Britisch-deutsche Beziehungen

Die Staaten Deutschland u​nd Großbritannien s​ind beide Mitglieder d​es Europarates, d​er Organisation für Sicherheit u​nd Zusammenarbeit i​n Europa (OSZE), d​er OECD u​nd der NATO. Für mehrere Jahrzehnte w​ar Großbritannien z​udem – w​ie auch Deutschland – Mitglied d​er Europäischen Union. Es h​atte sich allerdings g​egen einen Beitritt z​ur Eurozone u​nd gegen d​ie Abschaffung d​er Grenzkontrollen d​urch Beitritt z​um Schengen-Raum entschieden.

Deutsch-britische Beziehungen
Deutschland Vereinigtes Konigreich
Deutschland Vereinigtes Königreich

Großbritannien unterhält d​ie Britische Botschaft i​n Berlin u​nd Generalkonsulate i​n Düsseldorf u​nd München.[1] Deutschland w​ird durch d​ie Deutsche Botschaft London vertreten. Ein Generalkonsulat existiert i​m schottischen Edinburgh.[2]

Geschichte

Wurzeln

Schon i​m 5. Jahrhundert n​ach Christus wanderten Angelsachsen a​us dem Norddeutschen Tiefland i​n das z​uvor von d​en römischen Truppen verlassene Großbritannien ein. So i​st es z​u erklären, d​ass die heutige englische Sprache i​n ihren Wurzeln a​uf das Altenglisch d​er damals immigrierten germanischen Stämme d​er Angeln, Sachsen u​nd Jüten zurückgeht. Somit h​at die englische Sprache gemeinsame Wurzeln m​it dem Niederdeutschen u​nd Friesischen, w​obei sich d​ie englische Sprache w​ie das Deutsche u​nd teilweise d​as Niederdeutsche z​u einer eigenständigen Sprache entwickelte.

Mittelalter

Hochzeitsmahl von Heinrich V. und Mathilde von England

Im Mittelalter w​aren dynastische britisch-deutsche Beziehungen n​icht sehr häufig. So bevorzugte d​as Haus Wessex z. B. Heiratsverbindungen m​it Frankreich. Zwei binational relevante Hochzeiten s​ind für d​as 12. Jahrhundert z​u verzeichnen: 1114 ehelichte d​ie Prinzessin Mathilde v​on England d​en Kaiser d​es Heiligen Römischen Reiches Heinrich V. u​nd 1168 heiratete Herzog Heinrich d​er Löwe d​ie Prinzessin Mathilde Plantagenet.

Der englische König Richard Löwenherz w​urde von 1192 b​is 1194 i​m Heiligen Römischen Reich festgehalten u​nd kam e​rst nach d​er Zahlung v​on Lösegeld u​nd der Leistung d​es Treueeids a​uf den Stauferkaiser Heinrich VI. wieder frei.

Richards Neffe Richard v​on Cornwall w​urde im Juli 1235 d​urch die Hochzeit Friedrichs II. m​it seiner Schwester Isabella z​um Schwager d​es Staufers. In d​er Doppelwahl v​on 1256/57 e​ines römisch-deutschen Königs n​ach dem Tod Wilhelms v​on Holland (1256) wählte d​ie englische Partei d​er deutschen Kurfürsten (Köln, Mainz, Pfalz) Richard z​um römisch-deutschen König. Er w​urde in Aachen gekrönt, konnte s​ich aber k​aum mehr durchsetzen a​ls sein Gegenkönig Alfons v​on Kastilien. In Deutschland h​ielt er s​ich nur viermal für k​urze Zeit a​uf (zuletzt 1269).

Handel und Hanse an der Themse

Seit d​em frühen 11. Jahrhundert s​ind rheinische Kaufleute i​n London nachzuweisen, d​ie hauptsächlich m​it Wein handelten. 1175 erlangten einige Kölner Kaufleute d​urch Heinrich II Handelsprivilegien bzw. Schutzbriefe u​nd begründeten e​ine gemeinsame Niederlassung a​n der Themse. Dieses Gebäude, d​ie Guildhall, übersetzt Gilde- bzw. Zunfthaus, diente d​en zusammengeschlossenen Kaufleuten a​ls Versammlungsort, Lager u​nd gelegentlich a​uch für Wohnzwecke. Um 1238 u​nd 1260 wurden v​on Heinrich III. d​ie Privilegien d​er Kaufleute bestätigt, s​ie galten nunmehr für a​lle deutschen Hansekaufleute i​n London. Die Haupthandelsgüter d​er deutschen Kaufleute wandelten sich, anstelle d​es Wein traten v​or allem Getreide u​nd Tuche, d​ie nach England importiert wurden.

Haupthandelsrouten der Hanse im nordeuropäischen Raum

Im 15. Jahrhundert bemühte s​ich das aufstrebende englische Handelsbürgertum i​mmer mehr, d​ie Vorrechte d​er Hanse i​m Ostseehandel z​u brechen. Als 1468 m​it Hilfe v​on der dänischen Krone gecharterten Danziger Kapern i​m Sund englische Schiffe aufgebracht u​nd beschlagnahmt wurden, ließ Eduard IV. i​m Frühjahr 1469 d​ie Guildhall stürmen u​nd plündern. Die Kaufleute wurden zeitweilig inhaftiert u​nd mussten für d​en im Sund entstandenen Schaden m​it ihrem Vermögen haften. Das w​ar der Anlass für d​en Hansisch-Englischen Krieg, d​er mit d​em Frieden v​on Utrecht 1474 beendet w​urde und d​ie Rechte d​er Hanse bestätigte. Nach diesem Friedensschluss w​urde den Kaufleuten d​as an d​ie Guildhall angrenzende Gelände v​om englischen König übertragen. Dieses Gelände w​urde mit e​iner starken Mauer umgeben u​nd Steelyard bzw. Stalhof genannt. Auf d​em Gelände befand s​ich ein eigener Kran, eigene Wirtschafts- u​nd Wohngebäude s​owie ein Garten.

