Ernst von Bergmann (Mediziner)
Ernst Gustav Benjamin von Bergmann (* 4. Dezemberjul. / 16. Dezember 1836greg.[1] in Riga; † 25. März 1907 in Wiesbaden) war ein deutscher Chirurg und ab 1871 ordentlicher Professor für Chirurgie an der Universität Dorpat, ab 1878 der Universität Würzburg und ab 1882 an der Universität Berlin.
Seine wesentlichen Verdienste sind die Mitbegründung der Hirnchirurgie und die Einführung der Asepsis bei der Wundbehandlung.
Leben
Herkunft
Ernst von Bergmann entstammte einer deutschbaltischen Familie und war ein Sohn von Richard von Bergmann (1805–1878), Pastor zu Rūjiena (heute Lettland), und Bertha Krüger (1816–1877). Sein Bruder war Reinhold Richard Georg von Bergmann (1850–1913).[2]
In erster Ehe heiratete er am 16. März 1866 in Dorpat Hildegard von Adelmann (* 17. Juli 1846, in Dorpat; † 30. Mai 1868, ebenda), die Tochter des kaiserlich russischen Wirklichen Staatsrats Georg von Adelmann (aus russischem (deutsch-baltischem) Adel), Professor an der Universität Dorpat, und der Marie Barkhausen.
In zweiter Ehe heiratete er am 24. April 1871 in Karlsruhe Pauline Asbrand genannt von Porbeck (* 3. August 1842, in Rastatt; † 17. Juli 1917, in Marburg an der Lahn), die Tochter des großherzoglich badischen Oberamtmanns zu Gernsbach August Asbrand genannt von Porbeck und der Louise Thilo. Ein Sohn aus dieser zweiten Ehe war der Internist und Medizin-Professor Gustav von Bergmann (1878–1955).
Werdegang
Nach der höheren Schulbildung in der humanistischen Lehranstalt Birkenruh bei Wenden (Livland) studierte Bergmann zwischen 1854 und 1860 in Dorpat Medizin und wurde wie sein Vater und zwei seiner Brüder Mitglied der Livonia. Im Anschluss an die Promotion (1860) war er als Assistent an der Chirurgischen Klinik Dorpats tätig, wo er sich 1864 unter seinem späteren Schwiegervater Georg von Adelmann, der später in den preußischen Adelsstand erhoben wurde, und Georg von Oettingen habilitierte.
In Dorpat blieb er bis 1878, unterbrochen durch eine längere Studienreise (Königsberg, Breslau, Wien, Hannover, München, Heidelberg, Leipzig und Berlin), zunächst als Privatdozent für Chirurgie, ab 1871 – in der Nachfolge seines Lehrers Adelmann – als Ordinarius für Chirurgie. Nachdem er 1878 zunächst einem Ruf nach Würzburg gefolgt war, wo er der Chirurgischen Universitätsklinik Würzburg in den folgenden vier Jahren (seit Carl Caspar von Siebold) wieder zu großem Ansehen verhalf[3] und sich im August desselben Jahres als ordentlicher Professor an der dortigen Universität in die bayerische Adelsmatrikel eintragen ließ,[4] übernahm er 1882 in Berlin den Lehrstuhl Bernhard von Langenbecks sowie das Direktorat der ersten Chirurgischen Universitätsklinik des Königlichen Klinikums in der Ziegelstraße, die er bis 1907 leitete. Er und seine Familie wohnten zunächst am Kronprinzenufer, später am Alexanderufer,[5] wo Bergmann auch eine tägliche Sprechstunde[6] abhielt.
Bergmann muss zweifellos den größten Chirurgen seiner Zeit zugerechnet werden. Besonders in der Kriegschirurgie hatte er als Teilnehmer des Preußisch-Österreichischen (1866), des Deutsch-Französischen (1870/1871) und des Russisch-Türkischen Krieges (1877) reiche Erfahrungen sammeln können. Bahnbrechend war seine Methode der streng konservativen Behandlung der Verletzungen des Kniegelenks, die er nicht mehr operativ behandelte, sondern nach Bandage mit dem Listerschen Wundverband im Gipsverband (Pirogoff) ruhigstellte. Auf diese Weise ließen sich die tödlichen Verläufe dieser Verletzung deutlich reduzieren. Zunächst der Listerschen Methode der Antisepsis durch Besprühen mit Karbolsäure zugewandt, die er seit 1875 an seiner Dorpater Klinik praktizierte, ersetzte er bald dieses gefährliche Verfahren durch den Einsatz trockener Sublimatgaze, um schließlich 1886 die chemische Antisepsis ganz zu verlassen. Zusammen mit seinem Berliner Schüler Curt Schimmelbusch wandte er sich stattdessen der Verwendung dampfsterilisierter Verbandsmaterialien zu.
Bergmann entwickelte viele operative Methoden neu oder weiter, so unter anderem die der Appendektomie und der operativen Ösophagus- und Hydrozelenbehandlung. Zu den wichtigsten Publikationen Bergmanns gehören seine Arbeiten über Die Behandlung der Schußwunden des Kniegelenkes im Kriege (1878), Die Lehre von den Kopfverletzungen (1880) und Die chirurgische Behandlung der Hirnkrankheiten (1888).
Zugezogen war der Chirurg bei der bösartigen Kehlkopferkrankung des späteren Kaisers Friedrichs III., bei dem sein Schüler Friedrich Gustav von Bramann eine Tracheotomie durchführte. Zu Bergmanns Schülern gehörte auch der Chirurg Fritz König, mit dessen Vater Franz König, der von 1895 bis 1904 wie Bergmann Lehrstuhlinhaber für Chirurgie in Berlin war, Bergmann kollegial befreundet war.[7] Bergmanns bedeutendster Eleve war der Chirurg Erich Lexer.
