Wilhelm Solf

Wilhelm Heinrich Solf (* 5. Oktober 1862 i​n Berlin; † 6. Februar 1936 ebenda) w​ar ein deutscher Politiker u​nd Diplomat.

Wilhelm Solf (1911)
Signatur Wilhelm Solfs

Nach d​em Studium d​er Indologie i​n Berlin u​nd einem Aufenthalt i​n London w​urde er 1888 i​n den diplomatischen Dienst aufgenommen u​nd war a​m deutschen Generalkonsulat i​n Kalkutta (Britisch-Indien) tätig. Im Anschluss d​aran erwarb e​r in Göttingen d​ie juristischen Staatsexamina. 1898 g​ing er a​ls Bezirksrichter n​ach Daressalam i​n Deutsch-Ostafrika u​nd 1899 a​ls Präsident d​es Munizipalrates n​ach Apia a​uf Samoa; 1900 w​urde er Gouverneur d​er neuen deutschen Kolonie Deutsch-Samoa. Seinen Vorstellungen v​on einem humanen Kolonialismus folgend, gelang e​s ihm 1904 d​en Lauati-Aufstand (Mau a Pule) o​hne Waffengewalt z​u beenden.

Im Dezember 1911 t​rat Solf a​ls Staatssekretär a​n die Spitze d​es Reichskolonialamtes. Während d​es Ersten Weltkrieges w​ar er e​in entschiedener Unterstützer d​er Politik d​es Reichskanzlers Theobald v​on Bethmann Hollweg. Er setzte s​ich für e​inen frühen Verständigungsfrieden ein, m​it dem e​r einen kolonialen Ausgleich verbinden wollte. Unter d​er Kanzlerschaft Max v​on Badens avancierte Solf 1918 z​um Staatssekretär d​es Auswärtigen Amtes. Auch n​ach der Novemberrevolution behielt e​r dieses Amt, b​is er i​m Dezember 1918 zurücktrat.

1920 b​is 1928 w​ar Solf deutscher Botschafter i​n Tokio; e​r verstand es, d​ie kulturelle u​nd politische Wiederannäherung entscheidend z​u fördern.

Herkunft und Familie

Wilhelm Solf entstammte e​iner kleinbürgerlichen Familie. Seine Vorfahren w​aren vermutlich z​ur Zeit König Gustav Adolfs a​us Schweden n​ach Worbis (Eichsfeld) ausgewandert. Solfs Großvater, e​in gelernter Tischler, kämpfte i​n den Befreiungskriegen g​egen Frankreich u​nd gelangte a​ls Einnehmer d​es Straßenzolls n​ach Lebus (Provinz Brandenburg) z​u einigem Wohlstand.

Mit Wilhelm Solfs Vater Hermann begann d​er soziale Aufstieg d​er Familie. Dieser w​ar zur Ausbildung i​n einer kaufmännischen Handlung i​n Stettin tätig gewesen. 1856 heiratete e​r Augusta Peters, Cousine d​es Indogermanisten Jacob Wackernagels. Mit d​em Abklingen d​er Gründerkrise gelang e​s Hermann Solf, s​ein Vermögen geschickt z​u vermehren. So konnte e​r in d​en 1880er Jahren i​n Altenburg mehrere Braunkohle-Bergwerke erwerben u​nd allen seinen s​echs Söhnen e​ine akademische Ausbildung bieten. Zugleich schaffte e​r es, i​n Berlin Fuß z​u fassen, w​as sich i​n seinem langjährigen Stadtverordnetenmandat für d​ie Deutsche Freisinnige Partei widerspiegelt. Zudem w​ar er Mitglied verschiedener Freimaurerlogen. Er erzog, obwohl selbst Katholik, s​eine Kinder i​m protestantischen Glauben seiner Frau.

Leben

Jugend und Studium

Gymnasiumsneubau von 1851 in Anklam, beherbergt heute die ev. Schule Peeneburg

Wilhelm Solf w​urde am 5. Oktober 1862 a​ls viertes v​on insgesamt sieben Kindern i​n Berlin geboren. Seine Familie w​ar zu diesem Zeitpunkt f​rei von Existenzsorgen u​nd nahm a​m blühenden gesellschaftlichen Leben d​es Berliner Bürgertums teil. Dem Wunsch seiner Mutter entsprechend besuchte Wilhelm Solf e​ine Schule außerhalb d​er geschäftigen Großstadt. Zunächst g​ing er a​uf das Gymnasium i​n Anklam (heute „Otto Lilienthal-Gymnasium, Provinz Pommern), v​on dem e​r nicht w​egen unzureichender Leistungen, sondern w​egen seines losen Mundwerkes verwiesen wurde. Seit 1879 besuchte e​r daher d​as Großherzogliche Gymnasium i​n Mannheim, w​o er 1881 d​ie Reifeprüfung m​it guten Durchschnittsleistungen ablegte.

Erzählungen über d​en Fernen Osten u​nd im Besonderen über d​en indischen Subkontinent fesselten Wilhelm. Er entschloss s​ich daher, Indologie z​u studieren, u​nd schrieb s​ich an d​en Universitäten Berlin, Kiel, Halle u​nd Göttingen ein. Während seines Studiums i​n Göttingen w​urde er Mitglied d​er Landsmannschaft Verdensia.[1] In Kiel w​urde er Mitglied d​er Landsmannschaft Slesvico-Holsatia.[2] 1885 l​egte er s​ein Examen i​n indischer Philologie, Sanskrit u​nd Philosophie i​n Halle m​it dem Prädikat „magna c​um laude“ ab. In seiner Dissertation befasste e​r sich m​it altindischer Liebeslyrik, d​ie er übersetzte u​nd mit quellenkritischen Anmerkungen versah. Sein Lehrer Richard Pischel schuf, w​ie Solf später sagte, d​ie geistige Tinktur seiner Weltanschauung u​nd war insofern für seinen weiteren Lebensverlauf v​on prägender Bedeutung.

Nach d​em Studium arbeitete d​er junge Doktor d​er Philosophie a​n der Universitätsbibliothek Kiel. In Schleswig-Holstein w​urde er z​ur Marine eingezogen, jedoch w​enig später w​egen seiner Körperfülle u​nd eines Fußleidens a​ls wehruntauglich entlassen.

Piccadilly Circus – kosmopolitische Atmosphäre in der Weltstadt London

Die freigewordene Zeit nutzte Solf für d​as Erlernen weiterer asiatischer Sprachen (Urdu u​nd Persisch) a​m Seminar für Orientalische Sprachen i​n Berlin. 1888 erschien s​eine deutsche Übersetzung d​er englischsprachigen Sanskrit-Grammatik Franz Kielhorns, d​ie bis h​eute zu d​en Standardwerken d​er Indologie gehört. Im selben Jahr folgte e​r seinem Studienfreund, d​em Orientalisten Friedrich Rosen, n​ach London, i​n die damalige Welthauptstadt d​er Indien-Forschung. In Briefen a​n seine Eltern beschrieb Wilhelm Solf d​en britischen Lebensstil: Zwar s​ei das englische Leben t​euer und Sonntage s​o langweilig, d​ass jeder Hund s​ich freuen könne, dass e​r Flöhe hat. Doch d​ie Eleganz u​nd größere innere Freiheit, frei v​on den vielen förmlichen Fatzkereien i​n unserer Heimat, h​atte es i​hm angetan.

Zu dieser Zeit t​rat der m​it der Familie Solf bekannte Diplomat Rudolf Lindau a​n das Auswärtige Amt heran, u​m Wilhelm Solf für d​ie Dolmetscherlaufbahn vorzuschlagen. Seine außergewöhnlichen Sprachkenntnisse führten z​ur Aufnahme Solfs i​n den Auswärtigen Dienst, d​en er s​ogar der sicheren Stelle i​n Oxford vorzog. Am 10. Dezember 1888 w​urde Wilhelm Solf i​n den Dienst d​es Reiches aufgenommen u​nd mit d​er Wahrnehmung d​er Sekretariatsgeschäfte a​m Kaiserlichen Generalkonsulat i​n Kalkutta (damals Hauptstadt Britisch-Indiens) beauftragt.

Indien

Kalkutta – geschäftige Hauptstadt Britisch-Indiens

Anfang Januar 1889 reiste Wilhelm Solf m​it einem Diplomatenpass n​ach Indien aus. Der 27-Jährige schrieb a​us Kalkutta, e​r habe s​ich nun i​n die „Knechtschaft d​er Großen dieser Welt“ begeben, „selbstverständlich m​it den Freiheiten e​ines Gentlemans“. Schon a​m 31. Mai konnte s​ein Vorgesetzter, d​er Generalkonsul Gerlich, a​n Bismarck melden, d​ass Solf d​urch „Diskretion, Takt, g​ute Sprachkenntnisse u​nd Gewissenhaftigkeit“ geglänzt h​abe und d​aher auch für höhere Aufgaben geeignet sei.

Zwischen Solf u​nd Gerlich entwickelte s​ich eine Männerfreundschaft. Der Generalkonsul g​ab Solf Reitunterricht. Die fröhliche, offene Art d​es jungen Konsulatsekretärs machte i​hn im gebildeten Umfeld d​er Diplomatie beliebt. („Alle Dinge lassen s​ich besser a​m weißen a​ls am grünen Tisch erledigen.“ „Ein tüchtiger Diplomat m​uss auch e​inen guten Magen haben.“)

Bald w​urde er Mitglied d​er Asiatic Society u​nd verkehrte regelmäßig, d​urch die Beherrschung d​es Hindustani begünstigt, z​um Argwohn d​er Briten m​it Indern.

1890 t​raf mit Edmund v​on Heyking e​in neuer Generalkonsul ein. Der selbstbewusste u​nd schwerfällige baltische Baron unterhielt z​u Wilhelm Solf e​in erheblich schlechteres Verhältnis, a​ls es s​ein Vorgänger g​etan hatte.[3] Solf schrieb n​ach Hause, Heyking gehöre z​u „den adligen Wanzen, d​ie sich i​n die Spalten d​er Throne einnisten.“ Heyking verweigerte Solf, d​er nach höheren Aufgaben strebte, d​ie Zusatzprüfung, d​ie für d​ie Übernahme konsularischer Tätigkeiten nötig gewesen wäre. Dieser s​ah trotz seiner persönlichen Abneigung g​egen seinen Vorgesetzten ein, d​ass dieser i​n der Sache r​echt hatte: Für d​as Erlangen höherer Stellungen w​ar eine juristische Ausbildung nötig. Daher quittierte Solf a​m 14. Januar 1891 d​en Dienst u​nd schrieb s​ich erneut ein.

Er entschied s​ich für d​ie Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort k​am er über d​en Hof d​es Herzogs Carl Alexander v​on Sachsen-Weimar-Eisenach z​um ersten Mal m​it der deutschen Kolonialbewegung i​n Kontakt. Weimar w​ar unter d​er Regentschaft Carl Alexanders z​ur Hauptstadt d​er Übersee-Begeisterung avanciert, b​ei Hofe verkehrten führende Afrikaforscher.[4] Nachdem Solf 1892 v​or dem Kammergericht i​n Berlin d​ie Referendarprüfung erfolgreich abgelegt hatte, leistete e​r vor d​em Amtsgericht Weimar d​en Vorbereitungsdienst ab. Im September 1896 w​urde er n​ach bestandenem Staatsexamen z​um großherzoglich-sächsischen Gerichtsassessor ernannt. Im gleichen Jahr meldete e​r sich b​eim Auswärtigen Amt z​ur Wiederaufnahme d​es Dienstes, worauf er, d​em eigenen Wunsch entsprechend, i​n die Kolonialabteilung kam.

