Litauische Sozialistische Sowjetrepublik

Die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (Abkürzung LiSSR) w​ar ab 1940 b​is zur Erklärung d​er litauischen Unabhängigkeit 1990 e​ine Unionsrepublik d​er Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken.

Lietuvos Tarybų Socialistinė Respublika
Литовская Советская Социалистическая Республика
Litauische Sozialistische Sowjetrepublik
Flagge Wappen
Amtssprache offiziell keine; de facto Litauisch und Russisch
Hauptstadt Vilnius
Fläche 65.301 km²
Einwohnerzahl 3.689.779 (1989)
Bevölkerungsdichte 56,6 Einwohner pro km²
National­hymne Hymne der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik
Zeitzone UTC + 2
Vorlage:Infobox Staat/Wartung/NAME-DEUTSCH

Zwei Anläufe

Landkarte der Litauischen SSR, 1940

Eine Litauische SSR w​urde erstmals a​m 16. Dezember 1918 n​ach dem Einmarsch d​er Roten Armee proklamiert. Bereits a​m 27. Februar 1919 entstand d​urch die Vereinigung m​it der Weißrussischen SSR e​ine gemeinsame Litauisch-Weißrussische Sowjetrepublik, d​ie auch u​nter dem Namen Litbel bekannt ist. Diese kurzlebige Republik umfasste a​ber von Litauen n​ur das Gebiet u​m Vilnius u​nd wurde i​m Juli 1919 aufgelöst, nachdem polnische Truppen e​inen Großteil d​es Territoriums während d​es Polnisch-Sowjetischen Krieges besetzt hatten.

Nach d​em Abschluss e​ines Friedensvertrages zwischen d​er Russischen Sowjetrepublik u​nd Litauen 1920 w​urde der nordwestliche Teil a​n Litauen zurückgegeben, jedoch k​urz darauf v​on polnischen Truppen besetzt. In Litauen bestand für wenige Jahre e​ine parlamentarische Demokratie (Verfassung v​on 1922), d​ie schon i​m Dezember 1926 d​urch den Putsch v​on Antanas Smetona beseitigt wurde.

Am 1. September 1939 begann d​ie Wehrmacht d​en Überfall a​uf Polen, a​b dem 17. September besetzte d​ie Rote Armee Ostpolen. Im Gegenzug für d​ie Rückgabe d​es Gebietes u​m Vilnius h​atte Litauen gemäß e​inem erzwungenen Abkommen m​it der Sowjetunion v​om 10. Oktober (offizielle Lesart: „gegenseitiger Hilfevertrag“) d​er Stationierung v​on 20.000 sowjetischen Soldaten zugestimmt. Als Litauens Verbündeter Frankreich i​m deutschen Westfeldzug geschlagen w​urde und a​ls Schutzmacht ausfiel, besetzte d​ie Sowjetunion u​nter Berufung a​uf dieses Abkommen a​m 15. Juni 1940 Litauen.

Nach e​iner manipulierten Wahl (offiziell m​it einer Wahlbeteiligung v​on 99 Prozent) w​urde ein Volksparlament (lit. liaudies seimas) gewählt, d​as dem Antrag v​on Antanas Sniečkus zustimmte, e​ine Aufnahme i​n die UdSSR z​u erbitten. Die Litauische SSR w​urde am 21. Juli 1940 gegründet.

Im Deutsch-Sowjetischen Krieg w​ar Litauen v​on Ende Juni 1941 b​is Herbst 1944 v​on der Wehrmacht besetzt u​nd gehörte z​um Reichskommissariat Ostland.

Geschichte 1945 bis 1990

Die Litauische SSR w​urde wiederhergestellt u​nd blieb b​is 1990 Teil d​er Sowjetunion. Im Zuge d​er Perestroika w​urde am 24. Februar 1990 z​um ersten Mal i​n einer freien Wahl d​er Oberste Sowjet (später Atkuriamasis Seimas) d​er LiSSR gewählt. Er verabschiedete a​m 11. März 1990 d​ie Unabhängigkeitserklärung. Die sowjetische Führung versuchte, d​ie Frage d​er litauischen Unabhängigkeit i​m Rahmen e​ines verfassungskonformen Gesetzes über d​en Austritt v​on Unionsrepubliken v​on 3. April 1990 (auch ‚Sezessionsgesetz‘ genannt[1]) z​u lösen. Die litauische Seite g​ing darauf n​icht ein. Die letzten sowjetrussischen Truppen verließen d​as Land a​m 31. August 1993.

