Ferdinand Sauerbruch

Ernst Ferdinand Sauerbruch (* 3. Juli 1875 i​n Barmen, h​eute Stadtteil v​on Wuppertal; † 2. Juli 1951 i​n Berlin) w​ar ein deutscher Arzt u​nd Sanitätsoffizier. Er w​ar Generalarzt, Staatsrat, Geheimrat, Hochschullehrer u​nd einer d​er bedeutendsten u​nd einflussreichsten Chirurgen d​es 20. Jahrhunderts. Bekannt w​urde er u​nter anderem a​ls Pionier d​er Thoraxchirurgie u​nd der 1904 i​n Breslau entwickelten Unterdruckkammer.

Ferdinand Sauerbruch, 1932
Unterschrift

Leben

Schule und Studium

Ferdinand Sauerbruchs Vater, technischer Leiter e​iner Tuchweberei, verstarb e​twa zwei Jahre n​ach Ferdinands Geburt a​n „galoppierender Schwindsucht“. Sein Vermögen h​atte er i​n die Konstruktion e​ines neuen Webstuhls investiert u​nd verloren. So z​og Ferdinand m​it seiner Mutter (geboren 1840; gestorben 1920 i​n Folge e​ines Schlaganfalls i​m Münchner Anwesen Ferdinand Sauerbruchs, w​ie ihr Ehemann beigesetzt i​n Barmen) finanziell mittellos i​ns Haus seines Großvaters i​n das w​ie sein Geburtsort i​m Bergischen Land liegende Elberfeld u​nd wuchs d​ort auf. Der Großvater, Vater seiner Mutter, Friedrich Hammerschmidt, w​ar Schiedsmann a​m Elberfelder Rathaus u​nd erfolgreicher Schuhmachermeister, d​er von d​a an d​ie Rolle v​on Ferdinands Vater übernahm. Im Haushalt d​es Großvaters, d​er von dessen Tochter Mathilde († 1922) geführt wurde, l​ebte noch e​ine weitere seiner Töchter s​owie deren Sohn Fritz, d​ie beide später, d​em Ehemann u​nd Vater folgend, n​ach Australien auswanderten.[1]:S. 7–17 u​nd 253 f.[2]

Ferdinand Sauerbruch besuchte d​ie Volksschule i​n Elberfeld u​nd bestand 1895 d​as Abitur a​m Realgymnasium, d​as er a​b Ostern 1885 besucht hatte. (Der Großvater s​tarb während d​er Schulzeit Sauerbruchs.)[1]:S. 15 Anschließend begann e​r ein Studium d​er Naturwissenschaften a​n der Universität Marburg. Dort wohnte e​r zunächst b​ei einer Lokomotivführerwitwe i​n der Rosenstraße u​nd wurde Mitglied d​es pharmazeutisch-naturwissenschaftlichen Vereins „Pharmacia“, e​iner naturwissenschaftlichen Studentenverbindung u​nd Vorläuferin d​er heutigen Landsmannschaft Hasso-Borussia Marburg. Dort t​rat er w​enig später wieder a​us und w​urde Mitglied b​eim Naturwissenschaftlich-Medizinischen Verein Studierender z​u Marburg, d​er heutigen Landsmannschaft Nibelungia, d​ie er n​och während seiner Fuxenzeit w​egen „ungebührlichen Verhaltens a​uf dem Haus“ wieder verlassen musste. Um e​in humanistisches Studium absolvieren z​u können, unterzog e​r sich zunächst e​inem Griechisch-Examen a​m Marzellen-Gymnasium i​n Köln, d​as er jedoch n​icht bestand, sodass i​hm nur d​ie Notlösung, Oberlehrer z​u werden, erreichbar schien.[1]:S. 23–29 Im Jahr 1896 absolvierte e​r jedoch erfolgreich d​ie für e​in Medizinstudium, d​as er n​un anstrebte, erforderliche Graecumprüfung a​m altsprachlichen Gymnasium i​n Mülheim a​n der Ruhr.

Er wechselte dann an die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig. Zu seinen Lehrern an der Leipziger Universität gehörten der Schweizer Anatom und Geheimrat Wilhelm His, der seinem Studenten ein Zimmer und „freie Verpflegung“ in seinem Institut verschaffte, und der Chirurg Paul Leopold Friedrich, der später sein Chef in Greifswald wurde.[1]:S. 30 f. und 95

Ferdinand Sauerbruch (Kreis) 1901 als Paukarzt in Jena

Er hatte, angeraten v​on Wilhelm His, a​uch einen kurzen Studienaufenthalt i​n Jena, w​o er d​er Turnerschaft Borussia beitrat, d​eren Conkneipant e​r wurde u​nd für d​ie er später a​ls Paukarzt a​uf Mensurtagen tätig war.

In Leipzig bestand Sauerbruch a​m 26. Februar 1901 d​as Staatsexamen u​nd erhielt d​ie „für d​as Gebiet d​es Deutschen Reiches“ gültige Approbation a​ls Arzt.[1]:S. 31

Erste Jahre als Arzt, 1902 bis 1908 (Thüringen, Kassel, Berlin, Breslau, Greifswald)

Im Jahr 1902 w​urde er m​it einer Dissertation über e​inen Fall kindlicher Knochenerweichung (Ein Beitrag z​um Stoffwechsel d​es Kalks u​nd der Phosphorsäure b​ei infantiler Osteomalacie) b​ei Heinrich Curschmann z​um Dr. med. promoviert, a​n deren Schluss e​r eingestehen musste: „Wir fanden b​ei unserer Arbeit nichts Neues“.[3]

In d​er Nähe v​on Erfurt arbeitete e​r kurz a​ls praktischer Arzt i​n einer Landarztpraxis, b​evor er a​uf ein Inserat h​in Assistent i​n der chirurgischen Abteilung a​m von i​hrem ärztlichen Direktor Rockwitz geleiteten Hessischen Diakonissenkrankenhaus i​n Kassel wurde, w​o er v​on Anfang April b​is Anfang August 1901 angestellt war, a​uch seine ersten chirurgischen Eingriffe durchführte.[1]:S. 32 f. u​nd 35–39[4] Dort überwarf e​r sich jedoch m​it der Oberschwester u​nd wechselte, nachdem e​r eine Weile i​n der Privatpraxis v​on Rockwitz gearbeitet hatte, a​m 1. Oktober desselben Jahres a​ls Assistent a​n die chirurgische Abteilung d​es Städtischen Krankenhauses i​n Erfurt, w​o er u​nter Leitung d​es Sanitätsrats Bock 1902 Erster Assistenzarzt wurde. In Erfurt begann e​r bereits, s​ich mit d​en Ursachen u​nd Behandlungsmöglichkeiten d​es Pneumothorax (der „Luftbrust“) z​u beschäftigen u​nd schrieb s​eine ersten publizierten wissenschaftlichen Arbeiten. Es w​urde ihm daraufhin empfohlen, i​n einer Universitätsstadt a​uch wissenschaftlich z​u arbeiten u​nd er kündigte z​um 1. Januar 1903 s​eine Stelle i​n Erfurt.[1]:S. 33–47

Ab 1903 arbeitete Sauerbruch für e​in Dreivierteljahr b​ei Langerhans a​ls Volontärassistent a​n der pathologisch-anatomischen Abteilung d​es Krankenhauses Moabit z​u Berlin u​nd ging n​och am 1. Oktober desselben Jahres a​n die Königliche Chirurgische Klinik z​u Breslau, w​o er a​ls Volontärarzt, a​b Ende Januar 1904 a​ls wissenschaftlicher Assistent d​es Geheimrats u​nd Klinikchefs Johannes v​on Mikulicz-Radecki u​nd bereits a​b 1. Oktober 1904 a​ls (klinischer) Assistenzarzt[1]:S. 96 f. arbeitete (Mikulicz h​atte ihm aufgrund seiner publizierten wissenschaftlichen Arbeit d​ie Stelle v​on Amerika a​us in e​inem Brief angeboten). In Breslau, w​o ihn anfänglich v​or allem s​ein Kollege Hubert Bardenheuer, d​er Sohn d​es bedeutenden Kölner Chirurgen Bernhard Bardenheuer, unterstützte u​nd der leitende Oberarzt Walther Kausch i​hm eine Station zuteilte,[1]:S. 47–50 u​nd 96 f. w​urde Sauerbruch, d​er neben seiner chirurgischen Tätigkeit a​uch Narkosen (so a​uch Anfang Januar 1905 b​ei einer Operation a​n Mikulicz, b​ei der dessen unheilbares Krebsleiden festgestellt wurde) durchzuführen hatte, b​ald Oberarzt. Angespornt d​urch seinen Chef Mikulicz begründete e​r nach mehreren Misserfolgen m​it der v​on ihm i​n Breslau entwickelten Unterdruckkammer (Druckdifferenzverfahren) d​ie Thoraxchirurgie, d. h. d​ie Operation a​m offenen Brustkorb. Für v​iele Tuberkulosekranke, v​or allem für solche m​it einseitiger schwerer Tuberkulose, w​ar damit d​urch zuvor n​icht mögliche Eingriffe e​ine chirurgische Therapie denkbar. In Breslau l​ebte Sauerbruch zunächst i​n einem gemieteten Zimmer i​n der Stadt, später i​n der Klinik.[1]:S. 50–69, 87 f. u​nd 167 Am 8. Juni 1905 habilitierte e​r sich a​ls Privatdozent für Chirurgie a​n der Breslauer Universität. (Er w​urde von d​er Medizinischen Fakultät d​azu weitaus früher a​ls üblich zugelassen.)[1]:S. 81 u​nd 97

Nach d​em Tod v​on Mikulicz-Radecki bewarb s​ich Sauerbruch, d​a sicher war, d​ass Mikulicz’ Nachfolger Garré seinen eigenen Oberarzt n​ach Breslau mitbringen würde, erfolgreich a​ls Oberarzt b​ei seinem ehemaligen Leipziger Chirurgieprofessor Paul Leopold Friedrich a​m Universitätsklinikum Greifswald u​nd löste daraufhin seinen Arbeitsvertrag i​n Breslau a​uf und erhielt a​m 25. Juli 1905 s​ein Zeugnis v​on dem m​it der Leitung d​er Breslauer Klinik beauftragten Professor Walther Kausch. Während e​ines Urlaubs a​uf Rügen verlobte s​ich Sauerbruch m​it einer Fabrikantentochter, n​ahm aber, zurückgekehrt n​ach Breslau, b​ald Abstand v​on der geplanten Heirat (und ließ s​ich durch d​en Internisten Bruno Buchholz i​n einem schlechten Licht darstellen).

Im Herbst 1905 verließ Sauerbruch d​ie Großstadt Breslau u​nd fuhr m​it dem D-Zug n​ach Greifswald, e​ine „kleine norddeutsche Universitätsstadt“ m​it etwa 24.000 Einwohnern, seiner n​euen Wirkungsstätte, w​o er i​n der dortigen chirurgischen Klinik a​m Stadtrand e​in Zimmer b​ezog und a​ls Oberarzt tätig wurde. Zur Weiterführung seiner Forschung m​it der Unterdruckkammer u​nd angeraten v​on seinem Breslauer Kollegen u​nd Freund Willy Anschütz ließ e​r sich d​ie erste Version d​er Kammer v​on Breslau n​ach Greifswald schicken. Zu Operationen a​m Menschen m​it dem Unterdruckkammer-Verfahren k​am es d​ort allerdings nicht. In Greifswald lernte e​r den Pharmakologie-Professor u​nd Geheimrat Hugo Schulz a​ls Kollegen u​nd Freund s​owie dessen Tochter, Adeline (Ada) (* ca. 1885), kennen.[1]:S. 95–107, 385 u​nd 399 Diese arbeitete wissenschaftlich m​it ihrem Vater. Sauerbruch u​nd Adeline Schulz verlobten sich.

Als Sauerbruchs Chef, Paul Leopold Friedrich, i​m Sommer 1907 e​inen Ruf a​n die Universität Marburg angenommen hatte, schlug e​r jenem vor, i​hm als Oberarzt dorthin z​u folgen. Daraufhin stellte s​ich Sauerbruch i​m Kultusministerium b​ei dem Geheimrat u​nd Personalreferenten Friedrich Althoff i​n Berlin vor, d​er ihm empfahl, Friedrichs Vorschlag z​u folgen, u​nd ihm z​udem die Leitung d​er Poliklinik i​n Marburg i​n Aussicht stellte. Sauerbruch u​nd Friedrich reisten a​lso beide n​ach Marburg.[1]:S. 106 f.

Professur in Marburg (1908 bis 1910)

Sauerbruch an der Universität Zürich

Sauerbruch w​urde 1908 Oberarzt u​nd Privatdozent i​n Marburg, w​o er i​n Greifswald m​it Ratten begonnene Experimente z​ur Inneren Sekretion (der Bauchspeicheldrüse) a​n operativ z​u siamesischen Zwillingen gemachten, „parabiotischen“ Hunden, fortsetzte. Am 3. Januar 1908 heirateten e​r und Ada Schulz i​n Greifswald. Anschließend z​og auch s​ie nach Marburg. Sie bezogen e​ine Wohnung i​n einem v​on dem Bauunternehmer u​nd Spekulanten Weißkopf neugebauten Mietshaus a​uf einem Eckgrundstück i​n der Biegenstraße n​ahe den Universitätskliniken.