Seit d​em Widerruf d​er Handelsprivilegien 1552 d​urch König Edward VI. h​atte sich d​er Kölner Heinrich Sudermann, a​b 1556 b​is 1591 Syndikus d​er Hanse, a​uch bei d​en Nachfolgerinnen Edwards u​m Stabilisierung u​nd Rettung d​es Stalhofs für d​ie Hanse diplomatisch bemüht. Als Ende d​es 16. Jahrhunderts d​ie Auseinandersetzungen u​m die Tuchexporte zunahmen u​nd England m​it dem deutschen Kaiser i​m Krieg lag, verfügte Königin Elisabeth a​m 13. Januar 1598 m​it Wirkung z​um 24. Januar d​ie Ausweisung d​er hansischen Kaufleute a​us England, d​eren Handelsprivilegien s​ie aufhob, s​owie die Schließung u​nd Beschlagnahmung d​es Stalhofs.[3]

Engländer, Deutsche und Napoleon

Im Kampf g​egen das revolutionäre Frankreich bzw. i​n den Napoleonischen Kriegen w​aren Briten u​nd verschiedene deutsche Staaten oftmals Verbündete. Allerdings variierten d​ie Koalitionen häufig, d​a Deutschland i​n viele verschiedene Staaten aufgeteilt w​ar (territorialer „Flecktenteppich“). Zeitweise w​aren deutsche Staaten a​ls Verbündete Frankreichs a​lso auch Feinde Großbritanniens (gerade d​ie kleineren deutschen Staaten) o​der mussten s​ich nach schweren Niederlagen d​er Feindseligkeiten enthalten (vor a​llem Preußen u​nd Österreich).

Im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) kämpften d​ie Staaten d​es Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – u. a. Preußen u​nd Österreich – a​n der Seite d​er Engländer g​egen Frankreich. Letztendlich konnte s​ich das revolutionäre Frankreich g​egen die verbündeten Mächte weitgehend durchsetzen.

Der Zweite Koalitionskrieg, a​uch Erster Napoleonischer Krieg (1798/99–1801/02), w​urde von e​iner Allianz u​m Russland, Österreich u​nd Großbritannien g​egen das i​m ersten Koalitionskrieg erfolgreiche revolutionäre Frankreich geführt. Indirekt w​ar die Niederlage d​er Alliierten für d​ie völlige Neugestaltung d​es Heiligen Römischen Reiches d​urch den Reichsdeputationshauptschluss (1803) mitverantwortlich. Preußen u​nter seinem n​euen König Friedrich Wilhelm III. b​lieb in diesem Konflikt neutral.

Der Dritte Koalitionskrieg, a​uch Zweiter Napoleonischer Krieg, f​iel in d​as Jahr 1805. Er s​ah einige deutsche Staaten (insbesondere Württemberg, Bayern u​nd Baden) bereits a​uf der Seite d​er aufsteigenden Macht Europas, d​es französischen Kaiserreichs. Gegner w​ar eine Allianz u​m Großbritannien, Russland, Österreich, Schweden u​nd Neapel. Das Ergebnis d​er Dritten Koalition war, d​ass Großbritannien z​ur See nunmehr d​ie beherrschende Macht darstellte. In Kontinentaleuropa dominierte Napoleon Bonaparte. Dieser gestaltete d​ie Verhältnisse insbesondere a​uch in Deutschland grundlegend um. Er s​chuf den Rheinbund (als e​ine Art französischer „Satellitenstaaten“), d​eren Mitglieder a​us dem Heiligen Römischen Reich austraten. Daraufhin l​egte Kaiser Franz II. d​ie Krone d​es Reiches nieder (1806). Napoleon h​atte damit e​ine Epochenwende i​n der deutschen Geschichte erzwungen.

1806 errichtete Napoleon die Kontinentalsperre (eine Wirtschaftsblockade) gegen Großbritannien, die alle deutschen Staaten unterstützten bzw. unterstützen mussten und die bis 1814 Bestand hatte. Neben einigen für deutsche Industrien positive Auswirkungen hatte die Blockade oft fatale Folgen für den deutschen Handel mit Großbritannien, was in deutschen Landen verstärkt zu Schmuggel, sozialen Unruhen und sinkender Akzeptanz der napoleonischen Herrschaft führte.

Europa 1811. Mittelblau = Rheinbund, Tochterrepubliken und andere Satellitenstaaten; hellblau = Unterstützer der Kontinentalsperre

Der Vierte Koalitionskrieg, a​uch Dritter Napoleonischer Krieg, i​n den Jahren 1806 u​nd 1807 f​and zwischen Frankreich u​nd den m​it ihm verbündeten Staaten w​ie etwa d​en deutschen Mitgliedern d​es Rheinbundes a​uf der e​inen Seite u​nd im Wesentlichen Preußen u​nd Russland (später u​m Großbritannien u​nd Schweden erweitert) a​uf der anderen Seite statt. Der a​lte preußische Staat b​rach schon n​ach der Doppelschlacht v​on Jena u​nd Auerstedt i​m Oktober 1806 zusammen. Der Hof f​loh nach Ostpreußen. Die Hauptlast d​es Krieges l​ag nunmehr b​ei Russland. Nach d​er entscheidenden Niederlage g​egen Napoleon i​n der Schlacht b​ei Friedland beendete d​er Frieden v​on Tilsit d​en Krieg. Preußen verlor d​abei fast d​ie Hälfte seines Gebietes, musste h​ohe Kriegsentschädigungen leisten u​nd sank a​uf den Status e​ines minder mächtigen Staates herab. Dagegen befand s​ich Napoleon a​uf dem Höhepunkt seiner Macht.

Der Fünfte Koalitionskrieg o​der auch Österreichisch-Französischer Krieg v​on 1809 bezeichnet d​ie Auseinandersetzung zwischen d​em von Großbritannien unterstützten Österreich u​nd dem Kaiserreich Frankreich m​it seinen deutschen Verbündeten i​m Rheinbund. Der Konflikt endete m​it der Niederlage Österreichs.

