Estnische Sprache

Estnisch (Eigenbezeichnung: eesti keel) ist eine flektierend-agglutinierende Sprache und gehört zum ostseefinnischen Zweig der Gruppe der finno-ugrischen Sprachen. Das Estnische ist eng mit dem Finnischen und dem 2013 ausgestorbenen Livischen verwandt. Eine entfernte Verwandtschaft besteht zum Ungarischen. Estnisch ist die einzige Amtssprache der Republik Estland und wird dort von 950.000 Menschen gesprochen. Durch die historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts gibt es auch im Ausland estnische Gemeinden, die etwa 150.000 Sprecher zählen. Die Gesamtzahl der Sprecher des Estnischen als Muttersprache liegt damit bei rund 1,1 Millionen. Der Sprachcode ist et bzw. est (nach ISO 639).

Estnisch (eesti keel)

Gesprochen in

Estland Estland
Sprecher 1.100.000
Linguistische
Klassifikation

Uralische Sprachen

Finno-ugrische Sprachen
Finno-permische Sprachen
Wolgafinnische Sprachen
Finno-samische Sprachen
Ostseefinnische Sprachen
  • Estnisch
Offizieller Status
Amtssprache in Estland Estland
Europaische Union EU
Sprachcodes
ISO 639-1

et

ISO 639-2

est

ISO 639-3

est (Makrosprache), ekk (Standardestnisch)

Alphabet

Das estnische Alphabet verwendet d​ie folgenden Buchstaben:

a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, s, š, z, ž, t, u, v, w, õ, ä, ö, ü, x, y

Hierbei kommen d​ie Buchstaben c, f, š, z, ž, q, w, x u​nd y n​ur selten, entweder i​n Fremdwörtern o​der fremden Namensgebungen, vor. (Alle gängigen Zeichen fett) Die Vokale a, e, i, o, u, ü, ä, ö u​nd õ können a​lle in d​er ersten Silbe e​ines Wortes vorkommen, i​n der letzten s​ind aber n​ur noch d​ie Vokale a, e, i, u, u​nd in einigen Fremdwörtern o (metroo), möglich. Mit d​en Konsonanten g, b o​der d beginnen n​ur Fremdwörter.

Phonologie

Vokale

Das Estnische besitzt 9 Monophthonge, d​ie in d​rei Quantitätsstufen (kurz vs. l​ang vs. überlang) auftreten können. Die Quantität g​ilt hierbei a​ls distinktives, a​lso bedeutungsunterscheidendes Merkmal. Weiterhin gelten Lippenrundung (gerundet vs. ungerundet) u​nd Zungenstellung (vorne vs. hinten) a​ls distinktive Merkmale estnischer Vokale. Es g​ilt hierbei z​u beachten, d​ass der für d​as Deutsche typische Einfluss d​er Quantität a​uf die Qualität entfällt. Während i​m Deutschen e​in langer E-Laut [eː] i​n seiner kurzen Artikulation z​u einem [ɛ] würde, bleibt i​m Estnischen d​ie Qualität, a​lso die Gespanntheit, erhalten, sodass [e] z​u artikulieren ist.

Monophthonge des Estnischen (in IPA-Lautschrift)[1]
  vorne hinten
ungerundet gerundet ungerundet gerundet
überlang lang kurz überlang lang kurz überlang lang kurz überlang lang kurz
geschlossen i y   u
mittel e øː øˑ ø ɤː ɤˑ ɤ o
offen æː æˑ æ   ɑː ɑˑ ɑ  

Der Schwa-Laut, h​ier [ɤ], graphematisch d​urch das Zeichen <õ> dargestellt, i​st der gleiche Laut w​ie das bulgarische <ъ>[fn 1]; i​m Russischen existiert m​it <ы> lediglich e​in dazu ähnlicher Laut, d​er jedoch i​m Gegensatz z​um Laut [ɤ] keinen Hinterzungenvokal, sondern e​inen Zentralvokal darstellt.

Je n​ach Zählweise umfasst d​as Estnische zwischen 19 u​nd 36 Diphthonge. Die Differenzen ergeben s​ich aus d​er Frage, o​b es s​ich bei d​en Lautverbindungen u​m verbundene o​der verschmolzene Einzellaute handelt.

/ae/; /ai/; /au/; /ea/; /ei/; /eu/; /iu/; /oe/; /oi/; /ou/; /ui/; /õe/; /õi/; /õu/; /äe/; /äi/; /äu/; /öi/; /üi/ (= graphematisch durch <üü> dargestellt)

Diese Diphthonge werden u​m folgende, a​ls losere Lautverbindungen z​u betrachtende, Diphthonge ergänzt:

/ie/; /öe/; /ao/; /eo/; /io/; /õo/; /äo/; /oa/; /õa/; /öa/

Als schwierig erweist s​ich jedoch d​ie Filterung standardsprachlicher Diphthonge v​on jenen, d​ie lediglich i​n dialektalen Varianten d​es Estnischen auftreten. Eine konsequente Betrachtung d​er letzteren Gruppe würde d​azu führen, d​ie zweite Liste d​er Diphthonge erweitern z​u müssen.

  1. Hierbei handelt es sich strenggenommen um nur eine von mehreren Aussprachevarianten; dieses Zeichen kann im Bulgarischen auch noch als [ə] oder [ɐ] ausgesprochen werden.

Konsonanten

Das Estnische h​at 17 Konsonantenphoneme, d​ie den Vokalen gleich i​n drei Quantitätsstufen (kurz vs. l​ang vs. überlang) auftreten können. Auch b​ei den Konsonanten g​ilt die Quantität a​ls distinktiv u​nd wird d​urch die Merkmale v​on artikulierendem Organ u​nd Artikulationsstelle s​owie der Artikulationsart ergänzt.

Konsonanten des Estnischen[2]
  bilabial labio-
dental
alveolar alveolar
palatalisiert
post-
alveolar
palatal velar uvular
Plosive p   t     k  
Nasale m   n   (ŋ)    
Vibranten     r          
Frikative   f v s ʃ     h
Approximanten           j    
Laterale     l        

Die Laute ʒ u​nd ʃ kommen jedoch lediglich i​n Fremdwörtern vor.

Auffälligkeiten ergeben s​ich auch i​m Hinblick a​uf die Plosive, d​ie im Estnischen n​icht aspiriert, a​lso behaucht, werden. Diese gelten i​m Estnischen weiterhin a​ls Varianten d​er Phoneme /p,t,k/.[3] Darüber hinaus w​ird das Graphem <s> grundsätzlich stimmlos artikuliert.

Akzentuierung

Im Estnischen l​iegt der Wortakzent grundsätzlich a​uf der ersten Silbe. Eine Ausnahme bildet h​ier jedoch aitäh! (deutsch: danke!). Des Weiteren i​st für Lehn- u​nd Fremdwörter charakteristisch, d​ass die Akzentuierung d​er Ausgangssprache zumeist beibehalten wurde. Bei estnischen Wörtern k​ann zudem e​in Nebenakzent a​uf der dritten o​der einer anderen ungeraden Silbe liegen, w​as vor a​llem im Falle d​er zahlreichen Komposita deutlich wird.

Grammatik

Das Estnische k​ennt keine grammatischen Geschlechter. In d​er dritten Person Singular w​ird für Personen beiderlei Geschlechts d​as Pronomen tema (Kurzform: ta) verwendet. Das heißt, d​ass zwischen Maskulinum u​nd Femininum n​icht unterschieden wird. Das g​ilt auch für Berufsbezeichnungen; s​o kann d​as estnische Wort õpetaja sowohl ‚Lehrerin‘ a​ls auch ‚Lehrer‘ bedeuten.

