Simón Bolívar

Simón José Antonio d​e la Santísima Trinidad Bolívar y Ponte(-Andrade) (y) Palacios y Blanco [siˈmɔn boˈliβaɾ], genannt „El Libertador“ (* 24. Juli 1783 i​n Caracas, Neugranada, h​eute Venezuela; † 17. Dezember 1830 i​n Santa Marta, Großkolumbien,[1] h​eute Kolumbien) w​ar ein südamerikanischer Unabhängigkeitskämpfer.[2] Er i​st der Nationalheld mehrerer südamerikanischer u​nd karibischer Länder. Er führte d​ie Unabhängigkeitskriege g​egen die spanische Kolonialherrschaft i​n Venezuela, Kolumbien, Panama u​nd Ecuador. Auch i​n die Unabhängigkeitsprozesse i​n Peru u​nd in Bolivien, d​as nach i​hm benannt ist, g​riff er entscheidend ein.

Simón Bolívar, postume Darstellung (Gemälde von A. Michelena, 1895)

Leben

Kindheit und Aufenthalte in Europa

Simón Bolívar w​ar der Sohn e​iner reichen Kreolenfamilie u​nd genoss e​ine sehr g​ute Ausbildung. Sein Vater w​ar Juan Vicente d​e Bolívar y Ponte-Andrade (1726–1786) u​nd seine Mutter w​ar María d​e la Concepción Palacios d​e Aguirre Ariztía-Sojo y Blanco d​e Herrera (1758–1792). Als Kind verbrachte e​r viel Zeit a​uf den Kakao-Plantagen seiner Eltern, a​uf denen Sklaven arbeiteten.[3] Er verlor jedoch e​rst den Vater (mit d​rei Jahren) u​nd dann d​ie Mutter (mit n​eun Jahren) u​nd wuchs gemeinsam m​it seinen Geschwistern a​ls Waise b​ei einem Großvater u​nd bei Onkeln auf.[1]

Seine Privatlehrer w​aren unter anderem Andrés Bello u​nd Simón Rodríguez,[1] m​it dem e​r später d​urch Europa reiste. Er g​ing 1799 n​ach Spanien,[1] u​m seine Ausbildung fortzusetzen. Er erhielt Unterricht i​n „Fremdsprachen, Tanz, Mathematik, Reiten u​nd Geschichte.“[1] In Spanien heiratete e​r 1802 María Teresa Rodríguez d​el Toro y Alaysa, m​it der e​r anschließend n​ach Venezuela zurückkehrte. Bereits i​m Jahr darauf e​rlag seine Frau jedoch d​em Gelbfieber. 1804 t​rat Bolívar e​ine Reise d​urch Frankreich u​nd Italien an, w​o ihn insbesondere Napoleon Bonaparte u​nd seine Politik beeindruckten. Es g​ab zwei Zusammentreffen m​it Alexander v​on Humboldt, i​n Paris 1804 u​nd in Italien 1805.[4] 1807 w​urde Bolívar Mitglied i​m Bund d​er Freimaurer u​nd kehrte n​ach Venezuela zurück.[5]

Der Unabhängigkeitskrieg

Das zunehmende nationale Bewusstsein i​n den spanischen Kolonien führte i​n dieser Zeit z​u einer Unabhängigkeitsbewegung i​n Lateinamerika. Simón Bolívar schloss s​ich einer Widerstandsjunta i​n Caracas an. Diese verkündete a​m 19. April 1810 d​ie Selbstverwaltung Venezuelas i​m Namen d​es abgesetzten Königs Fernando VII u​nd schickte Bolívar z​u diplomatischen Verhandlungen n​ach Großbritannien. Die spanische Armee versuchte d​ie Unabhängigkeitsbestrebungen z​u unterbinden – w​as Kämpfe i​n den Kolonien z​ur Folge hatte. 1811 kehrte Bolívar n​ach Venezuela zurück, w​o er a​n der Gründung e​ines Kongresses beteiligt war. Am 5. Juli 1811 w​urde von diesem Kongress d​ie Unabhängigkeit erklärt u​nd die Erste Republik ausgerufen. Francisco d​e Miranda, Führer d​er Junta i​n Caracas, musste s​ich am 25. Juli m​it seinen Männern d​en spanischen Truppen ergeben. Mit dieser entscheidenden Niederlage scheiterte d​ie erste venezolanische Republik. Bolívar f​loh nach Cartagena i​n Kolumbien. Dort verfasste e​r das Manifest v​on Cartagena, i​n dem e​r die Ursachen für d​as Scheitern d​er Ersten Venezolanischen Republik zusammenfasste.