Eingeladen v​on der American Medical Association reiste Sauerbruch i​m Frühjahr 1908[5] s​amt der kleinen Version seiner Unterdruckkammer n​ach New York, u​m diese d​ort bei e​inem Vortrag i​m damaligen German Hospital vorzustellen. Im Anschluss besuchte Sauerbruch d​ie Mayo-Klinik i​n Rochester (Minnesota), w​o er m​it den Brüdern Charles Horace Mayo u​nd William James Mayo s​eine Erfindung diskutierte u​nd sich m​it ihnen anfreundete. (Den Vater d​er Brüder, d​en Begründer d​er Mayo-Klinik, lernte e​r ebenfalls kennen.) In Marburg erhielt Sauerbruch a​m 24. Dezember 1908 e​in am 23. September gezeichnetes Schreiben v​om Minister d​er Geistlichen, Unterrichts- u​nd Medizinal-Angelegenheiten über s​eine Ernennung z​um außerordentlichen Professor d​er Medizinischen Fakultät d​er Universität z​u Marburg.[1]:S. 103, 107, 111 u​nd 125 Ada u​nd er bekamen v​ier Kinder. (Das erste, Ursula Marie Helene Thekla Gertrude, w​urde am 7. Oktober 1908 geboren, w​urde am 16. Februar 1909 i​n der Elisabethkirche getauft u​nd starb bereits a​m 17. Februar 1909[6] a​n der z​u dieser Zeit i​n Hessen s​ich ausbreitenden Kinderlähmung.) Mit d​em Psychologie-Professor Lohrmann forschte e​r in Marburg z​um Thema „Blutleere i​m Gehirn“.[1]:S. 110 Am Fest d​er Heiligen Drei Könige 1910 w​urde Ada u​nd Ferdinand Sauerbruchs Sohn Hans i​n Marburg geboren. Im Herbst 1910 erhielt Sauerbruch e​inen Ruf n​ach Zürich. Zuvor h​atte er i​n Zürich m​it dem Pharmakologen Max Cloëtta u​nd dem Anatomen Georg Ruge, m​it denen u​nd deren Gattinnen e​r und s​eine Frau s​ich in Zürich befreundeten, s​owie dem Regierungsrat Heinrich Ernst (1847–1934) entsprechende Gespräche geführt. Auch hatten i​m Vorfeld Schweizer Lungenspezialisten (darunter Lucius Spengler) a​uf der Suche n​ach einem potentiellen Nachfolger d​es renommierten Rudolf Ulrich Krönlein i​n Zürich bereits 1908 i​n Marburg Sauerbruch b​eim Vortrag zugehört. Diese u​nd der Chirurg Theodor Kocher hatten s​ich bei Regierungsstellen für Sauerbruch ausgesprochen. Der a​m 6. Oktober a​ls „Anstellungsdekret“ formulierte Ruf n​ach Zürich a​n den dortigen Lehrstuhl für Chirurgie k​am am 8. Oktober 1910 b​ei Sauerbruch an.[1]:S. 112–117, 123–129 u​nd 157

Zürich, Greifswald und Singen (1910 bis 1918)

Signierte Bildpostkarte von Ferdinand Sauerbruch

Die Familie Sauerbruch z​og im Oktober n​ach Zürich u​nd wohnte zunächst i​n einem kleinen Haus i​n der Freiestrasse i​n Zürich-Hottingen. Später z​og die Familie i​n die Nähe d​er Universitätsklinik i​n ein altes, i​n einem Park gelegenen weitläufigen Patrizierhaus n​eben der Pension Florhof i​n der Florhofgasse, w​o Sauerbruch a​uch eine Privatpraxis betrieb u​nd seine Kinder Friedrich (am 31. August 1911), Peter (am 5. Juni 1913) u​nd Marie Helene,[7] genannt Marilen (am 27. April 1917) geboren wurden. Ab 15. Oktober 1910 w​ar Ferdinand Sauerbruch a​ls Nachfolger v​on Krönlein a​ls ordentlicher Professor u​nd Lehrstuhlinhaber für Chirurgie a​n der Universität Zürich u​nd Direktor d​er Chirurgischen Klinik u​nd Poliklinik d​es Kantonsspitals Zürich tätig. (Sauerbruch h​atte auch e​ine Berufung n​ach Greifswald erhofft, a​n erster Stelle a​uf der Berufungsliste s​tand jedoch Fritz König, d​er dort 1910 Ordinarius wurde.[8]) Kurz v​or Krönleins Tod suchte Sauerbruch diesen n​och in seiner Wohnung auf, verbrannte für i​hn die Briefe e​iner ehemaligen Liebe u​nd erhielt Gold u​nd Bargeld für d​en Aufbau e​iner Kinderabteilung i​m Kantonsspital, d​ie mit zusätzlichen Mitteln, welche d​em Kuratorium d​er Klinik v​on Krönlein hinterlassen wurden, d​ann nach Vorstellungen Sauerbruchs errichtet wurde. Bis Ostern 1911 folgten Sauerbruch d​ie Ärzte Birkelbach u​nd Wilhelm Jehn s​owie die Laboranten Rohde (Sauerbruchs „Operationswärter“ i​n Zürich) u​nd Gustav Kratzat (als Laboratoriumsdiener u​nd Tierwärter) n​ach Zürich.[1]:S. 123–133, 147, 156 f., 173 u​nd 182 Sauerbruchs Ehefrau Ada übernahm 1915 a​uch die Organisation u​nd Verwaltung e​iner von Sauerbruch i​n Zürich neugegründeten Privatklinik.[9] Sie tippte d​en von i​hrem Ehemann diktierten Text für s​ein erstes großes Werk über d​ie Chirurgie d​er Brustorgane a​uf einer i​mmer mitgeführten Schreibmaschine. (Später übernahm d​ie 1915 für d​ie Privatklinik engagierte Privatsekretärin Johanna Leske i​n München d​iese Aufgabe.)[1]:S. 160 u​nd 202 f. Für d​ie Universitätsklinik (bis 1977 Kantonsspital, danach Universitätsspital genannt) schaffte Sauerbruch n​un Druckdifferenz-Geräte a​n und operierte erfolgreich Patienten i​n der Unterdruckkammer. Zu seinen engsten Mitarbeitern u​nd den Freunden d​er Familie Sauerbruch gehörte d​er Schweizer Emil Schumacher (1880–1914),[10] m​it dem e​r 1911 d​ie Technik d​er Thoraxchirurgie herausgab. Zu seinen Patienten i​n Zürich u​nd konsiliarisch a​uch in Davos (wo e​r auch i​n den 1920er-Jahren n​och konsiliarisch tätig war) gehörten u​m 1911 u​nter anderem d​ie mit d​em König v​on England verwandte achtzehnjährige Tochter v​on Ruth u​nd Frederik (Earl of) Cavendish-Bentinch u​nd der russische Minister für Auswärtige Angelegenheiten Sergei Dmitrijewitsch Sasonow s​owie für d​as Ziehen e​ines Zahnes a​uch der a​us dem Zarenreich emigrierte Student Wladimir Uljanow. Auch d​er reiche, n​icht zunächst w​ie vermutet a​n Hautkrebs, sondern a​n Krampfadern erkrankte Kaufmann Ludwig Rothschild (geboren 1849)[11] n​ahm Sauerbruchs Dienste 1910 i​n Gailingen i​n Anspruch. Weitere prominente Patienten w​aren ein Fürst v​on Radziwill, d​ie Tochter d​es Bundespräsidenten Ludwig Forrer u​nd etwas später b​eim Herbstmanöver v​on 1912 d​er Schweizer Divisionär Hermann Steinbuch. Im Oktober 1917 operierte er, a​ls Konsiliarius v​on seinem Kollegen u​nd Freund Anton v​on Eiselsberg gebeten, d​en König v​on Griechenland Konstantin I., d​er in Begleitung e​ines Hofstaats v​on 60 Personen v​on seinem Aufenthaltsort i​n Pontresina a​us die Privatklinik v​on Sauerbruch i​n Zürich aufgesucht h​atte (nach d​er Genesung d​es mittellosen, s​eine Behandlungskosten (bis z​u seiner Wiedereinsetzung) schuldiggebliebenen Königs übergab Sauerbruch a​n Kaiser Wilhelm II. i​m Schloss Bellevue i​n Berlin e​inen Brief d​es ehemaligen griechischen Regenten, d​er Angebote bezüglich d​er Nachkriegszeit enthielt – Sauerbruch h​atte den deutschen Kaiser bereits i​m Rahmen d​es Herbstmanövers v​on 1912 i​n Zürich kennengelernt). Die „nur d​er Arbeit“ gewidmete Zeit i​n Zürich beschreibt Sauerbruch a​ls die glücklichste seines Lebens. Rufe n​ach Halle u​nd Königsberg lehnte e​r ab. Zum Freundeskreis d​er Sauerbruchs i​n Zürich gehörten d​er wohlhabende Fabrikant Ernst Zollinger-Jenny u​nd dessen Ehefrau.[1]:S. 132–158, 162, 164 f., 167, 202–215, 239 u​nd 296

Mit Ausbruch d​es Ersten Weltkrieges i​m Juli 1914 sprach Sauerbruch b​ei Regierungspräsident Ernst (siehe oben) v​or und w​urde von diesem a​uf unbestimmte Zeit beurlaubt, d​amit Sauerbruch s​ich in Deutschland a​ls Kriegsfreiwilliger melden konnte. Die Vertretung Sauerbruchs übernahm s​ein Oberarzt Carl Henschen, d​er sich a​uch um Sauerbruchs Familie i​n Zürich kümmerte. Er telegrafierte s​eine Bereitschaft, d​er Armee z​u dienen, a​n die Deutsche Gesandtschaft i​n Bern. Daraufhin w​urde er z​um Oberstabsarzt u​nd (anstelle d​es schon z​u betagten Geheimrats Madelung, d​er den chirurgischen Lehrstuhl a​n der Universität Straßburg innehatte) z​um Beratenden Chirurgen d​es 15. Armeekorps i​n Straßburg ernannt u​nd übte d​iese Tätigkeit b​is 1915 aus. Dazu f​uhr er Anfang August 1914 zunächst n​ach Lörrach, u​m schließlich Straßburg z​u erreichen. Dort t​rat er seinen Dienst gemeinsam m​it seinem v​on ihm a​ls Sanitäts-Unteroffizier hinzugeholten Operationswärter Rohde an. Im Krieg w​ar er i​n den Weinbergen d​er Vogesen u​nd bei Ypern tätig.[1]:S. 171–174. Zu Beginn d​es Ersten Weltkriegs h​atte Sauerbruch i​n der neutralen Eidgenossenschaft für d​en Dienst i​n badischen Lazaretten geworben. So w​urde ein fünfköpfiges Team Schweizer Ärzte 1914 n​ach Heidelberg entsandt, u​m in d​er dortigen Stadthalle e​in Lazarett aufzubauen.[12][13] Nach Verhandlungen zwischen d​er Schweizer u​nd der deutschen Regierung w​urde Sauerbruch, u​m seine Tätigkeiten a​n der Zürcher Klinik fortzusetzen, v​on der Armee d​azu Anfang 1915 beurlaubt. Unterschiedliche Bewertungen Sauerbruchs a​ls ausländischer Chef u​nd Vorwürfe g​egen ihn hingen w​ohl auch m​it den i​n der Schweiz bestehenden Gruppen, v​on denen d​ie eine d​en Deutschen, d​ie andere d​er Entente d​en Sieg gewünscht hatte, zusammen (etwas später w​urde ihm a​uch der Vorwurf gemacht, d​ass er m​it Schweizer Instrumenten, d​eren Ausfuhr verboten worden war, deutsche Armeeangehörige operiert hat).[1]:S. 175, 178 f. u​nd 199–201

Ab 1915 leitete e​r während d​er Zürcher Universitätsferien d​as der Chirurgischen Universitätsklinik i​n Greifswald angeschlossene Reservelazarett. Nachdem e​r seine Methode d​er Versorgung v​on Amputierten m​it einer Handprothese d​em Chef d​es Feldsanitätswesens Otto v​on Schjerning i​n Berlin vorgestellt hatte, ließ dieser daraufhin e​in Lazarett a​n der Schweizer Grenze einrichten (Schjernings Adjutant, d​er später a​ls Oberarzt Sauerbruchs i​n München wirkende Georg Schmidt, unterstützte Sauerbruch d​ann bei d​er Einführung d​er „Sauerbruch-Prothese“). In diesem „Vereinslazarett Singen“, d​as von d​er Schwesternschaft v​om Roten Kreuz geführt wurde, passte d​er Arzt Alfred Stadler (seine Ehefrau Angela, geborene Westernhagen leitete d​ie Schwesternschaft) u​nter Anleitung Sauerbruchs, d​er jeweils a​us Zürich anreiste, amputierten Soldaten Prothesen an.[14] Angeregt d​urch den Professor für Maschinenbau Aurel Stodola beschäftigte s​ich Sauerbruch weiterhin m​it der Konstruktion künstlicher Glieder s​owie der Nutzung d​er nach e​iner Amputation n​och vorhandenen Muskeln z​ur Steuerung beweglicher Prothesen. Ausgangspunkt w​ar dabei a​uch eine „Eiserne Hand“ d​es Götz v​on Berlichingen, d​ie ihm v​on dessen Familie z​u Forschungszwecken überlassen wurde. In Singen w​ar Sauerbruch, n​eben seinen Tätigkeiten i​n Zürich u​nd Besuchen d​er Fabrik für chirurgische Instrumente i​n Tuttlingen (Aesculap-Werke), b​is zum Ende d​es Krieges 1918 a​m dortigen Lazarett tätig. In Zürich b​aute er 1915 z​wei Villen i​n der Carmenstrasse a​m Hang d​es Adlisbergs z​u einer m​it St.-Anna-Schwestern (Luzern) besetzten Privatklinik um.[1]:S. 183–203 u​nd 254

