Berghof (Obersalzberg)
Der Berghof in Obersalzberg war ein Landhaus und spätestens ab 1936 der private Wohnsitz Adolf Hitlers.
Er wurde 1916 als Landhaus Wachenfeld für einen norddeutschen Kaufmann errichtet. Ab 1928 war das Landhaus Hitlers gemietetes Feriendomizil. Nach der Machtübernahme 1933 kaufte er es und ließ es nach und nach anfangs vom Architekten Alois Degano, dann von Roderich Fick zum Berghof, seiner repräsentativen Residenz, ausbauen.
Er bildete dann den Kern des Führersperrgebietes Obersalzberg, das mit dem Bau der „Kleinen Reichskanzlei“ 1937 und dem Flughafen Reichenhall-Berchtesgaden als zweiter Regierungssitz zu einem zentralen Ort der Macht im nationalsozialistischen Deutschen Reich wurde. Insgesamt verbrachte Hitler etwa ein Drittel seiner Regierungszeit auf dem Berghof, also zusammengerechnet fast vier Jahre.[1] Internationale Diplomaten und Politiker kamen zu Verhandlungen zum Berghof.
Das Gebäude wurde kurz vor Kriegsende durch einen alliierten Luftangriff schwer beschädigt. 1952 ließ der Freistaat Bayern das Gebäude sprengen. Die unweit vom ehemaligen Berghofgelände befindliche Dokumentation Obersalzberg stellt insbesondere die Verbindung von örtlicher und gesamter NS-Zeitgeschichte her.
Geschichte
Haus Wachenfeld
Der spätere Berghof wurde 1916 für den Kommerzialrat Winter aus Buxtehude als Landhaus Wachenfeld errichtet. In Obersalzberg hatten damals zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie die Klavierfabrikantenfamilie Bechstein Feriendomizile.
1923 war Hitler erstmals in Obersalzberg.[2] Dem folgten weitere Aufenthalte.[2]
→ siehe Hauptartikel: Führersperrgebiet Obersalzberg, Abschnitt Geschichte
Ab Oktober 1928 mietete Hitler das Landhaus Haus Wachenfeld, das im Besitz der Lederfabrikantin und frühen Automobilistin Margarete Winter, geborene Wachenfeld, war.
Berghof
Margarete Winter-Wachenfeld hatte Hitler bereits am 17. September 1932 ein notariell beglaubigtes Verkaufsangebot gemacht, auf das er aber erst nach seiner Machtübernahme im Juni 1933 einging und das Landhaus nach seinem Kauf in „Berghof“ umbenannte.[3] Hitlers Halbschwester Angela Raubal führte den Haushalt. Parteifunktionäre wie Hermann Göring, Albert Speer und Martin Bormann bezogen Zweitwohnsitze in Obersalzberg.[4]
Das Haus war zunächst nur mit einem Zaun abgesichert. Die Anwesenheit des neuen Reichskanzlers in dem kleinen Bergort zog jedoch viele Anhänger an. Nach Maßgabe seiner eigenen Pläne beauftragte Hitler 1933 für einen ersten relativ geringfügigen Umbau des Hauses Wachenfeld den Architekten Alois Degano, für den aufwendigeren Umbau ab 1936 den Architekten Roderich Fick.[5] Zur Erhöhung der Sicherheit des Diktators wurde in seiner neuen „Wahlheimat“ das gesamte Areal abgesperrt, zum „Führersperrgebiet“ erklärt und bewacht. Zutritt war nur mit Berechtigungsausweis möglich. Hitler empfing Gruppen der HJ, des BDM und anderer Organisationen und präsentierte sich in der idyllischen Bergkulisse als „Kanzler des Volkes“. Im Führerkult der NS-Propaganda präsentierte er sich als „Hitler abseits vom Alltag“ und „Hitler, wie ihn keiner kennt“. Zahlreiche entsprechende Fotoalben und Bildbände erschienen.[6]
Nach dem großen Umbau
Nach dem Umbau stand Hitler ein repräsentatives Haus zur Verfügung, das er zum Empfang von Diplomaten und Prominenten nutzte. Ein wichtiges Element seiner Repräsentation waren die Gemälde, die er persönlich aufhängte und mit Vorliebe seinen Gästen vorführte. Mit ihnen präsentierte sich der ehemalige Maler als Künstler und „genialer Sammler“ in der Nachfolge von Adolf Friedrich von Schack und Friedrich II. von Preußen.[7] Ein weiteres berühmtes Repräsentationselement des Hauses war das 8 Meter mal 4 Meter große, elektrisch versenkbare Panoramafenster in der großen Halle.[8] In der Vorkriegszeit besuchten ihn dort beispielsweise Prinzregent Paul von Jugoslawien, Graf Ciano (Mussolinis Schwiegersohn) und Aga Khan III. Des Weiteren verfügte der Berghof über einen Filmsaal.[9] Hitlers Schlafzimmer war dagegen vergleichsweise spärlich ausgestattet. Es war groß, am Ende des Raumes befand sich ein Fenster, unter dem ein Bett und ein Nachtkästchen standen, hier befanden sich lediglich einige wenige Bücher. Nahe der Tür verfügte es über einen großen Kleiderschrank.[10]