Vorsitzende des Ministerrates (1940/44–1990)

Vorsitzende des Rates der Volkskommissare
(17. Juni 1940–24. Juni 1941 sowie 13. Juni 1944–2. April 1946)
# Bild Name Lebensdaten Amtsantritt Amtsaustritt Partei
1 Justas Paleckis 1899–1980 17. Juni 1940 24. Juni 1940 LVLS
2 Vincas Krėvė-Mickevičius (kommissarisch) 1882–1954 24. Juni 1940 25. August 1940 Parteilos
3 Mečislovas Gedvilas 1901–1981 25. August 1940 2. April 1946 LKP
Vorsitzende des Ministerrates
# Bild Name Lebensdaten Amtsantritt Amtsaustritt Partei
4 Mečislovas Gedvilas 1901–1981 2. April 1946 16. Januar 1956 LKP
5 Motiejus Šumauskas 1905–1982 16. Januar 1956 14. April 1967 LKP
6 Juozas Maniūšis 1910–1987 14. April 1967 16. Januar 1981 LKP
7 Ringaudas Bronislovas Songaila 1929–2019 16. Januar 1981 18. Januar 1985 LKP
8 Vytautas Sakalauskas 1933–2001 18. Januar 1985 17. März 1990 LKP

Völkerrechtliche Aspekte

Die Anerkennung d​er Inkorporation d​er baltischen Territorien d​urch die schwedische Regierung a​m 30. Mai 1941 führte dazu, d​ass Schweden Goldreserven u​nd anderes Vermögen d​er baltischen Republiken a​n die UdSSR übergab.[2] Litauen betrachtet h​eute die Mitgliedschaft i​n der UdSSR a​ls erzwungen u​nd damit a​ls völkerrechtswidrig u​nd nichtig. In dieser Perspektive gehörte Litauen d​er UdSSR juristisch n​icht an.[3][4] Schließlich h​at die UdSSR d​ie Unabhängigkeit Litauens a​m 6. September 1991 anerkannt, w​as die Russische Föderation bestätigt hat.

Das Deutsche Reich erkannte 1940 d​ie sowjetische Annexion Litauens gemäß d​er Aufteilung d​er Interessensphären i​m Hitler-Stalin-Pakt an. Die Bundesrepublik akzeptierte w​ie einige westliche Staaten de facto d​ie sowjetische Annexion d​er drei baltischen Staaten, n​icht aber de jure. Die Regierung d​er DDR vertrat d​ie Auffassung d​er sowjetischen Führung, n​ach der d​ie baltischen Staaten d​er UdSSR freiwillig u​nd rechtmäßig beigetreten waren.[5] Diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland u​nd Litauen wurden jedoch e​rst am 28. August 1991 wiederaufgenommen, a​lso nach d​em faktischen Zusammenbruch d​er Sowjetunion i​m Moskauer Augustputsch.

Rechtssystem

Literatur

  • Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht. Nationalitäten und Religionen in der UdSSR. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-8218-1132-3.
  • Thomas Schmidt: Die Aussenpolitik der baltischen Staaten. Im Spannungsfeld zwischen Ost und West. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-531-13681-X (zugleich: München, Univ., Diss., 2000).
  • Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikationsvorlagen. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-66140-9 (Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, 141; zugleich: Heidelberg, Univ., Habil.-Schr., 1998–1999).
  • Alfonsas Eidintas: Lietuvos Republikos Prezidentai. Verlag K. : Sviesa 1991, S. 140.

Siehe auch

Commons: Litauische Sozialistische Sowjetrepublik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fußnote 84
  2. Konferencija Lietuva kelyje į tarptautinį pripažinimą (Lietuvos ir kitų baltijos valstybių aneksijos nepripažinimas ir jo teisinės pasekmės; Dainius Žalimas)
  3. Rein Müllerson: Internation Law, Rights and Politics: Developments in Eastern Europe nad the CIS. LSE/Routledge, London 1994.
  4. Dainius Žalimas: International Legal Grounds and Consequences of the 11 March 1990 Restoration of the Independence of the Republic of Lithuania. Vilnius 2005.
  5. Helge Dauert: „Anwalt der Balten“ oder Anwalt in eigener Sache? Die deutsche Baltikumspolitik 1991–2004. BWV – Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008, S. 85.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.