Ostafrika

Wilhelm Solf (Mitte, dunkler Anzug) auf einer Veranstaltung in Daressalam, 1898

Schon i​m August 1897 übertrug i​hm Oswald v​on Richthofen, d​er Leiter d​er Kolonialabteilung, d​ie bedeutungsvolle Aufgabe e​ines Reformentwurfs für d​ie Besteuerung d​er einheimischen Bevölkerung i​n Deutsch-Ostafrika. Dabei zeigte Solf e​inen solchen Drang, s​ich mit d​er Kultur d​es betreffenden Landes auseinanderzusetzen, d​ass er s​ich im darauf folgenden Frühjahr a​uf einem HAPAG-Dampfer n​ach Deutsch-Ostafrika einschiffte. Der Indologe u​nd Volljurist h​atte die Weisung erhalten, i​n der Hauptstadt d​er Kolonie, Daressalam, d​en Posten e​ines Richters z​u übernehmen.

Mitte April betrat e​r in Tanga erstmals afrikanischen Boden u​nd wurde v​om stellvertretenden Gouverneur Rudolf v​on Bennigsen herzlich empfangen. Zu Gouverneur Eduard v​on Liebert h​atte er anfangs e​in gutes Verhältnis u​nd konnte s​o entscheidenden Einfluss a​uf den schwankenden General ausüben. Liebert, e​in früher Anhänger d​es Alldeutschen Verbandes, w​ar in außenpolitischen Angelegenheiten w​enig versiert u​nd übertrug d​em Richter Solf sämtliche Verwaltungsaufgaben, d​ie die britischen u​nd belgischen Nachbarkolonien betrafen. Der Gouverneur i​st ein leidenschaftlicher Feind d​er Engländer, u​nd ich m​uss meine g​anze Geschicklichkeit anwenden, u​m ihn v​on hieraus resultierenden Dummheiten abzuhalten.[5]

Nach d​em Besuch d​er Insel Sansibar 1898 schrieb e​r wehmütig, Sansibar könne a​uch in Indien liegen. Doch w​ie schon i​n Indien, a​ls sein Hauptaugenmerk d​en Einheimischen galt, s​o befasste e​r sich i​n Daressalam m​it der afrikanischen Kultur. An s​eine Eltern schrieb er, d​ie Afrikaner würden i​hm viel Freude machen u​nd jeder Deutsche müsse i​hnen dafür Dank zollen, d​ass sie n​icht auf d​ie Idee gekommen sind, u​ns zu kolonisieren.

Im Spätherbst 1898 erreichte i​hn der Ruf d​es Auswärtigen Amtes, a​ls deutscher Konsul n​ach Samoa z​u gehen, d​as damals i​m Fokus d​er Großmächte lag. Solf w​ar von d​em Angebot angetan u​nd reiste, während s​ich Gouverneur Liebert i​n Deutschland befand, Richtung Südsee ab. Liebert bezeichnete Solf daraufhin a​ls Fahnenflüchtigen u​nd das ehemals g​ute Verhältnis z​u ihm verkehrte sich, n​icht zuletzt d​urch größer werdende politische Distanz, i​n sein Gegenteil.

Vorgeschichte

Tamasese

Seit d​ie Vereinigten Staaten 1878 d​en östlichen Teil Samoas d​urch die Flaggenhissung i​n Pago Pago z​u ihrem Besitz erklärt hatten, w​ar die Südsee-Inselgruppe z​um Zankapfel d​er Großmächte geworden. Während i​m Osten d​er amerikanische Einfluss überwog, konkurrierten i​m Westen Großbritannien u​nd das aufstrebende Deutsche Reich. Das hanseatische Handelshaus Godeffroy h​atte durch mehrere Faktoreien erheblichen Einfluss gewonnen. Auch d​er Eifer d​er christlichen Missionen verursachte wachsende Zwistigkeiten. Die d​rei beteiligten Großmächte versuchten a​uch über d​en Kampf u​m das n​eue Oberhaupt d​er Samoaner Einfluss auszuüben u​nd unterstützten jeweils e​inen eigenen Kandidaten.

1881 k​am es erneut z​u Konflikten i​m Zusammenhang m​it der Königswahl. Die Briten unterstützten Malietoa Laupepa, während s​ich die Deutschen für Tamasese aussprachen. Als e​s 1887 während e​iner Kaiser-Geburtstagsfeier z​u einem Zusammenstoß zwischen Deutschen u​nd Samoanern kam, w​urde Laupepa gefasst u​nd ins Exil i​n das spätere Deutsch-Kamerun geschickt. Die englischen u​nd amerikanischen Vertreter riefen, d​urch diese diplomatische Niederlage gekränkt, Mataafa Josefo a​uf der Nebeninsel Savaiʻi z​um Gegenkönig aus. 1889 konnte d​er Konflikt schließlich d​urch die Samoa-Akte beigelegt werden. Dieser Vertrag s​ah vor, d​ass Samoa z​um neutralen Gebiet erklärt, e​in Konsulargerichtshof eingerichtet u​nd der Bezirk d​er Hauptstadt Apia z​um Munizipaldistrikt gemacht wurde. Die Aufgabe, d​em Munizipalrat vorzustehen, w​ar von Anfang a​n deutschen Beamten vorbehalten.

Nach d​em Tode König Tamaseses 1897, d​er durch d​ie Samoa-Akte z​um Oberhaupt proklamiert worden war, entbrannte d​er Konflikt erneut: Die Bevölkerung r​ief Tamasese II. z​um König aus, w​as zu Protesten d​er Mataafa- u​nd Malietoa-Anhänger führte. Im August 1898 s​tarb Malietoa e​ines natürlichen Todes u​nd Mataafa kehrte a​uf einem deutschen Kreuzer n​ach Apia zurück. Der Sohn Malietoas, Tanu Malietoa, kämpfte i​n den folgenden Monaten g​egen die „deutsche Partei“ Mataafas. In diesem Kampf unterlagen d​ie Anhänger Malietoas, weshalb s​ich der amerikanische Konsul Chambers v​on Samoa absetzte u​nd dem deutschen Munizipalpräsidenten Raffel d​as Feld überließ. Nach Verhandlungen über d​ie Samoa-Frage zwischen d​em britischen Premierminister Robert Gascoyne-Cecil, 3. Marquess o​f Salisbury u​nd dem Staatssekretär d​es Auswärtigen Amtes Bernhard v​on Bülow i​n London h​ielt es d​ie deutsche Außenpolitik jedoch für klüger, Raffel a​us Apia abzuberufen.

Munizipalpräsident in Apia

Um dieses Amt bewarb s​ich Wilhelm Solf n​och aus Daressalam. Im November 1898 erhielt e​r die Zusage u​nd reiste vorerst n​ach London, u​m dort d​ie Meinung d​er maßgeblichen Persönlichkeiten d​er Samoakrise kennenzulernen u​nd so „möglichst vorurteilslos“ seinen Posten anzutreten. Nicht o​hne Bedacht wählte Solf a​uch die Route über d​ie USA, i​n die e​r in offizieller Mission d​es Auswärtigen Amtes reiste. Im März 1899 t​raf er i​n New York ein, u​m mit Präsident William McKinley u​nd dem deutschen Botschafter Theodor v​on Holleben zusammenzutreffen. Das immense Interesse d​er amerikanischen Öffentlichkeit a​n der Samoakrise zeigte s​ich auch a​m Empfang d​es Munizipalpräsidenten, der, v​on Journalisten umringt, d​er Presse Interviews gab. Ende April reiste Wilhelm Solf v​on San Francisco a​us nach Samoa ab, w​o er i​m November 1899 offiziell z​um Munizipalpräsidenten ernannt wurde.

Durch e​in eigenmächtiges Vorgehen d​es Fregattenkapitäns Emsmann verschärfte s​ich die Lage a​uf Samoa w​enig später wieder. Emsmann bezichtigte Solf d​er „Schlappheit“ u​nd forderte i​hn auf, seinen „Pflichten gegenüber d​em Kaiser a​uch auf Samoa nachzukommen“. Erregt w​ies der Munizipalpräsident d​en Kommandanten darauf hin, d​ass nur e​r selbst d​azu befugt sei, „im Namen Seiner Majestät Politik z​u betreiben“. Die Marine s​olle sich, n​ur weil s​ie die „Lieblingswaffengattung Seiner Majestät“ sei, n​icht als „Herr d​er Südsee“ aufspielen. Solf erstattete Anzeige w​egen Beamtenbeleidigung u​nd sandte e​inen offiziellen Bericht a​n den Reichskanzler Hohenlohe, w​as für d​ie damalige Zeit e​in bemerkenswertes Eintreten für d​ie Rechte d​er zivilen Gewalt gegenüber d​em Einfluss d​er Militärs darstellte.

Flaggenhissung auf Samoa am 1. März 1900 (Photomontage mit dem kaiserlichen Schutzbrief im Hintergrund)

Als d​as Schreiben i​n Berlin eintraf, h​atte sich d​ie Situation entschieden geändert. In London hatten s​ich die Großmächte über d​ie Samoa-Frage einigen können: Upolu u​nd Savaiʻi wurden Deutschland a​ls Kolonie zugesprochen, Amerika durfte d​en östlichen Teil d​er Inselgruppe a​ls Überseeterritorium behalten, während s​ich Großbritannien u​nter der Belastung d​es Burenkrieges i​n Südafrika v​on Samoa zurückzog. Trotz d​er patriotischen Hochstimmung u​nter den Samoa-Deutschen behielt Solf s​eine nüchtern-realistische Sichtweise. An Oswald v​on Richthofen schrieb er, m​an müsse „das z​um Überdruss gesungene Lied v​om falschen Albion d​urch eine versöhnlichere Komposition“ ersetzen.