1937 empfing Hitler den Duke of Windsor nach dessen Abdankung als König Eduard VIII. des Vereinigten Königreichs zusammen mit dessen Frau Wallis Simpson. Anscheinend wollte sich der Ex-König als Repräsentant für eine internationale Friedensinitiative nach Hitlers Vorstellungen anbieten.[11]
Am 12. Februar 1938 unterzeichneten Österreichs Bundeskanzler Schuschnigg und der Staatssekretär für Äußeres Guido Schmidt unter massivem Druck das Berchtesgadener Abkommen. Am 15. September 1938, während der Sudetenkrise, war der britische Premier Chamberlain zu Verhandlungen auf dem Berghof. Am 5. Januar 1939 traf Hitler den polnischen Außenminister Józef Beck. Am 20. August 1939 telegrafierte er an Stalin und unterbreitete ihm den Nichtangriffspakt. Zu einem Staatsbesuch war der Ustascha-Führer Ante Pavelić am 6. Juni 1941 auf dem Berghof.
Auch viele innenpolitische Entscheidungen wurden auf dem Berghof getroffen. Beispielsweise hielt Hitler am 22. August 1939 eine Ansprache vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht – später auch „Dschingis-Khan-Rede“ genannt –, in der er den Überfall auf Polen ankündigte. Als Henriette von Schirach bei einem Besuch 1943 Hitler auf die Judendeportationen ansprach, wurde sie gemäß Zeitzeugenaussagen daraufhin nicht mehr auf den Berghof eingeladen. Nach der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto kam Himmler am 19. Juni 1943 zu einer Besprechung, auf der die Umwandlung von Ghettos in Konzentrationslager und die Ermordung der Arbeitsunfähigen beschlossen wurde (Unternehmen Cottbus).[12]
Hitler befand sich oft und meist für längere Zeit auf dem Berghof. Bormann, graue Eminenz auf dem Berghof, schuf daher das „Führer-Sperrgebiet“ mit einer umfassenden Infrastruktur. Etwas entfernt vom Berghof, in Bischofswiesen nahe Berchtesgaden, ließ er die Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden bauen, auch „Kleine Reichskanzlei“ genannt. In Ainring bei Freilassing wurde eigens der Regierungsflughafen Reichenhall-Berchtesgaden errichtet.
Personal
Zum ständigen Personal des Berghofs gehörte Herbert Döhring als Hausverwalter. 22 Hausmädchen waren im Berghof über die Jahre angestellt[13]; darunter Anna Plaim, Elfriede König und Resi Stangassinger.[14] Eva Braun, die die Bekleidung der Stubenmädchen entwarf, wurde von diesen als Hausherrin betrachtet, obwohl sie und Hitler in getrennten Zimmern schliefen. Für alle „Mädchen“ galt das Schweigegebot über jegliche Vorgänge auf dem Berghof.[13]
Weitere Personen, die bei Hitlers Anwesenheit ebenfalls auf dem Berghof waren, sind neben den Angehörigen der Leibstandarte SS Adolf Hitler der Leibarzt Theo Morell, seine Privatsekretärinnen Johanna Wolf und Gerda Christian, Chefpilot Hans Baur und Jurist Heinrich Heim gewesen.[14][13]
NS-Propaganda
Fotoaufnahmen für die NS-Propaganda erstellte Heinrich Hoffmann. Die zahlreichen Farbfotos, die Hitlers Kameramann Walter Frentz seit 1940 machte, wurden während der Zeit des Nationalsozialismus nicht veröffentlicht. Zahlreiche Propaganda-Postkarten zeigten Hitlers Sommerresidenz und deren Umgebung. Das versenkbare Panorama-Fenster der großen Halle war allgemein bekannt. Hoffmann erstellte auch farbige Fotopostkarten des „Arbeitszimmer des Führers“. Der Personenkult um den „Führer“, der von seinem Berg herab das Volk regierte, ließ sich im grandiosen Alpenpanorama zwischen Watzmann und Königssee besonders gut inszenieren. Die Alpenidylle stand in deutlichem Kontrast zum übrigen Reich, das vom Ersten Weltkrieg noch gezeichnet war. Wie ein volksnaher Monarch lebte Hitler hier mit Eva Braun und einer Art Hofstaat der Bediensteten. Der Diktator, der Vernichtungslager errichten ließ, präsentierte sich hier als Familienmensch und Naturfreund.