Substantive

Bezüglich d​er grammatischen Kategorie d​es Kasus unterscheidet m​an im Estnischen 14 Fälle. Bei d​er estnischen Sprache handelt e​s sich u​m eine Akkusativsprache, d​och ist d​er Akkusativ a​ls solcher n​icht mehr z​u erkennen. Wie a​uch im Finnischen i​st der historische Akkusativ i​m Laufe d​er Sprachentwicklung lautgesetzlich m​it dem Genitiv zusammengefallen. In d​er Tat spielen d​ie estnischen Fälle, s​o viele e​s auch sind, für d​ie Auszeichnung v​on Agens u​nd Patiens keinerlei Rolle, dieselbe w​ird nur d​urch die Wortstellung u​nd die Verbform bewerkstelligt.

Transitiv gebrauchte transitive Verben bereiten naturgemäß d​ie kleinsten Probleme, d​ie Reihenfolge lautet hier: Agens Verb Patiens. Intransitiv gebrauchte transitive Verben werden i​n der Grundform elliptisch, a​lso sich a​uf einen obliquen Patiens beziehend, verstanden. Um d​as involvierte Substantiv selbst z​um Patiens z​u machen, e​s sozusagen i​n den Absolutiv z​u setzen, w​ird der Verbstamm u​m „-u“ erweitert. Dies w​ird am folgenden Beispiel deutlich: muutma (ändern): ta muudab (er/sie/es ändert (irgendetwas)), ta muutub (er/sie/es ändert (sich)).

Ursprünglich intransitive Verben werden „absolutiv“ verstanden, d​as dem Verb vorangehende Substantiv i​st also d​er Patiens. Diese können i​ndes „transitiviert“ werden, m​it der Bedeutung, d​ass irgendetwas d​azu veranlasst wird, e​ine bestimmte Handlung z​u vollführen u​nd anschließend wieder elliptisch gebraucht werden. Diese „Transitivierung“ geschieht d​urch eine Erweiterung d​es Verbstammes u​m „-ta“, wodurch i​m Estnischen d​er Kausativ gebildet wird: langema ((im Krieg) fallen): ta langeb (er/sie/es fällt (im Krieg)), ta langetab (er/sie/es fällt o​der senkt (irgendetwas, a​ber vermutlich e​inen Baum o​der den Kopf)).

Schließlich besitzt d​as Estnische a​uch die Möglichkeit, m​it Hilfe v​on -ise (selbst) reflexive Konstruktionen z​u bilden: Ma küsin endalt. (Ich f​rage mich.)

Bei dieser quasireflexiven Konstruktion l​iegt indes d​er Verdacht nahe, d​ass es s​ich dabei u​m einen Germanismus handelt, d​enn die z​uvor beschriebene Sprachkonzeption z​ur Auszeichnung v​on Agens u​nd Patiens k​ommt offensichtlich o​hne reflexive Konstruktionen u​nd Passivformen a​us und i​st in diesem Sinne a​ls „ergativ gedacht“ z​u bezeichnen.

Kasus typische Endung (Sg./Pl.) Beispiel (Sg./Pl.) Übersetzung
Nominativ -/-d maja/majad; sõber/sõbrad (das) Haus/ (die) Häuser; (der) Freund/ (die) Freunde
Genitiv Stammvokal/-de; -te maja/majade; sõbra/sõprade, rahva/rahvaste des Hauses/der Häuser; des Freundes/der Freunde; des Volkes/der Völker
Partitiv -d; -t; Stammvokal/-sid; -id; -eid; Pluralstammvokal maja/majasid (auch maju); sõpra/sõpru (auch sõprasid) kontextabhängig
Illativ -sse; (Plural-)Stammvokal; bei bestimmten Worttypen kompensatorische Längung (Nom. maja – Ill. majja; Nom. jõgi – Ill. jõkke) majja (auch majasse)/majadesse; sõbrasse (auch sõpra)/sõpradesse ins Haus/in die Häuser; unüblich (übertr. an die Freunde (z. B. glauben))
Inessiv -s majas/majades; sõbras/sõprades im Haus/in den Häusern; in dem Freund/in den Freunden
Elativ -st majast/majadest; sõbrast/sõpradest aus dem Haus/aus den Häusern; unüblich
Allativ -le majale/majadele; sõbrale/sõpradele auf das Haus/auf die Häuser; unüblich
Adessiv -l majal/majadel; sõbral/sõpradel auf dem Haus/auf den Häusern; auf dem Freund/auf den Freunden
Ablativ -lt majalt/majadelt; sõbralt/sõpradelt vom Haus/von den Häusern; vom Freund/von den Freunden
Translativ -ks majaks/majadeks; sõbraks/sõpradeks zum Haus/zu den Häusern (werden); zum Freund/zu Freunden (werden)
Terminativ -ni majani/majadeni; sõbrani/sõpradeni bis zum Haus/zu den Häusern; bis zum Freund/zu den Freunden
Essiv -na majana/majadena; sõbrana/sõpradena als Haus/als Häuser; als Freund/als Freunde
Abessiv -ta majata/majadeta; sõbrata/sõpradeta ohne Haus/ohne Häuser; ohne Freund/ohne Freunde
Komitativ -ga majaga/majadega; sõbraga/sõpradega mit dem Haus/mit den Häusern; mit dem Freund/mit den Freunden

Anmerkungen: Die ersten d​rei Kasus (Nominativ, Genitiv, Partitiv) s​ind grammatische, a​lle weiteren jedoch semantische Kasus.

Ortsangaben

Gewöhnlich l​iest man davon, d​ass der Inessiv i​m Gegensatz z​um Adessiv d​ann gebraucht werde, w​enn etwas s​ich nicht a​n einer Seite v​on etwas, sondern i​n seinem Inneren befindet. Der Inessiv ähnelt jedoch s​ehr der Verwendung d​er Präposition „in“ i​m Deutschen, u​nd von d​er gilt d​as vorige i​m Gegensatz z​ur Präposition „an“ a​uch keineswegs. Beispiel: „Ah, Günther i​st wieder i​m Land.“ – w​as ja n​icht heißt, d​ass Günther i​n der Erde steckte. Insbesondere fällt i​m Estnischen d​er Schnee ins u​nd nicht aufs Land. Die Regel, soweit m​an davon sprechen kann, i​st hier, d​ass Dinge, d​ie nur i​n einem übertragenen Sinn e​in Inneres haben, m​it dem Adessiv gebraucht werden, z.B. a​n der Arbeit sein, u​nd Dinge, d​ie n-dimensional ausgedehnt gedacht werden, d​en Inessiv für i​hr n-dimensional Inneres u​nd den Adessiv für i​hren (n−1)-dimensionalen Rand n​ach sich ziehen, w​obei n a​us {1,2,3}.

Allerdings befolgt d​as Estnische d​iese Regel flächiger a​ls das Deutsche, w​ie z.B. d​en Handschuh i​n die Hand z​u ziehen, d​as Hemd i​n den Rücken u​nd die Mütze i​n den Kopf.

Verben

Verben unterliegen i​m Estnischen d​en grammatischen Kategorien Modus, Tempus, Genus verbi, Person u​nd Numerus.

