Nordatlantikvertrag
Der Nordatlantikvertrag – auch Nordatlantikpakt – ist der völkerrechtliche Vertrag, der die NATO, die North Atlantic Treaty Organisation, begründete. Es ist ein Regionalpakt, der für seine Mitglieder das kollektive Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta regelt. Er wurde am 4. April 1949 in Washington, D.C. unterschrieben und trat am 24. August 1949 in Kraft.
Hintergrund
Der Vertrag wurde von einem Komitee bei Gesprächen in Washington, D.C. entworfen. Den Vorsitz dieses Komitees hatte der US-Diplomat Theodore Achilles. Vorhergehend wurden vom 22. März bis 1. April 1948 im Pentagon Geheimgespräche geführt, über die Achilles sagte:
“The talks lasted about two weeks and by the time they finished, it had been secretly agreed that there would be a treaty, and I had a draft of one in the bottom drawer of my safe. It was never shown to anyone except Jack. I wish I had kept it, but when I left the Department in 1950, I dutifully left it in the safe and I have never been able to trace it in the archives. It drew heavily on the Rio Treaty, and a bit of the Brussels Treaty, which had not yet been signed, but of which we were being kept heavily supplied with drafts. The eventual North Atlantic Treaty had the general form, and a good bit of the language of my first draft, but with a number of important differences.”
„Die Gespräche haben etwa zwei Wochen gedauert, und als sie beendet waren, hatte man sich insgeheim darauf geeinigt, dass es eine Vereinbarung geben werde, und ich hatte den Entwurf einer solchen in der untersten Lade meines Safes. Niemand außer Jack hat ihn je gesehen. Ich wünschte, ich hätte ihn behalten, aber als ich das Department 1950 verließ, habe ich ihn pflichtbewusst im Safe belassen und konnte ihn niemals in den Archiven finden. Er stützte sich stark auf den Rio-Pakt und ein wenig auf den Brüsseler Pakt, der noch nicht unterschrieben gewesen war, von dem wir aber laufend gut mit Entwürfen versorgt wurden. Der endgültige Nordatlantikvertrag hatte die prinzipielle Form und einen guten Teil des Textes meines ersten Entwurfes, aber mit einigen wichtigen Unterschieden.“[1]
Laut Achilles war der Hauptautor des Vertrages der US-Diplomat John D. Hickerson – den Achilles hier wie oben „Jack“ nennt:
“More than any human being Jack was responsible for the nature, content, and form of the Treaty […]. It was a one-man Hickerson treaty.”
„Mehr als jeder andere Mensch war Jack für die Natur, den Inhalt und die Form des Vertrages verantwortlich […]. Es war ein Ein-Mann-Hickerson-Vertrag.“[1]
Der Vertrag wurde mit der Annahme eines Angriffes der Sowjetunion auf Westeuropa „im Hinterkopf“ entwickelt, jedoch musste der Bündnisfall in Zeiten des Kalten Krieges nicht ausgerufen werden.
Mitgliedsstaaten
Gründungsstaaten
Der Nordatlantikvertrag wurde am 4. April 1949 in Washington, D.C. unterschrieben. Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch alle Unterzeichnerstaaten trat der Vertrag am 24. August 1949 in Kraft. Das Originaldokument haben folgende zwölf Nationen unterschrieben, wodurch sie Gründungsmitglieder der NATO wurden:
Während des Kalten Kriegs
1952 traten Griechenland und die Türkei der NATO bei, 1955 folgte die Bundesrepublik Deutschland, die damit auch ihre Souveränität erhielt. Spanien trat 1982 bei.