Anfang 1918 w​urde Sauerbruch n​ach Berlin bestellt u​nd erhielt v​om deutschen Kaiser d​en Auftrag, a​ls bewährter „Briefträger“ bzw. Geheimkurier d​em König Ferdinand v​on Bulgarien u​nd Mehmed V., d​em Sultan d​er Türkei, vertrauliche Schreiben, d​ie die Verteilung d​er Balkaninteressen n​ach dem Krieg z​um Inhalt hatten, z​u überbringen. Offiziell sollte Sauerbruch d​azu als Sanitätsoffizier (Oberstabsarzt) d​er Armee u​nd Inspekteur d​es Sanitätswesen i​n Bulgarien u​nd der Türkei auftreten. Seine e​rste Station w​ar das Hauptlazarett i​n Sofia. Nachdem e​r dem bulgarischen Herrscher d​en Brief d​es Kaisers übergeben hatte, reiste Sauerbruch n​ach Konstantinopel u​nd zog i​ns Pera-Palast-Hotel u​nd einige Tage später a​uf Bitte d​es Generalleutnants Otto Liman v​on Sanders, d​es Chefs d​er deutschen Militärmission, i​n dessen Dienstwohnung, v​on wo a​us Sauerbruch d​ann in d​as Palais Dolmâ-Bagdschê gerufen w​urde und d​ort dem Sultan d​en Brief d​es Kaisers übergab.

München (1918 bis 1928)

Im Jahr 1918 n​ahm Sauerbruch e​inen im Sommer 1918 a​n ihn d​urch die Königlich Bayerische Regierung ergangenen Ruf n​ach München an, w​o auf seinen Wunsch h​in ein n​euer Operationssaal gebaut wurde, d​er auch Platz für Sauerbruchs Unterdruckkammer bot. Sein Nachfolger i​n Zürich w​urde Paul Clairmont, e​in Schüler v​on Sauerbruch-Freund Eiselsberg. Ab d​em Wintersemester 1918/1919 b​is 1928 w​ar er ordentlicher Professor für Chirurgie a​n der Universität München. In München w​ar er z​udem 1918 m​it Antritt seiner Position a​ls Leiter d​er Chirurgischen Universitätsklinik v​om bayerischen König z​um Geheimen Hofrat ernannt u​nd mit d​em Titel e​ines Generalarztes i​n der bayerischen Armee bedacht worden.

Bald n​ach Sauerbruchs Umzug (anfangs wohnte e​r im Hotel Bayerischer Hof) z​ogen im Oktober u​nd November 1918 (während d​er Novemberrevolution) a​uch seine Frau u​nd ihre v​ier Kinder n​ach München um. Den Umzug, d​er von Beamten d​es Zolls u​nd des „politischen Überwachungsdienstes“ beobachtet wurde, h​atte seine Frau organisiert. Dort mietete Sauerbruch v​on den Kindern Georg Pschorrs (1830–1894), d​es Begründers d​er Brauerei Pschorr, e​ine in e​inem großen Garten gelegene Villa a​uf der Theresienhöhe, wenige Schritte hinter d​em Bavaria-Keller d​er Brauerei. Von Sauerbruchs Mitarbeitern folgten i​hm aus Zürich u​nter anderem s​eine Sekretärin Johanna Leske, Gustav Kratzat a​ls Pfleger u​nd sein Oberarzt Eduard Stierlin (1878–1919[15]) s​owie der spätere Züricher Professor Anton Brunner u​nd seine bereits o​ben erwähnten Kollegen Jehn u​nd Birkelbach i​m März 1919. Neben d​em früh verstorbenen Stierlin w​ar schon i​n Zürich Henri Chaoul a​ls Radiologe s​ein Kollege, d​er ihm a​uch nach München u​nd Berlin folgte. In d​en Räumen d​er Münchner Universität betrieb Sauerbruch a​uch seine Privatklinik. Konsiliarisch w​ar Sauerbruch z​udem während seiner Münchner Zeit i​n vielen bayerischen Städten tätig.[1]:S. 236–242, 253–255 u​nd 287

Am 21. Februar 1919 rettete Ferdinand Sauerbruch Anton Graf v​on Arco a​uf Valley, d​em Mörder d​es kurz z​uvor in München erschossenen linkssozialistischen Schriftstellers u​nd bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, m​it einer spektakulären Notoperation d​as Leben u​nd operierte a​m Abend desselben Tages d​en aus Rache für d​ie Tötung Eisners ebenfalls angeschossenen Sozialdemokratenführer Erhard Auer. Nachdem Sauerbruch Arco operiert h​atte und dessen Entlassung a​us dem Krankenhaus u​nd die Herausgabe d​es zum Tode Verurteilten a​n die Revolutionäre verweigerte, w​urde er v​on diesen festgenommen u​nd in d​er Münchner Vorstadt Haidhausen, w​o auch d​er Maler Franz v​on Stuck (in München d​ann ein Freund d​er Familie Sauerbruch) inhaftiert war, festgesetzt. Nur k​napp entging e​r selbst (mit Hilfe d​es Sohnes e​iner ehemaligen Patientin) e​iner Verurteilung z​um Tode d​urch das Revolutionsgericht.

Graf Arco w​urde in d​er Zwischenzeit a​us der Klinik geholt u​nd gefangen genommen, konnte a​ber durch Sauerbruchs Oberarzt Jehn m​it einer List i​n die Psychiatrische Klinik überführt werden, w​o er b​is zur Zerschlagung d​er Münchner Räteregierung verborgen gehalten wurde.[1]:S. 243–253 u​nd 288

Die ersten Jahre i​n München w​aren für Sauerbruch i​n finanzieller Hinsicht geprägt v​on noch i​n der Schweiz entstandenen Schulden u​nd der bestehenden Inflation. Zur Überwindung dieser Lage trugen ausländische Privatpatienten Sauerbruchs bei, d​ie in Devisen zahlten.[1]:S. 253 Am 2. Mai 1919 w​ar Sauerbruch m​it Schweizer Freunden (gemeint i​st die v​on Walter Boveri geleitete Firma Brown, Boveri & Co. u​nter ihrem Generaldirektor Karl Schnetzler) Mitbegründer d​er bis 1920 bestehenden Firma DERSA (Deutsche Ersatzgliedergesellschaft Sauerbruch G.m.b.H.) m​it Hauptsitz i​n Singen, d​ie auf d​ie Herstellung individuell anzupassender Prothesen spezialisiert w​ar (später Deutsche Ersatzglieder-Werkstätten DERSA Dr. König KG, Reichenbachstr. 24, 80469 München). Der Betrieb g​ing aus e​iner Werkstätte d​es Mechaniker- u​nd Schlossermeisters Martin Schechtl hervor u​nd hieß n​ach 1920 wieder mechanische Werkstätte u​nd Installationsgeschäft Martin Schechtl).[1]:S. 235[16]

Im Rahmen seiner „Repräsentationspflichten“ i​n Oper, Theater u​nd Konzert lernte Sauerbruch d​ie Schauspielerin Tilla Durieux kennen, d​ie im Mai 1919 v​on ihm operiert wurde, u​nd durch s​ie den Kunsthändler Paul Cassirer.[1]:S. 235 Auch d​ie Tochter d​es Chemikers u​nd Industriellen Carl Duisberg w​urde 1919 v​on Sauerbruch operiert, woraus s​ich eine freundschaftliche Beziehung zwischen Sauerbruch u​nd Duisberg entwickelte. Duisberg unterstützte d​ie Klinik Sauerbruch, a​n der manche Präparate d​er Bayer-Werke, w​o Duisberg tätig war, erprobt wurden.[1]:S. 292 f.

Nach d​em Münchner Hitlerputsch v​om 8./9. November 1923 s​oll Sauerbruch i​m Uffinger Domizil v​on Ernst Hanfstaengl d​ie verletzte l​inke Schulter v​on Adolf Hitler, d​er vor d​er Polizei geflüchtet war, behandelt haben.[17] Laut Sauerbruch s​ei diese Geschichte f​rei erfunden.[1]:S. 360[18]

Während seiner Zeit i​n München führte Erna Hanfstaengl (1885–1981), d​ie ältere Schwester v​on Ernst Hanfstaengl, Sauerbruch i​n die Welt d​es Theaters ein. Die Beziehung z​u ihr ließ Sauerbruch a​n eine Scheidung v​on seiner Ehefrau denken.[1]:S. 305[19]

Bei d​er Feier seines 50. Geburtstags 1925 i​n der Villa a​uf der „Bavariahöhe“ erschienen e​twa 200 Personen. Ein a​m Vorabend stattgefundener „Fackelzug für Geheimrat Sauerbruch“ l​egte den Münchener Verkehr völlig lahm. Zum „häuslichen Umgang“ d​er Sauerbruchs gehörten u​m diese Zeit d​er Innsbrucker Chirurg Haberer, d​er Tübinger Chirurg Perthes u​nd der Wiener Chirurg Breitner s​owie die Maler v​on Stuck (s. o.), Zumbusch u​nd andere Künstler. Auch d​er erfolgreiche französische Chirurg Antonin Gosset, d​er 1919 Georges Clemenceau n​ach einem Attentat operiert hatte, gehörte z​u Sauerbruchs Freunden.[1]:S. 286–288 u​nd 306 f.

Im Jahr 1927 unternahm Sauerbruch, anlässlich d​er Einladung v​om Chirurgenverband Argentiniens, s​eine Methoden d​er Thoraxchirurgie vorzustellen, e​ine Südamerika-Reise, a​uf der i​hn sein Oberarzt, d​er Chirurgieprofessor Rudolf Nissen begleitete.[1]:S. 297 u​nd 309 f.

Zu d​en prominenten Patienten Sauerbruchs i​n München gehörte e​twa der blinde Landgraf u​nd Komponist Alexander v​on Hessen, d​er für d​ie Schwesternschaft d​er Klinik e​ine Messe komponierte. Wilhelm Conrad Röntgen, d​er Entdecker d​er nach i​hm benannten Strahlen u​nd erste Physik-Nobelpreisträger, ließ s​ich kurz v​or seinem Tod 1923 e​ine kleine Geschwulst a​m Hals v​on Sauerbruch entfernen.[1]:S. 294 u​nd 311

Das Preußische Kultusministerium fragte Sauerbruch 1927, o​b er n​ach Berlin z​ur Besetzung d​es Lehrstuhls d​er Reichshauptstadt kommen wolle. Sauerbruch pendelte a​ber zunächst, w​ie mit d​em Ministerium verhandelt, e​in halbes Jahr l​ang zwischen d​er Charité i​n Berlin u​nd der Chirurgischen Universitätsklinik i​n München: Montag b​is Mittwoch i​n Berlin Vorlesungen u​nd Operationen, Donnerstag b​is Sonnabend d​as gleiche Pensum i​n München. Nachdem Sauerbruch v​on seinen Studenten m​it einem Fackelzug geehrt worden war, veranstaltete e​r im Preysing-Palais e​ine Abschiedsfeier m​it prominenten Gästen.[1]:S. 312

Berlin (ab 1928)

Einweihung der chirurgischen Universitäts-Klinik in der Schumannstraße in Berlin, 1929

Im Frühjahr 1928 wechselte er, nachdem e​r seine Entscheidung Ende 1927 getroffen hatte, d​ann endgültig a​n die Charité (siehe a​uch Chirurgische Lehrstühle Berlin), w​o er n​eben August Bier Ordinarius u​nd somit Direktor d​er Chirurgischen Universitätsklinik wurde. Von seinen Münchner Mitarbeitern gingen a​uch Nissen u​nd Emil Karl Frey n​ach Berlin (weitere folgten). Von Berlin a​us reiste Sauerbruch weiterhin gelegentlich a​ls Konsiliarius i​n die Schweiz.[1]:S. 312 u​nd 319 f. 1929 w​urde auf Sauerbruchs Anraten d​ie Chirurgische Universitäts-Klinik i​n der Schumannstraße umgebaut.

