Amtssprachen der Europäischen Union
In der Europäischen Union werden aktuell 24 Sprachen als Amts- und Arbeitssprachen anerkannt. Die Sprachenfrage wurde durch die erste Verordnung festgelegt, die überhaupt von der EWG erlassen wurde (Text der VO 1/1958 siehe unten). Rechtsgrundlage für die Verordnung ist aktuell Art. 342 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV): „Die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union wird unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Rat einstimmig durch Verordnungen getroffen.“
Nach Art. 24 AEUV haben alle Unionsbürger das Recht, sich in einer der 24 in Art. 55 EU-Vertrag genannten Sprachen an die Organe der EU zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten. Neben diesen Amtssprachen existieren zahlreiche Minderheitensprachen, wie z. B. Katalanisch oder Baskisch in Spanien oder Russisch in den baltischen Ländern. Die EU erklärt, die Sprachen und Sprachenvielfalt zu achten und zu respektieren.
Von den Amtssprachen werden im internen Verkehr der EU-Organe vor allem Englisch, Französisch und Deutsch als Arbeitssprachen verwendet, um die Verständigung zwischen den Mitarbeitern der europäischen Institutionen zu erleichtern. Durch den hohen Anteil an Nicht-Muttersprachlern, die in der EU Englisch verwenden, haben sich einige typische Eigenheiten in Grammatik und Vokabular herausgebildet, die als Euro English bezeichnet werden.[1]
Liste der Amtssprachen
(*) Vertragssprache seit 1973
Amtssprachen in Mitgliedstaaten ohne offiziellen Status in der EU
Sprache | Amtssprache in Mitgliedstaat | Name der EU (Abkürzung) |
---|---|---|
Luxemburgisch | Luxemburg | Europäesch Unioun (EU) |
Türkisch | Zypern | Avrupa Birliği (AB) |
Amtssprachen in Beitrittskandidaten der EU
Sprache | Amtssprache in Beitrittskandidat | Name der EU (Abkürzung) |
---|---|---|
Albanisch | Albanien Nordmazedonien |
Bashkimi Evropian (BE) |
Mazedonisch | Nordmazedonien | Европска Унија (ЕУ) |
Montenegrinisch | Montenegro | Evropska unija/Европска унија (EU/ЕУ) |
Serbisch | Serbien | Европска унија (ЕУ) |
Türkisch | Türkei | Avrupa Birliği (AB) |
Halbamtliche Sprachen der Europäischen Union
Folgende Sprachen sind weder Arbeits- noch Vertragssprachen der Europäischen Union, können jedoch für die Korrespondenz mit den Institutionen der EU verwendet werden.
Sprache | Amtssprache in Region | Staat | Name der EU (Abk.) |
---|---|---|---|
Baskisch | Baskenland Navarra |
Spanien | Europar Batasuna (EB) |
Galicisch | Galicien | Spanien | Unión Europea (UE) |
Katalanisch | Balearische Inseln Katalonien Valencia |
Spanien | Unió Europea (UE) |
Arbeits- und Vertragssprachen
Von den Amtssprachen werden im internen Verkehr der Organe vor allem Englisch, Französisch und Deutsch als Arbeitssprachen verwendet, um die Verständigung zwischen den Mitarbeitern der europäischen Institutionen zu erleichtern.
Auch die Verträge (EU-Vertrag, AEU-Vertrag und EURATOM-Vertrag) sind in allen in Art. 55 EU-Vertrag genannten Amtssprachen verfasst und verbindlich. Eine Besonderheit bildete bis 2007 die irische Sprache, die nur Vertragssprache war, nicht aber als Amtssprache verwendet wurde. Erst anlässlich der Neuregelung beim Beitritt von Bulgarien und Rumänien wurde neben den Sprachen dieser beiden Länder auch das Irische neu als Amtssprache aufgenommen.
Verordnung zur Regelung der Sprachenfrage
Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft[2]
„Der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat, gestützt auf Artikel 217 des Vertrages [Anmerkung: jetzt Art. 342 AEUV)], nach dem die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Gemeinschaft unbeschadet der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vom Rat einstimmig getroffen wird, in der Erwägung, dass jede der vier Sprachen, in denen der Vertrag abgefasst ist, in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Amtssprache ist, folgende Verordnungen erlassen:
- Artikel 1
- Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Gemeinschaft sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch. [Anmerkung: Im Rahmen der Beitrittsverträge wurden hier weitere Amtssprachen eingefügt. 2005 wurde durch eine Verordnung ‚Irisch‘ in die Liste aufgenommen.]
