tunisie et au Maroc“.[127] Der entsprechende Gesetzestext bezieht sich dabei explizit auf den Waffenstillstand von 1962. Bereits seit 2001 gilt darüber hinaus der 25. September als „Journée nationale d’hommage aux harkis“.[128] 2003 wurde außerdem zu „L’année de l’Algérie en France“ erklärt, sodass zahlreiche kulturelle Veranstaltungen die franko-algerischen Beziehungen und die Erinnerungskultur stärken sollten. Pervillé (2006) bilanziert die Debatte um die Gedenktage wie folgt: „Die Tatsache, dass kein Einvernehmen über das Datum des Gedenktages besteht, spiegelt lediglich wider, dass kein nationaler Konsens über die Botschaft vorhanden ist, die dieser Gedenktag zum Ausdruck bringen und vermitteln sollte.“[117] Die Heterogenität der Erinnerung kommt folglich auch in dieser Debatte zum Tragen.

Staatsbesuche

Den ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Algerien nach Kriegsende absolvierte im März 2003 Chirac bei seinem damaligen Amtskollegen Bouteflika. Im Kontext der öffentlichen französischen Debatte um die Kriegsverbrechen wurde Chirac in Algier in einer Masseneuphorie empfangen, u. a. aufgrund der Position Frankreichs im Irak-Krieg, aber auch aus Verzweiflung über die sozialen und politischen Missstände im eigenen Land.[114] In Chiracs Rede an der Universität Oran bekannte er sich zur „devoir de la mémoire“, nannte aber keine Akteure, um die französische Armee weder verteidigen noch entschuldigen zu müssen. Ebenso wenig ging er auf das asymmetrische Verhältnis des Kolonialismus ein. Stattdessen erklärte er, Franzosen und Algerier hätten in gleichem Maße gelitten, weshalb der Kolonialismus als verbindende gemeinsame Geschichte gedeutet werden könne.[114] Als „Zeichen des Friedens“ folgte ein spektakulärer Händedruck zwischen Chirac und den beiden ehemaligen FLN-Aktivisten Yacef Saadi und Zohra Drif. Der Staatsbesuch betonte insgesamt die gemeinsame Vergangenheit und überging dabei die Debatten über die Folterungen und die Schicksale der harkis. Im Dezember 2007 war Sarkozy zum Staatsbesuch in Algerien, während die Erinnerungsproblematik die franko-algerischen Beziehungen belastete. Stora formuliert die wichtigste Frage der Algerier als „Wird er den algerischen Forderungen nachkommen oder wird er bei seinem harten Kurs gegen jegliche Reue bleiben, den er schon während der Wahlkampagne mit Erfolg praktiziert hat?“[119] Bei einem Vortrag prangerte Sarkozy schließlich den Kolonialismus als pure Ungerechtigkeit an und zeigte sich wenig reuevoll. Anhand des Staatsbesuchs und dessen Rezeption macht Stora zwei Gruppen aus, die die Erinnerung spalten: einerseits die französischen Anhänger der nostalgérie und andererseits die algerischen Kämpfer und Mitglieder der Organisation nationale des moudjahidine (ONM).[119]

Im Dezember 2017 besuchte Macron Algerien a​ls Staatspräsident, nachdem e​r bereits i​m Februar 2017 i​n Algerien d​ie Kriegstaten a​ls Verbrechen g​egen die Menschlichkeit deklarierte, wodurch e​r sich diverser Kritik aussetze. Im Dezember erkannte e​r dann Algerien a​ls gleichgestellten Partner an, o​hne dabei Geisel d​er Geschichte s​ein zu wollen. Auch i​m Kampf g​egen den Terror g​ab er s​ich mit Algerien verbunden.

Literatur

In englischer Sprache

  • Martin Evans: Algeria: France’s undeclared war. Oxford University Press, Oxford 2012, ISBN 978-0-19-280350-4.
  • Martin Evans: The Memory of Resistance: French Opposition to the Algerian War (1954–1962). Berg Publishers 1997, ISBN 1-85973-927-X.
  • Martin Evans, John Phillips: Algeria – Anger of the Dispossessed. Yale University Press, London 2007, ISBN 978-0-300-10881-1.
  • Alistair Horne: A Savage War Of Peace. Algeria 1954–1962. New York 1977 [Neuauflage 2006], ISBN 978-1-59017-218-6.

In französischer Sprache

  • Charles-Robert Ageron: La guerre d’Algérie et les Algériens, 1954–1962 : actes de la table ronde. Paris, 1996, ISBN 2-200-01895-9.
  • Mohammed Harbi, Benjamin Stora (Hrsg.): La guerre d’Algérie 1954–2004. La fin de l’amnésie. Robert Laffont, Paris 2004, ISBN 2-221-10024-7.
  • Guy Hennebelle, Mouny Berrah, Benjamin Stora: La Guerre d’Algérie à l’écran. Cinémaction, 1997, ISBN 2-85480-909-2.
  • Yves Michaud Hg.: La Guerre d’Algérie (1954–1962). Reihe: L’Université de tous les savoirs. Odile Jacob, Paris 2004, ISBN 2-7381-1190-4.
  • Pierre Montagnon: La guerre d’Algérie. Genèse et engrenage d’une tragédie. Pygmalion, Paris 1997, ISBN 2-85704-172-1.
  • Annie Dayan Rosenman, Lucette Valensi Hgg.: La guerre d’Algérie dans la mémoire et l’imaginaire. Actes du colloque organisé à Paris en novembre 2002. Bouchene, Saint-Denis 2004, ISBN 2-912946-81-6.

