Hydrocephalus

Ein Hydrocephalus (von griechisch ὕδωρ hydōr ‚Wasser‘, κεφαλή kephalē ‚Kopf‘), auch Hydrozephalus geschrieben, ist eine krankhafte Erweiterung der mit Liquor gefüllten Flüssigkeitsräume (Hirnventrikel) des Gehirns. Er wird auch Wasserkopf oder, veraltet, Gehirnwassersucht genannt.

Klassifikation nach ICD-10
Q03.- Angeborener Hydrozephalus
Q05.0 Zervikale Spina bifida mit Hydrozephalus
G91.0 Hydrocephalus communicans
G91.1 Hydrocephalus occlusus
G91.2 Normaldruckhydrozephalus
G91.3 Posttraumatischer Hydrozephalus
G91.9 Hydrozephalus, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
links CT eines Hydrocephalus internus; rechts zum Vergleich ein normales Gehirn

Entstehung des Hydrocephalus

Ein Hydrocephalus entsteht durch Liquorstauung bei ungenügendem Abfluss aus den Ventrikeln oder gestörter Liquorresorption.[1] Die Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) wird in bestimmten Gefäßknäueln (den Plexus choroidei) vor allem in den beiden Seitenventrikeln, aber auch im dritten und vierten Ventrikel erzeugt. Nach Durchfluss der Ventrikel gelangt der Liquor in die Cisterna cerebellomedullaris und damit in den äußeren Liquorraum. Dort verteilt er sich im gesamten Gehirn und Rückenmark umgebenden Zwischenraum und wird zuletzt durch die Arachnoidalzotten im Bereich Sinus sagittalis superior und der Spinalnervenaustritten wieder in das Blut aufgenommen. Alternative Abflusswege bestehen im Bereich der Abgänge der Spinalnerven in venöse Plexus oder das Lymphsystem. Die ständige Gesamtmenge des Liquors beläuft sich beim Erwachsenen auf ca. 150 Milliliter. Da die Plexus choroidei pro Tag etwa einen halben Liter Liquor produzieren, wird der Liquor innerhalb von 24 Stunden dreimal ausgetauscht. Resorption und Produktion halten sich im Normalfall im Gleichgewicht. Wenn aber zu viel Liquor produziert wird, die Verbindung zwischen den einzelnen Liquorräumen verschlossen ist oder wenn zu wenig Flüssigkeit resorbiert wird, kann sich ein Hydrocephalus entwickeln.

Abfluss- und Resorptionshindernisse sind meist die Folge einer Hirnhautentzündung oder einer angeborenen oder frühkindlichen Fehlbildung des Gehirns. Auch pränatale Infektionen des Gehirns bei Föten (z. B. Lymphozytäre Choriomeningitis) können einen Hydrocephalus auslösen. Außerdem kommen Einblutungen in liquorführende Hirnstrukturen und Tumoren in Betracht. Auch durch die Erhöhung des Hirndrucks selbst (beispielsweise durch eine Blutung) kommt es zu einem Resorptionswiderstand. In sehr seltenen Fällen können Plexuspapillome zu einer Liquorüberproduktion führen.

Von diesen Formen des Hydrocephalus abgegrenzt wird der Hydrocephalus ex vacuo, dessen vergrößerte Liquorräume durch den Schwund von Hirngewebe entstehen. Hier liegt keine Störung der Liquorzirkulation vor, nur das Liquor-Gesamtvolumen ist erhöht.

Angeborene Ursachen

Folgende angeborenen Krankheiten sind häufig mit der Entwicklung eines Hydrocephalus verbunden[2]:

Erworbene Ursachen

Erworbene Ursachen sind zum Beispiel[2]:

Symptome

Vergrößerter Schädel bei Hydrocephalus

Bei Föten und Säuglingen kann der Kopf wegen der noch unfesten Schädelknochen ballonartig aufgetrieben sein. Begleiterscheinungen können z. B. Kopfschmerz, schwallartiges Erbrechen, Sonnenuntergangsphänomen, Doppelbilder und Epilepsie sein. Weitere Hirndruck- und Ausfallerscheinungen sind möglich.