Am 7. November 1884 wurde er Mitglied der Leopoldina. Ernst von Bergmann leitete mehrere Jahre als Präsident die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 1893 war er Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Der Königlichen Wissenschafts- und Literaturgesellschaft in Göteborg gehörte er ab 1895 an. Im Jahr 1904 war von Bergmann Mitbegründer der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, welche bis heute unter dem Namen Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZaeFQ) weitergeführt wird.
Von Bergmann starb 1907 im Alter von 70 Jahren und wurde auf dem Alten Friedhof in Potsdam (Heinrich-Mann-Allee) bestattet. Eine im russisch-türkischen Krieg mit Dysenterie beginnende Darmerkrankung (Subileusbeschwerden durch Dickdarmstenose) war die Ursache seines Todes.[8][9]
Ehrungen
- Für Verdienste um die ärztliche Fortbildung wird vom Präsidenten der Bundesärztekammer und vom Deutschen Ärztetag auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer die Ernst-von-Bergmann-Plakette verliehen.
- An seinem Geburtshaus in der Altstadt von Riga (Pils iela 11) ließ die Hans-Neuffer-Stiftung im Jahre 2011 eine Tafel anbringen.
- Nach Ernst von Bergmann benannt sind:
- das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam
- die Ernst-von-Bergmann-Kaserne in München, die die Sanitätsakademie der Bundeswehr und mehrere medizinische Institute der Bundeswehr beherbergt
- die Ernst-von-Bergmann-Straße in Gardelegen (Sachsen-Anhalt), die zum Altmark-Klinikum führt
- die Bergmannstraße in Hamburg-Langenhorn
Schriften
- Die Behandlung der Schußwunden des Kniegelenkes im Kriege. (Antrittsvorlesung Würzburg) Ferdinand Enke, Stuttgart 1878
- Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
- Handbuch der praktischen Chirurgie. Enke, Stuttgart (zusammen mit Paul von Bruns und Johann von Mikulicz hrsg.)
- Chirurgie des Kopfes. 1926
- Chirurgie des Halses und des Brust. 1929 (2 Bde.)
- Chirurgie des Bauches. 1929
- Chirurgie der Wirbbelsäule und des Beckens. 1927
- Chirurgie der oberen Gliedmassen. 1927
- Chirurgie der unteren Gliedmassen. 1929
Literatur
- Arend Buchholtz: Ernst von Bergmann. Mit Bergmanns Kriegsbriefen von 1866, 1870/71 und 1877. Leipzig 1911
- Magnus Schmid: Bergmann, Ernst von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 88 f. (Digitalisat).
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B Band XVI, Seite 65, Band 86 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1985, ISSN 0435-2408
- Wolfgang Genschorek: Wegbereiter der Chirurgie: Joseph Lister. Ernst von Bergmann. Leipzig 1984 (= Humanisten der Tat. Band 101).
- Bergmann, Ernst. In: Julius Pagel (Hrsg.): Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Urban & Schwarzenberg, Berlin 1901
- Acta Borussica Band 7 (1879–1890) (PDF-Datei; 2,83 MB)
- Acta Borussica Band 9 (1900–1909) (PDF-Datei; 2,74 MB)
- Thomas Gerst: Ernst von Bergmann (1836–1907): „Vater der Asepsis“ und Vorreiter der ärztlichen Fortbildung. Dtsch Arztebl 104 (2007), A-1036
- Biografie im Katalog der wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität zu Berlin
Weblinks
- Literatur von und über Ernst von Bergmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Ernst von Bergmann. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
- Literaturliste im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin
- Personalsammlung mit digitalisierten Werken der Universität Tartu
Einzelnachweise
- Eintrag im Taufregister des Doms zu Riga (lettisch: Rīgas Doms).
- Wilhelm Lenz u. a. (Hrsg.): Deutschbaltisches biographisches Lexikon 1710–1960. 1970, 2., unveränderte Auflage. Verlag von Hirschheydt 1998, S. 55.
- Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 244.
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon, Band 1. Limburg an der Lahn 1972, S. 339.
- Mario Keßler: Ernst von Bergmann und sein Haus in Potsdam. Tagungs- und Konferenzzentrum Ernst von Bergmann, Potsdam. Abgerufen am 8. August 2021.
- Christoph Weißer, Jörg Arnholdt: Neue Aspekte zum Berufsweg des Chirurgen Fritz König (1866–1952) unter Berücksichtigung zweier Autographen seines Lehrers Ernst von Bergmann (1836–1907). In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 123–134, hier: S. 128–131.
- Christoph Weißer, Jörg Arnholdt: Neue Aspekte zum Berufsweg des Chirurgen Fritz König (1866–1952) unter Berücksichtigung zweier Autographen seines Lehrers Ernst von Bergmann (1836–1907). In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 123–134.
- Wolfgang Genschorek: Wegbereiter der Chirurgie: Joseph Lister, Ernst von Bergmann. Leipzig 1984 (= Humanisten der Tat. Band 101), S. 210 f.
- Christoph Weißer, Jörg Arnholdt: Neue Aspekte zum Berufsweg des Chirurgen Fritz König (1866–1952) unter Berücksichtigung zweier Autographen seines Lehrers Ernst von Bergmann (1836–1907). In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 123–134, hier: S. 131.