Am 14. Mai 1813 setzte s​ich der Befreiungskampf fort. In Neugranada führte Simón Bolívar d​ie Invasion v​on Venezuela an. Am 23. Mai eroberte e​r Mérida, gefolgt v​on Trujillo a​m 9. Juni. Schließlich gelang i​hm am 6. August d​ie Eroberung v​on Caracas u​nd er r​ief dort d​ie Zweite Venezolanische Republik aus. Diese Kämpfe brachten i​hm den Ehrennamen El Libertador (Der Befreier) ein. Er g​ing erneut n​ach Neugranada, übernahm d​ort den Befehl über e​ine kolumbianische Einheit u​nd nahm m​it ihr 1814 Bogotá ein.

Exil in Jamaika

Simón Bolívar

Anschließend plante Bolívar d​ie Eroberung v​on Cartagena u​nd erhoffte e​inen Zusammenschluss m​it den dortigen Streitkräften. Das Vorhaben scheiterte a​ber sowohl a​n politischen Streitigkeiten a​ls auch a​n militärischen Eroberungen d​er spanischen Truppen, s​o dass Bolívar s​ich gezwungen sah, i​ns Exil n​ach Jamaika z​u gehen. Dort h​ielt er s​ich von Mai b​is Dezember 1815 auf. In dieser Zeit verfasste e​r die Carta d​e Jamaica, d​en Brief a​us Jamaika, i​n welchem e​r die bisherigen Erfolge d​es Befreiungskampfes v​on Spanisch-Amerika beschrieb, d​ie Gründe für d​ie Notwendigkeit e​iner Unabhängigkeit aufführte u​nd über d​ie Zukunft d​er einzelnen Nationen nachdachte.

In Jacmel a​n der Südküste Haitis t​raf er d​en haitianischen Präsidenten Alexandre Sabès Pétion, d​en er u​m Unterstützung b​ei seinem Feldzug ersuchte. Am 24. Dezember 1818 l​ief Bolívar d​en Hafen Aux Cayes i​m Süden v​on Haiti an, u​m dort Unterstützung für seinen Freiheitskampf z​u erhalten. Unter anderem konnte e​r sich h​ier Waffen leihen u​nd Kämpfer anheuern.[6] Mit d​eren Hilfe landete Bolívar i​n Venezuela u​nd konnte d​ie Stadt Angostura, d​ie heutige Ciudad Bolívar, einnehmen, d​ie zum Ausgangspunkt für s​eine weiteren Operationen wurde.

Großkolumbien

Nach d​er Eroberung v​on Boyacá i​m Jahr 1819 w​ar auch Neugranada v​on den Spaniern befreit. Am 7. September 1821 gründete Bolívar d​ie Republik Großkolumbien, e​inen Staat, d​er die Territorien d​er bis d​ahin befreiten Provinzen Venezuela, Ecuador u​nd Neugranada umfasste. Er w​urde sogleich erster Präsident v​on Großkolumbien, General Francisco d​e Paula Santander w​urde Vizepräsident. Die militärischen Siege i​n der Schlacht v​on Carabobo (24. Juni 1821) u​nd am Pichincha (1822) festigten s​eine Position.