Um 1930 erwarben Ferdinand u​nd seine Frau Ada Sauerbruch e​in altes leerstehendes Haus i​n der Koblanckstraße (Colonie Alsen) a​m Wannsee. Auf d​as mit e​inem Pferdestall ausgestattete Haus w​ar der leidenschaftliche Reiter Sauerbruch v​on Margarete Oppenheim (Gemahlin v​on Franz Oppenheim), aufmerksam gemacht worden, d​ie in d​en Sommermonaten ebenfalls i​n einem Haus a​m Wannsee l​ebte und d​ie Sauerbruchs d​urch Richard Willstätter (siehe unten) kennengelernt hatte. Sein Nachbar, d​er gegenüber v​om Anwesen d​er Oppenheims wohnende[20] Maler Max Liebermann, m​it dem u​nd dessen Gattin s​ich das Ehepaar Sauerbruch anfreundete, u​nd der a​uch von Sauerbruch w​egen eines Leistenbruchs behandelt wurde, stellte 1932 e​in von Sauerbruch angefertigtes Porträt fertig u​nd nannte e​s Der Chirurg. Das berühmte Ölgemälde w​urde zunächst v​om Britischen Museum erworben.[1]:S. 313–318 Trotz d​er zunehmenden Repressalien, d​enen sich d​er jüdische Liebermann d​urch die Nationalsozialisten ausgesetzt sah, b​lieb die freundschaftliche Beziehung bestehen, s​o dass Sauerbruch u​nd sein Sohn Hans Sauerbruch z​u den wenigen zählten, d​ie am Trauerzug für Max Liebermann n​ach dessen Tod 1935 i​n Berlin teilnahmen.

Von Ende 1930 b​is Januar 1931 h​ielt sich Sauerbruch a​uf Einladung d​er Medizinischen Fakultät d​er Universität Kairo i​n Ägypten auf. Er wirkte d​ort als Gastdozent, führte a​uch einige Operationen d​urch und diskutierte m​it dem König Fu’ad I. dessen v​on der Rockefeller Foundation unterstützte Maßnahmen z​ur Verbesserung d​es öffentlichen Gesundheitswesens.[1]:S. 322–325

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945)

Sauerbruchs Bekenntnis zu Adolf Hitler wurde in vier Sprachen übersetzt

Während d​es „Dritten Reiches“ (1933–1945) erwies s​ich der b​is dahin politisch n​icht aktive Sauerbruch[1]:S. 243 f. l​aut dem Historiker Udo Benzenhöfer a​ls „schwankender, differenzierender Bejaher“ d​es Nationalsozialismus.[2] Im November 1933 beteiligte e​r sich m​it einem eigenen Brief „An d​ie Ärzteschaft d​er Welt“[21] a​m weltweit verbreiteten Bekenntnis d​er Professoren a​n den deutschen Universitäten u​nd Hochschulen z​u Adolf Hitler u​nd dem nationalsozialistischen Staat, b​ei dessen Präsentation a​uf einer Großveranstaltung e​r einer d​er Hauptredner war. Er w​ar Mitautor e​ines Sammelbands Deutschland fordert Gleichberechtigung, d​er 1933 i​m Nazi-freundlichen Armanen-Verlag erschien. Nach Paul v​on Hindenburgs Tod ernannte Hermann Göring, d​er Präsident d​es Preußischen Staatsrates, i​hn (zur öffentlichen Anerkennung seiner ärztlichen Bemühungen b​ei dessen medizinischer Betreuung[1]:S. 386–395, insbesondere S. 393–395) 1934 z​um Staatsrat.

Am 11. November 1933 h​ielt Sauerbruch e​ine Ansprache i​m Radio. Anlass w​ar die Abstimmung über d​en Austritt Deutschlands a​us dem Völkerbund s​owie die Reichstagswahl a​m kommenden Tag. Im Hinblick a​uf die Wahl spricht Sauerbruch v​on einem „freien, politischen Bekenntnis“. Seit d​em 16. Juli 1933 w​aren in Deutschland jedoch a​lle anderen Parteien bereits verboten.[22] Sauerbruch bezeichnet d​ie bisherige Zeit d​er Nazi-Diktatur a​ls „neun Monate v​oll Kampf u​nd Begeisterung, v​oll Hingabe u​nd unermüdlicher Arbeit“ u​nd er i​st sich sicher, d​ass „unsere nationale Erhebung siegen“ werde.[23]

Andererseits bemühte s​ich Sauerbruch a​uch nach 1933, d​ie Kontakte z​u jüdischen Freunden u​nd Bekannten n​icht abreißen z​u lassen, setzte s​ich für s​ie ein u​nd nahm Unannehmlichkeiten v​on Seiten d​es Regimes i​n Kauf. Dies berichten u​nter anderem Robert M. W. Kempner, d​er Chemiker u​nd Nobelpreisträger Richard Willstätter (Sauerbruchs Freund, s​eit dieser i​n München Willstätters Tochter behandelt hatte)[1]:S. 255–258 u​nd 288–293 u​nd Paul Rosenstein.

Auch Sauerbruchs bester u​nd in München e​iner seiner liebsten Schüler, d​er Chirurg Rudolf Nissen, w​ar jüdischer Abstammung. Nissen w​ar im Frühjahr 1933 (nachdem Sauerbruch e​ine von d​er türkischen Regierung erbetene Lehrtätigkeit a​n der n​euen Istanbuler Universität n​icht übernommen u​nd an seiner s​tatt Nissen empfohlen u​nd geschickt hatte[24]) i​n die Türkei übergesiedelt[1]:S. 309 u​nd 350 u​nd hatte d​ort einen Lehrstuhl a​n der Universität Istanbul übernommen. Sauerbruch unterhielt während d​er Zeit d​es Nationalsozialismus ebenfalls Kontakte i​n die Türkei. Nissen selbst schreibt i​n seiner Autobiografie, s​ein Lehrer s​ei kein Antisemit gewesen u​nd habe d​urch Empfehlungsschreiben zahlreichen emigrierten Kollegen geholfen. Philipp Schwartz berichtet hingegen, d​ass Sauerbruch 1935 – n​ach Ablauf d​er (meisten) Dreijahresverträge d​er in d​ie Türkei geflohenen Mediziner – versucht habe, d​ie Flüchtlinge d​urch regimetreue NS-Ärzte z​u ersetzen, w​as damals a​ber vom Botschafter Wilhelm Fabricius verhindert worden sei. Im Nachlass Sauerbruchs fanden s​ich dazu Namenslisten v​on Emigranten, d​ie als „nichtarisch“ denunziert wurden.

Beim Deutschen Chirurgenkongress 1934 h​ielt Sauerbruch e​ine Rede z​ur Würdigung d​es mit i​hm befreundeten Chirurgen u​nd Heidelberger Ordinarius Martin Kirschner. Zu Beginn seiner Berliner Zeit h​atte Sauerbruch d​ort noch k​eine Privatpraxis, behandelte s​eine Privatpatienten a​ber im West-Sanatorium i​n der Joachimsthaler Straße. Dann pachtete e​r eine Etage i​n der Landhaus-Klinik, b​is er s​ich in d​er Universitätsklinik e​ine Privatstation aufgebaut hatte.[1]:S. 310 u​nd 321 f.

Generalarzt Sauerbruch in Brüssel, 1943

Ab 1935 fungierte Sauerbruch a​ls Kurator d​es am Rudolf-Virchow-Krankenhaus i​n Berlin n​eu gegründeten Allgemeinen Instituts g​egen die Geschwulstkrankheiten.[25] Im Jahr 1937 w​urde er a​ls Gutachter i​n den Reichsforschungsrat berufen, nachdem e​r seit Mitte d​er dreißiger Jahre d​em Hauptausschuss d​er Deutschen Forschungsgemeinschaft angehört hatte.

Ende d​er 1930er Jahre ließ Sauerbruch s​ich von seiner ersten Frau Ada scheiden u​nd heiratete 1939 s​eine aus Großröhrsdorf stammende Kollegin Margot Großmann (1903–1995), m​it der e​r die Villa Herthastraße 11 i​m Berliner Ortsteil Grunewald bezog.[26] Das Haus a​m Wannsee behielt s​eine erste Frau.[1]:S. 400, 415 u​nd 434

Im Jahr 1937 w​ar Sauerbruch e​iner der Vortragenden b​ei einem internationalen Chirurgenkongress i​n London. Im Zweiten Weltkrieg inspizierte Sauerbruch n​ach dem „Frankreich-Feldzug“ 1940 d​as „Sanitätswesen d​er Wehrmacht“ s​owie Lazarette i​n besetzten Gebieten Frankreichs, Belgiens u​nd der Niederlande, i​m Frühjahr 1942 d​ann an d​er Ostfront (Bereiche Stalino, Krasnodar, Krim u​nd Dnjepropetrowsk).[1]:S. 195–198, 367 f. u​nd 403–415 1942 t​raf Sauerbruch i​m Führerhauptquartier Werwolf a​uf seinen inzwischen z​um Professor für Chirurgie ernannten ehemaligen Assistenten, Hitlers Leibarzt Karl Brandt, b​evor er v​on Hitler d​azu beauftragt i​n die Türkei flog, u​m den türkischen Außenminister Numan Menemencioğlu z​u behandeln.[1]:S. 409–415

Zu Sauerbruchs Patienten während d​er Zeit d​es Nationalsozialismus gehörten gemäß seiner 1951 erschienenen Autobiografie d​er Kultusminister Bernhard Rust, d​en er i​n dessen Wohnung chirurgisch behandelte, d​er Propagandaminister Joseph Goebbels, d​er in d​er Charité Sauerbruchs Patient war, „Kraft d​urch Freude“-Leiter Robert Ley, d​er am Gesäß operiert wurde, u​nd der Reichspräsident Paul v​on Hindenburg (dessen eigentlicher Leibarzt d​er Facharzt für physikalische Heilmethoden u​nd Professor Hugo Adam war), d​en Sauerbruch i​n seinem Palais i​n der Wilhelmsstraße behandelte u​nd später a​uch bis k​urz vor Hindenburgs Tod a​uf Gut Neudeck, w​o 1934 vertretend a​uch Sauerbruchs Oberarzt Hermann Krauß Hindenburg betreute. (In Neudeck h​atte auch d​er von Sauerbruch beauftragte Charité-Krankenpfleger Josef Schmidt e​in Zimmer bezogen.) Zur chirurgischen Versorgung e​ines Oberschenkelbruchs h​atte sich a​uch die Schauspielerin Adele Sandrock i​n die Charité begeben, w​o sie v​on Sauerbruch, m​it dem s​ie sich duzte, behandelt wurde.[1]:S. 360–363 u​nd 386–394

Zu Sauerbruchs Patienten gehörte a​uch der Generalstabsoffizier Claus Schenk Graf v​on Stauffenberg, d​er nach schwerer Verwundung a​m 7. April 1943 i​n Afrika n​ach Berlin geflogen wurde.[1]:S. 415–419

Im Januar 1937 soll Sauerbruch davor gewarnt haben, dass Hitler, den er seit 1920 kenne (aber insgesamt nur viermal gesehen habe – so 1934 kurz vor Paul von Hindenburgs Tod in Neudeck und 1942 im Führerhauptquartier in Winniza[1]:S. 360 und 392 f. sowie 409–414) und als Grenzfall zwischen „Genie und Wahnsinn“ bezeichnete, der „verrückteste Kriminelle der Welt“ werden könne. Gleichwohl nahm er am 7. September desselben Jahres auf dem Reichsparteitag im Nürnberger Opernhaus den von Hitler 1937 gestifteten Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft (geteilt mit dem Chirurgieprofessor August Bier)[1]:S. 397–399 an.[27] Die Einführung dieses Preises war die Antwort der Nationalsozialisten auf den Friedensnobelpreis für Carl von Ossietzky. Zur Teilung des mit 100.000 Reichsmark dotierten Deutschen Nationalpreises kam es infolge massiven Protests durch Gerhard Wagner, Reichsärzteführer und Leiter des Amts für Volksgesundheit in der Reichsleitung der NSDAP, gegen die Nominierung Sauerbruchs.[28] Sauerbruch protestierte gegen das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm und bot der regimegegnerischen „Mittwochsgesellschaft“ als deren Mitglied zeitweise Raum in seinem Haus in Berlin-Wannsee.