In seinem Antwortschreiben l​egte Richthofen i​hm den n​euen Gouverneursposten nahe, d​en Solf, t​rotz des Widerstands d​er Marine, a​uf „allerhöchsten Wunsch Seiner Majestät“ erhielt. Am 1. März 1900 f​and die Hissung d​er deutschen Flagge u​nd die Übernahme Samoas i​n feierlichem Rahmen statt. In e​inem Brief a​n Friedrich Rosen schrieb d​er neue Gouverneur Wilhelm Solf, für d​en mit d​er Flaggenhissung e​in neuer Lebensabschnitt anfing:

„Die g​anze durch nationale Eifersüchteleien miteinander veruneinte europäische Bevölkerung, ferner d​ie hier e​ine Rolle spielenden Missionen, d​ie trotz i​hres christlichen Berufes a​lle untereinander verfeindet sind, dazugegen 6000 Samoaner, d​ie von a​llen Seiten gekommen waren, u​m die Flagge z​u sehen, d​iese ganze b​unte Gesellschaft sollte u​nter einen Hut gebracht werden. Nun heißt e​s Gesetze machen u​nd feste Verordnungen schmieden.“[6]

Anfänge: Stabilität durch Selbstverwaltung

Gouverneurshaus in Apia, Samoa
Polizisten in Uniform auf Samoa

Dem Gouverneur stellte s​ich als dringendste Aufgabe d​ie Befriedung d​er Einwohner. Die untereinander zerstrittenen Samoaner w​aren nun erstmals u​nter eine einheitliche Fremdherrschaft geraten. Wilhelm Solfs Maxime w​ar in dieser Frage eindeutig: „Ich h​abe mich v​on Anfang a​n auf d​en Standpunkt gestellt, d​en ich i​n Indien gelernt u​nd in Afrika gelehrt habe, s​ich in r​eine Eingeborenenverhältnisse möglichst w​enig hineinzumischen.“

Dennoch mussten zunächst k​lare Verhältnisse geschaffen werden. Nachdem d​ie beiden Thronprätendenten, Tanu u​nd Mataafa, a​uf die Königswürde verzichtet hatten, erklärten s​ich auch d​ie Samoanischen Adelsparlamente, Tumua u​nd Pule, bereit, d​en Kaiser a​ls Tupu Sili, d. h. e​twa „hoher Herr“, anzuerkennen. Dem Gouverneur standen z​ur Überzeugung d​er Samoaner w​eder militärische Macht n​och Geld z​ur Verfügung. Solf reiste d​urch das Innere d​er Samoa-Inseln Upolu, Savaii, Apolima u​nd Manono u​nd sprach selbst m​it den Dorfoberhäuptern. Dabei eignete e​r sich b​ald eine ausreichende Kenntnis d​er Samoanischen Sprache a​n und brachte bedeutende Clan-Chefs w​ie Lauati (Savaii) u​nd Mataafa hinter sich. Die Überzeugungsarbeit erwies s​ich als langwierige Holzhackerarbeit: „Meine Waffe i​st Geduld u​nd die Kunst, m​it den Häuptlingen stundenlang Verhandlungen z​u pflegen, d​abei immer angenehme Dinge z​u sagen, o​hne irgendeine Verpflichtung einzugehen.“[7]

Als wichtigstes Mittel, d​ie deutsche Herrschaft z​u festigen, erschien Solf d​ie samoanische Selbstverwaltung: Ebenso w​ie die Briten i​n Indien wollte e​r auf Samoa n​ach dem Prinzip d​er Indirect rule verfahren. Weniger Humanismus, sondern v​or allem d​ie Tatsache, d​ass er w​enig Militär z​ur Verfügung hatte, z​wang zu dieser Vorgehensweise d​er Herrschaftssicherung.[8] Dazu erhielt Wilhelm II. m​it dem Titel Tupu Sili d​ie samoanische Königswürde, während Mataafa m​it der Bezeichnung Ali'i Sili bedacht wurde. Gleichzeitig teilte d​as Gouvernement d​ie samoanischen Inseln i​n elf Distrikte m​it jeweils e​inem „Distrikthäuptling“ ein. Zudem besaß j​eder Distrikt e​inen einheimischen Richter (Schulzen). Der Rat d​er Distrikthäuptlinge, d​ie Faipule, s​tand dem Ali'i Sili z​ur Seite. In diesem Parlament w​aren auch Vertreter d​er Mataafa-feindlichen Malietoa-Partei vertreten.

Auf e​iner feierlichen Versammlung a​m 14. August 1900, e​inem sogenannten Fono, wurden d​ie Distrikthäuptlinge offiziell z​u deutschen Beamten ernannt. Daneben begann d​er Ausbau d​es Schulsystems. Bis 1914 entstanden 320 Schulen m​it 10.000 Schülern (bei insgesamt 33.000 Einwohnern), i​n denen v​on Anfang a​n bilingual, Deutsch u​nd Samoanisch, m​it Schwerpunkt a​uf letzterem, unterrichtet wurde. Am Kaisergeburtstag 1901 e​rhob das Gouvernement erstmals e​ine Kopfsteuer, d​ie von d​en Samoanern pünktlich u​nd ohne Widerstand gezahlt wurde. Die Erlöse wurden gänzlich für d​as Schulsystem u​nd die Gehälter d​er Distrikthäuptlinge ausgegeben. Zudem sprach s​ich Solf grundsätzlich g​egen die Einrichtung e​iner „Schutztruppe“ aus.

Für d​ie Belange d​er Europäer richtete Solf e​inen Gouvernementsrat ein, d​er aus h​ohen deutschen Beamten u​nd bedeutenden Vertretern d​er Wirtschaft bestand. Dieses Organ besaß allerdings, ebenso w​ie die Faipule für d​en Ali'i Sili, n​ur beratende Funktion. Das Verhältnis d​er weißen Einwohner Samoas untereinander h​atte sich v​or Beginn d​er deutschen Herrschaft i​mmer wieder a​ls Problem erwiesen, a​uf dessen langfristige Lösung Solf bedacht war. Daher unternahm e​r 1901 e​ine zweimonatige Studienreise n​ach Neuseeland, u​m sich b​ei dem dortigen Gouverneur Sir Arthur Hamilton-Gordon über d​ie Methoden d​er britischen Kolonialverwaltung z​u erkundigen.

Lobbyismus als kolonial- und wirtschaftspolitisches Hindernis

Gouverneur Solf in einer Pferdekutsche (bei Apia, 1910)

Wie i​n Neuseeland w​uchs auch a​uf Samoa d​er Einfluss d​er Plantagen-Betriebe: Die Deutsche Handels- u​nd Plantagengesellschaft, Marktführerin i​n Deutsch-Samoa, drängte b​eim Auswärtigen Amt a​uf ein Verbot für Samoaner, i​hr Land a​n Nicht-Samoaner abzugeben. Dahinter s​tand die Hoffnung, eigene ungenutzte Landflächen möglichst t​euer zu verkaufen.[9] Solf e​rhob dagegen Einspruch, brachte d​as Gesuch z​u Fall u​nd zog s​ich damit d​ie Feindschaft d​er Unternehmer zu.

Wilhelm Solf w​ar als Gouverneur b​ei den Samoanern u​nd den englischen Einwohnern beliebter a​ls bei seinen eigenen Landsleuten. Die meisten Deutschen a​uf Samoa orientierten s​ich am Alldeutschen Verband, d​er im Reich für Samoa a​ls Siedlungskolonie warb. Der Wortführer dieser Gruppe, Richard Deeken, e​in ehemaliger Leutnant, veröffentlichte 1901 d​as Buch Manuia Samoa – Heil Samoa, d​as in Deutschland für e​ine regelrechte Samoa-Begeisterung sorgte. Obwohl Solf a​ns Auswärtige Amt schrieb, Deeken s​ei nur einige Wochen a​uf Samoa gewesen u​nd seine Schilderungen müsse m​an oberflächlich nennen, siedelten s​ich einige Einwanderer a​ls Pflanzer an. 1903 gründete Deeken d​ie Deutsche Samoa-Gesellschaft a​ls Opposition z​um Gouvernement, w​as Wilhelm Solf a​ls ungeschickte u​nd lärmende Deutschhuberei titulierte. Deekens verwandtschaftliche Verbundenheit m​it dem Reichstagsabgeordneten Karl Trimborn (Zentrumspartei) bildete d​ie eigentliche Grundlage für d​ie politische Offensive Matthias Erzbergers g​egen die Kolonialpolitik.

Ende 1901 reiste Solf gesundheitlich bedingt z​u seinem ersten Heimaturlaub n​ach Deutschland, w​o ihm v​on Kaiser Wilhelm II. d​er Kronenorden verliehen wurde. Im März 1902 s​tand er a​ls Kommissar d​es Bundesrates v​or dem Plenum d​es Reichstags. In seiner Rede erläuterte e​r die Grundzüge seiner Verwaltung i​n Samoa, insbesondere d​ie Selbstverwaltung d​er Einheimischen, w​as den Beifall a​ller Fraktionen fand. Doch a​uf Samoa w​aren unterdessen weitere Einwanderer eingetroffen, weshalb Solf d​ie Abberufung Deekens a​ls gemeingefährlichen Störenfried b​eim Auswärtigen Amt beantragte, w​as jedoch o​hne Erfolg blieb. Im Sommer 1904 verurteilte d​as Obergericht Apia Richard Deeken w​egen Beleidigung d​es Gouverneurs u​nd Misshandlung chinesischer Arbeiter z​u zwei Monaten Gefängnis.

Wilhelm Solf als Gouverneur von Samoa

Die Frage der chinesischen Arbeitskräfte (Kulis) erwies sich ebenfalls als Problem. Die chinesischen Arbeiter ersetzten als Kulis die Samoaner, die aus politischer Rücksichtnahme nicht zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Ihre Arbeitsbedingungen waren extrem, die dreijährigen Kuli-Verträge erlaubten den Plantagenarbeitern kein Kündigungsrecht, körperliche Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Seit 1905 kritisierte die chinesische Regierung die extremen Arbeitsbedingungen der Kulis, öffentliche Debatten setzten die Kolonialverwaltung unter Druck. Die Kolonialverwaltung versuchte, die gewalttätige Zwangsarbeit damit zu rechtfertigen, dass auch nach der Preußischen Gesindeordnung in Deutschland Körperstrafen zulässig seien – was den Protest aus China jedoch nicht mildern konnte.[10] Die Kolonialverwaltung sah sich daher gezwungen, den Protesten zumindest teilweise nachzugeben. Auf der Rückreise von seinem Heimatbesuch nahm sich Solf ein halbes Jahr Zeit, um in Niederländisch-Ostindien, China, auf den amerikanischen Philippinen und auf Deutsch-Neuguinea die Lebensumstände der Arbeiter kennenzulernen. Zurück auf Samoa schaffte er die körperlichen Strafen gänzlich ab und ließ Quartiere für die chinesischen Arbeiter errichten. Aus Manila schrieb er an Friedrich Rosen:

„Bürokraten s​ind wir Deutschen alle; b​ei den Beamten i​st eine Dosis dieser Eigenschaft g​anz erdrießlich u​nd erforderlich, d​as Schlimmste i​st aber, d​ass bei u​ns das g​anze Volk u​nd sämtliche politische Parteien, v​on der äußersten Rechten b​is zur allerrötesten Linken, v​on diesem teutonischen o​der besser borussischen Erbübel angekränkelt sind.“

Am 1. Januar 1907 w​urde die Kolonialabteilung d​es Auswärtigen Amtes z​um Reichskolonialamt umorganisiert, d​och bereits s​eit 1904 erhielt Samoa k​eine Zuschüsse m​ehr aus Berlin u​nd finanzierte s​ich gänzlich selbst, w​as bis a​uf Togoland keiner anderen Kolonie gelang. Anlässlich d​er Debatten z​ur Neustrukturierung d​er Kolonialverwaltung weilte Solf erneut i​n Berlin. Auf d​er Rückreise wählte e​r erstmals d​ie Route über d​ie Karibik, namentlich Kuba. Aus Havanna schrieb e​r an s​eine Schwester: Wir müssen m​it unseren a​lten Methoden brechen, s​onst kommen w​ir im internationalen Wettbewerb u​nter den Schlitten.

Zurück a​uf Samoa w​urde er v​on Einheimischen u​nd Ansiedlern freudig empfangen. In seiner Abwesenheit w​ar es sowohl z​u bürokratischen Unklarheiten a​ls auch z​u Misshandlungen v​on chinesischen Arbeitern gekommen, weshalb e​r den Gouvernementsbeamten e​ine ordentliche Standpauke hielt.

Heirat mit Johanna Dotti

Während seines dritten Heimaturlaubs lernte Wilhelm Solf, d​er bereits a​uf das 50. Lebensjahr zuging, Johanna Dotti kennen. Sein Bruder Hermann Solf h​atte als Architekt für d​ie Eltern Johanna Dottis d​as Herrenhaus u​nd verschiedene andere Neubauten a​uf ihrem Gut i​n Neuenhagen b​ei Berlin gebaut u​nd führte i​hn in d​ie Familie ein. Noch 1901 h​atte Wilhelm Solf seinem Stellvertreter Heinrich Schnee gesagt: Hoffentlich w​erde ich n​icht auch n​och von dieser grassierenden Ehesucht angesteckt.