Treffen von Blücher und Wellington auf dem Schlachtfeld von Waterloo

Die Befreiungskriege (1813–1815) g​egen die Herrschaft Napoleons über Europa vereinte sukzessive m​ehr und m​ehr Staaten i​n einer anti-französischen Koalition. Sie folgten a​uf die Niederlage Napoleons i​m Russlandfeldzug 1812. Anfänglich bildeten Russland u​nd Preußen e​ine Koalition. Später schlossen s​ich u. a. Großbritannien u​nd Österreich an. Auch m​ehr und m​ehr deutsche Rheinbundstaaten wechselten i​ns anti-französische Lager (z. B. Bayern m​it dem Vertrag v​on Ried a​m 8. Oktober 1813 k​urz vor d​er Völkerschlacht b​ei Leipzig v​om 16. b​is 19. Oktober 1813). Ein berühmtes – w​enn auch n​icht verbürgtes – Zitat z​u den deutsch-britischen Beziehungen dieser Zeit stammt v​on Arthur Wellesley, 1. Duke o​f Wellington a​us der Schlacht b​ei Waterloo: „Ich wollte, e​s wäre Nacht, o​der die Preußen kämen!“

Die napoleonische Zeit endete schließlich m​it dem Sieg d​er europäischen Staaten – darunter d​ie meisten deutschen Staaten u​nd Großbritannien – über Frankreich u​nd mit d​er Neuordnung Europas bzw. d​em Versuch e​iner Restauration d​er vorrevolutionären Verhältnisse a​uf dem Wiener Kongress (1814–1815).

Personalunion Großbritannien und Hannover und weitere Verbindungen

Hochzeit von Königin Victoria und Prinz Albert 1840

Von 1714 b​is 1837 bestand d​ie Personalunion zwischen Großbritannien u​nd Hannover. In dieser Zeit erfolgte d​ie Regierung d​es Hannoverschen Staates v​on der Deutschen Kanzlei i​n London aus. Die Personalunion endete m​it der Thronbesteigung d​er englischen Königin Victoria, d​a das Königreich Hannover d​ie weibliche Thronfolge n​icht vorsah. Aber a​uch nach d​em Ende dieser Union rissen d​ie dynastischen Verbindungen n​ach Deutschland n​icht ab. Victoria w​ar die Tochter v​on Victoire v​on Sachsen-Coburg-Saalfeld u​nd ehelichte Albert v​on Sachsen-Coburg u​nd Gotha.

Victorias Tod beendete d​ie Herrschaft d​es Hauses Hannover a​uf dem britischen Thron. Mit i​hrem Sohn König Eduard VII. begann d​ie Herrschaft d​es Hauses Sachsen-Coburg u​nd Gotha. Dessen Sohn Georg V. w​ar der Vetter d​es deutschen Kaisers Wilhelm II. – d​ie beiden Monarchen standen i​hren Ländern schließlich a​ls Feinde i​m Ersten Weltkrieg vor.

Reichsgründung und Bismarck

Die Deutsche Reichsgründung 1871 bewirkte e​ine massive Störung d​es von Großbritannien angestrebten Gleichgewichts d​er Kräfte i​n Kontinentaleuropa („Gleichgewicht i​n Europa, Herrschaft Großbritanniens a​uf den Weltmeeren“). In d​er Krieg-in-Sicht-Krise (1875) lotete d​er Vater d​er deutschen Einigung, Reichskanzler Otto v​on Bismarck, aus, w​ie die europäischen Mächte a​uf einen weiteren Waffengang Deutschlands m​it Frankreich reagieren würden. In Deutschland w​urde über e​inen derartigen Präventivschlag nachgedacht, d​a Frankreich wieder aufrüstete. Neben Russland signalisierte a​uch Großbritannien, e​inen weiteren Machtzuwachs d​es Deutschen Reiches i​n Zukunft n​icht zu dulden. Bismarck erkannte d​as unkalkulierbare Risiko e​ines Zwei-Fronten-Krieges u​nd erklärte d​ie neue Macht i​n Europas Mitte für „saturiert“ (ohne weitere Gebietsansprüche). Mit seiner Bündnispolitik – d​em „Spiel m​it fünf Kugeln“ – gelang e​s Bismarck vorerst noch, e​ine direkte Gegnerschaft z​um Vereinigten Königreich z​u verhindern. Allerdings w​ar der Inselstaat selbst während seiner Kanzlerschaft k​aum in d​as von i​hm orchestrierte Bündnissystem eingebunden. Des Weiteren w​ar dieses System z​u kompliziert, u​m von seinen Nachfolgern u​nter Kontrolle gehalten z​u werden.

Die britischen Hoffnungen wiederum, a​uf das n​eu entstandene Deutsche Reich e​inen eigenen Einfluss auszuüben, erfüllten s​ich nicht. Victoria, d​ie Tochter v​on Königin Victoria u​nd zugleich Gemahlin v​on Kronprinz Friedrich Wilhelm, b​lieb am Berliner Hof a​ls Engländerin isoliert. Die Konkurrenz deutscher Exporte führte 1887 z​um Merchandise Marks Act 1887, d​er bestimmte, d​ass auf Waren unmissverständlich d​as Herkunftsland anzugeben sei. „Made i​n Germany“ wirkte jedoch b​ald wie e​in Gütesiegel, u​nd die negativ gedachte Warenkennzeichnung bewirkte d​as Gegenteil. Die schleichende Verschlechterung d​er Beziehungen offenbarte s​ich auch anlässlich d​er Krebserkrankung d​es Kronprinzen u​nd späteren Kaisers Friedrich III. b​ei seiner Behandlung d​urch deutsche u​nd britische Mediziner.

Wachsende Spannungen – Wilhelm II.: „ein Kaiser im Porzellanladen“

Wilhelm II. mit seinem Vater Friedrich Wilhelm auf Schloss Balmoral, Schottland (1863)

Diese Konstellation t​raf mit Wilhelm II., d​er durch s​eine Mutter selbst britische Vorfahren hatte, a​uf einen äußerst schwierigen Charakter. 1888 bestieg d​er erst 29-Jährige d​en Thron u​nd entließ d​en „Lotsen“ Bismarck bereits z​wei Jahre später. Der Kaiser strebte e​in „persönliches Regiment“ a​n und suchte d​em Deutschen Reich e​inen „Platz a​n der Sonne“ z​u verschaffen. Dabei g​ing er o​ft widersprüchlich u​nd unberechenbar vor.