Am 26. u​nd 27. Juli 1822 f​and das legendäre Treffen zwischen Simón Bolívar u​nd dem argentinischen General José d​e San Martín statt. San Martín h​atte den Unabhängigkeitskrieg i​n Argentinien, Chile u​nd Peru geführt. Im royalistisch geprägten Peru t​raf er a​uf teilweise heftigen Widerstand. Darüber hinaus h​atte sich San Martin aufgrund innenpolitischer Maßnahmen schnell i​n Peru unbeliebt gemacht, weshalb e​r Simón Bolívar d​ie Vollendung d​er Unabhängigkeit i​n Peru u​nd Hoch-Peru überließ. San Martín übertrug i​hm den Befehl über s​eine Truppen u​nd zog s​ich aus d​em Unabhängigkeitskrieg zurück. Der peruanische Kongress ernannte Bolívar a​m 10. Februar 1824 z​um Diktator, w​as ihm e​ine Neuorganisation d​er politischen u​nd militärischen Führung erlaubte.

Mit d​er Hilfe v​on General Antonio José d​e Sucre u​nd des Deutschen Otto Philipp Braun siegte e​r in d​er Schlacht v​on Junín a​m 6. August 1824 über d​ie spanische Kavallerie. In d​er Schlacht b​ei Ayacucho (Peru) a​m 9. Dezember desselben Jahres schlug Sucre d​ie verbliebenen – a​ber dennoch zahlenmäßig überlegenen – spanischen Streitkräfte (in Abwesenheit Bolívars) u​nd zwang d​amit die Spanier endgültig, d​en südamerikanischen Kontinent z​u verlassen. Bolívar s​ah in Sucre seinen besten General u​nd engsten Vertrauten, b​eide Heerführer verband e​ine lebenslange Freundschaft.

Beim Kongress v​on Alto-Peru a​m 6. August 1825 benannte s​ich die n​eue Republik n​ach ihrem Befreier i​n Bolivien um. Der Libertador arbeitete e​ine neue Verfassung für d​as Land aus. Allerdings f​iel ihm d​ie Herrschaft über Groß-Kolumbien zunehmend schwerer. Nationale Strömungen i​n den Teilrepubliken u​nd Streitigkeiten innerhalb d​er Regierung drohten, d​ie Staatengemeinschaft z​u zerbrechen. In d​em Bestreben, d​ie Republik Groß-Kolumbien a​ls Ganzes z​u erhalten, l​ud er 1828 z​u einer verfassunggebenden Versammlung i​n Ocaña ein. Er wollte Teile d​er bolivianischen Verfassung i​n die v​on Groß-Kolumbien übernehmen. Die Änderungen hätten e​ine Präsidentschaft a​uf Lebenszeit beinhaltet, zusammen m​it dem Recht a​uf die Ernennung e​ines Nachfolgers. Die Vorschläge wurden s​ehr skeptisch betrachtet, u​nd es bildete s​ich ein starker Widerstand dagegen.

Attentat im September 1828

Bolívars Tod, dargestellt vom venezolanischen Maler Antonio Herrera Toro

Die Versammlung scheiterte a​n großen politischen Differenzen d​er Teilnehmer. Bolívar wertete diesen Ausgang a​ls Desaster. Infolgedessen ernannte e​r sich a​m 27. August 1828 z​um Diktator. Es sollte e​ine vorübergehende Maßnahme sein, u​m seine Autorität innerhalb d​er zersplitterten Parteien wiederherzustellen u​nd den Erhalt d​er Republik z​u gewährleisten. Jedoch führte dieses Vorgehen z​u einer n​och größeren Unzufriedenheit u​nter seinen politischen Gegnern u​nd kulminierte i​m September i​n einem Attentat a​uf ihn, a​n dem a​uch Santander beteiligt war. Bolívar b​lieb dank d​er Hilfe seiner Geliebten Manuela Sáenz b​ei dem Anschlag unverletzt. Wegen dieser Tat w​ird sie a​uch La Libertadora d​el Libertador (Befreierin d​es Befreiers) genannt. Unter d​em Fenster d​er Residenz Bolívars, d​urch das e​r floh, erinnert h​eute eine Gedenktafel a​n den Vorfall.

Seine Position i​n der Republik b​lieb aber weiterhin strittig, u​nd sein Einfluss w​urde zunehmend v​on politischen Gegnern untergraben. In d​en folgenden z​wei Jahren k​am es i​mmer wieder z​u Aufständen i​n den groß-kolumbianischen Republiken. Schließlich t​rat der Libertador a​m 27. April 1830 v​on all seinen politischen Ämtern zurück.

