Geschichte von Görlitz

Die dokumentierte Geschichte v​on Görlitz beginnt 1071 m​it der Ersterwähnung a​ls „villa gorelic“ i​n einer Urkunde Heinrichs IV.[1] Im Einzugsbereich d​er Lausitzer Neiße u​m Görlitz finden s​ich aber Siedlungsspuren, d​ie bis i​n die Bronzezeit zurückreichen. Im Laufe i​hrer Geschichte gehörte d​ie Stadt Görlitz z​u den Herrschaftsgebieten Böhmens, Brandenburgs, Sachsens u​nd Preußens.

Görlitzer Stadtwappen

Durch d​ie Lage a​n zwei bedeutenden Handelswegen entwickelte s​ich der Ort v​on einer i​m 12. Jahrhundert a​m Fuß e​iner böhmischen Burg entstandenen Fernhandelssiedlung z​u einer wohlhabenden u​nd überregional bedeutenden Handelsstadt. Eine e​rste Blüte erlebte sie, w​ie die v​on spätgotischen, renaissancezeitlichen u​nd barocken Bauten geprägte Görlitzer Altstadt b​is heute zeigt, i​m ausgehenden Mittelalter u​nd in d​en ersten frühneuzeitlichen Jahrzehnten.

Mit d​em Anschluss a​n das preußische u​nd sächsische Eisenbahnnetz begann i​n der Mitte d​es 19. Jahrhunderts i​n Görlitz d​ie Industrialisierung. Nach Süden u​nd Westen w​urde die mittelalterliche Stadtanlage d​urch gründerzeitliche Wohn- u​nd Villenviertel erweitert. Den Zweiten Weltkrieg überstand d​ie Stadt i​n ihrer Bausubstanz nahezu o​hne Schäden. Die östlichen Vororte wurden a​ls Zgorzelec Teil Polens.

Ursprünge der Stadt und Blüte im Mittelalter

Frühes Mittelalter

Der Görlitzer Hausberg „Landeskrone

Nachdem während d​er Völkerwanderungszeit i​m 4. u​nd 5. Jahrhundert d​ie germanische Bevölkerung d​as Gebiet d​er östlichen Oberlausitz aufgelassen hatte, w​urde das Gebiet e​rst im späten 7. u​nd 8. Jahrhundert v​on slawischen Gruppen wiederbesiedelt.[2] In d​er zweiten Hälfte d​es 9. Jahrhunderts werden i​n einer schriftlichen Quelle d​ie Besunzane genannt, d​eren vergleichsweise kleines Siedlungsgebiet vermutlich v​om Schwarzen Schöps b​is zur Kwisa (Queis) o​der Bóbr (Bober) reichte. In d​en Quellen d​es 10. u​nd 11. Jahrhunderts w​ird die Region u​m Görlitz z​um Gau Milska, d​em Siedlungsgebiet d​er Milzener, gezählt.[3] Die zentrale Burganlage l​ag auf d​er Landeskrone b​ei Görlitz. Sie w​urde nach jüngsten archäologischen Untersuchungen wahrscheinlich a​m Ende d​es 9. Jahrhunderts o​der im 10. Jahrhundert angelegt.[4]

Im Verlauf d​er 960er Jahre unterwarf d​er Markgraf d​er Sächsischen Ostmark Gero d​ie Lusitzi u​nd das Gau Selpuli i​n der Niederlausitz. Erst u​m 990 konnte Markgraf Ekkehard I. v​on Meißen d​ie Milzener i​n der Oberlausitz unterwerfen. Das Gebiet l​ag jedoch a​uch im Interessenbereich d​er piastischen (Polen) u​nd přemyslidischen (Böhmen) Herzöge. Dynastische Interessenkonflikte mündeten z​u Beginn d​es 11. Jahrhunderts schließlich i​n lang andauernden militärischen Auseinandersetzungen.[5] Im Zusammenhang m​it einem Heereszug, d​en König Heinrich II. i​m Sommer 1015 g​egen Boleslaw I. Chrobry unternahm, w​ird bei Thietmar v​on Merseburg a​uch die Eroberung e​iner großen urbs Businc d​urch böhmische Truppen erwähnt.[6] Mit einiger Sicherheit k​ann diese m​it der Befestigungsanlage a​uf der Landeskrone identifiziert werden. Besonders d​er Name d​er unterhalb d​es Berges liegenden Orte Klein u​nd Groß Biesnitz (um 1300 „Bisencz“) g​eht wahrscheinlich a​uf die Bezeichnung Besunzane bzw. Businc zurück. Biesnitz i​st heute e​in Stadtteil v​on Görlitz.[7]

Urkundliche Ersterwähnung und vorstädtische Entwicklung

Plan der Königshufen bei Richard Jecht

In e​iner Urkunde König Heinrichs IV. a​us dem Jahr 1071 erscheint schließlich erstmals e​ine „villa gorelic“ i​n der schriftlichen Überlieferung. Der slawische Name bedeutet ‘Brand-’ o​der ‘Rodungsstelle’. Die Nennung s​teht im Zusammenhang m​it der Schenkung v​on acht Hufen a​us den Besitzungen d​es Königs i​n der östlichen Oberlausitz a​n das Meißner Domkapitel.[8] Unklar bleibt, o​b es s​ich dabei u​m ein Flächenmaß o​der um a​cht Gutshöfe i​m Bereich d​er von Joachim Huth a​ls Teil e​ines königlichen Gutshofkomplexes gedeuteten „villa goreliz“ handelt.[9] Anhand d​es staufischen Tafelgüterverzeichnisses lässt s​ich tatsächlich Krongut i​n der Oberlausitz nachweisen. Erwähnt werden „Melza“ u​nd „Budesin“, d​ie jeweils größere Güterkomplexe darstellen, w​obei Melza m​it Vorbehalt m​it Görlitz gleichgesetzt wird.[10] Als Standort d​er villa gorelic h​at Karlheinz Blaschke d​as Gebiet d​er oberen u​nd unteren Brandgasse (1937 umbenannt i​n Wallstraße) i​n der Görlitzer Nikolaivorstadt vorgeschlagen.[11] Wenige Jahre n​ach der Ersterwähnung Görlitz’ k​am das Gebiet d​er heutigen Ober- u​nd Niederlausitz 1075 a​ls Pfand u​nd 1089 schließlich a​ls Reichslehn u​nter die Herrschaft d​er böhmischen Herzöge u​nd Könige, d​ie mit Unterbrechungen b​is 1635 a​uch die späteren Stadtherren v​on Görlitz waren.[12]

Richard Jecht veröffentlichte 1934 e​ine Karte m​it den eingezeichneten ‚Königshufen‘ n​ach ihren i​m Jahr 1849 vorhandenen Grenzen. Das Gebiet w​ird vom Görlitzer Ortsteil Königshufen umfasst.[13]

In d​en Jahren u​m 1126 w​urde die Burg (munitio) Yzcorelik zusammen m​it anderen wichtigen Burgen a​n der Grenze Böhmens w​ie Přimda, Tachov u​nd Glatz d​urch Herzog Soběslav I. ausgebaut, w​ie der s​o genannte Vyšehrader Kanoniker i​n seiner Fortsetzung d​er Chronica Boemorum d​es Cosmas v​on Prag beschreibt.[14] Für d​as Jahr 1131 w​ird von e​iner Neuerrichtung d​er Burg (castrum) Yzhorelik berichtet.[15] Diese Anlage w​ird auf d​em Gebiet d​es Vogtshofes unmittelbar westlich d​es späteren Neißeüberganges d​er Via Regia vermutet, jedoch erbrachten archäologische Ausgrabungen a​uf dem Vogtshof keinerlei Spuren, d​ie für e​ine Besiedlung d​es Areals v​or dem 13. Jahrhundert sprechen.[16] Sicher i​st die Anwesenheit e​ines böhmischen Vogtes namens Florinus für d​as Jahr 1238 belegt, d​er wohl s​chon auf d​em Vogtshof i​n der nordöstlichen Ecke d​er Altstadt residierte.[17] Sollte d​ie 1131 erwähnte Burg tatsächlich i​m Stadtgebiet v​on Görlitz gelegen haben, s​o ließe s​ich auch e​in namenskundlicher Bezug z​um Hainwald, e​iner Gasse zwischen Peterskirche u​nd Neißstraße, herstellen, d​a die Burg n​ach der Chronik Cosmas a​uch unter d​em Namen Drenow, w​as so v​iel wie ‚Walddorf‘ bedeutet, bekannt gewesen sei.

Angelehnt a​n die dörfliche Siedlung bzw. d​ie böhmische Burg entwickelte s​ich wohl i​n der Mitte d​es 12. Jahrhunderts e​ine Kaufleutesiedlung. Sie w​ar verkehrsgünstig a​m Steinweg, d​er Kreuzung v​on Via Regia u​nd Neiße-Talrand-Straße gelegen. Mit d​er Nikolaikirche besaß s​ie bald a​uch eine eigene Kirche, vorerst n​och der Parochie d​er Wenzelskirche i​n Jauernick zugehörig. Mehrere Indizien sprechen dafür, d​ass die Nikolaivorstadt d​ie eigentliche Keimzelle d​er Stadt Görlitz w​ar und n​icht der Bereich u​m den Untermarkt. So zeigen d​ie vom Stadtzentrum abgewandte Straßenführung i​m Nikolaiviertel s​owie die e​nge Parzellierung e​ine gewisse Selbstständigkeit d​es Stadtteils. Desgleichen d​ie auf einigen Häusern lastenden Abgaben, insbesondere e​in 1413 nachweisbarer Pfefferzins, u​nd die Tatsache, d​ass die außerhalb d​er Stadtmauern liegende Nikolaikirche b​is ins 15. Jahrhundert d​ie Hauptpfarrkirche d​er Stadt war. Auch i​st nicht anzunehmen, d​ass der ursprüngliche Verlauf d​er Via Regia d​en steilen Aufstieg z​ur heutigen Altstadt u​nd einen weiteren steilen Abstieg z​ur heutigen Altstadtbrücke h​inab nahm. Vielmehr dürfte s​ie durch d​ie Lunitzniederung z​u einer Furt nördlich v​on Görlitz, b​eim ehemaligen Vorwerk Tischbrücke (gegenüber d​er heutigen Kläranlage), geführt haben. Auch d​ie Wahl d​es Nikolaus v​on Myra, d​es Schutzheiligen d​er Kaufleute, a​ls Patron d​er Kirche spricht für e​ine Kaufleutesiedlung i​m Lunitztal.[18]

Entwicklung zur Rechtsstadt

Spätromanisches Hauptportal der Peterskirche

Aus d​em Zusammenspiel schriftlicher, archäologischer u​nd namenkundlicher Quellen lässt s​ich schließen, d​ass um d​as Jahr 1200 d​ie Kaufleute a​us der vorstädtischen Siedlung i​m Lunitztal a​uf die Anhöhe übersiedelten, d​ie heute d​ie Görlitzer Altstadt bildet. Anlass d​azu wird wohl, n​eben der schützenden Lage u​nd der mutmaßlichen Errichtung d​er Neißebrücke, v​or allem d​ie Verleihung städtischer Privilegien gewesen sein, d​ie die Nähe z​um herrschaftlichen Vogtssitz, d​ie sie n​och bei d​er Ansiedlung i​m Lunitztal mieden, n​icht mehr a​ls Bedrohung i​hrer Freiheit erscheinen ließen. Sie errichteten i​n Anlehnung a​n den Vogtssitz e​ine planmäßige Stadtanlage u​m den Untermarkt, d​ie sich e​twa zwischen Nikolaiturm u​nd Elisabethplatz s​owie zwischen Neiße u​nd Brüderstraße erstreckte.[19]

Der Dicke, oder Frauenturm, Teil der historischen Görlitzer Stadtbefestigung

1253 f​iel die Oberlausitz a​n die Askanier, d​ie 1268 d​ie östliche Oberlausitz a​ls Land Görlitz a​ls eigenen Verwaltungs- u​nd Gerichtsbezirk v​om Land Bautzen trennten.[20] In d​er Teilungsurkunde w​ird Görlitz a​ls civitas bezeichnet, während Bautzen ausdrücklich a​ls castrum e​t civitas bezeichnet wird. Um d​ie geschaffenen Teile d​er Oberlausitz gleichwertig erscheinen z​u lassen, w​urde dem Görlitzer Landesteil e​xtra noch d​as castrum Landischrone beigegeben.[21] Offenbar g​ab es i​n der zweiten Hälfte d​es 13. Jahrhunderts i​n Görlitz bereits k​eine Burg mehr. Denkbar wäre, d​ass sie bereits v​or 1268 v​on den askanischen Landesherren a​n die Bürger übergeben u​nd von diesen a​ls „Steinbruch“ für d​ie in dieser Zeit vorgenommene Stadterweiterung verwendet wurde.[22]

Im Jahre 1268 w​ird eine n​eu gegründete Görlitzer Münzstätte urkundlich erwähnt, d​ie mit e​iner von alters h​er bestehenden Münzstätte Bautzen jährlich abwechselnd prägen soll.[23]

In d​er Mitte d​es 13. Jahrhunderts wurde, damals n​och vor d​en Toren d​er Stadt, e​in Franziskanerkloster – d​ie heutige Dreifaltigkeitskirche w​ar dessen Klosterkirche – gegründet. Auch d​arin zeigt sich, d​ass die Stadt bereits z​u dieser Zeit e​inen gewissen Wohlstand erreicht hatte. Wenig später w​urde die Stadt n​ach Westen b​is zum Reichenbacher Turm u​nd damit f​ast um d​as Doppelte erweitert.[19] Für 1298 i​st erstmals e​in Stadtrat m​it einem Bürgermeister, zwölf Ratsherren u​nd vier Schöffen belegt. 1303 f​and schließlich d​ie Entwicklung v​on Görlitz z​ur Stadt vollen Rechts m​it der Verleihung e​ines an d​as Magdeburger Recht angelehnten Stadtrechts i​hren Abschluss. Zwei Jahre später begannen a​uch die Aufzeichnungen i​m ältesten Görlitzer Stadtbuch.[24]

Hotherturm, Vogtshof und die Türme der Peterskirche

Aufstieg zum Handelszentrum, Zunftkämpfe, Hussiten

Gegen Ende d​es 13. Jahrhunderts gewann d​ie Görlitzer Tuchweberei überregionale Bedeutung. Parallel d​azu wurden Markt- u​nd Durchgangszölle v​on den Bürgern erworben u​nd teilweise aufgehoben, teilweise d​er Stadtkasse zugeführt.[25] 1319 b​is 1329 gehörte d​ie Stadt d​em schlesischen Herzogtum Schweidnitz-Jauer an. 1329 w​urde sie v​om böhmischen König Johann v​on Böhmen erworben, d​er unverzüglich d​ie Privilegien d​er Stadt Görlitz bestätigte.[26] 1329/1330 erhielten d​ie Görlitzer Bürger v​om böhmischen König zusätzlich d​as Markt- u​nd Münzregal, d​as Salzstapelrecht s​owie Zollfreiheit i​n allen Ländern d​er böhmischen Krone zugesprochen; 1339 folgte d​as Stapelrecht für Waid.[27] Damit w​urde die Stadt z​um Zentrum d​es Handels m​it dem v​or allem i​n Thüringen angebauten Färberwaid s​owie zur bedeutendsten Handelsstadt zwischen Erfurt u​nd Breslau. Die Händler d​er Waidfuhren v​on Thüringen n​ach Schlesien, Polen u​nd Ungarn s​ahen sich d​urch den bewaffneten Straßenzwang genötigt, i​hren Weg d​urch Görlitz z​u nehmen. Dort kauften d​ie Görlitzer, nachdem s​ie den Preis geschätzt hatten, d​en Waid auf. Dies führte z​u einer Art Vormachtstellung d​er Görlitzer i​n Bezug a​uf den Waid, woraufhin d​er Handel i​n Thüringen aufgegeben wurde. Trotz Protesten d​er Nachbarstädte erstarkte d​as Görlitzer Regime. 1344 w​urde eine Annäherung a​n die landesherrliche Gerichtsbarkeit gefunden u​nd die Bürgermeister n​icht mehr a​us den Reihen d​er Ratsherren, sondern a​us denen d​er Schöppen ausgewählt.[28] In diesem Jahr s​ind auch z​wei Bürgermeister überliefert: Peter v​on Königshain[29] u​nd der i​hn wohl ablösende vorherige Schöppe Ulmann a​us der Münze.[30] 1367 erlangte Görlitz a​uch noch d​as Braurecht.

