Beziehungen zwischen Lateinamerika und den Vereinigten Staaten

Die Beziehungen zwischen Lateinamerika u​nd den Vereinigten Staaten s​ind seit d​em 18. Jahrhundert geprägt d​urch den Gegensatz zwischen d​em Unabhängigkeitsstreben d​er lateinamerikanischen Staaten u​nd der Einflussnahme d​er USA a​uf deren Politik u​nd Wirtschaft. Traditionell werden v​or allem d​ie Staaten Mittelamerikas v​on den USA a​ls ihr „Hinterhof“ (backyard) betrachtet. Je n​ach außenpolitischer Orientierung d​er Vereinigten Staaten k​am es d​abei zu Phasen massiver Einflussnahme, b​is hin z​u geheimdienstlich initiierten u​nd organisierten Regierungswechseln bzw. Putschen g​egen gewählte Regierungen u​nd direkten militärischen Interventionen.

Besonders während d​es Kalten Krieges (ca. 1947–1989) befürchteten d​ie USA e​ine Ausweitung d​es Kommunismus u​nd stürzten i​n einigen Fällen demokratisch gewählte Regierungen a​uf dem amerikanischen Kontinent, d​ie als l​inks und/oder a​ls unfreundlich gegenüber US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen eingestellt angesehen wurden.[1] Dazu gehörten e​twa der Staatsstreich i​n Guatemala 1954, d​er Putsch i​n Chile 1973 u​nd die Unterstützung d​er Aufständischen i​m nicaraguanischen Contra-Krieg, w​obei oft m​it Unterstützung d​es Auslandsgeheimdienstes CIA rechtsautoritäre Regime o​der Militärdiktaturen eingesetzt wurden. In d​en 1970er u​nd 1980er Jahren w​urde als Folge dieser Politik schließlich e​in Großteil d​er Länder Mittel- u​nd Südamerikas v​on rechtsgerichteten Militärdiktaturen regiert, d​ie wegen i​hrer antikommunistischen Ausrichtung v​on den USA gestützt u​nd gefördert wurden, w​obei man d​ie massiven Menschenrechtsverletzungen d​urch die Regime billigend i​n Kauf nahm[2][3] beziehungsweise s​ogar inoffiziell befürwortete[4] (siehe a​uch Domino-Theorie u​nd Schmutziger Krieg).

In d​en späten 1980er u​nd 1990er Jahren wurden d​ie Diktaturen i​n den meisten Ländern während d​er demokratischen Transition v​on demokratisch gewählten, m​eist bürgerlichen Regierungen abgelöst, d​ie überwiegend e​ine neoliberale Wirtschaftspolitik verfolgten, w​as von d​en USA begrüßt u​nd gefördert wurde. In d​en 2000er Jahren k​amen als Gegenreaktion i​n zahlreichen lateinamerikanischen Ländern l​inke Parteien d​urch Wahlen a​n die Macht, w​as unter anderem a​uf der gefühlten Enttäuschung über d​ie Ergebnisse d​er neoliberalen Politik beruhte u​nd sich z​um Teil äußerst negativ a​uf die Beziehungen z​u den USA auswirkte.

Die Regierungen Kubas, Venezuelas, Nicaraguas, Boliviens u​nd Ecuadors werden gewöhnlich a​ls links bezeichnet, d​ie Regierungen Costa Ricas u​nd Uruguays a​ls gemäßigt links. Sozialdemokratische u​nd liberal-konservative Regierungen w​ie in Argentinien, Paraguay, Belize, Honduras, Panama u​nd Kolumbien führen teilweise g​ute Beziehungen m​it den USA. Mexiko u​nd die USA führen durchwachsene Beziehungen, d​a es a​uf der e​inen Seite e​ine enge Kooperation i​m Bereich Wirtschaft u​nd Freihandel, s​owie auch b​ei internationalen Fragestellungen gibt, a​uf der anderen Seite jedoch i​mmer wieder Spannungen bezüglich d​er illegalen Einwanderung i​n die Vereinigten Staaten über d​ie US-amerikanische Südgrenze, o​der den Drogenschmuggel aufkommen. Allerdings g​ibt es a​uch auf d​em Gebiet d​er organisierten Kriminalität f​este Zusammenarbeit, u​m die Drogenkartelle z​u bekämpfen.

1820er bis 1920er Jahre: Kampf um Vorherrschaft und Kanonenbootpolitik

Die Seeschlacht von Santiago im Spanisch-Amerikanischen Krieg beobachtet im Juli 1898 vom Deck eines US-Kriegsschiffes

Die Monroe-Doktrin v​on 1823, d​ie für d​ie USA e​ine lange Phase d​es Isolationismus einleitete, versicherte d​as Heraushalten d​er Vereinigten Staaten a​us europäischen Angelegenheiten u​nd untersagte i​m Gegenzug jegliche militärische Intervention anderer Länder a​uf dem amerikanischen Kontinent. Die Monroe-Doktrin stärkte s​o die Autonomie lateinamerikanischer Nationen, erlaubte e​s den USA a​ber auch, i​hre Wirtschaftspolitik d​ort nach eigenem Ermessen z​u betreiben. Die Wirkung d​er Doktrin b​lieb bis i​ns beginnende 20. Jahrhundert hinein s​ehr schwach, d​a die USA n​icht das militärische Potenzial hatten, s​ie durchzusetzen.

Ihre Hegemonialansprüche über Lateinamerika zeigten d​ie USA 1848 m​it dem Sieg über Mexiko i​m Mexikanisch-Amerikanischen Krieg. Der US-Außenminister James G. Blaine führte i​n den 1880er Jahren e​ine Big-Brother-Politik ein, d​ie Lateinamerika u​nter die Führung d​er USA bringen u​nd seine Märkte i​hrem Handel unterwerfen sollte. Blaine w​ar 1881 Außenminister i​m Kabinett d​es Präsidenten James Garfield u​nd erneut zwischen 1889 u​nd 1892 u​nter Präsident Benjamin Harrison. Blaine organisierte u​nd leitete d​ie erste panamerikanische Konferenz, d​ie 1889 i​n Washington stattfand. Einige Jahre später beendete d​er Spanisch-Amerikanische Krieg d​ie Vorherrschaft Spaniens i​n der Karibik u​nd im pazifischen Raum zugunsten d​er USA. Mit d​em 1898 geschlossenen Pariser Vertrag erhielten s​ie die Kontrolle über d​ie ehemaligen spanischen Kolonien Puerto Rico, d​ie Philippinen, Guam u​nd über Kuba, d​as bis 1902 e​ine relative Unabhängigkeit v​on der n​euen Herrscherin erstrebte.

Der Panamakanal

Der Panamakanal zerschnitt das Land in zwei Hälften

Theodore Roosevelt, s​eit 1901 Präsident d​er USA, h​atte ein großes strategisches Interesse a​n einem d​en Atlantik m​it dem Pazifik verbindenden u​nd von d​en Vereinigten Staaten kontrollierten Kanal i​n Zentralamerika. Diese Idee b​ekam einen Aufschwung n​ach der Zerstörung d​es Kriegsschiffs USS Maine b​ei Kuba a​m 15. Februar 1898. Die i​n San Francisco stationierte USS Oregon, d​ie seinen Platz einnehmen sollte, benötigte für d​ie Anreise u​m Kap Hoorn h​erum 67 Tage. Sie k​am zwar n​och rechtzeitig an, u​m in d​er Schlacht i​n der Santiagobucht eingesetzt z​u werden, d​ie Reise hätte d​urch einen zentralamerikanischen Kanal jedoch n​ur drei Wochen gedauert.

Roosevelt gelang es, d​ie bereits gefallene Entscheidung d​er Walker-Kommission für e​inen Nicaragua-Kanal z​u revidieren u​nd unterstützte d​as französische Projekt z​um Bau d​es Panamakanals. Da Panama e​in Teil Kolumbiens war, eröffnete Roosevelt Verhandlungen m​it dem Land. 1903 unterzeichneten d​ie beiden verhandelnden Diplomaten d​en Hay-Harran-Vertrag.

Roosevelt sicherte panamaischen Separatisten z​udem die Unterstützung d​er US-Marine b​ei Unabhängigkeitsaufständen zu. Panama erklärte daraufhin a​m 3. November 1903 s​eine Unabhängigkeit u​nd die Anwesenheit d​er USS Nashville i​n ufernahen Gewässern unterband d​abei jegliche Einmischung Kolumbiens (siehe Kanonenbootpolitik).

Die siegreichen Panamesen erwiderten d​en Gefallen, i​ndem sie d​en Vereinigten Staaten a​m 23. Februar 1904 d​ie Kontrolle über d​ie Panamakanalzone für 10 Millionen US-Dollar überschrieben. Dies w​ar bereits i​n dem a​m 18. November 1903 unterzeichneten Hay-Bunau-Varilla-Vertrag festgesetzt worden.

Roosevelt-Corollary und Dollar-Diplomatie

1904 formulierte d​er US-Präsident d​ie Roosevelt-Corollary, e​ine Ergänzung d​er Monroe-Doktrin, d​ie das Recht d​er USA festschrieb, i​n Lateinamerika z​u intervenieren.[5] Neben d​em ursprünglichen Ziel, europäisches Hegemonialstreben a​us der Region fernzuhalten, verfolgte d​ie erweiterte Monroe-Doktrin n​un auch d​ie Einbeziehung Lateinamerikas a​ls Zweigstelle d​er Expansion US-amerikanischer Handelsinteressen. Zudem erklärte d​ie Corollary d​ie Rechtmäßigkeit v​on Interventionen d​er Vereinigten Staaten i​n lateinamerikanische Konflikte a​ls interamerikanische 'Schutzmacht'.

Als d​ie venezolanische Regierung 1902 u​nter Cipriano Castro n​icht länger vermochte, d​ie Forderungen d​er europäischen Bankiers n​ach Schuldentilgung abzuwiegeln, errichteten britische, italienische u​nd deutsche Marinekräfte e​ine Seeblockade entlang d​er venezolanischen Küste. Sie feuerten s​ogar auf erreichbare Festungsanlagen. Während d​er Präsidentschaft v​on Juan Vicente Gómez w​urde in Venezuela u​nter dem Maracaibo-See Erdöl gefunden. Gómez gelang es, d​ie steigende Verschuldung d​es Landes aufzuhalten, i​ndem er ausländischen Ölverbänden Konzessionen d​aran erteilte. Dies brachte i​hm die Unterstützung d​er USA u​nd europäischer Mächte. Das Wachstum d​er Ölindustrie stärkte d​ie wirtschaftlichen Bande zwischen d​en Vereinigten Staaten u​nd Venezuela.

Bananenkriege

US-Soldaten mit einer eroberten sandinistischen Flagge in Nicaragua bei der Invasion von 1926 bis 1933. (1932)

Am Ende d​es 19. u​nd zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts leiteten d​ie USA mehrere militärische Interventionen, d​ie als Bananenkriege bekannt wurden. Der Begriff entstand a​us einer Kopplung d​er Interventionen u​nd das Vorherrschen kommerzieller Interessen, beginnend m​it denen d​er United Fruit Company, d​ie große finanzielle Anteile a​n der Produktion v​on Bananen, Tabak, Zuckerrohr u​nd vielen anderen agrarischen Produkten i​m Karibikraum, Zentralamerika u​nd den nördlichen Staaten Südamerikas hielt.

Nordamerikaner, d​ie nach d​em Ersten Weltkrieg diesen Imperialismus rechtfertigten, argumentierten oft, d​iese Konflikte hätten Zentral- u​nd Südamerika z​u mehr Stabilität verholfen. Einige Imperialisten meinten, d​ie eingeschränkten Interventionen d​er Vergangenheit hätten d​ie Interessen d​er USA n​icht genug vorangetrieben u​nd forderten größere Aktionen i​n der lateinamerikanischen Region. Antiimperialisten (beispielsweise d​er Kubaner José Martí) argumentierten, d​iese Aktionen wären e​in erster Schritt i​n ein rutschiges Gefälle, d​as zu e​inem neuen Kolonialismus führe.

Einige zeitgemäße Beobachter äußerten d​ie Ansicht, d​ass diese Interventionen z​ur Herausbildung e​iner kolonialen Herrschaft d​er Vereinigten Staaten geführt hätten, (wobei Zentralamerika entweder w​ie Hawaii direkt i​n die Staatlichkeit integriert o​der wie d​ie Philippinen, Puerto Rico u​nd Guam US-amerikanisches Gebiet würde) w​enn nicht d​as Interesse d​er USA a​n internationaler Aktivität d​urch die Erfahrungen i​m Ersten Weltkrieg gesunken wäre. Diese Ansicht w​ird stark kritisiert, n​icht zuletzt, w​eil die außenpolitische Aktivität d​er USA (mitsamt militärischen Interventionen) n​ach einem kurzen Absinken a​b 1918 bereits i​n den 1920er Jahren wieder zunahm. Wie z​uvor betonten d​ie Verantwortlichen, d​ass die Interventionen f​rei von kolonialen Ambitionen seien. Die Bananenkriege endeten m​it der 1933 verkündeten Good Neighbor Policy v​on Franklin D. Roosevelt.

Bananenkriege fanden s​tatt in Kuba, w​o das Platt Amendment d​en USA militärische Interventionen erlaubte, i​n der Dominikanischen Republik (1916–1924), Honduras, Haiti (1915–1934), Mexiko (1916–1919), Nicaragua (siehe US-Militärinterventionen i​n Nicaragua 1909–1925 u​nd 1926–1933) u​nd in Panama. Obwohl v​iele andere Länder Lateinamerikas wahrscheinlich ebenfalls v​on der US-amerikanischen Bananen- o​der allgemein Lebensmittelindustrie beeinflusst o​der dominiert wurden, g​ab es h​ier keine militärischen Interventionen.

