Nationale Front (DDR)
Die Nationale Front der Deutschen Demokratischen Republik (bis 1973 Nationale Front des demokratischen Deutschland) war ein Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen in der DDR. Durch die Nationale Front sollten dem offiziellen Anspruch nach alle gesellschaftlichen Gruppen Einfluss auf gesellschaftspolitische Prozesse nehmen können. Faktisch war die Nationale Front jedoch ein Mittel, um die Blockparteien und Massenorganisationen zu disziplinieren und die Vormachtstellung der SED im Staat zu festigen.
Teilnehmer
Die Nationale Front der DDR war für die ideologische und organisatorische Vorbereitung der Wahlen und die Erstellung der gemeinsamen Listen der Wahlkandidaten zuständig.
Volkskammerabgeordnete
Folgende Parteien und Organisationen waren zur Nationalen Front zusammengeschlossen und mit Abgeordneten in der Volkskammer vertreten:
Parteien:
- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)
- Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD)
- Christlich Demokratische Union (CDU)
- Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD)
- National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD)
Die neben der SED in der Nationalen Front zusammengeschlossenen Parteien wurden auch als Blockparteien bezeichnet. Weitere Parteien gab es bis 1989 in der DDR nicht.
Massenorganisationen:
Weitere Massenorganisationen
Darüber hinaus gehörten folgende Massenorganisationen, die nicht in der Volkskammer vertreten waren, zur Nationalen Front:
Vereinigungen, Gesellschaften und Verbände
Daneben gehörten der Nationalen Front Vertreter folgender Vereinigungen, Gesellschaften und Verbände an:[1]
- Gesellschaft für Sport und Technik (GST)
- Urania
- Friedensrat der DDR
- Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK)
- Verband der Konsumgenossenschaften der DDR
- Deutscher Turn- und Sportbund der DDR (DTSB)
- Solidaritätskomitee der DDR
- Deutsches Rotes Kreuz der DDR
- Kammer der Technik
- DDR-Komitee für Menschenrechte
- Blinden- und Sehschwachen-Verband der DDR
- Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband der DDR
- Verband der Theaterschaffenden der DDR
- Verband Bildender Künstler der DDR
- Vereinigung der Juristen der DDR
- Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR
- Liga für Völkerfreundschaft
- Liga für die Vereinten Nationen
- Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR
- Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR
- Bund der Architekten der DDR
- Verband der Journalisten der DDR
- Zentralausschuss für Jugendweihe
Geschichte
Schon vor der Gründung der DDR gab es einen Vorläufer der Nationalen Front, den bereits 1945 gegründeten Antifaschistische Block, auch als Demokratischer Block bekannt. Auf dem Dritten Deutschen Volkskongress im Mai 1949 wurde dann die Nationale Front ins Leben gerufen. Auf der 9. Tagung des Deutschen Volksrates am 7. Oktober 1949 wurde das Manifest der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands vorgestellt.[2]
Als Programmatik der Nationalen Front wurde auch der Begriff des „Nationalen Widerstandes“ etabliert. Kernsätze waren der Widerstand gegen das Besatzungsstatut, die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und die Einfuhr amerikanischer Waren, sowie die „Aufklärung über amerikanische und englische Kriegspropaganda“ und die Unterstützung aller „Kämpfe der Arbeiter um die Sicherung ihrer Lebenshaltung und alle[r] Widerstandsaktionen der werktätigen Bevölkerung gegen Steuerdruck, Preistreibereien und sonstige Ausplünderung“.[3]
Die konstituierende Sitzung fand am 7. Januar 1950 statt. Im Februar 1950 wurde der Nationalrat der Nationalen Front ernannt. Eine wichtige Funktion übernahm die Nationale Front bei der Volkskammerwahl und den Landtagswahlen am 15. Oktober 1950. Nur die Kandidaten der Nationalen Front auf den Einheitslisten waren bei der Wahl zugelassen.[4] Anfangs beschäftigte sich die Nationale Front auch mit gesamtdeutschen Fragen; seit 1968 war es ihre Hauptaufgabe, alle Parteien und Massenorganisationen zu einem „gemeinsamen sozialistischen Weg zusammenzuschließen“.