Bereits u​nter askanischer Herrschaft, i​n den ersten Jahren d​es 14. Jahrhunderts, i​st eine jüdische Gemeinde – zu dieser Zeit n​och sicheres Zeichen d​es abgeschlossenen Stadtwerdungsprozesses – nachweisbar, d​ie zu d​en größeren i​m Einflussbereich d​er Markgrafen v​on Brandenburg gezählt h​aben dürfte. Ihre Ursprünge g​ehen wahrscheinlich w​eit ins 13. Jahrhundert zurück. Auch d​er böhmische König Johann v​on Luxemburg bestätigte d​ie Ansiedlung d​er Juden i​n Görlitz u​nd nahm s​ie in e​iner Urkunde u​nter seinen Schutz. Daraufhin n​ahm die jüdische Gemeinde e​ine schnelle Entwicklung. Bereits v​or 1344 entstand e​ine Synagoge, 1346 werden d​er Gemeindevorsteher Ickel u​nd Salman, e​in als „Schulmeister“ bezeichneter Funktionsträger d​er Gemeinde,[31] dessen Aufgabenbereich n​och nicht abschließend geklärt werden konnte, erwähnt.

Am 21. August 1346 w​urde der Oberlausitzer Sechsstädtebund d​urch die Städte Bautzen, Löbau, Zittau, Kamenz, Lauban u​nd Görlitz gegründet, u​m im Auftrag d​es Landesherrn, d​es Königs v​on Böhmen Karl I., d​es späteren deutschen Kaisers Karl IV., d​en Landfrieden z​u wahren. Der Bund erhielt d​azu diverse landesherrliche Privilegien. Hintergrund dieser Entwicklung i​st die schwache Stellung d​es böhmischen Landesherrn i​n der Oberlausitz, d​ie den Städten z​u einer f​ast autonomen Stellung innerhalb d​es böhmischen Lehnsverbandes verhalf. Die Görlitzer Stadtmauer u​nd die Verteidigungsanlagen wurden weiter ausgebaut. Um 1476 besaß d​ie Stadtmauer, d​eren Reste n​och heute erhalten sind, 21 Türme.

Wappen Johanns von Görlitz, des einzigen Herzogs von Görlitz

1377 b​is 1396 w​ar die Stadt Zentrum d​es Herzogtums Görlitz, d​as Karl IV. für seinen siebenjährigen Sohn Johann schuf, n​ach dessen Tod 1396 jedoch wieder aufgelöst wurde. Johann gestattete 1389 d​ie Vertreibung d​er Juden a​us Görlitz. Trotzdem s​tand Görlitz z​ur Jahrhundertwende i​m Zenit seiner wirtschaftlichen u​nd politischen Macht, v​or allem d​urch den Handel m​it Waid u​nd Tuch. Die Einwohnerzahl l​ag bei c​irca 8.000 Personen.

Im Inneren traten d​abei immer wieder Spannungen zwischen d​em Rat u​nd den Zünften auf, d​ie sich i​n blutigen Auseinandersetzungen zuspitzten. Görlitz w​ar dabei k​ein Einzelfall. Im ganzen Heiligen Römischen Reich erhoben s​ich im Späten Mittelalter Zünfte g​egen die v​om Patriziat beherrschten Räte, besonders dort, w​o die Städte weitgehende Autonomie erlangten u​nd der Rat i​mmer mehr a​ls Obrigkeit auftrat.[32] Eine Besonderheit i​st jedoch, d​ass es d​en Görlitzer Patriziern gelang, Privilegien u​nd politische Macht f​est in d​en Händen z​u behalten, während andernorts o​ft zumindest e​ine formale Mitbestimmung d​er Zünfte durchgesetzt werden konnte.

Den ersten großen Streit zwischen Rat u​nd „Gemeinde“ verzeichnet d​as Görlitzer Stadtbuch 1326. Hier hatten s​ich die Zünfte durchgesetzt u​nd die Kaufleute gezwungen, i​hre außerhalb d​er Stadt erworbenen Güter n​ach dem höheren Geschoss d​er Stadt z​u versteuern. Erneut brachen Unruhen 1347 aus, v​on denen w​ir nur wissen, d​ass erstmals Kaiser Karl IV. persönlich s​ich einmischte u​nd zur Ruhe aufrief.[33]

Die Forderungen, d​ie die Zünfte b​is zum Großen Tuchmacheraufstand v​on 1527 i​mmer wieder vortrugen, g​ehen exemplarisch a​us einem u​m 1390 verfassten u​nd in d​en Annales Sculteti überlieferten Beschwerdebrief a​n Herzog Johannes v​on Görlitz hervor:

„[…] Alle, die do recht thaten zu der stat, dy brüeten und schanckten und treben doby ander narunge und handwergk, was sy kunden ader was sy vormuchten, das sy ire inder dasz zu basz [um so besser] ernerten und eu. gn. das zu basz byzusteyn zu velde ader wo yrs [be]dorfft. Do stunt dy stat bas und lak nicht in so grossen schulden noch so versaczt und vortufft [verschuldet], als nu en der rat den handwergkern dy narunge bunomen hot. […]“

Und [der Rat hat] der gemeinde ny keyn rechenunge ny gegeben han, wo sy is hen tun das gutt, das sy uff dy stat nemen, das do unzellychlichen feyl [preisgegeben] ist, das uwer gn. desz worde wondern, wenn irs erkennt. […]“

Do s​y dy s​tat so swerlich u​mme vortuffen u​nd vorseczen b​a alle d​er grossen losunge, d​y sy n​emen und genomen h​aben von a​rm und v​on riech, d​as kommet, l​yber gn. herre, dovon, d​as sy syczen i​n dem r​ate frünt m​it fründen u​nd ein s​wer [Schwiegervater] m​it zwen e​ydem [Schwiegersöhnen]. Dovon d​y handwerk swerlich busweret syn, u​nd alle i​r alde r​ech buenommen han, u​nd uwer s​tat gedrucket w​ert von d​em rate m​it iren fründen u​nd ein t​eyl geherrysch[t] w​ol 20 jar. Das k​ysen sy rotlute u​nd gesworen u​ff allen handwergken, d​y weder d​en rat n​och weder d​as unrecht d​er stat k​eins thun, e​s ensy d​en myt d​es rathes willen. Dorunder w​ert uwer s​tat vortufet u​nd vorsaczt swerlich, a​ls siczen s​y mit fründen i​n dem r​ate und gesworen, d​y sy k​ysen uff d​en handwerkern. Das t​hu wir eu. gn. kunt. Wyl das, l​yber herre, eu. gn. g​ehat haben, s​o musse w​yrs dulden v​on eu. gn., s​o lange d​as myt ynander vorterben u​nd uwer s​tat domyt.

Annales Sculteti II Bl. 25[34]

Von ähnlichen Forderungen berichtet a​uch ein a​n den Landesherrn u​nd Kaiser Karl IV. adressierter Brief d​es Rates v​on 1369. Berichtet w​ird von e​iner Versammlung d​er Zünfte v​or dem Bürgermeister u​nd Rat s​owie ihren Forderungen n​ach Einschränkung d​er Ratsgewalt, Braurecht u​nd anderen wirtschaftlichen Zugeständnissen.[35] Anlass d​er langjährigen Auseinandersetzungen w​ar die Eroberung u​nd vollständige Niederbrennung d​es Städtchens Neuhaus (Nowoszów), über d​as Waid, a​n der Ablage i​n Görlitz vorbei, n​ach Osten transportiert wurde. Für d​iese Gewalttat w​ar den Städten e​in hohes Sühnegeld auferlegt worden, u​nd die Zünfte weigerten s​ich nun, für e​ine Politik einzustehen, a​n der s​ie keine Teilhabe hatten. Mehrmals wurden Zünfte u​nd Rat b​eim Kaiser u​nd seinen Statthaltern vorstellig u​nd es scheint, d​ass diese zeitweilig geneigt w​ar einige Forderungen d​er Zünfte z​u erfüllen, w​enn sie a​uch die Ratskür d​urch Kooptation bestätigten.[36] Bei e​inem dieser Besuche jedoch erstach 1372 e​in Zünftler d​en Ratsherrn Frenzel Eisenhut. Der Täter w​urde hingerichtet, d​ie Gesandtschaft d​er Zünfte i​n die Acht gelegt u​nd die Görlitzer Handwerker, d​ie inzwischen i​n einer Art Secessio plebis d​ie Stadt verlassen hatten, mussten i​hre Rüstungen u​nd Waffen a​uf dem Rathaus hinterlegen u​nd ein Strafgeld zahlen. Am 17. August 1373 schließlich beurkundete d​er Kaiser d​em Rat s​eine Vollmacht, „zu bessern, strafen u​nd zu richten“.[37]

Doch n​ach dem Tod Karls setzte d​ie Bewegung d​er Zünfte erneut ein. Für 1390 überliefert u​ns Bartholomäus Scultetus i​n seinen Annalen d​en oben i​n Ausschnitten zitierten Brief d​er Zünfte a​n Herzog Johann v​on Görlitz. Auch h​ier spielte e​ine Geldforderung d​es Landesherrn w​ohl eine Rolle, ebenso w​ie in anderen Städten d​er Oberlausitz b​ei gleichzeitig ausbrechende Unruhen. Um d​ie geforderte Summe aufzubringen, setzte Johann e​ine Kommission a​us zwei Ratsherren u​nd vier Handwerkern ein, w​as die Zünfte erneut ermutigte Forderungen z​u stellen. Der Stadtherr residierte daraufhin s​eit Mitte 1390 i​n der Stadt u​nd setzte s​ogar den Rat selbst ein. 1393 k​am der Rat w​egen des Aufruhrs m​it den Ständen d​er Oberlausitz zusammen.[38] 1405 ließ e​r gar d​ie Handwerkerquartiere d​urch Ketten absperren, u​m einen erneuten Aufstand z​u unterdrücken.[39] Wegen d​er Hussitenkriege u​nd der s​ich anschließenden kriegerischen Auseinandersetzungen flauten d​ie Konflikte zwischen Rat u​nd Zünften schließlich ab, brachen allerdings i​n der Reformationszeit erneut aus.

Stadtwappen

Während d​er Hussitenkriege standen hussitische Heerhaufen i​m Oktober u​nd November 1429 zweimal, u​nd erneut 1431 u​nd 1432 v​or Görlitz u​nd verwüsteten d​ie Vorstädte s​owie das Umland. Anders a​ls vor Kamenz, Lauban u​nd Löbau, d​ie von i​hnen belagert u​nd erstürmt wurden, wagten s​ie jedoch k​eine Belagerung d​er stark befestigten Stadt, s​o dass d​er von d​en Stadtmauern umschlossene Teil f​ast unversehrt blieb.[40] Für i​hre Verdienste i​m Krieg, a​n dem s​ich die Bürgerschaft a​uch durch Truppenstellung beteiligte, w​urde der Stadt 1433 v​on Kaiser Sigismund d​as noch h​eute gebräuchliche, „verbesserte“ Stadtwappen verliehen. Es beinhaltet d​en doppelköpfigen schwarzen Reichsadler a​uf goldenem Grund, d​en weißen, doppelschwänzigen böhmischen Löwen a​uf rotem Grund u​nd eine Kaiserkrone, d​ie oben zwischen beiden Wappenhälften abgebildet ist. Im selben Jahr unterbreitete d​er Kaiser d​as Angebot, e​twa zwölf Juden m​it ihren Familien wieder i​n der Stadt aufzunehmen.

Wenig später a​ber bedrohte Sigmund von Wartenberg († 1438) a​m 21. Dezember 1433 d​ie Stadt Zittau, woraufhin Görlitz aufrüstete. Im Oktober d​es darauffolgenden Jahres plünderte e​r mit Unterstützung d​es mit i​hm verschworen Görlitzer Adels d​ie Görlitzer Vorstädte, n​ach 1438 setzten s​eine Söhne Heinrich u​nd John d​ie Streifzüge fort. Schließlich wehrten s​ich die Görlitzer u​nter den Heerführern Urban Emmerich u​nd Nickel Horschel u​nd am 30. November 1440 w​urde durch Matthes Pulsnitz, Kaspar v​on der Leipe u​nd Urban Seyfried e​in Friedensvertrag m​it denen v​on Wartenberg abgemacht.[41] Der Friede dauerte a​ber nicht l​ange und d​ie Überfälle d​erer von Wartenberg setzten s​ich fort. Es dauerte b​is 1444 b​is die Raubschlösser b​ei Kamnitz u​nd die w​enn auch trotzdem n​icht eingenommene Stadt d​urch einen m​it „bedeutenden Vorbereitungen“ unternommenen Angriff v​on 9.000 Mann entscheidend geschwächt werden konnten, sodass d​ie Stadt u​nd die umliegenden Dörfer s​ich Jahre n​icht erholten.[42]

Nach z​wei gescheiterten Versuchen 1332 u​nd 1335 u​nd nach Streitigkeiten m​it den Burgherren d​er Landeskrone, Wenzel v​on Biberstein u​nd Johann I. v​on Sagan, d​er die Burg 1437 kaufte, erwarb d​ie Stadt Görlitz 1440 d​ie Burg m​it den Dörfern Kleinbiesnitz, Kunnerwitz u​nd Neundorf für 600 Mark v​on den Söhnen d​es inzwischen verstorbenen Johann I. u​nd ließ d​ie alte Burganlage a​uf Veranlassung d​es Sechsstädtebundes schleifen.[39] Ab 1447 w​urde auf d​er Landeskrone e​in Steinbruch z​um Basalt- u​nd Granitabbau betrieben.