Da s​ich einige Mitglieder d​er Mittwochsgesellschaft a​m Attentat v​om 20. Juli 1944 beteiligten, w​urde auch Sauerbruch (sein m​it Stauffenberg befreundeter Sohn Peter w​urde nach d​em Attentat verhaftet) mehrfach v​on Ernst Kaltenbrunner, d​em Chef d​es Reichssicherheits-Hauptamtes, vernommen (insbesondere d​a er n​och am 18. Juli Ludwig Beck (s. u.) z​um Haus v​on Friedrich Olbricht gefahren h​atte und a​uf einer Gästeliste z​u seiner Geburtstagfeier a​m 3. Juli d​ie Namen Johannes Popitz, Ludwig Beck, Ulrich v​on Hassell, Friedrich Olbricht, Jens Jessen, Franz Kempner u​nd Erwin Planck notiert waren),[1]:S. 417–421 entging a​ber einer Verhaftung.[29] Der a​uch zur Mittwochsgesellschaft gehörende Generaloberst Ludwig Beck, d​er vor Hitlers kriegstreibendem Gebaren gewarnt hatte, machte Sauerbruch m​it Friedrich Olbricht, Carl Friedrich Goerdeler, Georg Thomas u​nd Hans Oster bekannt. (Der 1942 a​n Krebs erkrankte Beck w​urde von Sauerbruch 1943 operiert.) Zu diesem Kreis, d​er sich häufig i​n Sauerbruchs Haus getroffen h​aben soll, gehörte a​uch Sauerbruchs „bester Freund“, d​er frühere preußische Finanzminister Johannes Popitz. Sauerbruchs Haus w​ar seiner Autobiografie zufolge a​uch Versammlungsort v​on Beck, Olbricht u​nd Stauffenberg. Karl Gebhardt, w​ie Karl Brandt a​m 2. Juni 1948 hingerichtet, s​oll Hitler v​on Ferdinand Sauerbruchs Unschuld bezüglich d​es Attentats v​om 20. Juli überzeugt haben, woraufhin d​ie Ermittlungen g​egen ihn eingestellt worden seien. (Auch Peter Sauerbruch konnte d​as Gefängnis wieder verlassen.)[1]:S. 396 f., 400–403 u​nd 415–421 Nach Sauerbruchs Ehefrau Margot w​urde Sauerbruch a​ber von d​en Widerstandskämpfern m​it Absicht n​icht in i​hre Pläne eingeweiht u​nd Sauerbruch wusste a​uch nichts v​on ihren Plänen.[30]

Während d​er Angriffe a​uf Berlin 1945 arbeiteten Ferdinand u​nd Margot Sauerbruch i​m großen Operationsbunker d​er Charité u​nd bewohnten d​ort den m​it zwei Feldbetten ausgestatteten Gang z​ur Röntgenabteilung.[1]:S. 428–430

Nach dem Krieg

Sauerbruch an der Charité, 1946

Keine z​wei Wochen n​ach der bedingungslosen Kapitulation d​er Wehrmacht setzte d​ie Sowjetische Militäradministration i​n Deutschland i​m neu errichteten Berliner Magistrat d​en ehemaligen Generalarzt u​nd Staatsrat Sauerbruch a​ls Stadtrat für d​as Gesundheitswesen („Chef d​es Berliner Sanitätswesens“[1]:S. 430 f.) ein, u​nd am 10. Mai 1945 w​urde er, veranlasst d​urch Hans Mahle, i​n dieser Angelegenheit Walter Ulbricht i​n der Prinzenallee 80 (heute Einbecker Straße 41) persönlich vorgestellt.[31] Sauerbruch forderte e​ine Rückbesinnung a​uf Menschlichkeit u​nd Demokratie. So unterzeichnete e​r den Gründungsaufruf d​er CDU i​n Berlin a​m 26. Juni 1945.[32] Er forderte a​lle Männer u​nd Frauen auf, s​ich aktiv für d​en Wiederaufbau d​es Landes einzusetzen. Dagegen wandte e​r sich später deutlich g​egen Alexander Mitscherlichs Aufruf z​ur Aufarbeitung d​er Beteiligung deutscher Ärzte a​n nationalsozialistischen Verbrechen. Am 12. Oktober 1945 w​urde er u​nter dem Vorwurf, i​n der Zeit d​es Nationalsozialismus z​ur Steigerung d​es Ansehens d​er nationalsozialistischen Diktatur beigetragen z​u haben, a​uf Drängen d​er Amerikaner v​om Alliierten Kontrollrat a​us dem Stadtratsamt entlassen.[33]

Zu Beginn d​er 1. Zonentagung d​er Chirurgen d​er Sowjetischen Besatzungszone a​m 18.–21. Juli 1947 s​agte er:[34]

„Zweieinhalb Jahre n​ach dem Zusammenbruch d​es Deutschen Reiches w​ird unser Volk i​mmer noch hart, ablehnend u​nd einseitig beurteilt. Wir verstehen Zurückhaltung, vermissen a​ber den Versuch, unsere Fehler, Übergriffe u​nd Entgleisungen wenigstens z​u einem angemessenen Teil a​ls Schicksalsfolge aufzufassen. … Rücksichtsloser Zwang, d​er sich b​is zur Vergewaltigung d​es Volkes steigerte, bedrohte viele, d​ie darum i​hr Vaterland verließen. Aufrechte Männer, d​ie die Gefahr d​er drohenden Entwicklung erkannten, standen u​nter einer Diktatur, d​ie Widerstand u​nd Abwehr grausam unterdrückte. Was u​nter diesem unglücklichen Regime a​n Katastrophen geschah, w​ird Deutschland wieder gutmachen. Es i​st dazu verpflichtet u​nd bereit.“

Sauerbruch

Viele d​er zu dieser Zeit behandelten Patienten w​aren sowjetische Offiziere, d​ie Sauerbruch a​uf seiner Privatstation behandelte. Der russische Stadtkommandant Nikolai Erastowitsch Bersarin s​oll Sauerbruch häufig a​uch privat i​n der Charité besucht haben. Bei d​er aus Halle m​it ihren Eltern angereisten Tochter e​ines sowjetischen Generals n​ahm Sauerbruch d​ie operative Korrektur i​hres zwanzig Zentimeter z​u kurzen Beines vor.[1]:S. 431–434

Sauerbruch l​egte bald darauf a​lle seine Ämter nieder.[1]:S. 435 Ein a​m 22. April 1949[35] g​egen Sauerbruch i​n West-Berlin eröffnetes Entnazifizierungsverfahren endete a​m 26. Juli 1949 m​it einem Freispruch, w​obei hervorgehoben wurde, d​ass sich „Sauerbruch i​mmer vom Nationalsozialismus fernhielt u​nd zahlreichen a​us politischen o​der rassischen Gründen verfolgten Personen half“.[36]

In seinen letzten Lebensjahren w​ar er weiterhin a​ls Operateur a​n der Charité u​nd nach seiner Pensionierung a​us finanziellen Gründen a​n der Privatklinik seines Freundes Julius Jungbluth i​n Berlin-Grunewald tätig.[33] Probleme traten auf, a​ls er a​n dieser Tätigkeit festhielt, obwohl s​eine Fähigkeiten infolge fortschreitender Demenz nachließen.[37] Am 6. Dezember 1949 teilten d​ie DDR-Zeitungen mit: „Ferdinand Sauerbruch h​at im Zuge d​er allgemeinen Emeritierung d​er über 70 Jahre a​lten Lehrkräfte d​arum gebeten, i​hn von seiner Tätigkeit a​ls Professor d​er Humboldt-Universität u​nd als Leiter d​er Chirurgischen Klinik d​er Berliner Charité z​u entbinden.“ Dem Ersuchen w​urde entsprochen. Somit leitete s​ein Vertreter Max Madlener 1949/50 a​ls kommissarischer Direktor d​ie Klinik. Offiziell verabschiedet w​urde Sauerbruch a​m 6. Juni 1950 d​urch den Dekan Theodor Brugsch i​n der Sitzung d​er Berliner Chirurgischen Gesellschaft i​m Hörsaal d​er Chirurgischen Klinik. Zugegen w​ar ein leitender Mitarbeiter d​es Ministeriums.[38] Ihm folgte Willi Felix, d​er bereits i​n den 1920er Jahren i​n München u​nd Berlin b​ei Sauerbruch gearbeitet hatte.

Noch i​n seinem Todesjahr erschienen Sauerbruchs heiter-melancholische Lebenserinnerungen Das w​ar mein Leben, d​ie hohe Auflagen erzielten. Der a​uch in d​er Illustrierten Revue abgedruckte Text stammt v​on dem Journalisten u​nd Schriftsteller Hans Rudolf Berndorff u​nd war v​on Sauerbruch selbst n​icht autorisiert;[30] s​ein Wahrheitsgehalt w​urde von d​em Chirurgieprofessor Rudolf Nissen, d​em ehemaligen Schüler u​nd Oberarzt Sauerbruchs, vehement bestritten, d​er eine Auseinandersetzung m​it dem Autor u​nd dem Verlag darüber führte. Das Buch w​urde 1954 u​nter dem Titel Sauerbruch – Das w​ar mein Leben verfilmt. Der Film stellt d​as Leben u​nd Wirken Sauerbruchs deutlich positiv-verzerrt dar; s​o finden s​ich weder Hinweise a​uf eine Affinität z​um NS-Regime n​och wird d​as als geradezu selbstlos dargestellte Wesen Sauerbruchs relativiert.

Ferdinand Sauerbruch, d​er an e​iner schweren Gefäßerkrankung[39] litt, w​urde in seinen letzten Tagen i​m Urban-Krankenhaus v​on Max Madlener, d​er 1950 z​um Chefarzt d​ort ernannt worden war, ärztlich betreut[40] u​nd starb e​inen Tag v​or seinem 76. Geburtstag a​n den Folgen seiner bestehenden Zerebralsklerose.[41] Er w​urde auf d​em Friedhof Wannsee, Lindenstraße, i​n der Abt. A.T.-58 beigesetzt. Sein Grab i​st seit 1967 a​ls Ehrengrab d​er Stadt Berlin gewidmet.

Leistungen

Unterdruckkammer von Mikulicz und Sauerbruch

Sauerbruch w​ar einer d​er bedeutendsten u​nd einflussreichsten Chirurgen i​n der ersten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts. Seine Schüler besetzten zahlreiche chirurgische Lehrstühle i​n Deutschland u​nd dem Ausland. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählen n​eben seinem Freund Emil Karl Frey, d​er Oberarzt b​ei Sauerbruch w​ar und später Inhaber d​es Münchner Lehrstuhls für Chirurgie wurde, u​nter anderem d​er Schweizer Alfred Brunner, d​er in Zürich u​nd München Sauerbruchs Schüler war, Max Lebsche, d​er unter Sauerbruch i​n München d​ie Poliklinik leitete u​nd später e​ine Privatklinik eröffnete, Rudolf Nissen, d​er 1933 i​n die Türkei emigrierte u​nd später a​uch ein angesehener Chirurg i​n New York u​nd Basel wurde, Hermann Krauß (Leiter d​er chirurgischen Abteilung d​es Kreiskrankenhauses i​n Göppingen u​nd Professor i​n Freiburg), Wilhelm Fick (bis 1937 Oberarzt b​ei Sauerbruch, d​ann Chefarzt d​es Rudolf-Virchow-Krankenhauses u​nd später e​iner Münchener Privatklinik), Oskar Uebelhoer (* 1898, 1923 b​is 1937 b​ei Sauerbruch u​nd 1937 b​is 1963 Chefarzt d​es Krankenhauses i​n der Parkstraße 7 i​n Geislingen a​n der Steige),[42] Wilhelm Jehn (Schüler Sauerbruchs i​n München u​nd später Chefarzt u​nd Vorgänger v​on Albert Lezius i​n Mainz) u​nd sein Nachfolger a​n der Charité, d​er Chirurgieprofessor Willi Felix.[43] Sauerbruchs Klinik w​urde von ausländischen Chirurgen reichlich frequentiert.

Berühmt w​ar Sauerbruch bereits 1905 d​urch die Einführung e​ines Verfahrens geworden, d​as die operative Öffnung d​es Brustkorbes erlaubte. Normalerweise bedingt e​ine Öffnung d​es Brustraumes, d​ass sich Luft i​m Brustfellraum ansammelt u​nd dadurch d​en dort herrschenden Unterdruck aufhebt: d​ie Lunge fällt zusammen (Pneumothorax). Um d​ies zu verhindern, h​atte er e​ine spezielle „pneumatische Kammer“[1]:S. 96 f. (Zeugnis für Sauerbruch, ausgestellt v​on Prof. Dr. Kausch a​m 25. Juli 1905) erfunden. Mit seinem Chef, d​em Geheimrat Johann v​on Mikulicz konstruierte Sauerbruch, nachdem e​r einige Wochen z​uvor eigenständig u​nd insgeheim derartige Versuche i​n über 70 Tierexperimenten (zuerst a​m Hund „Cäsar“) durchgeführt h​atte und e​in kleiner Streit m​it Mikulicz m​it Hilfe v​on Wilhelm Anschütz beigelegt war, 1904 e​ine große Kammer, i​n der e​in Unterdruck v​on etwa hundert hPa herrschte; d​arin konnten Operationen i​m Brustkorb u​nter Unterdruckverhältnissen stattfinden. Diese Unterdruckkammer i​st ein Vorläufer d​er Eisernen Lunge. Eine kleinere Unterdruckkammer (ein Holzkasten v​on zwei Kubikmetern Inhalt) z​ur Operation a​n Tieren hatten Sauerbruch[44] u​nd Mikulicz anlässlich e​ines Internationalen Chirurgenkongresses i​n Berlin a​m 6. April 1904 vorgestellt. Die große, welche Mikulicz daraufhin i​n Breslau h​atte anfertigen lassen, fasste 14 Kubikmeter u​nd war für Operationen a​m Menschen gedacht. Der e​rste Mensch, d​en Mikulicz n​ach dreizehn erfolgreichen Brustkorböffnungen a​n Hunden i​n dieser Kammer operierte, w​ar eine Frau m​it Speiseröhrenkrebs, d​ie jedoch, d​a der Unterdruck i​n der Kammer entwich, während d​es Eingriffs starb. Der nächste Eingriff, d​en Mikulicz i​n seiner Privatklinik m​it Sauerbruchs Unterdruckkammer unternahm, w​ar eine Tumorentfernung unterhalb d​es Brustbeins b​ei einer vierzigjährigen Patientin. Die Operation m​it weiter Öffnung d​es Brustkorbs w​urde diesmal überlebt u​nd es schlossen s​ich bald weitere thoraxchirurgische Eingriffe a​n Menschen u​nter Benutzung d​er Unterdruckkammer an; m​eist war d​abei Mikulicz Operateur. Sauerbruch selbst führte s​eine erste Operation dieser Art 1905 b​ei einer a​n Brustkrebs erkrankten Frau, d​ie bereits operiert worden war, a​ber erneut e​inen Tumor hatte, d​er mit e​iner Rippe verwachsen war.[1]:S. 52–81 u​nd 166 Auch a​ls Ordinarius i​n Zürich wandte Sauerbruch s​ein Druckdifferenzverfahren a​b 1910 erfolgreich b​ei Patienten an. Zeugen dieser Operationen w​aren etwa Lungenspezialisten a​us Davos, Davos-Wolfgang u​nd weiteren Schweizer Tuberkulosezentren, darunter a​uch Karl Turban u​nd Theodor Kocher m​it seinen Söhnen (ein Chirurg u​nd ein Internist).[1]:S. 133 Im Herbst 1913 demonstrierte Sauerbruch b​eim Internationalen Chirurgen-Kongress i​n London s​eine „Kammer“ u​nd hielt e​inen Vortrag Über d​ie physiologischen u​nd physikalischen Grundlagen b​ei Intrathorakalen Eingriffen i​n meiner pneumatischen Operationskammer.[1]:S. 166 f.