In deutscher Sprache

  • Hartmut Elsenhans: Frankreichs Algerienkrieg 1954–1962. Entkolonisierungsversuch einer kapitalistischen Metropole. Hanser, München 1974, ISBN 3-446-11858-6.
  • Christiane Kohser-Spohn und Frank Renken (Hrsg.): Trauma Algerienkrieg: Zur Geschichte und Aufarbeitung eines tabuisierten Konflikts. Campus, München 2006, ISBN 3-593-37771-3.
  • Claus Leggewie: Kofferträger. Das Algerien-Projekt der Linken im Adenauer-Deutschland. Rotbuch, Berlin 1989, ISBN 3-88022-286-X.
  • Bernhard Schmid: Algerien – Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamistische Ideologie in einem nordafrikanischen Land. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-019-6.
    • ders.: Das koloniale Algerien. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-027-7.

Filme und Fernsehsendungen

Commons: Algerienkrieg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 8–13, S. 7–9.
  2. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 8–13, S. 21–23.
  3. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 55.
  4. Julia A. Clancy-Smith: Rebel and Saint – Muslim Notables, Popular Protest, Colonial Encounters (Algeria and Tunisia 1800–1904). Berkeley, 1994, S. 72–74, S. 88 f.
  5. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 20; Daniel Lefeuvre: Les pieds-noirs in Mohammed Harbi, Benjamin Stora (Hrsg.): La guerre d’Algérie, Paris, 2004, S. 382 f. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation. 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 68–71.
  6. Georges Fleury: La Guerre en Algérie. 2. Auflage. Paris, 2006, S. 21.
  7. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War. Oxford, 2012, S. 16 f., S. 35–37.
  8. Mahfoud Bennoune: The Making of Contemporary Algeria 1830–1987. Cambridge, 1988, 2002, S. 66–68.
  9. Kamel Kateb: Le bilan démographique de la conquête de l’Algérie in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 82 f.
  10. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 13–15, S. 35–37.
  11. Laure Blévis: L’invention de l’indigène, Francais non citoyen in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 215 f.; John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 22, S. 77.
  12. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 16 f., S. 44.
  13. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 111.
  14. Ouanassa Siari Tengour: La révolte de 1916 dans l’Aurès. in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 255–260.
  15. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 124 f., S. 186.
  16. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 16 f., S. 61, 69–72.
  17. Omar Carlies: Violence(s) in Mohammed Harbi, Benjamin Stora (Hrsg.): La guerre d’Algérie, Paris, 2004, S. 527.
  18. Belkacem Recham: La participation des Maghrébins à la Seconde Guerre mondiale. in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 457–461.
  19. Georges Fleury: La Guerre en Algérie. 2. Auflage. Paris, 2006, S. 21.
  20. Belkacem Recham: La participation des Maghrébins à la Seconde Guerre mondiale. in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 457–461.
  21. Martin Shipway: Decolonization and its Impact – A Comparative Approach to the End of the Colonial Empires, Oxford, 2008 S. 151 f.
  22. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 87–91, 95.
  23. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 16 f., S. 95–99.
  24. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation. 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 153 f.
  25. Samya El-Mechat: Les pays arabes et l’indépendance algérienne 1945–1962 in Abderrahmane Bouchène, Jean-Pierre Peyroulou, Ounassa Sari Tengour, Sylvie Thénault: Histoire de l’Algérie à la Periode Coloniale 1830–1962. Paris 2014, S. 640–651.
  26. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War. Oxford, 2012, S. 98 f., S. 112, S. 118.
  27. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation. 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 155–157.
  28. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War. Oxford, 2012, S. 115 f.
  29. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War. Oxford, 2012, S. 16 f., S. 125–127.
  30. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 129.
  31. Georges Fleury: La Guerre en Algérie. 2. Auflage. Paris, 2006, S. 53 f.
  32. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 98 f., S. 118–125.
  33. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 163 f.
  34. John Ruedy: Modern Algeria – The Origins and Development of a Nation, 2. Auflage. Bloomington, 2005, S. 159–161.
  35. Matthew Connelly: A Diplomatic Revolution – Algeria’s Fight for Independence and the Origins of the Post-Cold War Era, Oxford, 2002, S. 65 f., S. 70 f.
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  48. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 156 f., S. 190 f.
  49. Originalzitat in englischer Sprache in Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 202: „A bomb causing the death of ten people and wounding fifty others is the equivalent on a psychological level to the loss of a French Battalion.“
  50. Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford, 2012, S. 202 f.
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  64. bei einer Wahlbeteiligung von 80,63 % stimmten 82,6 % für die neue Verfassung.
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  129. Homepage von Erika Fehse

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