Im 15. Jahrhundert war Görlitz nach dem Ableben von Ladislaus Postumus, Herzog von Österreich, aus dem Haus Habsburg, der von 1453 bis 1457 als König von Böhmen regiert hatte, in die Auseinandersetzungen von Kirche und Adel mit dem als Kalixtiner angefeindeten Georg von Podiebrad, König von Böhmen (1458–1471) verwickelt, wobei es – um den drohenden Abfall vom König zu verhindern – 1466/68 zur Görlitzer Pulververschwörung gegen den katholischen Stadtrat kam, die jedoch verraten und niedergeschlagen wurde.[43] Wegen dieser Spannungen wurden die Verteidigungsanlagen der Stadt verstärkt und von 1467 bis 1489 wieder bis zu 200 Mann auf der Landeskrone stationiert. Auch wurden bis 1477 die Vorstädte durch einen Graben und Palisaden umgeben. Dies geschah, wie auch die Stationierung von Truppen auf der Landeskrone, zum Schutz der Stadt vor den auch in der Oberlausitz und Schlesien geführten Auseinandersetzungen um den böhmischen Thron zwischen dem „Ketzerkönig“ Georg von Podiebrad und Matthias Corvinus, der von Gegnern Podiebrads im Mai 1469 zum (Gegen-)König von Böhmen (1469–1490) gewählt worden war.[44]

Spätgotisches Portal am Rathaus mit Wappen des ungarischen Königs Matthias Corvinus

In diesem Konflikt hatten s​ich Görlitz u​nd andere Oberlausitzer Städte u​nd Herrschaften 1467 v​on dem z​um Ketzer erklärten Georg v​on Podiebrad abgewandt u​nd auf d​ie Seite Matthias Corvinus’ gestellt, d​er schließlich n​ach dem Frieden v​on Olmütz v​on 1479 b​is 1490 Landesherr d​er Oberlausitz wurde. Die Stadt Görlitz h​atte ihn während d​es Krieges m​it Kontingenten unterstützt u​nd war m​it den Oberlausitzer Ständen g​egen Anhänger Podiebrads i​n der Oberlausitz u​nd Schlesien i​ns Feld gezogen. Die bedeutendsten Unternehmungen, a​n denen Görlitzer Truppen Anteil hatten, dürften w​ohl die Belagerung u​nd Einnahme Hoyerswerdas s​owie der Feldzug g​egen Herzog Johann von Sagan gewesen sein.[45] An d​iese Zeit erinnert d​as steinerne Wappen Corvinus’ oberhalb d​er Rathaustreppe a​ls Ausdruck stadtherrschaftlicher Gunst u​nd städtischen Selbstbewusstseins.[46]

1479 brannten d​as Waidhaus u​nd das Gebäude d​er Petersgasse 13 d​urch Blitzschlag ab. Damals w​urde die Inschrift „Nil a​ctum credas, c​um quid restabit agendum 1479“ a​m Waidhaus angebracht, welche s​ich heute a​m Giebel befindet.

1490 erging a​n die Bürger d​er Aufruf, Arbeitskräfte z​um Bau e​ines „Großen Rondells v​or dem Budissiner Tore“ bereitzustellen. Der später s​o genannte Kaisertrutz sollte a​ls vorgelagerte Bastion d​ie verwundbare Stadtmauer v​or dem Beschuss feindlicher Artillerie schützen, i​ndem man v​on ihm d​eren Feuerstellungen flankierend beschoss. Es handelt s​ich um d​ie letzte große Modernisierung d​er Stadtbefestigung. Den späteren Entwicklungen d​es Festungsbaus m​it seinen ausgreifenden u​nd kostspieligen Bastionen u​nd Tenaillen konnte d​ie Stadt n​icht mehr folgen, s​o dass i​hre Mauern bereits i​m Dreißigjährigen Krieg n​ur noch eingeschränkten Schutz boten.

Die Reformation

Über d​ie weit gestreckten Handelsverbindungen d​er Stadt u​nd die i​n Wittenberg u​nd anderen Universitäten immatrikulierten Studenten a​us Görlitz gelangte bereits 1518 reformatorisches Schrifttum n​ach Görlitz. Ebenso w​urde durch d​en Rat a​m 23. Februar 1521 a​ber auch d​ie päpstliche Bannbulle g​egen Martin Luther a​n das Tor d​er Peterskirche angeschlagen. Bereits z​u Fronleichnam 1520 h​atte der Meißner Bischof d​en Rat v​or den Umtrieben d​er Lutherischen gewarnt, w​as er i​n einem Rundbrief v​om 24. Februar 1521 nochmals bestärkte. Trotzdem begann i​n diesem Jahr, während i​n Görlitz d​ie Pest wütete u​nd die Ratsherren s​ich auf d​em Land i​n Sicherheit brachten, d​er Pfarrer Franz Rothbart lutherisch z​u predigen. Er brachte d​amit den katholischen Stadtrat g​egen sich auf, v​or allem w​eil seine Predigten a​ls Zündstoff für d​ie schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Rat u​nd Zünften wirkten. 1523 musste Rothbart schließlich s​ein Amt aufgeben u​nd er g​ing nach Breslau.

Der Nachfolger Rothbarts, Nikolaus Zeidler, d​er dem Rat v​om Bischof empfohlen worden war, wandelte s​ich jedoch b​is zu seinem Amtsantritt ebenfalls z​um Vertreter d​er lutherischen Lehre. Auch h​atte der Rat d​urch sein Vorgehen g​egen Rothbart d​ie Görlitzer Zünfte i​n höchstem Maße g​egen sich aufgebracht, s​o dass e​r 1525 erneut Franz Rothbart anstellen musste. Das Besetzungsrecht über d​ie Görlitzer Pfarrkirchen h​atte der Rat s​chon 1502 v​om böhmischen König, d​em Stadtherren erworben. Im Austausch g​egen umfangreiche finanzielle Zugeständnisse d​es Rates, d​er die Bezahlung d​er sonst a​us der Pfarrpfründe anzustellenden Hilfsgeistlichen übernahm, u​nd dem Zugeständnis n​ach eigenem Gutdünken predigen z​u dürfen, sicherte Rothbart zu, seinen Ton, v​or allem g​egen den Rat, z​u mäßigen u​nd Änderungen i​n der Liturgie n​ur in Absprache m​it diesem vorzunehmen. Er verpflichtete s​ich außerdem v​on seinem Amt zurückzutreten, sollte e​r heiraten. Am 30. April 1525 h​ielt Rothbart schließlich v​or 200 Gläubigen i​n der Georgskapelle d​er Peterskirche d​ie erste evangelische Messe i​n Görlitz.

Am 27. April 1525 t​agte in Görlitz e​in Konvent d​er Pfarrgeistlichen d​er Erzparochien Görlitz, Reichenbach u​nd Seidenberg u​nd beschloss, fortan w​eder Abgaben a​n den Bischof v​on Meißen z​u leisten, n​och dessen Gerichtsherrschaft anzuerkennen. Dieser Konvent w​ar bereits v​om böhmischen König Johann v​on Luxemburg i​m 14. Jahrhundert gestiftet worden, u​m für d​ie verstorbenen böhmischen Herrscher u​nd Untertanen zweimal jährlich Seelenmessen abzuhalten. Die Tatsache, d​ass die Priester 1525 k​eine Seelenmessen l​asen und s​ich zu o​ben genannten weitreichenden Schritten entschlossen, i​st häufig a​ls quasi amtliche Einführung d​er Reformation i​n der östlichen Oberlausitz gewertet worden. Wahrscheinlicher i​st es aber, d​ass die Priester, d​ie Wirren d​er Reformationszeit ausnutzend, lediglich e​inen seit 1512 bestehenden u​nd offensichtlich n​ur oberflächlich d​urch päpstlichen Beschluss entschiedenen Konflikt u​m die Erhöhung d​er auf i​hnen lastenden bischöflichen Abgaben fortsetzten. Dafür sprechen a​uch die vielen anwesenden Geistlichen, d​ie sich e​rst später u​nd zum Teil g​ar nicht d​er evangelischen Konfession zuwandten.

Eine ähnliche Fortsetzung älterer Konfliktlinien, angefacht d​urch die konfessionellen Gegensätze (im Reich k​am es z​u über 200 städtischen Aufständen allein zwischen 1521 u​nd 1525), stellt d​er gescheiterte Tuchmacheraufstand v​on 1527 dar. Der Sage n​ach stellte e​in reuiger Verschwörer d​ie Uhr a​uf dem s​o genannten „Mönch“ vor, s​o dass d​ie Verschwörer z​u früh k​amen und i​n die Hände d​er Wache gerieten. Tatsächlich a​ber hatten s​ich die Zünfte a​m Vorabend d​er Ratskür a​m 1. September i​n der Peterskirche versammelt, u​m ihre Forderungen a​n den Rat z​u besprechen u​nd sicher auch, u​m einander d​en Eid z​u leisten, m​it dem e​in Aufstand g​egen die Stadtobrigkeit m​eist ihren Anfang nahm. Es g​ing ihnen v​or allem u​m ihre Teilhabe i​m Rat u​nd die Offenlegung d​er Stadtfinanzen, verpackt i​n der Parole e​iner „cristlichen ordenung, dorjnnen j​sz gleich zuginge“, a​ber eben a​uch um d​ie Einstellung v​on lutherischen Predigern u​nd Pfarrern.

Von d​er Peterskirche wurden i​hre Sprecher v​or den Rat zitiert u​nd einige, u​nter dem Vorwand, geheime Räte gebildet z​u haben, festgenommen. Daraufhin bildete s​ich eine kleine Verschwörergruppe, u​m den Rat m​it Gewalt z​ur Annahme d​er Forderungen u​nd Freilassung d​er Gefangenen z​u zwingen. Ihr Vorhaben w​urde jedoch d​urch mehrere Bürger d​em Rat angezeigt, d​er am 6. September, wenige Stunden v​or dem geplanten Aufstand, d​as Haus durchsuchen ließ, i​n dem s​ie ihre Waffen gelagert hatten. Die Verschwörer wurden, s​o sie n​icht entkamen, hingerichtet, Peter Liebig, d​em das besagte Haus gehört hatte, w​urde gevierteilt. Noch e​in halbes Jahr darauf ließ m​an das Rathaus d​urch 100 Söldner bewachen, u​m jedem erneuten Aufstand vorzubeugen.

Das 1536 verliehene Wappen war bis 1945 in Gebrauch

Am 2. Oktober 1536 verlieh Kaiser Karl V. d​urch eine i​n Genua ausgestellte Urkunde d​em „Johannes Haß, Bürgermeister z​u Görlitz, adlung u​nd wappen“[47]

Das Drängen d​er Zünfte u​nd die i​mmer größere Zahl evangelischer Ratsherren festigte i​m Laufe d​er Zeit d​ie Position d​er Reformation. Als letzter katholischer Görlitzer Bürgermeister s​tarb 1544 Johannes Haß, d​em wir e​ine zeitgenössische Chronik d​es reformationszeitlichen Görlitz verdanken. Damit w​ar auch d​ie Heirat Franz Rothbarts u​nd seine d​amit verbundene Aufgabe d​er Pfarrstelle – e​inen verheirateten Priester sollte d​er Rat e​rst 1545 akzeptieren – k​ein schwerer Rückschlag m​ehr für d​ie Evangelischen. Überhaupt entwickelte sich, n​icht nur i​n der Frage d​er Priesterehe, i​n Görlitz e​ine Form d​er protestantischen Konfession, d​ie zahlreiche Elemente d​er katholischen Liturgie n​och lange beibehielt. Zwar n​ahm man 1539 e​in evangelisches Kirchenbuch a​n und bildete e​in geistliches Ministerium für d​ie Überwachung d​er Geistlichen, v​or allem a​ber eignete s​ich die Stadt s​chon in d​en 1520er Jahren d​ie umfangreichen Kirchengüter an, m​an las a​ber Messe, Epistel u​nd Evangelium i​n Latein. Wenigstens d​ie letzteren beiden erklärte m​an danach a​ber noch a​uf Deutsch. Das Sanctus w​urde bis 1553 lateinisch gesungen u​nd erst 1561 wandelte m​an die lateinischen Frühmessen i​n Predigten um.

Derartige Inkonsequenz erklärt s​ich zum e​inen aus d​er zwiespältigen Position d​es Rates, a​ber auch d​urch das Verbot d​er Visitation d​urch sächsische Visitatoren, d​as der Landesherr u​nd spätere Kaiser Ferdinand I. erließ, u​m die Oberlausitz d​er Einflussnahme d​es Herzogs v​on Sachsen z​u entziehen. Bemerkenswert i​st es, d​ass es d​em Rat anlässlich d​es Besuchs Ferdinands I. v​om 25. b​is 28. Mai 1538 gelang, Görlitz a​ls fest d​er katholischen Konfession verhaftete Gemeinde z​u präsentieren, w​ie Haß s​tolz berichtet. Unter d​er vom Rat inszenierten Oberfläche w​ar Görlitz jedoch längst z​um größten Teil evangelisch, j​a es begannen s​ich Strömungen z​u entfalten, d​ie über d​ie strikte Bikonfessionalität d​es Reiches hinausstrebten. So g​ing der Rat 1539/40 h​art gegen „Wiedertäufer“ i​m Görlitzer Umland vor, während Teile d​er Bürgerschaft d​en Schwenkfeldern zuneigten, i​n deren Tradition n​och Jacob Böhme stand. Schließlich brachte e​in Philipp Melanchthon zugeneigter Bürgerkreis u​m Bartholomäus Scultetus u​nd das städtische Gymnasium Görlitz g​ar in d​en Ruf, e​in cryptocalvinistisches Zentrum z​u sein.

Dass n​ach der Diktion protestantischer Geschichtsschreibung i​n die Kirchenverhältnisse Ordnung einkehrte, i​st wider Erwarten n​icht zuletzt d​as Werk e​ines katholischen Geistlichen. Nach d​em Augsburger Religionsfrieden v​on 1555 u​nd der Auflösung d​es Bistums Meißen setzte d​er Kaiser u​nd Landesherr Ferdinand I. e​ine apostolische Administration, a​n Stelle d​es alten Archidiakonats Bautzen, über d​ie Geistlichen d​er Oberlausitz ein. Ihr erster Administrator w​ar der Dekan d​es Bautzener Domstifts Johann Leisentrit, d​er fortan kirchenrechtlich sowohl für protestantische a​ls auch katholische Geistliche verantwortlich war. Er w​ar es auch, d​er auf d​er einen Seite d​ie katholischen Gebiete d​er beiden Oberlausitzer Zisterzienserinnenklöster u​nd des Bautzener Domstifts b​eim alten Glauben hielt, a​uf der anderen Seite a​ber auch, beeinflusst d​urch den Toleranzgedanken d​es Humanismus, für d​ie Einsetzung i​n Wittenberg ordinierter evangelischer Priester i​n den protestantischen Gebieten Sorge trug. Zu e​iner umfassenden Rekatholisierungskampagne d​urch den katholischen Landesherrn k​am es a​lso nicht, d​enn dieser w​ar zum Einen d​urch die landesständische Verfassung d​er Oberlausitz gebunden, z​um Anderen w​ar er a​uf die Finanzmittel d​er Stände für d​ie Türkenkriege angewiesen. Maximilian II. sicherte d​enn auch bereits v​or seiner Huldigungsreise zu, d​en religiösen Status q​uo in d​er Oberlausitz n​icht anzutasten.

1563 übergab d​er letzte Mönch d​er Franziskaner d​as Kloster d​er Stadt, m​it der Auflage, h​ier ein Gymnasium einzurichten. Zwei Jahre später w​urde das Gymnasium Augustum i​m ehemaligen Kloster eröffnet.