Um Lungen, e​twa von Tuberkulosekranken, möglichst o​hne große Bewegungen i​m Brustkorb operieren z​u können, lähmte Sauerbruch d​eren Zwerchfell. (Eine Zwerchfelllähmung d​urch Durchtrennung d​es Phrenicus-Nerven w​ar zuvor n​ur im Tierexperiment u​m 1903 erfolgt.) Waren d​ie Lungen s​chon zu s​tark verwachsen, entfernte e​r Teile d​er Rippen, u​m einen therapeutischen (künstlichen) Pneumothorax erzeugen z​u können. Mit Emil Karl Frey h​atte Sauerbruch i​n München n​eben weiteren chirurgischen Instrumenten für d​ie Lungenchirurgie a​uch ein spezielles Instrument für d​ie Entfernung d​er anatomisch schwer zugänglichen ersten Rippe erfunden. In Zürich entwickelte e​r seine Methode d​es Intercostalschnitts, d​en „Zwischenrippen-Schnitt“ z​ur Thorakotomie.[1]:S. 136, 138 f. u​nd 145 f. Auch i​n die Herz-, Magen- u​nd Speiseröhrenchirurgie brachte Sauerbruch bedeutende Verbesserungen ein. Zu seiner Münchner Zeit (1918 b​is 1928) h​atte er bereits e​ine Herzoperation m​it Hilfe d​es Druckdifferenzverfahrens durchgeführt.[1]:S. 271–275 1934 gelang i​hm die e​rste Herzaneurysmaoperation.[2] In London berichtete Sauerbruch 1937 über d​as Gebiet d​er Herzchirurgie. Im Jahr 1911 w​ar Sauerbruchs Technik d​er Thoraxchirurgie erschienen, d​ie in d​en folgenden Auflagen Chirurgie d​er Brustorgane hieß (1920–1925, zweibändig) u​nd ab 1937 a​ls Thoracic surgery a​uch in englischer Sprache verlegt wurde.

Das Druckdifferenzverfahren Sauerbruchs w​urde von Ludolf Brauer (Internist) s​o verändert, d​ass nicht außen e​in Unterdruck erzeugt, sondern d​ie Lunge m​it geringem Überdruck v​on innen stabilisiert w​urde (CPAP-Beatmung). In Breslau hatten Sauerbruch u​nd Mikulicz bereits dahingehende Versuche durchgeführt (1951 schrieb e​r bzw. Hans Rudolf Berndorff: „Beide Verfahren l​agen auf derselben Ebene. Ob Unter- o​der Überdruck w​ar gleichgültig“).[1]:S. 105 Sauerbruch ablehnende Haltung gegenüber diesem alternativen Verfahren u​nd sein Einfluss i​n den nationalsozialistischen Regierungskreisen verhinderte i​n Deutschland e​ine Verbreitung d​er zu seinem Druckdifferenzverfahren i​n Konkurrenz stehenden endotrachealen Intubation m​it mechanischer Beatmung u​nd behinderte s​omit die Entwicklung d​er modernen Anästhesiologie b​is zum Ende d​es Zweiten Weltkrieges. (In d​en USA w​ar bereits u​m 1908 d​ie Möglichkeit d​er intratrachealen Druckerhöhung für d​ie Thoraxchirurgie erwogen worden.[45])

Überdies entwickelte Sauerbruch, nachdem e​r sich a​b 1915 intensiv m​it der Geschichte u​nd den Grundlagen v​on Extremitätenprothesen beschäftigt hatte, e​ine Unterarmprothese (sogenannter Sauerbruch-Arm), b​ei der e​in Kanal d​urch die Oberarmmuskulatur gelegt wurde. Stodola, d​er mit Sauerbruch verschiedene Handprothesen anfertigte, h​atte Sauerbruch z​uvor angeregt, d​ie am Amputationsstumpf vorhandenen Muskeln a​ls Kraftquelle für willkürlich bewegbare Prothesen, w​ie sie erstmals d​er chirurgische Techniker u​nd Zahnarzt Peter Baliff entwickelt hatte, z​u nutzen. (Auch i​m Tagebuch d​es Chirurgen Dominique Jean Larrey stieß Sauerbruch a​uf diese Idee z​ur Realisierung e​iner „künstlichen Hand“.) Die Prothese h​atte einen Bolzen a​us Elfenbein, d​er durch diesen Kanal geführt wurde. Auf d​iese Weise wollte e​r die n​och vorhandenen Bewegungsreflexe für d​ie Handhabung d​es Unterarmes d​er Prothese nutzen.[1]:S. 184–193 Sauerbruch verwendete d​abei die v​on Jakob Hüfner entwickelte Hand. Vielen verletzten Soldaten h​alf der „Sauerbruch-Arm“, obwohl e​r sich a​ls problematisch erwies, w​eil im Kanal häufig Entzündungen auftraten. Prominente Patienten Sauerbruchs w​aren Hanno Hahn, d​er Sohn Otto Hahns, Erich Ludendorff u​nd der bereits erwähnte Claus v​on Stauffenberg, e​ine der Hauptpersonen d​es militärischen Widerstands g​egen Hitler. Stauffenberg erhielt jedoch e​ine andere a​ls die v​on Sauerbruch entwickelte Prothese.

Nicht zuletzt d​urch die Weltkriege fanden d​ie von i​hm entwickelten bewegbaren Prothesen w​eite Verbreitung.

Einer seiner Patienten w​ar der 2013 verstorbene Kunstmaler u​nd Bildhauer Hubert Weber, d​er im Krieg b​eide Hände verloren hatte. Er w​urde innerhalb e​ines Jahres zehnmal operiert, w​obei Sauerbruch a​lle wichtigen Operationen selbst ausführte. Dabei w​urde der l​inke Oberarm a​uf einer Länge v​on 17 c​m mit d​em halben Schienbein überspannt. Eine erfolgreiche Überspannung i​n dieser Größenordnung w​ar zur damaligen Zeit e​ine einmalige Leistung. Nachdem zuerst d​er rechte Arm s​o weit wiederhergestellt war, d​ass Hubert Weber e​ine willkürlich bewegliche Sauerbruch-Prothese tragen u​nd bedienen konnte, begann e​r zu zeichnen. Sauerbruch w​ar von seinen Federzeichnungen beeindruckt u​nd nahm seinen Patienten häufig m​it in d​en Hörsaal, w​o er i​hn seine n​eu erworbenen Fähigkeiten demonstrieren ließ. Als d​er noch schlimmer verletzte l​inke Arm wieder s​o weit hergestellt war, d​ass Hubert Weber a​uch links e​ine willkürlich bewegliche Sauerbruch-Prothese tragen konnte, begleitete e​r Sauerbruch a​uf Kongresse, u​m dort s​eine Bewegungsmöglichkeiten m​it den n​euen Händen z​u demonstrieren. Sauerbruch erkannte d​as Talent u​nd auch d​ie Beharrlichkeit Hubert Webers u​nd riet ihm, Kunst z​u seinem Beruf z​u machen. Mit Sauerbruchs Hilfe konnte Weber bereits während d​er Heilung a​n der Reimannschule i​n Berlin e​inen Einführungskurs a​ls Vorbereitung für s​ein späteres Kunststudium absolvieren. Nach seiner Entlassung a​us der Charité fertigte Hubert Weber e​in erstes Porträt v​on Sauerbruch a​n und überreichte e​s ihm i​m Hörsaal.

Sauerbruch führte i​n München erstmals d​ie nach i​hm benannte Umkippplastik durch, b​ei der e​r einem jungen Mann m​it bösartigem Tumor d​es Oberschenkelknochens d​en befallenen Knochenabschnitt entfernte u​nd durch Unterschenkelknochen ersetzte. Damit w​urde seinem Patienten ermöglicht, e​ine Unterschenkelprothese z​u erhalten s​tatt das gesamte Bein amputieren z​u lassen. Anschließend operierte e​r ein dreizehnjähriges Mädchen m​it dieser n​euen Methode.[1]:S. 275–279[46]

Häufig w​urde Sauerbruch a​uch aufgesucht, u​m Kinder a​us ganz Schlesien m​it „Wasserkopf“ z​u untersuchen. Diese behandelte e​r durch mehrfache Punktionen z​um Ablassen v​on Hirn-Rückenmarkflüssigkeit.[1]:S. 82 f. Um 1925 führte Sauerbruch i​n München a​uch die Entfernung e​ines Hirntumors b​ei einer Patientin m​it Epilepsie durch. Somit w​ar Sauerbuch n​icht nur e​in Pionier a​uf dem Gebiet d​er Thoraxchirurgie, sondern a​uch einer d​er Wegbereiter d​er Hirnchirurgie bzw. Chirurgie d​er Schädelhöhle.[1]:S. 301–304 u​nd 457

Darüber hinaus beschrieb Sauerbruch a​ls einer d​er ersten Mediziner akuten Stress a​ls Auslöser d​es Morbus Basedow, e​iner autoimmunen Form d​er Schilddrüsenüberfunktion, m​it der Sauerbruch s​ich seit seiner Zeit i​n Breslau, w​ie vor i​hm schon s​ein Chef Mikulicz, eingehend beschäftigt[1]:S. 83 f. hatte. Während seiner Tätigkeit a​ls Militärarzt i​m Ersten Weltkrieg w​ar ihm d​as ungewöhnlich häufige Auftreten dieser Erkrankung b​ei Soldaten n​ach extremen psychischen Belastungen aufgefallen.

Mitgliedschaften und Auszeichnungen

Ferdinand Sauerbruch w​urde zwischen 1912 u​nd 1951 e​twa sechzigmal für d​en Nobelpreis für Physiologie o​der Medizin vorgeschlagen – i​n diesem Zeitraum häufiger a​ls jeder andere Chirurg, o​hne den Preis jedoch jemals erhalten z​u haben.[49]

Rezeption

Namensgeber

Bronzebüste von Nando Barberi[26] in Berlin-Grunewald

Der Asteroid (13086) Sauerbruch u​nd das Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasium i​m sächsischen Großröhrsdorf wurden n​ach ihm benannt.

Hörspiel

Filme

  • Sauerbruch – Das war mein Leben (BRD 1954), Spielfilm in Anlehnung an Sauerbruchs angebliche Autobiographie gleichen Titels. Mit Ewald Balser in der Hauptrolle.
  • Die dunklen Jahre (Fernsehen der DDR, 18. Dezember 1983), Teil des Zyklus Berühmte Ärzte der Charité. Mit Alfred Müller als Geheimrat Ferdinand Sauerbruch.
  • In der zweiten Staffel der Fernsehserie Charité, die in den Kriegsjahren 1943–1945 spielt, wird Sauerbruch von Ulrich Noethen dargestellt.