Seitdem bestand die hauptsächliche Bedeutung der Nationalen Front in der Organisation der Volkskammerwahlen, bei denen es nur die „Einheitsliste“ der Nationalen Front gab, die in der Regel im Block gewählt wurde. Die eigentliche Wahl wurde dabei auf die Kandidatenaufstellung durch die Nationale Front verschoben, die in Ausnahmefällen auch ausgetauscht wurden. Die Aufteilung der zu besetzenden Plätze auf die Parteien und Massenorganisationen wurde dabei bereits im Voraus festgelegt und blieb über viele Wahlperioden gleich. Die SED hatte zusammen mit den der SED angehörenden Vertretern der Massenorganisationen stets die absolute Mehrheit.
Sonstige Aktivitäten der Nationalen Front
In den Struktureinheiten der Nationalen Front, den 17.000 Ausschüssen auf unterschiedlichen Ebenen bis hinunter zu den Wohngebietsausschüssen, arbeiteten 300.000 Menschen ehrenamtlich mit. Sie entfalteten an manchen Orten auch lokale Aktivitäten und waren in Zusammenarbeit mit den Stadt- und Gemeinderäten für Ordnung und Sauberkeit in ihren Wohnbezirken verantwortlich. Sie organisierten unter anderem Wertstoffsammlungen und veranstalteten Wohngebietfeste. Die Nationale Front war Trägerin des kommunalen Wettbewerbs Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit! und des Wettbewerbs um die Goldene Hausnummer. Erfolgreiche Kommunen und Hausgemeinschaften erhielten ideelle und materielle Auszeichnungen wie Geldprämien oder die Ehrennadel der Nationalen Front in Silber oder Bronze. Ziel dieser Aktivitäten war es, Bevölkerungsteile, die sonst nicht in Strukturen wie Parteien oder Massenorganisationen eingebunden waren, zu erreichen und für den „Aufbau des Sozialismus“ zu mobilisieren. Verdienstvolle Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens wurden von der Nationalen Front mit der Ehrenmedaille der Nationalen Front in Silber ausgezeichnet. Diese Ehrungen fanden gewöhnlich im Steinsaal des Nationalrats in Ost-Berlin statt.
Nationalrat
Oberstes Gremium der Nationalen Front war der Nationalrat, geleitet vom Präsidenten und Generalsekretär. Der Nationalrat hatte seinen Sitz in der damaligen Otto-Grotewohl-Straße 49, der jetzigen Wilhelmstraße, in Berlin-Mitte. Heute befindet sich in diesem Gebäude ein Teil des Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front waren:
- Erich Correns (1950–1981; im Amt verstorben)
- Lothar Kolditz (1981–1990)
Presseorgan des Nationalrates
Zwischen Dezember 1947 und 1961 gab die Nationale Front eine vom Kongreß-Verlag Berlin gestaltete Zeitschrift heraus, bis 1953 wöchentlich unter dem Titel „Deutschlands Stimme“, anschließend nur noch 14-täglich bis 1959 unter dem Titel „Stimme des Patrioten“, die letzten beiden Jahre unter dem Titel „Die Stimme“.[5]
Literatur
- Gerd Dietrich: Kulturbund. In: Gerd-Rüdiger Stephan u. a. (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Dietz, Berlin 2002, ISBN 3-320-01988-0.
- Nationale Front des demokratischen Deutschland: Nationale Front des demokratischen Deutschland Informationsdienst, (Reihe) Kongreß-Verlag, Berlin ab 1949.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Kleines Politisches Wörterbuch, Neuausgabe 1988, Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1989, S. 660.
- Hanns Jürgen Küsters, Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Dokumente zur Deutschlandpolitik: Die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, 7. September bis 31. Dezember 1949, Oldenbourg, München 1996, ISBN 978-3-486-56159-3, S. 91.
- Hanns Jürgen Küsters, Daniel Hofmann, Alexander Fischer, Karl Dietrich Bracher, Ernst Deuerlein: Dokumente zur Deutschlandpolitik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1997, ISBN 3-486-56172-3, S. 298 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Anjana Buckow, Zwischen Propaganda und Realpolitik: die USA und der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands 1945–1955, Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 978-3-515-08261-7, S. 215 f.
- Deutschlands Stimme, Stimme des Patrioten, Die Stimme in der Deutschen Nationalbibliothek.