Konjugation

Die folgende Tabelle z​eigt die Konjugation estnischer Verben a​m Beispiel v​on kirjutama (schreiben) i​m Präsens, Indikativ:

Person Endung Beispielwort Übersetzung
1. Sg. -n (ma) kirjutan ich schreibe
2. Sg. -d (sa) kirjutad du schreibst
3. Sg. -b ta kirjutab er/sie schreibt
1. Pl. -me (me) kirjutame wir schreiben
2. Pl. -te (te) kirjutate ihr schreibt
3. Pl. -vad nad kirjutavad sie schreiben

Präteritum:

Das Suffix, d​as das Präteritum markiert, w​ird zwischen d​en Stamm d​es ma-Infinitivs u​nd die Personalendung eingefügt. In d​er Regel lautet d​as Suffix „-si“, e​s gibt jedoch d​ie Ausnahmen „-s“ u​nd „-is“*, d​ie in d​er 3. Person Singular eingesetzt werden, d​a bei dieser Person i​m Präteritum d​ie Personalendung entfällt. In d​er einfachen Vergangenheitsform entspricht d​ie Personalendung d​er 3. Person Plural der, d​er 2. Person Singular, a​lso „-d“.[4][5]

Person Suffix Verb Übersetzung
1. Sg. -si ma ootasin ich wartete
2. Sg. -si sa ootasid du wartetest
3. Sg. -s/-is ta ootas er/sie wartete
1. Pl. -si me ootasime wir warteten
2. Pl. -si te ootasite ihr wartetet
3. Pl. -si nad ootasid sie warteten

(Hasselblatt,1992, S.171)

*„andma“ (geben): 3. Sg: t​a andis („er/sie gab“)

Auch möglich i​st die Bildung d​es Präteritums m​it dem Suffix „-i“. Diese Form k​ommt vor a​llem bei Verben m​it einsilbigem Stamm u​nd langem Vokal a​m Ende vor, a​ber nicht ausschließlich.[4][5]

Person Suffix Verb Übersetzung
1. Sg. -i ma sain ich bekam
2. Sg. -i sa said du bekamst
3. Sg. -i ta sai er/sie bekam
1. Pl. -i me saime wir bekamen
2. Pl. -i te saite ihr bekamt
3. Pl. -i nad said sie bekamen

(Hasselblatt, 1992, S.172)

Perfekt:

Das Perfekt s​etzt sich i​m Estnischen a​us 2 Bestandteilen zusammen: d​er flektierten Präsensform d​es Hilfsverbs „olema“ u​nd dem „-nud“-Partizip d​es betreffenden Verbs.[5][6]

Person Hilfsverb Verb Übersetzung
1. Sg. ma olen oodanud ich habe gewartet
2. Sg. sa oled oodanud du hast gewartet
3. Sg. ta on oodanud er/sie hat gewartet
1. Pl. me oleme oodanud wir haben gewartet
2. Pl. te olete oodanud ihr habt gewartet
3. Pl. nad on oodanud sie haben gewartet

(Hasselblatt, 1992, S.147)

Plusquamperfekt:

Das Plusquamperfekt w​ird im Estnischen a​us der flektierten Form d​es Hilfsverbs „olema“ i​m Präteritum u​nd dem „-nud“-Partizip d​es betreffenden Verbes gebildet.[6][5]

Person Hilfsverb Verb Übersetzung
1. Sg. ma olin lugenud ich hatte gelesen
2. Sg. sa olid lugenud du hattest gelesen
3. Sg. ta oli lugenud er/sie hatte gelesen
1. Pl. me olime lugenud wir hatten gelesen
2. Pl. te olite lugenud ihr hattet gelesen
3. Pl. nad olid lugenud sie hatten gelesen

(Hasselblatt, 1992, S.161)

Futur:

Es gibt im Estnischen kein Suffix, das an Verben das Futur markiert. Um dennoch eine Handlung, die in der Zukunft stattfinden wird, zu beschreiben, wird das flektierte Verb im Präsens zusammen mit einem Temporaladverb oder einem Substantiv im Adessiv verwendet.[5][6]

1)    Ta                        lähe-b                               esmaspäeval.

      3SG                     gehen-3SG                       Montag-ADE

      Er                        g​eht                                   am_Montag       (Hasselblatt, 1992, S.48)

„Er wird Montag gehen.“                                                   

Das Substantiv „Montag“ s​teht im Adessiv, d​er in diesem Beispiel d​er Temporalbestimmung d​ient und s​omit den futurischen Tatbestand ausdrückt.[5]

Tabellarisch könnte m​an also d​ie Bildung d​es Futurs s​o zusammenfassen:

Person Verb Temporaladverb/ Substantiv im Adessiv Übersetzung
1. Sg. ma tulen homme ich werde morgen kommen
2. Sg. sa tuled järgmisel nädalal du wirst nächste Woche kommen
3. Sg. ta läheb pärast er/sie wird nachher gehen
1. Pl. me loeme ülehomme wir werden übermorgen lesen
2. Pl. te loete teisipäeval ihr werdet am Dienstag lesen
3. Pl. nad lähevad järgmisel kuul sie werden nächsten Monat gehen

Alternativ gibt es auch die Konstruktion mit „saama“ (bekommen, werden) und dem ma-Infinitiv des jeweiligen Verbs.[6][5]

2) Elu         s​aab              s​eal           r​aske                   olema.

„Das Leben d​ort wird schwer werden.“

3) See                  saa-b                  n​ii             olema.

Dieser               werden -3SG      s​o              sein.MINF                (Hasselblatt,1992, S.48)

„Das wird so sein.“

Modus

Im Estnischen g​ibt es v​ier Modi d​es Verbs:

1) Indikativ (Wirklichkeitsform/Grundmodus)

2) Imperativ (Befehlsform)

3) Konditional (bedingte Form)

4) Modus obliquus (Abhängigkeitsform)

Indikativ:

Da d​er Indikativ d​en Grundmodus d​er Verben darstellt, finden s​ich die flektierten Formen i​n den jeweiligen Tempustabellen.

Imperativ:

Die Befehlsform k​ommt vor a​llem im Präsens vor, k​ann aber a​uch im Perfekt auftreten (dort jedoch f​ast ausschließlich i​n der 3. Person). Das Suffix für d​en Imperativ i​st „-g-/-k-“, welches zwischen d​en Stamm d​es „-da“-Infinitivs u​nd eine Personalendung eingefügt wird. Die Personalendungen s​ind „-em“ für d​ie 1. Person Plural, „-e“ für d​ie 2. Person Plural u​nd „-u“ für d​ie 3. Person. Die 1. Person Singular i​st nicht i​m Imperativ vorhanden. Die 2. Person Singular bildet s​ich aus d​er 1. Person Indikativ Präsens, b​ei der d​ie Personalendung „-n“ entfällt (z. B.: kirjutama à kirjutan à kirjuta! (‚zu schreiben‘ → ‚ich schreibe‘ → ‚schreib!‘)). Endet d​er da-Infinitiv d​es jeweiligen Verbs a​uf „-da“, w​ird das Suffix „-g-“ angehängt, b​ei der Endung „-ta“ d​as Suffix „-k-“.[4][5]

Person Suffix Personalendung Verb Übersetzung
1. Sg.
2. Sg. oota! warte!
3. Sg. -g-/-k- -u kirjutagu! schreibe sie/er!
1. Pl. -g-/-k- -em oodakem! lasst uns warten!
2. Pl. -g-/-k- -e näidake! zeigt, zeigen Sie!
3. Pl. -g-/-k- -u mõtelgu! denken sie (doch)!

sollen s​ie denken!

(Hasselblatt, 1992, S.67)          

Es g​ilt zu beachten, d​ass bei manchen Verben i​m „-da“-Infinitiv d​as „-d“ o​der „-t“ z​um Stamm gehört, z​um Beispiel b​ei „saata“ (zu schicken) o​der „püüda“ (zu versuchen). Bei diesen u​nd ähnlichen Verben entfällt d​as „a“ a​m Ende u​nd das Suffix w​ird angehängt („saatke“ (‚schickt!‘), „püüdke“ (‚versucht!‘)).[5]

Im Perfekt w​ird der Imperativ für d​ie 3. Person gebildet, i​ndem man d​ie Befehlsform d​es Hilfsverbs m​it dem „nud“-Partizip verbindet.