Kriegsende
Zwischen Januar und Juni 1944 galt der Berghof und das ihn umgebende „Führer-Sperrgebiet“ formell als Führerhauptquartier. Am 14. Juli 1944, rund einen Monat nach der Landung der Alliierten in der Normandie (→ Operation Overlord), verließ Hitler den Berghof endgültig und kehrte in das Führerhauptquartier Wolfsschanze zurück.[15]
Das Areal des Führersperrgebiets in Obersalzberg war lange Zeit von Luftangriffen verschont geblieben. Am 25. April 1945, fünf Tage vor Hitlers Suizid, griffen viermotorige Bomber des britischen RAF Bomber Command gezielt den Berghof und seine Umgebung an. Nach dem Luftangriff war der Berghof selbst nur beschädigt. Am 4. Mai 1945 besetzten die 101. US-Airborne Division, die 3. US-Infanteriedivision und die 2. französische Panzerdivision Berchtesgaden kampflos. Die Besetzung des Obersalzbergs war derart prestigeträchtig, dass sich amerikanische und französische Einheiten einen Wettlauf geliefert hatten. Vor dem Anrücken der Siegermächte hatten SS-Männer den beschädigten Berghof in Brand gesetzt, auch plünderte die Bevölkerung das Gebäude.[16] Laut Guido Knopp nahm im Mai 1945 ein Team des US-Militärgeheimdienstes CIC u. a. auch Hitlers Schwester Paula Hitler vorläufig in Gewahrsam, die sich in der Nähe des Berghofs versteckt hatte.[17]
Der Kunstraub im Nationalsozialismus wurde in den Nürnberger Prozessen mit Beweisstücken (wie Fotoalben zu den Gemälden) thematisiert, die US-Soldaten unter anderem im Berghof beschlagnahmt hatten. Hitlers Büchersammlung und andere erhalten gebliebene Privatgegenstände wurden beschlagnahmt.[18]
Nach erfolgreichen Verhandlungen zwischen den Amerikanern und dem Freistaat Bayern wurde ein Teil des Obersalzbergs, zu dem auch das Areal der Berghof-Ruine gehörte, unter der Bedingung, die Ruinen des Berghofes und das Göring-Haus dem Erdboden gleichzumachen, 1951 an den Freistaat Bayern zurückgegeben. Dieser ließ am 30. April 1952, genau sieben Jahre nach Hitlers Suizid in Berlin, die Ruine des Berghofs sprengen und das Gelände wieder aufforsten.[19][20]
Gegenwart
Nachdem die Amerikaner 1996 den Obersalzberg vollständig an den Freistaat Bayern übergeben hatten, gab dieser die Errichtung einer ständigen Ausstellung in Auftrag. Die Dokumentation Obersalzberg, als „Lern- und Erinnerungsort“ unweit des Berghof-Grundstücks, die durch das Institut für Zeitgeschichte wissenschaftlich geleitet wird, konnte 1999 eröffnet werden.[21] 2008 errichtete das Institut als Ergänzung dazu am Gelände des ehemaligen Berghofs eine Hinweistafel.
Rezeption
Walter Krüttners dokumentarischer Kurzfilm Es muß ein Stück vom Hitler sein beschäftigt sich mit der Jagd der weltweiten Touristen nach originalen Hitler-Devotionalien am Berghof Anfang der 1960er Jahre und der Befriedigung der Nachfrage vor Ort. Die Fernsehserie Switch reloaded parodierte ab 2007 unter dem Titel Obersalzberg die Comedyserie Stromberg, wobei Hitler mit den Eigenschaften des Chefs Bernd Stromberg dargestellt wurde.
Literatur
- Ulrich Chaussy: Nachbar Hitler. Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. Mit aktuellen Fotos von Christoph Püschner. Links, Berlin 1995, ISBN 3-86153-100-3.
- Hendrik van Capelle & A.P. van de Bovenkamp: Der Berghof, Adlerhorst – Hitlers verborgenes Machtzentrum. Tosa, Wien 2007, ISBN 978-3-85003-121-9.