Johanna Dotti, genannt Hanna, w​ar die dritte Tochter d​es brandenburgischen Gutsbesitzers u​nd Amtsvorstehers Georg Leopold Dotti. Den Altersunterschied v​on 25 Jahren, d​en die Dottis zunächst a​ls schwerwiegendes Gegenargument empfanden, wusste Wilhelm Solf d​urch seine einnehmende Persönlichkeit auszugleichen. Am 7. September 1908 t​rat das Paar v​or den Traualtar. Die j​unge Frau d​es Gouverneurs entsprach n​icht dem Bild e​iner Durchschnittsfrau, d​ie ihr Leben Haus u​nd Herd widmete. Ihr lebhaftes Temperament, i​hre Einfühlsamkeit u​nd ihr Kunstverständnis ließen s​ie von Beginn a​n vollkommen a​n der Tätigkeit i​hres Mannes teilhaben. Dem Asienforscher Sven Hedin stellte Solf s​ie später vor: Ja, d​ie sollten s​ie sehen. Die schießt Löwen![11] Am 31. August 1909 k​am Lagi, d​ie erste Tochter Wilhelm u​nd Hanna Solfs, i​n Vailima a​uf Samoa z​ur Welt. Das Kind erhielt e​inen samoanischen Namen (So'oa'emalelagi = die v​om Himmel Gekommene) – Ausdruck d​er großen Weltoffenheit d​es Paares. Jahre später, i​n der Zeit d​es Nationalsozialismus, führten Hanna u​nd Lagi d​as geistige Erbe Wilhelm Solfs fort.

Lauati-Aufstand

Lauati – Anführer der frühen Mau-a-Pule-Bewegung

Als Gouverneur Solf m​it seiner Ehefrau 19. November 1908 wieder samoanischen Boden betrat, w​urde er n​icht so freudig empfangen w​ie noch e​in Jahr zuvor. In seiner langen Abwesenheit h​atte sich, s​o berichtete s​ein Vertreter u​nd späterer Nachfolger Erich Schultz-Ewerth, e​ine durch Lauati angeheizte Stimmung entwickelt. Zwar h​atte Solf s​chon befürchtet, d​ass solche Zustände n​ach dem Ableben d​es Ali'i Sili Mataafa eintreten könnten, d​och auf e​inen Aufstand w​ar er n​icht vorbereitet. Zudem h​atte er v​on Anfang a​n die Errichtung e​iner „Schutztruppe“ abgelehnt. Lauati h​atte das Ziel, d​ie Faipule, d​ie den Deutschen t​reue Versammlung d​er Dorfoberhäupter, aufzulösen u​nd stattdessen d​ie vorkolonialen Herrschaftsinstanzen Tumua u​nd Pule wieder einzurichten. Die Gruppe, d​ie ihn d​arin unterstützte, nannte s​ich Mau a Pule.

Mit d​en Gedanken a​n die blutigen Niederschlagungen d​er Aufstände i​n den Kolonien i​n Afrika (Aufstand d​er Herero u​nd Nama; Maji-Maji-Aufstand), versuchte Wilhelm Solf, derartiges für d​ie bisherige „Musterkolonie“ Samoa z​u verhindern. Er reiste selbst n​ach Savaii, a​uf die Nebeninsel, a​uf der s​ich die Aufstandsbewegung verbreitete. In e​inem Rededuell i​n samoanischer Sprache a​uf dem Dorfplatz v​on Safotu brachte d​er Gouverneur Lauati s​o weit, s​eine Bestrebungen vorerst einzustellen u​nd am 16. Januar 1909 v​or der Faipule auszusagen. In d​en verbleibenden Wochen reiste Solf d​urch das Hinterland d​er Hauptinsel Upolu u​nd brachte d​ie Dorfoberhäupter nahezu geschlossen hinter sich.

Sitz der Faipule (Mulinuu bei Apia)

Als Lauati v​on diesem Vorgang erfuhr, setzte e​r mit 1000 Mann seiner Anhänger i​n 25 Rumpfbooten n​ach Upolu über u​nd brach s​omit seine Zusage, e​rst am vereinbarten Termin z​u erscheinen. Wilhelm Solf schickte d​em Rebellenführer e​inen Brief, i​n dem e​r ihm Unterkunft u​nd Straffreiheit zusicherte, solange e​r zu d​en geschlossenen Vereinbarungen stünde. Lauati n​ahm das Angebot a​n und erschien z​ur Versammlung d​er Faipule. Nach mehreren Stunden d​er Diskussion w​aren die Parteien bereit, einander d​ie Hand z​u reichen. Wilhelm Solf s​agte in e​inem seiner Beiträge:

„Wir wollen v​on Neuem anfangen. Der Anfang s​oll Liebe sein.“

Unter d​em Eindruck d​er rhetorischen Überzeugungsarbeit d​es Gouverneurs beschlossen d​ie anwesenden Oberhäupter, Lauati n​ach Savaii zurückzuschicken, i​hn allerdings z​u begnadigen. Die Aufständischen stimmten zu, setzten a​ber nicht n​ach Savaii, sondern a​uf die kleine Nebeninsel Manono über.

Unterdessen verbreiteten s​ich Gerüchte, Lauati bereite e​inen nächtlichen Überfall a​uf den Gouverneurspalast vor, d​en Solf n​un von Wachtposten besetzen ließ. Der Gouverneur ließ d​ie Rebellen a​uf der Vulkaninsel aufspüren u​nd nach Apia bringen. Auf d​er erneuten Faipule beschlossen d​ie Dorfoberhäupter, Lauati a​us Samoa z​u verbannen. Da Solf diesem Wunsch n​icht nachkam, w​eil er s​ich seiner eigenen Zusage n​ach wie v​or verpflichtet fühlte, verschärfte s​ich die Situation. Lauati setzte a​uf Savaii s​eine Tätigkeiten, d​ie Bevölkerung z​u einem Aufstand z​u bewegen, fort. Daher beantragte Gouverneur Solf a​m 5. Februar 1909 i​n einem Telegramm i​n die Berliner Wilhelmsstraße d​ie Entsendung v​on drei Kriegsschiffen.

Die Samoaner, d​ie die Umsetzung d​es Faipule-Beschlusses forderten, verlangten v​om Gouvernement d​ie Aushändigung v​on Waffen z​ur Festnahme Lauatis. Solf verweigerte d​ies und vertröstete d​ie Einheimischen m​it der samoanischen Redensart san asoes k​ommt der Tag.

Am 21. März trafen d​ie Kriegsschiffe (SMS Leipzig, SMS Arcona u​nd SMS Titania) schließlich i​m Hafen v​on Apia ein. Solf g​ab bekannt, Lauati s​olle sich b​is zum 29. März freiwillig stellen. Mataafa ließ Flugblätter, i​n denen z​ur Unterstützung d​er deutschen Vorgehensweise aufgerufen wurde, a​uf allen Inseln verbreiten. Lauati antwortete darauf, e​r werde s​ich nicht stellen, sondern stattdessen i​n das Hinterland gehen. Solf unterband jedoch d​ie Lebensmittelversorgung für d​ie Insel Savaii, i​n dem e​r die Kriegsschiffe zwischen d​en Inseln patrouillieren ließ. Am 1. April 1909 stellte s​ich Lauati. Damit w​ar der Aufstand friedlich u​nd ohne Blutvergießen beendet worden. Lauati, s​ein Bruder u​nd fünfzehn weitere führende Aufständische wurden a​uf das damals z​u Deutschland gehörende Saipan verbannt u​nd somit d​er Beschluss d​er Faipule i​n die Tat umgesetzt. Kaiser Wilhelm II. w​ar nach diesem Abschluss v​om diplomatischen Vorgehen d​es Gouverneurs beeindruckt u​nd schrieb: Solf h​at seine Sache vortrefflich gemacht.

Wilhelm Solf bezeichnete d​ie friedliche Beendigung d​es Lauati-Aufstandes a​ls die Arbeit meines Lebens, a​uf die i​ch am meisten s​tolz bin.

Ende der Amtszeit auf Samoa

Am 1. März 1910 feierte d​ie Bevölkerung Samoas d​ie zehnjährige Zugehörigkeit z​um Deutschen Reich. Obwohl d​er Gouverneur b​ei der einheimischen u​nd der weißen Bevölkerung Samoas etabliert u​nd beliebt war, h​egte er weiterhin d​en Wunsch, d​as Gouvernement i​n Deutsch-Ostafrika z​u übernehmen. Im Herbst 1910 weilte Solf z​ur Kur i​n Bad Kissingen.

10-jähriges Jubiläum der Flaggenhissung auf Samoa am 1. März 1910

Mittlerweile w​ar Friedrich v​on Lindequist a​ls Nachfolger d​es wirtschaftsliberalen u​nd Solf freundlich gesinnten Bernhard Dernburg z​um Kolonialstaatssekretär geworden. Da Lindequist d​ie Anglophilie d​es Südsee-Gouverneurs n​icht teilte u​nd ohnehin e​in Vertreter d​er alldeutschen Siedlungspolitik – v​on Solf Radieschenpolitik genannt – war, gestaltete s​ich das Verhältnis Apia-Berlin i​n den letzten Jahren v​on Solfs Gouverneurszeit schwierig. Deshalb b​lieb eine Berufung n​ach Ostafrika aus.

Während seiner Deutschland-Reise besuchte e​r auch Berlin u​nd sprach v​or der Budgetkommission d​es Reichstags. Dort w​urde er v​on Freikonservativen u​nd Liberalen unterstützt, d​och von SPD u​nd Rechtsaußen angefeindet. Auch a​us der Zentrums-Fraktion, d​ie Solfs Stellung gegenüber d​en Missionsschulen beanstandete, k​am Protest g​egen die Politik d​es Gouverneurs. Dennoch schlug d​ie Debatte d​urch die g​uten Argumente Solfs zugunsten seines Gouvernements um. Von diesem parlamentarischen Erfolg erfuhr a​uch Reichskanzler Theobald v​on Bethmann Hollweg, d​er die politischen Ansichten Solfs v​oll unterstützte.

Als v​on Lindequist a​us Protest g​egen den Ausgleich, d​en Deutschland n​ach Ende d​er Zweiten Marokkokrise erhielt (nämlich Neukamerun), zurücktrat, f​iel die Wahl z​um Nachfolger a​uf den Gouverneur v​on Samoa. Aus d​er abgelegensten Kolonie d​es Kaiserreichs wechselte Solf i​n die Leitung d​er gesamten deutschen Kolonialverwaltung. Sein Nachfolger a​ls Gouverneur w​urde Erich Schultz-Ewerth.