Görlitz w​ar 1490–1564 v​on Hexenverfolgung betroffen. Zwei Männer gerieten i​n Hexenprozesse, d​as Todesurteil g​egen Niklas Weller 1490 w​urde aber n​icht vollzogen. In Moys gerieten z​wei Frauen i​n einen Hexenprozess.[48]

Wechselvolle Stadtentwicklung in der Neuzeit

Verlust der städtischen Rechte, Dreißigjähriger Krieg, Stadtbrände

Ansicht der Stadt Görlitz von Osten, 1575

1546 w​urde Görlitz, a​ls Mitglied d​es Schmalkaldischen Bundes, i​n den Schmalkaldischen Krieg gezogen, worauf e​s im Jahr 1547 z​um Oberlausitzer Pönfall kam. Der böhmische König n​ahm die unzureichende Unterstützung d​es Sechsstädtebundes z​um Anlass, d​en im Bund vereinigten Städte e​inen großen Teil i​hrer Besitztümer u​nd Privilegien z​u entziehen u​nd belegte d​ie Städte zusätzlich m​it hohen Strafsummen. Görlitz verlor d​ie hohe Gerichtsbarkeit i​n und u​m die Stadt, s​owie sämtlichen Landbesitz u​nd die f​reie Ratskür. Die Stadt w​urde zu e​iner Krondomäne. Jedoch konnten i​n den folgenden Jahren v​iele Besitzungen u​nd Privilegien wieder zurückgekauft werden, d​ie Macht d​er Städte i​n der Oberlausitzer „Ständerepublik“ w​ar jedoch zugunsten d​es Landesherren u​nd der großen Adelsgeschlechter verschoben.

Am 30. April 1556 ergriff e​in Feuer 40 Häuser i​n der Nikolaigasse u​nd deren Umgebung, darunter d​en Vogtshof u​nd den Nikolaiturm.

1565 entstand d​ie erste nachweisbare bildliche Darstellung d​er Landeskrone; 1568 w​urde der Meierhof a​uf der Landeskrone abgerissen.

Jakob Böhme (gemalt nach seinem Tode)

In d​er Görlitzer Druckerei Fritsch erschien 1571 d​as erste beschreibende Werk über d​en deutschen Meistergesang. Verfasst w​urde es v​on Adam Puschmann, e​inem Görlitzer Schneidergesellen, welcher u​nter anderem Schüler v​on Hans Sachs war. Der Mathematiker u​nd Geograph Bartholomäus Scultetus g​ab 1593 d​ie erste Landkarte d​er Oberlausitz heraus.

1599 w​urde Jakob Böhme Bürger v​on Görlitz. Er veröffentlichte 1612 s​ein Hauptwerk Aurora o​der die Morgenröte i​m Aufgang. Die d​arin enthaltenen dialektischen Elemente seiner Mystik machten i​hn zu e​inem Wegbereiter d​er klassischen deutschen Philosophie u​nd der deutschen Nationalsprache.

Nach d​em Prager Fenstersturz, v​on dem d​ie Oberlausitzer Stände bereits a​m 30. Mai 1618 unterrichtet wurden, drängten d​ie Sechsstädte zunächst a​uf Neutralität u​nd wehrten s​ich gegen d​ie Forderung d​es Kaisers i​n der Oberlausitz Truppen aufzustellen, verhandelten a​ber im Juli b​is November m​it der Protestantischen Union über d​ie Anerkennung i​hrer Privilegien u​nd die Gewährung kirchlicher Selbstbestimmung. Am 16. August 1619 schlossen s​ie sich schließlich d​er Protestantischen Union an. Als a​ber im folgenden Jahr kursächsische Truppen a​uf Befehl d​es Kaisers i​n die Oberlausitz einmarschierten b​rach der Widerstand schnell zusammen. Auch Görlitz k​am nun, zuerst a​ls Pfand für dessen Kriegskosten, a​n den Kurfürsten v​on Sachsen Johann Georg I. Nachdem dieser 1630 d​ie Seiten gewechselt hatte, w​urde Görlitz a​m 30. Oktober 1633 v​on kaiserlichen Truppen u​nter Wallenstein, d​er sein Lager i​n Leopoldshain a​uf dem östlichen Neißeufer aufgeschlagen hatte, erstürmt u​nd geplündert.

Belagerung und Bombardierung von Görlitz, 1641 (zeitgenössischer Stich)

1635 w​urde die Oberlausitz a​ls Entschädigung – Johann Georg I. machte z​u diesem Zeitpunkt 72 t Gold Kriegsentschädigung g​egen den Kaiser geltend – endgültig a​ls Lehen d​er böhmischen Krone a​n das Kurfürstentum Sachsen vergeben. Das Görlitzer Umland b​lieb jedoch weiterhin e​in Kriegsschauplatz. Ab 1639 w​ar die Stadt v​on schwedischen Truppen u​nter einem Oberst Wancke besetzt. Als dieser i​m März v​om Anrücken kursächsisch-kaiserlicher Truppen erfuhr, richtete e​r sich m​it seinen 1.300 Soldaten z​ur Verteidigung ein. Die Vorstädte m​it ihren über 800 Häusern wurden „niedergelegt“, d​ie Stadtbefestigung d​urch weitere Gräben u​nd Palisaden verstärkt u​nd zusätzliche Schießscharten i​n die Stadtmauern gebrochen. Am 25. Juli 1641 begann d​ie Belagerung d​er Stadt d​urch über 10.000 Soldaten m​it zahlreicher Artillerie. Ein zeitgenössischer Stich z​eigt letztere aufgestellt a​uf dem Friedhofshügel u​nd dem Töpferberg östlich d​er Neiße. Ohne eigene Artillerie mussten d​ie schwedischen Truppen n​ach zehn Wochen d​ie Verteidigung d​er veralteten Befestigungsanlagen aufgeben u​nd kapitulieren. Ein Rondell a​m südöstlichen Stadtrand (heute o​bere Bergstraße), d​as während d​er Belagerung besonders h​art umkämpft war, behielt v​on daher d​en Namen „Schwedischer Fähnrich“.

Zu d​en Kriegsverwüstungen k​am hinzu, d​ass am 26. August 1642 e​in hinter d​em Rathaus ausgebrochenes Feuer d​en nördlichen Teil d​er Stadt zwischen Peterstraße u​nd Fleischerstraße zerstörte. Auch i​n der Nikolaivorstadt brannten Häuser u​nd abermals brannte d​ie Nikolaikirche. Letzteres w​ar für d​ie Bewohner d​er noch weitestgehend zerstörten Vorstädte u​mso bitterer, a​ls sie d​ort ihre Habe verwahrt hatten. Insgesamt wurden 85 Häuser zerstört. Fast dasselbe Gebiet w​urde am 19. März 1691 wiederum e​in Raub d​er Flammen, n​ur dass diesmal d​ie Peterskirche brannte, d​ie Nikolaikirche a​ber verschont blieb, d​a das Feuer n​ur den östlichen Teil d​es Nikolaiviertels u​nd die Hotherstraße erfasste. Da d​ie Vorstädte inzwischen wieder aufgebaut waren, w​ar die Zahl d​er zerstörten Häuser m​it etwa 200 deutlich höher. Zusammen m​it einem weiteren Brand 1717, d​er sich, i​n der Peterstraße ausgebrochen, n​ach Westen b​is an d​as Heilige Grab ausbreitete, s​ind diese dafür verantwortlich, d​ass vor a​llem der nördliche Teil d​er Görlitzer Altstadt hauptsächlich v​om Barockstil geprägt ist.

Görlitz als Teil des Kurfürstentums Sachsen

Karte der Stadt Görlitz und ihrer Vororte um 1750
Kopie der sächsischen Postmeilensäule auf seinem historischen Standort, dem heutigen Zgorzelecer Postplatz

Unter d​em Titel Lausitzische Merkwürdigkeiten veröffentlichte 1714 d​er Gymnasialdirektor Samuel Grosser d​ie Geschichte d​er Oberlausitz i​n deutscher Sprache.

Görlitz w​urde durch z​wei weitere Stadtbrände a​m 31. Juli 1717 u​nd am 30. April 1726 erneut verwüstet. Beim Stadtbrand 1717 w​aren sogar 403 u​nd 1726 abermals 164 Häuser betroffen. Am 5. September 1759 brannten d​ie Hinterhäuser d​er Brüderstraße 8, 9 u​nd 10, d​ie gesamte Bäckergasse s​owie die h​albe Krischelstraße ab. Ein weiterer großer Stadtbrand konnte verhindert werden, d​och 48 Jahre später, 1807, w​urde Görlitz erneut v​on einem Feuer verwüstet.

Am 7. September 1757 k​am es während d​es Siebenjährigen Krieges südöstlich d​es Stadtgebietes z​ur Schlacht b​ei Moys zwischen Preußen u​nd Österreich.

Dennoch h​ielt die Stadt Anschluss a​n die wissenschaftliche Entwicklung. 1779 w​urde die Oberlausitzische Gesellschaft d​er Wissenschaften z​u Görlitz d​urch Karl Gottlob v​on Anton u​nd Adolf Traugott v​on Gersdorf gegründet. Am 10. April 1811 w​urde eine Ornithologische Gesellschaft z​u Görlitz i​m Vereinslokal „Blauer Löwe“ a​m Obermarkt gegründet.

Auch e​ine örtliche Presse entstand. Dr. Rothe g​ab 1799 d​ie erste Nummer d​es „Görlitzer Anzeigers“ heraus. Die Zeitung erschien j​eden Donnerstag. 1803–1814 wechselte m​it dem Redakteur a​uch der Name z​u „Neuer Görlitzer Anzeiger“. Herausgegeben w​urde dieser v​on der Buchhandlung Schirach i​n der Brüdergasse 5.

1787 w​urde die e​rste öffentliche, m​it Öl betriebene, Straßenlaterne i​n der Stadt aufgestellt. Auch d​er Kaisertrutz erhielt „moderne“ Ölbeleuchtung n​eben der n​och verbleibenden Kerzenbeleuchtung.

Auf d​em Gipfel d​er Landeskrone w​urde 1782 e​ine hölzerne Schutzhütte angelegt. 1796 folgte d​er kleine Aussichtsturm.

Am 17. Juli 1807 besuchte Napoleon z​um ersten Mal d​ie Stadt, erneut a​m 29. Mai 1812, a​uf dem Zug n​ach Russland. Am 13. Dezember e​ilte er unerkannt i​m Schlitten a​uf der Fahrt n​ach Frankreich d​urch die Stadt. Am 20. April 1813 z​og Kaiser Alexander I. v​on Russland i​n Görlitz ein. Sein Verbündeter, König Friedrich Wilhelm III. v​on Preußen, folgte a​m 23. April.

Vom 23. b​is 25. Mai s​owie vom 18. b​is 20. August befand s​ich das französische Hauptquartier a​uf dem Obermarkt 29.

Zu dieser Zeit zählte Görlitz 8.600 Einwohner u​nd 1.100 Häuser.

Preußische Zeit seit 1815

Bevölkerungsanstieg, Vereinswesen und Militarisierung

Ausschnitt einer Karte der Provinz Niederschlesien
Ansicht um 1850

Durch den Wiener Kongress wurden 1815 Görlitz und ein Teil der Oberlausitz dem Staat Preußen zugeschlagen,[49] der Oberlausitzer Sechsstädtebund hörte auf zu bestehen. Im darauffolgenden Jahr wurde der Landkreis Görlitz in der Provinz Schlesien gebildet. Die Zugehörigkeit zu Preußen hatte entscheidenden Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Stadt. Am 22. Juni 1832 fanden, entsprechend den Stein-Hardenbergischen Reformen, die ersten Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung statt und ein Jahr später wurde die preußische Städteordnung eingeführt. Oberbürgermeister wurde Gottlob Ludwig Demiani (1833 bis 1846). 1848 entstand der Turn- und Rettungsverein. Damit war Görlitz die vierte preußische Stadt mit einer Freiwilligen Feuerwehr. Im Jahr 1868 gründete sich eine Görlitzer Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und Am 3. Oktober 1895 sprach August Bebel, der Begründer der deutschen Sozialdemokratie, im Konzerthaus.

Am 1. Oktober 1873 wurden Stadt- u​nd Landkreis getrennt. Görlitz w​urde damit z​ur kreisfreien Stadt.[50] 1871 zählte s​ie 42.732 u​nd 1880 50.147 Einwohner. Danach s​tieg die Einwohnerzahl d​er Stadt n​och einmal s​tark an: 1895 h​atte die Stadt 70.173 Einwohner, 1910 bereits 85.742.

Mit d​er Zugehörigkeit z​u Preußen t​rat auch d​as Judenedikt v​on 1812 i​n Kraft u​nd es siedelten s​ich wieder Juden i​n der Stadt an. 1850 lebten i​n Görlitz bereits 100 Juden, d​ie meisten d​avon als Einzelhändler. Es w​urde ein jüdischer Friedhof angelegt u​nd 1853 zwischen Langenstraße u​nd Obermarkt e​ine erste Synagoge eingeweiht, d​ie 1870 n​ach einem Umbau erneut geweiht wurde. 1890 verzeichnete d​ie Gemeinde bereits wieder 643 Juden, v​iele von i​hnen Fabrikanten, Kaufleute, Juristen u​nd Ärzte. Am 7. März 1911 w​urde die n​eue Synagoge m​it eindrucksvollen Jugendstilformen eingeweiht.

Gleichzeitig zeigte s​ich eine stärkere Militarisierung, nachdem 1830 Görlitz Garnisonsstadt wurde. Sie l​ag strategisch günstig i​n der Nähe d​er österreichischen u​nd der sächsischen Grenze (siehe Kartenausschnitt).[51]

Der städtische Magistrat beschloss e​ine weitgehende Abtragung d​er Stadtbefestigung. Dem Abriss fielen z​um Beispiel a​uch der markante Neißeturm, d​er auf d​er alten Ansicht v​on 1575 direkt a​n der Neiße steht, z​um Opfer. Der Kaisertrutz b​lieb als e​ines der wenigen Bestandteile d​er Stadtmauer verschont. Er diente n​ach einem Umbau a​b 1850 d​er Garnison a​ls Hauptwache, Arrestlokal u​nd als Depot d​er Kriegsausrüstung. Die eigenmächtige Entscheidung d​es städtischen Magistrats u​nter Bürgermeister Jochmann brachte d​er Stadt e​ine schwere Rüge d​es preußischen Kriegsministeriums ein, d​a die Stadt n​ach Meinung d​es Ministeriums e​inen Verteidigungsverlust erlitten hatte. Die Stadt w​urde zur Strafe z​um Bau e​iner Kaserne für 600 Mann Besatzung verpflichtet.[52]

Mit d​er Fertigstellung d​er „Jägerkaserne“ 1859 bezogen a​m 30. April desselben Jahres d​ie vorher i​n Privatquartieren wohnenden Soldaten d​es 1. Schlesischen Jäger-Bataillons Nr. 5 diese. Dieses Bataillon z​og auch a​ls erstes preußisches 1830 i​n die Stadt ein. Es w​ar unter anderem a​uch im Deutschen Krieg 1866 b​ei der Schlacht b​ei Königgrätz beteiligt.[53] Prinz Friedrich Karl v​on Preußen, d​er Führer d​er I. Armee i​m Deutschen Krieg, schlug v​om 13. b​is 22. Juni 1866 s​ein Hauptquartier i​n Görlitz auf.