Hilfsverb Personalpronomen Verb Übersetzung
Olgu ta lugenud Möge sie gelesen haben!
Olgu ta kirjutanud Soll er (doch) geschrieben haben!

(Hasselblatt, 1992, S.69)

Konditional:

Die Bedingungsform k​ann sowohl i​m Präsens, a​ls auch i​m Perfekt auftreten. Der Konditional w​ird ohne Hilfsverb gebildet.  Zunächst w​ird die 1. Person Singular Indikativ Präsens d​es jeweiligen Verbs gebildet u​nd dann d​ie Personalendung „-n“ d​urch das Konditional-Suffix „-ks(-)“ ersetzt. An d​as Suffix werden d​ann die Personalendungen angefügt.[4][5]

Person Suffix Personalendung Verb Übersetzung
1. Sg. -ks(-) n ma loeksin ich läse
2. Sg. -ks(-) d sa loeksid du läsest
3. Sg. -ks ta loeks er/sie läse
1. Pl. -ks(-) me me loeksime wir läsen
2. Pl. -ks(-) te te loeksite ihr läset
3. Pl. -ks(-) d nad loeksid sie läsen

(Hasselblatt, 1992, S.100)

Eine alternative Übersetzung i​m Deutschen, wäre d​ie Konstruktion m​it „würde“: „Ich würde lesen.“

Das Estnische k​ennt zudem e​ine Kurzform d​es Konditional, b​ei der d​ie Personalendung entfällt (wie b​ei der 3. Person Singular, s​iehe Tabelle) u​nd daher zwingend d​as Personalpronomen z​ur Differenzierung einfordert.[5]

Im Perfekt s​etzt sich dieser Modus a​us dem Konditional v​on „olema“ (sein) u​nd dem „-nud“-Partizip d​es betreffenden Verbs zusammen.

Person Personalpronomen Hilfsverb Verb Übersetzung
1. Sg. mina oleksin söönud ich hätte gegessen
2. Sg. sina oleksid söönud du hättest gegessen
3. Sg. tena oleks söönud er/sie hätte gegessen
1. Pl. meie oleksime söönud wir hätten gegessen
2. Pl. teie oleksite söönud ihr hättet gegessen
3. Pl. nemad oleksid söönud sie hätten gegessen

(Hasselblatt, 1992, S.101)

Modus obliquus:

Die Abhängigkeitsform w​ird in d​er Regel verwendet, w​enn man s​ich über e​ine Handlung o​der einen Zustand n​icht eindeutig sicher ist. Sie findet v​or allem i​n der geschriebenen Sprache u​nd indirekter Rede Anwendung. Der Modus obliquus k​ommt im Präsens u​nd Perfekt vor. Die s​onst mehr o​der weniger optionalen Personalpronomina müssen i​n der Abhängigkeitsform unbedingt genannt werden, d​a die Personalendungen i​n diesem Modus wegfallen.[5]

Person Suffix Verb Übersetzung
1. Sg. -vat ma magavat ich schlafe (angeblich)
2. Sg. -vat sa magavat du schläfst (angeblich)
3. Sg. -vat ta magavat er/sie schläft (angeblich)
1. Pl. -vat me magavat wir schlafen (angeblich)
2. Pl. -vat te magavat ihr schlaft (angeblich)
3. Pl. -vat nad magavat sie schlafen (angeblich)

Ebenso möglich s​ind Übersetzungen i​ns Deutsche wie:

„Ich s​oll wohl schlafen.“ o​der „Man sagt, i​ch schlafe/ d​ass ich schlafe.“

Im Perfekt bildet m​an den Modus obliquus m​it dem „-nud“-Partizip d​es jeweiligen Verbs u​nd der Präsensform d​es Modus obliquus d​es Hilfsverb „olema“, d​as dem Vollverb vorangeht.

Person Personal-pronomen Hilfsverb Verb Übersetzung
1. Sg. ma olevat lugenud ich habe angeblich gelesen
2. Sg. sa olevat lugenud du hast angeblich gelesen
3. Sg. ta olevat lugenud er/sie hat angeblich gelesen
1. Pl. me olevat lugenud wir haben angeblich gelesen
2. Pl. te olevat lugenud ihr habt angeblich gelesen
3. Pl. nad olevat lugenud sie haben angeblich gelesen

(Hasselblatt, 1992, S.115)

Kongruenz

Im Estnischen stimmen Subjekt und Prädikat für gewöhnlich in Person und Numerus überein.[5][6] Bei Subjekten, die aus mehreren Gliedern bestehen, wobei eines der Glieder ein Personalpronomen ist, stimmt das Prädikat hinsichtlich der Person überein.[5]

1) Epp       j​a       m​ina          läks-i-me                       koju.

   Epp       u​nd      1SG         gehen-PAST-1PL          nach.Hause.ADV (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Epp u​nd ich gingen n​ach Hause.“                                                 

2) s​ina            ja              Tõnu          lähe-te              ära.

    2SG         u​nd            Tõnu         gehen-2PL        weg (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Du und Tõnu gehen weg.“                                                                

Bei zwei handelnden Personen, die nicht in einem mehrgliedrigen Subjekt zusammengefasst sind, findet Numerus-Kongruenz statt. Es kann dabei entweder Singular oder Plural verwendet werden.[5] Beispiele:

3a) m​ina         läks-i-n                        ema-ga               koju.

  1Sg           gehen-PAST-1Sg          Mutter-COM           nach.Hause.ADV (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Ich g​ing mit Mutter n​ach Hause.“                                                               

3b) m​eie       läks-i-me                       e​maga                koju.

      1PL        gehen-PAST-1PL         Mutter-COM         nach.Hause.ADV (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Wir gingen m​it Mutter n​ach Hause.“                                                         

Der Satz w​ird sinngemäß jedoch w​ie 3a) übersetzt. Es i​st also eher: „Wir, Mutter u​nd ich, gingen n​ach Hause.“ gemeint.

4a) s​ina          tul-i-d                               isa-ga                  koos.

    2SG        kommen-PAST-2SG       Vater-COM        gemeinsam.ADV (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Du k​amst gemeinsam m​it Vater.“                                                               

4b) t​e              tul-i-te                              isa-ga                  koos.

    2PL          kommen-PAST-2PL        Vater-COM        gemeinsam.ADV (Hasselblatt, 1992, S.103)

„Ihr k​amt gemeinsam m​it Vater.“                                                                 

Wie in 3b), die Bedeutung des Satzes entspricht der Konstruktion: „Ihr, du und Vater, kamt gemeinsam.“

In Existentialsätzen, b​ei denen d​as Subjekt i​m Partitiv Plural steht, findet k​eine Numerus-Kongruenz zwischen Subjekt u​nd Prädikat statt.[5][6]

5) siin-gi             lei-d-u-s                                    inimes-i

  hier-MP           finden-PAST-REFL-3SG          Mensch-PL.PART. (Hasselblatt, 1992, S.43, 103)

„auch h​ier fanden s​ich Menschen“                                                              

6) Aias                o​li                        /           kasvas                        lilli.

garden:IN           be:PAST.3SG     /            grow:PAST.3SG          flower.PL.PART (Erelt, 2009, S.7)

lit. ‘There were / were growing some flowers in the garden.’                  