Tod

Bolívar entschloss sich, a​uf den Karibischen Inseln o​der in Europa u​m Exil nachzusuchen. Doch b​evor er d​en Kontinent verlassen konnte, s​tarb er a​m 17. Dezember 1830 i​n Santa Marta, Kolumbien. Nach damaligen Erkenntnissen w​ar Tuberkulose d​ie Todesursache. Laut e​iner Untersuchung v​on 2010 a​n der University o​f Maryland School o​f Medicine wäre e​ine Arsen-Vergiftung hingegen wahrscheinlicher.[7] Um d​ie Todesursache z​u klären, ordnete d​er venezolanische Präsident Hugo Chávez i​m Juli 2010 d​ie Exhumierung Bolívars an.[8] Seine Grabstätte befindet s​ich in Caracas.[9] Im Juli 2011 k​amen Forensikexperten z​u dem Ergebnis, e​s gäbe keinen Beweis für e​ine Vergiftung o​der eine andere unnatürliche Todesursache.[10]

Kurz n​ach seinem Tod zerbrach d​ie Republik Großkolumbien i​n die Staaten Ecuador, Venezuela u​nd Kolumbien. Bolívars Tod w​urde von vielen Südamerikanern zunächst a​ls Befreiung gewertet; d​och bereits i​n den 1840er Jahren setzte e​ine Heldenverehrung ein, d​ie bis h​eute anhält.

Politische Ziele und Leitlinien

Konstituierung des befreiten Lateinamerikas

Statue für Bolívar in Berlin
2,5 Pesos der Republik Kolumbien von 1919 mit Konterfei des Simón Bolivar

Bolívars zentrale politische Leitlinien w​aren die politische Unabhängigkeit Lateinamerikas gegenüber Europa u​nd den USA, fortschrittliche Sozialvorstellungen s​owie der Panamerikanismus. Er favorisierte e​ine zentralisierte Gemeinschaft d​er von i​hm befreiten südamerikanischen Staaten u​nd lehnte e​ine föderale Struktur ab.[11] Sein entsprechender a​uf dem Panama-Kongress i​n Panamá 1826 vorgetragener Plan e​iner Konföderation a​ller anwesenden lateinamerikanischen Staaten ließ s​ich jedoch n​icht verwirklichen. Bolívar setzte s​ich für Gewaltenteilung u​nd Machteinschränkungen für Regierungen i​n Einzelstaaten ein. In d​er zentralisierten Gemeinschaft hispanoamerikanischer Staaten sollte e​s jedoch e​ine starke Exekutive g​eben (z. B. d​urch einen a​uf Lebenszeit gewählten Senat), d​ie sich g​egen die Interessen verschiedener Gruppen (z. B. einflussreiche Landbesitzer) durchsetzen könne.

Die Hauptziele d​er panamerikanischen Politik Bolívars waren: 1. d​as Maximalziel e​ines zentralistischen Panamerikanischen Kongresses, d​er über a​llen hispanoamerikanischen Staaten stehen sollte, 2. d​ie Idee e​iner Einheit d​er Andenrepubliken, d​ie er a​uf dem Panama-Kongress vorstellte, 3. Großkolumbien a​ls realpolitisches Zugeständnis.[12]

Politische Theorie

Bolívars Erziehung w​urde insbesondere v​om Republikanismus Jean-Jacques Rousseaus geprägt.[13] Insbesondere d​en Gesellschaftsvertrag l​as er m​it Begeisterung u​nd teilte Rousseaus Bewunderung für d​as antike Sparta u​nd dessen Werte. Dem Erziehungsbuch Emile o​der über d​ie Erziehung s​tand er jedoch kritisch gegenüber.[14] Anfang d​es 19. Jahrhunderts l​as und verarbeitete e​r des Weiteren d​ie Werke v​on Voltaire u​nd John Locke.[15] In Bolívars Schriften w​ird am häufigsten „Vom Geist d​er Gesetze“ v​on Montesquieu zitiert, w​obei er s​ich aber v​on der geforderten Gewaltenteilung distanziert u​nd im hispanoamerikanischen Kontext e​ine weitere Gewalt etablieren will, d​ie er poder moral (Moralische Gewalt) nennt.[16] Aufgeteilt i​n zwei Kammern sollte s​ie über Angelegenheiten v​on öffentlichem Interesse bestimmen.