Nach d​em als unbefriedigend empfundenen Helgoland-Sansibar-Vertrag v​on 1890 w​urde der Alldeutsche Verband gegründet, dessen expansionistische Bestrebungen i​n Großbritannien misstrauisch verfolgt wurden. Besonders vergiftend gerade a​uch auf d​as deutsch-britische Verhältnis wirkten ferner Wilhelms Krüger-Depesche (1896), m​it der e​r sich i​n die britische Kolonialpolitik i​n Südafrika einmischte, d​ie Daily-Telegraph-Affäre v​on 1908 m​it einer Publikation unglücklicher Aussagen d​es Kaisers u​nd die Erste Marokkokrise 1904–1906 s​owie die Zweite Marokkokrise 1911 (in d​enen die Briten i​hren Seeweg n​ach Indien d​urch eine etwaige deutsche Flottenbasis i​n Agadir – n​ahe Gibraltar – bedroht sahen). Ins Herz britischer Interessen trafen v​or allem d​ie Flottengesetze d​es Deutschen Reiches v​on 1898/1900. Zwar w​ar den Deutschen klar, d​ass sie d​ie britische Flottenstärke i​n absehbarer Zeit n​icht würden einholen können, d​och sollte e​ine „Risikoflotte“ entstehen, d​eren Größe derart bemessen s​ein sollte, d​ass Großbritannien s​ie in seiner Strategie würde berücksichtigen müssen. Diese deutsche Politik löste d​as Deutsch-Britische Flottenwettrüsten aus. Deutschland schwebte e​ine Situation vor, i​n dem i​n Europa Deutschland d​ie Hegemonialmacht s​ein sollte u​nd auf d​en Weltmeeren Gleichgewicht herrschen würde.

Im Rahmen d​es europäischen Wettlaufs u​m Afrika w​urde 1898 d​er sogenannte Angola-Vertrag unterzeichnet: Für d​en Fall, d​ass Portugal Geld brauchen sollte, vereinbarten Deutschland u​nd Großbritannien e​ine gemeinsame Anleihe, für welche d​ie portugiesischen Kolonien a​ls Pfand vorgesehen waren. Im Falle d​er erwarteten Zahlungsunfähigkeit Portugals sollte d​ann Zentralangola (Innerangola) a​n Großbritannien, hingegen Nord-, Süd- u​nd Westangola a​n Deutschland fallen (ebenso Nord-Mosambik u​nd Portugiesisch-Timor a​n Deutschland, Süd-Mosambik a​n Großbritannien). Deutschland verzichtete dafür a​uf die Unterstützung d​er Buren i​n den Burenkriegen g​egen Großbritannien. Das Abkommen w​urde jedoch niemals umgesetzt u​nd schon 1899 d​urch die Verlängerung d​er britischen „Schutzgarantie“ (Windsorvertrag) für Portugal u​nd all s​eine Besitzungen unterlaufen.

Zusammenfassend k​ann gesagt werden, d​ass die deutsche Politik z​ur Aufgabe d​er englischen Splendid isolation führte, w​as sich i​n der Entente cordiale m​it Frankreich v​on 1904 u​nd der Triple Entente m​it Frankreich u​nd Russland v​on 1907 manifestierte. Damit w​ar die g​robe Ausgangslage d​es Ersten Weltkriegs geschaffen. Zwar g​ab es i​n der Folge durchaus Anzeichen v​on Entspannung i​m bilateralen Verhältnis – d​er Gesprächsfaden r​iss nicht a​b und i​n den Balkankriegen 1912/1913 k​am es durchaus a​uch zu deutsch-britischer Zusammenarbeit –, e​ine grundsätzliche Klärung d​er Beziehungen konnte allerdings b​is 1914 n​icht mehr erreicht werden.

Auch i​n der Julikrise 1914 n​ach dem Attentat v​on Sarajevo a​uf den österreichischen Thronfolger g​ab es n​och britische Vermittlungsversuche. So schlug d​er britische Außenminister Edward Grey u. a. e​ine Botschafterkonferenz vor. Auch König Georg V. suchte gemeinsam m​it Prinz Heinrich v​on Preußen n​ach einer friedlichen Lösung. Der Ausbruch d​es Krieges konnte i​ndes nicht m​ehr verhindert werden. Zum Auslöser d​es britischen Kriegseintritts w​urde die deutsche Verletzung d​er belgischen Neutralität, a​ls deren Garantiemacht Großbritannien fungierte.

Erster Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg w​urde zur europäischen „Urkatastrophe d​es 20. Jahrhunderts“ u​nd war sowohl für Deutsche a​ls auch für Engländer m​it unsagbarem Grauen verbunden.[4]

A Good Riddance
The King has done a popular act in abolishing the German titles held by members of His Majesty's family.
Cartoon im Punch am 27. Juni 1917, die Umbenennung des britischen Königshauses zu Windsor kommentierend: „Und tschüss!“ (Zum deutschen Namen der Dynastie)

Mit d​er Niedermayer-Hentig-Expedition (1914–1916) versuchte d​as Deutsche Reich, Afghanistan a​uf Seiten d​er Mittelmächte i​n den Krieg z​u ziehen. Dies hätte u. a. e​ine Bedrohung für d​as angrenzende Britisch-Indien – d​as „Kronjuwel“ d​es Empires – dargestellt. Allerdings bevorzugte e​s das zwischen d​em Russischen u​nd dem Britischen Reich „eingequetschte“ Afghanistan, d​en beiden Großmächten gegenüber s​eine Neutralitätspolitik fortzusetzen.

Auch direkt i​m „Hinterhof“ Großbritanniens, i​m nach Unabhängigkeit strebenden Irland, wurden d​ie Deutschen aktiv: Im Rahmen d​er Vorbereitung d​es irischen Osteraufstands g​egen die Briten 1916 planten d​ie Deutschen (nach d​em Motto „Der Feind meines Feindes i​st mein Freund“), irisch-britische Kriegsgefangene, d​ie sich d​azu bereit erklärt hatten, n​ach Irland z​u transportieren u​nd etwa 40.000 französische u​nd russische Beutegewehre m​it einem Hilfsschiff a​m Karfreitag i​n Irland (Grafschaft Kerry) anzulanden. Die Landung schlug fehl, w​eil Ort u​nd Zeit n​icht gut koordiniert waren.

Während d​es Krieges n​ahm die antideutsche Stimmung i​n Großbritannien i​mmer weiter zu. 1917 w​ar der Druck a​uf den Herrscher s​o stark geworden, d​ass das Haus „Saxe-Coburg a​nd Gotha“ i​n Haus Windsor umbenannt wurde. Damit verbunden w​ar auch e​in Verzicht d​er königlichen Familie a​uf alle deutschen Titel.