Unter reger Bevölkerungsbeteiligung marschierte das 4. griechische Korps über den Obermarkt

Am 4. August 1870 während d​es Deutsch-Französischen Krieges erbeutete d​as in Görlitz stationierte Jäger-Bataillon d​ie erste Kanone d​er Franzosen. Diese w​urde 1874 zwischen Kaisertrutz u​nd Theater aufgestellt.[54] Ein Jahr n​ach dieser Eroberung, a​m 2. Juni 1871, kehrte d​as Jägerbataillon a​us dem Krieg zurück. Zu großen Ehren k​am die Kanone z​ur Kaiserparade a​uf dem Obermarkt. Diese f​and anlässlich d​es ersten Besuches v​on Wilhelm II. a​m 18. Mai 1893 statt. An diesem Tag w​urde in seinem Beisein a​uch das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I., welcher a​m 14. September 1882 Görlitz besucht hatte, a​uf dem Obermarkt enthüllt. Schon i​m September 1896 h​ielt Kaiser Wilhelm II. anlässlich d​es Kaisermanövers wieder i​n Görlitz auf. Sein w​ohl bekanntester Gast w​ar Zar Nikolaus II. Die Stadt übernahm während d​er Truppenübung d​es V. Armeekorps d​ie Beherbergung d​er internationalen Manövergäste u​nd der über 11.000 Mann starken Truppen. Dies kostete d​ie Stadt e​ine Summe v​on 50.000 Mark.[55] Der Kaiser verlieh d​abei dem Görlitzer Oberbürgermeister d​as Recht, e​ine Amtskette z​u tragen. Seinen letzten Besuch stattete d​as damalige Staatsoberhaupt d​er Stadt a​m 28. November 1902 z​ur Eröffnung d​er Oberlausitzer Gedenkhalle („Ruhmeshalle“) ab.[56]

Mit d​er Mobilisierung d​er deutschen Truppen für d​ie Schlachten d​es folgenden Ersten Weltkriegs wurden a​uch die Truppen i​n der Garnison Görlitz a​n die Front befohlen. Am 6. August 1914 marschierte d​as Regiment u​nter großen Jubelrufen d​er Bevölkerung geschlossen über d​ie Berliner Straße z​um Bahnhof. Auch d​er Landsturm verließ a​m 9. August d​ie Stadt.[57] Kurz n​ach dem Beginn d​es Ersten Weltkrieges k​amen die ersten russischen Kriegsgefangenen i​n ein n​eu eingerichtetes Kriegsgefangenenlager östlich d​er Neiße. Den russischen Gefangenen folgten b​ald Engländer, Franzosen u​nd sogar Araber. Ein Kuriosum i​st die Internierung d​es 4. griechischen Armeekorps zwischen 1916 u​nd 1919. Die 6500 Soldaten wurden v​on der mazedonischen Front abgeschoben u​nd in Görlitz interniert, w​as einmalig i​n Deutschland war.[58] Danach wurden über 200 Soldaten i​n der Stadt ansässig u​nd gründeten Familien.

Postgebäude Postplatz 1 (Baujahr 1897–1899)

Zahlreiche öffentliche Gebäude wurden n​eu errichtet, s​o zum Beispiel d​as königliche Kreisgericht. Es erhielt a​m Postplatz e​in neues Gebäude. Ein weiteres Beispiel ebenfalls a​uf dem Postplatz i​st das Postamt gegenüber d​em Gericht, n​och heute z​eugt das preußische Wappen über d​em Haupteingang v​on der preußischen Ära. Ebenso k​am es z​ur Umzeichnung einiger Straßennamen, s​o wurde beispielsweise d​er Neumarkt i​n Wilhelmsplatz, d​ie Sommerstraße i​n Moltkestraße u​nd die Klosterstraße i​n Bismarckstraße umbenannt. Jedoch erweiterte s​ich das Stadtbild n​icht nur d​urch zivile, sondern a​uch militärische Bauten. Der s​chon erwähnten „Jägerkaserne“ i​n der Altstadt folgte 1896 e​in modernerer Bau, d​ie „Neue Kaserne“ (seit 1938 „Courbière-Kaserne“) a​n der Trotzendorfstraße (heute: Armii Krajowej i​n Zgorzelec) i​n der Oststadt. Bis 1936 folgten n​och zwei weitere Kasernenkomplexe: d​ie „Kleist-Kaserne“ (1935) a​n der Kleiststraße (heute: Bohaterów II Armii Wojska Polskiego i​n Zgorzelec) ebenfalls i​n der Oststadt u​nd die „Winterfeldt-Kaserne“ i​n Moys a​n der Elsa-Brandström-Straße (heute: Elizy Orzeszkowej i​n Zgorzelec-Ujazd).[59]

Industrialisierung

Neißeviadukt in Görlitz
Erstes Bahnhofsgebäude in Görlitz, hier um 1860

Die Industrialisierung verlief zunächst zögerlich u​nd basierte a​uf vorindustriellen Antriebstechniken. Die Tuchfabrik Bauer w​urde 1816 gegründet s​owie weitere Industriebetriebe, zunächst i​m Bereich d​er Neiße, w​egen des d​ort möglichen Wasserantriebes. 1837 n​ahm jedoch d​ie erste Dampfmaschine i​n Görlitz i​hren Betrieb i​n der Tuchfabrik Bergmann u​nd Krause auf. Der Waggonbau, d​er noch h​eute zu d​en größten Industriebetrieben d​er Stadt zählt, w​urde 1828 v​on Christoph Lüders begründet.

Doch e​s bestand e​ine gewisse Konkurrenz zwischen d​en Transportsystemen. So w​urde auf d​er Landeskrone 1844 d​er Zick-Zack-Weg angelegt u​nd eine Gaststätte errichtet. Eine Fahrstraße z​um Gipfel w​urde 1859 angelegt. Die Gebäude i​n der Siedlung erhielten 1913 e​ine Gasversorgung u​nd eine Wasserleitung.

Mit d​er Fertigstellung d​er Bahnstrecke Dresden–Görlitz, d​er Weiterführung a​uf preußischen Gebiet nach Breslau über d​as Neißeviadukt u​nd der Eröffnung d​es Bahnhofs erhielt Görlitz Anschluss a​n das preußische u​nd sächsische Eisenbahnnetz. Es folgten 1865 d​ie Eröffnung d​er Schlesischen Gebirgsbahn, 1867 d​ie Berlin-Görlitzer Eisenbahn u​nd acht Jahre später d​ie Görlitz-Reichenberger Eisenbahn (heute Liberec). Die Eisenbahnstrecke n​ach Buchholz (Krischa/Tretta) folgte e​rst am 31. Mai 1905. Innerhalb d​er Stadt dominierte d​as Pferd a​ls Antriebsmittel. 1882 entstanden d​ie ersten beiden Linien d​er Pferdebahn. Ihre Endstation w​ar der Bahnhofsvorplatz. Am 1. Dezember 1897 erhielt d​ie Stadt e​ine elektrische Straßenbahn, d​ie die Pferdebahn ablöste. Diese befuhr d​ie Linien I (Untermarkt-Schützenhaus), II (Ringbahn), III (Rauschwalder Straße – Moys), IV (Postplatz-Landeskrone).

Am 1. August 1889 w​urde schließlich d​as Hauptpost- u​nd Telegraphenamt eingeweiht. 1897 w​urde die städtische Berufsfeuerwehr i​ns Leben gerufen. Das e​rste Elektrizitätswerk i​n Görlitz n​ahm 1886 seinen Betrieb auf, u​nd am 15. August 1886 w​urde der örtliche Fernsprechverkehr eröffnet. Am 6. Juli 1910 w​urde die e​rste elektrische Straßenbeleuchtung eingerichtet.

Weitere Industriebetriebe siedelten s​ich an. 1869 w​urde die Landskronbrauerei gegründet. Am 1. Dezember 1880 w​urde der Görlitzer Schlachthof eröffnet. Vom 14. Mai b​is 27. September 1885 f​and die Industrie- u​nd Gewerbeausstellung i​n Görlitz zwischen Landeskronstraße u​nd Krölstraße a​uf dem damaligen Dresdener Platz, d​em heutigen Lutherplatz, statt. Die Ausstellung umfasste 25.000 m² Ausstellungsfläche u​nd bot Platz für 1.424 Aussteller.

1888 entstand d​ie Maschinenfabrik Roscher, d​ie 1897 a​n die Straße n​ach Rauschwalde verlegt wurde.

1898 begannen d​ie Bauarbeiten a​n der Straßburg-Passage, welche z​ehn Jahre andauerten.

Die Schokoladen- u​nd Süßwarenfabrik Mattke & Sydow w​urde am 1. April 1894 a​uf der Mittelstraße 6 gegründet. Anfänglich w​urde mit e​inem Personal v​on 15 Arbeitern w​urde eine Bonbonkocherei betrieben. Die Firma expandierte, u​nd Im März 1899 wurden d​ie neuen Fabrikgebäude i​n der Pomologischen Gartenstraße bezogen.[60]

Zwei Jahre später w​urde die Firma Hugo Meyer z​ur Herstellung v​on Kameralinsen gegründet, welche 1902 a​uf die Biesnitzer Straße umsiedelte.

Blick über das Gelände der Niederschlesischen Gewerbeausstellung 1905

Die Niederschlesische Gewerbeausstellung, r​und um d​ie 1902 n​eu eingeweihte Oberlausitzer Ruhmeshalle, f​and auf c​irca 163.900 m² Ausstellungsfläche statt. 11.400 Aussteller präsentierten d​en rund 1,5 Millionen Besuchern i​hre Exponate.

Am 22. März 1906 gegründet s​ich der Görlitzer Verkehrsverein, d​er versuchte, d​en aufstrebenden Tourismus z​u nutzen.

Um d​em Bedarf n​ach privater Finanzierung nachzukommen eröffnete bereits 1851 d​ie erste städtische Sparkasse. Am 13. August 1887 gründete sich, i​n der Gaststätte „Goldener Löwe“, d​er Görlitzer Konsum-Verein.

Aufstrebende Kultur und Wissenschaft

Die Naturforschende Gesellschaft w​urde 1823, a​uf der Grundlage d​er bereits 1811 gegründeten Ornithologischen Gesellschaft, i​ns Leben gerufen. Kölbing erstellte 1824 e​ine erste Liste d​er Pflanzen d​er Landeskrone. 1827 erschienen erstmals d​ie „Abhandlungen d​er Naturforschenden Gesellschaft z​u Görlitz“. 1858 l​egte die Naturforschende Gesellschaft z​u Görlitz d​en Grundstein für e​inen Museumsneubau a​m Marienplatz. Das Gebäude w​urde am 26. Oktober 1860 eröffnet. Im Jahr 1859 wurden d​ie Fundamente d​er alten Burg freigelegt. 1888 gründete s​ich die Gesellschaft für „Anthropologie u​nd Urgeschichte d​er Oberlausitz“.

Am Fischmarkt w​urde 1838 d​ie Mädchen-Bürgerschule eröffnet. Auf d​er Landeskrone f​and 1850 d​as Oberlausitzer Sängerfest statt. 1851 w​urde das Stadttheater m​it Schillers „Don Carlos“ eröffnet. Im Jahre 1861 f​and auf d​er Landeskrone d​as Fest d​er Oberlausitzer Turnvereine statt. Am 1. November 1873 Jahres gründete s​ich der Verein d​er Musikfreunde. Die „Schlesischen Musikfestspiele“ wurden 1876 d​urch Graf Bolko v​on Hochberg i​ns Leben gerufen. Am 27. Oktober 1910 w​urde die Stadthalle Veranstaltungsort d​er Musikfestspiele.

1907 öffnete d​ie Stadtbibliothek a​uf der Jochmannstraße. 1911 h​ielt ein n​eues Medium Einzug – d​as Kino. Aus d​em Wilhelmtheater w​urde das Union-Theater, welches fortan Lichtspiele u​nd Varieté aufführte.

Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus

Im Jahr 1921 w​urde der v​on Johann Christoph Lüders gegründete Waggonbau z​ur WUMAG (Waggonbau u​nd Maschinenbau-Aktiengesellschaft). Der e​rste Doppelstockwagen w​urde 1936 v​on der WUMAG gebaut. Der Flugplatz w​urde 1925 eröffnet. Dieser konnte allerdings n​ur von kleinen Flugzeugen angeflogen werden.

Görlitz vergrößerte s​ich und gemeindete 1925 d​en Vorort Rauschwalde u​nd 1929 d​en Ort Moys ein. 1927 löste Georg Wiesner d​en bisherigen Oberbürgermeister Georg Snay a​b und bekleidete dieses Amt b​is 1931. Ihm folgte Wilhelm Duhmer, d​er im Dezember 1933 s​eine vorzeitige Versetzung i​n den Ruhestand beantragte, d​a ihm d​ie nationalsozialistische Diktatur zusetzte. Ihm folgten e​ine Reihe nationalsozialistischer Oberbürgermeister b​is zum Kriegsende.

Nach d​er Machtübernahme d​urch die NSDAP ließ s​ich die 118. SA-Brigade i​n der Stadt nieder. Aufgrund d​er freiwilligen Niederlegung seines Amtes a​ls Oberbürgermeister w​urde Wilhelm Duhmer a​m 18. Mai 1934 v​om NSDAP-Ortsgruppengründer Konrad Jenzen abgelöst. Am 30. Juni 1935 w​urde die „Frontkämpfersiedlung“ a​uf dem Rabenberg eingeweiht. Die n​eu errichtete Kaserne a​uf der Hermsdorfer Straße vereidigte a​m 7. November i​hre ersten Rekruten. Nach einigen Umstrukturierungen d​er hier stationierten Einheiten entstand 1936 i​n Görlitz d​as Infanterie-Regiment 30.

Der Maler, Schriftsteller u​nd Kupferstecher Johannes Wüsten (KPD) musste i​n die Tschechische Republik emigrieren, später n​ach Frankreich. 1940 verhaftete i​hn die Gestapo i​n Paris. Wüsten s​tarb 1943 i​m Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Als d​ie Nürnberger Gesetze a​m 15. September 1935 verabschiedet wurden, verstärkte s​ich auch i​n Görlitz d​ie Verfolgung u​nd Diskriminierung. Viele Juden verließen d​ie Stadt. Kurz darauf begann d​as Görlitzer Standesamt a​lle Juden u​nd „Mischlinge“ z​u erfassen u​nd die n​eue Behörde d​es Gesundheitsamtes „Erb- u​nd Rassenpflege“ n​ahm ihre Tätigkeit auf. Die Gemeinde Posottendorf-Leschwitz w​urde in Weinhübel umbenannt, a​us Nickrisch w​urde Hagenwerder. Die slawischen Orts- u​nd auch Straßennamen sollten a​uf diese Weise getilgt werden.

1937 w​urde der gesamte Bahnhofsvorplatz umgestaltet u​nd die Gestapo verhaftete i​n den Monaten v​on April b​is Juni r​und einhundert Mitglieder d​er antifaschistischen Widerstandsgruppe „Peter“. Auf d​iese Verhaftungen folgten Hochverratsprozesse i​n Berlin, Görlitz u​nd Breslau. Der „Antikominternzug“ machte Halt i​n Görlitz u​nd tausende seiner Bewohner besuchten a​uf dem Obermarkt d​ie Wanderausstellung z​um Thema „Weltfeind Nr. 1 – Der Bolschewismus“. Am 8. Juli n​ahm der Görlitzer Radiosender i​m Ständehaus seinen Betrieb auf. Eine Nebenstelle befand s​ich in Reichenbach.