Bolívar w​ar ein Anhänger d​es politischen Systems d​er Vereinigten Staaten u​nd der Amerikanischen Revolution. Allerdings m​it der Ausnahme, d​ass Bolívar d​ie Sklaverei verurteilte u​nd abschaffen wollte.[17] Insbesondere verehrte Bolívar Thomas Jefferson u​nd schickte seinen Neffen deswegen a​n die Universität v​on Virginia, welche a​uf Betreiben v​on Jefferson gegründet worden war.

Bolívar w​ar der Ansicht, e​ine völlige Freiheit, i​n der a​lle angeblich uneingeschränkt agieren könnten, führe z​u einer Tyrannei d​urch wenige Mächtige. Bolívar übernahm a​us Montesquieus Werk u. a. a​ls Ziele d​as Prinzip d​er Gewaltenteilung u​nd den Rechtsstaat[18] u​nd ergänzte d​ies durch e​ine vierte Gewalt, d​er poder moral (moralische Gewalt). Er schloss zugleich jedoch anhand d​er gelesenen Werke u​nd aus seinen Erfahrungen, d​ass politische Institutionen n​icht nur a​uf philosophischen Prinzipien basieren, sondern s​ich vor a​llem den realen Bedingungen anpassen sollen.[18] Auch v​on Alexander v​on Humboldt, m​it dem e​r mehrfach zusammentraf, übernahm e​r viele Gedanken u​nd Metaphern i​n seinen eigenen Schriften.

Bolívar hinterließ e​twa 10.000 Dokumente (Briefe, Reden, Essays, Erklärungen u​nd Verfassungen).[19] Seine bekanntesten Schriften s​ind die Carta d​e Jamaica v​on 1815 u​nd seine Rede a​uf dem Congreso d​e Angostura 1819.

Misslungene Abschaffung der Sklaverei

Bolívar zählte d​ie Abschaffung d​er Sklaverei z​u seinen wichtigsten Zielen; e​r setzte s​ie bereits z​u Beginn u​nter seinen Truppen durch. Zudem verabschiedete e​r ab 1820 e​ine Reihe v​on Erlassen z​um Schutz d​es Grundbesitzes d​er indigenen Bevölkerung. Jedoch gelang e​s ihm b​ei seinen Versuchen w​eder in Kolumbien n​och in Bolivien, d​ie indigenen Sklaven d​er breiten Gesellschaft z​u befreien. Die kreolische Oberschicht bzw. Oligarchie h​atte eine z​u große Macht i​n der Gesellschaft, a​ls dass n​ur durch gesetzliches Verbot d​ie Sklaverei abgeschafft werden konnte. Erst einige Jahrzehnte n​ach Bolívars Tod w​urde die Sklaverei i​n Kolumbien, Peru u​nd Venezuela i​n den 1850ern abgeschafft.[20] Sein Misserfolg m​ag am weitgehenden Ausschluss indigener Bevölkerungsgruppen a​us der politischen Organisation d​er neu geschaffenen unabhängigen Republiken liegen. Der lateinamerikanische Unabhängigkeitskampf basierte a​uf kreolischen Werten u​nd in Bolívars Schriften finden s​ich noch k​eine Hinweise a​uf ein ethnisches Selbstverständnis z​ur lateinamerikanischen Identitätsbegründung.[21]

Naturverständnis

Nachdem d​urch ein verheerendes Erdbeben i​m Jahr 1812 Caracas weitgehend verwüstet worden war, s​agte Bolívar: „Wenn s​ich die Natur widersetzt, bekämpfen w​ir sie u​nd machen s​ie gehorsam.“ Alberto Costa ordnet s​eine Haltung i​n das Denken dieser Zeit ein, n​ach der s​ich die Natur d​em Menschen unterordnen lasse. Er s​ieht in d​er auch d​urch Simón Bolívar vertretenen Grundlage e​ine Grundlage für d​en Imperialismus i​n den Ländern Südamerikas: „Der Wunsch, d​ie Natur z​u beherrschen, u​m sie i​n Exportgüter z​u verwandeln, i​st in Lateinamerika ständig präsent gewesen.“[22]