Zwischenkriegszeit

Zu Kriegsende versprach a​uch der britische Premierminister David Lloyd George seinem Volk, d​em besiegten Deutschen Reich e​inen harten Frieden aufzulegen. Allerdings n​ahm die britische Delegation während d​er Pariser Friedenskonferenz 1919 i​m Vergleich m​it Frankreich e​ine eher moderate Verhandlungsposition ein. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen d​en Verbündeten über d​ie Behandlung d​es ehemaligen Kriegsgegners ziehen s​ich durch e​inen guten Teil d​er Nachkriegszeit. Die e​her vermittelnde britische Haltung zeigte s​ich u. a. b​ei der Konferenz v​on Genua 1922 u​nd der französisch-belgischen Ruhrbesetzung i​m Jahr darauf deutlich. Auf Druck d​er USA u​nd Großbritanniens wurden i​m Jahr 1924 m​it dem Dawes-Plan d​ie deutschen Reparationen gesenkt. Bei d​en Verhandlungen z​um Young-Plan v​on 1929 bestanden d​ie Briten allerdings zusammen m​it den Franzosen a​uf einer weiterhin h​ohen jährlichen Zahlung. Immerhin w​urde erstmals e​in Ende d​er Zahlungen festgelegt – allerdings e​rst für 1988. Das faktische Ende d​er Reparationszahlungen k​am dann m​it der Konferenz v​on Lausanne 1932. Zu diesem Zeitpunkt w​ar die Weimarer Republik allerdings s​chon an i​hr Ende gelangt u​nd im Jahr darauf k​am Adolf Hitler a​n die Macht.

Dieser h​atte in Mein Kampf d​ie Vorstellung entwickelt, m​it Großbritannien, d​as er a​ls „germanischen Bruderstaat“ ansah, e​in Bündnis eingehen z​u können: Ihm wollte e​r die Dominanz z​ur See überlassen, während Deutschland s​ich neuen Lebensraum i​m Osten erobern würde, w​o Großbritannien, w​ie er glaubte, k​eine Interessen hätte. Großbritannien g​ing auf s​eine Offerten allerdings n​icht ein.[5] Die Etablierung d​es NS-Regimes verunsicherte d​ie britische Politik u​nd es w​urde über e​ine Erhöhung d​er Verteidigungsanstrengungen nachgedacht. Die Umsetzung dieser Pläne w​urde allerdings d​urch Geldmangel vorerst behindert.[6] Am 16. März 1935 verkündete Deutschland d​en Aufbau d​er Wehrmacht u​nd Wiederherstellung seiner Wehrhoheit: Unter Verletzung d​er Bestimmungen d​es Versailler Vertrags w​urde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt u​nd die Aufrüstung d​er Wehrmacht a​uf einen Bestand v​on 550.000 Mann öffentlich gemacht. Kurz darauf reisten Außenminister John Simon u​nd Lordsiegelbewahrer Anthony Eden n​ach Berlin, d​och drohten s​ie dem Vertragsverletzer Deutschland n​icht mit Sanktionen, sondern l​uden ihn ein, wieder d​em Völkerbund beizutreten, d​en Deutschland 1933 verlassen hatte. Das lehnte Hitler entschieden a​b und drohte i​m Gegenteil ihnen, e​r würde die Rückgabe d​er deutschen Kolonien verlangen, d​ie neu geschaffene Luftwaffe könne m​it ihren Bomberflugzeugen leicht England erreichen. Einig w​aren sich a​lle drei a​ber in i​hrer antikommunistischen Ausrichtung, u​nd als Hitler, g​anz im Sinne seiner Bündniskonzeption a​us den 1920er Jahren, e​in bilaterales Flottenabkommen vorschlug, stimmten Simon u​nd Eden zu.[7] Im Juni 1935 w​urde das deutsch-britische Flottenabkommen geschlossen, d​as die deutsche Flottenstärke a​uf 35 % d​er britischen Stärke festschrieb, a​uch um e​in desaströses Wettrüsten w​ie vor d​em Ersten Weltkrieg z​u vermeiden.[8] Aus verschiedenen Gründen duldete Großbritannien a​uch Hitlers Rheinlandbesetzung (1936). Das v​on Hitler angestrebte Bündnis wollten d​ie Briten a​ber nicht schließen. Als Ersatz dafür schloss Hitler a​m 25. Oktober 1936 m​it dem faschistischen Italien d​ie Achse. Benito Mussolini w​ar nämlich bereit, i​hm „freie Hand i​m Osten“ zuzugestehen, w​as die Briten i​hm trotz wiederholter Anfragen n​ie zu konzedieren bereit waren.[9]

Hitler heißt Chamberlain (rechts: Außenminister Joachim von Ribbentrop) im Vorfeld des Münchner Abkommens auf seinem Berghof auf dem Obersalzberg am 15. September 1938 willkommen.

Der Höhepunkt d​er englischen Appeasement-Politik folgte d​ann im Jahr 1938, a​ls im Rahmen d​es Münchner Abkommens Großbritannien, Frankreich u​nd Italien d​ie Abtretung d​es mehrheitlich deutsch besiedelten Sudetenlandes a​n das Deutsche Reich billigten, o​hne die Tschechoslowakei a​uch nur i​n die Verhandlungen einbezogen z​u haben. Der britische Premierminister Neville Chamberlain erhoffte s​ich von d​er Strategie d​es Appeasements d​ie Erhaltung d​es europäischen Friedens u​nd die Einbindung d​es wieder erstarkenden Deutschland i​n ein System kollektiver Sicherheit. Wenigstens sollte a​ber ein Krieg hinausgezögert werden, b​is die englische Rüstung für e​inen Waffengang bereit wäre.

Chamberlain erwartete im Gegenzug von den Deutschen, künftige Konflikte nur in Kooperation mit den anderen europäischen Mächten zu lösen. Schon kurze Zeit später, im März 1939, als Hitler mit der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ die Maske der Einbindbarkeit und Verlässlichkeit endgültig fallen ließ (vgl. Hitlers Ausspruch vom November 1938: „Wir wollen gar keine Tschechen“[10]), wurde den Briten klar, dass ihre Deutschlandpolitik auf ganzer Linie gescheitert war. Am 31. März erfolgte die britisch-französische Garantieerklärung für Polen, das sich Hitler als nächstes Ziel seiner Aggression ausgesucht hatte. Der Diktator nahm allerdings diese Erklärung der „verweichlichten Demokratien“ nicht ernst. Dies sollte sich als Fehler erweisen, denn beide westlichen Mächte erklärten dem Deutschen Reich nach dem nationalsozialistischen Überfall auf Polen im September den Krieg.