- Griechenland (18.2.1952)
- Türkei (19.2.1952)
- Deutschland (8.5.1955)
- Spanien (30.5.1982)
Nach dem Kalten Krieg
Nach Ende des Ost-West-Konflikts 1989/90 dauerte es noch etwa zehn Jahre bis zur NATO-Osterweiterung, mit der die ersten ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts Mitglieder wurden. Es traten bei:
- Polen (12.3.1999)
- Tschechien (12.3.1999)
- Ungarn (12.3.1999)
- Bulgarien (29.3.2004)
- Estland (29.3.2004)
- Lettland (29.3.2004)
- Litauen (29.3.2004)
- Rumänien (29.3.2004)
- Slowakei (29.3.2004)
- Slowenien (29.3.2004)
- Albanien (1.4.2009)
- Kroatien (1.4.2009)
- Montenegro (5.6.2017)
- Nordmazedonien (27.3.2020)
Präambel: Grundlegende Werte
„Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.“
Mit der Unterzeichnung verpflichten sich die Staaten auf das Prinzip der Demokratie. (Allerdings dauerte es in den Mitgliedsländern Griechenland und Portugal noch viele Jahre, bis eine Demokratie realisiert werden konnte, die Türkei steht auch heute noch in der Kritik.) Weitere Prinzipien sind die Freiheit der Person und die Herrschaft des Rechts, auch im Hinblick auf das Völkerrecht und die Vereinten Nationen. Diese grundlegenden Werte finden sich in der Präambel des Vertrags. In Artikel 2 ermuntert der Vertrag neben politischer und militärischer Zusammenarbeit auch zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit und zur Beilegung wirtschaftlicher Dispute zwischen den Vertragsstaaten.
Artikel 5: Selbstverteidigung
„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird […].“
Der Vertrag bezeichnet als wichtigste Aufgabe den Schutz sämtlicher NATO-Partner gegen eine mögliche Aggression. Schlüsselstelle des Vertrags ist Artikel 5, der den Bündnisfall definiert. Dieser erlaubt den NATO-Partnern, einen bewaffneten Angriff auf einen oder mehrere von ihnen in Nordamerika oder Europa als Angriff auf alle Mitglieder zu sehen. Zum ersten Mal wurde das Vorliegen des Bündnisfalls 2001 als Reaktion auf die Terroranschläge am 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon beschlossen.
Der Vertrag enthält keine automatische militärische Beistandspflicht. Jedem Mitgliedsstaat bleibt überlassen, im Zusammenwirken mit anderen Partnern die Maßnahmen zu treffen, die er für notwendig hält, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt.
Der Vertrag enthält in Artikel 4 Regelungen, die unterhalb der Schwelle einer militärischen Intervention nur Beratungen über militärische Fragen auslöst. Er wurde bislang fünfmal angewendet:
- dreimal durch die Türkei:
- Einmal 2003 wegen des Irakkriegs,
- einmal im Juni 2012 nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch Syrien[2]
- und im Oktober 2012 nach tödlichem Granatenbeschuss aus Syrien und nach einem Vergeltungsangriff der Türkei.[3]
- Ende Februar 2014 beriefen Polen und Litauen die Beratungen ein, nachdem Russland die Krim besetzt und annektiert hatte und kurz darauf unangekündigte Manöver mit scharfen Waffen im westlichen Militärbezirk an der Ostsee durchführte.[4]
- Im Februar 2022 berief Lettland die Beratungen ein, nachdem Russland die Ukraine angriff.[5]
Artikel 13: Ausscheiden aus dem Vertrag
„Nach zwanzigjähriger Geltungsdauer des Vertrags kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Kündigung mitgeteilt hat […].“
Nach Artikel 13 muss die Kündigung der Regierung der USA mitgeteilt werden, ein Jahr später ist die Kündigung rechtskräftig.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Richard D. McKinzie: Oral History Interview with Theodore Achilles. Washington, D.C., 13. November 1972. trumanlibrary.org
- Der Nato-Artikel 4 – Eine deutliche Warnung an Syrien. In: Hamburger Abendblatt, 25. Juni 2012, abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Was Artikel 4 im Nato-Vertrag bedeutet. In: Spiegel Online, 3. Oktober 2012, abgerufen am 3. Oktober 2012.
- Andrew Rettman: Nato reassures Poland, Baltic states on Russia threat. EU-Observer 4. März 2014
- Lettland fordert Nato-Konsultationen nach Artikel 4. Handelsblatt 22. Februar 2022