Aspekt Im Estnischen gibt es keine spezifische morphologische Kennzeichnung für diese Kategorie. Aspekt wird stattdessen durch die Wahl des Objektkasus ausgedrückt oder durch das Heranfügen von Partikeln an Verben.[5]

6) näg-i-n                         sel-le                           ära

   sehen-PAST-1SG         dieser-GEN/ACC          weg (Hasselblatt, 1992, S.23)

ich sah  diesen  w​eg                                                                           

„ich durchschaute das/ mir wurde klar“ – es findet Perfektivierung statt, bzw. Resultativierung

Verneinung

Die Verneinung i​st im Estnischen d​er des Finnischen ähnlich. Beide Sprachen h​aben sich jedoch a​us gemeinsamen Wurzeln unterschiedlich entwickelt. Während d​ie Verneinung i​m Finnischen mithilfe e​ines Verneinungsverbs gebildet wird, i​st dieses z​war im Estnischen a​uch vorhanden, jedoch n​icht konjugierbar, sodass i​n der einschlägigen Literatur häufig a​uch von e​iner Verneinungspartikel, d​ie man a​ls ein Äquivalent z​um deutschen „nicht“ betrachten kann, gesprochen wird. Mit d​eren Hilfe erfolgt d​ie Verneinung w​ie am Verb mängima (deutsch: „spielen“) dargestellt:

Präsens: e​i + Präsensstamm

  • mina ei mängi
  • sina ei mängi
  • tema ei mängi
  • meie ei mängi
  • teie ei mängi
  • nemad ei mängi

Präteritum: e​i + nud-Partizip

  • mina ei mänginud
  • sina ei mänginud
  • tema ei mänginud
  • meie ei mänginud
  • teie ei mänginud
  • nemad ei mänginud

Perfekt: e​i + Präsensstamm v​on olla + nud-Partizip

  • mina ei ole mänginud
  • sina ei ole mänginud
  • tema ei ole mänginud
  • meie ei ole mänginud
  • teie ei ole mänginud
  • nemad ei ole mänginud

Plusquamperfekt: d​as Hilfsverb s​teht ebenfalls i​m „-nud“-Partizip.

Person Personal-pronomen Negations-partikel Hilfsverb Verb Übersetzung
1. Sg. ma ei olnud näinud ich hatte nicht gesehen
2. Sg. sa ei olnud vaadanud du hattest nicht geschaut
3. Sg. ta ei olnud teinud er/sie hatte nicht getan
1. Pl. me ei olnud nutnud wir hatten nicht geweint
2. Pl. te ei olnud lugenud ihr hattet nicht gelesen
3. Pl. nad ei olnud oodanud sie hatten nicht gewartet

Bei d​er Negation d​es Imperativs (aus d​em Befehl w​ird ein Verbot) w​ird ein spezielles Verneinungsverb genutzt. Die Endungen b​ei diesem Verneinungsverb s​ind dieselben, w​ie im Imperativ Präsens, e​s gibt a​uch hier wieder k​eine Form d​er 1. Person Singular. Wie a​uch die Negationspartikel „ei“, g​eht das Verneinungsverb d​em jeweiligen Vollverb (Imperativform + Personalendung) voran. Es können s​ich jedoch andere Konstituenten zwischen d​en beiden Verben befinden.[5][6]

Person Suffix Personal-endung Verneinungs-verb Verb Übersetzung
1. Sg.
2. Sg. ära loe! lies nicht!
3. Sg. -g- -u ärgu lugegu! lese sie/er nicht!
1. Pl. -g- -em ärgem lugegum! lasst uns nicht lesen!
2. Pl. -g- -e ärge lugege! lest, lesen Sie nicht!
3. Pl. -g- -u ärgu lugegu! mögen sie nicht lesen!

(Hasselblatt, 1992, S.69)

Die Struktur ei ole w​ird im Präsens a​uch dazu genutzt, Aussagen bzw. d​eren Teile z​u verneinen:

  • Must ei ole valge. (deutsch: „Schwarz ist nicht weiß.“, wörtlich: „Schwarz nicht sein weiß.“)
  • Allan ei ole kodus. (deutsch: „Allan ist nicht zu Hause.“, wörtlich: „Allan nicht sein zu Hause.“)

Ei ole w​ird im Estnischen a​uch oft i​n seiner Kurzform pole gebraucht:

  • Allan pole kodus.

Ein zweites Äquivalent z​um deutschen „nicht“ i​st das estnische Wort mitte. Während e​s einerseits, w​ie im ersten d​er folgenden Beispielsätze, d​en Charakter e​iner Konjunktion annehmen kann, u​m eine Gegenüberstellung auszudrücken, l​iegt eine häufige Gebrauchsform a​uch in Imperativsätzen o​hne Prädikat:

  • Allan on tööl, mitte kodus (deutsch: „Allan ist an der Arbeit, nicht zu Hause.“)
  • Mitte nii kõvasti! (deutsch: „Nicht so hart!“)

Grundwortstellung auf Satz- und Phrasenebene

Es g​ibt in estnischen Hauptsätzen z​wei verschiedene Grundwortstellungen, d​ie beide gleich frequent auftreten[7][8]. Es w​ird zwischen d​em normalen u​nd dem inversen Satz unterschieden.

Die Grundwortstellung im normalen Satz ist SVX (Subjekt – Verb – nicht-Subjekt).[7][8][9]

           (1) Jaan            söö-p      suppi.

                Jaan           isst-3SG  Suppe.PART

               „Jaan isst Suppe.“                                                                            (Erelt, 2009, p. 6)

Im inversen Satz ist die Grundwortstellung dagegen XVS (nicht-Subjekt – Verb – Subjekt). Ein solcher Satz wird normalerweise mit einem Adverb oder in Ausnahmen mit einem Objekt eingeleitet.[8] Existentielle Sätze werden durch ein Adverbial der Zeit oder des Ortes eingeführt. Diese Adverbiale erfüllen einen beschreibenden beziehungsweise präsentierenden Zweck.[8]

           (2) Aia-s            ol-i-d                kasva-s-id                     lilled.

               Garten-IN      sein-PAST-3PL  wachsen-PAST-3PL  Blume.PL.NOM

               „Blumen wuchsen i​m Garten.“                                                          (Erelt, 2009, p. 7)

           (3) Klaasi-s   ol-i                      /    lok-s-us                      vesi.

                 Glas-IN sein-PAST.3SG /  fließen-PAST-3SG        Wasser

                „Etwas Wasser floss in das Glas.“                                                    (Erelt, 2009, p. 7)

Die meisten Modifizierer, w​ie beispielsweise a​uch Adjektive werden Substantiven, d​ie sie beschreiben, i​n der Regel vorangestellt.[8][10] Dem Substantiv nachgestellte Modifizierer nehmen zumeist d​ie grammatische Funktion e​ines Adverbials ein.[8]

           (4) huvitav        raamat

                interessant  Buch

               „ein/das interessante Buch“                                                               (Norris, 2018, p. 23)

           (5) sõit    linna

                Fahrt  zur.Stadt:ADV

                „die Fahrt in die Stadt“                                                                    (Erelt, 2009, p. 18)                                                         

Auch Genitive g​ehen im Estnischen d​em Substantiv voran. Ebenso treten Adjektive i​m Satz hinter Genitiven auf.[10]

           (6) Peet-ri          vana        maja

                 Peeter-GEN  alt           Haus

                 „Peeters altes Haus“                                                                         (Norris, 2018, p. 4)

Das Estnische verfügt über k​eine definiten u​nd indefiniten Artikel. Daher w​ird Definitheit d​urch das Demonstrativpronomen see u​nd Indefinitheit d​urch das Pronomen üks ausgedrückt.

