Union Südamerikanischer Nationen
Die Union Südamerikanischer Nationen (spanisch Unión de Naciones Suramericanas UNASUR, portugiesisch União das Nações Sul-Americanas UNASUL, englisch Union of South American Nations, niederländisch Unie van Zuid-Amerikaanse Naties) ist eine Internationale Organisation der zwölf südamerikanischen Staaten. Der Gründungsvertrag wurde am 23. Mai 2008 in Brasília (Brasilien) unterzeichnet. Das Hauptsekretariat der Staatenunion hat seinen Sitz in Quito (Ecuador), die Mitgliederversammlung in Cochabamba (Bolivien). Beobachterstatus besitzen Mexiko und Panama. Zahlreiche Staaten haben 2018 ihren Austritt aus UNASUR angekündigt.
Union Südamerikanischer Nationen Unasur | |
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Englische Bezeichnung | Union of South American Nations |
Spanische Bezeichnung | Unión de Naciones Suramericanas |
Organisationsart | Regionale Kooperation |
Sitz der Organe | Quito, Ecuador (Sekretariat) |
Vorsitz | Evo Morales (jährlich wechselnd) |
Generalsekretär | vakant |
Mitgliedstaaten | |
Amts- und Arbeitssprachen | |
Fläche | 17.519.653 km² |
Einwohnerzahl | 391,6 Millionen (2010)[1] |
Bevölkerungsdichte | 22,4 Einwohner pro km² |
Bruttoinlandsprodukt | 4.120 Mrd. US$ (nominal, 2013)[2] |
Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner | 10.522 US$ pro Einwohner (2013) |
Gründung | 23. August 2008 |
Währungen | |
Zeitzone | UTC−6 bis UTC−3 |
Tochterorganisationen |
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www.unasursg.org |
Mitgliedstaaten
Der Gründungsvertrag wurde von allen zwölf unabhängigen Staaten Südamerikas unterzeichnet: Die Mitglieder der Andengemeinschaft (Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru), die Mitglieder des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela), die beiden Mitglieder aus der Karibischen Gemeinschaft (Guyana und Suriname) und Chile, das zuvor keiner der genannten Gemeinschaften angehörte. Paraguay wurde aufgrund der Amtsenthebung des Präsidenten Fernando Lugo vorübergehend aus der UNASUR ausgeschlossen.[3] Französisch-Guyana und die Falklandinseln sowie Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln sind als europäisch-abhängige Territorien folglich nicht beteiligt.
Ziele
In der Gründungsurkunde heißt es, Ziel der Zusammenarbeit sei der Kampf gegen „Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit“.
Bis zum Jahre 2025 soll eine der Europäischen Union vergleichbare Integration erreicht werden. Geplant sind eine gemeinsame Währung („Sucre“),[4][5] Parlament und Reisepässe. Das erste konkrete Projekt ist der Bau der 6.200 Kilometer langen Straßenverbindung „Transoceánica“ von der Atlantikküste Brasiliens bis zum Pazifik in Peru. Neben einer wirtschaftlichen Integration will die Mehrheit der Mitgliedstaaten mit der Union eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik etablieren.
Schon bald nach der Gründung zeigte sich, dass aufgrund des geringen Integrationswillens einiger Mitgliedsländer mittelfristig nur wenig Aussicht besteht, eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit ähnlich der der Europäischen Union zu erreichen.[6][7] Die bisherigen südamerikanischen Staatenbündnisse Mercosur, Andengemeinschaft und Karibikgemeinschaft leiden seit vielen Jahren an einer fehlenden Bereitschaft ihrer Mitglieder, umfangreiche Kompetenzen an die supranationalen Bündnisse abzutreten.
Geschichte
Auch vor der Gründung der Gemeinschaft gab es südamerikanische Integrationsbemühungen. Der ehemalige brasilianische Präsident Fernando Henrique Cardoso hatte bereits erfolglos versucht, die Länder des Kontinents zu Verhandlungen zu bringen, unter anderem um den Einfluss der USA zurückzudrängen.
Am 16. Dezember 2003 unterzeichneten die Mitgliedsländer von Mercosur und Andengemeinschaft eine Vereinbarung über eine gemeinsame Freihandelszone.
Vorausgegangen waren der Kooperation drei Gipfeltreffen, die in den Jahren 2000, 2002 und 2004 stattfanden. Auf dem dritten Gipfel am 8. Dezember 2004 im peruanischen Cusco, am 180. Jahrestag der Schlacht bei Ayacucho, die 1824 das Ende der spanischen Kolonialherrschaft besiegelt hatte, unterschrieben die Präsidenten oder Vertreter von zwölf südamerikanischen Staaten die Erklärung von Cuzco. Diese war ein zweiseitiger Beschluss, in dem sie sich verpflichteten, ihre Politik abzustimmen und den Handel zu liberalisieren. Die bereits bestehenden Verträge des Mercosur und des Andenpakts sollten zu einer großen Freihandelszone zusammengeschlossen werden. Der formell gegründete lose Staatenbund firmierte unter dem Namen Südamerikanische Staatengemeinschaft (spanisch Comunidad Sudamericana de Naciones, portugiesisch Comunidade Sul-Americana de Nações, englisch South American Community of Nations, niederländisch Zuid-Amerikaanse Statengemeenschap, abgekürzt CSN).