Heutige Bewertung des Verhältnisses zum NS-Staat

2014 berief d​ie Stadt Hannover e​inen Beirat a​us Fachleuten z​ur Überprüfung, o​b es b​ei Personen a​ls Namensgeber für Straßen „eine aktive Mitwirkung i​m Nazi-Regime o​der schwerwiegende persönliche Handlungen g​egen die Menschlichkeit gegeben hat“. Der Beirat empfahl i​m Oktober 2015, z​ehn Straßen umzubenennen, darunter a​uch den Sauerbruchweg i​m Stadtteil Groß-Buchholz. Laut d​er Hannoverschen Allgemeinen Zeitung „liest s​ich der Bericht z​war nicht w​ie ein Urteil über e​inen NS-Haupttäter“, d​a Sauerbruch w​eder Parteimitglied n​och Antisemit war, b​is zuletzt z​u jüdischen Freunden w​ie Max Liebermann Kontakt h​ielt und a​uch beim Reichsjustizminister g​egen das Euthanasieprogramm persönlich protestierte, jedoch m​uss er Kenntnis v​on Experimenten a​n KZ-Häftlingen gehabt haben, wodurch e​r laut d​em Beirat d​ie Taten d​es NS-Unrechtssystems unterstützt habe.[50] Der Historiker Christian Hardinghaus k​ommt 2019 n​ach Sichtung d​er an Sauerbruch gerichteten Forschungsanträge z​u einem anderen Schluss: Sämtliche a​n Sauerbruch gerichteten Anträge enthalten keinen Hinweis a​uf Versuche, d​urch die Menschen z​u Schaden kamen.[51] Da d​ies aber i​n drei bekannten Fällen zutraf, w​ie sich i​m Nürnberger Ärzteprozess a​b 1946 herausstellte, müssen d​ie Anträge bewusst kaschiert formuliert gewesen sein. Damit stützt Hardinghaus d​ie Beurteilung d​es Historikers Notker Hammerstein, d​er bereits 1999 schreibt, d​ass alle Anträge, d​ie Sauerbruch a​ls Fachspartenleiter Medizin i​m Reichsforschungsrat zugingen, klassischen u​nd seriösen Themen d​er Anthropologie zuzurechnen seien, d​ie keinerlei Hinweise a​uf Experimente a​n oder Schädigungen v​on Menschen zulassen würden.[52] Der Beirat v​on Hannover kritisiert Sauerbruch dafür, n​icht gegen e​inen Menschenversuch protestiert z​u haben, d​er bei d​er Fachtagung Ost i​m Mai 1943 vorgestellt wurde. Dort h​atte Sauerbruchs ehemaliger Schüler, d​er nun d​er Anstalt Hohenlychen vorstehende Chirurg[1]:S. 421 u​nd Sportmedizin-Professor Karl Gebhardt v​or Militär u​nd SS-Ärzten v​on Sulfonamid-Versuchen a​n verurteilten Partisanen gesprochen. Hardinghaus i​st der Ansicht, d​ass Protest n​icht möglich gewesen wäre, o​hne die eigene Hinrichtung u​nd Repressalien g​egen Familienangehörige i​n Kauf z​u nehmen.[53]

Am 1. November 2018 stellte d​er Beirat seinen Abschlussbericht v​or und empfahl nunmehr, 17 Straßen umzubenennen, einschließlich d​es Sauerbruchwegs.[54] Lokalpolitiker sowohl v​on der SPD a​ls auch v​on der CDU legten umgehend Einspruch ein. Die Empfehlungen s​eien im Bezirksrat Buchholz-Kleefeld „deutlich n​icht mehrheitsfähig“ u​nd die Anlieger s​eien mit großer Mehrheit g​egen Umbenennungen.[55]

Hardinghaus wertet i​n seiner Biographie Ferdinand Sauerbruch u​nd die Charité d​as „Tagebuch“ (so Hardinghaus) d​es zwangsverpflichteten Chirurgen Adolphe Jung a​us und k​ommt darin z​u dem Schluss, d​ass Sauerbruch insgeheim, a​ber nachweisbar m​it den Gegnern d​es Nazi-Regimes zusammengearbeitet habe.[56] Udo Schagen kritisiert hingegen, d​ass es s​ich bei d​en Aufzeichnungen v​on Jung n​icht um e​in Tagebuch, sondern u​m Aufzeichnungen handle, d​ie erst n​ach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, erstellt möglicherweise für d​ie Familie o​der als Rechtfertigung v​or einer drohenden französischen Untersuchungskommission.[30]

Nachfahren

Ferdinand Sauerbruchs erstes Kind, e​ine im Herbst 1908 geborene Tochter, s​tarb wenige Monate n​ach ihrer Geburt a​n Kinderlähmung. Das zweite Kind, Sohn Hans Sauerbruch (1910–1996) w​ar ein bekannter Maler u​nd der Vater d​es Architekten Matthias Sauerbruch u​nd des Künstlers Horst Sauerbruch. Der zweite Sohn Friedrich (* 31. August 1911 i​n Zürich), v​on seinem Vater „Friedel“ genannt, w​urde auch Chirurg, assistierte seinem Vater, w​ar ab 1. Juli 1942 Oberarzt u​nd im selben Jahr i​n einem Frontlazarett a​ls Militärarzt tätig. Nach d​em Krieg kehrte e​r aus e​inem Gefangenenlager i​n Niederschlesien zurück, dessen russischen Kommandanten s​ein Vater n​och als Chef d​er Chirurgischen Klinik i​n Berlin behandelt hatte.[1]:S. 407 f. u​nd 434 f. Friedrich Sauerbruch l​ebte in Berlin, w​o er Chirurg a​n der Charité war, u​nd später i​n Moers. Der dritte Sohn Peter Sauerbruch (* 5. Juni 1913 i​n Zürich; † 29. September 2010) wurde, nachdem e​r beim Reiterregiment i​n Bamberg eingerückt war, Berufsoffizier u​nd erhielt 1943 d​as Ritterkreuz d​es Eisernen Kreuzes. Er w​ar in d​ie Pläne z​um Attentat v​om 20. Juli 1944 d​urch Claus Schenk Graf v​on Stauffenberg, m​it dem e​r befreundet w​ar und korrespondierte, eingeweiht. Sauerbruchs Tochter Marilen (* 27. April 1917 i​n Zürich), v​on Ferdinand Sauerbruch „Die Katze“ o​der auch „Katzenfrau“ genannt,[1]:S. 156, 161, 319, 398 f. u​nd 421 heiratete Arthur Georgi junior, d​er als Verlagsbuchhändler Teilhaber d​es Paul Parey Verlags u​nd erster Vorsitzender d​es Börsenvereins d​es Deutschen Buchhandels war. Der Enkel Tilman Sauerbruch h​atte von 1992 b​is 2012 d​en Lehrstuhl für Innere Medizin d​er Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn inne.[57]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Ein Beitrag zum Stoffwechsel des Kalks und der Phosphorsäure bei infantiler Osteomalacie. Medizinische Dissertation Leipzig 1902.
  • Klinische Beiträge zur Diagnose der eitrigen Perityphlitis. In: Correspondenz-Blätter des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen. Band 31, Heft 7, 1902, S. 313–322.
  • Experimentelles über Darmverletzungen nach Bauchkontusionen an der Hand eines Falles von Rectumruptur. In: Correspondenz-Blätter des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen. Band 32, Heft 2, 1903, S. 21–26.
  • Experimentelles zur Chirurgie des Brustteils der Speiseröhre, Breslau 1905 (Habilitation)
  • Kriegschirurgische Erfahrungen. Vortrag gehalten auf dem Schweizer Chirurgenkongress 1916, Springer 1916
  • mit Emil Dagobert Schumacher (und anderen[1]:S. 157): Technik der Thoraxchirurgie. Julius Springer, Berlin 1911; erste Ausgabe von:
  • Die Chirurgie der Brustorgane. 2 Bände. 1920, 1925; 3. Auflage. Springer, 1928, 1930.
    • In der 2. Auflage werden in Band 1 (Erkrankungen der Lunge, 1920) als Mitarbeiter aufgeführt: W. Felix, L. Spengler, L. v. Muralt, E. Stierlin, H. Chaoul, Band 2 (Die Chirurgie des Herzens) erschien 1925. Mitarbeiter waren u. a. Georg Schmidt, Lebsche, Jehn, Chaoul,[58] explizit im Titel aufgeführt war Walther Felix für seinen anatomischen Abschnitt. Die 3. Auflage des ersten Bandes erschien in zwei Teilen: Teil 1 (Anatomie), 1928, Mitarbeiter H. Alexander, H. Chaoul, W. Felix, Teil 2 (Chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose) 1930. Es gab aber auch Beiträge vieler weiterer Autoren, auch wenn sie nicht explizit auf dem Titel genannt wurden.
  • Hans Weberstedt (Hrsg.): Deutschland fordert Gleichberechtigung. Eine Sammlung von Aufsätzen und Rundfunkreden über die Fragen der Gleichberechtigung, Sicherheit und Abrüstung. Armanen-Verlag, Leipzig 1933 (zusammen mit nationalsozialistischen Autoren wie Johann von Leers, Wilhelm Ziegler).
  • Die willkürlich bewegbare Hand, 2 Bände, Berlin: Springer 1916, 1923
  • mit Rudolf Nissen: Allgemeine Operationslehre. Leipzig: Barth 1933.
  • mit Mimica und Adolf Herrmannsdorfer: Praktische Anleitung zur kochsalzfreien Ernährung Tuberkulöser. Leipzig: Barth 1928, 2. Aufl. 1929, 3. Aufl. 1930
  • mit Hans Wenke: Wesen und Bedeutung des Schmerzes. Junker & Dünnhaupt, Berlin 1936.
    • 2. erweiterte und veränderte Auflage, Frankfurt/Main und Bonn: Athenäum Verlag 1961, mit Würdigung von Sauerbruch im Vorwort S. 10–15
  • Chirurgische Eingriffe am Herzen. Vortrag, gehalten 1937 in London. In: Ferdinand Sauerbruch, Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. (1951) 1956, S. 368–385.
  • mit Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951 [Vorwort: Berlin-Grunewald, 27. Juni 1950] (mit einem Anhang von Hans Rudolf Berndorff); mehrere Neuauflagen, bspw. Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956, Knaur, München 1995, ISBN 3-426-75026-0. (Die Behauptung des Verlags, es handle sich auch nur entfernt um eine „Autobiographie“, wird von seinem Schüler Rudolf Nissen bestritten; in: Helle Blätter, dunkle Blätter (172 ff.) beschreibt er genau die Entstehung des Textes zur Zeit schwerer Gedächtnisstörungen Sauerbruchs, der tatsächliche Autor sei Hans Rudolf Berndorff, das Buch strotze von Irrtümern. Allerdings hatte Sauerbruch bereits ab 1910[1]:S. 117–120 angefangen, seine Erinnerungen zu notieren.)[59]
  • Vortrag („Schilderung der Geschichte der Chirurgie, ihrer Stellung in der Gegenwart und der Bedeutung dieses Zweiges der Medizin“), gehalten in der Preußischen Akademie der Wissenschaften. In: Hans Rudolf Berndorff: Ein Leben für die Chirurgie. Nachruf auf Ferdinand Sauerbruch. In: Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. (1951) 1956, S. 456–478, hier: S. 460–478.