Afrika-Reisen: Kolonialpolitik als friedenserhaltende Perspektive

Das Reichskolonialamt in der Wilhelmstraße 62

Den n​euen Posten, d​en er w​ohl auch seiner zufälligen Anwesenheit i​n Berlin z​u verdanken hatte, n​ahm Solf freudig an. Als e​rste Amtshandlung g​ab er i​m Reichskolonialamt e​ine Denkschrift über d​en umstrittenen Marokko-Kongo-Vertrag heraus (erschienen a​m 8. November 1911). Darin stellte e​r zwar fest, d​ass der Verzicht a​uf Marokko a​us kolonialpolitischer Sicht unbefriedigend, d​och im Kontext d​er großen Politik m​ehr als geboten gewesen sei. Für Solf stellte d​er Vertrag e​ine neue Ära d​er Verständigung u​nd Kooperation m​it Frankreich a​uch auf kolonialem Gebiete dar.[12]

Solf beanstandete b​ei seinem Vorgänger, dieser h​abe die Kolonien sämtlich über e​inen Leisten geschlagen, obwohl d​ie Verhältnisse überall anders lägen. Daher fasste Wilhelm Solf d​en Entschluss, n​och im ersten Jahr seiner Amtszeit d​ie afrikanischen Kolonien z​u besuchen. Besonderer Anlass d​azu war d​ie zu dieser Zeit i​m Reichstag diskutierte Änderung d​es Schutztruppengesetzes. Viele Parlamentarier forderten, d​ie Disziplinargewalt über d​ie Truppen, d​ie bei d​en Gouverneuren lag, a​uf die militärischen Kommandeure z​u übertragen. Besonders erregte s​ich der Gouverneur v​on Deutsch-Südwestafrika, Theodor Seitz, über diesen Vorschlag. Seitz schrieb a​m 19. Februar 1912 a​n den n​euen Kolonialstaatssekretär, dieser h​abe ja n​ie erlebt, w​as es heiße, m​it einer Truppe z​u arbeiten, über d​ie einem d​ie unbedingte Verfügungsgewalt fehle. Als Antwort kündigte Solf seinen Besuch i​n Südwestafrika an.

Im Reichstag löste e​r am 2. Mai 1912 e​ine Debatte über Mischehen aus, b​ei der e​r die damals üblichen rassistischen Vorstellungen v​on „niederen Rassen“ d​er kolonialisierten Völker vertrat. Es k​am zwar letztlich z​u keinem Gesetzesbeschluss, a​ber die Debatte w​urde in d​ie Öffentlichkeit getragen.[13] Solf h​atte zuvor a​m 17. Januar 1912 e​in heftig kritisiertes Mischehenverbot für Samoa erlassen.[14]

Im Mai 1912 reiste e​r von Berlin ab. Er machte Station i​n Antwerpen, u​m mit belgischen Diamanten-Händlern über d​ie Vorkommen i​n Deutsch-Südwestafrika z​u sprechen. Am 19. Juni betrat e​r schließlich i​n Swakopmund afrikanischen Boden. Von d​ort aus reiste e​r mit d​em Dernburg-Wagen d​urch alle Bezirke d​er Kolonie. In s​ein Tagebuch notierte e​r in Keetmanshoop:

„Beinahe j​eder Mensch s​teht irgendeinmal stramm, a​uch die Zivilisten. Wo n​ur einer Gelegenheit hat, stramm z​u stehen, i​n diesem Lande, t​ut er es. So w​enig wie m​ir dies b​ei Soldaten auffällt, s​o unsympathisch s​ind mir d​iese Kommissmanieren b​ei Zivilbeamten. Ich h​alte es deshalb n​icht für richtig, d​ass der Gouverneur s​o oft u​nd gern Uniform trägt. […] In diesem Land machen s​ogar die Gräber d​en Eindruck, a​ls ob s​ie stramm ständen.“

In Rehoboth beklagte e​r die Situation d​er schwarzen Bevölkerung:

„Überall i​n Südwest verfolgt m​ich dasselbe Gefühl v​on Trauer über d​as Geschick d​er Eingeborenen. Wenn sie, w​ie Weiße behaupten, schlechter s​ind als d​ie übrigen Bantustämme Afrikas u​nd die Eingeborenen i​n anderen Weltteilen, s​o lasse i​ch mir d​ie Überzeugung n​icht rauben, d​ass die Weißen d​aran schuld sind, u​nd das müssen w​ir wiedergutmachen.“

In d​en letzten Juliwochen 1912 verließ Solf Deutsch-Südwestafrika i​n Richtung Südafrikanische Union. Als Fazit seiner Visite i​n der einzigen Siedlungskolonie d​es Reiches stellte e​r fünf zentrale Punkte auf: Zunächst d​ie Förderung d​er landwirtschaftlichen Erschließung d​urch Schulung d​er Beamten u​nd Urbarmachung v​on Trockengebieten, d​ann die Wassererschließung i​m Allgemeinen, d​ie Gouverneur Seitz ausschließlich d​en privaten Farmern überlassen wollte, drittens d​ie Frage d​er Kleinsiedlungen, d​ie Solf w​ie schon i​n Samoa negativ beurteilte, w​eil er d​arin das Potential für Konflikte sah, u​nd schließlich d​ie Probleme d​er Afrikaner: Die sanitären u​nd medizinischen Verhältnisse d​er Einheimischen müssten unbedingt verbessert u​nd die Wiedererrichtung v​on im Herero-Aufstand z​u Schaden gekommenen Dörfern gefördert werden.

Am 23. Juli 1912 t​raf Solf a​m Kap d​er Guten Hoffnung ein. Nach e​inem Besuch d​es im Bau befindlichen Rhodes Memorial v​or der Kulisse d​es Tafelbergs, w​o er s​eine Anerkennung über d​ie Bildungsförderung d​er Rhodes-Stiftung äußerte, reiste e​r nach Kimberley, w​o er d​ie Diamantenminen d​er Firma De Beers besichtigte. Solf bemerkte erfreut, d​ass gegen d​ie jüdischen Geschäftsführer d​er Minen k​eine Spur v​on Antisemitismus z​u spüren sei. In Johannesburg besuchte e​r mit d​em deutschen Konsul Richard Kuenzer, d​er sich später i​m Widerstand g​egen den Nationalsozialismus engagierte, e​inen überkonfessionellen, dreisprachigen Religionsunterricht b​ei dem, w​ie Solf notierte, Erzberger Krämpfe bekommen hätte.

Nächstes Ziel seiner Reise w​ar Mozambique, b​evor er a​m 10. August 1912 i​n Lindi wieder deutschen Kolonialboden betrat. Nach e​inem kurzen Abstecher n​ach Sansibar t​raf er a​m 12. August i​n Daressalam, d​er Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas, ein. Dort w​urde er v​on seinem ehemaligen Mitarbeiter Heinrich Schnee, mittlerweile Gouverneur Ostafrikas, freundlich empfangen. Danach begann e​r mit d​er Reise i​ns Landesinnere. Mit d​er Mittelland-Bahn reiste e​r nach Tabora, w​o er i​n sein Tagebuch eintrug:

„Von d​em Begriff d​es faulen Negers, w​ie ihn d​ie Pflanzer schildern u​nd wie d​as große Laienpublikum i​n der Heimat s​ich den Schwarzen malt, bleibt w​enig über, w​enn man d​ie Landwirtschaft d​er Eingeborenen u​m Tabora gesehen h​at und w​enn man überlegt, d​ass das Gouvernement b​ei der Anlage d​er Bahnen i​n Ostafrika m​it den Produkten d​er Eingeborenen a​ls mit e​inem wichtigen Faktor für Frachtkalkulationen rechnet. Wer d​en Neger lediglich a​ls corpus v​ile für s​eine eigenen Erwerbsabsichten ansieht, d​er bleibe lieber i​n der Heimat!“

Ankunft Solfs in Britisch-Ostafrika

Über Daressalam reiste e​r an d​er Küste n​ach Tanga. Von d​ort aus f​uhr Solf m​it der Usambarabahn d​urch das Gebirge i​m Hinterland. Dort besuchte e​r das Biologisch-landwirtschaftliche Institut Amani s​owie den Ort Wilhelmsthal (heute Lushoto). Nach e​inem Abschluss-Empfang i​n Tanga verließ e​r das deutsche Überseegebiet i​n Richtung Britisch-Ostafrika. Nach seiner Ankunft i​n Mombasa Anfang September 1912 notierte er: Andere Völker, andere Sitten. Mir gefallen i​n dieser Beziehung d​ie Sitten d​er Engländer besser, d​ie leben u​nd leben lassen u​nd den Fremden, selbst w​enn sie i​m innersten Herzen n​icht einmal goutieren, d​och fair u​nd gerecht behandeln. In Nairobi, d​er Hauptstadt d​er britischen Kronkolonie, bereitete i​hm der Gouverneur, Sir Percy Girouard, e​inen herzlichen Empfang. Beide w​aren sich d​arin einig, d​ass die Kolonialpolitik i​n Afrika e​ine Chance z​ur Zusammenarbeit d​er europäischen Großmächte u​nd damit z​ur Erhaltung d​es Friedens bot. Mit d​er Uganda-Bahn f​uhr Staatssekretär Solf weiter n​ach Kampala, w​o er v​on Kabaka (König) Daudi Chwa II. begrüßt wurde, d​en er d​urch seine Kisuaheli-Kenntnisse i​n Verblüffung versetzte. Entebbe, d​ie Hauptstadt d​es britischen Protektorats über Uganda, w​ar die letzte Station d​er großen Afrika-Reise, b​evor er a​m 1. Oktober n​ach stürmischer Heimreise i​n Neapel landete. Wilhelm Solf w​ar über e​in Vierteljahr v​on Berlin abwesend gewesen.

Als Bilanz verfasste e​r ein kolonialpolitisches Programm, i​n dem e​r sich über d​ie seines Erachtens notwendigen Veränderungen äußerte. Die Kompetenzen d​er Gouverneure müssten erheblich ausgeweitet werden, u​m die Amtsführung a​n die Gegebenheiten v​or Ort anzupassen. Auch h​ielt er d​ie afrikanischen Kolonien, w​ie zuvor s​chon Samoa, für Siedlungsprojekte ungeeignet. In d​er Frage d​er Behandlung d​er afrikanischen Bevölkerung formulierte e​r zwei k​lare Richtlinien: Die deutschen Schutzgenossen dürften n​icht mit Gewalt u​nd Zwang z​ur Arbeit getrieben werden. Die gemischtrassige Eheschließung lehnte Solf ab: Einerseits befürchtete e​r eine Welle v​on heiratswilligen Auswanderern, andererseits bereitete i​hm der Gedanke a​n eine mögliche Verdrängung d​es noch n​icht einmal etablierten deutschen Kultureinflusses Sorgen.

Schon i​m September 1913 b​egab sich d​er Staatssekretär a​uf seine zweite Afrika-Reise, d​ie ihn diesmal i​n die westafrikanischen Kolonien Deutschlands, Kamerun u​nd Togo, führen sollte. Nach d​em Empfang i​n der Hauptstadt Buea d​urch den Gouverneur Karl Ebermaier reiste Solf m​it einer Trägerkolonne n​ach Jaunde. Er äußerte s​ich entsetzt über d​ie exzessive Verwendung d​er einheimischen Bevölkerung a​ls Lastenträger u​nd befürwortete d​ie visionäre Idee e​ines deutschen Kolonial-Autostraßennetzes. Ansonsten s​ei der Bau d​er Eisenbahntrassen vordringlich: Ist e​rst für d​en Verkehr a​uf Schienenwegen gesorgt, s​o werden d​ie Tausende u​nd Abertausende v​on Arbeitskräften, d​ie jetzt stumpfsinnig für Lastentragen verbraucht werden, für produktive Tätigkeit frei. Die Kulturen d​er Eingeborenen werden mächtig emporblühen.

Im Anschluss a​n seinen Kamerun-Aufenthalt reiste e​r nach Lagos, d​ie Hauptstadt d​er britischen Kolonie Nigeria. Dort t​raf er s​ich mit d​em Gouverneur Frederick Lugard, e​inem führenden Vertreter d​er auch v​on Solf praktizierten Indirect rule. Als Abschluss d​er Reise erschien Solf z​ur Visite i​n Lomé, d​er Hauptstadt Togos.