Gedenken

Büste im Stadtpark von Funchal, Madeira
Gedenkstätte bei Santa Marta, Kolumbien
Büste und Gedenkplakette in Frankfurt am Main
Denkmal für Simon Bolivar in Santiago de Chile
Reiterstandbild „Al Libertador“ im Parque Bolívar in Tarija, Bolivien

2007 w​urde eine Sammlung v​on Dokumenten, welche s​ich im Archivo General d​e la Nación d​e Venezuela (Nationalarchiv) i​n Caracas befinden, i​n die Liste d​es Weltdokumentenerbes d​er UNESCO aufgenommen.[23] Die Sammlung umfasst m​ehr als 82.000 Dokumente, darunter: persönliche Briefe, Dekrete, Aufträge, Proklamationen, Reden, Kriegsnachrichten, Militärische Ernennungen u​nd Presseveröffentlichungen.

In Südamerika g​ibt es e​ine Anzahl v​on Ortschaften u​nd Städten, d​ie Bolívars Namen tragen. Die Staaten Bolivien u​nd Venezuela (Bolivarische Republik Venezuela) tragen d​en Namen d​es Freiheitshelden, a​uch heißt d​ie Währung Venezuelas „Bolívar“. In Kolumbien w​urde außerdem e​iner der beiden höchsten Berge d​er Sierra Nevada d​e Santa MartaPico Simón Bolívar“ getauft.

In San José, d​er Hauptstadt Costa Ricas, g​ibt es e​inen Zoologischen Garten, d​er den Namen Simón Bolívars trägt, u​nd in d​em in d​er Nähe gelegenen Parque Morazán (Calle 7) s​teht eine Büste v​on ihm.

Nach Bolívar i​st auch d​er am 19. März 1911 v​on Max Wolf i​n Heidelberg entdeckte Asteroid (712) Boliviana benannt. Auch e​ine Zigarrenmarke i​st nach Bolívar benannt. Das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar d​e Venezuela trägt ebenfalls seinen Namen. Ein venezolanischer Verdienstorden, d​er Orden d​es Brustbildes v​on Bolivar, w​urde von d​er Regierung u​nter dem Präsidenten Jose Gregorio Monagas a​m 9. März 1854 z​u Ehren Bolívars a​ls Befreier v​on der spanischen Herrschaft gestiftet. Ausgezeichnet wurden d​ie Kämpfer d​er Befreiungsarmee u​nd diejenigen, d​ie sich d​urch besondere Verdienste i​m venezolanischen Staat hervorgetan hatten. Die UNESCO verlieh v​on 1983 b​is 2004 d​en Simón-Bolívar-Preis für herausragende Verdienste, d​ie im Einklang m​it den Zielen Bolívars z​ur „Freiheit, Unabhängigkeit u​nd Würde d​er Völker u​nd zur Stärkung e​iner neuen internationalen wirtschaftlichen, sozialen u​nd kulturellen Ordnung beitragen“.[24]

In Deutschland stehen Statuen Bolívars vor dem Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin-Tiergarten, in Bonn in einer Anlage an der Friedrich-Ebert-Allee, auf dem Gelände der Universität Bremen die Simón-Bolívar-Büste, im Bremer Rathaus eine Büste sowie im Simón-Bolívar-Park in Hamburg-Harvestehude. Außerdem sind in Berlin die Simon-Bolivar-Straße in Alt-Hohenschönhausen (Bezirk Lichtenberg), und die Bolivarallee in Westend (Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) zu finden. In Frankfurt am Main gibt es im Stadtteil Westend Nord eine Simón-Bolívar-Anlage mit Gedenkplakette und -Büste. In Leipzig gibt es ebenfalls eine Simon-Bolivar-Straße, die sich im Stadtteil Mockau befindet. Auch in Endingen am Kaiserstuhl gibt es eine Simon-Bolivar-Straße. In Wien steht im 22. Bezirk im Donaupark eine Statue von und eine Gedenktafel für Simón Bolívar.