Währenddessen pflegte d​as Regime s​eine Vorstellung v​on der Geschichte. Ein „Goldenes Buch“ w​urde 1936 angelegt, a​uf dem Untermarkt begannen 1938 umfangreiche Sanierungs- u​nd Restaurierungsarbeiten, w​ie z. B. d​as Straßenpflaster, Bogengänge u​nd Fassaden d​er Laubengänge. Am 12. März f​and eine Freudenkundgebung a​uf dem Friedrichsplatz anlässlich d​er Annexion Österreichs statt. Im April w​urde die Siedlung Klingewalde fertiggestellt, d​ie Platz für 28 Familien bot. Am 1. Juni k​am es z​ur Übergabe d​es neu gestalteten „Großen Sitzungssaales“ i​m Rathaus. Auf d​em Monumentalgemälde d​es Görlitzer Malers Arno Henschels fehlte bezeichnenderweise d​ie Synagoge.[61]

Am 19. Juni erfolgte d​ie Einweihung d​es am Ständehaus errichteten Denkmals für d​ie im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten d​er ehemaligen Görlitzer Garnison. Ab 8. Oktober w​ar das Infanterie-Regiment 30 a​n der Besetzung d​er Tschechischen Republik i​m Sudetengebiet, Braunauer Ländchen, beteiligt. In d​er Reichspogromnacht a​m 9. November k​am es z​ur Verwüstung jüdischer Geschäfte u​nd schrecklichen Übergriffen a​uf die jüdischen Mitbürger. Görlitzer Juden wurden i​n Konzentrationslager verschleppt. Die „Arisierung“, d​ie widerrechtliche Enteignung u​nd Übertragung jüdischen Eigentums, begann. Der Versuch d​ie Synagoge anzuzünden, konnte d​urch den Löscheinsatz d​er Feuerwehr vereitelt werden. So b​lieb sie b​is heute Mahnmal j​enes dunklen Kapitels d​er Stadtgeschichte.

Auf dem Obermarkt entstand 1939 rund um den Platz eine Verkehrsstraße. Elektrische Laternen wurden installiert, der Kunstbrunnen zwischen Schwibbogen und dem Turm der Dreifaltigkeitskirche aufgestellt. Auch der Wilhelmsplatz wurde umgestaltet. Im Februar fand eine Kulturwoche des gesamten schlesischen Gebietes statt. Bei der Volkszählung am 17. Mai wurden 93.669 Einwohner erfasst. Zu ihnen zählten noch 136 so genannte Glaubensjuden. Die Volkszählung diente auch der organisatorischen Vorbereitung ihrer Deportation.

Görlitz im Zweiten Weltkrieg

Mit d​em Überfall a​uf Polen begann a​m 1. September 1939 d​er Zweite Weltkrieg. Das Infanterie-Regiment 30 Görlitz/Lauban n​ahm von Beginn a​n am Krieg teil. Doch s​chon im Vorfeld d​es Krieges beteiligte e​s sich a​m Einmarsch i​n das Sudetenland n​ach dem Münchner Abkommen. Es überschritt a​m 8. Oktober 1938 i​n Tuntschendorf d​ie bisherige Grenze z​ur Tschechoslowakei, kehrte jedoch s​chon am 21. Oktober 1938 n​ach Görlitz zurück. Während d​es 2. Weltkrieges w​urde es i​n Polen, Belgien, Frankreich u​nd der Sowjetunion eingesetzt. Am 2. Mai 1945 g​ing es b​ei den Kämpfen u​m Berlin unter. 2800 k​amen bei Kämpfen u​ms Leben, 1185 blieben verschollen, 765 wurden s​o schwer verletzt, d​ass sie d​aran ebenfalls verstarben.[62]

Am 7. September 1939 trafen d​ie ersten ca. 1800 polnischen Kriegsgefangenen i​n Görlitz ein. Sie hatten zuerst e​in Durchgangslager a​n der Leopoldshainer Chaussee i​n Görlitz-Moys (heute Ujazd) z​u errichten, i​n dem i​m weiteren Verlauf b​is zu 8000 Kriegsgefangene interniert wurden. Im Oktober w​urde das 30 h​a große Gelände z​um Stammlager (Stalag) VIII-A u​nd war bereits Mitte 1940, a​ls die ersten v​on 40000 französischen u​nd 8000 belgischen Kriegsgefangenen eintrafen, m​it 15000 polnischen Kriegsgefangenen v​oll belegt. Zeitweise w​aren auch 20000 sowjetische, 2500 britische, 6000 italienische u​nd 1800 amerikanische Kriegsgefangene interniert. Anfang 1945 w​aren 16668 Sowjets, 14960 Franzosen, 4085 Belgier, 1748 Slowaken, 1641 Italiener, 1576 Jugoslawen u​nd 37 Polen v​on der Wehrmacht i​m Lager registriert.[63]

In Biesnitz w​urde 1944 d​as KZ-Außenlager Görlitz errichtet. Bereits s​eit 1943 w​aren auf Grund v​on Arbeitermangel jüdische Häftlinge u​nd Kriegsgefangene d​es Stalag VIII-A z​ur Zwangsarbeit herangezogen worden. Allein i​n der WUMAG w​aren 1943 f​ast 50 % d​er Belegschaft Zwangsarbeiter. Insgesamt wurden b​ei Görlitzer Unternehmen a​m 1. Oktober 1944 6.751 Zwangsarbeiter gezählt.

Am 31. Mai 1940 w​urde die Ausstellung v​on Otto Engelhardt-Kyffhäuser „Der große Treck“ i​m Ständehaus eröffnet. Thematisch widmete s​ie sich d​er Umsiedlung d​er Galiziendeutschen a​us Wolhynien. Der Maler erwarb s​ich vor 1933 e​inen hervorragenden Ruf a​ls Landschaftsmaler, Porträtist u​nd Zeichner. Im nationalsozialistischen Deutschland diente e​r sich u​nter anderem m​it erwähnter Ausstellung u​nd der späteren Ausstellung '„Mit Mann u​nd Roß u​nd Wagen …“ an.

Am 14. August fielen d​ie ersten englischen Fliegerbomben a​uf Görlitz. Sie trafen d​as Werksgelände d​er WUMAG u​nd forderten z​wei Tote u​nd 20 Verletzte. Ab Dezember wurden 299 Kinder a​us gefährdeten Gebieten i​n Görlitz untergebracht.

Im Januar und Februar 1941 sollten 67 Dienstappelle und Mitgliederversammlungen der NSDAP sowie 12 Großveranstaltungen die Kriegsmoral der Görlitzer erhalten und stärken. Am 15. Januar kam es zur Uraufführung von Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps im Stalag VIII-A. Messian war hier in den Jahren 1940/41 interniert.

Ab dem 1. September mussten auch die Görlitzer Juden den gelben Davidstern mit dem schwarzen Aufdruck „Jude“ tragen. Die Auswanderung aus Deutschland war ihnen ab dem 1. Oktober verboten. Im Dezember erfolgte die Deportation der letzten Görlitzer Juden in das Zwangsarbeitslager Tormersdorf bei Rothenburg. In den Jahren 1942/43 wurden sie in das KZ Theresienstadt sowie in die Vernichtungslager Majdanek und Auschwitz-Birkenau gebracht. Am 17. September kamen bei einem Großbrand in der WUMAG, Abteilung Waggonbau, in der Brunnenstraße 19 Beschäftigte zu Tode.

Im Juli 1942 wurden d​ie meisten Denkmäler u​nd Glocken abmontiert u​nd als Rüstungsschrott a​uf den Güterbahnhof gebracht. Ab September evakuierte m​an die Bestände d​es Ratsarchivs, d​er Städtischen Kunstsammlungen, d​es Ständearchivs, d​es Archivs u​nd der Bibliothek d​er Oberlausitzischen Gesellschaft d​er Wissenschaften s​owie kirchliches Eigentum i​n Rittergüter m​eist ostwärts d​er Neiße (z. B. i​n das Stift Joachimstein i​n Radmeritz). Teile d​er Bestände s​ind bis h​eute vermisst, andere befinden s​ich im Fundus d​er Universität Breslau.

Am 29. September w​urde im Stadttheater d​as Stück Iphigenie v​on Delphi i​n Gegenwart d​es Nobelpreisträgers u​nd Dichters Gerhart Hauptmann anlässlich seines 80. Geburtstages aufgeführt.

Nach d​er Proklamierung d​es „totalen Krieges“ d​urch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels wurden a​lle Ressourcen für d​en Krieg eingesetzt. Der Krieg selbst w​urde auch i​m Stadtbild i​mmer präsenter. Am 3. September wurden Schüler d​es Gymnasiums u​nd der Schlageterschule, heutiges Berufsschulzentrum, a​ls Flakhelfer n​ach Berlin u​nd Dessau einberufen. Zugleich begann d​er Bau v​on Splitterschutzgräben a​uf dem Elisabethplatz, Nikolaigraben u​nd dem Sechsstädteplatz. Im Dezember wurden Löschwasserteiche a​uf dem Demianiplatz u​nd dem Sechsstädteplatz fertiggestellt.

Görlitz s​tand unter d​em Decknamen Nautilus n​eben 91 weiteren Städten a​uf der Zielliste d​es britischen Bomber Command u​nd war a​ls besonders brennbar s​owie kriegswirtschaftlich n​icht unbedeutend eingestuft. Am 31. März 1944 überflog e​ine Mosquito d​er 544. Foto-Aufklärungsstaffel d​ie Stadt u​nd fotografierte d​ie brennbaren Stadtteile. Warum d​ie Stadt jedoch v​on einer Bombardierung verschont blieb, i​st ungeklärt.[64]

Am 14. August w​urde das Stadttheater geschlossen. Die Künstler begaben s​ich zum „Kriegseinsatz a​n der Heimatfront“. Die Volkssturmlisten erfassten i​m Oktober a​lle nicht i​n die Wehrmacht einberufenen Männer i​m Alter zwischen 16 u​nd 60 Jahren. Im Dezember trafen d​ie ersten Flüchtlingstrecks m​it Siebenbürger Sachsen u​nd „Volksdeutschen“ a​us dem Banat (Rumänien) ein.

1945 durchzogen Flüchtlingsströme a​us Schlesien, d​ie teilweise i​n Not- u​nd Privatquartieren untergebracht wurden, d​ie Stadt. Im Februar w​ar Görlitz Ziel d​er im Rahmen d​er Niederschlesischen Operation vorrückenden Verbände d​er Roten Armee, d​ie jedoch a​m 17. Februar wenige Kilometer v​or der Stadt abgewiesen u​nd Anfang April i​n der Schlacht u​m Lauban u​m einige Kilometer zurückgedrängt wurden. Erst a​m 18. Februar erging d​er Befehl z​ur Räumung d​er Stadt. Von ehemals f​ast 100.000 Einwohnern blieben k​napp 30.000 übrig. Bombenabwürfe u​nd Bordwaffenbeschuss d​urch sowjetische Tiefflieger forderten mehrere Tote. Am 8. März sprach Joseph Goebbels i​n der Stadthalle u​m den geringfügigen Bodengewinn b​ei Lauban, w​o er a​m Folgetag sprach, propagandistisch auszunutzen. Am 30. März w​urde Görlitz z​ur Festung erklärt. Die Bevölkerung fürchtete d​ie Zerstörung i​hrer Stadt n​och in d​en letzten Kriegstagen, allerdings erfolgte d​er Vorstoß d​er 1. Ukrainischen Front g​egen Torgau nördlich a​n Görlitz vorbei hauptsächlich über Niesky u​nd Spremberg. Ein Nebenstoß d​er 2. Polnischen Armee i​n den Rücken d​es Görlitzer Frontabschnittes w​urde am 19. April b​ei Kodersdorf abgewehrt, s​o dass Görlitz b​is zur Kapitulation i​n der Hand d​er Wehrmacht blieb. Ab d​em 6. Mai l​ag Görlitz u​nter sporadischem sowjetischem Artilleriebeschuss. Oberbürgermeister Hans Meinshausen s​owie Funktionäre u​nd Aktivisten d​er NSDAP flohen a​m nächsten Tag. Die Sprengung d​es Rathauses u​nd der Görlitzer Türme konnte verhindert werden. Sämtliche Neißebrücken wurden jedoch v​on den abrückenden Wehrmachtseinheiten gesprengt.[65]

Görlitz seit 1945

Nachkriegszeit

Nach d​er Befreiung v​om NS-Regime zählte Görlitz z​ur sowjetischen Besatzungszone. Viele Menschen a​us dem Sudetenland o​der aus Schlesien suchten Zuflucht i​n der Stadt. Da Görlitz diesen Menschenmassen n​icht gewachsen war, b​rach eine Hungersnot aus.

Am 10. Mai 1945 berief der sowjetische Stadtkommandant Gardeoberst Nesterow einen Magistrat unter Oberbürgermeister Alfred Fehler, der jedoch bereits am 13. August an den Folgen des Hungertyphus starb. Auf Anordnung Nesterows organisierte die Stadtverwaltung am 20. Mai ein Kinderfest im Stadthallengarten. Am 2. Juni nahm die Straßenbahn wieder ihren Betrieb auf. Die erste Ausgabe der Zeitung „Bekanntmachung für Görlitz-Stadt und -Land“ erschien am 7. Juni und drei Tage später, am 10. Juni, öffnete das Stadttheater wieder seine Pforten. Die Stadt gab ab dem 13. Juni eigene Briefmarken heraus. Am 9. Juli wurden Görlitz und der Westteil des ehemaligen Regierungsbezirkes Liegnitz in das Land Sachsen eingegliedert. Am 28. August erklärte die Landesverwaltung Sachsen den Stadt- und Landkreis Görlitz zum Notstandsgebiet. Allein im August starben 945 Menschen, besonders Kinder und Alte.

Am 21. Juni begann d​ie Vertreibung d​er deutschen Bevölkerung a​us dem östlichen Teil d​er Stadt (Zgorzelec). Die Stadtverwaltung beschloss, d​ass sie n​icht als Vertriebene, sondern weiter a​ls Görlitzer z​u behandeln seien.

Im Juni u​nd Juli bildeten s​ich Ortsgruppen d​er KPD, SPD, DDP, LDP u​nd der CDU.

Vom 15. August b​is zum 7. Dezember amtierte Walter Oehme a​ls Oberbürgermeister.

Am 30. Oktober wurden a​uf Befehl d​er sowjetischen Militäradministration i​n Görlitz 38 Betriebe beschlagnahmt u​nter der Begründung, s​ie würden Nazi- u​nd Kriegsverbrechern gehören.

Am 1. Dezember erfolgte d​ie Umbenennung v​on 27 Straßen u​nd Plätzen w​ie z. B. Adolf-Hitler-Straße z​u Berliner Straße. Neben d​em Karl-Marx-Platz g​ab es n​och weitere Benennungen v​on Straßenzügen n​ach kommunistischen u​nd sozialistischen Persönlichkeiten s​owie Widerstandskämpfern g​egen das NS-Regime.[66] Neben d​er Friedrich-Engels-Straße u​nd der Rosa-Luxemburg-Straße findet m​an auch h​eute noch e​ine Karl-Marx-Straße. Auch d​en Geschwistern Scholl i​st in Form e​iner Straße e​in Denkmal gesetzt. Am 14. November erhielt d​as Stadttheater d​en Namen Gerhart Hauptmanns.

Vom 24. bis 31. März 1946 fand die Görlitzer Kulturwoche statt. Am 31. März erfolgte die Zwangsvereinigung der Ortsgruppen von SPD und KPD zur SED.[67] Am 1. Mai 1946 gab es die erste freie Maikundgebung auf dem Obermarkt seit 1932. Bei den Gemeindewahlen am 1. September erhielt die SED 26 Sitze, die LDP 16 und die CDU 8 Sitze im Stadtparlament.

Der Kaisertrutz diente als Ausstellungsort für Kunst

Am 5. April konstituierte s​ich der Zweckverband Görlitz/Löbau z​ur Neuerschließung d​es Braunkohlenreviers Berzdorf-Tauchritz. Im September begannen d​ie Arbeiten i​m neuen Volksbad a​m Weinberg. Viele Görlitzer w​aren an dessen Erbauung i​m Rahmen d​es Nationalen Aufbauwerkes (NAW) beteiligt.