- Artikel 2
- Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person an Organe der Gemeinschaft richtet, können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen abgefasst werden. Die Antwort ist in derselben Sprache zu erteilen.
- Artikel 3
- Schriftstücke, die ein Organ der Gemeinschaft an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person richtet, sind in der Sprache dieses Staates abzufassen.
- Artikel 4
- Verordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung werden in den vier Amtssprachen abgefasst.
- Artikel 5
- Das Amtsblatt der Gemeinschaft erscheint in den vier Amtssprachen.
- Artikel 6
- Die Organe der Gemeinschaft können in ihren Geschäftsordnungen festlegen, wie diese Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist.
- Artikel 7
- Die Sprachenfrage für das Verfahren des Gerichtshofes wird in dessen Verfahrensordnung geregelt.
- Artikel 8
- Hat ein Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen, so bestimmt sich der Gebrauch der Sprache auf Antrag dieses Staates nach den auf seinem Recht beruhenden allgemeinen Regeln.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“
Die Sprachen wurden jeweils mit dem Beitritt des jeweiligen Staates zur Amtssprache. Das Irische ist jedoch erst durch Verordnung des Rates vom 13. Juni 2005[3] als Amtssprache der EU anerkannt worden. Die Regelung trat aber erst am 1. Januar 2007 in Kraft. Fassungen der Verträge auf Luxemburgisch gibt es hingegen nicht, da das Luxemburgische erst 1984 zur National- und Verwaltungssprache Luxemburgs erklärt wurde und Gesetze dort bis heute ausschließlich auf Französisch geschrieben werden. Die Regierung von Luxemburg verzichtete für Luxemburgisch auf den Status einer EU-Amtssprache.[4]
Demografie
Nach der Eurostat-Studie Die Europäer und ihre Sprachen,[5] die von November bis Dezember 2005 in den damaligen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchgeführt und im Februar 2006 veröffentlicht wurde, ergibt sich folgendes Bild der laut Selbsteinschätzung der Befragten am meisten gesprochenen Sprachen in der Union (EU 25):
Sprache | Amtssprache in Mitgliedstaat | als Muttersprache gesprochen (Anteil an der Bevölkerung) | als Fremdsprache gesprochen (Anteil an der Bevölkerung) | Sprecher insgesamt in der EU (Anteil an der Bevölkerung) |
---|---|---|---|---|
Deutsch | 18 % | 14 % | 32 % | |
Englisch | 13 % | 38 % | 51 % | |
Französisch | 14 % | 14 % | 28 % | |
Italienisch | 13 % | % | 316 % | |
Spanisch | % | 9% | 615 % | |
Polnisch | % | 9% | 110 % | |
Rumänisch | ||||
Niederländisch | % | 5% | 1% | 6|
Kroatisch | ||||
Bulgarisch | ||||
Griechisch | % | 3% | 0% | 3|
Schwedisch | % | 2% | 1% | 3|
Tschechisch | % | 2% | 1% | 3|
Portugiesisch | % | 2% | 0% | 2|
Ungarisch | % | 2% | 0% | 2|
Slowakisch | % | 1% | 1% | 2|
Katalanisch | % | 1% | 1% | 2|
Irisch | <1 % | |||
Russisch | % | 1% | 6% | 7
* Anmerkung: zum Zeitpunkt der Erhebung war das Vereinigte Königreich noch EU-Mitglied.
Nach der von Mai bis Juni 2005 durchgeführten Erhebung des Eurobarometers[6] wichen die Zahlen teilweise ab.