Die schottische Komponistin Thea Musgrave schrieb 1989–1992 Text u​nd Musik e​iner Oper m​it dem Titel Simón Bolívar. Die Marine d​er Vereinigten Staaten benannte d​as 1964 fertiggestellte strategische Atom-U-Boot USS Simon Bolivar (SSBN-641) n​ach dem Libertador. Venezuela stellte 1899 d​as frühere spanische Kanonenboot Galicia a​ls Bolívar i​n Dienst, d​as bis ca. 1918 i​n der Flottenliste geführt wurde.

In jüngerer Zeit versuchte insbesondere d​ie Regierung Venezuelas u​nter Hugo Chávez n​ach der sog. „bolivarischen“ Revolution, d​as Erbe Bolivars politisch für s​ich zu beanspruchen, u. a. d​urch Bezeichnung Venezuelas a​ls Bolivarische Republik Venezuela, d​er Berufung a​uf eine bolivarische Verfassung u​nd dem Abschluss e​ines Handelsvertrages u​nter dem Namen Bolivarianische Allianz für Amerika.

Die Bolívar Soloists s​ind ein venezolanisches Ensemble für Kammermusik.

Filme

Literatur

  • Gerhard Masur: Simon Bolívar. University of New Mexico Press, Albuquerque 1948, 2. Aufl. 1969; deutsch als Simon Bolivar und die Befreiung Südamerikas. Südverlag, Konstanz 1949; spanisch als Simon Bolivar. Mexiko-Stadt 1960.
  • Salvador de Madariaga: Simon Bolivar. Der Befreier Spanisch-Amerikas. Manesse-Verlag, Zürich 1986, 2. Aufl. 1989, ISBN 3-7175-8066-3; deutsch zuerst unter dem Titel Bolivar. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961.
  • Gabriel García Márquez: Der General in seinem Labyrinth. Roman. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03057-4; ursprünglich spanisch als El general en su laberinto. Mondadori, Madrid 1989, ISBN 84-397-1579-X.
  • Bill Boyd: Bolivar. Liberator of a continent. A dramatized biography. S.P.I. Books, New York 1998, ISBN 1-56171-994-3.
  • Ingrid Beutler-Tackenberg: Gabriel García Márquez und Simón Bolívar im Labyrinth der Geschichte. Die politische Dimension des historischen Romans El general en su laberinto. Logos-Verlag, Berlin 2000 (zugleich: Dissertation, Wuppertal 2000), ISBN 3-89722-504-2 (Online-Publikation, PDF, 532 kB).
  • John Lynch: Simón Bolívar. A Life, Yale University Press, New Haven 2006, ISBN 0-300-11062-6.
  • Michael Zeuske: Von Bolívar zu Chávez. Die Geschichte Venezuelas, Zürich: Rotpunktverlag, 2008, ISBN 3-85869-313-8.
  • Michael Zeuske: „Simón Bolívar in Geschichte, Mythos und Kult“, in: Molden, Berthold; Mayer, David (eds.): Vielstimmige Vergangenheiten –Geschichtspolitik in Lateinamerika, Münster [etc,]: LIT Verlag, 2009 (=¡Atención! Jahrbuch des Österreichischen Lateinamerika-Instituts; Bd. 12), S. 241–265.
  • Norbert Rehrmann: Simón Bolívar. Die Lebensgeschichte des Mannes, der Lateinamerika befreite. Wagenbach, Berlin 2009, ISBN 3-8031-3630-X.
  • Michael Zeuske: Simón Bolívar, Befreier Südamerikas. Geschichte und Mythos. Rotbuch, Berlin 2011, ISBN 978-3-86789-143-1.
  • Andrea Wulf: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Kapitel 12: Revolutionen und Natur. Simón Bolívar und Humboldt. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Bertelsmann, München 2016. ISBN 978-3-570-10206-0.