Im April 2007 wurde beschlossen, das Hauptsekretariat in Quito (Ecuador) einzurichten und den Namen der intensiveren Kooperation anzupassen.[8]
Der seit Mai 2007 für das Amt des Generalsekretärs vorgesehene ehemalige ecuadorianische Präsident Rodrigo Borja zog einen Tag vor der Unterzeichnung der Gründungsurkunde seine Kandidatur zurück, da ihm die für das Amt vorgesehenen Entscheidungskompetenzen nicht ausreichten.
Am 10. März 2009 wurde ein gemeinsamer Verteidigungsrat eingerichtet. Dieser versteht sich nicht als herkömmliches Militärbündnis, sondern als Gesprächsforum der Verteidigungsminister der Mitgliedsländer.[9]
Am 4. Mai 2010 wurde bei einem Gipfeltreffen in Campana (Argentinien), der argentinische Ex-Präsident Néstor Kirchner für zwei Jahre zum ersten amtsausübenden Generalsekretär der UNASUR gewählt. Er starb jedoch kurze Zeit später am 27. Oktober 2010. Nachfolgerin wurde am 9. Mai 2011 die ehemalige kolumbianische Außenministerin María Emma Mejía.[10] Ihr folgte am 11. Juni 2012 der frühere venezolanische Minister für Elektrizität Alí Rodríguez Araque.[11] Vom 22. August 2014 bis 31. Januar 2017 bekleidete der kolumbianische Politiker Ernesto Samper Pizano das Amt, seitdem ist es vakant.
Die kolumbianische Regierung unter Präsident Iván Duque kündigte am 10. August 2018 den Austritt aus der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) an. Auch Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay und Peru hatten ihren Austritt im April 2018 angekündigt.[12] Nachdem im Streit hinsichtlich der Positionierung im Venezuela-Konflikt acht Mitglieder aus dem links geprägten Bündnis UNASUR ausgetreten waren, gründeten sie als Alternative im März 2019 das Regionalbündnis Prosur.[13]
Kennzahlen
In den Mitgliedstaaten der Union Südamerikanischer Nationen leben etwa 390 Millionen Einwohner auf einer Fläche von ca. 17,5 Millionen km². Mit einem Index der menschlichen Entwicklung von über 0,81 weisen Chile und Argentinien einen sehr hohen Entwicklungsstand auf, die meisten Staaten wie die des ehemaligen Großkolumbiens liegen im globalen Mittelfeld und Guyana stellt mit 0,63 die am wenigsten entwickelte Nation Südamerikas dar.[14]
Regionalkooperation | UNASUR | ECO | NAFTA | EU | ASEAN | AU1 |
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Einwohner[15] | 392 Mio. | 433 Mio. | 465 Mio. | 506 Mio. | 607 Mio. | 1.100 Mio. |
Mitgliedstaaten | 12 | 10 | 3 | 28 | 10 | 54 |
Fläche (in km²) | 17.519.653 | 8.054.875 | 21.588.638 | 4.381.324 | 4.480.331 | 29.797.500 |
Bruttoregionalprodukt (BIP, $)[2] | 4,12 Bill. | 1,03 Bill. | 19,88 Bill. | 17,27 Bill. | 2,41 Bill. | 1,97 Bill. |
Auslandsschulden ($) | 315 Mrd. | 15.814 Mrd.[16] |
1Die Daten Afrikas sind grob geschätzt.
Die Mitgliedsländer der UNASUR verfügen zusammen über die weltweit größten Rohölreserven, die größten Wasserreserven, nehmen den zweiten Platz bei den Erdgasreserven ein[17] und auf drei Mitgliedsstaaten fällt knapp ein Viertel des globalen Zinnvorkommens. Darüber hinaus erstreckt sich um den Amazonas das (noch) größte zusammenhängende Gebiet tropischer Regenwälder.
Organe
Neben einem Generalsekretär und einem Parlament ist die Einrichtung dreier Räte vorgesehen:
- ein Rat der Staatschefs, der einmal im Jahr zusammenkommen soll,
- ein Rat der Außenminister sowie
- ein Rat von Delegierten aus den einzelnen Ländern.