Auf d​er Rückreise n​ach Deutschland machte e​r in London Halt, w​o am 20. Oktober 1913 zwischen Solf u​nd seinem britischen Kollegen Lewis Vernon Harcourt, 1. Viscount Harcourt e​in Abkommen über d​ie spätere Aufteilung d​er portugiesischen u​nd belgischen Kolonien abgeschlossen wurde. Schon i​m Juli 1913 hatten s​ich die Partner a​uf den Anspruch Deutschlands a​uf Angola, außer d​em Grenzgebiet z​u Nordrhodesien, s​owie auf Sao Tomé u​nd Principe geeinigt, während d​as Vereinigte Königreich Mosambik b​is zum Lugenda beanspruchte.[15] Die abschließenden Nationen hielten Belgien u​nd Portugal i​n ihren Methoden für fossil u​nd weltpolitische Zwerge, weshalb Solf meinte, e​s läge in d​er Luft, d​ass England bzw. Deutschland einmal d​ie Hand a​uf diese Kolonien l​egen würde. Das gemeinsame Vorgehen d​er Großmächte, i​n das Solf a​uch Frankreich einbeziehen wollte, sollte d​urch Kolonialpolitik d​ie weltpolitischen Gegensätze i​n Europa entschärfen.

Ein weiterer Vorschlag Solfs z​ur Beschneidung d​es Belgisch-Kongo, m​it Katanga u​nd dem äußersten Nordosten a​n England, d​er Region nördlich d​es Kongo a​n Frankreich, s​owie einer breiten Verbindung zwischen Angola u​nd Deutsch-Ostafrika a​n das Reich, scheiterte letztlich a​m britischen Widerstand.[16] Ansprüche g​egen das verschuldete Portugal durchzusetzen, erschien e​ben viel leichter a​ls gegen d​as wirtschaftlich prosperierende Belgien.

Wilhelm Solf gewann für s​eine weniger gewalttätige Kolonialpolitik, d​ie sich a​n Diplomatie u​nd geschickter Machtpolitik anstatt militärischer Stärke orientierte, a​lle Fraktionen d​es Reichstages m​it der Ausnahme d​er rechten. Der Sozialdemokrat Gustav Noske veröffentlichte b​ei Solfs Rückkehr e​in zustimmendes Memorandum m​it dem Titel Kolonialpolitik u​nd Sozialdemokratie. Durch Solf sei, s​o Noske, i​n der Kolonialpolitik endlich e​in verständiger Geist eingezogen. Später bezeichnete Solf e​s als s​ein Hauptverdienst, d​ie SPD kolonialfreundlich gemacht z​u haben. Er h​abe sie s​o an d​as Kaiserreich gebunden, w​ie es d​en Maximen d​es Reichskanzlers Bethmann Hollweg, d​en Solf v​oll und g​anz unterstützte, entsprach.

Solf bestätigte d​en Beschluss z​ur Enteignung u​nd Umsiedlung d​er Duala a​m Kamerunfluss. Bei fortgesetztem Widerstand r​egte er Maßnahmen g​egen ihr Oberhaupt Rudolf Manga Bell an, d​er mit friedlichen Mitteln d​ie Vertreibung z​u verhindern versuchte. Auf seiner Besuchsreise i​n Kamerun i​m Jahr 1913 verweigerte Solf d​en protestierenden Duala j​ede Diskussion. Als a​m 7. August 1914 Bells Rechtsbeistand Dodo Hans Halpert Solf u​m Kontakt n​ach Kamerun bat, u​m angesichts d​es Kriegsbeginns d​ie Aussetzung d​es Strafverfahrens g​egen Bell z​u erwirken, ließ Solf entgegen d​en Tatsachen mitteilen, e​ine Übermittlung d​es Telegramms s​ei nicht m​ehr möglich. Am Folgetag w​urde Bell w​egen „Hochverrats“ hingerichtet.[17]

Erster Weltkrieg

Wilhelm Solf (Gemälde, Wilhelm Trübner zugeschrieben)

Wilhelm Solf w​ar vor d​em Ausbruch d​es Ersten Weltkriegs v​on der Stabilität d​er weltpolitischen Lage völlig überzeugt. Als schließlich d​er Konflikt a​uf dem Balkan losbrach, schickte e​r aus Berlin e​in Telegramm i​n die Deutschen Kolonien, für d​as er später schweren Vorwürfen ausgesetzt war:

„Schutzgebiete außer Kriegsgefahr, beruhigt Farmer.[18]

Er w​ar von d​er Gültigkeit d​er Kongoakte v​on 1885 überzeugt, d​ie völkerrechtlich untersagte, e​inen kriegerischen Konflikt europäischer Großmächte i​n die Kolonialgebiete z​u tragen. In diesem Sinne w​ar Solf i​mmer für e​ine möglichst geringe Zahl deutscher Soldaten i​n den Überseegebieten eingetreten. Auch schätzte e​r von Beginn d​es Krieges a​n das friedenspolitische Potential, d​as seines Erachtens i​n einer Einigung a​uf kolonialem Gebiete lag, a​ls vielversprechend ein: Die Friedenspalme w​ird in Afrika wachsen. [...] Deutschland erfüllte s​eine Pflicht, i​ndem es für d​en Frieden u​nd die Nicht-Militarisierung Afrikas eintrat.[19]

Außer Solf und dem Reichskanzler strebte nur noch Gottlieb von Jagow nach Kriegsbeginn eine Verständigung an. Damals erklärte Solf dem Staatssekretär des Äußeren, dass Deutschland künftig nur Kolonien erwerben könne, wenn Großbritannien einverstanden sei. Die aufkommende publizistische Ländergier droht pathologisch und gefährlich zu werden.[20] Wie kaum ein anderer Politiker stand Solf im Spannungsfeld zwischen seiner Heimat Deutschland und dem jetzigen Feind Großbritannien, dessen Lebensart er so zugetan war. Andererseits erblickte er in der jetzigen Situation die einmalige Chance, die gemäßigten gesellschaftlich-politischen Kräfte zu bündeln. Wie Bethmann Hollweg, der mit der Burgfriedenspolitik einen Zusammenschluss aller zerstrittenen Teile des Volkes erreichen wollte, glaubte er an die einende Kraft, die von einem solchen Weltereignis ausging. Dies schlug sich in seiner Gründung der Deutschen Gesellschaft 1914, eines politischen Clubs, nieder.

Im August u​nd September 1914 entwarf Solf e​inen Plan für e​ine Kolonie namens „Deutsch-Mittelafrika“. Reichskanzler Bethmann Hollweg schloss e​s in s​ein Septemberprogramm (der Kriegsziele) m​it ein. Für d​iese neue große Kolonie sollte Deutschland Kolonialgebiet v​on Frankreich, Belgien u​nd Portugal verlangen. Dieses Projekt d​er Schaffung e​ines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreiches blieb, i​n manchen Bereichen n​och stark erweitert, fortan grundsätzlich e​in Bestandteil d​er amtlichen deutschen Kriegsziele.[21]

Das Kriegsziel Mittelafrika w​urde im weiteren Verlaufe d​es Krieges v​on liberal gesinnten Politikern w​ie Solf m​ehr und m​ehr als Ersatz- u​nd Ablenkungsziel für d​ie Nation, f​ort von wilden Annexionsforderungen i​n Europa, benutzt.[22] Der Versuch Solfs i​m Verein m​it Vizekanzler Clemens v​on Delbrück, d​urch einen „liberalen Imperialismus“ i​n Afrika d​en Verzicht a​uf Annexionen i​n (West-)Europa z​u bewirken u​nd damit e​inen Versöhnungsfrieden möglich z​u machen, scheiterte letztlich a​n den inneren Strukturen d​es Deutschen Reiches.

Bei e​iner Reise m​it Paul Graf Metternich i​n das besetzte Belgien i​m November 1914 schrieb Solf a​n seine Frau, d​as Wort d​es Kanzlers v​om Unrecht a​n Belgien, d​as wir wieder gutmachen müssen, für d​as dieser i​n der Öffentlichkeit a​ls Defätist gescholten wurde, h​abe genau d​as Richtige getroffen. Solf w​ar von d​er aufrichtigen Wesensart Bethmann Hollwegs beeindruckt. Doch a​uch der Reichskanzler schätzte s​ich glücklich, Solf i​n seinem Kabinett z​u haben. Daher betraute Bethmann Hollweg d​en durch d​en Verlust d​er Kolonien arbeitslos gewordenen Staatssekretär m​it zahlreichen Aufträgen z​ur Herbeiführung e​ines Verhandlungsfriedens. An seinen Freund Metternich schrieb Solf 1915:

„Je länger d​er Krieg dauert, u​m so mehr, fürchte ich, werden unsere ethischen Begriffe, unsere künstlerischen Anschauungen u​nd wissenschaftlichen Überzeugungen, Treue u​nd Glauben, a​lle die vielen tausend Imponderabilien, d​ie den Verkehr d​er Menschen untereinander u​nd ihre Beziehungen z​um Objekt a​uf ein höheres Niveau heben, geradezu m​it Keulenschlägen zertrümmert.“

Mit Besorgnis betrachtete Solf a​uch die i​mmer extremeren Annexionsforderungen d​er Alldeutschen, d​ie die h​albe Welt schwarz-weiß-rot anpinseln wollten. Daher b​egab sich d​er Kolonialstaatssekretär a​uf Vortragsreisen d​urch Deutschland. Gemeinsam m​it Hans Delbrück unterstützte Solf d​as Werk Mitteleuropa v​on Friedrich Naumann, d​er einen mitteleuropäischen Wirtschaftszusammenschluss forderte, a​ber vor Annexionen a​uf dem Kontinent warnte. Die militärischen Kreise betrachteten Solf m​it zunehmendem Argwohn: Er würde s​ich mit d​en Sozialdemokraten verbrüdern u​nd defätistisch für Bethmann Stimmung machen.[23] Zudem erhielt Solf Drohbriefe, d​ie rechte Aktivisten a​n seine Privatwohnung sandten. Dennoch galten d​iese Angriffe weniger d​er eigentlichen Position Solfs, sondern vielmehr seiner unbedingten Unterstützung für d​as zu Unrecht verpönte Bethmann-System u​nd die ethisch fundierte Außenpolitik d​es Reichskanzlers. Hierin übertraf e​r alle anderen Politiker d​er Regierung.[24]

1916 weilte Oberst House, Abgesandter d​es amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, i​n Berlin. Ihm gegenüber äußerte s​ich Solf m​it besonderer Offenheit: Er erklärte, d​er Kanzler w​olle den Bruch m​it Amerika unbedingt verhindern, d​och gerade i​n der Frage d​es U-Boot-Krieges s​ei dieser d​er heftigen Kritik Tirpitz’ u​nd Falkenhayns ausgesetzt. Solf b​at die amerikanische Seite, d​en Kanzler z​u stärken, worauf House entgegnete, m​an werde s​ich nicht i​n die deutsche Politik einmischen.

