Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e.V. (OLGdW) mit Sitz in Görlitz ist eine der ältesten noch existierenden Gelehrtengesellschaften in Mitteleuropa. Die Gesellschaft wurde am 21. April 1779 von dem Advokaten, Historiker und Sprachforscher Karl Gottlob Anton (1751–1818), dem Rittergutsbesitzer und Naturforscher Adolf Traugott von Gersdorff und achtzehn weiteren Oberlausitzer Gelehrten gegründet. Ziel ist die Förderung der Geschichts- und Naturkunde. In den Gründungsjahren war die Landwirtschaft in der Oberlausitz Arbeitsschwerpunkt.
Geschichte
Das Siegel der Gesellschaft entwarf Karl Adolph von Schachmann zeitnah. Es zeigt einen blühenden Orangenzweig mit zwei Früchten sowie einer Umschrift „Soc: Lusatiae sup:“ und der Unterschrift „in uno“. Von 1781 bis 1783 erschien mit den Provinzblättern das erste Periodikum. Es folgte 1793 bis 1799 die Lausitzische Monatsschrift und von 1799 bis 1808 die Neue Lausitzische Monatsschrift. Als Versammlungsort dienten bis 1792 das Haus von Anton auf der Langestraße 49 sowie der Gasthof „Zum Hirsch“.[1] Seit 1793 befasste sich eine Arbeitsgruppe, die sogenannte Urkundendeputation, mit der Erfassung aller die Oberlausitz betreffenden Urkunden in Abschriften und Regesten als Vorarbeit für das ab 1851 erscheinende Urkundenwerk Codex diplomaticus Lusatiae Superioris. 1801 stifteten Karl Gottlob Anton und von Gersdorff ihre Bibliotheken und wissenschaftlichen Sammlungen der Gesellschaft. Im Jahr 1804 erwarb Anton für die Gesellschaft ein eigenes Haus am Obermarkt 29 in Görlitz. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Gesellschaft zu einem regional arbeitenden Geschichtsverein. Von 1822 bis 1941 erschien das Neue Lausitzische Magazin als jährliche Zeitschrift. Diese Tradition wird seit 1994 mit einer Neuen Folge des Magazins fortgesetzt.
1945 wurde die OLGdW aufgelöst und das barocke Gesellschaftshaus an der Neißstraße 30 mit seinen umfangreichen Sammlungen in den Besitz der Stadt Görlitz überführt. Die bedeutenden historischen Sammlungen – darunter ein Physikalisches Kabinett, eine Mineraliensammlung, ein Grafisches Kabinett sowie weitere wissenschaftsgeschichtliche Sammlungen aus der Zeit um 1800 – und das bedeutende Barockgebäude sind seither in der Obhut des städtischen Museums.
Die wertvolle Bibliothek der Gesellschaft wurde unter dem Namen Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften 1951 wieder für die Benutzung zugänglich gemacht. Herzstück der nach wie vor im Haus Neißstraße 30 untergebrachten Bibliothek bildet der als Kulissenbibliothek eingerichtete historische Bibliothekssaal der Zeit um 1800. Unter den zahlreichen dort befindlichen einzigartigen Buchbeständen und Nachlässen sind zahlreiche Schriften des Görlitzer Theosophen Jakob Böhme sowie der Nachlass des Dichters und Komponisten Leopold Schefer zu nennen.
1990 wurde die „Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften“ auf der Ortenburg in Bautzen wiedergegründet. Ihr Präsident ist seit dem 20. Juni 2009 Steffen Menzel, der auch Leiter der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften ist. Er löste Wolfgang Geierhos (* 1940) ab, der seit 2004 Präsident war. Vizepräsident war von 1999 bis zu seinem Tode 2007 Matthias Herrmann.
Namen
Zur Gründung 1779 nannte man die Gesellschaft „Oberlausitzische Gesellschaft zur Beförderung der Natur- und Geschichtskunde“. Um die Bandbreite der persönlichen Interessen auch im Gesellschaftsnamen geeigneter zum Ausdruck zu bringen, einigte man sich im Herbst auf die Umbenennung in „Gesellschaft der Wissenschaften in der Oberlausitz“. Die heute gebräuchliche Benennung als „Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften“ ist erst seit 1792 nachzuweisen, aber erst ab dem Jahr 1815 allgemein üblich. Zwischenzeitlich wurde bis 1803 auch die Bezeichnung „Privatgesellschaft“ verwendet. Ab 1803 bis zum Ende des Alten Reiches (1806) wurde die Vereinigung „Kurfürstlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften“ genannt.