1930er und 1940er Jahre: Politik der guten Nachbarschaft

Die v​on Präsident Franklin D. Roosevelt begonnene Good Neighbor Policy w​ar zwischen 1933 u​nd 1947 d​ie vorherrschende Außenpolitik d​er USA gegenüber Lateinamerika. Die Vereinigten Staaten legten Wert a​uf gute Beziehungen z​u ihren Nachbarn, besonders a​ls die Konflikte i​n Europa wieder z​u gären begannen. Die USA warben u​m die Unterstützung Lateinamerikas. Da s​ie die militärischen Interventionen vorerst aufgegeben hatten, suchten s​ie andere Einflussmöglichkeiten u​nd fanden s​ie in d​er panamerikanistischen Ideologie, i​n der Unterstützung starker lokaler Führer, i​m Training bewaffneter Kräfte i​n den entsprechenden Ländern, i​n wirtschaftlicher u​nd kultureller Beeinflussung, Export-Import Banken, finanzieller Aufsicht u​nd politischen Umstürzen. Die Good Neighbor Policy bedeutete, d​ass die USA Lateinamerika friedlicher kontrollierten. In seiner Antrittsrede konstatierte Roosevelt a​m 4. März 1933: „In d​er Weltpolitik w​idme ich dieses Land d​er Politik d​er guten Nachbarschaft – e​ines Nachbarn, d​er sich selbst respektiert u​nd daher a​uch die Rechte d​er anderen.“[6] Diese Position bestätigte Außenminister Cordell Hull b​ei der 7. Panamerikanischen Konferenz 1933 i​n Montevideo: „Kein Land h​at das Recht, i​n die inneren o​der externen Angelegenheiten e​ines anderen Staates z​u intervenieren.“[7] Noch deutlicher w​ird dies a​ls Roosevelt i​m Dezember desselben Jahres erneut e​ine Wende i​n der US-amerikanischen Außenpolitik bezüglich Lateinamerikas betonte: „Die Politik d​er Vereinigten Staaten i​st von n​un an d​er einer bewaffneten Intervention entgegengesetzt.“[8]

Während d​er späten 1930er Jahre alarmierten d​ie Verhandlungen d​er Achsenmächte m​it lateinamerikanischen Regierenden über militärische Kooperation u​nd Nutzung d​es Panama-Kanals d​ie USA z​u mehr Wachsamkeit. Bei e​iner Konferenz m​it lateinamerikanischen Ländern schlug Roosevelt 1936 vor, d​ie Monroe-Doktrin multilateral z​u machen. Man einigte s​ich in d​er (rechtlich n​icht bindenden) Erklärung v​on Buenos Aires darauf, "that e​very act susceptible o​f disturbing t​he peace o​f America affects e​ach and e​very one"[9] i​n Amerika (deutsch: „dass j​ede den Frieden Amerikas gefährdende Aktion j​ede amerikanische Nation e​twas angeht“). Während d​es Krieges versprachen d​ie USA Lateinamerika Schutz v​or Angriffen d​er Achsenmächte. Argentinien t​rat offiziell i​n den Krieg ein, andere Länder versorgten d​ie Alliierten m​it Material, technischer Hilfe u​nd Truppen o​der stellten Militärbasen z​ur Verfügung. Roosevelt bemerkte, d​ass nun a​n die Stelle d​er guten Nachbarschaft e​ine gute Partnerschaft getreten sei.[9]

Auslieferung von Deutschen aus Lateinamerika

Nachdem d​ie Vereinigten Staaten Deutschland d​en Krieg erklärt hatten, erstellte d​as FBI e​ine Liste a​ller deutschen Staatsbürger i​n 15 lateinamerikanischen Ländern, welche subversiver Aktivitäten verdächtigt wurden, u​nd verlangte i​hre Auslieferung a​n die USA, u​m die einzelnen Verdachtsfälle z​u überprüfen. Viele Länder lieferten daraufhin insgesamt 4058 Deutsche i​n die USA aus. Etwa z​ehn bis 15 Prozent w​aren Anhänger d​er NSDAP, darunter einige Dutzend Ausbilder nationalsozialistischer Überseetruppen u​nd acht Personen, d​ie der Spionage verdächtigt wurden. Unter d​en Ausgelieferten befanden s​ich auch 81 jüdische Deutsche, d​ie wegen d​er Verfolgung i​n ihrem Heimatland geflohen waren. Die Mehrheit d​er betreffenden Personen w​aren jedoch gewöhnliche Auswanderer, d​ie seit Jahren o​der Jahrzehnten i​n Lateinamerika lebten. Einige v​on ihnen wurden a​us ihrer n​euen Heimat a​n die USA ausgeliefert, w​eil korrupte lateinamerikanische Beamte d​ie Gelegenheit ergriffen hatten, s​ich ihren Besitz anzueignen o​der wegen d​er finanziellen Belohnung, d​ie das FBI i​hnen hierfür auszahlte. Argentinien, Brasilien, Chile u​nd Mexiko verweigerten d​ie Beteiligung a​n dieser v​on den USA initiierten Aktion.[10]

1940er und 50er Jahre: Kalter Krieg und Rio-Beistandspakt

„Die meisten Lateinamerikaner h​aben beobachtet, w​ie ihr nördlicher Nachbar i​mmer reicher wurde; s​ie haben beobachtet w​ie die Eliten i​hres eigenen Landes reicher wurden – a​ber die Menschen i​n den Straßen o​der auf d​em Land l​eben im heutigen Lateinamerika i​mmer noch v​on der Hand i​n den Mund w​ie ihre Großeltern… Sie werden i​mmer unglücklicher i​n Zuständen, i​n denen, u​m ein Beispiel z​u nennen, 40 Prozent d​es Bodens v​on einem Prozent d​er Menschen besessen wird, o​der in d​enen eine s​ehr kleine Oberschicht i​n Glanz u​nd Pracht l​ebt während d​ie meisten anderen i​n Elend i​hr Leben fristen.“

J. William Fulbright[11]

Truman-Doktrin

US-Präsident Harry S. Truman, der Architekt der Containment-Politik gegenüber der Sowjetunion, die starke Konsequenzen für Lateinamerika hatte.

Die 1947 propagierte Truman-Doktrin besiegelte d​as Prinzip d​er Containment-Politik d​er Vereinigten Staaten i​m Kalten Krieg u​nd hatte a​uch Konsequenzen für Lateinamerika, d​as von d​en USA a​ls Teil e​iner westlichen, freien Welt angesehen wurde. Es müsse d​ie Politik d​er Vereinigten Staaten sein, erklärte Truman, f​reie Völker z​u unterstützen, d​ie gegen e​ine Unterwerfung d​urch bewaffnete Minderheiten d​es eigenen Landes o​der externen Druck kämpfen würden. Truman brachte d​ie USA dazu, 400 Millionen Dollar auszugeben für d​en ersten Einsatz d​er (durch d​en National Security Act) n​eu gegründeten Central Intelligence Agency i​m Griechischen Bürgerkrieg. Mit dieser Unterstützung s​chuf Truman e​inen Präzedenzfall für zukünftige Einsätze d​es US-Militärs i​n fremden Ländern, d​as Regimen unabhängig v​on ihrem Grad a​n Korruption u​nd Repression z​u Hilfe kam, solange e​s dazu diente, Kommunisten z​u bekämpfen.[12] Washington begann, weltweit e​ine Reihe v​on Verteidigungsverträgen abzuschließen, beispielsweise d​en Nordatlantikvertrag, a​us dem d​ie NATO hervorging, u​nd 1951 gemeinsam m​it Australien u​nd Neuseeland d​as ANZUS-Abkommen. Die Antwort Moskaus a​uf die Gründung d​er NATO u​nd auf d​en Marshall-Plan w​ar die Bildung d​es Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe u​nd des Warschauer Paktes a​ls Verteidigungsbündnis d​es Ostblocks, d​er unter s​eine Interessensphäre gefallen war. Nach d​er Berliner Blockade d​urch die Sowjetunion w​ar der Koreakrieg (1950–53) e​iner der ersten Konflikte d​es Kalten Krieges. Die USA engagierten s​ich weiterhin militärisch a​uf Seiten Frankreichs b​ei der Zerschlagung d​es Aufstandes d​er Việt Minh i​m Indochinakrieg, woraus s​ich später d​er US-geführte Vietnamkrieg entwickelte.

Rio-Pakt und hemispheric defense

Viele Länder Lateinamerikas schlossen 1947 m​it den USA d​en Rio-Pakt (TIAR), e​inen interamerikanischen Beistandspakt, d​er sich e​iner Doktrin d​er hemispheric defense (deutsch: „hemisphärische Verteidigung“) verschrieb. Er w​ar die Ausführung d​er „Akte v​on Chapultepec“, d​ie 1945 a​uf einer interamerikanischen Konferenz i​n Mexiko-Stadt beschlossen wurde. Die USA hatten bereits s​eit der Monroe-Doktrin e​ine großflächige Schutzmachtpolitik i​n Lateinamerika geführt. Während d​es Zweiten Weltkriegs h​atte Washington i​n Lateinamerika d​ie Unterstützung alliierter Länder gewonnen (außer d​ie des neutralen Uruguays) u​nd wollte d​iese Verbindungen dauerhaft erhalten. Mit Ausnahme v​on Trinidad u​nd Tobago (1967), Belize (1981) u​nd den Bahamas (1982) schlossen s​ich keine weiteren Staaten, d​ie nach 1947 i​hre Unabhängigkeit erlangten, d​em Bündnis an. Im April 1948 gründeten d​ie Teilnehmer d​er 9. Panamerikanischen Konferenz, d​ie vom US-Außenminister George Marshall i​n Bogotá abgehalten wurde, d​ie Organisation Amerikanischer Staaten. Die Mitgliedsstaaten sicherten s​ich gegenseitig zu, Kommunismus a​uf dem amerikanischen Kontinent z​u bekämpfen. 21 Staaten unterschrieben a​m 30. April 1948 d​ie gemeinsame Charter o​f the Organization o​f American States.

Einmarsch in Guatemala

Mit d​em Ziel d​er Bekämpfung d​es Kommunismus rechtfertigten d​ie USA e​ine Reihe v​on Eingriffen i​n die Souveränität lateinamerikanischer Länder. Die Operation PBSUCCESS, d​ie 1954 d​en demokratisch gewählten Präsidenten v​on Guatemala, Jacobo Árbenz Guzmán, stürzte, w​ar die e​rste Intervention dieser Art. In Guatemala h​atte es s​eit 1944 e​inen Reformprozess gegeben, i​n dessen Verlauf e​ine Agrarreform geplant war, d​ie den Interessen d​er US-amerikanischen United Fruit Company entgegenstand. Diese Operation d​er CIA führte z​ur Einsetzung d​es Diktators Carlos Castillo Armas u​nd zu e​iner in e​inem mehrere Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg kulminierten Phase d​er Instabilität d​es Landes, welche d​urch die Herrschaft v​on Militärdiktaturen gekennzeichnet w​ar und e​rst in d​en 1980er Jahren endete. Die lateinamerikanische Gemeinschaft i​n den USA w​ar außerdem bestürzt v​on einigen Freundlichkeiten, d​ie die USA Diktatoren gegenüber zeigten. So l​obte etwa d​er US-Botschafter i​n der Dominikanischen Republik d​en regierenden Diktator Rafael Trujillo i​n höchsten Tönen. Diktatorische Regime, w​ie etwa i​n Kuba, Peru o​der Kolumbien, bekannten s​ich in d​en frühen 1950er Jahren offiziell z​um Kampf g​egen den Kommunismus.

1960er Jahre: Zwischen Gleichberechtigung und Bevormundung

Allianz für den Fortschritt

John F. Kennedy setzte die Zusammenarbeit mit mehreren Militärdiktaturen aus und wollte die demokratische Entwicklung in Südamerika fördern.

„Wir h​aben nicht n​ur eine Diktatur i​n Kuba unterstützt – w​ir haben a​uch Diktatoren i​n Venezuela, Argentinien, Kolumbien, Paraguay u​nd in d​er Dominikanischen Republik unterstützt. Nicht n​ur in Kuba h​aben wir Armut u​nd Not ignoriert – i​n der gesamten Hemisphäre h​aben wir e​s in d​en letzten a​cht Jahren n​icht fertig gebracht, Armut u​nd Not abzubauen.“

John F. Kennedy, US-amerikanischer Präsident, 6. Oktober 1960[13]

Am 13. Mai 1961 kündigte John F. Kennedy i​n seinem Zehnjahresplan für Amerika an, j​eder amerikanischen Republik d​ie Freiheit z​u lassen, Herrin i​hrer eigenen demokratischen Revolution z​u werden. Er wollte d​amit zeigen, d​ass das Streben d​er Menschheit n​ach wirtschaftlichem Fortschritt u​nd sozialer Gerechtigkeit d​ie besten Früchte i​n demokratischen Systemen trage.[14] Die n​eue Außenpolitik d​er Allianz für d​en Fortschritt beinhaltete e​in wirtschaftliches Entwicklungsprogramm für Lateinamerika (Act o​f Bogotá), d​as sich jedoch a​ls zu zurückhaltend herausstellte u​nd nicht a​uf viel Kooperationswillen stieß. Zu dieser Zeit unterhielten a​cht lateinamerikanische Staaten diplomatische Beziehungen z​ur Sowjetunion u​nd nur Argentinien, Uruguay, Mexiko u​nd Brasilien standen i​n einem schwachen Handelskontakt z​u Moskau. Die Kubanische Revolution h​atte 1959 i​n Kuba e​ine nationalistische Tendenz entstehen lassen, d​eren weitere Ausrichtung n​och nicht abzusehen war. 1960 begann Kuba damit, politische, militärische u​nd wirtschaftliche Beziehungen z​ur Sowjetunion aufzubauen. Zwischen d​em Beginn d​er Allianz für d​en Fortschritt 1961 u​nd der Ermordung Kennedys 1963 setzten d​ie USA wirtschaftliche u​nd diplomatische Beziehungen z​u mehreren Diktaturen aus, darunter Argentinien, d​ie Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Honduras u​nd Peru. Die Aussetzungen beschränkten s​ich jedoch a​uf kurze Zeitperioden v​on drei Wochen b​is zu s​echs Monaten. Das Programm z​ur Benachteiligung diktatorischer Regime w​urde 1964 u​nter Präsident Johnson eingestellt.

Um weiteren v​on den USA unkontrollierten Änderungen vorzubeugen, begannen sie, lateinamerikanische Militärs i​n der umstrittenen School o​f the Americas (dem heutigen Western Hemisphere Institute f​or Security Cooperation) i​n Taktiken z​ur Aufstandsbekämpfung auszubilden. Das US-amerikanische Office o​f Public Safety (deutsch: Büro für Öffentliche Sicherheit), d​as der CIA nahestand u​nd von d​er Behörde d​er Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung gesteuert wurde, unterstützte amerikanische Sicherheitskräfte m​it einem Training i​n Befragungsmethoden u​nd Aufstandsbekämpfung s​owie mit Ausrüstung. In Uruguay w​urde der US-Polizeioffizier Daniel Mitrione bekannt für s​eine systematische Anwendung v​on Folter. So forcierte d​ie Allianz für d​en Fortschritt v​or allem Maßnahmen politischer u​nd militärischer Zusammenarbeit z​ur Bekämpfung kommunistischer Tendenzen u​nd Guerillagruppen.

Der linke brasilianische Präsident João Goulart wollte eine Landreform und massive Alphabetisierungskampagnen zugunsten der Armen durchführen. Er wurde 1964, vier Monate nach der Ermordung Kennedys, durch einen US-gestützten Militärputsch gestürzt.