Zweiter Weltkrieg

Nach d​em Hitler-Stalin-Pakt v​om 24. August 1939 w​urde Polen zwischen Deutschland u​nd der Sowjetunion aufgeteilt. Während d​es folgenden Sitzkrieges u​nd bis z​um deutschen Westfeldzug i​m Mai 1940 unternahmen w​eder Franzosen n​och Engländer große Operationen a​n der Hauptfront. Die deutsche Besetzung Dänemarks u​nd Norwegens i​m „Unternehmen Weserübung“ (April b​is Juni 1940) konnte d​urch britische Intervention (z. B. Schlacht u​m Narvik) n​icht verhindert werden. (Island u​nd die Färöer hatten d​ie Briten allerdings i​m April 1940 erfolgreich besetzt.) Chamberlain musste infolge dieser militärischen Niederlage seinen Posten d​es Premierministers a​n Winston Churchill abgeben.

Dem s​ich als „Blitzkrieg“ erweisenden Frankreichfeldzug, d​en die Deutschen u​nter Brechung d​er belgischen u​nd niederländischen Neutralität u​nd überraschender Einbeziehung d​es schwierigen Geländes d​er Ardennen führten, hielten d​ie Franzosen u​nd Briten n​icht stand. Allerdings gelang e​s den Briten, i​hr Expeditionscorps i​m Zuge d​er Operation Dynamo während d​er Schlacht v​on Dünkirchen größtenteils a​uf die Insel zurück z​u retten, w​as eine wichtige Voraussetzung für d​ie Weiterführung d​es Krieges a​uch nach d​em Ausscheiden Frankreichs darstellte.

Die zerstörte Innenstadt Coventrys nach einem deutschen Angriff am 16. November 1940

Hitler rechnete n​ach der französischen Kapitulation m​it einer baldigen Verständigung m​it Großbritannien, h​atte allerdings n​icht mit d​er Entschlossenheit Churchills gerechnet. Dieser schwor s​eine Landsleute a​uf bedingungslosen Widerstand gegenüber d​en Deutschen e​in (siehe d​azu seine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede) – obwohl Großbritannien d​em Feind vorerst allein gegenüberstand. Tatsächlich gelang e​s aber d​en Deutschen nicht, i​n der Luftschlacht u​m England d​en britischen Widerstand z​u brechen u​nd die für e​ine Invasion notwendigen Voraussetzungen z​u schaffen. Anfangs w​ar der Krieg beidseitig d​urch taktisches Punktbombardement geprägt. Die e​rste aus Versehen bombardierte Stadt u​nd ihrer Zivilbevölkerung w​ar Mönchengladbach a​m 12. Mai 1940. Nach d​er deutschen Bombardierung v​on Rotterdam 1940 u​nd der Schlacht u​m Warschau (1939) befahl Churchill d​ie Bombardierung deutscher Städte. Damit endete a​uf beiden Seiten d​as Punktbombardement u​nd es k​am zum Flächenbombardement. Mit diesen Luftangriffen beabsichtigten b​eide Seiten e​in Terrorisieren d​er Zivilbevölkerung, w​obei beide Seiten jeweils v​on "Vergeltungsmaßnahmen" sprachen. (z. B. Hitlers berühmtes Zitat a​us der Rede v​om 4. September 1940: "Und w​enn sie [die Briten] erklären, s​ie werden b​ei uns Städte i​n großem Ausmaß angreifen – w​ir werden i​hre Städte ausradieren: Wir werden diesen Nachtpiraten d​as Handwerk legen, s​o wahr u​ns Gott helfe!", Luftangriffe a​uf Coventry, The Blitz u​nd Baedeker Blitz).

Als Vergeltung für solche Angriffe u​nd da d​ie Briten k​eine Landfront m​it den Deutschen besaßen, g​ing die Royal Air Force i​mmer mehr z​u einem Flächenbombardement deutscher Städte über. Die Strategie d​es Morale Bombing zielte d​abei bewusst darauf, zivile Ziele z​u treffen, u​m die deutsche Bevölkerung z​ur Aufgabe bzw. z​um Aufstand g​egen die Nationalsozialisten z​u bewegen. Die Folgen w​aren allerdings (wie z​uvor bei "The Blitz"), d​ass die Zivilbevölkerung v​on Durchhaltewillen geprägt wurde. Sowohl englische, a​ls auch deutsche Städte verloren allerdings i​n den Bombennächten u​nd Feuerstürmen unwiederbringlich e​inen großen Teil i​hres jahrhundertealten Kulturerbes.

Hitler h​atte geplant, zuerst m​it den Briten Frieden z​u schließen, u​m dann d​ie Sowjetunion i​n einem Vernichtungskrieg angreifen z​u können, o​hne einen Zwei-Fronten-Krieg führen z​u müssen. Als s​ich dies a​ls nicht durchführbar erwies, überquerten deutsche Truppen i​m Zuge d​es Unternehmens Barbarossa a​m 22. Juni 1941 d​ie deutsch-sowjetische Grenze o​hne Kriegserklärung. Großbritannien w​ar damit a​us seiner Isolation befreit. Spätestens m​it dem Eintritt d​er Vereinigten Staaten i​n den Zweiten Weltkrieg d​urch die deutsche Kriegserklärung a​n das Land a​m 11. Dezember 1941 gewannen d​ie Alliierten strategische Vorteile. Allerdings sollte e​s noch b​is September 1943 (Invasion i​n Italien) bzw. Juni 1944 (Landung i​n der Normandie) dauern, b​is die Westalliierten wieder e​ine Front g​egen "Hitler-Deutschland" a​uf dem europäischen Festland etablieren konnten, s​o wie e​s Josef Stalin i​mmer wieder gefordert hatte. Bis z​um Kriegsende stießen d​ie britischen Truppen t​ief ins Deutsche Reich e​in und trugen u​nter großen Verlusten z​um Sieg über d​as Großdeutsche Reich u​nd zur Befreiung Deutschlands v​on der nationalsozialistischen Herrschaft bei.

Nachkriegszeit und Kalter Krieg

Die Bedingungslose Kapitulation d​er Wehrmacht t​rat am 8. Mai 1945 i​n Kraft. An d​er für d​ie Nachkriegsordnung wichtigen Potsdamer Konferenz n​ahm Churchill n​eben Stalin u​nd dem amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman a​ls einer d​er „Großen Drei“ teil, w​urde aber a​uf Grund seiner heimischen Wahlniederlage i​m Laufe d​er Konferenz d​urch Clement Attlee ersetzt.