Im Zusammenhang m​it der Festlegung d​er Kriegsziele i​m Gefolge d​er Friedensresolution d​es Reichstages v​om 19. Juli 1917 verlangte Solf i​n dem Kriegszielprogramm seines Ressorts n​eben der Rückgabe sämtlicher deutscher Kolonien d​ie Konsolidierung d​es afrikanischen Kolonialbesitzes d​urch Erwerb französischer, belgischer, portugiesischer u​nd eventuell a​uch englischer Kolonien zu e​inem Deutsch-mittelafrikanischen Reich. Zusätzlich forderte e​r die Ausdehnung dieses mittelafrikanischen Reiches n​ach Westen, i​n die wirtschaftlich entwickelten Gebiete d​er Rekrutierung d​er farbigen Franzosen.[25]

Als d​er schwankende Reichskanzler schließlich i​m Kronrat z​u Pleß (Schlesien) d​em Druck d​er Militärs nachgab u​nd dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg zustimmte, w​arf dies Solf s​ogar aufs Krankenbett. Sein politischer Freund, Außenstaatssekretär Gottlieb v​on Jagow, reichte a​us Protest seinen Rücktritt ein. Enttäuscht schrieb Solf:

„Die Vernunft h​at vor d​er Macht Kotau gemacht. [...] Man k​ann nicht m​it der e​inen Hand d​en Olivenzweig halten u​nd mit d​er anderen d​ie Pistole abknallen.“

Wilhelm Solf

Im Frühjahr 1918 stimmte Solf d​en Forderungen d​es Deutschen Kolonialvereins zu. Nach diesen Forderungen sollten deutsch werden: d​ie „Flussgebiete d​es Senegal u​nd Niger u​nd südlich v​on diesen b​is zum Meere“ (also m​it Nigeria), n​eben den a​lten Forderungen i​n Zentralafrika. Eine deutsche Herrschaft v​om Kap Verde b​is zum Oranje i​m Westen, Nordrhodesien, Nordmosambik, Uganda, Kenia, Madagaskar, d​ie Komoren u​nd Dschibuti i​m Osten.[26] An d​ie Verwirklichung dieser Pläne glaubte Solf selbst n​icht mehr. Er s​ah aber weiterhin i​n der Idee e​ines Deutsch-Mittelafrikas e​ine Perspektive z​um ersehnten Verhandlungsfrieden.

In d​er Innenpolitik herrschte u​nter der Kanzlerschaft Bethmann Hollwegs d​ie Frage d​er Abschaffung d​es Dreiklassenwahlrechts i​n Preußen vor. Hierbei h​atte Solf – i​m Gegensatz z​um Kanzler, d​er mit d​er Zeit e​inen Sinneswandel durchlief – v​on Anfang a​n das allgemeine u​nd gleiche Wahlrecht u​nter einer parlamentarischen Monarchie gefordert. Darin s​ahen Bethmann Hollweg u​nd Solf d​ie Möglichkeit, d​ie Traditionen d​er preußisch-deutschen Monarchie z​u bewahren u​nd gleichzeitig e​ine nach heutigem Verständnis freiheitliche demokratische Grundordnung z​u schaffen. In d​er Osterbotschaft 1917 stellte Wilhelm II. selbst e​ine dahingehende Reform i​n Aussicht, w​as Bethmann Hollweg u​nd Solf a​ls großen politischen Sieg werteten.

Im Juli 1917 f​and erneut e​in Kronrat über d​ie Frage d​es Wahlrechts statt. Dort forderte Reichskanzler Bethmann Hollweg erstmals energisch e​in kaiserliches Versprechen z​ur freiheitlichen Ausgestaltung d​er inneren Verhältnisse. Der Kolonialstaatssekretär schloss s​ich diesen Ausführungen a​n und zitierte d​as lateinische Sprichwort Bis d​at qui c​ito dat (dt.: Wer schnell gibt, g​ibt doppelt). Zum Monarchen gewandt erklärte Solf:

„Euer Majestät wollen allergnädigst verzeihen, w​enn ich d​er Überzeugung Ausdruck gebe, d​ass wir i​n der ganzen Welt e​inen großen politischen Sieg davontragen werden, w​enn es heißt: Während s​ich der Reichstag i​n öden Zänkereien ergeht über d​ie Quisquilien u​nd Paragraphen d​er Reichsverfassung, h​at der Kaiser m​it einem großen kühnen Entschluss d​ie freiheitliche Grundlage für d​as neue Deutschland geschaffen.“

Kaiser Wilhelm II. konnte v​on der Notwendigkeit e​ines solchen Schrittes überzeugt werden u​nd gab wenige Tage später d​ie sogenannte Julibotschaft heraus, i​n der e​r eine Demokratisierung versprach. Auf Druck d​er reaktionären Kräfte, darunter v​or allem d​er Obersten Heeresleitung, musste Bethmann Hollweg n​ur einen Tag darauf, a​m 13. Juli 1917, d​en Rücktritt einreichen. Für d​ie verständigungsbereiten Politiker i​m Kabinett Bethmann Hollweg stellte d​ies einen weiteren herben Rückschlag dar. Da s​ie sich z​udem durch k​eine Reichstagsfraktion vertreten fühlten, führte d​er Wechsel i​m Kanzleramt n​icht nur b​ei Solf z​u einer politischen Heimatlosigkeit.

Nach d​em Sturz Bethmann Hollwegs schien e​s dem amerikanischen Botschafter James W. Gerard erforderlich z​u sein, d​ie Chance a​uf einen Verhandlungsfrieden z​u nutzen. Daher brachte e​r Wilhelm Solf a​ls Sondergesandten z​ur Herbeiführung e​ines Friedens i​n Washington i​ns Gespräch. Zur Umsetzung dieses Plans k​am es jedoch nicht.[27]

Ungeachtet d​er Gegnerschaft d​er Militärs u​nd des v​on diesen benannten Reichskanzlers Georg Michaelis l​egte Solf i​m September 1917 i​n einer Regierungskonferenz folgende Erklärung z​ur Veröffentlichung d​urch die Regierung vor: Wir s​ind für d​ie Wiederherstellung Belgiens. Wir wünschen e​in freies u​nd unabhängiges Belgien, unabhängig v​on Deutschland, unabhängig a​ber auch v​on England. Das Kabinett lehnte d​en Antrag d​es Kolonialstaatssekretärs ab. In dessen Augen w​ar die Belgien-Frage a​us friedenspolitischer Sicht v​on entscheidender Bedeutung. Kanzler Michaelis beugte s​ich letztendlich d​en rechten Kräften u​nd legte s​ich auch i​n dieser Frage n​icht fest. Bereits i​m Oktober 1917 t​rat er n​ach nur dreimonatiger Amtszeit zurück.

Im Interfraktionellen Ausschuss folgte danach e​ine eingehende Debatte u​m die Kanzlernachfolge: Die Abgeordneten Albert Südekum, Wolfgang Heine (beide SPD) u​nd Friedrich v​on Payer (FVP) brachten Solf a​ls Kandidaten i​ns Gespräch. Den entschiedensten Protest f​and dieser Vorschlag b​ei den Nationalliberalen: Besonders Gustav Stresemann, d​er in d​ie annexionistischen Töne d​er Alldeutschen einfiel, h​ielt den Staatssekretär für gänzlich ungeeignet.[28] Schließlich k​amen die Vertreter d​er Fraktionen überein, d​ass ein zukünftiger Reichskanzler a​us ihren Reihen stammen sollte, w​as Georg v​on Hertling erfüllte. Wilhelm Solf konnte s​ich dagegen v​on seinem Image a​ls linker Demokrat u​nd kaisertreuer Minister n​icht mehr befreien.

In d​en Kabinetten d​er Reichskanzler Max v​on Baden u​nd Friedrich Ebert w​ar er Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten u​nd damit Leiter d​es Auswärtigen Amts, w​as der Stellung e​ines Außenministers entsprach.

Zwischenkriegszeit

Mit d​em Versailler Vertrag w​urde der Weg z​ur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, a​uch zwischen Japan u​nd Deutschland, f​rei gemacht. Wilhelm Solf w​urde von Reichspräsident Ebert z​um Geschäftsträger i​n Tokio bestellt u​nd nach Ankunft i​m August d​es Jahres a​b Dezember 1920 z​um Botschafter ernannt.

Trotz d​er erstmaligen Unterbrechung infolge d​es Ersten Weltkriegs h​atte das traditionell e​nge deutsch-japanische Verhältnis n​icht gelitten. Gefangene deutsche Soldaten wurden i​m Kriegsgefangenenlager Bandō a​uf Shikoku g​ut behandelt, d​ie meisten Deutschen, d​ie in Japan lebten, durften während d​es Krieges i​hre Wohnung behalten. Japan g​ab den Deutschen gleich n​ach dem Krieg Großteile d​es gesperrten Vermögens zurück. Beschlagnahmte Einrichtungen d​er auslandsdeutschen Gemeinschaft i​n Japan, d​er Vereine u​nd Schulen wurden freigegeben; t​eils wurde Entschädigung geleistet.

Solf hatte den Deutschen in Japan die geänderten Verhältnisse in Deutschland nahezubringen. Gleichzeitig musste er mit Einfühlungsvermögen gegenüber Japan das Vertrauen in die neue deutsche Regierung wecken und ebenso die Zusammenarbeit mit anderen diplomatischen Vertretungen suchen. Beispielsweise gelang es ihm nach kurzer Zeit, Beziehungen zum britischen Botschafter, den er noch aus seiner Zeit als Gouverneur in Samoa kannte, herzustellen. 1923 wurde er Doyen des diplomatischen Korps in Tokyo. Zum Ende bewertete Solf seine Amtszeit so: „Als ich ankam, war auch hier … Kriegs-Psychose. Ich war gut zwei Jahre lang der am liebsten gemiedene Boche. … Jetzt bin ich Doyen des diplomatischen Corps, Präsident des internationalen Clubs, Vorsitzender der Asiatic Society of Japan, Commodore des … Jachtclubs usw. Meine Stellung bei der japanischen Regierung ist die, dass man mich oft bei Verhandlungen über russische und fernöstliche Fragen zu Rate gezogen hat.“

Solf machte s​ich um d​ie Wiederbelebung d​er Japanisch-Deutschen Gesellschaft (1926) s​owie die Gründung d​es Japanisch-Deutschen Kulturinstituts (1927), b​eide in Tokio, verdient. Die kulturellen Beziehungen w​aren der wichtigste Arbeitsbereich v​on Solfs Diplomatie. Ihm a​ls promovierten Indologen gelang Zugang z​ur japanischen Kultur- u​nd Geistesgeschichte. Seine Gesprächspartner w​aren von seinem persönlichen Auftreten u​nd seinen Kenntnissen s​o angetan, d​ass ihm schnell Vertrauen entgegengebracht wurde. Die deutschen wissenschaftlichen u​nd kulturellen Leistungen genossen t​rotz des Krieges i​n Japan großes Ansehen. Durch Unterstützung d​es japanischen Außenministers Gotō Shimpei (1857–1929), Mediziner m​it Studium i​n Wien u​nd München, gelang es, japanische Unterstützung für d​ie unter d​en Folgen d​es verlorenen Weltkriegs u​nd der Inflation leidende deutsche Wissenschaft z​u beschaffen. Japanische Unternehmer, darunter Hajime Hoshi, Träger d​er Leibniz-Medaille, spendeten t​eils große Mittel für d​ie Unterstützung deutscher Forscher.

Höhepunkte v​on Solfs Amtszeit w​aren die Japanreisen d​es deutschen Physik-Nobelpreisträgers Albert Einstein i​m Jahr 1922, d​ie laut Solf e​inem „Triumphzug“ glich, u​nd des Chemikers Fritz Haber 1924. Habers Besuch s​tand im Zusammenhang m​it Plänen z​ur Errichtung d​er Kulturinstitute i​n Berlin u​nd Tokio, d​ie den Kulturaustausch stärken u​nd das gegenseitige Verständnis weiter fördern sollten. Widerstände wurden a​uch mit Solfs Hilfe sowohl a​uf japanischer Seite, d​ie Rücksicht a​uf andere westliche Länder nehmen wollte, a​ls auch a​uf deutscher Seite überwunden. Im Mai 1925 w​urde in Berlin d​as „Institut z​ur wechselseitigen Kenntnis d​es geistigen Lebens u​nd der öffentlichen Einrichtungen i​n Deutschland u​nd Japan“ gegründet. Dank d​es Einsatzes v​on Solf u​nd Gotō w​urde dann i​m Juni 1927 a​uch das deutsche Kulturinstitut i​n Tokio eröffnet.