Publikationen
Die Gesellschaft gibt seit 1994 das Neue Lausitzische Magazin – Neue Folge heraus, das an die zwischen 1821 und 1941/42 erschienenen Vorgängerschriftenreihe anknüpft, deren erster Herausgeber der Archidiakon Johann Gotthelf Neumann war.[2] Das Magazin veröffentlicht neben aktuellen Mitteilungen vor allem längere geschichtswissenschaftliche Beiträge. Gemeinsam mit dem Institut für Geschichte und Volkskunde ISGV e.V. gibt die Gesellschaft auch das Oberlausitzische Biographische Lexikon heraus.
Hermann-Knothe-Preis
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften lobt seit 2007 auf Initiative des Historikers Matthias Herrmann jährlich den Hermann-Knothe-Preis – Wissenschaftspreis der Oberlausitz aus. Der Preis wurde nach Hermann Knothe, dem bedeutendsten Landeshistoriker, der eine Vielzahl von Schriften zur Oberlausitzer Geschichte publizierte, benannt.
Der Preis ist mit 700 Euro dotiert und wird von den historischen Sechsstädten der Oberlausitz Bautzen, Görlitz, Kamenz, Löbau, Zittau und Lauban/Lubań sowie der ebenfalls polnischen Stadt Zgorzelec getragen. Mit dieser Auszeichnung werden herausragende Leistungen bei der Erforschung der oberlausitzischen Kultur und Geschichte gewürdigt. Der akademische Nachwuchs ist aufgefordert, Arbeiten zu einem oberlausitzischen Thema einzureichen. Die Arbeiten können historische wie auch kunst- und kulturgeschichtliche Fragestellungen, beispielsweise aus den Bereichen Umwelt, Kulturlandschaft, Technik, Wirtschaft, Gesellschaft, Familie, Demografie, Alltag, Sachkultur oder Politik aufgreifen.
Der Preisträger wird durch ein Preiskomitee gekürt. Der Preis kann nach Juryentscheid auch geteilt werden. Die Preisverleihung erfolgt auf der Frühjahrstagung der Gesellschaft.[3]
Weitere namhafte Mitglieder
- Gustav Aubin
- Walter von Boetticher
- Johann Gottfried Bönisch
- Karl Friedrich Brescius
- Georg Alexander Heinrich Herrmann von Callenberg
- Leonhard Dorst von Schatzberg
- Christian Gottlieb Geyser
- Joachim Leopold Haupt
- Karl Haupt
- Richard Jecht
- Hugo Jentsch
- Johann Gottlieb Korschelt
- Johannes Paul Langer
- Johann Gottlieb Lehmann, Rektor des Gymnasiums in Luckau und Philologe
- Karl Heinrich Adelbert Lipsius
- Johann Christoph Martini
- Alfred Meiche
- Joseph Theodor Müller
- Johann Wilhelm Neumann
- Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und Jänkendorf
- Theodor Paur
- Christian Adolf Pescheck
- Christian Gottlieb Pötsch
- Karl Benjamin Preusker
- Johann Justus Röhde
- Friedrich Wilhelm Ehrenfried Rost
- Carl Adolph Gottlob von Schachmann
- Otto Theodor von Seydewitz
- Karl Gottfried Siebelis
- Gerhard Heinrich Jacobjan Stöckhardt
- Heinrich Robert Stöckhardt
- Andreas Tamm
- Benjamin Gottfried Weinart
- Johann Gottlob Worbs
- Walter Heinich
- Hermann Freiherr von Salza und Lichtenau (1978–2013), promovierter Jurist (Dr. jur.) und Landwirtschaftsexperte, Gutsbesitzer von Drehsa bei Weißenberg, Ehrenritter des Johanniterordens. Mit ihm erlosch der Oberlausitzer Zweig derer von Salza und Lichtenau
- Joseph Bernhard Schönfelder
- Hartmut Zwahr
Literatur
- Städtische Kunstsammlungen Görlitz (Hrsg.): Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz, Görlitz, ohne Jahr (Broschüre, ca. 1980)
- Kai Wenzel (Red.): Kunst und Wissenschaft um 1800. Die Sammlungen der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz, Bielefeld 2011
Siehe auch
- Kategorie:Mitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften
Weblinks
Einzelnachweise
- http://www.olgdw.de/gesellschaft/geschichte/18-jahrhundert/ abgerufen am 2. November 2014
- Neumann verdanken wir eine interessante und respektvolle frühe Studie zur Migration und Integration: Einige Nachrichten von der in Görlitz lebenden Negerin, in der heiligen Taufe Marie Friedr. Wilh. Djoppo genannt, nebst dem Tractatus. Reprint der Ausgabe Görlitz 1826, BoD 2019.
- Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften e. V., Satzung zum Hermann-Knothe-Preis