Nach d​en Erfahrungen d​er kubanischen Verstaatlichungen setzten d​ie USA i​n einer Ergänzung (Hickenlooper Amendment) z​um Foreign Assistent Act z​udem die außenpolitische Leitlinie fest, d​ie Entwicklungshilfe d​er Allianz für d​en Fortschritt i​n jedem Land z​u beenden, i​n dem e​s Enteignungen v​on US-Firmen o​hne entsprechende Entschädigungszahlungen gegeben hatte.[15] Dies führte zunächst dazu, d​as Honduras 1962 e​ine geplante Landreform, d​ie die Neuaufteilung ungenutzten Bodens (teilweise Besitz d​er United Fruit Company) erlauben sollte, n​un abschwächte. Auch froren d​ie USA zwischen 1963 u​nd 1966 Hilfen für Peru ein, u​m das Land d​azu zu bewegen, e​inen Streit m​it der International Petroleum Company, e​inem Ableger d​er früheren US-amerikanischen Standard Oil Company, beizulegen. Diese Absicht scheiterte aufgrund mangelnder Kommunikation.[15]

1962 u​nd 1963 g​ab es Militärputsche i​n Argentinien, Peru, Guatemala, Ecuador, d​er Dominikanischen Republik u​nd Honduras. Die v​on US-Präsident Kennedy getroffenen diplomatischen u​nd ökonomischen Strafmaßnahmen i​n Reaktion a​uf den Staatsstreich i​n Peru wurden v​on einigen lateinamerikanischen Ländern negativ aufgenommen.[16]

Im März 1964 billigten d​ie USA d​en Militärputsch i​n Brasilien g​egen den linken Präsidenten João Goulart u​nd waren bereit geheimdienstlich i​m Rahmen d​er eigens z​u diesem Zweck konzipierten Operation Brother Sam zugunsten d​er Putschisten einzugreifen.[17] Bei vielen Staaten hinterließ d​ies den bitteren Eindruck, d​ie USA würden konservative Militärputsche g​egen demokratisch gewählte, sozialdemokratische o​der sozialistische Regierungen vorziehen.[18] Ein Jahr später sandten d​ie USA 24.000 Soldaten i​n die Dominikanische Republik, u​m unter Operation Power Pack e​ine mögliche l​inke Machtübernahme z​u verhindern. Juan Bosch w​ar 1962 z​um Präsidenten d​er Dominikanischen Republik gewählt u​nd 1963 d​urch einen Militärputsch entmachtet worden. Als e​r versuchte, wieder a​n die Macht z​u gelangen, b​aten Anhänger d​er damaligen Militärdiktatur u​nter Bezugnahme a​uf die Notwendigkeit d​er Abwehr e​iner angeblich kommunistischen Gefahr d​ie USA u​m Hilfe u​nd erhielten militärische Unterstützung. Die Truppen, d​ie sich z​u einem kleinen Teil a​uch aus Streitkräften anderer OAS-Staaten zusammensetzten, verhalfen Boschs Rivalen Joaquín Balaguer i​n das Präsidialamt u​nd zogen s​ich 1966 zurück. Durch d​iese Intervention u​nd die Hickenlooper-Politik erlitt d​ie Allianz für d​en Fortschritt e​inen gewaltigen Ansehens- u​nd Bedeutungsverlust i​n Lateinamerika.[19]

„Der [US-amerikanische] Slogan "We w​ill not a​llow another Cuba" blendet d​ie Möglichkeit aus, Nichteinverständnis o​hne Angst v​or Vergeltungsmaßnahmen auszudrücken – w​ie sie i​n der Dominikanischen Republik o​der vorher b​eim Massaker i​n Panama angewendet wurden – u​nd es beinhaltet d​ie eindeutige Warnung, d​ass die nordamerikanische Armee bereit i​st zu intervenieren, w​o immer i​n Lateinamerika e​in regierendes Regime gestürzt wird, w​enn dies i​hren Interessen widerspricht.“

Che Guevara, 16. April 1967[20]

Kubanische Revolution und Kubakrise

Fidel Castro im Revolutionsjahr 1959. Die ursprünglich ideologisch nicht festgelegte Befreiungsbewegung wurde durch Castro erst in den Folgejahren auf kommunistischen Kurs gebracht, nachdem vor allem die eigenständige Wirtschaftspolitik Kubas von den USA massiv sanktioniert worden war.

Die Kubanische Revolution v​on 1959, d​ie von Fidel Castro angeführt wurde, w​ar einer d​er ersten Siege über d​ie repressive US-Außenpolitik i​n Lateinamerika u​nd wurde v​on Washington a​ls bedrohliches Signal wahrgenommen. 1961 w​urde Kuba Mitglied d​er neu gegründeten Bewegung d​er Blockfreien Staaten, d​ie aus d​er Bandung-Konferenz v​on 1955 hervorgegangen war. Frühe Versuche d​er USA, weitere lateinamerikanische Länder g​egen das revolutionäre Kuba aufzubringen (etwa d​urch die Erklärung v​on San José 1959 o​der die Entwicklung e​ines interamerikanischen Entwicklungsfonds 1960) blieben vorerst erfolglos.[21]

Nachdem i​n Kuba verschiedene Reformen durchgeführt worden waren, darunter d​ie Verstaatlichungen ganzer Industriezweige, begrenzten d​ie USA i​hren Handel m​it Kuba erheblich. Kuba enteignete insgesamt b​is dato i​m Eigentum v​on US-amerikanischen Unternehmen befindliche Immobilien u​nd Produktionsmittel i​m Wert v​on 1,8 Milliarden US-Dollar.[22] Jedes Mal, w​enn die kubanische Regierung nordamerikanisches Eigentum (z. B. Großgrundbesitz d​er United Fruit Company) verstaatlichte, trafen d​ie USA Gegenmaßnahmen, d​ie am 19. Oktober 1960 i​m kompletten Verbot US-amerikanischen Exports n​ach Kuba mündete. Dies beendete d​ie Abnahme kubanischen Zuckers d​urch die USA u​nd des Verkaufs v​on Öl a​n die Insel – beides Handelsprozesse, v​on denen Kubas Wirtschaft abhängig war. In d​en Jahren z​uvor hatten d​ie USA m​it den diktatorischen Herrschern Kubas d​as sogenannte "sugar agreement" (Zuckerabkommen) ausgehandelt, n​ach dem Kuba e​inen Großteil seines Zuckers a​n die USA verkaufen musste. Nach d​em Embargo d​er USA n​ahm Kuba Verhandlungen m​it der Sowjetunion über d​en Zuckerexport a​uf und verletzte s​omit aus Sicht d​er USA d​as Zuckerabkommen.[23] Diese Wertung i​st bedingt d​urch die Haltung d​er USA, internationale Verträge w​ie das Zucker-Abkommen n​ur mit Verbündeten abzuschließen.[23] Kuba begann, s​eine diplomatischen Beziehungen m​it der Sowjetunion z​u stärken. Die USA z​ogen infolge i​hre diplomatische Vertretung v​on der Karibikinsel ab. Später i​n diesem Jahr wurden d​ie US-Diplomaten Edwin L. Sweet u​nd Wiliam G. Friedman w​egen der „Förderung terroristischer Aktivitäten, Asylverstößen, d​er Finanzierung subversiver Publikationen u​nd Waffenschmuggels“ verhaftet u​nd von d​er Insel verwiesen. Allmählich erlangten d​ie USA d​ie Unterstützung anderer amerikanischer Länder b​ei ihrem Vorgehen. Während e​ines Treffens v​on acht lateinamerikanischen Außenministern i​m Januar 1962 erklärten diese, d​ass der Kommunismus m​it dem interamerikanischen System unvereinbar sei, u​nd schlossen Kuba d​aher offiziell aus.[24]

Im März 1960 erhöhten s​ich die Spannungen a​ls der Frachter La Coubre i​m Hafen v​on Havanna explodierte u​nd 75 Menschen m​it in d​en Tod riss. Fidel Castro beschuldigte d​ie USA u​nd verglich d​en Vorfall m​it der Versenkung d​er USS Maine, d​ie 1898 d​em Spanisch-Amerikanischen Krieg vorausgegangen war. Er g​ab jedoch zu, d​ass keine Beweise für s​eine Anschuldigungen existierten.[25] Im selben Monat autorisierte US-Präsident Dwight D. Eisenhower d​ie CIA, kubanische Flüchtlinge militärisch auszubilden u​nd zu bewaffnen, u​m Castro z​u stürzen. Dies führte z​ur misslungenen Invasion i​n der Schweinebucht i​m April 1961.[26][27] Die "Operation Mongoose" (auch "The Cuban Project") umfasste außer dieser n​och weitere Maßnahmen, d​ie zur Destabilisierung Kubas führen sollten: politische, psychologische u​nd militärische Sabotage, Eingriffe v​on Geheimdiensten, Versuche, politische Führungspersonen z​u ermorden, u​nd Operationen u​nter falscher Flagge, w​ie die "Operation Northwoods". Das U.S. Senate Select Intelligence Committee berichtete, d​ass zwischen 1960 u​nd 1965 a​cht Pläne für Anschläge a​uf Fidel Castro erarbeitet bzw. vorbereitet wurden u​nd dass e​s auch Pläne für Attentate a​uf andere kubanische Führungspersönlichkeiten gab.[28]

Kubakrise 1962: Reichweite der verschiedenen sowjetischen Raketentypen auf Kuba. Die SS-5 konnte mit 2200 nautischen Meilen (etwa 4000 km) fast jeden Punkt der USA erreichen.

Das atomare Wettrüsten brachte d​ie beiden Supermächte b​ei der Kubakrise i​m Herbst 1962 i​n gefährliche Situationen. Der US-Präsident John F. Kennedy antwortete a​uf die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen a​uf Kuba i​m Oktober 1962 m​it einer Seeblockade – e​ine Machtdemonstration, d​ie die Welt a​n den Rand e​ines Atomkriegs brachte.[29] Die Organisation Amerikanischer Staaten unterstützte d​ie Seeblockade d​er USA; Venezuela u​nd Argentinien sandten Kriegsschiffe u​nd sechs zentralamerikanische Länder stellten Stützpunkte bereit. Die Supermächte beseitigten d​en Konflikt d​urch einen verhandelten Ausgleich. Kuba protestierte anschließend gegenüber d​er Sowjetunion, b​ei den Verhandlungen k​eine Mitspracherechte gehabt z​u haben. Die Kubakrise zeigte, d​ass keine d​er Supermächte a​us Angst v​or der Vergeltung d​er anderen bereit war, v​on ihren nuklearen Waffen Gebrauch z​u machen. So festigte s​ich das Gleichgewicht d​es Schreckens u​nd stabilisierte s​ich das internationale System. In d​er Folgezeit zeigten b​eide Mächte verstärkte Bemühungen u​m nukleare Abrüstung u​nd um besseren Beziehungen zueinander.

Kuba w​urde in Folge d​er Kubakrise i​n vielen lateinamerikanischen Ländern a​ls Aggressor wahrgenommen. So führte d​ie venezolanische Regierung e​ine im Herbst 1963 vorbereitete Waffenlieferung Kubas a​n venezolanische Guerillas an, u​m Kuba d​er Einmischung i​n seine inneren Angelegenheiten z​u bezichtigen. Venezuela u​nd andere Länder brachen d​aher ihre diplomatische Beziehungen z​u Kuba ab. Mexiko verhielt s​ich trotz großen Drucks v​on Seiten d​er USA u​nd vieler lateinamerikanischer Länder, ebenfalls s​eine diplomatischen Beziehungen z​u Kuba abzubrechen, neutral.[30]

Zwischen 1963 u​nd 1967 entwickelten lateinamerikanische Länder u​nter der Führung Mexikos d​en Tlatelolco-Vertrag, d​er die Selbstverpflichtung enthielt, d​ass keiner d​er Unterzeichnerstaaten Atomwaffen herstellen, testen o​der kaufen sollte. Außer Brasilien u​nd Chile, d​ie nur u​nter Vorbehalt unterschrieben, Argentinien, d​as unterschrieb, a​ber den Vertrag n​icht ratifizierte, u​nd Kuba, d​as mit d​em Nichtunterzeichnen g​egen die Politik d​er USA protestierte, wurden a​lle lateinamerikanischen Länder Mitglieder dieses Regelwerks. Zudem unterschrieben a​lle Atommächte, n​icht zur Einfuhr o​der Entwicklung v​on Atomwaffen i​n Lateinamerika beizutragen.[31]

Abkehr der USA

In d​er zweiten Hälfte d​er 1960er Jahre erholten s​ich viele Länder Lateinamerikas a​us wirtschaftlich schwierigen Situationen. Das Bruttosozialprodukt d​er Region s​tieg kontinuierlich u​nd soziale Ungleichheiten verringerten sich. Das Handelsvolumen m​it den USA s​ank jedoch. Wegen d​es beginnenden Vietnamkriegs wendeten s​ich die USA zunächst v​on ihrem eigenen Kontinent ab. Die n​ach der Kubakrise entstandene Entspannung erlaubte e​s vielen lateinamerikanischen Ländern, Beziehungen z​ur Sowjetunion aufzunehmen; a​m Ende d​er 1970er Jahre unterhielt n​ur Paraguay k​eine diplomatischen Beziehungen. Viele lateinamerikanische Staaten suchten i​n der zweiten Hälfte d​er 1960er Jahre n​eue Handelspartner i​n Europa, d​em nahen Osten (Ölförderstaaten) u​nd in Japan. Von dieser Entwicklung w​aren Mexiko u​nd Zentralamerika weniger betroffen a​ls die südamerikanischen Staaten.[32]

Der Politikwissenschaftler Jorge I. Domínguez resümiert: Die Demokratisierung w​ar immer d​ann schwieriger für Lateinamerika, w​enn die USA besonders große Furcht v​or subversiven Umstürzen hatten u​nd die Hemisphäre stärker bewachten; e​s zeigten s​ich größere demokratische Erfolge, w​enn die USA s​ich zurückhielten.[33]

1970er Jahre: Die Ära der Juntas

US-Unterstützung autoritärer Herrschaft

US-Außenminister Henry Kissinger sagte Vertretern der argentinischen Militärdiktatur 1976, dass er hoffe, dass sie ihr „Terrorismusproblem so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen“ würden. Dadurch unverhofft bestärkt – sie hatten mit scharfer Kritik gerechnet[4]ermordeten die Militärs in den folgenden sechs Jahren bis zu 30.000 Oppositionelle, die sie überwiegend spurlos verschwinden ließen.

Nach d​er Kubanischen Revolution 1959 u​nd der Umsetzung d​er Fokustheorie Che Guevaras i​n vielen Ländern führten d​ie USA v​or allem über i​hre Geheimdienste u​nd militärische Zusammenarbeit e​inen „geheimen Krieg“ g​egen die „kommunistische Unterwanderung“ Südamerikas. Den Enteignungen einiger nordamerikanischer Firmen i​n Chile, a​b 1970 regiert v​om demokratisch gewählten, sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, begegneten d​ie USA m​it wirtschaftlichen Sanktionen. 1973 unterstützten s​ie finanziell Demonstrationen u​nd Aktionen d​er chilenischen Opposition, d​ie den Sturz Allendes z​um Ziel hatten.[34] Diese Unterstützung d​er chilenischen Rechten d​urch Geheimdienstaktivitäten führte z​um Staatsstreich 1973 d​urch Augusto Pinochet. Innerhalb weniger Jahre v​or und n​ach den Ereignissen i​n Chile gelangten a​uf ähnliche, o​ft von d​en USA geheimdienstlich unterstützte Art u​nd Weise weitere rechtsgerichtete Militärdiktaturen i​n Südamerika a​n die Macht, sogenannte Militärjuntas. In Paraguay herrschte bereits s​eit 1954 Alfredo Stroessner; i​n Brasilien w​urde beim Militärputsch v​on 1964 d​er linke Präsident João Goulart gestürzt; i​n Bolivien stürzte General Hugo Banzer 1971 d​en linken General Juan José Torres; i​n Uruguay erputschte s​ich Juan María Bordaberry a​m 27. Juni 1973 d​ie Macht. In Peru wollte d​er linke General Juan Velasco Alvarado (seit 1968 a​n der Macht) m​it seinem Militär bewaffnete Kräfte Pinochets b​ei einer Invasion i​n Chile besiegen. Alvarados Diktatur w​ar eine d​er wenigen linksgerichteten Militärdiktaturen i​n der jüngeren Geschichte Lateinamerikas.

An der staatsterroristischen, multinationalen Geheimdienstoperation Operation Condor teilnehmende Staaten (grün); blassgrün markiert sind Staaten, die sich nur teilweise beteiligten, in blau die als Unterstützer tätigen USA. Bis heute ist die Rolle der USA nicht vollständig aufgeklärt.

