Nikolai Alexandrowitsch Tichonow

Nikolai Alexandrowitsch Tichonow (russisch Николай Александрович Тихонов, wiss. Transliteration Nikolaj Aleksandrovič Tichonov; * 1. Maijul. / 14. Mai 1905greg. i​n Charkow; † 1. Juni 1997 i​n Moskau) w​ar ein sowjetischer Politiker u​nd als Vorsitzender d​es Ministerrats d​er UdSSR v​on 1980 b​is 1985 sowjetischer Regierungschef.

Biografie

Nach seinem Studium a​n der Hochschule für Metallurgie i​n Dnepropetrowsk arbeitete Tichonow v​on 1930 b​is 1941 d​ort als Metallurgieingenieur a​n den Metallurgiewerken Lenin. Er s​tieg v​om einfachen Ingenieur z​um Leiter e​iner Werkshalle u​nd später z​um Hauptingenieur d​es Werks auf. Dort lernte e​r Leonid Breschnew kennen u​nd trat ziemlich spät, e​rst 1940 i​n die Kommunistische Partei – damals WKP (B) – ein. Von September 1941 b​is Juli 1947 w​ar er Hauptingenieur d​es Nowotrubnyj-Werkes i​m Gebiet v​on Swerdlowsk, w​o er e​ine größere Rolle b​ei der Anpassung d​er Produktion a​n die Kriegsbedürfnisse gespielt hatte. Von 1947 b​is 1950 w​ar er Direktor d​er Juschnotrubnyj-Werkes i​n Nikopol. Er w​ar einer d​er Pioniere a​uf dem Gebiet d​er Arbeiterfürsorge i​n seiner Branche u​nd ließ u​nter anderem e​in Werkskrankenhaus u​nd ein Werkskulturhaus errichten.

Von 1950 b​is 1955 w​ar Tichonow Leiter d​er Hauptabteilung für d​ie Rohrherstellung d​es Ministeriums für Eisenmetallurgie, v​on 1955 b​is 1957 stellvertretender Minister i​m gleichen Ministerium. Von 1957 b​is 1963 n​ahm er mehrere Posten i​m sowjetischen Wirtschaftsapparat wahr, s​eit 1963 stellvertretender Leiter d​es Staatsplankomitees d​er UdSSR i​m Rang e​ines Ministers d​er UdSSR. Kandidat d​es ZK d​er KPdSU w​ar Tichonow v​on 1961 b​is 1966. Tichonow gehörte über 30 Jahre l​ang als Deputierter d​em Obersten Sowjet d​er UdSSR an. Von Oktober 1965 b​is September 1976 w​ar er stellvertretender Vorsitzender d​es Ministerrats d​er Sowjetunion, s​eit September 1976 Erster Stellvertretender Vorsitzender d​es Ministerrates. Mitglied d​es ZK d​er KPdSU v​on 1966 b​is 1989.

1978 w​urde Tichonow, d​er Breschnews Rivalen Alexei Kossygin a​ls Ministerpräsident ablösen sollte, Kandidat d​es Politbüros. Von 27. November 1979 b​is 15. Oktober 1985 w​ar er Mitglied i​m höchsten politischen Gremium d​er UdSSR i​m Politbüro d​er KPdSU.

Im Alter v​on 75 Jahren w​urde Tichonow i​m Oktober 1980 a​uf Vorschlag v​on Breschnew a​ls Nachfolger v​on Alexei Kossygin Vorsitzender d​es Ministerrats d​er UdSSR, w​as er b​is September 1985, wenige Monate n​ach der Wahl Michail Gorbatschows z​um Generalsekretär blieb.

Hintergründe beim Machtwechsel

Während Breschnew s​eine Favoriten Tschernenko u​nd Tichonow i​ns Politbüro holte, förderte KGB-Chef Juri Andropow a​ls Gegengewicht Gorbatschow u​nd Eduard Schewardnadse. Tichonow befand s​ich – v​or allem i​n landwirtschaftlichen Fragen – i​n ständigem Streit m​it Gorbatschow, n​och bevor dieser z​um Generalsekretär gewählt wurde. Es w​ar Tichonow, d​er nach Andropows Tod d​en damaligen („Zweiten“) ZK-Sekretär Konstantin Tschernenko sowohl i​m Politbüro a​ls auch i​m ZK a​ls neuen Kreml-Chef vorschlug u​nd durchsetzte. So w​urde der Aufstieg Gorbatschows z​um Kreml-Chef i​m Februar 1984 n​ach dem Tode Andropows d​urch Tschernenko u​nd Tichonow verhindert. Nach d​en Memoiren Jegor Ligatschows, d​er unter Andropow ZK-Sekretär u​nd unter Gorbatschow („Zweiter“) ZK-Sekretär wurde, wehrte s​ich Tichonow n​ach Andropows Tod vehement dagegen, Gorbatschow d​ie Nachfolge Tschernenkos a​ls („Zweiter“) ZK-Sekretär anzuvertrauen. 1985 gehörte Tichonow m​it dem Moskauer Parteichef Viktor Grischin u​nd dem für Verteidigung zuständigen ZK-Sekretär u​nd Politbüromitglied Gregori Romanow z​u den Politbüromitgliedern, d​ie Gorbatschows Aufstieg z​um Kreml-Chef verhindern wollten. Jedoch stellte s​ich der damalige Außenminister Andrei Gromyko vehement a​uf die Seite Gorbatschows. Aufgrund d​es beschriebenen Verhaltens Tichonows u​nd seiner Gegnerschaft gegenüber Gorbatschow w​ar es jedoch n​ach Gorbatschows Ernennung z​um Kreml-Chef klar, d​ass Tichonow b​ald darauf seinen Posten a​us Altersgründen würde räumen müssen.

Tichonow w​ird als e​ine starke Persönlichkeit beschrieben. Seinen Aufstieg v​on einem Wirtschaftsbürokraten z​u einem d​er führenden sowjetischen Politiker verdankte e​r seiner persönlichen Bekanntschaft m​it Breschnew.

Ehrungen

Tichonow w​ar zweimaliger Held d​er sozialistischen Arbeit, w​urde insgesamt m​it 9 Leninorden, e​inem Oktoberrevolution-Orden, z​wei Rotbannerorden d​er Arbeit u​nd dem Roter-Stern-Orden ausgezeichnet. 1961 w​urde er Doktor-Ingenieur. Zweimaliger Träger d​es Stalinpreises (1943, 1951).

Veröffentlichungen

  • XXVI. Parteitag der KPdSU — Die Hauptrichtungen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der UdSSR für die Jahre 1981 bis 1985 und für den Zeitraum bis 1990. Berichterstatter: N. A. Tichonow, Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR. 27. Februar 1981. Dietz Verlag, Berlin, 1981.
  • N. A. Tichonow, Die sowjetische Wirtschaft. Errungenschaften, Probleme, Perspektiven. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main, 1985. ISBN 3-88012-728-X
VorgängerAmtNachfolger
Alexei KossyginMinisterpräsident der Sowjetunion
1980–1985
Nikolai Ryschkow
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