Schlacht um Warschau (1939)
In der Schlacht um Warschau kämpfte während des Überfalls auf Polen die in der polnischen Hauptstadt Warschau eingeschlossene polnische Armee Warschau (Armia Warszawa) gegen Verbände der deutschen Wehrmacht. Die Kämpfe begannen mit großangelegten Luftangriffen auf militärische Einrichtungen und Infrastrukturziele im Großraum der polnischen Hauptstadt Warschau, ab dem ersten Kriegstag, dem 1. September 1939.
Vorgeschichte
Seit dem ersten Kriegstag griff die deutsche Luftwaffe mit unterschiedlicher Intensität Ziele im Großraum Warschau an. Die anfangs aus 54 Flugzeugen bestehende Abfangjäger-Brigade konnte in den ersten Tagen des Bombardements 43 angreifende Flugzeuge abschießen, wurde aber selbst schwer dezimiert und am 6. September nach Osten abgezogen. Bereits am Vortag waren elf Flak-Batterien aus der Stadt abgezogen worden. Das Bombardement erreichte seinen Höhepunkt am 10. September, dem „blutigen Sonntag“, an dem 17 Luftangriffe stattfanden.
Am 3. September ordnete der polnische Oberbefehlshaber Marschall Edward Rydz-Śmigły die Bildung eines Oberkommandos für die Verteidigung Warschaus an und ernannte Divisionsgeneral Walerian Czuma, den bisherigen Chef der Grenztruppen, zu dessen Befehlshaber. Der von Czuma zum Zivilkommissar ernannte Stadtpräsident Stefan Starzyński ordnete die Bildung einer Zivilwacht an, um Polizei und Feuerwehr zu ersetzen, die ebenso wie die meisten Männer im wehrfähigen Alter evakuiert wurden. In täglichen Radioansprachen forderte er die Bevölkerung auf, sich am Bau von Barrikaden und Panzersperren zu beteiligen. Die zur Verteidigung zur Verfügung stehenden Truppen, anfangs nur vier Bataillone, wurden nach und nach durch sich zurückziehende Einheiten der Armee und Neuaushebungen ergänzt.
Oberbefehlshaber der angreifenden 8. Armee war General der Infanterie Johannes Blaskowitz. Östlich der Stadt war das I. Armeekorps unter Generalleutnant Walter Petzel als Teil der 3. Armee des Generals der Artillerie Georg von Küchler vorgedrungen. Auf der polnischen Seite führte General Juliusz Rómmel die am 8. September aufgestellte Armee Warschau, die das Gebiet um Warschau und die Festung Modlin verteidigte. Ihm unterstellt war General Czuma als Befehlshaber der Verteidigung Warschaus, dieser beauftragte Juliusz Zulauf mit der Verteidigung im Osten der Stadt und Marian Porwit mit der im Westen.
Verlauf
Die Bodenkämpfe begannen am 8. September 1939, nachdem deutsche Panzerverbände der 4. Panzer-Division mit Teilen der 31. Infanterie-Division unter der Führung von General Hossbach die südwestlichen Vororte Warschaus erreichten. Eine schnelle Einnahme Warschaus durch deutsche Truppen misslang jedoch, nachdem infolge der am 9. September begonnenen Schlacht an der Bzura westlich von Warschau Teile der Angriffstruppen abgezogen wurden. Am 15. September wurde Warschau auch von deutschen Truppen von Osten her eingeschlossen. Während der Straßenkämpfe im östlichen Stadtbezirk Praga fiel der verabschiedete Generaloberst Werner von Fritsch, der als Chef sein Regiment begleitet hatte. Durch das vollständige militärische Einschließen Warschaus am 15. September hatte sich ein großer Kessel gebildet. Dieser zog sich beginnend in Modlin nördlich von Warschau längs des Ostufers der Weichsel bis in das Stadtgebiet von Warschau. Nach Westen hin bestand noch ein lose Verbindung mit den im Raum Kutno sich befindlichen polnischen Armeeverbänden. Diese Verbindungslinie führte durch das unwegsame Waldgebiet der Kampinosheide nordwestlich von Warschau. Nach dem Ende der Schlacht an der Bzura schlugen sich Reste der eingekesselten Truppen unter schweren Rückzugsgefechten durch das Gebiet der Kampinosheide (Schlacht in der Kampinos-Heide) nach Warschau durch und brachten die Zahl der Verteidiger auf 120.000 Soldaten.