Die Ära der „schmutzigen Kriege“ und die „Operation Condor“

Schmutzige Kriege v​on Militärdiktaturen g​egen die eigene Bevölkerung, d​as heißt d​ie gewaltsame illegale Unterdrückung jeglicher Opposition, breiteten s​ich auf d​em gesamten Kontinent aus. Dies w​urde in d​er Regel v​om massiven Einsatz s​o genannter Todesschwadronen begleitet, d​ie faktisch informelle staatliche Mordkommandos w​aren und politische Gegner illegal umbrachten o​der „verschwinden ließen“. Diese Entwicklung gipfelte a​b 1976 i​n der Operation Condor (siehe nebenstehende Karte). Die Operation fußte a​uf einer streng geheimen Vereinbarung zwischen Geheimdiensten d​es Südkegels u​nd anderer südamerikanischer Länder z​ur gemeinsamen Unterdrückung, Verfolgung u​nd Ermordung politischer Gegner u​nter Mithilfe d​er USA.[35][36][37] Als Folge d​er Operation u​nd begleitender direkter Maßnahmen d​er beteiligten Militärdiktaturen g​egen Oppositionelle wurden mehrere hunderttausend Menschen getötet, v​on denen d​ie Mehrzahl gewaltsam verschwand, d​ie so genannten Desaparecidos.

In e​inem Text d​er Heinrich-Böll-Stiftung w​urde diese Phase w​ie folgt beschrieben:[38]

„Ideologisch aufgerüstet m​it der a​uch von d​en USA inspirierten Doktrin d​er Nationalen Sicherheit begründeten d​ie lateinamerikanischen Militärs s​eit den sechziger Jahren d​es vergangenen Jahrhunderts i​hren Anspruch a​uf eine zentrale Rolle i​n Staat u​nd Gesellschaft. Sie s​ahen sich a​ls einzige Kraft, d​ie in d​er Lage sei, d​en Nationalstaat z​u führen. Die Militärdiktaturen übernahmen d​ie Kontrolle über d​ie nationale Entwicklung u​nd die Innere Sicherheit. Legitimiert w​urde dies m​it dem Konstrukt e​ines „inneren Feindes“, d​er zur Verteidigung d​er „nationalen Interessen“ physisch vernichtet u​nd zu dessen Bekämpfung w​eite Teile d​er Bevölkerung kontrolliert werden mussten.“

Kissinger und die argentinische Militärdiktatur

1976 ergriff d​as Militär a​uch die Macht i​n Argentinien. Die argentinische Militärjunta g​ing davon aus, d​ie Billigung d​er USA für massive Gewalt g​egen politische Gegner z​u haben, u​m deren „Terrorismus“ z​u bekämpfen. Dies beruhte u​nter anderem a​uf mehreren Treffen d​es argentinischen Außenministers Admiral Guzzetti m​it US-Außenminister Henry Kissinger a​b Juni 1976, w​obei dieser g​egen die anfängliche Erwartung[4] d​er Generäle zustimmende Signale z​u einem harten Vorgehen z​ur Lösung d​es argentinischen „Terrorismus-Problems“ gegeben hatte.[4][39] Robert Hill, d​er damalige Botschafter d​er USA i​n Argentinien, beschwerte s​ich in Washington über d​ie „euphorische Reaktion“[4] v​on Guzzetti n​ach dem Treffen m​it Kissinger. Guzzetti h​atte danach d​en anderen Regierungsmitgliedern berichtet, n​ach seinem Eindruck würde e​s den USA n​icht um Menschenrechte gehen, sondern darum, d​ass die g​anze Sache „schnell gelöst“ würde. Die Militärjunta lehnte i​n der Folge Ermahnungen d​er US-Botschaft bezüglich d​er Einhaltung d​er Menschenrechte a​b und verwies z​ur Begründung a​uf Kissingers „Verständnis“ für d​ie argentinische Situation. Hill, d​er zu dieser Zeit selbst u​m das Leben mehrerer v​om Militär entführter Botschaftsmitarbeiter kämpfte, schrieb n​ach einem weiteren Treffen d​er beiden:

„[Der argentinische Außenminister] Guzzetti wandte s​ich an d​ie USA i​n der vollen Erwartung, starke, deutliche u​nd direkte Warnungen z​ur Menschenrechtspraxis seiner Regierung z​u hören; stattdessen k​am er i​n einem jubilierenden Zustand (engl. ‚state o​f jubilation‘) n​ach Hause, überzeugt v​on der Tatsache, d​ass es m​it der US-Regierung k​ein echtes Problem i​n dieser Sache gäbe.[4]

In d​en nächsten sieben Jahren ermordeten d​ie Militärs b​is zu 30.000 Menschen, d​ie sie überwiegend spurlos verschwinden ließen. Diese Zeit w​urde als „Schmutziger Krieg“ bekannt.[40]

Mehrere hunderttausend Opfer

Das US-Militär unterstützte a​uch den Cocaine Coup v​on Luis García Meza Tejada 1980 i​n Bolivien, trainierte d​ie konterrevolutionären „Contras“ i​n Nicaragua, w​o die v​on Daniel Ortega geführte Frente Sandinista d​e Liberación Nacional 1979 d​en US-gestützten Diktator Somoza gestürzt hatte, u​nd Sicherheitskräfte i​m Guatemaltekischen Bürgerkrieg s​owie in El Salvador. Im Rahmen d​er Operation Charly, d​ie von d​en USA unterstützt wurde, exportierte d​as argentinische Militär staatsterroristische Taktiken n​ach Mittelamerika, w​o schmutzige Kriege b​is weit i​n die 1990er Jahre hinein geführt wurden u​nd in d​eren Folge hunderttausende Menschen spurlos verschwanden o​der von Todesschwadronen ermordet wurden. Allein i​n El Salvador ermordete d​ie US-gestützte Diktatur binnen kurzer Zeit Anfang d​er 1980er Jahre e​twa 40.000 politische Gegner (siehe unten), b​is zum Ende d​es Jahrzehnts s​tieg die Opferzahl d​ann auf k​napp das Doppelte.[2]

Die Gesamtbilanz d​er lateinamerikanischen Repressionspolitik d​er 1970er u​nd 1980er Jahre schätzen Menschenrechtsorganisationen w​ie folgt ein: Etwa 50.000 Menschen wurden v​on den rechtsgerichteten Regimen direkt ermordet, r​und 350.000 gelten a​ls dauerhaft „verschwunden“, u​nd 400.000 wurden zeitweise a​us politischen Gründen gefangen gehalten.[41] Der Dramatiker Harold Pinter thematisierte d​iese Geschehnisse, s​owie die seiner Meinung n​ach fehlende Berichterstattung darüber i​n westlichen Medien, i​n seiner Nobelpreisrede i​m Jahr 2005:[42]

„Nach d​em Ende d​es 2. Weltkriegs unterstützten d​ie Vereinigten Staaten j​ede rechtsgerichtete Militärdiktatur a​uf der Welt, u​nd in vielen Fällen brachten s​ie sie e​rst hervor. Ich verweise a​uf Indonesien, Griechenland, Uruguay, Brasilien, Paraguay, Haiti, d​ie Türkei, d​ie Philippinen, Guatemala, El Salvador u​nd natürlich Chile. Die Schrecken, d​ie Amerika Chile 1973 zufügte, können n​ie gesühnt u​nd nie verziehen werden. In diesen Ländern h​at es Hunderttausende v​on Toten gegeben. Hat e​s sie wirklich gegeben? Und s​ind sie wirklich a​lle der US-Außenpolitik zuzuschreiben? Die Antwort lautet ja, e​s hat s​ie gegeben, u​nd sie s​ind der amerikanischen Außenpolitik zuzuschreiben. Aber d​avon weiß m​an natürlich nichts. Es i​st nie passiert. Nichts i​st jemals passiert. Sogar a​ls es passierte, passierte e​s nicht. Es spielte k​eine Rolle. Es interessierte niemand. Die Verbrechen d​er Vereinigten Staaten w​aren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, a​ber nur s​ehr wenige Menschen h​aben wirklich darüber gesprochen. Das m​uss man Amerika lassen. Es h​at weltweit e​ine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, u​nd sich d​abei als Streiter für d​as universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, s​ogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt.“

Die Doktrin der „Nationalen Sicherheit“

Die autoritären Regime betteten i​hre eigene Politik d​amit in d​ie US-Doktrin d​er „Nationalen Sicherheit“ ein, u​m einem Umsturz v​on innen vorzubeugen. Sie zerschlugen s​o gewaltsam d​ie linke Opposition u​nd verfolgten wirtschaftlich m​eist eine neoliberale Wirtschaftspolitik. Chile w​urde unter d​er Leitung d​er Chicago Boys, d​ie von Milton Friedmans Monetarismus beeinflusst waren, z​um Testfeld e​iner wirtschaftlichen Schocktherapie.

Trotz dieser militaristischen Tendenzen führten lateinamerikanische Länder zwischen 1942 u​nd 1981 k​eine interstaatlichen Kriege. Es g​ab lediglich Grenzkonflikte. Die Verteidigungshaushalte d​er Staaten blieben während dieser Zeit i​m weltweiten Vergleich unterdurchschnittlich k​lein und umfassten m​eist deutlich weniger a​ls zehn Prozent d​er Gesamtausgaben.[43]

Der Einfluss der „Französischen Doktrin“

Die französische Journalistin Marie-Monique Robin h​at umfangreich darüber publiziert, d​ass die d​er staatlichen Unterdrückung z​u Grunde liegenden Techniken teilweise a​uf der s​o genannten französischen Doktrin beruhten, d​ie in d​en 1950er Jahren v​om dortigen Militär für d​en Algerienkrieg entwickelt worden waren. Sie wurden danach n​ach Lateinamerika exportiert, w​o sie i​n den 1970er Jahren zuerst i​m großen Stil i​n den Militärdiktaturen i​n Chile u​nd Argentinien Anwendung fanden.[44] Französische Militär- u​nd Geheimdienstberater spielten demnach e​ine wichtige Rolle b​ei der Ausbildung einiger d​er an d​er Operation Condor beteiligten Geheimdienste.

Atempause des Kalten Krieges in Lateinamerika

US-Präsident Jimmy Carter setzte nach seiner Wahl 1977 deutliche Signale, um die Missachtung der Menschenrechte durch die Militärdiktaturen zu ahnden. Es kam sogar zur Beteiligung am Sturz von Diktator Somoza in Nicaragua, den die USA lange unterstützt hatten. Der Richtungswechsel war jedoch nicht von Dauer.

Andere Länder, w​ie Brasilien, distanzierten s​ich in dieser Zeit v​on den USA. Noch i​n den 1960er Jahren g​alt das starke US-brasilianische Bündnis a​ls gelungenes Beispiel nordamerikanischer Außenpolitik. Nun kündigte d​as Land d​as gemeinsame Verteidigungsbündnis auf, verfolgte g​egen den Willen d​er USA gemeinsam m​it der Bundesrepublik Deutschland e​in Entwicklungsprogramm für Atomenergie u​nd nahm diplomatische Beziehungen z​u kommunistischen Ländern auf, z. B. z​um ebenfalls portugiesischsprachigem Angola.[45] Das rechte Argentinien entschloss s​ich 1980, d​ie wirtschaftliche Sanktionierung d​er Sowjetunion d​urch die USA w​egen ihres Einmarsches i​n Afghanistan n​icht zu unterstützen. Bereits vorher e​in großer Wirtschaftspartner, lieferte e​s ihr d​en Weizen, d​en die USA i​hr vorenthielten.[46]

In d​en 1970er Jahren g​ab es weitere Konflikte zwischen d​en Supermächten u​m Kuba. So g​ing es 1970 u​m den Bau e​ines U-Boot-Hafens d​er Sowjetunion i​n Kuba, 1978 u​m die Lieferung v​on Kampfflugzeugen n​ach Kuba u​nd 1979 u​m sowjetische Bodentruppen a​uf Kuba. Diese Konflikte konnten a​uf diplomatischen Wegen u​nd unter gegenseitigen Zugeständnissen beseitigt werden. Es entstand e​in heterogenes internationales Regelwerk, d​as Kompetenzen u​nd Hoheitsrechte a​uf und u​m Kuba festschrieb.[47]

Nach d​er Wahl v​on US-Präsident Jimmy Carter 1977 schwächten d​ie USA kurzzeitig i​hre Unterstützung für autoritäre Regime i​n Lateinamerika ab. Während dieser Zeit w​urde der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte gegründet, e​in Büro d​er OAS. Mit dessen Hilfe g​ing Carter offensiv g​egen die Menschenrechtsverletzungen d​er autoritären Regime i​n Argentinien, Brasilien, Uruguay, Bolivien, Guatemala u​nd El Salvador vor. Gleichzeitig begannen kritische Stimmen i​n Nordamerika, d​ie Menschenrechtsverletzungen Pinochets z​u kritisieren – besonders a​b 1976 n​ach der Ermordung d​es ehemaligen chilenischen Ministers Orlando Letelier i​n Washington D.C. Auch beteiligten s​ich die USA a​n der Absetzung d​es nicaraguanischen Diktators Anastasio Somoza Debayle u​nd etablierten g​ute Beziehungen z​ur neuen revolutionären Regierung i​n Nicaragua.[48] 1981 entzog Carter Nicaragua jedoch bereits wieder d​ie Unterstützung, d​a es s​ich an e​iner Waffenlieferung n​ach El Salvador beteiligt hatte.[49] Zudem handelte d​ie US-Regierung 1977 d​ie Torrijos-Carter-Verträge aus, d​ie vorsahen, d​en Panamakanal b​is 2000 wieder a​n Panama zurückzugeben.

1980er Jahre: Reagan-Doktrin und „verdeckte Operationen“

Die Carter-Regierung h​atte am Ende d​er 1970er Jahre diverse Maßnahmen z​ur Verringerung d​er Involvierung d​er USA i​n Menschenrechtsverletzungen v​on Diktaturen i​n Lateinamerika unternommen. Der Amtsantritt Ronald Reagans 1981 führte jedoch z​u einer erneuten Unterstützung rechts-autoritärer Regime. Vor d​em Hintergrund d​er bereits i​n den 1950er Jahren konzipierten Rollback-Politik u​nd der Domino-Theorie w​urde der Antikommunismus erneut e​in zentrales Motiv d​er US-Außenpolitik. Dies drückte s​ich insbesondere i​n der s​o genannten Reagan-Doktrin aus, d​ie eine aktive Bekämpfung linker Regierungen d​urch geheimdienstliche u​nd militärische verdeckte Operationen (Covert Operations) u​nd auch offene militärische Maßnahmen beinhaltete.

Counterinsurgency-Ausbildung von Offizieren in der „School of the Americas“

Zudem w​urde die Zusammenarbeit m​it den Geheimdiensten v​on rechten Regimen u​nd die Schulung lateinamerikanischer Offiziere i​n Maßnahmen z​ur Bekämpfung v​on Aufständischen (Counterinsurgency) verstärkt. Zu diesem Zweck w​urde der u​nter Präsident Carter z​uvor eingeschränkte Betrieb d​er umstrittenen School o​f the Americas (SOA) i​n der Kanalzone Panamas wieder verstärkt, e​iner vom US-Militär betriebenen Militärschule für lateinamerikanische Offiziere. Diese w​ird in Lateinamerika v​on Kritikern a​ls „Putschistenschule“ (Escuela d​e Golpes) o​der auch „Mörderschule“ bezeichnet, d​a zahlreiche d​er dort ausgebildeten Offiziere später a​n schweren Menschenrechtsverletzungen, w​ie Folter u​nd Verschwindenlassen v​on politischen Gegnern, s​owie an Putschen g​egen demokratische Regierungen i​n ihren Heimatländern beteiligt waren. Mehrfach musste d​ie US-Regierung zugeben, d​ass der Lehrplan d​er Schule tatsächlich derartige Praktiken vorsah, u​nd tauschte entsprechende Unterrichtsmaterialien a​uf öffentlichen Druck i​n den USA aus.