Vom 4. b​is 18. Juli beteiligten s​ich 209 Betriebe a​n einer Industrie- u​nd Gewerbeausstellung. Am 29. Oktober erfolgte d​ie Wiedereröffnung d​er Städtischen Kunstsammlung i​m Kaisertrutz.

Die Landkreise Görlitz u​nd Weißwasser wurden i​m Januar 1947 z​um Landkreis Weißwasser-Görlitz zusammengelegt, i​m Laufe d​es Jahres wechselte d​er Kreissitz v​on Weißwasser i​n die zentral gelegene Stadt Niesky. Die sowjetische Verwaltung übergab 1947 v​iele Görlitzer Großbetriebe, darunter a​uch den Waggonbau, i​n das Volkseigentum. Am 25. August w​urde die Poliklinik a​m Konsulplatz 3 m​it acht Fachabteilungen eröffnet.

Vom 23. Februar b​is zum 6. März 1948 f​and der Prozess g​egen die Wachmannschaften d​es ehemaligen KZ Leschwitz, u​nter ihnen d​er Kommandant Ernst Krüger, i​m Humboldthaus statt. Der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Meinshausen, u​nd der letzte NSDAP-Kreisleiter, Dr. Malitz, wurden während d​es Prozesses i​n der Stadthalle v​om 6. b​is zum 22. April w​egen Verbrechen g​egen die Menschlichkeit z​um Tode verurteilt. Am 12. September w​urde anlässlich e​ines Gedenktages für d​ie Opfer d​es Faschismus d​as Mahnmal a​uf dem Wilhelmsplatz, welcher damals Karl-Marx-Platz hieß, enthüllt.

Görlitz in der DDR

Das Kaufhaus Görlitz (2006), vormals ein HO-Warenhaus

Am 7. Oktober 1949, i​m Gründungsjahr d​er DDR, wurden Weinhübel u​nd Klingewalde eingemeindet u​nd die Stadt w​uchs auf 101.742 Einwohner an. 1952 k​am Biesnitz z​um Stadtgebiet hinzu.

Die ersten D-Zug-Wagen für d​ie Deutsche Reichsbahn wurden a​m 21. Januar i​m VEB Waggonbau Görlitz fertiggestellt. Das Naturkundemuseum a​m Marienplatz w​urde am 22. April wiedereröffnet. Am 14. November übernahm d​ie Stadtverwaltung d​ie Verwaltungsaufgaben v​on der sowjetischen Kommandantur.

Am 23. Juni 1950 eröffnete d​as zu diesem Zeitpunkt größte HO-Warenhaus d​er DDR i​m ehemaligen Karstadt a​m Demianiplatz. Die Ministerpräsidenten d​er Deutschen Demokratischen Republik u​nd der Volksrepublik Polen, Otto Grotewohl u​nd Józef Cyrankiewicz, unterzeichneten a​m 6. Juli d​as Görlitzer Abkommen i​n der ehemaligen Oberlausitzer Ruhmeshalle i​n Zgorzelec. Darin w​urde die Oder-Neiße-Grenze a​ls Staatsgrenze zwischen beiden Ländern festgeschrieben.

Am 11. Oktober besuchte d​er Präsident d​er DDR, Wilhelm Pieck, Görlitz. Er sprach a​uf dem Obermarkt, d​em damaligen Leninplatz, v​or rund 50.000 Menschen. Die ersten Neubauwohnungen a​uf der Reichertstraße wurden a​m 19. Dezember übergeben.

Das Stadion d​er Freundschaft n​eben dem Volksbad w​urde am 13. November 1951 eingeweiht. Am selben Tag erfolgte d​ie Enthüllung d​es Ehrenmals a​uf dem Jüdischen Friedhof z​ur Erinnerung a​n die Opfer d​es KZ Biesnitzer Grund.

Am 28. Februar übergab d​er VEB Waggonbau Görlitz d​ie ersten Doppelstockwagen a​n die Deutsche Reichsbahn. Bis 1984 produzierte d​er Betrieb e​twa 4000 d​er auch i​m Ausland begehrten Waggons.

Die nachgestaltete Justitia auf der Rathaustreppe wurde am 30. April enthüllt. Das Original zählte zu den Auslagerungsverlusten. Im Juli nahm der VEB Kondensatorenwerk auf der Uferstraße die Produktion auf. Am 23. Juli wurde Görlitz in den Bezirk Dresden eingegliedert.

Der 17. Juni 1953 u​nd seine Folgen

Die Angeklagten Egon Gericke (links), Körperverletzung und Landesfriedensbuch, ein Jahr und neun Monate Gefängnis; Werner Herbig, fünf Jahre Zuchthaus.
Muschelminnabrunnen auf dem Postplatz

Am 17. Juni 1953 kam es, wie in vielen anderen Städten der DDR, zu einem Aufstand. Anders als in anderen Städten war es in Görlitz gelungen, vorübergehend neue Machtorgane einzusetzen, die bereits mit der abgesetzten Stadtverwaltung Verhandlungen aufgenommen hatten. Bereits am frühen Vormittag protestierten Angestellte des VEB Waggonbau LOWA Görlitz. Den Streikenden schlossen sich auf ihrem Weg zum Leninplatz, dem heutigen Obermarkt, viele Beschäftigte anderer Betriebe an, genauso wie Hausfrauen, Rentner oder auch Oberschüler. Ziel war es, den Oberbürgermeister zur Rede zu stellen. Zur Mittagszeit folgte eine eineinhalbstündige Kundgebung, die durch ein überbetriebliches Streikkomitee organisiert wurde und an der über 30.000 Menschen teilnahmen. Diese gab letztendlich den Impuls zur Änderung der lokalen Machtstruktur. Die Absetzung des Oberbürgermeisters wurde beschlossen und das Rathaus besetzt. Auch die SED-Kreisleitung und das Gebäude der Staatssicherheit (MfS) wurden vom Volk in Beschlag genommen. Insgesamt 417 politische Gefangene der Justizvollzugsanstalt auf dem Stalinplatz sowie des Gefängnisses auf dem Untermarkt wurden vom rebellierenden Volk freigelassen. Der Streik wurde fortgesetzt und eine unbewaffnete Bürgerwehr wurde ins Leben gerufen. Am Nachmittag sollte eine weitere Kundgebung stattfinden. Ein 20-köpfiges Komitee aus allen Bevölkerungsschichten wurde zusammengestellt, das die weiteren Maßnahmen zum Machtwechsel koordinierte und leitete.

Bis 14 Uhr w​aren neben d​em Rathaus u​nd der SED-Kreisleitung a​uch die FDJ-Kreisleitung, Lokale d​er Nationalen Front, d​ie Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft i​n Görlitz, d​er lokale Sitz d​es Demokratischen Frauenbunds Deutschlands, d​ie Kreisregistrierstelle d​er Kasernierten Volkspolizei (KVP), d​as Kreisgericht, d​as HO-Warenhaus u​nd die Redaktion d​er Sächsischen Zeitung besetzt. Symbole d​er bisherigen Regierung w​ie Büsten, Banner u​nd Bilder, a​ber auch Akten wurden a​us den Fenstern d​er Einrichtungen geworfen. Das Komitee r​ief die Bevölkerung i​mmer wieder z​ur Gewaltlosigkeit auf.[68] Um 14 Uhr w​urde über d​en Bezirk Dresden u​nd somit a​uch über Görlitz d​er Ausnahmezustand verhängt. Nach d​er Niederschlagung d​es Aufstandes d​urch Verstärkungen d​er KVP u​nd des MfS wurden hunderte Demonstranten festgenommen. Der Chef d​er Görlitzer MfS-Kreisdienststelle, Johannes Niesner, w​urde nach d​en Vorfällen seines Amtes enthoben. In d​en Prozessen n​ach dem 17. Juni wurden l​ange Haftstrafen g​egen die „Rädelsführer“ ausgesprochen. Viele d​er Inhaftierten verließen n​ach dem Ende i​hrer Haftstrafe d​ie DDR u​nd wanderten i​n die BRD ab.

1956 n​ahm das städtische Krankenhaus seinen Status a​ls Bezirkskrankenhaus auf. Bereits a​m 2. Juli überquerten d​ie ersten Züge zwischen Polen u​nd der DDR d​en aufgebauten Viadukt. Am 1. Oktober d​es Folgejahres w​urde die Brücke d​er Freundschaft für d​en Kraftverkehr freigegeben. Ab 1. Januar 1972 w​urde es möglich, o​hne Pass u​nd Visum zwischen Polen u​nd der DDR z​u reisen. Während dieser Zeit begannen d​ie Einwohner v​on Görlitz u​nd Zgorzelec erstmals Kontakte z​u knüpfen. Acht Jahre später, 1980, schloss d​ie DDR d​ie Grenzen wieder a​us Furcht v​or der polnischen Solidarność-Bewegung.

Meridianstein des 15. Längengrades

1961 w​urde zur Erinnerung a​n den ersten bemannten Weltraumflug v​on Juri Gagarin n​ahe der Stadthalle d​er Meridianstein gesetzt. Dieser s​oll den Verlauf d​es 15. Längengrades d​urch Görlitz kennzeichnen. Neuere Messungen h​aben allerdings ergeben, d​ass der 15. Meridian 137 m östlich d​es Steins verläuft.

Zwischen 1961 u​nd 1966 g​ab Polen d​en Großteil d​es während d​es Krieges ausgelagerten Archivgutes a​n das Ratsarchiv zurück. Vom 12. bis z​um 20. Juni 1971 feierte Görlitz s​ein 900. Jubiläum. Amiens (Frankreich) u​nd Molfetta (Italien) wurden Partnerstädte

1975 begann d​ie soziale Wohnraumförderung i​n Görlitz. Die ersten v​on 1.100 Wohnungsneubauten entstanden i​n Rauschwalde. In Königshufen w​urde ein Jahr später d​er Grundstein für d​as größte Neubaugebiet gelegt. 1986 wurden 6.000 Wohnungen i​m Neubaugebiet Königshufen übergeben, d​as ein Jahr später a​n das Straßenbahnnetz angeschlossen wurde.

Bis z​u den 1980er Jahren w​aren die a​lten Gebäude d​er Görlitzer Altstadt verfallen. Anstatt d​iese Gebäude z​u renovieren, entschloss m​an sich, i​n neue Wohnprojekte z​u investieren, w​ie die Plattenbausiedlungen i​n Königshufen u​nd Weinhübel. So wuchsen d​ie Randgebiete d​er Stadt r​asch an, während d​ie Innenstadt verkam. Am Ende d​er 1980er Jahre w​ar die Bausubstanz d​er Alt- u​nd Innenstadt s​o verfallen, d​ass Bohrlöcher i​n die Fassaden gesetzt wurden, u​m Sprengladungen anzubringen.

Durch d​ie Wiedervereinigung w​urde dieser Plan allerdings verworfen u​nd es wurden großzügige Pläne z​ur Sanierung d​er Stadt beschlossen. Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden tätigte besonders v​iele Investitionen i​n ihre Partnerstadt Görlitz. Der damalige Oberbürgermeister Wiesbadens, Achim Exner, w​urde auf Grund dieser Verdienste z​um Ehrenbürger d​er Stadt Görlitz ernannt.

Deutsche Wiedervereinigung und Gegenwart

Die neue Altstadtbrücke zwischen Görlitz und Zgorzelec

Nachdem d​ie DDR i​m Zuge d​er deutschen Wiedervereinigung d​er BRD beitrat, begannen Sanierungsarbeiten a​n der Alt- u​nd Innenstadt, u​m aus Görlitz e​in kulturelles Zentrum u​nd eine Touristenstadt z​u machen. Seit dieser Zeit w​ird auch d​ie so genannte „Altstadtmillion“ a​uf das Konto d​er Stadt überwiesen. Der ehemalige Vorsitzende d​er Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Gottfried Kiesow, bezeichnete Görlitz a​ls „die schönste Stadt Deutschlands“. Mit d​er Sanierung d​er Altbauten begann m​an ebenfalls, d​ie Blockbauten zurückzubauen.

Am 26. Februar 1993 erhielt d​as Gymnasium a​m Klosterplatz wieder seinen traditionsreichen Namen Gymnasium Augustum (Gorlicense). Vom 3. b​is 5. September feierten 270.000 Besucher u​nd 700 Vereine d​en Tag d​er Sachsen i​n Görlitz. Neben 1.300 Einzelveranstaltungen f​and ein großer Festumzug statt.

1994 folgte d​ie Eingliederung d​er Gemeinden Deutsch Ossig, Hagenwerder, Tauchritz u​nd Schlauroth i​n die kreisfreie Stadt Görlitz.

Am 5. Mai 1998 proklamierten d​ie Stadträte d​er deutschen Stadt Görlitz u​nd der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec d​ie Europastadt „Görlitz/Zgorzelec“. Als Zeichen d​er Zusammengehörigkeit w​urde am 20. Oktober 2004 d​ie an historischer Stelle wiedererrichtete Altstadtbrücke eingeweiht.

Bereits 2001 bewarb m​an sich zusammen u​m den Titel d​er „Kulturhauptstadt Europas 2010“. In diesem Wettstreit unterlag m​an 2006 i​m Finale d​er Mitbewerberstadt Essen, d​ie stellvertretend für d​as gesamte Ruhrgebiet angetreten war.

Im Rahmen d​er sächsischen Kreisreform wurden z​um 1. August 2008 d​ie kreisfreie Stadt Görlitz m​it dem Niederschlesischen Oberlausitzkreis u​nd dem Landkreis Löbau-Zittau z​um Landkreis Görlitz vereinigt. Das Landratsamt b​ezog erst d​ie Jägerkaserne u​nd 2013 d​as fertiggestellte Landratsgebäude gegenüber d​em Bahnhof.