- Deutsch
- Englisch
- Französisch
- Spanisch
- Italienisch
- Russisch
Einführung einer einheitlichen Amtssprache
Die Einführung von Englisch als Verwaltungs- und anschließend als Amtssprache in den Teilstaaten der Europäischen Union wurde diskutiert. Einer repräsentativen YouGov-Umfrage von 2013 zufolge hätten es zu diesem Zeitpunkt 59 Prozent der Deutschen begrüßt, wenn die englische Sprache in der gesamten Europäischen Union den Status einer Amtssprache erlangt hätte (zusätzlich zu den bisherigen Sprachen), in anderen Ländern Europas lag die Zustimmungsraten teilweise bei über 60 Prozent.[7][8]
Durch den geplanten Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU (Brexit) bekam die Diskussion über eine einheitliche Amtssprache neuen Auftrieb, verlagerte sich aber auch weg vom Englischen hin zu anderen Sprachen, die häufig in der EU gesprochen werden. Durch den Verlust des Vereinigten Königreiches als EU-Nettozahler kam die nicht unwesentliche Verwaltungskostenstelle der Übersetzungen in und aus 24 Amtssprachen bei allen Dokumenten als Argument wieder verstärkt in die Diskussion.[9]
Literatur
- Peter Cichon, Michael Mitterauer (Hrsg.): Europasprachen (= Studien zu Politik und Verwaltung. Band 103). Böhlau, Wien/Köln/Graz 2011, ISBN 978-3-205-78608-5.
- Markus A. Kürten: Die Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union. Eine Untersuchung der aktuellen sowie zukünftig möglichen Bedeutung der deutschen Sprache in der EU (= Schriften zum europäischen Recht. Band 105). Duncker & Humblot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11395-0 (zugleich Dissertation an der Universität Köln, 2002/2003).
- Sandra Nißl: Die Sprachenfrage in der Europäischen Union. Möglichkeiten und Grenzen einer Sprachenpolitik für Europa (= Sprach- und Literaturwissenschaften. Band 38). Utz, München 2011, ISBN 3-8316-4078-5 (zugleich Dissertation an der Universität München 2011).
- Gerald G. Sander: Die Zukunft des Sprachenregimes in einer erweiterten Europäischen Union. In: Gerald G. Sander, Ivo Maryška (Hrsg.): Die Europäische Union vor neuen Herausforderungen. Verfassung – Osterweiterung – Welthandel. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2005, ISBN 3-631-52596-6, S. 59–71.
Weblinks
- Mehr zu den 24 EU-Amtssprachen, EU-Minderheitensprache und EU-Sprachlernprogrammen Website der Europäischen Union
- Häufig gestellte Fragen zur Mehrsprachigkeit in der EU Memo der Europäischen Kommission
- Sprachenregelung in EU-Organen Website der deutschen Bundesregierung
- Eurobarometer: Serie Sprachen Meinungsumfragen auf der Webseite der Europäischen Union
Einzelnachweise
- Sandra Mollin: Euro-English: Assessing Variety Status. Gunter Narr Verlag, Tübingen 2006, ISBN 382336250X, S. 6.
- Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Nr. 17, 6. Oktober 1958, S. 385–386.
- Verordnung (EG) Nr. 920/2005 des Rates vom 13. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung Nr. 1 vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Atomgemeinschaft sowie zur Einführung befristeter Ausnahmeregelungen zu diesen Verordnungen. In: Amtsblatt. L 156, 18. Juni 2005, S. 3–4.
- Sandra Nißl: Die Sprachenfrage in der Europäischen Union. Möglichkeiten und Grenzen einer Sprachenpolitik für Europa. München 2011, ISBN 3-8316-4078-5, S. 77.
- Europäische Union: Eurobarometer Spezial 243 - Die Europäer und ihre Sprachen. (PDF-Datei, 2,46 MByte, Zugriff am 15. November 2021)
- Europäische Union: Eurobarometer Special 237 - Europeans and languages (PDF-Datei, 0,14 MByte, Zugriff am 15. November 2021)
- Umfrage: Mehrheit der Deutschen für Englisch als zweite Amtssprache, YouGov Meinungsforschungsinstitut, 9. August 2013.
- zu diesem Thema: Jutta Limbach: Plädoyer für die Mehrsprachigkeit in der Europäischen Union. versus Jürgen Gerhards: Plädoyer für die Förderung der Lingua franca Englisch. veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung am 17. Januar 2012 hier
- Plädoyer für nur eine offizielle Amtssprache der EU - EURACTIV.de. Abgerufen am 24. November 2017.