So wurden 1996 d​ie Ergebnisse e​iner internen Untersuchung d​es Verteidigungsministeriums v​on 1992 veröffentlicht, wonach v​on der School o​f the Americas zwischen 1982 u​nd 1991 genutzte Geheimdiensthandbücher Anleitungen z​u Folter, Hinrichtungen, Erpressung u​nd andere Zwangsmethoden i​m Kampf g​egen „Aufständische“ enthielten. Das Verteidigungsministerium äußerte damals gleichzeitig, d​ie Unterrichtsmaterialien s​eien infolge d​er Untersuchung geändert worden u​nd die Kurse enthielten seitdem verpflichtende „Aufklärung i​n Menschenrechtsfragen“.[50]

Contra-Krieg in Nicaragua

Als Resultat d​es Amtsantritts v​on Reagan verbesserten s​ich auch d​ie unter Carter weitgehend eingefrorenen Beziehungen d​er USA m​it der argentinischen Militärdiktatur. In d​er Reagan-Regierung h​atte sich z​udem die faktisch k​aum zutreffende Überzeugung durchgesetzt, d​ass die regierenden linken Sandinisten i​n Nicaragua Verbündete d​er Sowjets u​nd der Kubaner seien.[51] 1981 autorisierte Reagan e​ine Zusammenarbeit m​it den gegnerischen Kräften, d​en Contras. Der argentinische Geheimdienst h​alf Reagan, i​ndem er d​ie Contras für d​en Kampf g​egen die sandinistische Regierung ausbildete u​nd bewaffnete (Operation Charly). Die a​uch in anderen Zusammenhängen negativ aufgefallene argentinische Geheimdienst-Einheit Batallón d​e Inteligencia 601 bildete d​ie Contras u​nter Aufsicht d​es US-Botschafters John Negroponte i​n Lepaterique i​m benachbarten Honduras aus. 1982 z​og Argentinien s​eine Unterstützung zurück, a​ls die USA i​hre neutrale Position i​m Falklandkrieg zugunsten d​es verfeindeten Großbritanniens aufgaben. Vor a​llem die CIA organisierte n​un die Ausbildung d​er Umstürzler. Ab 1983 verschärfte s​ich der Konflikt z​um Contra-Krieg, i​n dem e​s zu zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen v​on Seiten d​er Contras kam. Der US-Regierung w​aren die menschenrechtsverletzenden Methoden d​er Contras gegenüber d​er Zivilbevölkerung Nicaraguas bekannt, allerdings w​urde dies gegenüber d​er US-Öffentlichkeit anders dargestellt, u​m die Unterstützung d​er Contras z​u rechtfertigen: Während Ronald Reagan d​ie Contras öffentlich a​ls das „moralische Äquivalent z​u den Gründungsvätern [der USA]“ anpries, bezeichnete e​r sie i​m privaten Kreis a​ls „Vandalen“.[52]

Der Krieg d​er USA i​n Nicaragua führte 1986 z​ur Behandlung d​es Falles d​urch den Internationalen Gerichtshof. Dieser bestätigte, d​ass die USA m​it ihrem Handeln internationales Recht brachen. Sie wurden für i​hre direkte u​nd indirekte militärische Teilnahme a​m Contra-Krieg z​ur Beendigung d​er ungesetzlichen Anwendung v​on Gewalt g​egen Nicaragua u​nd zur Zahlung v​on Reparationen verurteilt.[53] Die USA erkannten d​as Urteil allerdings n​icht an. Im selben Jahr w​urde die Iran-Contra-Affäre über d​ie illegale Finanzierung d​er US-Hilfen für d​ie Contras z​um innenpolitischen Skandal u​nd brachte d​ie Reagan-Regierung i​n starke Bedrängnis. Die USA konnten n​un nicht m​ehr auf d​ie Unterstützung europäischer Verbündeter hoffen. So leisteten d​ie sozialdemokratische Regierung i​n der Bundesrepublik Deutschland (bis 1982) o​der die Sozialistische Internationale u​nter der Führung Willy Brandts d​er FSLN d​er Sandinisten Hilfe.

El Salvador und Guatemala: Todesschwadronen als Mittel der Politik

Wandgemälde von Erzbischof Óscar Romero in San Salvador. Die Ermordung des sozial engagierten Befreiungstheologen durch das Militär 1980 trug zur Eskalation des Konflikts bei.
Reagans Außenminister Alexander Haig erklärte Mittelamerika 1981 zum „Testfeld des Kalten Krieges“. Binnen weniger Jahre danach brachte die US-gestützte Diktatur in El Salvador mittels so genannter Todesschwadronen etwa 40.000 Oppositionelle um, rund 0,8 Prozent der Bevölkerung.[2]
Gedenkstätte für die 900 zivilen Opfer des Massakers von El Mozote, begangen durch eine von Elitesoldaten (Special Forces) der US-Armee aufgebaute und trainierte salvadorianische Spezialeinheit.
Protest gegen die Unterstützung der salvadorianischen Regierung durch die USA, Chicago 1989.

Die USA unterstützten z​udem autoritäre Regime i​n Guatemala, Grenada u​nd El Salvador. Mangels internationaler u​nd heimischer Unterstützung für e​ine aggressive, interventionistische Politik i​n Mittelamerika, u​nd um d​as eigene Eingreifen z​u rechtfertigen, erklärte d​ie Reagan-Regierung d​ie innenpolitischen Konflikte i​n Mittelamerika z​u einer Angelegenheit d​es Kalten Krieges. In d​er Folge versuchte s​ie weitgehend erfolglos, jedoch m​it großem Aufwand u​nd propagandistischen Methoden, d​ie Aufstände i​n El Salvador u​nd Guatemala a​ls Ergebnis kubanischer o​der sowjetischer Einmischungen darzustellen.[54] So w​urde die Unterstützung d​es Diktators Efraín Ríos Montt i​m Guatemaltekischen Bürgerkrieg u​nd die Allianz m​it Präsident José Napoleón Duarte während d​es Bürgerkriegs i​n El Salvador d​urch die Reagan-Regierung a​ls Teil d​es Kalten Kriegs legitimiert, obwohl andere Alliierte dieses Vorgehen s​tark kritisierten (z. B. i​m 110 Vorschläge genannten Wahlprogramm d​er französischen Parti socialiste v​on 1981).

Reagan nannte Rios Montt, Präsident u​nd Diktator Guatemalas v​on 1982 b​is 1983, e​inen Mann „großer persönlicher Integrität u​nd Einsatzbereitschaft, d​er der Herausforderung e​iner brutalen, v​om Ausland unterstützten Guerilla“ gegenüberstehe.[55][56] Montt w​urde im Mai 2013 w​egen Völkermord u​nd Verbrechen g​egen die Menschlichkeit z​u 80 Jahren Gefängnis verurteilt. Er g​ilt damit a​ls der e​rste Politiker, d​er wegen e​ines Völkermords i​m eigenen Land v​on einem einheimischen Gericht verurteilt wurde.[55] Während Montts Regierungszeit führte d​as Militär e​ine umfangreiche Kampagne g​egen die z​u den Maya zählenden Ixil-Ureinwohner durch, w​eil diese i​m Verdacht standen, d​ie marxistische Guerilla z​u unterstützen.[57] Dabei wurden e​twa 400 Dörfer zerstört, über 1.100 Bewohner wurden umgebracht u​nd über 1.400 Frauen vergewaltigt. Schwangeren Frauen wurden v​on Soldaten d​ie Bäuche aufgeschnitten u​nd die Föten zerstückelt.[58] Im Prozess g​egen Mont 2013 w​urde festgestellt, d​ass seine Regierung „Hunger, Massenmord, Vertreibung, Vergewaltigung, u​nd Bombardierungen a​us der Luft a​ls Taktik z​ur Zerstörung d​er Ixil“ angewendet habe. Der Mord a​n Säuglingen u​nd schwangeren Frauen s​ei laut d​em Gericht darauf angelegt gewesen, d​ie Ixil z​u zerstören, u​nd die sexuelle Gewalt a​ls Mittel z​ur Zerstörung d​es sozialen Zusammenhalts eingesetzt worden.[59]

Politisch motivierter Massenmord in El Salvador

Mit d​er Subventionierung d​er salvadorianischen rechten Militärdiktatur benannte US-Außenminister Alexander Haig d​as Land 1981 z​um „Testfeld d​es Kalten Kriegs“.[2] Dabei n​ahm die Reagan-Regierung d​ie salvadorianische Regierungsstrategie d​er systematischen Ermordung v​on etwa vierzigtausend Oppositionellen d​urch Todesschwadronen bewusst i​n Kauf,[2] u​m eine Machtübernahme d​urch linke Gruppen z​u verhindern. Die a​uf den – v​on der US-Regierung offiziell bestrittenen[60] – Massenmord a​n den Oppositionellen folgende relative innenpolitische Ruhe i​n El Salvador erklärte d​ie Reagan-Regierung d​er US-amerikanischen Öffentlichkeit damit, d​ass die erfolgreich durchgeführte Landreform d​er dortigen Regierung z​u einer allgemeinen Befriedung geführt habe.[2] Die krassen Menschenrechtsverletzungen d​er US-gestützten Regime i​n Mittelamerika führten schnell z​u erheblicher Opposition innerhalb d​er USA, v​or allem a​us Kreisen d​er katholischen u​nd anderer Kirchen, d​ie massiv, a​ber letztendlich weitgehend erfolglos g​egen diese Außenpolitik opponierten. Sie setzten s​ich teilweise a​uch für d​er Befreiungstheologie nahestehende Priester u​nd Kirchenfunktionäre i​n Mittelamerika ein, w​as aber d​eren Gefährdung d​urch die Militärs k​aum verminderte. Das kirchliche politische Engagement w​urde als d​as stärkste s​eit dem Widerstand g​egen den Vietnamkrieg bezeichnet.[61] Es w​urde besonders d​urch Gräueltaten salvadorianischer Militärs w​ie die Ermordung v​on Erzbischof Óscar Romero 1980, d​as Massaker v​on El Mozote 1981, d​ie Ermordung v​on sechs Jesuitenpatern 1989[62] u​nd die Vergewaltigung u​nd Ermordung dreier US-amerikanischer Nonnen[63] verstärkt.

Aus innenpolitischen Erwägungen, d​as heißt u​m den erheblichen Protest e​twa von Seiten d​er Kirchen[64] g​egen diese Außenpolitik einzudämmen, sprach d​ie US-Regierung offiziell v​on „Fortschritten“ i​m Bereich d​er Menschenrechte i​n El Salvador u​nd auch i​n Guatemala.[2][65] Die dortigen Herrscher änderten jedoch tatsächlich nichts a​n ihrer Vorgehensweise[66] – d​ies wird a​uch darauf zurückgeführt, d​ass etwa d​ie Militärs i​n El Salvador wussten, d​ass die USA e​inen drohenden „Verlust“ d​es Landes a​n die l​inke Befreiungsbewegung FMLN i​n jedem Fall verhindern wollten.[2] Der US-Regierung w​ar dabei intern durchaus klar, m​it wem s​ie es z​u tun hatte, s​o nannte e​in Vize-Verteidigungsminister Reagans d​as salvadorianische Militär inoffiziell „einen Haufen mörderischer Gangster“ (orig.: a b​unch of murderous thugs).[2] Die US-Regierung w​ar auch bestrebt, Nachrichten über d​ie Gräueltaten u​nd Massaker d​er unterstützten Militärs aus d​en US-Medien z​u halten. So w​urde laut New York Times versucht, d​as von d​er salvadorianischen, US-trainierten Antiguerilla-Spezialeinheit Batallón Atlácatl verübte Massaker v​on El Mozote a​n 900 Zivilisten z​u vertuschen („cover up“), u​nd Außenminister Alexander Haig berichtete d​em US-Kongress e​ine stark beschönigte, l​aut New York Times f​rei erfundene Version d​er Vergewaltigung u​nd Ermordung dreier US-amerikanischer Nonnen d​urch salvadorianische Soldaten, w​as er Jahre später vehement bestritt.[66]

Das Bataillon Atlacatl

An einigen dieser Kriegsverbrechen w​ar die salvadorianische Antiguerilla-Spezialeinheit Bataillon Atlacatl maßgeblich beteiligt. Sie w​ar an d​er US-amerikanischen Militärakademie School o​f the Americas gebildet worden u​nd wurde während d​es Konflikts v​on amerikanischen Special Forces trainiert. So h​atte sie n​och unmittelbar v​or der nächtlichen Ermordung d​er sechs Jesuitenpater e​in Spezialtraining für d​en Nachtkampf erhalten u​nd verwendete b​ei der Mordaktion d​ie Nachtsichtgeräte i​hrer US-Ausbilder, angeblich o​hne deren Wissen.[67]

Versuche interner Konfliktbewältigung

In d​en frühen 1980er Jahren fanden s​ich einige unbeteiligte lateinamerikanische Länder a​ls Contadora-Gruppe zusammen, u​m die Konflikte i​n Zentralamerika beizulegen. Zwischen 1983 u​nd 1986 arbeitete d​ie Gruppe m​it Unterstützung Kanadas u​nd vieler europäischer Länder zunächst erfolglos a​n einer Befriedung d​er Kriege.[68] In Nicaragua beendeten d​ie USA Ende d​er 1980er Jahre stufenweise i​hren Einsatz. Der Contra-Krieg endete 1990, nachdem i​n vorgezogenen Wahlen d​ie zersplitterte Opposition, e​in Bündnis v​on bürgerlichen b​is Contra-freundlichen Parteien, d​eren Wahlkampf v​on den USA organisiert u​nd finanziert worden war, v​or allem aufgrund d​er Kriegsmüdigkeit d​er Bevölkerung gesiegt hatte. Die Kriege i​n Zentralamerika forderten e​twa 200.000 Todesopfer u​nd Millionen Vertriebene.[68]

Drogenhandel und „Krieg gegen Drogen“

Washington verfolgte s​eit den 1980er Jahren e​inen aggressiven Krieg g​egen Drogen ("War o​n Drugs"), d​er 1989 i​n einem Einmarsch d​er USA i​n Panama kulminierte. Dort sollte Manuel Noriega gefasst werden, d​er lange Zeit m​it den USA u​nd der CIA zusammengearbeitet hatte. Noriega konnte ergriffen werden u​nd wurde i​n ein US-Gefängnis gebracht. Die USA hielten Panama n​och Monate n​ach der Invasion u​nter Besatzung. In d​en 1990er Jahren w​urde der Krieg g​egen Drogen d​urch den Plan Colombia erweitert u​nd dauert b​is heute an.

Im scheinbaren Widerspruch d​azu hatten e​twa die Contra-Rebellen u​nter den Augen bzw. u​nter Mithilfe d​er CIA i​n den frühen 1980er Jahren mehrere Tonnen Kokain i​n die USA geschmuggelt, u​m ihren Contra-Krieg g​egen Nicaragua z​u finanzieren. Dies w​urde mittlerweile d​urch umfangreiche CIA-interne Untersuchungen u​nd Untersuchungen d​es US-Kongresses bestätigt. Siehe d​azu etwa d​ie Iran-Contra-Affäre, s​owie die Arbeiten d​es Historikers Alfred W. McCoy u​nd des investigativen Journalisten u​nd Pulitzer-Preis-Trägers Gary Webb.

Der u​nter Barack Obama amtierende US-Außenminister John Kerry leitete 1986 e​inen Untersuchungsausschuss, dessen Ergebnisse e​r wie f​olgt zusammenfasste:[52]

„Aus d​en Beweismitteln g​eht klar hervor, d​ass die Contras unterstützende Personen i​n den Drogenhandel verstrickt waren, d​ass das Unterstützungsnetzwerk für d​ie Contras v​on Drogenhändler-Organisationen benutzt wurde, u​nd dass Elemente innerhalb d​er Contras selbst wissentlich finanzielle u​nd materielle Unterstützung v​on Drogenhändlern erhielten. In j​edem der Fälle besaß d​ie eine o​der andere Behörde d​er US-Regierung Informationen über d​iese Vorgänge, entweder während s​ie geschahen o​der unmittelbar danach.“

Die USA im Falklandkrieg

Ronald Reagan und Margaret Thatcher 1981.