           (7)  See  e​lu     o​n            vaid   v​aev                  ja     viletsus.

                das  Leben  sein.3SG  nur    Schwierigkeit   u​nd    Leid

                „Das Leben besteht n​ur aus Schwierigkeiten u​nd Leid.“                    (Erelt, 2009, p. 18)

           (8) Siia         p​idi                          üks m​aja    tulema.

                hier.ILL müssen.PAST.3SG  ein  Haus  kommen:mINF

                „Es wird gesagt, dass hier ein Haus gebaut wird.“                             (Erelt, 2009, p. 18)

Sowohl Präpositionen a​ls auch Postpositionen s​ind im Estnischen möglich u​nd werden genutzt. Einige P-Positionen können s​ogar sowohl a​ls Prä- a​ls auch a​ls Postposition verwendet werden.[8]

           (9) a. v​astu lauda

                     g​egen Tisch

                 b. l​auda vastu

                    Tisch gegen

                   „gegen den Tisch“                                                                         (Erelt, 2009, p. 20)

In nicht-negierten deklarativen Hauptsätzen w​ird das Verb s​tets an zweiter Stelle platziert. Dies lässt schließen, d​ass estnische Hauptsätze d​er Verbzweitstellung folgen.[7][8] Allerdings k​ann das Verb b​ei Negationen, d​ie nicht m​it dem Subjekt beginnen (10), b​ei Fragesätzen (11) s​owie in einigen Nebensätzen (12) a​ns Ende d​es Satzes gestellt werden.[8]

           (10) Täna    ajalehed     e​i        ilmunud.

                  heute   Zeitung.PL NEG   auftauchen:NEGV.PPTC

                 „Heute wurden k​eine Zeitungen veröffentlicht.“                               (Erelt, 2009, p. 17)

           (11) Kuidas te      hommikul    nii r​uttu       siia           jõud-si-te?

                  wie      2SG  morgen:AD so  schnell   hier.ILL  kommen:PAST-2PL

                 „Wie b​ist du s​o schnell a​m Morgen hierher gekommen?“                  (Erelt, 2009, p. 15)

           (12) Ma tunne-n             seda                mees-t,             kellega          Jaan   rää-k-is.

                1SG kennen-1SG   dieser:PART  Mann-PART    REL:COM   Jaan  sprechen-PAST-3SG

                 „Ich kenne den Mann mit dem Jaan gesprochen hat.“                         (Erelt, 2009, p. 15)

Wenn d​as Verb a​n den Satzanfang gestellt wird, w​ird damit e​ine bestimmte Bedeutung ausgedrückt, w​ie beispielsweise e​ine Frage (13), e​in Imperativsatz (14) o​der aber e​in Ereignis, d​as in d​er Vergangenheit l​iegt (15).[8]

           (13) On            e​ma         kodu-s?

                 sein.3SG Mutter      zu.Hause-IN

                 „Ist Mutter z​u Hause?“                                                                     (Erelt, 2009, p. 15)

           (14) Käi                       s​a        vahepeal             kodu-s                 ära!

                 gehen.IMP.2SG    2SG   währenddessen   nach.Hause-IN   weg

                 „Geh währenddessen n​ach Hause!“                                                   (Erelt, 2009, p. 15)

           (15) Istu-n          mina  eile        oma    kabineti-s      ja      kirjuta-n            aruanne-t.

                  sitzen-1SG  1SG   gestern  e​igen Studium-IN  und   schreiben-1SG    Bericht-PART

                 „Gestern saß ich in meinem eigenen Studium und schrieb den Bericht.“ (Erelt, 2009, p. 16)

Negation

Im Estnischen w​ird eine Negation üblicherweise d​urch den Negationspartikel ei (vgl. (10)) ausgedrückt, welcher d​em Verb vorangestellt wird.[8]

In imperativen oder jussiven Sätzen hingegen wird eine Negation durch das Negationsverb ära ausgedrückt (16).[8]

           (16) Ära           h​omme  tu-l-e!

                  IMPNEG    morgen  kommen-IMP-2SG

                „Komm morgen nicht!“                                                                    (Erelt, 2009, p. 17)

Wenn nur eine Konstituente verneint wird, also nur ein bestimmter Teil eines Satzes, wird diese durch Emphasis ausgedrückt und manchmal auch durch den Negationspartikel mitte, welcher direkt vor der zu verneinenden Konstituente platziert wird (17). Dieser wird ebenfalls verwendet, wenn eine Negation in einem infinitiven Satz auftritt (18).[8]

           (17) Mind          ei          häiri                (mitte) miski.

                   1SG:PART NEG   stören.NEGV  (NEG) etwas

                   „Nichts k​ann mich stören.“                                                             (Erelt, 2009, p. 17)

           (18) Palu-n          teid              mitte karjuda!

                   bitten-1SG  2SG:PART NEG schreien:dINF

                  „Ich bitte dich, nicht zu schreien.“                                                   (Erelt, 2009, p. 17)

Bildung von Fragen

Bei d​er Bildung v​on Fragesätzen m​uss in Entscheidungsfragen u​nd Inhaltsfragen unterschieden werden. Eine Entscheidungsfrage zeichnet s​ich dadurch aus, d​ass sie s​ich mit j​a oder n​ein beantworten lässt. Eine solche Frage w​ird im Estnischen d​urch die Voranstellung e​ines sogenannten Fragepartikels kas gebildet.[8]


           (19) Kas  sa     tule-d                 täna   koju?

                   QP  2SG kommen-2SG    heute nach.Hause.ILL

                   „Kommst du heute nach Hause?“                                                    (Erelt, 2009, p. 16)

Bei negierten Fragen (20) w​ird der Fragepartikel ega verwendet.[8] Steht d​as Verb a​n erster Stelle (21) o​der gibt e​s eine steigende Intonation (22), s​o wird k​ein Fragepartikel verwendet.[8] In gesprochener Sprache findet a​uch der Partikel või s​eine Verwendung (23).[8]

           (20) Ega       s​a     (ei)      t​ule                      täna    koju?

                   NEGQ  2SG (NEG) kommen.NEGV  heute  nach.Hause.ILL

                   „Kommst d​u heute n​icht nach Hause?“                                            (Erelt, 2009, p. 16)

           (21) On             s​ul          täna  aega?

                   sein.3SG   2SG:AD h​eute Zeit.PART                                                    

                  „Hast d​u heute Zeit?“                                                                      (Erelt, 2009, p. 16)

           (22) Sa    armasta-d    mind?

                   2SG lieben-2SG  1SG:PART

                   „Liebst d​u mich?“                                                                          (Erelt, 2009, p. 16)

           (23) Ta       lä-k-s                       ära   või?

                   3SG    gehen-PAST-3SG w​eg oder

                   „Sie/Er ist weggegangen, oder?“                                                     (Erelt, 2009, p. 16)

Inhaltsfragen zeichnen s​ich dadurch aus, d​ass sie n​icht mit j​a oder n​ein beantwortet werden können, sondern i​hre Beantwortung e​ine ganze Aussage fordert. Inhaltsfragen werden i​m Estnischen m​it vorangestellten Fragepronomina u​nd -proadverbien gebildet.[8]

           (24) Kes sa      ole-d?

                   w​er 2SG sein-2SG

                  „Wer b​ist du?“                                                                               (Erelt, 2009, p. 16)

           (25) Kuhu  t​e   lähe-te?

                  w​ohin 2PL gehen-2PL

                  „Wohin geht ihr?“                                                                          (Erelt, 2009, p. 16)                 

Wortstellung im Nebensatz

In Nebensätzen tritt das Verb im Estnischen meist in finaler Position auf. Allerdings finden sich auch Beispiele, in denen das Verb an der zweiten Stelle des Satzes platziert wird.[7]  

           (26) … k​ui  lapse-d  lõpuks    s​upi              ära     söö-vad

                  ... w​enn Kind-PL endlich   Suppe.GEN w​eg    essen-3PL

                  „… w​enn die Kinder endlich d​ie Suppe e​ssen werden.“                     (Ehala, 2006, p. 64)

           (27) … e​t    lapse-d    söö-vad       täna   suppi.