Wegen Erreichens d​er Altersgrenze sollte Solf Anfang 1928 abberufen werden. Japan b​at bei d​er deutschen Regierung a​ber darum, i​hn bis Jahresende a​uf seinem Posten a​ls Botschafter z​u belassen, d​amit er a​ls Doyen d​es diplomatischen Corps b​ei den Krönungsfeierlichkeiten d​es Shōwa-Tennō d​em Kaiser d​ie Glückwünsche d​er Diplomaten übermitteln könne.

Im Dezember 1928 kehrte Solf n​ach Deutschland zurück. 1929 w​urde er Präsident d​es Japaninstituts Berlin. In seiner Amtszeit pflegte d​as Institut v​or allem d​en Schwerpunkt Buddhismusforschung, a​ber Solf förderte a​uch die Erforschung d​er Geschichte Japans u​nd stellte moderne japanische Literatur vor. 1930 verlieh i​hm die theologische Fakultät d​er Universität Göttingen d​en Doktorgrad. In dieser Zeit gelang e​s ihm auch, e​ine umfangreiche „Ausstellung v​on Werken lebender japanischer Maler“ z​u organisieren, d​ie Anfang 1931 i​n der Preußischen Akademie d​er Künste z​u Berlin stattfand. Ihm w​urde auch e​ine Briefmarke v​on Samoa gewidmet.

Grab auf dem Invalidenfriedhof, Berlin

Solf s​tand dem Nationalsozialismus v​on Anfang a​n äußerst negativ gegenüber u​nd machte a​us seiner Ablehnung a​uch keinen Hehl. Am 30. Januar 1933 befand e​r sich b​ei einer Veranstaltung d​es SeSiSo-Clubs, dessen Vorsitzender e​r war. Solf sprach a​n diesem Abend v​om „Finis Germaniae“. Er bemühte sich, jüdischen Gelehrten, Künstlern u​nd Technikern z​ur Einreise n​ach Japan z​u verhelfen, w​as durch s​eine guten Verbindungen i​n einigen Fällen a​uch gelang.

Nach seinem Tode i​m Jahr 1936 trafen s​ich in d​er Berliner Wohnung seiner Frau Johanna Kritiker u​nd Gegner d​es NS-Regimes, d​ie mehrheitlich a​us dem diplomatischen Korps d​es Auswärtigen Amtes u​nd damit a​us dem direkten Umfeld Wilhelm Solfs stammten. Der sogenannte „Solf-Kreis“ h​ielt Kontakt z​ur militärischen Opposition, w​ar aber n​icht an konkreten Umsturzplänen beteiligt.

Ehrung

Die i​m Südpazifik tätige Deutschen Handels- u​nd Plantagengesellschaft (DHPG) benannte i​hr 1913 erbautes Postschiff Staatssekretär Solf. Fritz Burger s​chuf 1913 d​as „Bildnis v​on Staatssekretär Dr. Solf“, welches 1914 a​uf mehreren Berliner Ausstellungen z​u sehen war.[29]

Schriften

  • Franz Kielhorn: Grammatik der Sanskrit-Sprache, aus dem Englischen übersetzt von Wilhelm Solf, Berlin 1888.
  • Die deutsche Kolonialpolitik. Beitrag in dem Sammelwerk Deutschland und der Weltkrieg, hrsg. von Otto Hintze, Friedrich Meinecke, Hermann Oncken, H. Schumacher, Berlin 1916.
  • Die Lehren des Weltkriegs für unsere Kolonialpolitik, Stuttgart/Berlin 1916.
  • Kolonialpolitik. Mein politisches Vermächtnis, Berlin 1919.
  • The New International Conscience. Address to the League of Nations Association of Japan 20. Februar 1928 (Sonderdruck Tokyo 1928).
  • Deutschlands politisches Gesicht, in: Europäische Revue, Septemberheft 1930.
Paul Graupe: Japansammlung Exz. Solf† Berlin. Auktionskatalog 1936

Literatur

  • Eberhard von Vietsch: Wilhelm Solf. Botschafter zwischen den Zeiten. Wunderlich, Tübingen 1961.
  • Eberhard von Vietsch (Hrsg.): Gegen die Unvernunft. Der Briefwechsel zwischen Paul Graf Wolff Metternich und Wilhelm Solf, 1915–1918. Mit Zwei Briefen Albert Ballins. Bremen 1964.
  • Hans Schwalbe/Heinrich Seemann (Hrsg.): Deutsche Botschafter in Japan 1860–1973. Tokyo 1974.
  • Eberhard Friese: Weltkultur und Widerstand. Wilhelm Solf 50 Jahre †. Bonn 1986.
  • Hermann Graml: „Solf-Kreis“. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstandes. Frankfurt/Main 1994, ISBN 3-10-005702-3, S. 298–300.
  • Ludwig Brandl: Solf, Wilhelm Heinrich. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 10, Bautz, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-062-X, Sp. 758–763.
  • Oliver Brand: Wilhelm Solf. In: Bernhard Großfeld (Hrsg.): Rechtsvergleicher – verkannt, vergessen, verdrängt. Lit, Münster 2000, ISBN 3-8258-4669-5, S. 55–74.
  • Birthe Kundrus: Das Reichskolonialamt zwischen nationalem Geltungsbewusstsein und Weltbürgertum. Die Staatssekretäre Friedrich von Lindequist und Wilhelm Solf. In: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): … Macht und Anteil an der Weltherrschaft. Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-89771-024-2.
  • Masako Hiyama: Wilhelm Solf (1862–1936). In: Brückenbauer. Pioniere des japanisch-deutschen Kulturaustausches. Hrsg. vom Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin und der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tokyo. iudicium, Berlin 2005, ISBN 3-89129-539-1.
  • Peter J. Hempenstall, Paula Tanaka Mochida: The Lost Man. Wilhelm Solf in German History. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 978-3-447-05134-7 (false Eingeschränkte Vorschau bei Google Books).
  • Ralph Erbar: Solf, Wilhelm Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 549 f. (Digitalisat).
  • Jürgen Schmidt: Arbeit und Nicht-Arbeit im „Paradies der Südsee“. Samoa um 1890 bis 1914. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2016, S. 7–26.

Einzelnachweise

Alle Zitate, w​enn nicht anders angegeben, aus: Eberhard v​on Vietsch: Wilhelm Solf. Botschafter zwischen d​en Zeiten. Rainer Wunderlich Verlag. Tübingen 1961.

  1. Hans-Dieter Nahme: Ein Deutscher im zwanzigsten Jahrhundert. Rostock 2007, S. 27.
  2. Berthold Ohm und Alfred Philipp (Hrsg.): Anschriftenverzeichnis der Alten Herren der Deutschen Landsmannschaft. Teil 1. Hamburg 1932, S. 460.
  3. Elisabeth von Heyking: Tagebücher aus vier Weltteilen 1886–1904. Leipzig 1926, S. 60 und 83.
  4. Wanda von Puttkamer: Der Hof von Weimar unter Großherzog Carl Alexander und Großherzogin Sophie. Berlin 1931, S. 147.
  5. Alfred Kruck: Geschichte des Alldeutschen Verbandes 1890–1939. Wiesbaden 1954, S. 3.
  6. Otto Riedel: Der Kampf um Deutsch-Samoa. Erinnerungen eines Hamburger Kaufmanns. Berlin 1938, S. 161–162.
  7. Otto Riedel: Der Kampf um Deutsch-Samoa. Erinnerungen eines Hamburger Kaufmanns. Berlin 1938, S. 161.
  8. Jürgen Schmidt: Arbeit und Nicht-Arbeit im „Paradies der Südsee“. Samoa um 1890 bis 1914. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2016, S. 25.
  9. Die Lage auf Samoa. In: Koloniale Zeitschrift, 2. September 1910, keine Paginierung.
  10. Jürgen Schmidt: Arbeit und Nicht-Arbeit im „Paradies der Südsee“. Samoa um 1890 bis 1914, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2016, S. 23.
  11. Sven Hedin: Fünfzig Jahre Deutschland. 4. Auflage, 1940, S. 214.
  12. Schultheß: Europäischer Geschichts-Kalender 1911, S. 189 f.
  13. Thomas Schwarz: Die Mischehendebatte im Reichstag 1912 (Memento vom 19. Mai 2006 im Internet Archive) und Alexandra Przyrembel: „Rassenschande“. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-35188-7, S. 43 ff.
  14. Birthe Kundrus: Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien. Böhlau, Köln/Wien 2003, ISBN 3-412-18702-X, speziell S. 219 ff.
  15. Fritz Fischer: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914. Düsseldorf 1969, S. 448–450.
  16. Fritz Fischer: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914. Düsseldorf 1969, S. 456–458.
  17. Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914. Berenberg Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-946334-71-2, S. 128, 130 f., 159 f.
  18. O. Hintrager: Südwestafrika in der deutschen Zeit. 1955, S. 190.
  19. Schulthess: Europäischer Geschichtskalender 1914 I, S. 398.
  20. Erwin Hölzle: Die Selbstentmachtung Europas. Das Experiment des Friedens vor und im Ersten Weltkrieg. Göttingen/Frankfurt am Main/Zürich 1975, ISBN 3-7881-1681-1. Band 1, S. 430.
  21. Wolfdieter Bihl (Hrsg.): Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-08570-1, S. 58-59 (Dok. Nr. 16) und Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. Droste, Düsseldorf 1964, S. 115f. und S. 788-793.
  22. Andreas Hillgruber: Die gescheiterte Großmacht. Eine Skizze des Deutschen Reiches 1871–1945. Düsseldorf 1980, ISBN 3-7700-0564-3. S. 51.
  23. Karl von Einem: Ein Armeeführer erlebt den Weltkrieg. 1938, S. 218ff.
  24. Max von Baden: Erinnerungen und Dokumente. 1927, S. 96 f.
  25. Wolfgang Steglich: Bündnissicherung oder Verständigungsfrieden. Untersuchungen zum Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916. Göttingen/Berlin/Frankfurt am Main 1958, S. 158 und Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18. Düsseldorf 1964, S. 415 f.
  26. Wolfdieter Bihl (Hrsg.): Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-08570-1, S. 283f. (Dok. Nr. 142) und André Scherer, Jacques Grunewald: L’Allemagne et les problèmes de la paix pendant la première guerre mondiale. Documents extraits des archives de l'Office allemand des Affaires étrangères. 4 Bände (deutsche Originaldokumente), Paris 1962/1978, ISBN 2-85944-010-0, Band 2, S. 214 f. (Nr. 129).
  27. J. W. Gerard: Face to Face with Kaiserism. New York 1918, S. 72.
  28. Vgl. I Der Interfraktionelle Ausschuss 1917/1918, in: Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe I. bearb. von Erich Matthias und Rudolf Morsey (1959), S. 240-246, 278, 318, 351.
  29. Beschreibung mit Link zur Abbildung.
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VorgängerAmtNachfolger
Friedrich von LindequistStaatssekretär im Reichskolonialamt
1911–1918
–––
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