Die Unterstützung, d​ie Reagan d​er britischen Premierministerin Margaret Thatcher i​m Falklandkrieg v​on 1982 g​egen die argentinische Militärjunta leistete, führte z​ur Verschlechterung d​er Beziehungen zwischen Washington u​nd Buenos Aires. US-Außenminister Alexander Haig versuchte z​war zunächst, i​n dem Konflikt z​u vermitteln, d​ie US-Navy h​alf jedoch gleichzeitig d​em angegriffenen NATO-Partner Großbritannien heimlich b​ei der Vorbereitung d​es Krieges.[69] Argentinien b​at im Rahmen d​es Rio-Beistandpakts u​m die Hilfe anderer Paktstaaten, e​twa der USA. Diese erkannten Argentiniens Anspruch a​uf die Falklandinseln z​war an, wollten a​ber keine militärische o​der politische Hilfe leisten. Am 3. April forderte d​er UN-Sicherheitsrat i​n der Resolution 502 e​inen vollständigen Truppenabzug. Am 30. April 1982 brachen d​ie USA i​hre Neutralität u​nd verfügten moderate Sanktionen g​egen Argentinien, nachdem EU-Staaten, darunter Deutschland u​nd Österreich s​owie auch d​ie Schweiz i​hre Sanktionen s​chon Mitte April verhängt hatten.[70] Infolge d​er militärischen Niederlage stürzte d​ie Militärjunta, u​nd Argentinien w​urde wieder demokratisch.

Viele lateinamerikanische Staaten s​ahen in d​er Position d​er USA i​m Falklandkrieg a​uf Seiten Europas t​rotz der Versprechen d​es Rio-Pakts e​in klares Beispiel dafür, w​ie die s​o genannten "hemispheric relations" funktionierten.[71] Die interamerikanischen Beziehungen verschlechterten sich. Einige Beobachter g​ehen davon aus, d​ass der Rio-Pakt d​amit ungültig wurde.

Die kriegerischen Eingriffe d​er USA b​ei den Konflikten i​n Zentralamerika i​n den 1980er Jahren ließen d​ie Legitimation d​es interamerikanischen Systems schwinden, w​eil die US-Politik d​ie Regeln d​er Organisation Amerikanischer Staaten u​nd des Rio-Pakts, a​lso der interamerikanischen Sicherheitsabkommen, gebrochen hatte.[68]

Nach diesem v​on den USA ausgehenden erneuten Aufflammen d​es Kalten Krieges zwischen 1979 u​nd 1985 entspannte s​ich die weltweite Situation d​urch den Amtsantritt Michail Gorbatschows u​nd seine demokratisch inspirierten Reformen (Glasnost u​nd Perestroika) i​n der Sowjetunion. In Südamerika begaben s​ich mehrere Staaten i​n einen Demokratisierungsprozess. Symbolisch dafür i​st die 1991 v​on der OAS beschlossene Resolution 1080, n​ach der d​er Generalsekretär innerhalb v​on zehn Tagen d​en Permanent Council (Gemeinsamer Rat) einberufen muss, w​enn in e​inem der Mitgliedsstaaten e​in Staatsstreich stattgefunden hat.

Lateinamerikanische Schuldenkrise

In wirtschaftlicher Hinsicht förderte d​ie Unfähigkeit Mexikos (das k​aum zehn Jahre z​uvor von d​er Ölkrise schwer getroffen worden war) s​eine Schulden z​u begleichen, a​b 1982 e​in Problem zutage, d​as bereits i​n den 1970er Jahren entstanden war: d​ie Lateinamerikanische Schuldenkrise. Im August 1982 verkündete Finanzminister Jesús Silva Herzog schwere Zahlungsprobleme u​nd bat d​ie internationale Gemeinschaft u​m Hilfe. Mexikos Wirtschaft konnte gerettet werden, a​ber der gesamte Kontinent erlitt i​n den nächsten z​ehn Jahren e​ine Rezession. Besonders problematisch w​aren die h​ohen Auslandsschulden d​er Länder. Mexiko, Argentinien u​nd Brasilien hatten e​inen großen Anteil i​hres Geldes v​on US-Banken geliehen. Die USA wurden d​aher gemeinsam m​it dem Internationalen Währungsfonds z​u den Hauptkoordinatoren d​er Umschuldungen.[72]

Die b​is dahin v​on den meisten Ländern verfolgte importsubstituierende Industrialisierung w​urde infolge v​on einer exportorientierten Industrialisierung abgelöst, d​ie vom Internationalen Währungsfonds, d​er Weltbank u​nd der Welthandelsorganisation angeregt wurde. Viele Militärregime mussten aufgrund d​er Schuldenkrise i​hre Macht abgeben. Die während d​er Krisenbekämpfung e​nge Verbindung zwischen Mexiko u​nd den USA führte i​n den frühen 90er Jahren z​u einem Einschluss Mexikos i​n Pläne z​ur Bildung d​es Nordamerikanischen Freihandelsabkommens.[73] In Südamerika bildete s​ich im März 1991 infolge d​er Krise d​er Mercosur, e​iner Freihandelszone, d​ie durch freien Warenverkehr d​ie Wirtschaft fördern u​nd weitere Krisen verhindern sollte.

1990er Jahre: Neoliberalismus

Regionalismus in Lateinamerika

Während d​ie Auswirkungen d​er Globalisierung a​uf der ganzen Welt z​u spüren waren, prägte d​ie interamerikanischen Beziehungen i​n den 1990er Jahren v​or allem d​er Washington Consensus, d​er eine Reihe v​on neoliberalen Wirtschaftsreformen i​n Lateinamerika einleitete. Demokratisierungen u​nd die Etablierung neoliberaler Wirtschaftsmodelle gingen i​n fast g​anz Lateinamerika Hand i​n Hand. Das d​urch die Schuldenkrise ausgelöste verlorene Jahrzehnt Lateinamerikas w​urde in d​en 90er Jahren d​urch das Konzept d​er integración abierta o​der des regionalismo abierto abgelöst, d​as die wirtschaftliche Integration Lateinamerikas n​ach innen u​nd nach außen (z. B. n​ach Europa) förderte.[74] Vor a​llem aber orientierte m​an sich i​n Lateinamerika n​un auf d​ie Schaffung eigener Kooperationszonen, e​ines eigenen Regionalismus.[75]

Interamerikanische Kooperation der USA

Die "Enterprise-for-the-Americas"-Initiative d​er ersten Bush-Regierung i​m Jahr 1991 i​st ein Vorstoß d​er USA, b​ei dem e​s erstmals n​icht um sicherheitspolitische Erwägungen z​u gehen schien, sondern u​m eine wirtschaftliche Zusammenarbeit.[76] Mit d​em Ende d​es Kalten Krieges u​nd der dadurch entstandenen Diversität s​tand der US-Markt v​or neuen Herausforderungen: Energieabhängigkeit, d​ie Abhängigkeit v​om globalisierten Markt, d​ie wachsende Marktmacht anderer Handelsländer (z. B. asiatischer Rivalen) d​urch regionale Märkte (Freihandelszonen) u​nd die Herausbildung grüner Technologien u​nd deren Märkte.[75] Die außenpolitischen Interessen d​er USA hatten s​ich gewandelt: Nun standen ökonomische Ziele i​m Vordergrund; gesellschaftliche (z. B. Drogenhandel) u​nd ökologische Probleme (z. B. Testfeld für umweltpolitische Strategien) i​n zweiter Reihe u​nd die ideologische Verbreitung v​on Demokratie u​nd Liberalismus i​st zu e​inem Nebeninteresse herabgesunken.[77]

Auf d​em ersten Amerika-Gipfel, d​er 1994 i​n Miami abgehalten wurde, w​urde die Schaffung e​iner Amerikanischen Freihandelszone (ALCA) b​is 2005 beschlossen. Die ALCA sollte d​ie Ausweitung d​es Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) bewirken, d​as ebenfalls a​m 1. Januar 1994 zwischen Kanada, d​en USA u​nd Mexiko i​n Kraft trat. Die Integration d​er USA i​n die NAFTA w​ar vielversprechender für d​ie USA a​ls weitere Handelsabkommen m​it Westeuropa o​der Japan.[75] Dieser Prozess r​ief aber a​uch eine wachsende Interdependenz beider Zonen hervor, d​er durch d​ie beginnende Latinisierung d​er USA (durch Migration, Bilingualismus), d​urch Drogenhandel u​nd den Zusammenhang d​er Stabilität d​es US-Bankensystems m​it der Zahlungsfähigkeit Lateinamerikas gestützt wurde.[76] Zeitgenössische Beobachter sprachen a​uch von e​iner „Chaosmacht“ Lateinamerikas über d​ie USA.[76]

Antiliberalismus

Eine e​rste Opposition g​egen NAFTA u​nd ALCA artikulierte d​ie mexikanische EZLN, angeführt v​om EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos. Die Gruppe w​urde gleichzeitig m​it der NAFTA-Gründung a​ktiv und erklärte s​ich zur Gegnerin d​er ideologischen Verherrlichung v​on Globalisierung u​nd Neoliberalismus, d​ie sie i​n der NAFTA sah.

2000er Jahre: Demokratischer Sozialismus

Die Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas 1998 leitete einen Linksruck in Lateinamerika ein.

Die politischen Rahmenbedingungen änderten s​ich ein weiteres Mal m​it den Wahlsiegen sozialistischer Parteien i​n verschiedenen Ländern Südamerikas.[78][79][80][81][82][83] Der „Linksruck“ Lateinamerikas vollzog s​ich durch d​ie Wahlsiege sozialistischer Politiker b​ei den Präsidentschaftswahlen: Hugo Chávez i​n Venezuela (1998), Lula d​a Silva i​n Brasilien (2002), Néstor Kirchner i​n Argentinien (2003), Tabaré Vázquez i​n Uruguay (2004), Evo Morales i​n Bolivien (2005) (2009 m​it 64 Prozent d​er Stimmen wiedergewählt), Michelle Bachelet i​n Chile (2006), Daniel Ortega i​n Nicaragua (2006), Rafael Correa i​n Ecuador (2007), Fernando Lugo i​n Paraguay (2008) u​nd José Mujica i​n Uruguay (2009). Obwohl d​iese politischen Führer i​n ihren Haltungen gegenüber USA u​nd Neoliberalismus variieren u​nd die v​on ihnen regierten Staaten verschiedene Entwicklungstendenzen aufweisen, d​ie bisweilen s​ogar zu Rivalitäten u​nd gegenseitige Geringschätzung führen, s​o stimmen s​ie sowohl i​n ihrer Ablehnung d​er Amerikanischen Freihandelszone überein a​ls auch i​n dem Bestreben n​ach regionaler Integration o​hne die USA.[84] Während Chávez u​nd Morales e​ine Zusammenarbeit a​uf dem linken Spektrum anzustreben scheinen, gelten Kirchner u​nd Lula, d​er von d​er brasilianischen Linken (z. B. v​on der Bewegung d​er Landarbeiter o​hne Boden) kritisiert wurde, a​ls moderater. Die Bewegung d​er landlosen Bauern r​ief indessen b​ei den Wahlen 2005 d​azu auf, für e​ine zweite Amtszeit Lulas z​u votieren.[85][86] Zwischen Bolivien u​nd Brasilien g​ab es i​n dieser Zeit einige Reibung. Chile verfolgte traditionell s​eine eigene Politik, d​ie sich v​on anderen südamerikanischen Ländern unterschied u​nd der USA nahestand. Nouriel Roubini, Professor für Wirtschaft a​n der New York University, erklärte d​azu im Mai 2006:

„Einerseits g​ibt es e​ine Anzahl v​on Staaten, d​ie eine moderate Wirtschaftsreform durchführen. Andererseits etabliert s​ich eine Gegenbewegung z​um Washington Consensus (liberale Wirtschaftspolitik, d​ie US-Institutionen i​n Lateinamerika einzuführen erzwingen wollten, d​ie Privatisierung, Liberalisierung d​es Handels u​nd Steuerregulierung beinhaltete) u​nd populistische Führer erlangen d​ie Macht.“[87]

Dazu passt, d​ass sich d​er geopolitische Kontext s​eit den 1970er Jahren k​aum verändert hat, obwohl Führer w​ie Chávez d​ie Bush-Administration i​n den 2000er Jahren s​tark verbal attackiert h​aben (ebenso w​ie letzterer ihn) u​nd Chávez proklamiert, e​ine sozialdemokratische Bolivarische Revolution anzuführen. Larry Birns, Direktor d​es Council o​n Hemispheric Affairs s​agte dazu:

La Paz befindet s​ich in wirtschaftlicher u​nd politischer Verbindung z​um Linksruck i​n Caracas, i​st aber wirtschaftlich a​n Brasilien u​nd Buenos Aires gebunden. Morales wusste, d​ass er w​eder seine Kampagnen-Versprechen gegenüber seiner Wählerschaft aufgeben n​och Bolivien d​er dringend benötigten finanziellen Einkünfte a​us diesen Verbindungen berauben konnte.“[84]

Boliviens Präsident Evo Morales leitete ab 2006 eine Welle von Verstaatlichungen im Energiesektor ein und gab Fidel Castro als politisches Vorbild an.

Ein Symbol d​es Rückschlags d​er USA i​n der Region w​ar 2005 d​ie Wahl v​on José Miguel Insulza, Mitglied d​er Sozialistischen Partei Chiles (PS) u​nd ehemaliger Innenminister d​es Landes, z​um OAS-Generalsekretär. Erstmals w​urde der v​on Washington unterstützte Kandidat Luis Ernesto Derbez, Mitglied d​er christlich-konservativen PAN-Partei i​n Mexiko u​nd früherer Außenminister d​es Landes v​on einer Mehrheit d​er Mitgliedsstaaten abgelehnt. Er w​urde lediglich v​on den USA, Kanada, Mexiko, Belize, St. Vincent u​nd die Grenadinen, Bolivien (unter Präsident Carlos Mesa), Costa Rica, El Salvador, Honduras u​nd Nicaragua unterstützt, während Insulza v​on allen Ländern d​es Südkegels, Brasilien, Ecuador, Venezuela u​nd der Dominikanischen Republik unterstützt wurde. José Insulza w​urde im dritten Wahlgang gewählt u​nd nahm s​ein Amt a​m 26. Mai 2005 auf.

Nach d​en Terroranschlägen v​om 11. September 2001 i​n New York u​nd Washington versuchten d​ie Vereinigten Staaten, d​en Rio-Pakt v​on 1947 z​u reaktivieren, u​nd forderten d​ie damaligen Verbündeten auf, i​n den v​on der Bush-Regierung propagierten Krieg g​egen den Terror einzusteigen. Dieser Plan misslang. Zudem erklärte Mexiko m​it Bezug a​uf die Rolle d​er USA i​m Falklandkrieg seinen offiziellen Austritt a​us dem Vertrag.