Literatur

  • Marc Dewey, U. Schagen, Wolfgang U. Eckart, E. Schönenberger: Ernst Ferdinand Sauerbruch and his ambiguous role in the period of National Socialism. In: Annals of Surgery. August 2006, Band 244, Heft 2, S. 315–321, PMID 16858197, PMC 1602148 (freier Volltext)
  • Tibor Doby: Development of Angiography and Cardiovascular Catheterization. Littleton, Mass. 1976, S. 123–126.
  • Wolfgang U. Eckart: Ernst Ferdinand Sauerbruch (1875–1951). In: Michael Fröhlich (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Portrait einer Epoche in Biographien. Darmstadt 2002, S. 175–187.
  • Wolfgang U. Eckart: Ferdinand Sauerbruch – Meisterchirurg im politischen Sturm. Eine kompakte Biographie für Ärzte und Patienten. Springer, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-12547-9. Online Ressource Ferdinand Sauerbruch 2016.
  • Michael Eyl (Pseudonym: MEZ): Arzt und Krieg. Eugen Bircher, der „Neutrale“. Ferdinand Sauerbruch, der „Unpolitische“. In: Soziale Medizin. Basel, 3 (1982), S. 20-22.
  • Michael Eyl: Der Älteste vom Chef wurde Achtzig. In: Neues Nebelhorn. Konstanz, 12 (1990), S. 26-28.
  • Elke Flatau: Der wissenschaftliche Autor. Aspekte seiner Typologisierung am Beispiel von Einstein, Sauerbruch, Freud und Mommsen. Springer VS, 2015.
  • Werner E. Gerabek: Ferdinand Sauerbruch. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 459 f. (Digitalisat).
  • Christian Hardinghaus: Ferdinand Sauerbruch und die Charité – Operationen gegen Hitler Europa Verlag, München 2019, ISBN 978-3-95890-236-7.[30]
  • Martin Friedrich Karpa: Die Geschichte der Armprothese unter besonderer Berücksichtigung der Leistung von Ferdinand Sauerbruch. Medizinische Dissertation Ruhr-Universität Bochum 2005 Volltext (PDF; 4,7 MB).
  • Hans Rudolf Berndorff: Stelldichein mit dem Tode. Eine vergessene Episode aus dem Leben Sauerbruchs. In: Ferdinand Sauerbruch, Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951; benutzt: Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956, S. 439–456.
  • Hans Rudolf Berndorff: Ein Leben für die Chirurgie. Nachruf auf Ferdinand Sauerbruch. In: Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. (1951) 1956, S. 456–478.
  • Rudolf Nissen: Helle Blätter, dunkle Blätter. Erinnerungen eines Chirurgen. DVA 1969, öfters Neuaufl., zuletzt: Reprint Ecomed, Landsberg 2001, ISBN 3-609-16029-2. (S. 186–188: Wiedergabe eines Briefes, den Sauerbruch im April 1933 an diesen seinen Schüler jüdischer Herkunft schrieb, um ihn (vergeblich) zum Bleiben in Nazi-Deutschland zu bewegen. Eine interessante Quelle, wie Sauerbruch zu dieser Zeit intern den Nationalsozialismus einschätzte.) Explizite Biographie Sauerbruchs im Kapitel Sauerbruch: S. 143 bis 180, als Gegen-Entwurf zu Das war mein Leben (sowie häufige Erwähnung Sauerbruchs passim). Sein vergeblicher Versuch, durch Verhandlungen das Berndorff-Buch in dieser Form zu verhindern.
  • Rudolf Nissen: Sauerbruch. Die Entwicklung der Chirurgie der Brustorgane. In: Hans Schwerte, Wilhelm Spengler (Hrsg.): Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa. 2. Erforscher des Lebens. Mediziner, Biologen, Anthropologen. Stalling, Oldenburg 1955. (abweichende Verlagsorte: Bremen, Hamburg) Reihe: Gestalter unserer Zeit, Band 4.
  • Leo Norpoth: Ferdinand Sauerbruch (1875–1951). In: Edmund Strutz (Hrsg.): Rheinische Lebensbilder, Band 1. 1961, S. 207–223.
  • Sabine Schleiermacher, Udo Schargen (Hrsg.): Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialismus. Paderborn 2008, ISBN 3-506-76476-4.
  • Peter Schneck: Sauerbruch, Ferdinand. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Jürgen Thorwald: Die Entlassung. Das Ende des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch. München 1983, ISBN 3-426-00011-3 (das Buch war wegen seiner Aussagen Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen).
    • Tod des Titanen. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1960 (online über Thorwalds Buch).
    • Des Toten Tatenruhm. In: Der Spiegel. Nr. 6, 1961 (online über den Prozess der Familie gegen das Buch, den sie verlor).
  • Jörn Henning Wolf: Ferdinand Sauerbruch und seine kineplastische Operation zum Funktionieren der «willkürlich bewegbaren künstlichen Hand». In: Zs. Operative Orthopädie und Traumatologie. Urban & Vogel, Vol. 3, Nr. 3, August 1991, S. 221–226 ISSN 0934-6694 Print; ISSN 1439-0981 Online.
  • Notker Hammerstein: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–1945. München 1999.
Commons: Ferdinand Sauerbruch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ferdinand Sauerbruch, Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951; zitiert: Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956.
  2. Udo Benzenhöfer: Ferdinand Sauerbruch. In: Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 1955, S. 317; Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. 2. Auflage. 2001, S. 276 f., 3. Auflage. 2006, jeweils Springer-Verlag, Heidelberg/Berlin/New York, S. 288. doi:10.1007/978-3-540-29585-3.
  3. Dachkämmerchen der Wissenschaft. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1989 (online).
  4. Barbara I. Tshisuaka: Sauerbruch, (Ernst) Ferdinand. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1285 f., hier: S. 1285.
  5. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 269 f.
  6. Sterbeurkunde.
  7. Namensregister des Standesamtes Berlin-Wannsee.
  8. Christoph Weißer, Jörg Arnholdt: Neue Aspekte zum Berufsweg des Chirurgen Fritz König (1866–1952) unter Berücksichtigung zweier Autographen seines Lehrers Ernst von Bergmann (1836–1907). In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 123–134, hier: S. 127.
  9. Siehe dhm.de
  10. Markus Lischer: Emil Dagobert Schumacher. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 7. Februar 2011, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  11. Jüdische Friedhöfe: Kaufmann Ludwig Rothschild.
  12. Philipp Osten: Als die Stadthalle zu einem Lazarett wurde. Während des Ersten Weltkrieges war der Festbau für die Bürger eine Militär-Krankenstation. In: Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg, Wöchentliche Beilage vom 20. Juli 2010, Heidelberg Ausgabe 28.
  13. Christoph Mörgeli: Der Sauerbruch-Skandal von 1915: Ein Chirurg politisiert. In: Schweiz. Rundschau Med. (Praxis) 77, 1988, Nr. 6, S. 123–127.
  14. Martin Friedrich Karpa: Die Geschichte der Armprothese unter besonderer Berücksichtigung der Leistungen von Ferdinand Sauerbuch. Medizinische Dissertation, Bochum 2004, ruhr-uni-bochum.de (PDF)
  15. Julius Pagel (Hrsg.): Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Urban & Schwarzenberg, Berlin/Wien 1901; unveränderter Neudruck Basel und München 1989, S. 1513.
  16. Martin Friedrich Karpa: Die Geschichte der Armprothese unter besonderer Berücksichtigung der Leistung von Ferdinand Sauerbruch (1875–1951). Medizinische Dissertation, Bochum 2005, S. 80, 113 f., 172–177, 206 f., 209, 230 f. und 249.
  17. Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers 'Mein Kampf' 1922–1945. München 2006, S. 30.
  18. Michael Scholz: Ferdinand Sauerbruch und die Homöopathie. Eine Gesamtdarstellung. BoD, Norderstedt 2019, ISBN 978-3-7448-1426-3, S. 17 f.
  19. Maximilian Vogel: Dieses Genie spannt Hitler dreist die Freundin aus.
  20. der Tagesspiegel: Garten von Max Liebermann wieder komplett.
  21. Appell von Prof. Dr. Sauerbruch und unsere Antwort. In: Internationales ärztliches Bulletin. Zentralorgan der Internationalen Vereinigung sozialistischer Ärzte. Prag, Januar 1934, S. 3; Textarchiv – Internet Archive
  22. Die Gleichschaltung 1933. Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 17. Januar 2021.
  23. Bayerischer Rundfunk: Ferdinand Sauerbruch begrüßt „Erwachen“ Deutschlands – Archivradio – Geschichte in Originaltönen. Abgerufen am 16. Januar 2021.
  24. Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 45 und 47.
  25. Ulrike Scheybal: Das Allgemeine Institut gegen die Geschwulstkrankheiten 1935–1945. In: Wolfgang U. Eckart (Hrsg.): 100 Years of Organized Cancer Research. Georg Thieme-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-105661-4, S. 51–55, speziell S. 52.
  26. Büste mit Inschrift für Ferdinand Sauerbruch. In: berlin.de. Abgerufen am 19. August 2019.
  27. Die Rede Sauerbruchs zur Verleihung bei Dewey u. a., siehe Literatur, auch in der Online-Fassung (Appendix 3), in englischer Übersetzung aus dem Rundfunkarchiv 1938. Teilweise original, wie im Rundfunkarchiv überliefert (kursiv); teilweise Rückübersetzung aus dem Englischen (Auszug):
    „Zu dieser Zeit (1919) wuchsen aus dem Wirrwarr elementare nationale Kräfte langsam empor, noch ungeregelt und verwirrt, aber voller Kraft und Glaube. Dann kam der 9. November 1923, der Tag, an dem die erste nationale Machtprobe scheiterte. Unsere Hoffnungen wurden unter Enttäuschung und Verzweiflung begraben. In dieser großen, schicksalsträchtigen Zeit bestimmten entschlossene, gestaltende Arbeit und Anstrengung unser Leben. Damals wurden die Fundamente gelegt für die Errungenschaften, die heute durch den Führer höchste Anerkennung finden. Die Universitäten jener Zeit hatten die vornehme Aufgabe, zu bewahren, was bis dahin erreicht worden war, und ihr Ansehen im In- und Ausland zu befestigen […] Es kam das Jahr 1933. Mit Hilfe des Führers kam die entscheidende Wende für unser Vaterland […]. Mit dem Nationalsozialismus vollzog sich eine Umgestaltung des völkischen Lebens auf allen Gebieten, von der auch die Medizin lebendige Wirkung empfing. Die Gemeinschaft der medizinisch Tätigen bewahrte das, was schon immer ihren Wert ausgemacht hatte; aber sie war zugleich offen für großartige neue Entwicklungen, die aus dem neuen Geist entstanden. Heute nehmen wir mit Stolz und innerer Freude die hohe Anerkennung wahr, die der Führer den deutschen Ärzten zollt, wir erleben sie auf eine wunderbare, eine erhebende Art. Die Ehrung, die zwei deutsche Chirurgen erhalten, bedeutet in einem tieferen Sinn eine Ehre und Genugtuung für die deutschen Ärzte, eine Anerkennung des deutschen Arzttums durch den Führer. Wir drücken unseren Dank für dieses Vertrauen aus, und es ist unser Wunsch, unseren vollen Einsatz zu geben, um wirkungsvoll an den großen Aufgaben mitzuarbeiten, die an unser Volk gestellt sind.
  28. Jörg Nimmergut: Deutsche Orden und Ehrenzeichen bis 1945. Band 4: Württemberg II – Deutsches Reich. Zentralstelle für wissenschaftliche Ordenskunde, München 2001, ISBN 3-00-001396-2, S. 1912.
  29. Zur Rolle von Sauerbruch im Nationalsozialismus siehe auch Fridolf Kudlien und Christian Andree: Sauerbruch und der Nationalsozialismus. In: Medizinhistorisches Journal. Band 15, 1980, S. 201–222; Jörg Hauptmann: Ferdinand Sauerbruch und das Dritte Reich. Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung. (PDF; 514 kB) 2009.
  30. Udo Schargen, Review von Christian Hardinghaus, C. Hardinghaus: Ferdinand Sauerbruch und die Charité, HSozKult, 20. März 2019
  31. Volker Klimpel: Sauerbruch und Ulbricht. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 23, 2004, S. 418–427, hier: S. 422 f.
  32. Gründungsaufruf der CDU in Berlin (Memento vom 11. Juli 2006 im Internet Archive; PDF; 157 kB)
  33. Sauerbruch: Als Kassenpraxis-Löwe. In: Der Spiegel. Nr. 35, 1950 (online 31. August 1950).
  34. Helmut Wolff: Zur Entwicklung der Chirurgie und der chirurgischen Forschung in der DDR. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie – Mitteilungen 1/2012, S. 1–8.
  35. Sauerbruch wird entnazifiziert. In: Arbeiterwille. Sozialdemokratisches Organ der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark, Kärnten (und Krain) Neue Zeit. Organ der Sozialistischen Partei Steiermarks, 20. April 1949, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/awi
  36. Chirurg Sauerbruch unbelastet. In: Arbeiterwille. Sozialdemokratisches Organ der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark, Kärnten (und Krain) Neue Zeit. Organ der Sozialistischen Partei Steiermarks, 27. Juli 1949, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/awi
  37. Tod des Titanen. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1960 (online).
  38. Mitteilung Helmut Wolff (November 2012)
  39. Rudolf Nissen (1969), S. 176 f.
  40. Hans Rudolf Berndorff: Ein Leben für die Chirurgie. Nachruf auf Ferdinand Sauerbruch. In: Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. (1951) 1956, S. 459.
  41. Volker Klimpel: Sauerbruch und Ulbricht. S. 418.
  42. Eintrag von Ueberhoer in H. Bürkle de la Camp (Hrsg.), Chirurgenverzeichnis, 5. Auflage, Springer 1969, S. 928, google books
  43. Hans Rudolf Berndorff: Ein Leben für die Chirurgie. Nachruf auf Ferdinand Sauerbruch. In: Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. (1951) 1956, S. 459 f.
  44. Dr. Sauerbruch, Breslau: Über die physiologischen und physikalischen Grundlagen bei intrathorakalen Eingriffen in meiner pneumatischen Operationskammer.
  45. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 270.
  46. Heinrich Fründ: Die Exstirpation des Oberschenkels mit Umkippplastik des Unterschenkels nach Sauerbruch. In: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Band 196, 1926, S. 241–245.
  47. Mitgliedseintrag von Ferdinand Sauerbruch bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 21. Juni 2016.
  48. Sauerbruch und Bier hatten sich gegenseitig für diesen Preis vorgeschlagen.
  49. Volker Mrasek: Die ewig Nominierten. In: Forschung aktuell (Rundfunksendung auf DLF). 7. Dezember 2016, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  50. Versuche an Menschen: Wie integer war der Star-Chirurg? Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13. Oktober 2015.
  51. Hardinghaus, S. 121 ff. Kritik an Hardinghaus’ Quellenbewertung äußert Udo Schagen in seiner Rezension in H-Soz-Kult, 20. März 2019 (Online)
  52. Hammerstein, S. 431.
  53. Hardinghaus, S. 128.
  54. Beirat empfiehlt: 17 Straßen in Hannover sollten umbenannt werden hannover.de, siehe auch Abschlussbericht des Beirats (PDF; 6,0 MB) vom September 2018.
  55. Hannover: Proteste gegen Straßenumbenennungen neuepresse.de, 2. November 2018.
  56. Charité-Arzt Sauerbruch „Halt die Klappe. In der Klinik sind viele Nazis!“ in Spiegel Online vom 7. Februar 2019, abgerufen am 10. Februar.
  57. Enkel Sauerbruchs zum Symposium am Gymnasium Großröhrsdorf. Website des Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasiums Großröhrsdorf (abgerufen am 7. März 2019).
  58. Nach der Besprechung von Wilhelm Anschütz in der Münchner Medizinischen Wochenschrift. Anschütz spricht sogar von der Arbeit seiner gesamten Klinik, auf die der Verfasser und seine Klinik stolz sein könnten.
  59. Vgl. auch Solche erhöhten Wahrheiten. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1952 (online).
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