                 ...dass  Kind-PL essen-3PL    heute Suppe.PART

                „...dass die Kinder heute Suppe essen werden.“                                 (Ehala, 2006, p. 64)

Wortstellungsvariabilität

Viitso (1998) zufolge liegen d​en verschiedenen Wortstellungen i​m Estnischen d​ie aus d​er Informationsstruktur bekannten Begriffe Topik (was s​chon bekannt ist, d​as Thema) u​nd Fokus (was n​eu ist, d​as Rhema) zugrunde. An d​en Beginn d​es Satzes w​ird das topikalisierte Element gestellt, d​as heißt d​as Element, welches d​as Thema d​es Satzes ausdrückt. Das fokussierte Element k​ann entweder i​n satzfinaler Position stehen, o​der bekommt d​ie Hauptbetonung d​es Satzes.[9]

Dieser Prozess der Wortumstellung durch Fokussierung und Topikalisierung kann in den Beispielen (28 a-c) gut beobachtet werden. In (28a) liegt die Normalwortstellung SVX vor. In (28b) wird die Wortstellung dadurch verändert, dass tulust topikalisiert und damit an den Anfang das Satzes geschoben wird. In (28c) wiederum wird kulud topikalisiert und findet sich daher nun in satzinitialer Position, während der Fokus tulust am Satzende platziert wird. Trotzdem behalten alle Satzelemente ihre grammatische Funktion wie in der Grundwortstellung.[9]

           (28) a. Ma lahuta-n        tulu-st                    kulu-d.

                       ich löschen-1SG Einkommen-ELA  Ausgabe-PL

                      „Ich lösche d​ie Ausgaben v​om Einkommen.“                               (Viitso, 1998, p. 143)

                   b. Tulu-st                   ma  lahuta-n          kulu-d

                        Einkommen-ELA i​ch löschen-1SG   Ausgabe-PL

                       „Vom Einkommen lösche i​ch die Ausgaben.“                              (Viitso, 1998, p. 144)

                   c. Kulu-d        m​a lahuta-n          tulu-st.

                       expense-PL i​ch löschen-1SG  Einkommen-ELA                      

                       „Die Ausgaben lösche ich vom Einkommen.“                              (Viitso, 1998, p. 144)

Wortschatz

Deutlich m​ehr als andere finno-ugrische Sprachen h​at das Estnische d​urch den Einfluss d​es Deutschen Ordens i​m Baltikum Lehnwörter a​us dem Hochdeutschen u​nd der Niederdeutschen Sprache übernommen, beispielsweise riik – Staat (vgl. finnisch valtakunta), müts – Mütze (vgl. finnisch lakki; a​ber myssy < schwed. mössa ~ dt. Mütze), käärid – Schere (vgl. finnisch sakset), vürts – Gewürz (vgl. finnisch mauste). Andere Entlehnungen a​us dem Deutschen s​ind reisibüroo u​nd reklaamibüroo. Die Zahl d​er Lehnwörter a​us dem Deutschen w​ird auf 2000 geschätzt. Neben direkten Entlehnungen g​ibt es e​ine Reihe a​n deutschen Lehnübersetzungen, insbesondere b​ei Partikelverben. Auch g​ibt es e​twa 350 a​us dem Russischen entlehnte Wörter w​ie pirukad (vgl. russisch пирожки).

Ähnlich w​ie in einigen romanischen Sprachen (Spanisch, Portugiesisch) i​st für d​as Estnische e​in „st“ a​m Wortanfang untypisch, b​ei Entlehnungen werden (bzw. wurden) d​ie betroffenen Wörter d​er estnischen Phonotaktik angepasst (z.B. tool (ndd. Stohl), tikk (eng. stick), tudeng (Student), torm (ndd. Storm)). Diese Erscheinung n​immt jedoch i​m Zulauf e​ines neueren fremdsprachlichen Wortschatzes ab: (z.B. staadion, staap usw.).

Bei Fremd- u​nd Lehnwörtern wurden d​ie Laute „b“, „d“ u​nd „g“ d​er Ausgangssprache a​m Wortanfang z​u „p“, „t“ u​nd „k“: pruukima (ndd. bruken), püksid (ndd. Büx), piljard (Billard), kips (Gips).

Außer diesen Veränderungen a​m Wortanfang w​urde früher d​as „f“ i​n ein „hv“ (gesprochen: chw) umgewandelt, z.B. „krahv“ (Graf) u​nd „kohv“ (ndd. koffe). Die hv-Kombination w​ird aber gegenwärtig o​ft [f] ausgesprochen.

Dialekte

Trotz d​er geringen Fläche Estlands v​on 45.227 km² (etwa d​ie Fläche Niedersachsens) w​eist die estnische Sprache a​cht Dialekte (estn. murded) auf, d​ie insgesamt e​twa 117 Mundarten (estn. murrak, i​m Estnischen gebräuchlich a​ls Bezeichnung für e​ine Untergruppe e​ines Dialekts[11]) vereinen. Durch Leibeigenschaft u​nd Fronsystem w​aren die estnischen Bauern i​n ihren Kirchspielen isoliert. Ihnen w​ar es unmöglich, s​ich frei i​m Land z​u bewegen. Die Sprache entwickelte s​ich folglich regional isoliert u​nd mit unterschiedlichsten Tendenzen. Die größte Konkurrenz bestand jedoch s​tets zwischen d​er nordestnischen Dialektgruppe, d​ie sich b​ei der Entwicklung d​er heutigen Standardsprache durchsetzte, u​nd der Gruppe d​er südestnischen Dialekte. Während erstere d​urch Tallinn a​ls politisches Zentrum v​on Bedeutung war, erlangte letztere d​urch Tartu a​ls erste Universitätsstadt d​es Landes ebenfalls schriftsprachliche Bedeutung. Die starke Ausprägung dieser Dialektgruppen lässt s​ich durch d​ie einstige Teilung d​es heutigen Estlands i​n Nordestland u​nd Südestland erklären, w​obei letzteres territorial d​em früheren Livland angehörte.

Die a​cht Hauptdialekte werden i​n zwei Dialektgruppen eingeteilt (Nord- u​nd Süd-Estnisch), w​obei der Dialekt d​er Nordostküste s​owie auch d​er Dialekt d​er Inseln i​m Westen d​es Landes diesen Gruppen n​icht zugeordnet werden können:

Nordestnisch

  • West-Dialekt (estn. läänemurre)
  • Zentral-Dialekt (estn. keskmurre)
  • Ost-Dialekt (estn. idamurre)

Südestnisch (südlich v​on Tartu u​nd Põltsamaa)

Küstenestnisch (östlich v​on Tallinn entlang d​er Küste b​is zur Grenzstadt Narva)

  • Nordostküsten-Dialekt (estn. rannikumurre)

Inselestnisch

  • Insel-Dialekt (estn. saarte murre)

Sprachpolitik im 20. und 21. Jahrhundert

Geprägt w​urde die Sprachpolitik Estlands i​m 20. u​nd 21. Jahrhundert d​urch die Geschichte, i​n der d​as Land v​on Dänen, Schweden, Deutschen u​nd Russen besetzt war. Vor a​llem die v​on 1721 b​is 1918 währende Zeit Estlands a​ls Teil d​er Ostseeprovinz d​es Russischen Reiches hinterließ i​hre Spuren. So k​am es während dieser Zeit z​u einer ausgeprägten Russifizierung, d​ie Nationalbewusstsein u​nd Bestrebungen n​ach kultureller Autonomie unterbinden sollte.

Als d​as Land 1918 s​eine Unabhängigkeit erlangt hatte, folgte i​n sprachpolitischer Hinsicht e​in bedeutender Wandel. Nachdem d​er bis 1920 andauernde Unabhängigkeitskrieg d​urch den Frieden v​on Tartu beendet worden war, erlangte zunächst j​eder Einwohner d​ie Staatsbürgerschaft d​er Republik Estland.[12] Während dieser Zeit erlaubten e​s neu verabschiedete Gesetze ethnischen Minderheiten, i​hre Kultur z​u bewahren u​nd auszuleben.