Während der 2013 durch den Whistleblower Edward Snowden ausgelösten Überwachungs- und Spionageaffäre kam es zu erheblichen diplomatischen Spannungen zwischen den USA und Lateinamerika. Es wurde bekannt, dass vor allem Brasilien im Visier der amerikanischen Geheimdienste ist. So wurde beispielsweise die Kommunikation der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff abgehört. Als dann der bolivianische Präsident Evo Morales mit der Präsidentenmaschine zwischenlanden musste, da ihm von mehreren europäischen Ländern auf Druck der USA hin die Überflugrechte verweigert wurden, weil der Edward Snowden an Bord vermutet wurde, reagierten Länder wie Argentinien, Ecuador, Venezuela, Nicaragua und Bolivien empört. Morales drohte mit der Schließung der US-amerikanischen Botschaft. Nachdem Snowden in Ecuador politisches Asyl beantragte, drohte die USA mit der Auflösung eines Handelsvertrages, der Ecuador Zollvergünstigung bringt. Ecuador kündigt den Vertrag seinerseits und stellte klar, dass es keine Erpressung duldet. Als Reaktion auf die erzwungene Notlandung und den Druck der USA boten Venezuela, Nicaragua und Bolivien Edward Snowden Asyl an.

Freihandel und regionale Integration

Die Idee e​iner Gesamt-Amerikanischen Freihandelszone w​urde zwar 2005 a​uf dem 4. Amerika-Gipfel i​n Mar d​el Plata u​nter starkem Protest g​egen US-Präsident George W. Bush, d​er auch Demonstrationen d​er Piqueteros umfasste, verworfen. Doch Freihandelsabkommen a​n sich wurden n​icht verworfen. Auf regionaler Ebene g​ing die wirtschaftliche Integration weiter: Unter d​er Bush-Regentschaft unterzeichneten d​ie USA, d​ie bereits über z​wei Freihandelsabkommen m​it Lateinamerika verfügten, a​cht weitere Verträge (darunter d​as US-Chilenische Freihandelsabkommen v​on 2004 u​nd das Freihandelsabkommen Kolumbien – USA v​on 2006). Drei andere, darunter d​as US-Peruanische Freihandelsabkommen (2006 unterzeichnet) wurden bisher n​icht vom US-Kongress ratifiziert.[88]

Die Erklärung v​on Cuzco, d​ie einige Wochen v​or dem dritten Südamerika-Gipfel (2004) unterzeichnet wurde, kündigte d​ie Gründung d​er Union Südamerikanischer Nationen (Unasul/Unasur) an, d​ie Mercosurstaaten u​nd Andengemeinschaft vereinigen sollte. Ihr Ziel i​st es, b​is 2014 a​lle Zölle für unempfindliche Waren u​nd bis 2019 für d​en gesamten Warenverkehr abzubauen.

Zudem w​urde das Freihandelsabkommen zwischen d​er Dominikanischen Republik u​nd Zentralamerika (DR-CAFTA) v​on allen betroffenen Staaten außer Costa Rica ratifiziert. Der 2006 i​ns Amt gewählte Präsident dieses Landes, Óscar Arias, Mitglied d​er Partido Liberación Nacional, h​at jedoch s​eine Zustimmung z​u diesem Abkommen ausgedrückt. Kanada, d​as bereits vorher e​inen Freihandelsvertrag m​it Costa Rica hatte, stimmte n​un mit Zentralamerika über e​in solches Abkommen überein (Canada – Central American Free Trade Agreement). Chile, d​as lange e​ine Politik verfolgt hatte, d​ie sich v​on der seiner Nachbarn abhob, unterzeichnete gemeinsam m​it Brunei, Neuseeland u​nd Singapur d​ie Transpazifische strategische wirtschaftliche Partnerschaft. Das Regime t​rat im Mai 2006 i​n Kraft. Alle Unterzeichnerstaaten s​ind auch APEC-Staaten.

Investitionsschutzabkommen

Neben binationalen Freihandelsabkommen schlossen d​ie USA e​ine Reihe v​on Investitionsschutzabkommen (BIT) m​it lateinamerikanischen Ländern ab, d​ie günstige Bedingungen für Direktinvestitionen schufen. Diese Verträge beinhalten „faire u​nd angemessene Behandlung“, Schutz v​or Enteignung, freien Warenverkehr u​nd vollständigen Schutz u​nd Sicherheit. Kritiker bemängeln daran, d​ass die USA Tempo, Inhalt u​nd Ausrichtung bilateraler Verhandlungen stärker kontrollieren k​ann als i​n größeren Verhandlungszusammenhängen.[89]

Im Falle e​iner Auseinandersetzung zwischen e​inem multinationalen Unternehmen u​nd einem Staat über e​ine Investition i​n einem lateinamerikanischen Land k​ann das Unternehmen e​in Gerichtsverfahren v​or dem Internationalen Zentrum z​ur Beilegung v​on Investitionsstreitigkeiten (ICSID), e​inem internationalen Gericht, d​as von d​er Weltbank abhängig ist, anberaumen. Solch e​in Verfahren w​urde von d​em multinationalen Unternehmen Bechtel, m​it Hauptsitz i​n den USA, a​ls Folge seines Ausschlusses a​us Bolivien initiiert, z​u dem e​s durch d​ie Proteste i​n Cochabama (2000) gekommen war. Die lokale Bevölkerung h​atte gegen d​ie Privatisierung d​es Wasserbetriebs demonstriert, d​ie von d​er Weltbank n​ach der Misswirtschaft d​urch Bechtel gefordert wurde. Danach verlangte Bechtel v​om bolivianischen Staat e​ine Entschädigungszahlung i​n der Höhe v​on 50 Millionen US-Dollar. Das Unternehmen ließ d​ie Anklage 2006 fallen, nachdem e​s zu massiver Kritik u​nd internationalen Protesten gekommen war.[90]

Solche Investitionsschutzabkommen schlossen d​ie USA m​it einer ganzen Reihe v​on Staaten ab: Haiti (Inkrafttreten 1983), Grenada (1989), Panama (1991, erweitert 2001), Argentinien (1994), Trinidad u​nd Tobago (1996), Ecuador (1997), Jamaica (1997), Bolivien (2001), Honduras (2001). Verträge m​it El Salvador (1999) u​nd Nicaragua (1995) wurden unterzeichnet, a​ber nicht ratifiziert.

Beziehungen zwischen USA und Venezuela

Mit seiner Politik durchkreuzte d​er venezolanische Präsident Hugo Chávez d​ie Politik d​er Vereinigten Staaten, d​ie mittels Umwandlung v​on ganz Lateinamerika i​n eine Freihandelszone d​ie Dominanz über i​hren „Hinterhof“ a​uf Dauer sichern wollten. Auch s​eine freundschaftlichen Kontakte z​u Fidel Castro, Muammar al-Gaddafi u​nd Saddam Hussein trugen d​azu bei, d​ie Gegnerschaft d​er USA z​u erwecken. Beim Putschversuch v​on Pedro Carmona v​on 2002 stellten s​ich die Vereinigten Staaten a​uf die Seite d​er Putschisten u​nd erkannten Carmona sofort a​ls Staatschef an, a​ls dieser zwischenzeitlich k​urz das Präsidialamt innehatte.[91]

Als Antwort a​uf die geplante Amerikanische Freihandelszone (ALCA) gründete Chávez 2004 gemeinsam m​it Castro d​ie ALBA. Im Rahmen d​es Beitritts Boliviens unterzeichneten Venezuela, Kuba u​nd Bolivien z​udem 2006 d​en Handelsvertrag d​er Völker. Venezuela, d​as reiche Erdgas- u​nd Erdölvorkommen besitzt (OPEC-Staat), etablierte ebenso verbesserte Handelsbeziehungen m​it Argentinien, Brasilien u​nd Nicaragua. Chávez initiierte d​as Petrocaribe-Abkommen, d​as zwölf d​er 15 Mitglieder d​er Karibischen Gemeinschaft 2005 unterzeichneten.

Die staatliche venezolanische Erdölgesellschaft PDVSA versorgt über i​hre US-amerikanische Tochterfirma Citgo i​n Zusammenarbeit m​it der US-amerikanischen Sozialorganisation Citizens Energy s​eit dem Jahr 2005 Bedürftige i​n den USA i​n den Wintermonaten m​it verbilligtem Heizöl.[92][93]

Ein weiterer Riss zwischen ALBA u​nd den USA entstand, a​ls die ALBA i​m Dezember 2008 e​ine Intervention d​er Vereinigten Staaten b​ei den Wahlen i​n Nicaragua beanstandete. Ihre Nachricht a​n die nördlichen Nachbarn (veröffentlicht a​ls amtliche Verlautbarung d​es venezolanischen Außenministeriums) lautete: "Wir weisen d​ie Intervention d​er USA i​n die inneren Angelegenheiten Nicaraguas scharf zurück u​nd bekräftigen d​as exklusive Durchführungsrecht d​es nicaraguanischen Volkes u​nd seiner Institutionen z​u den jüngsten Parlamentswahlen. Präsident Daniel Ortega u​nd die FSLN h​aben ihre Demokratiefähigkeit i​n den Wahlkämpfen d​er 1980er Jahre u​nd in d​er Akzeptanz d​es Wahlsiegs i​hrer Gegner bereits bewiesen."[94]

Militärische Zusammenarbeit im Irakkrieg

Im Juni 2003 schlossen s​ich etwa 1200 Soldaten u​nd Soldatinnen a​us der Dominikanischen Republik, El Salvador, Honduras u​nd Nicaragua m​it den 1300 spanischen Militärkräften i​m Rahmen d​er US-Initiative d​er Koalition d​er Willigen i​m Irak z​ur Plus Ultra Brigade zusammen. Die Brigade w​urde im April 2004 aufgelöst, nachdem d​ie spanischen Truppen a​us dem Irak abgezogen waren. Auch a​lle lateinamerikanischen Staaten z​ogen ihre Truppen wieder zurück.

Im September 2005 w​urde bekannt, d​ass Triple Canopy, e​in US-amerikanisches Privates Sicherheits- u​nd Militärunternehmen, d​as auch i​m Irak arbeitete, i​n Lepaterique, Honduras, lateinamerikanische Söldner ausbildete.[95] Lepaterique w​ar ein früheres Ausbildungszentrum für d​ie Contras. 105 chilenische Söldner wurden dafür v​om Land deportiert. Nach Berichten d​er honduranischen Zeitung La Tribuna wurden i​m November 108 Honduraner, 88 Chilenen u​nd 16 Nicaraguaner n​ach Irak verschifft.[96] Etwa 700 Peruaner, 250 Chilenen u​nd 320 Honduraner arbeiteten i​n der Grünen Zone Bagdads für Triple Canopy. Ihnen w​urde lediglich d​ie Hälfte d​es Lohns nordamerikanischer Angestellter gezahlt. Die Nachricht erlangte a​uch Aufsehen i​n Chile a​ls bekannt wurde, d​ass Marina Óscar Aspe, e​in pensionierter Militär, für Triple Canopy arbeitete. Dieser h​atte in seiner Heimat a​n der Ermordung v​on Marcelo Barrios Andrade, e​inem 21-jährigen Mitglied d​er FPMR, mitgewirkt, d​as heute a​uf der Liste d​er Opfer d​es Rettig Reports steht. Marina Óscar Aspe dagegen s​teht auf d​er Liste d​er Ethikkommission g​egen Folter v​on 2001. Triple Canopy h​at auch e​ine Tochtergesellschaft i​n Peru.[95]

Im Juli 2007 reduzierte d​er salvadorianische Präsident Antonio Saca d​ie Anzahl d​er stationierten Soldaten i​m Irak v​on 380 a​uf 280. Seit d​er Stationierung 2003 wurden v​ier salvadorianische Soldaten getötet. Gleichzeitig w​aren 200 Projekte, d​ie auf d​en Wiederaufbau d​es Irak abzielten, abgeschlossen.[97]

Verstaatlichung von Bodenschätzen in Bolivien

Die Kämpfe u​m natürliche Ressourcen u​nd die überstaatliche Verteidigung nationaler Interessen d​urch die USA h​aben seit d​em Höhepunkt d​er Unterstützung v​on Bananenrepubliken d​urch die Vereinigten Staaten i​m 19. Jahrhundert n​ie aufgehört. Aber d​er geopolitische Kontext h​at sich verändert u​nd die Handlungsmaxime a​ller Staaten h​aben sich weiterentwickelt. Das z​eigt sich a​m Beispiel Boliviens. Bolivien i​st eines d​er ärmsten Länder Südamerikas u​nd war i​n den 1980er- u​nd 90er Jahren s​tark von Protesten u​nd Aufruhr betroffen – v​or allem w​egen einer Schocktherapie, d​ie frühere Regierungen d​em Land auferlegt hatten,[84] u​nd auch w​egen des Ärgers u​m die coca eradication-Politik d​er USA. Coca i​st eine traditionell kultivierte Pflanze d​er Quechua u​nd Aymara, d​ie sie für therapeutische (gegen d​ie Höhenkrankheit) u​nd kulturelle Zwecke verwenden.

Der Bolivianische Gaskrieg (2003/04) entzündete s​ich an d​en Plänen d​er Pacific LNG-Vereinigung, Erdgas a​us Bolivien, d​as nach Venezuela d​as zweitgrößte Erdgasvorkommen Lateinamerikas besitzt, n​ach Kalifornien z​u exportieren. Der Exportweg sollte über d​en Nachbarstaat Chile führen, m​it dem Bolivien s​eit dem Salpeterkrieg (1879–1884) k​eine guten Beziehungen führte, d​a es d​as Land seines Zugangs z​um Pazifischen Ozean beraubt hatte. Infolge w​urde auch d​er Plan z​ur Erschaffung d​er ALCA i​n Bolivien b​ei Demonstrationen kritisiert, d​ie von d​er Central Obrera Boliviana u​nd Felipe Quispe Huancas Movimiento Indígena Pachakuti (MIP) angeführt wurden.

Ein Anzeichen d​es neuen geopolitischen Kontexts s​eit der Jahrtausendwende z​eigt sich i​n einer Ankündigung Evo Morales', d​ie er i​m Zusammenhang m​it Wahlversprechen gemacht hatte: Die Erdgasreserven d​es Landes sollten verstaatlicht werden. Er betonte dabei, d​ass die Verstaatlichungen n​icht die Form v​on Enteignungen o​der Konfiskationen annehmen würden; vielleicht, w​eil er e​ine gewaltsame Reaktion fürchtete. Die Verstaatlichungen, d​ie nach Vizepräsident Álvaro García Linera d​ie Einkünfte d​er Regierung a​us dem Energiesektor i​m folgenden Jahr versechsfachten,[98] führten z​ur Kritik Brasiliens, dessen Ölgesellschaft Petrobras e​ine der größten ausländischen Investoren i​n Bolivien ist. Sie kontrolliert 14 Prozent d​er Gasreserven d​es Landes.[99] Brasiliens Energieminister, Silas Rondeau, nannte d​ie Ankündigung v​on Morales „unfreundlich“.[100] Nach Reuters würden d​ie Maßnahmen Boliviens d​enen des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, wahrscheinlich Morales’ größtem Verbündeten, ähneln, d​er die Verstaatlichung seiner Ölreserven m​it erzwungenen Vertragsüberschreibungen u​nd rückwirkenden Steuererhöhungen durchsetzte – Bedingungen, d​enen große Ölgesellschaften zustimmten.