Da der Schädel nach Verschluss der Knochennähte und der Fontanellen die intrakranielle Volumenzunahme nicht durch Größenzunahme ausgleichen kann, kommt es zu einem Druckanstieg im Schädel mit Verlagerung von Hirnanteilen in Richtung des großen Hinterhauptsloches (Foramen magnum). Bei dieser Verlagerung können lebenswichtige Anteile des Gehirns eingeklemmt werden. Da diese lebenswichtigen Anteile des Gehirns für die Funktion des Herz-Kreislauf- und des Atemsystems unverzichtbar sind, führt eine Einklemmung mit Schädigung dieser Anteile des Gehirns zum Herz-Kreislauf- und Atemstillstand und damit zum Tode.

Formen des Hydrocephalus

  • Hydrocephalus internus: Erweiterung nur der Hirnventrikel
    • Occlusivus: bei Behinderung des Liquorabflusses aus den Ventrikel
    • Malresorptivus: bei verzögerter Liquorrückresorption
  • Hydrocephalus externus: Erweiterung der äußeren Liquorräume (also des Subarachnoidalraums)
  • Hydrocephalus externus et internus (entspricht Hydrocephalus communicans – durchgängige Verbindung von den Ventrikeln zum Subarachnoidalraum, gestörte Liquorzirkulation aufgrund von Verklebungen der Meningen (entzündlicher Genese oder nach einer Subarachnoidalblutung))
  • Normaldruckhydrocephalus: erweiterte Liquorräume mit nur intermittierender Zunahme des Hirndrucks. Typisch für diese Hydrocephalus-Form ist eine Symptomtrias (Demenz, Gangstörung, Inkontinenz)
  • Hydrocephalus e (oder: ex) vacuo: innerer und äußerer Hydrocephalus als Ausdruck eines primären Hirngewebsschwundes

Bei der letztgenannten Form des Hydrocephalus kommt es im Gegensatz zu den anderen Formen des Hydrocephalus zu keiner Hirndrucksteigerung.

Therapie

Bei erhöhtem Hirndruck wird eine frühestmögliche Entlastung durch Liquorableitung mittels einer Drainage angestrebt. Dabei wird der Liquor cerebrospinalis durch einen Shunt z. B. in die Bauchhöhle, in den rechten Vorhof des Herzens oder weniger häufig in den Pleuraspalt abgeleitet. Je nach Lage des Passagehindernisses ist auch die Ventrikulostomie eine mögliche Therapieform, bei der operativ der Boden des dritten Ventrikels durchstoßen wird und so der Abfluss des Liquors in die basalen Zisternen ermöglicht wird.

Zum Teil ist bereits eine Therapie in utero möglich, also ein vorgeburtlich stattfindender Eingriff.

Trivia

Bekannte Persönlichkeiten, die (etwa in Folge einer Hirnhautentzündung) einen Hydrocephalus hatten, waren Hermann von Helmholtz,[5] Georges Cuvier[6] und Adolph Menzel.[7][8][9]

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Einzelnachweise

  1. Immo von Hattingberg: Wasserkopf, Störung der Liquorzirkulation (Hydrocephalus, hyfrocéphalie). In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1314 f.
  2. A. Aschoff: In-vitro-Testung von Hydrocephalus-Ventilen. Habilitationsschrift, Heidelberg 1994.
  3. H. Collmann, N. Sörensen, J. Krauß, J. Mühling: Hydrocephalus in craniosynostosis. In: Child’s Nerv Syst., Oktober 1988. S. 279–285.
  4. Steven J. Schiff et al.: Rainfall drives hydrocephalus in East Africa. In: Journal of Neurosurgery: Pediatrics. Band 10, Nr. 3, 2012, S. 161–167, doi:10.3171/2012.5.PEDS11557
  5. Ulf Lagerqvist: Pioneers of Microbiology and the Nobel Prize. World Scientific Publishing, New Jersey / London / Singapore / Hong Kong 2003, S. 21.
  6. K.M. Laurence, Stephen Coates: The natural history of hydrocephalus. Detailed analysis of 182 unoperated case. In: Archives of Disease in Childhood. 1. August 1962, S. 345–362, hier: S. 360.
  7. Ruth Tesmar: Das dritte Auge. Imagination und Einsicht. Antrittsvorlesung 28. Juni 1995 (Humboldt-Universität zu Berlin. Philosophische Fakultät III, Seminar für Künstlerisch-Ästhetische Praxis), S. 18.
  8. Karl Burger: Lehrbuch der Geburtshilfe. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1950, S. 377.
  9. Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951; Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956, S. 82.

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