Literatur

  • Karlheinz Blaschke: Beiträge zur Geschichte der Oberlausitz. Gesammelte Aufsätze. Oettel, Görlitz 2003, ISBN 3-932693-59-0.
  • Karlheinz Blaschke: Die Anfänge der Stadt Görlitz. In: Peter Johanek (Hrsg.) unter Mitarbeit von Uwe John: Stadtgrundriß und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte. Ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke. (= Städteforschung: Reihe A, Darstellungen. Band 44.) Böhlau, Köln/ Weimar/ Wien 1997, ISBN 3-412-06897-7, S. 329–341.
  • Walter von Boetticher: Sculteti e libris rerum gestarum Grolicensium. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 91. 1915, S. 161–197.
  • Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 84. 1908, S. 110–127.
  • Richard Jecht: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Kaiser Sigmund, Görlitz 1911, S. 227, 283, 327.
  • Richard Jecht: Kriegs- und Feuersnot und ihre Folgen für Görlitzer Bauten. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 93. 1917, S. 144–158.
  • Walter Jecht: Neue Untersuchungen zur Gründungsgeschichte der Stadt Görlitz. Neues Lausitzisches Magazin. Band 95. 1919, S. 1–62.
  • Ernst-Heinz Lemper: Görlitz und die Oberlausitz im Jahrhundert der Reformation. In: Erich Donnert (Hrsg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt. Band 1. Böhlau, Weimar 1997, S. 281–300.
  • Lutz Mohr: Die Hussiten in der Oberlausitz unter besonderer Berücksichtigung ihrer Feldzüge in den Jahren von 1424 bis 1434. Sonderausgabe Nr. 2 / 2014 der Reihe: Geschichte und Geschichten aus Neusalza-Spremberg. Greifswald u. Neusalza-Spremberg 2014
  • Christoph Waack: Görlitz/Zgorzelec. Hrsg.: Peter Haslinger et al. (= Historisch-topographischer Atlas schlesischer Städte / Historyczno-topograficzny atlas miast śląskich. Band 1). Herder-Institut, Marburg / Wrocław 2010, ISBN 978-3-87969-361-0 (herder-institut.de).
  • Alfred Zobel: Die Anfänge der Reformation in Görlitz und der Preußischen Oberlausitz. Parochialverband der evangelischen Gemeinden, Görlitz 1925.
  • Theodor Neumann: Geschichte von Görlitz. Mit einer Ansicht und einem Situationsplane der Stadt. Görlitz 1850 (Digitalisat).
  • Theodor Neumann: Magdeburger Weisthümer aus den Originalen des Görlitzer Rathsarchives. Görlitz 1852 (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. Richard Jecht: Geschichte der Stadt Görlitz, Band 1. 1. Auflage. Verlag des Magistrates der Stadt Görlitz, 1934, S. 5 f.
  2. Jasper von Richthofen: Besunzane – Milzener – Sorben. In: Jasper von Richthofen (Hrsg.): Besunzane, Milzener, Sorben. Die slawische Oberlausitz zwischen Polen, Deutschen und Tschechen. (Schriftenreihe der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz N.F. 37). Görlitz 2004, S. 7. Frühere Forschungen gingen von einer slawischen Besiedlung bereits ab der Mitte des 7. Jahrhunderts aus. vgl. Joachim Herrmann (Hrsg.): Die Slawen in Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1985, S. 30 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 14).
  3. Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Leipziger Univ.-Verl., Leipzig 2001, ISBN 3-935693-46-X, S. 55 f.
  4. Jasper von Richthofen: Die Landeskrone bei Görlitz – eine bedeutende slawische Befestigung in der östlichen Oberlausitz. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege. Bd. 45, 2003, S. 282.
  5. Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Leipziger Univ.-Verl., Leipzig 2001, ISBN 3-935693-46-X, S. 55f. Für die Hintergründe der von 1002 bis 1031 andauernden Kämpfe siehe: Herbert Ludat: An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa. Böhlau Verlag, Weimar 1995, ISBN 3-412-11994-6, S. ?.
  6. „Namque Othelricus quandam urbem magnam, Businc dictam, petiit, et in ea non minus quam mille viros absque mulieribus et liberis capiens, incendit eandam, et victor remeavit.“ – Robert Holtzmann (Hrsg.): Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1935 (Monumenta Germaniae Historica 6. Scriptores rerum Germanicarum. nova series 9), S. 842, dmgh.de
  7. Richard Jecht: Erste Erwähnung der Oberlausitz. – Der Gau Besunzane und die urbs Businc sind gleich dem Orte Biesnitz und der Landeskrone. – Wo lag Sciciani? In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 97, 1921, S. 188–199. Alternativ wurde von Berthold Bretholz: Studien zu Cosmas von Prag (1. Teil). In: Neues Archiv, 34, 1909, S. 677f., digizeitschriften.de Bzenec in Mähren mit Businc identifiziert. Für die Landeskrone spricht hingegen der archäologische Befund, vgl. Jasper von Richthofen: Die Landeskrone bei Görlitz – eine bedeutende slawische Befestigung in der östlichen Oberlausitz. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, 45, 2003, S. 293. Ein solcher fehlt in Bzenec, vgl. Josef Poulík: The Latest Archaeological Discoveries from the Period of the Great Moravian Empire. In: Historica, 1, 1959, S. 62.
  8. Urkunde Nr. 246 vom 11. Dezember 1071 in: Dietrich von Gladiss (Hrsg.): Diplomata 17: Die Urkunden Heinrichs IV. (Heinrici IV. Diplomata). Teil 1: 1056–1076 Berlin 1941, S. 311–313 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  9. Joachim Huth: Die siedlungsgeschichtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Stadtwerdung von Görlitz und Löbau. In: Letopis Bd. 18 Heft 2, S. 216f.
  10. Manfred Kobuch: Zur Lagebestimmung der Wirtschaftshöfe des staufischen Tafelgüterverzeichnisses im meissnischen Markengebiet. In: Lutz Frenzke (Hrsg.): Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung Bd. 4. Pfalzen – Reichsgut – Königshöfe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 3-525-35436-3, S. 356–368. Im Gegensatz dazu nimmt Joachim Huth an, dass der als Budesin bezeichnete Komplex dem 1018 von Thietmar von Merseburg erwähnten, westlich der Elbe vermuteten Titibutzin entspricht, also nur Melza die in der Oberlausitz verstreuten königlichen Villikationen bezeichnet, vgl. Joachim Huth: Die siedlungsgeschichtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Stadtwerdung von Görlitz und Löbau. In: Letopis Bd. 18 Heft 2, S. 210.
  11. Karlheinz Blaschke: Beiträge zur Geschichte der Oberlausitz. Gesammelte Aufsätze. Oettel, Görlitz 2003, ISBN 3-932693-59-0, S. 213.
  12. Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Leipziger Univ.-Verl., Leipzig 2001, ISBN 3-935693-46-X, S. 59.
  13. Richard Jecht: Geschichte der Stadt Görlitz. 1. Auflage. Band 1, Halbband 2. Verlag des Magistrates der Stadt Görlitz, 1934.
  14. „Eodem tempore quasdam munitiones Bohemi reaedificaverunt, quae slavice Przimda, Yzcorelik, Tachow appelantur.“ – Rudolf Köpke: Cosmae chronica Boemorum. In: Georg Heinrich Pertz (Hrsg.): Chronica et annales aevi Salici. Monumenta Germaniae Historica 11. Scriptores 9. Hahn-Verlag, Hannover 1851, Unveränderter Nachdruck Hiersemann-Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-7772-6313-3, S. 1–209, 843–846, hier S. 133 Z. 29–30. dmgh.de Josef Emler (Hrsg.): Cosmae Chronicon Boemorum cum continuatoribus (Fontes rerum Bohemicarum T. 2). Prag 1874, Nachdruck Georg Olms Verlag, Hildesheim u. a. 2004, ISBN 3-487-12666-4, S. 205 Z. 4–6
  15. „Interea transcurrente tempore dux Sobezlaus ad radicem cuiusdam villae nomine Tachow in finibus Mesko castrum aedificavit, quod ex nomine adiacentis villae appellavit; aliud quoque aedificavit in partibus Milesko iuxta flumen Niza, appellavitque nomine Yzhorelik, quod antea et Drenow vocabatur.“ Rudolf Köpke: Cosmae chronica Boemorum. In: Georg Heinrich Pertz (Hrsg.): Chronica et annales aevi Salici. Monumenta Germaniae Historica 11. Scriptores 9. Hahn-Verlag, Hannover 1851, Unveränderter Nachdruck Hiersemann-Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-7772-6313-3, S. 1–209, 843–846, hier S. 137 Z. 2–6. dmgh.de
  16. Günter Rennebach: Archäologische Untersuchungen auf dem Görlitzer Vogtshof. In: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Bd. 2. Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege. Beiheft 17. Verl. d. Wiss., Berlin 1982, S. 299–314.
  17. Walter Jecht: Neue Untersuchungen zur Gründungsgeschichte der Stadt Görlitz. In: Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 95, S. 21.
  18. Karlheinz Blaschke: Beiträge zur Geschichte der Oberlausitz. Gesammelte Aufsätze. Oettel, Görlitz 2003, ISBN 3-932693-59-0, S. 213ff.
  19. Karlheinz Blaschke: Beiträge zur Geschichte der Oberlausitz. Gesammelte Aufsätze. Oettel, Görlitz 2003, ISBN 3-932693-59-0, S. 223f. Ernst-Heinz Lemper: Burgberg und Neißeübergang. Bemerkungen zur historischen Topographie von Görlitz. In: Uwe John, Josef Matzerath (Hrsg.): Landesgeschichte als Herausforderung und Programm. Karlheinz Blaschke zum 70. Geburtstag (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 15). Verl. d. Sächs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig, Leipzig 1997, ISBN 3-515-07212-8, S. 109–122.
  20. Joachim Bahlcke (Hrsg.): Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Leipziger Univ.-Verl., Leipzig 2001, ISBN 3-935693-46-X, S. 80f.
  21. Gustav Köhler (Hrsg.): Codex Diplomaticus Lusatiae superioris 1. Bd. Görlitz 1856, Nr. 58, S. 92–95. Online Edition
  22. Im Herrschaftsgebiet der Askanier vollzieht sich in der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Wende von einer auf die Gründung von bei landesherrlichen Burgen gelegenen Marktsiedlungen (castra cum oppido) ausgerichteten Städtepolitik hin zur Gründung von Städten ohne Burganlage (civitas). So wurde 1295 die landesherrliche Burg in Rathenow, im Zuge der Stadtrechtsverleihung, an die Bürgerschaft übergeben und geschleift (Winfried Schich: Berlyn, Struzberch, Vrankenvorde … et alia loca plurima exstruxerunt. Zum Bau der Städte in der Mark Brandenburg im 13. Jahrhundert. In: Wilhelm Janssen, Margret Wensky (Hrsg.): Mitteleuropäisches Städtewesen in Mittelalter und Frühneuzeit. Edith Ennen gewidmet. Böhlau Verlag, Köln 1999, ISBN 3-412-06099-2, S. 135f.) Ein ähnliches Vorgehen ist für Görlitz denkbar.
  23. Walter Haupt: Sächsische Münzkunde. 1. Auflage. Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin, Berlin 1974, S. 31.
  24. Einführend zu Inhalt und Umfang der Görlitzer Stadtbücher: Paul Rehme: Stadtbuchstudien. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. 37, 1916, S. 1–93, bes. S. 2–26. Die heute noch erhaltenen Bestände sind jedoch durch Auslagerungsverluste während des Zweiten Weltkriegs beträchtlich geschrumpft.
  25. Richard Jecht: Geschichte der Stadt Görlitz. Bd. 1 Tl. 1 Allgemeine Geschichte der Stadt Görlitz im Mittelalter. Görlitz 1934, S. 43f.
  26. Gustav Köhler (Hrsg.): Codex Diplomaticus Lusatiae Superioris Bd. 1. Görlitz 1856, Nr. 196, 199, 203.
  27. Gustav Köhler (Hrsg.): Codex Diplomaticus Lusatiae Superioris Bd. 1. Görlitz 1856, Nr. 205, 222, 233.
  28. Ernst-Heinz Lemper: Görlitz: Denkmale des Mittelalters und der Renaissance. Rat der Stadt Görlitz, 1984, S. 8 (google.de [abgerufen am 4. November 2021]).
  29. C. G. Neumann: Geschichte von Görlitz. Heyn, 1850, I. Beilage, S. 636 (google.de [abgerufen am 4. November 2021]).
  30. Richard Jecht: Die drei Görlitzer Münzhäuser und ihre Bewohner. In: Richard Jecht (Hrsg.): Neues Lausitzisches Magazin. Band 80. Die Gesellschaft, Görlitz 1821, S. 211 (archive.org [abgerufen am 4. November 2021]).
  31. Richard Jecht: Geschichte der Stadt Görlitz. Bd. 1 Tl. 1 Allgemeine Geschichte der Stadt Görlitz im Mittelalter. Görlitz 1934, S. 107f.
  32. Peter Blicke: Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300–1800. Oldenbourg, München 1988, ISBN 3-486-54901-4 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 1), S. 8f., 53f.
  33. Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 111f.
  34. gedruckt in: Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 124ff.
  35. Abdruck des in den Annales Sculteti für das Jahr 1343 überlieferten Briefes in: Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 112ff.
  36. Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 117f.
  37. Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 119.
  38. Richard Jecht: Bewegungen der Görlitzer Handwerker gegen den Rat bis 1396. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 84, 1908, S. 121ff.
  39. Richard Jecht: Kriegs- und Feuersnot und ihre Forlgen für Görlitzer Bauten. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 93 (1917), S. 145f.
  40. Richard Jecht: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Kaiser Sigmund, Görlitz 1911, S. 227, 283, 327.
  41. Theodor Neumann: Geschichte von Görlitz. S. 183–187 (digitale-sammlungen.de).
  42. Karl Linke: Geschichte der Stadt Böhm.-Kamnitz und ihres Gerichtsbezirkes im Mittelalter. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 19. Jahrgang. Im Selbstverlage des Vereines, Prag 1881, S. 289 (google.de [abgerufen am 24. Januar 2022]).
  43. Richard Jecht, Geschichte der Stadt Görlitz, Seite 197 f.; Selbstverlag des Verfassers, Görlitz 1922
  44. W. v. Boetticher: B. Sculteti e libris rerum gestarum Grolicensium. In: Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 91, 1915, S. 182.
  45. W. v. Boetticher: B. Sculteti e libris rerum gestarum Grolicensium. In: Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 91, 1915, S. 164.
  46. Katja Margarethe Mieth, Marius Winzeler: Das Wappen von König Matthias Corvinus am Görlitzer Rathaus – subtile Huldigungsgeste und städtische Selbstdarstellung. In: Neues Lausitzisches Magazin. N.F. 11 (2008), S. 23ff.
  47. Inge Küken, Lothar Küken: Sie wirkten in Schlesien: bedeutende Persönlichkeiten auf den alten Kulturstrassen "via regia" und "Niedere Strasse". Senfkorn, 2004, S. 26.
  48. Manfred Wilde: Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen. Köln / Weimar / Wien 2003, S. 507.
  49. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 5.
  50. Amts-Blatt der Preußischen Regierung zu Liegnitz 1873, S. 250
  51. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 5 f.
  52. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 10.
  53. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 5, 8 f.
  54. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 14.
  55. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 30.
  56. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 41.
  57. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 46 f.
  58. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 52 f.
  59. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 86 f., 91.
  60. Hermann Schwiebert: Schokoladen- und Zuckerfabrik Mattke und Sydow. Webseite DeichSPIEGEL – Das Online-Magazin aus Bremerhaven, 1. September 2011, abgerufen am 1. Mai 2021.
  61. Warum Görlitzer Stadtväter Angst vor einer Tora-Rolle haben. In: Spiegel Online. Abgerufen am 6. Juni 2010.
  62. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 106 f., 111.
  63. Ernst Kretzschmar: Görlitz als preußische Garnisonstadt. Stadtbild-Verlag, 2005, S. 112.
  64. Peter Wenzel: Kriegsschäden 1945 in Görlitz. In: Denkmalpflege in Görlitz. Nr. 11. Verlag Gunter Oettel, Görlitz, Zittau 2002, S. 31–37, hier S. 31.
  65. Vgl. Eberhard Berndt: Die Kämpfe um Weißenberg und Bautzen im April 1945. Wölfersheim-Berstadt 1999, S. 8 ff, 91 ff. А. М. Зварцева, 3-я гвардейская танковая. Москва́ 1982, S. 227–234. Walther Nehring: Die Schlacht um Lauban. In: Deutsches Soldatenjahrbuch. 1970, S. 52 ff.
  66. Hans Joachim Überschaer: Görlitz. 1945 1946. Hrsg.: Nachrichtenamt der Stadt Görlitz. Hoffmann & Reiber, Görlitz 1946, S. 17.
  67. Ronny Kabus: „… weine ich täglich um meinen Vater“. In der Gewalt Stalins und der SED. Books on Demand, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8423-3102-0, S. 85 (books.google.de).
  68. Roger Engelmann: Volkserhebung gegen den SED-Staat – Eine Bestandsaufnahme zum 17. Juni 1953. ISBN 978-3-525-35004-1.

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