Weblinks
- Dokumentation Obersalzberg, ständige Ausstellung der Dokumentation Obersalzberg in Obersalzberg
- Berghof auf 20juli1944.de (Memento vom 5. November 2012 im Internet Archive)
- Obersalzberg einst und jetzt
Einzelnachweise
- Zweiter Regierungssitz des Dritten Reiches und Ort der Propaganda (Memento vom 26. August 2015 im Internet Archive), online unter obersalzberg.de
- NS-Residenz Obersalzberg: Der Höhenwahn, online unter einestages.spiegel.de
- Institut für Zeitgeschichte München-Berlin: Der Obersalzberg als Ort der Zeitgeschichte., online unter obersalzberg.de
- Fotos der Häuser Speer, Bormann und Göring, online unter thirdreichruins.com
- Dokumentation Obersalzberg – Auslobung: Offener zweiphasiger Realisierungswettbewerb mit Ideenteil (Memento vom 22. Dezember 2014 im Internet Archive), Staatliches Bauamt Traunstein (PDF-Datei mit 55 Seiten), siehe S. 28, online unter stbats.bayern.de
- Obersalzberg 1933 - 1945 – Zweiter Regierungssitz des Dritten Reiches und Ort der Propaganda, online unter obersalzberg.de.
- Der Berghof als Ort der Kunst, in: Birgit Schwarz: Geniewahn: Hitler und die Kunst, Wien 2009, S. 155ff.
- Der Berghof – Adlerhorst – Hitlers verborgenes Machtzentrum, Hendrik van Capelle, A.P. van de Bovenkamp, Wien 2003, S. 102., ISBN 978-3-85003-121-9
- Salzburger Nachrichten: Im Dienst des Diktators: Adolf Hitlers Hausmädchen. Abgerufen am 17. September 2020.
- Von Antonia Yamin geführtes Interview mit Elisabeth Kalhammer. (Youtube; Mannheimer Morgen: Mannheimer Journalistin: Mit Mikrofon und Kamera auf der Spur von Hitlers Hausmädchen, 30. Dezember 2019.)
- The Independent: King Edward VIII: Uncle who encouraged young Queen's Nazi salute 'plotted with Adolf Hitler to regain throne'.
- Politik am Obersalzberg (Memento vom 6. Januar 2011 im Internet Archive) zum Unternehmen Cottbus, online unter obersalzberg.de.
- Salzburger Nachrichten: Im Dienst des Diktators: Adolf Hitlers Hausmädchen. Abgerufen am 17. September 2020.
- Vgl. Anna Plaim/Kurt Kuch: Bei Hitlers. Zimmermädchen Annas Erinnerungen. Droemer/Knaur, 2005, ISBN 3-426-77758-4.
- Der Berghof – Adlerhorst – Hitlers verborgenes Machtzentrum, H. van Capelle, A.P. van de Bovenkamp, Wien 2003, S. 201., ISBN 978-3-85003-121-9
- Kriegsende am Obersalzberg (Memento vom 29. Juni 2009 im Internet Archive), online unter obersalzberg.de.
- Leseprobe aus: Guido Knopp: Geheimnisse des "Dritten Reichs"
- Stefan Kornelius: Hitlers Hinterlassenschaft in Washington – Die Bücher zum Wahn, Artikel zu Hitlers Buchsammlung, die sich heute in Washington in der Library of Congress befindet, online unter sueddeutsche.de. Vgl. ebenfalls unter sueddeutsche.de Claudia Fromme: Interview mit Kunstsammler Robert C. Pritikin "Ich hätte auch eine Million dafür ausgegeben" zur Versteigerung von Hitlers Globus 2007 und Jörg Häntzschel: Kunstraub im Nationalsozialismus - Hitlers schönste Bilder (Memento vom 17. Februar 2009 im Internet Archive) über Dokumente zum organisierten NS-Kunstraub.
- Der Berghof – Adlerhorst – Hitlers verborgenes Machtzentrum, H. van Capelle, A.P. van de Bovenkamp, Wien 2003, S. 232., ISBN 978-3-85003-121-9
- Geoff Walden: "From Haus Wachenfeld to the Berghof", Fotos, auch Sprengung der Ruine im Jahr 1952, online unter thirdreichruins.com.
- Das Zwei-Säulen-Konzept (Memento vom 13. Januar 2017 im Internet Archive), Geschichte der Dokumentation Obersalzberg, online unter obersalzberg.de