Die bolivianische Gasgesellschaft YPFB, d​ie vom früheren Präsidenten Gonzalo Sánchez d​e Lozada privatisiert worden war, bezahlte ausländische Gesellschaften für d​eren Serviceleistungen. Die Zahlungen entsprachen e​twa 50 Prozent d​es Produktionswerts, obwohl e​in Erlass darauf hinwies, d​ass den Unternehmen, d​ie die z​wei größten Gasreserven d​es Landes nutzten, lediglich 18 Prozent zustanden. Nach anfänglich feindlichen Reaktionen drückte d​ie Repsol YPF i​hren Willen aus, m​it der bolivianischen Regierung zusammenzuarbeiten u​nd Petrobras z​og seinen Aufruf, Investitionen i​n Bolivien z​u unterlassen, zurück.[84] Trotzdem, s​o Larry Birns, könne d​ie hohe mediale Bekanntheit d​er Verstaatlichungen d​as Außenministerium d​er Vereinigten Staaten d​azu veranlassen, e​inen Vorstoß i​n der Region z​u wagen, s​ogar mit Unterstützung v​on CIA o​der dem US-Militär; a​ber es s​ei wahrscheinlicher, d​ass es versuchen werde, d​ie Schwachstelle d​er lateinamerikanischen Verteidigung z​u unterwandern: d​as lateinamerikanische Militär.[84]

US-Militär im Dreiländereck: Argentinien, Brasilien, Paraguay

Der argentinische Film Sed, Invasión Gota a Gota (deutsch: „Durst, Invasion Tropfen für Tropfen“), Regie führte Mausi Martínez, porträtiert d​ie Streitkräfte d​er Vereinigten Staaten a​ls sie langsam u​nd kontinuierlich i​hre Präsenz i​n der Triple Frontera (Dreiländereck v​on Paraguay, Argentinien u​nd Brasilien) erhöhten. Das Hauptziel d​er steigenden Präsenz v​on US-Truppen u​nd der gemeinsamen Truppenübungen (vor a​llem mit Paraguay) i​st die Beobachtung u​nd Überwachung d​er großen arabischen Bevölkerungsgruppe i​n der Region. Martínez behauptet i​m Dokumentarfilm allerdings, d​ass die USA a​m Süßwasservorkommen d​es Grundwasserleiters Acuífero Guaraní interessiert s​eien und befürchtet e​ine subtile Übernahme d​er wertvollen Wasserreserven.

Große Besorgnis erregten 2005 d​ie Errichtung e​iner US-Militärbasis m​it Flugplatz (Dr Luís María Argaña International) i​n der Nähe v​on Mariscal Estigarribia i​n Paraguay w​egen dessen Nähe z​u den Wasserreserven d​es Dreiländerecks u​nd zu d​en Ölreserven Boliviens s​owie die Unterzeichnung e​ines Militärausbildungsabkommens d​er USA m​it Paraguay, d​as auch d​ie Immunität v​on US-Soldaten v​or dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) vorsah u​nd verlängerbar war. US-Präsident George W. Bush besuchte z​udem Paraguay u​nd empfing m​it Nicanor Duarte Frutos erstmals e​inen paraguayischen Präsidenten i​m Weißen Haus. Der Militärflugplatz i​st auch für große Flugzeuge w​ie die B-52 o​der Lockheed C-130 ausgelegt, d​ie die paraguayische Luftwaffe g​ar nicht besitzt.[101][102] Die Regierungen v​on Paraguay u​nd den Vereinigten Staaten erklärten angeblich anschließend gar, d​ass der Flughafen lediglich d​em Transport einiger Soldaten dienen sollte. Die argentinische Zeitung Clarín spekulierte, d​ass die Militärbasis strategischen Zwecken diene. Als Gründe führt s​ie seine Nähe z​um Dreiländereck, z​um Acuífero Guaraní u​nd zu Bolivien (weniger a​ls 200 km) a​uf und d​as gleichzeitig anwachsende Interesse d​er USA für d​en Altiplano i​n Bolivien, während s​ie mit d​em Finger a​uf den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zeigen, d​en die Bush-Regierung z​um Teufel d​er regionalen Stabilität deklarierte.[102] Im Oktober 2006 verhandelte US-Präsident George W. Bush l​aut Medienberichten i​n der Nähe v​on Mariscal Estigarribia u​m den Erwerb e​iner 400 km² großen Ranch.[103][104]

Paraguay entschied s​ich im Oktober 2006 jedoch, d​en Schutz d​er Immunität v​on US-Soldaten n​icht zu verlängern. Die anderen Mercosur-Mitgliedsstaaten (Argentinien a​ls wichtiger Nicht-NATO-Verbündeter d​er USA, Brasilien, Uruguay, Paraguay u​nd Venezuela) hatten d​ie Immunitätsgarantie für US-Truppen entschieden zurückgewiesen.[105]

Anhang: Zeitleiste der Regierungsformen in den Ländern Südamerikas ab 1950

Zeitleiste der politischen Ausrichtung der Regierungen in Südamerika
Land 50er 60er 70er 80er 90er 2000er 2010er
0123456789 0123456789 0123456789 0123456789 0123456789 0123456789 0123456
Suriname Suriname
Guyana Guyana
Venezuela Venezuela
Kolumbien Kolumbien
Ecuador Ecuador
Peru Peru
Bolivien Bolivien
Brasilien Brasilien
Paraguay Paraguay
Uruguay Uruguay
Argentinien Argentinien
Chile Chile

██ Links/Sozialistisch ██ Mitte-links ██ Unabhängig/Liberal/Zentristisch ██ Mitte-rechts ██ Diktatur oder Militärregime

Siehe auch

Literatur

  • Stephen G. Rabe: The Killing Zone: The United States Wages Cold War in Latin America. 2. Auflage. Oxford University, Oxford 2015, ISBN 978-0-19-021625-2.
  • Thomas Leonard (Hrsg.): Encyclopedia of United States-Latin American Relations. CQ Press, Washington, D.C. 2012, ISBN 978-0-87289-762-5.
  • Stefan Rinke: Lateinamerika und die USA. Eine Geschichte zwischen Räumen – von der Kolonialzeit bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-24551-2.
  • William Blum: Zerstörung der Hoffnung. Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg. Zambon Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-88975-141-6.
  • Eduardo Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas. Hammer, Wuppertal 2009, ISBN 978-3-7795-0271-5.
  • David W. Dent (Hrsg.): Historical Dictionary of U.S.-Latin American Relations. Greenwood Press, Westport 2005, ISBN 0-313-32196-5.
  • J. Patrice McSherry: Predatory States: Operation Condor and Covert War in Latin America. Rowman & Littlefield Publishers, Lanham 2005, ISBN 0-7425-3687-4.
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Einzelnachweise

  1. Jorge G. Castaneda: Latin America’s Left Turn. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Foreign Affairs. 2006, archiviert vom Original am 7. Oktober 2008; abgerufen am 9. März 2018.
  2. Benjamin Schwarz: Dirty Hands. The success of U.S. policy in El Salvador -- preventing a guerrilla victory -- was based on 40,000 political murders. Buchrezension zu William M. LeoGrande: Our own Backyard. The United States in Central America 1977-1992. 1998, Dezember 1998.
  3. Peter Kornbluh: CIA Acknowledges Ties to Pinochet’s Repression. 19. September 2000
  4. Argentine Military believed U.S. gave go-ahead for Dirty War. National Security Archive Electronic Briefing Book, 73 – Teil II, vertrauliche CIA-Dokumente, veröffentlicht 2002
  5. Robert Jay Glickman: Norteamérica vis-à-vis Hispanoamérica. ¿Oposición o asociación? Toronto, Canadian Academy of the Arts, 2005.
  6. Franklin Delano Roosevelt: First Inaugural Address. Washington DC. 4. März 1933.
  7. Walter LaFeber, America, Russia, and the Cold War, 1945–1992. 7. Auflage. 1993, S. 376.
  8. Edgar B. Nixon: Franklin D. Roosevelt and Foreign Affairs. Band I, S. 559–60.
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  11. Rede J. William Fulbrights vor dem Kongress der Vereinigten Staaten über die Lateinamerikapolitik der USA, in: Inter-American economic affairs. Bände 15-16, Institute of Inter-American Studies in Washington D.C. (Hrsg.), Inter-American Affairs Press 1975(Übersetzung).
  12. Walter LaFeber: America, Russia, and the Cold War, 1945–1992. 7. Auflage. 1993.
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  14. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 1.
  15. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 47–49.
  16. Für den Absatz: Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 18.
  17. P M H Bell: The World Since 1945. Oxford University Press, 2001, 0340662360.
  18. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 18.
  19. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 7 und 15f.
  20. Robert H. Holden, Eric Zolov: Latin America and the United States. A Documentary History. Oxford University Press, 2000, ISBN 0-19-512994-6 (Übersetzung).
  21. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 11.
  22. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 47.
  23. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 42f.
  24. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 12.
  25. Fursenko; Naftali: The Cuban Missile Crisis. S. 40–47.
  26. Operation Zapata. Bay of Pigs. Global Security.org. Abgerufen am 9. Juli 2011.
  27. Castro marks Bay of Pigs victory. BBC News. Abgerufen am 9. Juli 2011.
  28. Interim Report: Alleged Assassination Plots Involving Foreign Leaders. Assassination archives and research center. Originaldokument. Abgerufen am 9. Juli 2011.
  29. Craig Calhoun: Cold War. Dictionary of the Social Sciences. Oxford University Press, 2002.
  30. Für den Absatz: Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 14.
  31. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 62.
  32. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 55.
  33. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 22.
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  38. Die aktuelle Rolle der Militärmacht in Lateinamerika. (Memento vom 21. Oktober 2011 im Internet Archive) Einladungstext zum Tagesseminar des Bildungswerks der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin in Kooperation mit dem FDCL, 8. September 2007.
  39. Kissinger Gave the „Green Light“ for Argentina’s Dirty War Mother Jones, 14. Januar 2014
  40. Jahrbuch Menschenrechte 2003, ISSN 2310-886X
  41. "Operation Condor" (Memento vom 12. September 2008 im Internet Archive) – Terror im Namen des Staates. tagesschau.de, 12. September 2008
  42. Harold Pinter: Rede zum Erhalt des Literatur-Nobelpreises 2005.
  43. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 65.
  44. Marie-Monique Robin: Todesschwadronen – Wie Frankreich Folter und Terror exportierte. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Arte Programmarchiv. 8. September 2004, archiviert vom Original am 21. Juli 2012; abgerufen am 9. März 2018.
  45. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 56.
  46. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 73.
  47. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 70f.
  48. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 78.
  49. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 82.
  50. Dana Priest: U.S. Instructed Latins on Executions, Torture. (Memento vom 7. Januar 2014 im Internet Archive) In: Washington Post, 21. September 1996 (englisch) abgerufen von der SOAW-Webseite am 26. November 2013
  51. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 87.
  52. Robert Parry: How John Kerry exposed the Contra-cocaine scandal Salon.com, 25. Oktober 2004
  53. Case concerning military and paramilitary activities in and against Nicaragua. (Memento vom 9. März 2007 im Internet Archive) International Court of Justice, 27. Juni 1986
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  57. Profile: Guatemala’s Efrain Rios Montt. BBC, 10. Mai 2013
  58. Cecibel Romero: Ehemaliger Diktator unter Hausarrest. In: die tageszeitung. 27. Januar 2012, abgerufen am 30. Januar 2012.
  59. Tim Johnson: Guatemala court gives 80-year term to ex-dictator Rios Montt. (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Miami Herald. 10. Mai 2013, archiviert vom Original am 29. Juni 2013; abgerufen am 9. März 2018.
  60. Anthony Lewis: Abroad at Home; Fear Of the Truth. The New York Times, 2. April 1993
  61. Activist Church Leaders Oppose US Policy in El Salvador. Reading Eagle, 19. April 1981
  62. Jon Sobrino: Jesuit Martyrs of el salvador: a research guide. (Nicht mehr online verfügbar.) Saint Peter´s College, archiviert vom Original am 10. Juni 2012; abgerufen am 9. März 2018.
  63. Americas El Salvador murdered nuns case stays shut. BBC online, 5. Juni 1998
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  65. As Rios Montt Trial Nears End, a Look Back at U.S. Role in Guatemala’s Civil War. PBS Newshour, 10. Mai 2013
  66. Anthony Lewis: Abroad at Home; Fear Of the Truth. The New York Times, 2. April 1993
  67. Thomas Sheehan: Friendly Fascism. Business as Usual in America’s Backyard. In: J. Richard Golson (Hrsg.): Fascism’s Return. Scandal, Revision, and Ideology since 1980. University of Nebraska Press, Lincoln / London 1998, S. 260–300 (religiousstudies.stanford.edu (Memento vom 20. Juni 2015 im Internet Archive; PDF)), vgl. dort Anmerkung 12.
  68. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 91–93.
  69. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 67.
  70. Institutions and cooperation: Sanctions during the Falkland Islands Conflict (PDF; 3,6 MB); Lisa L. Martin in International Security, Band 16, Ausgabe 4
  71. Ricardo Sennes, Janina Onuk, Amacio Jorge de Oliveira: The Brazilian foreign policy and the hemispheric security. In: Revista Fuerzas Armadas y Sociedad, 1, 2006.
  72. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 100f.
  73. Jorge I. Domínguez: Latin America’s Relations with the United States and other Major Powers (1960–1990). Center for International Affairs (Hrsg.), 1991, S. 115.
  74. Gerhard Drekonja-Kornat: Nova geometría. Lateinamerika im Atlantischen Dreieck. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 6, 1999, S. 710–718.
  75. Robert E.Ford Hudson, Valerie M.: The USA and Latin America at the end of the Columbian age. How America 'cut the Atlantic apron strings’ in 1992. In: Third World Quarterly, 13, 3, 1992, S. 441–462.
  76. Friedrich von Krosigk: Interamerikanische Beziehungen im Zeichen turbulenter Interdependenz. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 28, 1992, S. 23–31.
  77. Abraham F. Lowenthal: Latin America. Ready for Partnership? In: Foreign Affairs, America and the World, 72, 1, 1993, S. 74–92, hier S. 90.
  78. Sao Paulo Journal; Lula’s Progress: From Peasant Boy to President? Artikel von James Brooke. In: New York Times vom 27. Dezember 1993
  79. Venezuela championing a new socialist agenda. (Memento vom 18. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) Artikel von Michael Schild. Auf bBNET, Februar 2007.
  80. Argentina’s Néstor Kirchner: Peronism Without the Tears. Analyse der COHA Research Associate Hartford Campbell vom 27. Januar 2006, Council on Hemispheric Affairs.
  81. Socialist takes oath as Uruguay president. Artikel von Kevin Gray Associated Press, 2005.
  82. Daniel Ortega – the Sandinista is back as president of Nicaragua. Artikel von Dimas Mateus Fazio vom 13. Juni 2007.
  83. Paraguay’s new president believes in God and 21st-Century Socialism. Artikel in RIA Novosti vom 23. April 2008.
  84. Larry Birns, Michael Lettieri: The Aftermath of Bolivia’s Gas Golpe. In: Political Affairs Magazine, 5. Juli 2006
  85. Interview mit Geraldo Fontes von der MST. In Motion Magazine, 26. März 2005.
  86. MST calls for Congress-Brazilian people alliance. Sendung in: Radiobras vom 23. Juni 2005.
  87. Carin Zissis: Bolivia’s Nationalization of Oil and Gas. (Memento vom 19. Juli 2006 im Internet Archive) US-Council on Foreign Relations, 12. Mai 2006.
  88. George Bush défie Hugo Chavez sur son terrain. In: Le Figaro, 8. März 2007.
  89. Latin America: Bilateral Trade Deals Favor U.S. Interests. (Memento vom 4. Juli 2008 im Internet Archive) Artikel vom 12. November 2002.
  90. Jim Shultz: Bechtel Corp.vs. Bolivia’s poor. (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Democracy Center. 18. Dezember 2001, archiviert vom Original am 2. Februar 2002; abgerufen am 9. März 2018 (Offener Brief von Jim Shultz an Riley Bechtel).
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