Mittlerweile sind insgesamt zwölf weitere Räte in der Entstehungsphase in den Bereichen:[19]
- Verteidigung
- Wirtschaft und Finanzen
- Energie
- Infrastruktur und Planung
- Wissenschaft, Technologie und Innovation
- soziale Entwicklung
- Gesundheit
- Bildung
- Kultur
- Wahlen
- Sicherheit der Bürger, Justiz und Handlungskoordinierung gegen organisierte, transnationale Kriminalität
- Lösung des globalen Drogen-Problems
Die Präsidentschaft wechselt im Jahresturnus zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Unterstützend zu den übrigen Kooperationsbeschlüssen wurde von sieben UNASUR-Staaten am 26. September 2009 die Bank des Südens gegründet. Diese ist zwar noch nicht vollständig etabliert, soll zukünftig aber die finanzielle Grundlage der Union bilden.
Zitate
„Wir werden Zeugen eines historischen Ereignisses, mit dem der Traum des Befreiers Simón Bolívar nach 180 Jahren Wirklichkeit zu werden beginnt. Heute schaffen wir ein neues Land mit 361 Millionen Einwohnern.“
„Mit der Gründung einer Staatengemeinschaft wurde ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, um den Traum von Bolívar und unseren Befreiern zu verwirklichen.“
Siehe auch
Literatur
- Daniel Flemes, Lotte Westermann: Konkurrierender Regionalismus: Fünf Jahre UNASUR und ALBA. (PDF; 1,3 MB). In: GIGA Focus. 12/2009.
- Waldemar Hummer: Von der „Gemeinschaft“ zur „Union“ Südamerikanischer Nationen (PDF; 132 kB). In: Verfassung und Recht in Übersee. Jahrgang 42, Heft 1, 2009, S. 7–21.
- Steffen Leidel: Neue südamerikanische Union. Beitrag der Deutschen Welle vom 13. Dezember 2004.
- Günther Maihold: Die südamerikanische Staatengemeinschaft: Ein neuer Partner für die EU in Lateinamerika?. SWP-Aktuell 60, Dezember 2004.
- Tim Rickers: Die Südamerikanische Staatengemeinschaft: Potential und Herausforderungen einer Zusammenarbeit. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2007, ISBN 978-3-8364-1118-9.
- Carlos Vergara (Hrsg.): UNASUR. Un espacio de desarrollo y cooperación por construir. CEPAL, Santiago de Chile 2011.
- Anne Marie Hoffmann: Die liberale Wende in Südamerika: das Aus für regionale Sozialpolitik. GIGA Focus Afrika No. 06/2016
Weblinks
- Offizielle Website (spanisch)
Einzelnachweise
- World Economic Outlook Database, October 2013
- Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt
- Chavez vermutet Drogenmafia hinter Amtsenthebung von Paraguays Staatschef. (Nicht mehr online verfügbar.) In: rian.ru. 15. Juli 2012, archiviert vom Original am 17. Juli 2012; abgerufen am 30. November 2021.
- Neue Einheitswährung: Lateinamerika probt Aufstand gegen den Dollar.
- Der ECU in Lateinamerika: Sieben linksregierte Staaten planen gemeinsame Währung
- EU-Lateinamerika-Gipfel – Euro-Krise dominiert Merkels Agenda in Chile. In: spiegel.de. 26. Januar 2013, abgerufen am 21. November 2018.
- Eine Währung für Südamerika. Bilanz über Luiz Lulas Sozial-, Wirtschafts- und Außenpolitik. In: derstandard.at. 2. Januar 2004, abgerufen am 14. Oktober 2021.
- Erklärung der Staatschefs Südamerikas beim Energiegipfel am 16. April 2007 (Memento vom 3. Mai 2007 im Internet Archive).
- Constituido Consejo Suramericano de Defensa. In: telesurtv.net. 10. März 2009, archiviert vom Original am 3. September 2009; abgerufen am 24. März 2019 (spanisch).
- UNASUR mit neuer Generalsekretärin. In: amerika21.de. 11. Mai 2011, abgerufen am 29. September 2021.
- Eva Haule: Venezolaner ist neuer Generalsekretär der Unasur. In: amerika21.de. 13. Juni 2012, abgerufen am 7. November 2019.
- Colombia dejará de ser miembro de Unasur. In: CNN Espanol. 10. August 2018, abgerufen am 10. August 2018 (spanisch).
- Südamerikanische Staaten gründen neuen Regionalbund. In: www.faz.net. 22. März 2019, abgerufen am 22. März 2019.
- Human Development Index
- Liste der Staaten der Erde
- Liste der Länder nach Auslandsverschuldung
- ABN: Unasur nace para cambiar las relaciones de poder en el mundo (Memento vom 3. September 2009 im Internet Archive), 9. Oktober 2008.
- Lindon Sanmartín Rodríguez: Sede permanente de la Unasur en la Mitad del Mundo registra avance del 80%. In: srradio.com.ec. 19. Juni 2014, abgerufen am 31. Mai 2019 (spanisch).
- Councils. UNASUR, abgerufen am 16. Dezember 2015 (englisch).