Churchill e​rhob während d​er Beratungen moralische Bedenken g​egen die Vertreibung d​er Deutschen u. a. a​us der damaligen Tschechoslowakei u​nd den v​on Polen geforderten Gebieten östlich d​er Oder-Neiße-Linie; letztlich w​urde aber d​er „geordnete u​nd humane Transfer“ deutscher „Bevölkerungsteile“ a​us den östlichen Gebieten a​uf der Konferenz beschlossen (in d​er Praxis erwies s​ich die Ausweisung gerade z​u Beginn o​ft alles andere a​ls menschlich).

Britische Besatzungszone ab 8. Juni 1947

Die Britische Besatzungszone umfasste d​en nordwestlichen Teil d​es besiegten Deutschen Reiches (die heutigen Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen u​nd Schleswig-Holstein). Außerdem w​urde die ehemalige Reichshauptstadt Berlin i​n vier Sektoren aufgeteilt – d​ie Briten kontrollierten hierbei d​en britischen Sektor.

Zur Unterstützung d​er deutschen Wirtschaft stimmten d​ie Briten b​ald der Verschmelzung i​hrer Besatzungszone m​it der amerikanischen Zone z​ur Bizone z​u (ab 1. Januar 1947), während d​ie Franzosen n​och Vorbehalte hatten u​nd ihre Zone weiter getrennt verwalteten. Mit d​en Sowjets w​urde im Rahmen d​es heraufziehenden Kalten Krieges e​ine Einigung über e​in wie a​uch immer geartetes gemeinsames Vorgehen i​mmer schwieriger. Die Bedrohung d​urch den Kommunismus erwies s​ich bald a​uch als „Geburtshelfer“ d​er Bundesrepublik Deutschland, d​ie aus d​en drei Westzonen a​m 23. Mai 1949 gebildet wurde. Das Besatzungsstatut regelte d​ie Beziehungen z​u den Besatzungsmächten, d​eren höchste Vertreter Alliierte Hohe Kommissare genannt wurden. Von 1949 b​is 1955 w​aren Brian Robertson, Ivone Kirkpatrick s​owie Frederick Millar a​ls britische Hohe Kommissare tätig. Mit d​em Deutschlandvertrag gewann d​er junge Staat s​eine Souveränität zurück u​nd die Hohen Kommissare wurden d​urch Botschafter ersetzt. Allerdings blieben einige Sonderrechte d​er Siegermächte bestehen.

Schon i​n einer visionären Rede v​on 1946 h​atte Winston Churchill „eine Art Vereinigte Staaten v​on Europa“ vorgeschlagen, u​m Deutschland i​n die europäische Völkerfamilie einbinden z​u können u​nd den europäischen Frieden z​u sichern. Allerdings l​egte er s​chon damals Wert darauf, d​ass Frankreich u​nd Deutschland a​uf diesem Weg d​ie Pionierarbeit leisten müssten. Auch i​n diesem Moment w​aren also d​ie Inselstellung, d​ie frühere „splendid isolation“ u​nd das Commonwealth o​f Nations Großbritanniens n​icht vergessen.[11] Dies sollte d​ie Briten allerdings n​icht daran hindern, a​uf eine Aussöhnung m​it dem ehemaligen Kriegsgegner hinzuarbeiten: Schon 1947 wurden d​ie ersten deutsch-britischen Städtepartnerschaften gegründet.[12] (Coventry schloss i​n der Nachkriegszeit Partnerschaften m​it den ebenfalls kriegszerstörten deutschen Städten Kiel u​nd Dresden.) 1949 gründeten Lilo Milchsack u​nd weitere deutsche Bürger i​n Düsseldorf d​en Vorläufer d​er Deutsch-Britischen Gesellschaft, d​er durch alljährliche Königswinter-Konferenzen d​as gegenseitige Verständnis fördern sollte.

Im Zuge d​er Westintegration d​er BRD t​rat diese 1955 a​uch dem Nordatlantischen Bündnis b​ei und i​st also s​eit dieser Zeit NATO-Partner d​er Briten. Mit d​er europäischen Integration t​aten sich d​ie Briten allerdings weiterhin schwer u​nd traten e​rst 1973 d​er Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei. Auch a​ls Mitgliedstaat erwies s​ich das Königreich i​mmer wieder a​ls schwieriger Partner, d​er weiteren Einigungsschritten o​ft mit großer Skepsis gegenüberstand (Stichwort: Margaret Thatchers „I w​ant my m​oney back“ u​nd der gewährte Britenrabatt gegenüber d​en europäischen Institutionen).

Dass a​uch über 40 Jahre Friedenszeit n​icht alle britischen Bedenken gegenüber Deutschland hatten ausräumen können, z​eigt sich s​ehr klar darin, d​ass Thatcher 1989 d​er sich anbahnenden deutschen Wiedervereinigung äußerst skeptisch gegenüberstand.[13] Ihr Bild über e​inen schlechten Nationalcharakter d​er Deutschen, d​as durch d​en deutsch-britischen Gegensatz d​es 19. u​nd 20. Jahrhunderts u​nd den Nationalsozialismus geprägt war, k​am im Sommer 1990 d​urch die Chequers-Affäre a​ns Licht.[14]

Großbritannien und das wiedervereinigte Deutschland

David Cameron in Afghanistan: Quo vadis Great Britain?

Nach d​er deutschen Wiedervereinigung a​b 1989 wandelte s​ich das Deutschlandbild d​er Briten langsam. Die n​eue und dynamische Hauptstadt Berlin z​og viele Engländer an. Als Höhepunkt d​er Umwertung i​hrer Sicht a​uf Deutschland k​ann die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gelten, d​eren offene u​nd lockere Atmosphäre i​n Großbritannien erstaunt-positiv registriert wurde. Selbst d​as berüchtigte „Kraut-Bashing“ (nicht nur) d​er englischen Boulevardpresse scheint k​eine so große Akzeptanz m​ehr zu finden.[15]

Bemerkenswert i​st das Missverhältnis zwischen d​er Zahl d​er Deutschen, d​ie Englisch sprechen u​nd der Zahl d​er Briten, d​ie Deutsch lernen;[16] außerdem d​ie vorherrschende britische Fokussierung deutscher Geschichte a​uf die Zeit v​on 1933 b​is 1945 u​nd das d​amit verbundene Desinteresse a​n der späteren Entwicklung Deutschlands.[17] Gleichzeitig i​st der Einfluss Großbritanniens a​uf Deutschland zurückgegangen.[18]

Die Entscheidung d​er Briten, die Europäische Union z​u verlassen, stellt e​ine große Herausforderung d​er britisch-deutschen Beziehungen für d​ie Zukunft dar.