Nach dem Ende der Kämpfe in der Kampinosheide war der Warschau/Modliner Kessel auch von Westen her vollständig geschlossen. Am 22. September wurde die Verbindung zwischen Warschau und Modlin durch einen deutschen Vorstoß von Osten her bis an die Weichsel endgültig unterbrochen. Es blieben nun zwei belagerte Kessel übrig. Der Kessel von Warschau mit rund 120.000 ihn verteidigenden Soldaten und der Kessel von Modlin mit rund 60.000 polnischen Verteidigern. Aus strategischen und politischen Gründen konzentrierte nun die deutsche Wehrmacht ihre Kräfte auf die Eroberung der polnischen Hauptstadt Warschau.
Als Vorbereitung für den finalen Angriff wurden insbesondere die polnischen Verteidigungslinien in den Vororten Warschaus tagelang von deutscher Artillerie, darunter Eisenbahngeschützen und Belagerungsmörsern, beschossen; gleichzeitig wurde das taktische Bombardement durch zwei deutsche Luftflotten fortgesetzt. Am 24. September wurden alle an der Belagerung beteiligten deutschen Truppen Blaskowitz' Befehl unterstellt. Am folgenden Tag führten die Deutschen einen Großangriff mit insgesamt neun Divisionen durch, der abgewehrt wurde. Gleichzeitig flog die deutsche Luftwaffe einen Terrorangriff auf das Stadtgebiet; in über 1700 Einsätzen warfen die Bomber 560 Tonnen Spreng- und 72 Tonnen Brandbomben ab. Am 26. September nahm der frühere Oberbefehlshaber der Armee Posen Tadeusz Kutrzeba Verhandlungen über eine Übergabe der Stadt auf. Am 27. September um 12:00 Uhr trat ein Waffenstillstand in Kraft. Mehrere polnische Einheiten weigerten sich, das Feuer einzustellen, und mussten von Rómmel und Czuma persönlich dazu aufgefordert werden. Am 29. September versteckten oder zerstörten die Verteidiger Warschaus ihre Waffen. Am Folgetag verließen rund 100.000 polnische Soldaten das Stadtgebiet Warschaus in deutsche Kriegsgefangenschaft. Fünf Tage nach der bedingungslosen Kapitulation Warschaus besetzte die deutsche Wehrmacht das von polnischen Truppen geräumte Stadtzentrum Warschaus kampflos.
Folgen
Mit der Kapitulation Warschaus und der Festung Modlin (Schlacht um Modlin) war der Überfall auf Polen praktisch beendet. Isolierte Gruppierungen der polnischen Armee wie die „Unabhängige Operationsgruppe Polesien“ wurden bis zum 6. Oktober besiegt (→ Schlacht bei Kock).
Die Verluste der Belagerung Warschaus betrugen auf polnischer Seite 6.000 tote und 16.000 verwundete Soldaten, ca. 100.000 gingen in Gefangenschaft. 25.800 Zivilisten wurden getötet und über 50.000 verletzt. Die deutschen Verluste werden auf 1.500 Tote und 5.000 Verwundete geschätzt. Etwa 12 Prozent der Gebäude Warschaus wurden bei den Kämpfen zerstört. Insbesondere von den Zerstörungen betroffen waren das Regierungsviertel und die Warschauer Vororte entlang der Frontlinie.
Einige der versteckten Waffen wurden später beim Warschauer Aufstand benutzt.
Literatur
- Władysław Bartoszewski: 1859 Dnii Warszawy. Wydawnictwo Znak, Krakau 1974.
- Julien Bryan: Siege. Doubleday, New York NY 1940.
- Norbert Konwinski: The Mayor. Saga of Stefan Starzynski. Diversified Enterprises, Claremont NH 1978, ISBN 0-9601790-0-3.
- Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Bechtermünz, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-907-5.