Michelle Bachelet
Verónica Michelle Bachelet Jeria [beˈɾonika miˈtʃel βaʃeˈlet ˈxeɾja] (* 29. September 1951 in Santiago de Chile) ist eine chilenische Chirurgin[1] und Politikerin (Partido Socialista de Chile, PS, dt. Sozialistische Partei Chiles). Seit 1. September 2018 ist sie Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen.
Von 2006 bis 2010 sowie von 2014 bis 2018 war sie Präsidentin Chiles und damit die erste Frau in diesem Amt. In der Zwischenzeit war sie Untergeneralsekretärin der Vereinten Nationen als geschäftsführende Direktorin (Executive Director) der UN-Frauen-Organisation UN Women.
Leben
Michelle Bachelet ist die Tochter des Generals der chilenischen Luftwaffe, Alberto Bachelet, der beim Putsch 1973 in Chile Präsident Salvador Allende loyal geblieben war und von Angehörigen des Regimes von Augusto Pinochet gefangen genommen und gefoltert wurde. Im Jahr darauf erlitt er einen tödlichen Herzinfarkt im Gefängnis. Michelle und ihre Mutter flohen über Australien in die DDR. Über die Zeit vor ihrer Flucht berichtete Bachelet – 2013, kurz vor der Präsidentschaftswahl – von eigenen Erfahrungen im Foltergefängnis „Villa Grimaldi“ im Januar 1975: „Mein Kopf steckte in einer Kapuze und man hat mich beleidigt, bedroht, auch mal geschlagen. Aber die Parrilla, ein Foltergerät bestehend aus einem Bettgestell für Elektroschocks, auf Spanisch wörtlich Grill genannt, ist mir erspart geblieben.“[2] Am Herder-Institut der Universität Leipzig lernte sie Deutsch.[3] An der Humboldt-Universität zu Berlin studierte sie Medizin. Am 19. Oktober 2006 wurde sie mit der Ehrendoktorwürde der Charité ausgezeichnet.[4] Gewürdigt wurden damit ihre Verdienste um das Gesundheitswesen und die Versorgung unterprivilegierter Menschen, die sie als Kinderärztin und Politikerin in Chile erwirkt hat.
Lange vor dem Ende des von den USA geförderten Pinochet-Regimes kehrte sie 1979 in ihre Heimat zurück und trat der Sozialistischen Partei bei. Ihr Studium schloss sie an der Humboldt-Universität Berlin ab. Sie lebte fünf Jahre lang mit dem Arzt Aníbal Henríquez zusammen, obwohl dieser Pinochets Regime unterstützt hatte; mit ihm hat sie ein gemeinsames Kind. Trotz der langen Zeit, die seit dem Ende von Pinochets Regime vergangen ist, spricht Bachelet bis heute nicht von Versöhnung, sondern von Wiederbegegnung (reencuentro), da es für viele betroffene Familien für eine Versöhnung noch zu früh sei.
Bachelet hat drei Kinder. Sie spricht Spanisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch und etwas Russisch.
Politische Karriere
Zwischen 1994 und 1997 arbeitete sie im Gesundheitsministerium unter Minister Alejandro Sandoval. 1996 nahm sie an einer militärischen Fortbildung am Inter-American Defense College in Washington, D.C. teil. Zwei Jahre später wechselte sie ins Verteidigungsministerium. Am 11. März 2000 wurde sie von Präsident Ricardo Lagos zur Gesundheitsministerin ernannt.
2002 wurde Bachelet als erste Frau in Chile Verteidigungsministerin. Damit stand sie einer Armee vor, die zu großen Teilen immer noch von Personen geführt wird, die die Diktatur Pinochets aktiv mitgetragen hatten und für Tausende Morde und Zehntausende Folteropfer verantwortlich waren.
Erste Präsidentschaft
Die in ihrer Partei äußerst populäre Bachelet wurde Mitte 2005 von der Sozialistischen Partei als Präsidentschaftskandidatin nominiert, wobei sie sich in den Primarias (Vorwahlen) gegen die Christdemokratin Soledad Alvear durchsetzen musste. Doch nach einem ersten Fernsehduell, innerparteilichen Machtkämpfen in der Christdemokratischen Partei sowie unter dem Eindruck der plötzlichen Kandidatur des rechtskonservativen Kandidaten der Renovación Nacional, Sebastián Piñera, zog Alvear ihre Kandidatur zurück, um eine Koalition der Linksparteien gegen das rechte Wahlbündnis Alianza por Chile zu ermöglichen. Bei den Präsidentschaftswahlen am 11. Dezember 2005 trat Bachelet u. a. gegen die beiden konservativen Kandidaten Sebastián Piñera (Renovación Nacional) und Joaquín Lavín (UDI) an. Obwohl sich RN und UDI zur Alianza por Chile zusammengeschlossen hatten, konnten sie sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Piñera und Lavín erhielten zusammen 48,63 % der Stimmen, für Bachelet votierten 45,95 %. In die Kampagne vor der Stichwahl, die am 15. Januar 2006 stattfand, schaltete sich praktisch der ganze Regierungsapparat in den Wahlkampf ein. Vor allem der amtierende Präsident Ricardo Lagos unterstützte offen die Kandidatur Bachelets, welche die Stichwahl mit 53,5 % der Stimmen gegen Piñera gewann. Seit 1990 ist eine unmittelbare Wiederwahl nach Chiles Verfassung nicht möglich. Ihr hohes Ansehen weltweit eröffnete ihr nach dem Ende ihrer Amtszeit eine internationale Karriere.