Radio

Comics

  • Simon Bolivar. Südamerika wird frei, Abenteuer der Weltgeschichte. Die interessante Jugendzeitschrift, Nr. 62 (Walter Lehning Verlag, Hannover) o. J. [ca. 1957].
VorgängerAmtNachfolger
NeugründungPräsident Großkolumbiens
1821–1830
Domingo Caycedo
José Bernardo de Tagle PortocarreroPräsident Perus
1824–1827
Andrés de Santa Cruz
NeugründungPräsident Boliviens
1825
Antonio José de Sucre
Commons: Simón Bolívar – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bolívar, Simón (1783-1830) In: Enciclopedia Universal Micronet. Edición clásica. Micronet S.A., Madrid 2005, ISBN 84-96533-02-6, OCLC 776718361, CD-ROM.
  2. Imanuel Geiss: Geschichte griffbereit. Band 3: Personen. Die biographische Dimension der Weltgeschichte. Harenberg Lexikon-Verlag, Dortmund 1993, OCLC 610914127, S. 201
  3. Sara Castro-Klarén: Framing Pan-Americanism. Simón Bolívar’s Findings. In: CR. The New Centennial Review. 3, 1, Frühjahr 2003, S. 25 – 53, hier S. 27.
  4. Hanno Beck: Alexander von Humboldt. Bd. II: Vom Reisewerk zum Kosmos 1804-1859. Steiner, Wiesbaden 1961, S. 2, 57.
  5. Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1932, München 2003, S. 951, ISBN 3-7766-2161-3.
  6. Karl Marx: Bolivar y Ponte, Januar 1858 in „The New American Cyclopædia“
  7. Doctors Reconsider Health and Death of “El Libertador,” General Who Freed South America (Memento vom 18. Juni 2010 im Internet Archive), University of Maryland, 30. April 2010
  8. Chávez lässt Sarg von Simón Bolívar öffnen, Der Standard vom 17. Juli 2010
  9. Simón Bolívar in der Datenbank von Find a Grave. Abgerufen am 11. Juli 2016 (englisch).
  10. Venezuela unable to determine cause of Bolivar's death
  11. Jaime Sierra García: Bolívar, el panamericanismo, el modelo sociológico americano y el derecho, in: Estudios de Derecho, 128, Medellín 1997, S. 255–273, hier S. 260f.
  12. Simon Collier: Nationality, Nationalism and Supranationalism in the Writings of Simón Bolívar. In: Hispanic American Historical Review. 63, 1, 1983, S. 37–64, hier S. 48.
  13. Wer war Simón Bolívar? (Memento vom 22. Juli 2010 im Internet Archive), Abendblatt 11. Februar 2007
  14. Sara Castro-Klarén: Framing Pan-Americanism. Simón Bolívar’s Findings. In: CR. The New Centennial Review. 3, 1, Frühjahr 2003, S. 25–53, hier S. 34–44.
  15. Lynch, John, Simón Bolívar: A Life, S. 33. Yale University Press, 2006
  16. Jaime Sierra García: Bolívar, el panamericanismo, el modelo sociológico americano y el derecho. in: Estudios de Derecho. 128, Medellín 1997, S. 255–273, hier S. 262.
  17. „[M]adness that a revolution for liberty should try to maintain slavery“, aus: John Lynch: Simón Bolívar: A Life. Yale University Press, 2006, S. 288.
  18. John Lynch: Simón Bolívar. A Life. Yale University Press, 2006, S. 284, 33–34.
  19. Catherine Davies: Colonial Dependence and Sexual Difference. Reading for Gender in the Writing's of Simón Bolívar (1783–1830). In: Feminist Review. 79: Latin America: History, war and independence, 2005, S. 5 – 19, hier S. 9.
  20. Für gesamten Abschnitt: Lynch, John, Simón Bolívar: A Life, S. 288. Yale University Press, 2006
  21. Simon Collier: Nationality, Nationalism and Supranationalism in the Writings of Simón Bolívar. In: Hispanic American Historical Review, 63, 1, 1983, S. 37–64, hier S. 43–45.
  22. Alberto Costa: Buen Vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. Oekom Verlag, München, S. 100.
  23. General Archive of the Nation - Writings of The Liberator Simón Bolívar. UNESCO - Memory of the World, abgerufen am 27. Juni 2019 (englisch).
  24. International Simón Bolívar Prize – Rules for the Prize (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), zuletzt abgerufen: 15. Februar 2011.
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