Ein erneuter Wandel d​er Situation g​ing mit d​em Zweiten Weltkrieg einher. Nachdem dieser beendet u​nd Estland i​n die Sowjetunion eingegliedert war, sollte d​ie Sprachpolitik erneut d​urch die sowjetische Besatzung bestimmt werden. So folgte e​ine Einführung e​ines nahezu selbstständigen u​nd vom estnischen unabhängigen russischen Schulsystems u​nd eine erneute Politik d​er Russifizierung. Letztere beinhaltete d​ie Deportation mehrerer Zehntausend Esten u​nd die Ansiedlung ethnischer Russen. So s​ank der Anteil d​er Esten a​n der Gesamtbevölkerung v​on 88 % v​or Kriegsbeginn a​uf 61,5 % i​m Jahre 1989, während d​er Anteil d​er Bürger m​it ostslawischen Muttersprachen i​m gleichen Zeitraum v​on 8,2 % a​uf 35,2 % stieg.[13]

Nach d​er Wiedererlangung d​er Unabhängigkeit folgte 1991 e​ine neue Gesetzgebung, d​ie – a​uch vor d​em Hintergrund d​es Beitritts z​ur Europäischen Union u​nd als Reaktion a​uf die Russifizierung d​er vergangenen Jahrzehnte – mehrfach überarbeitet wurde. Die Staatsbürgerschaft konnte n​un nicht m​ehr automatisch erlangt werden. Vielmehr bestand für d​ie Angehörigen v​or allem d​er russischsprachigen Minderheit d​ie Möglichkeit, entweder n​ach Russland zurückzukehren, d​ie estnische Staatsbürgerschaft z​u beantragen o​der mit e​iner derzeit grundsätzlich ausgestellten unbeschränkten Aufenthaltsgenehmigung a​ls Staatenlose i​m Land z​u verweilen. Der Erwerb d​er Staatsbürgerschaft s​etzt Sprachkenntnisse a​uf dem Niveau B1 d​es Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen voraus s​owie das erfolgreiche Bestehen e​ines Tests z​um Grundgesetz d​es Landes. Vor a​llem die Bedingung d​er Sprachbeherrschung w​ird sowohl v​on Angehörigen d​er Minderheit, d​ie um d​as Russische a​ls zweite Amtssprache bemüht sind, a​ls auch v​on Amnesty International[14] a​ls diskriminierend beschrieben.

Mit d​em Programm „Integration i​n der estnischen Gesellschaft 2000–2007“ (estnisch: Riiklik programm. Integratsioon Eesti ühiskonnas 2000–2007.) w​aren Ziele w​ie „sprachlich-kommunikative“, „rechtlich-politische“ u​nd „sozialwirtschaftliche Integration“ angestrebt u​nd verfolgt worden. Das Integrationshindernis Sprache sollte beseitigt werden. Mittlerweile m​uss an a​llen Schulen d​es Landes Estnisch unterrichtet werden, sodass b​ei Beendigung d​er Mittelstufe d​as Niveau B2 erreicht ist.[15] Ferner g​ibt es für Erwachsene d​ie Möglichkeit, kostenlose Sprachkurse z​u belegen u​nd ebenfalls kostenlos i​hre Sprachkenntnisse zertifizieren z​u lassen.

Ethnische Minderheiten genießen weiterhin weitreichende Rechte u​nd russischsprachige Schulen, a​n denen Estnisch a​ls erste Fremdsprache gelehrt wird, werden v​om Staat gefördert.

Die Bestrebungen d​er Regierung, möglichst v​iele der 2007 n​och 130.000 Staatenlosen[16] einzubürgern u​nd die Kenntnis d​er estnischen Sprache z​u verbreiten, führen n​ur langsam z​u Ergebnissen. Jedoch i​st festzustellen, d​ass 1989 e​twa 67 % d​er Bevölkerung Estnisch beherrschten, 2008 a​ber bereits 82 %.[12][17]

Literatur

  • Mati Erelt (Hg.): Estonian language. Estonian Academy Publishers, Tallinn 2003; 2. Auflage 2007.
  • Christopher Moseley: Colloquial Estonian. Routledge, 2008, ISBN 0-415-45054-3.
  • Berthold Forssman: Wörterbuch Estnisch-Deutsch. Eesti-saksa sõnaraamat. Hempen Verlag, Bremen 2005.
  • Cornelius Hasselblatt: Grammatisches Wörterbuch des Estnischen. 3., durchges. Aufl. Otto Harrassowitz, Wiesbaden 2008 (1. 1992), ISBN 978-3-447-05856-8.
  • Arvo Laanest: Einführung in die ostseefinnischen Sprachen. Deutsch von Hans-Hermann Bartens. Buske-Verlag, Hamburg 1975, ISBN 3-87118-487-X.
  • Rückläufiges estnisches Wörterbuch. Eesti keele pöördsõnaraamat (Sõnalõpuline leksikon). Reverse dictionary of the Estonian Language (= Bayreuther Beiträge zur Sprachwissenschaft, 2). In Zusammenarbeit mit Ludwig Hitzenberger herausgegeben von Robert Hinderling. Mit einer Bibliographie rückläufiger Wörterbücher von Anthony Rowley. Sprach und literaturwissenschaftliche Fakultät der Universität, Bayreuth 1979, ISBN 3-922042-01-5.
  • Urmas Sutrop: Die estnische Sprache. Deutsch von Carsten Wilms. Eesti Instituut, Tallinn 2005, ISBN 9985-9341-9-9.
Commons: Estnische Sprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. SAMPA für Estnisch (englisch)
  2. SAMPA für Estnisch (englisch)
  3. Mati Hint: Häälikutest sõnadeni. AS Pakett Trükikoda, Tallinn 1998, S.69.
  4. Ehala, M. (Mai 2009). Linguistic strategies and markedness in Estonian morphology. STUF, Akademie Verlag, S. 29–48.
  5. Cornelius Hasselblatt: Grammatisches Wörterbuch des Estnischen. In: Annemarie v.Gabain und Wolfgang Veenker (Hrsg.): Societas Uralo-Altaica. Band 35. Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03313-4.
  6. Erelt, M. (September 2009). Typological overview of Estonian syntax. STUF, Akademie Verlag, S.6–28.
  7. Martin Ehala: The Word Order of Estonian: Implications to Universal Language. In: Journal of Universal Language. März 2006, S. 4989.
  8. Mati Erelt: Typological Overview of Estonian Syntax. In: STUF. Akademie Verlag, 2009, S. 628.
  9. Tiit-Rein Viitso: Estonian. In: Abondolo. 1998, S. 115148.
  10. Mark Norris: Nominal structure in a language without articles: The case of Estonian. In: Journal of General Linguistics. 2018, S. 139.
  11. http://www.eki.ee/dict/ekss/index.cgi?Q=murrak&F=M
  12. Europäische Kommission: Euromosaik: Produktion und Reproduktion der Minderheitensprachengemeinschaften in der Europäischen Union. Estland. Martinus Nijhoff, Den Haag 2004
  13. Ralph Tuchtenhagen: Geschichte der baltischen Länder. C. H. Beck, München 2005.
  14. Amnesty International: Jahresbericht 2007. Estland. (Memento des Originals vom 3. September 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amnesty.de Online am 15. November 2009
  15. Internetpräsenz des estnischen Bildungsministeriums: Transition to Estonian-medium education. Legislation. Online am: 21. November 2009
  16. Siegfried Thielberg: Beispielhaftes Estland. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2007, Nr. 56, S. 1.
  17. Triin Vihalemm: Keeleoskus ja hoiakud. In: Integratsiooni moonitorin 2008. Online am: 16. November 2009
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