Zweite Präsidentschaft
Für die Präsidentschaftswahl am 17. November 2013 wurde Bachelet erneut als Kandidatin für das Wahlbündnis Nueva Mayoría nominiert, das Parteien der Mitte und der Linken umfasst.[5] Bachelet setzte sich am 15. Dezember 2013 im zweiten Wahlgang gegen die konservative Kandidatin Evelyn Matthei durch, sie erhielt rund 62,2 Prozent der Stimmen.[6]
Während ihrer Amtszeit endete der chilenische Konflikt mit den Mapuche nicht.[7]
UN-Karriere
Am 14. September 2010 wurde Michelle Bachelet von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in das Amt der Leiterin (Executive Director) – im Range einer Untergeneralsekretärin der UN – der Frauen-Organisation UN Women berufen.[8]
2017 wurde ihr der Champions of Earth Award verliehen.
Am 8. August 2018 ernannte UNO-Generalsekretär António Guterres Bachelet zur Nachfolgerin von Seid al-Hussein im Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte.[9] Die Entscheidung wurde zwei Tage später von der Generalversammlung der Vereinten Nationen bestätigt.[10]
Trivia
Michelle Bachelet wurde nach der französischen Schauspielerin Michèle Morgan benannt.[11]
Filme über Michelle Bachelet
- Ebbo Demant: Michelle Bachelet. Symbol des neuen Chile. Deutschland, 2004.
Weblinks
- Michelle Bachelet in der Notable Names Database (englisch)
- Michelle Bachelet. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- Werner A. Perger: „Versöhnung ist nicht mein Wort“. Porträt. In: Die Zeit. Nr. 3/2003, 9. Januar 2003, editiert am 29. November 2013
- Ingo Malcher: Tür an Tür mit dem Terror. In: taz, 6. September 2003
- Gerhard Dilger: Die Verbündete. Porträt. In: taz, 9. Dezember 2005
- Hans Christoph Buch: Sie feiern sie wie eine Heilige. In: FAZ. 11. Dezember 2005
- „Es wird keinen Schlussstrich geben“ – Interview mit der Präsidentin. In: Der Standard. 11. Mai 2006, online am 13. Mai 2006 (Verschriftung)
- Yesko Quiroga: Chile vor einem politischen Umbruch? In: library.fes.de, 17. Januar 2006 (PDF; 408 kB)
- Stephan Ruderer: Vom „neuen Politikstil“ zum Krisenmanagement in Chile: Ein Jahr Bachelet. In: GIGA Focus Lateinamerika 5/2007 (PDF)
- „Ich will da sein für die Menschen in ihrem Schmerz“. In: hu-berlin.de, Januar 2009 – Interview von Heike Zappe in der Reihe „Prominente Ehemalige der Humboldt-Universität zu Berlin“ vom Januar 2009 (Video; 4:00 Min.; mit Übersetzung/Verschriftung)
Einzelnachweise
- CERTIFICADO DE INSCRIPCIÓN. EN EL REGISTRO NACIONAL DE PRESTADORES INDIVIDUALES DE SALUD, superdesalud.gob.cl,
- Rodrigo Cea: Bachelet revela que fue interrogada por el jefe de la policía secreta de Pinochet. La candidata presidencial contradice a Manuel Contreras, que aseguró que ella no conocía Villa Grimaldi. In: elpais.com. El País, 8. Oktober 2013, abgerufen am 23. März 2019 (spanisch).
- Pressemeldung. Nummer: 2006/062. (Nicht mehr online verfügbar.) In: zv.uni-leipzig.de. Universität Leipzig, 2. März 2006, archiviert vom Original am 16. Dezember 2013; abgerufen am 2. Januar 2019 (letzte Änderung: 16. Dezember 2013).
- Kerstin Endele: Ehrendoktorwürde der Charité für Michelle Bachelet: Präsidentin der Republik Chile wird gewürdigt. Pressemitteilung. In: idw-online.de. Informationsdienst Wissenschaft, 19. Oktober 2006, abgerufen am 2. Januar 2019.
- (tjb): Bachelets Weg zurück an die Macht. In: Neue Zürcher Zeitung. 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Januar 2019.
- Tjerk Brühwiller: Leichter Sieg und schwierige Aufgabe für Bachelet. In: nzz.ch. Neue Zürcher Zeitung, 16. Dezember 2013, abgerufen am 2. Januar 2019.
- Jens Glüsing: Chile: Wie Präsident Sebastián Piñera den Indigenenaufstand im Süden bekämpfen will. In: Der Spiegel. 14. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. Oktober 2021]).
- Executive Director. (Nicht mehr online verfügbar.) In: unwomen.org. UN-Frauen Sekretariat, archiviert vom Original am 5. Januar 2011; abgerufen am 2. Januar 2019 (englisch).
- red, ORF.at/Agenturen: Guterres ernennt Bachelet zur Menschenrechtskommissarin. In: news.ORF.at. 8. August 2018, abgerufen am 8. August 2018.
- red, ORF.at/Agenturen: Bachelet als UNO-Menschenrechtskommissarin bestätigt. In: ORF.at, 10. August 2018, abgerufen am selben Tage.
- Michelle Bachelet, présidente du Chili. CBC/Radio-Canada, 3. März 2006 (französisch).