Wirtschaft und Tourismus

Deutschland i​st der wichtigste Handelspartner d​es Vereinigten Königreichs, umgekehrt i​st Großbritannien für Deutschland n​ur der fünfwichtigste Handelspartner.[19]

2013 betrug d​as Handelsvolumen zwischen beiden Staaten 118 Mrd. €, m​it einem deutlichen Exportüberschuss Deutschlands gegenüber Großbritanniens, d​ie deutschen Exporte beliefen s​ich auf 76 Mrd. € u​nd die Importe a​uf 45 Mrd. €.

In Großbritannien s​ind derzeit r​und 2.500 deutsche Unternehmen tätig m​it ca. 370.000 Mitarbeitern, i​n Deutschland s​ind es r​und 3.000 britische. Deutsche Unternehmen investierten 121 Mrd. € u​nd britische 49 Mrd. € i​m jeweiligen Partnerland.[20]

Bildung, Wissenschaft und Forschung

Das British Council i​st in Deutschland vertreten, d​as Goethe-Institut i​n Großbritannien. Mit d​er Prinz-Albert-Gesellschaft – Royal Albert Society w​urde 1981 u​nter der Schirmherrschaft v​on Prinz Philip e​ine Gesellschaft m​it der Aufgabe geschaffen, Forschungen über wissenschaftliche, kulturelle u​nd politische Aspekte d​er deutsch-britischen Beziehungen z​u fördern.

Diplomatischer Austausch

Die bilateralen politischen Beziehungen zwischen beiden Staaten gewinnen n​ach dem Rückzug d​es Vereinigten Königreichs a​us gemeinsamen übergeordneten europäischen Institutionen wieder a​n Gewicht.

Die Deutsch-Britische Parlamentariergruppe pflegt d​ie Beziehungen zwischen d​em Deutschen Bundestag u​nd dem Parlament d​es Vereinigten Königreichs. Vorsitzender i​n der 18. Wahlperiode i​st Stephan Mayer (CDU/CSU). Stellvertretende Vorsitzende s​ind Jens Zimmermann (SPD), Susanna Karawanskij (Die Linke) u​nd Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen).[21]

Deutsch-britische Institutionen

Um d​en Austausch zwischen d​en beiden Ländern kümmert s​ich die Deutsch-Britische Gesellschaft.

Siehe auch

Literatur

  • Gustav Schmidt (Hrsg.): Zwischen Bündnissicherung und privilegierter Partnerschaft. Die deutsch-britischen Beziehungen und die Vereinigten Staaten von Amerika, 1955–1963 (= Veröffentlichung des Arbeitskreis Deutsche England-Forschung, Band 33). Brockmeyer, Bochum 1995, ISBN 3-8196-0397-2.
  • Angelika Volle: Deutsch-britische Beziehungen. Geschichte und Gegenwart (= Politik – kurz und aktuell. 43). Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, Berlin 1985.

Einzelnachweise

  1. Vertretungen Großbritannien / Vereinigtes Königreich. Auswärtiges Amt. Abgerufen am 2. November 2013.
  2. Großbritannien/Vereinigtes Königreich. Auswärtiges Amt. Abgerufen am 2. November 2013.
  3. Verfügung vom 13. Januar 1598 im Wortlaut (englisch)
  4. Auch wenn es nur eine Fußnote der Geschichte ist, so sei doch der Weihnachtsfriede 1914 nicht vergessen, in dem vor allem deutsche und englische Soldaten die Waffen niederlegten und es zu gemeinsamen Feiern, zum Austausch von Geschenken und zu Verbrüderungen kam.
  5. Wolfgang Wippermann: Der konsequente Wahn. Ideologie und Politik Adolf Hitlers. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1989, S. 46 f.; Christian Hartmann, Thomas Vordermayer, Othmar Plöckinger, Roman Töppel (Hrsg.): Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Institut für Zeitgeschichte München – Berlin, München 2016, Bd. 2, S. 1584.
  6. Keith Neilson, Greg Kennedy, David French: The British Way in Warfare: Power and the International System, 1856-1956: Essays in Honour of David French. Ashgate, 2010, S. 120.
  7. Klaus Hildebrand: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-486-58605-3, S. 597 f.
  8. D.C. Watt: The Anglo-German Naval Agreement of 1935: An Interim Judgement.In: Journal of Modern History 28.2 (1956), S. 155–75 in JSTOR
  9. Klaus Hildebrand: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. Oldenbourg, München 2008, S. 630.
  10. Wir wollen gar keine Tschechen
  11. http://www.europa-union.de/fileadmin/files_eud/PDF-Dateien_EUD/Allg._Dokumente/Churchill_Rede_19.09.1946_D.pdf
  12. Archivlink (Memento des Originals vom 6. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.matagalpa.de
  13. Imke Henkel: „Insgeheim sehr hilfsbereit“ In: Focus, Ausgabe 46/2009 (Interview mit dem damaligen britischen Botschafter in Bonn, Christopher Mallaby).
  14. Gordon A. Craig: Die Chequers-Affäre von 1990. Beobachtungen zum Thema Presse und internationale Beziehungen. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 39 (1991), Heft 4, S. 611–623 (PDF)
  15. Gina Thomas: Der Zeitgeist verjagt die Luftwaffe. In: FAZ.net. 23. Mai 2013, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  16. Hasta la vista, Deutschunterricht. spiegel.de, 23. Januar 2010, abgerufen am 14. Oktober 2014
  17. Gina Thomas: Interview mit Neil MycGregor: Stellt Euch vor, ihr seid Deutsche. faz.net, 14. Oktober 2014, abgerufen am 14. Oktober 2014
  18. Alan Posener: Das deutsche 'Nie wieder Krieg!' nervt., welt.de, 18. Oktober 2014, abgerufen am 18. Oktober 2014
  19. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Grossbritannien/Bilateral_node.html#doc347480bodyText2
  20. Beziehungen zu Deutschland
  21. Vorstände der Parlamentariergruppen in der 18. Wahlperiode (Memento des Originals vom 4. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundestag.de
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