Ferdinand I. (Bulgarien)
Ferdinand I. (* 26. Februar 1861 als Ferdinand Maximilian Karl Leopold Maria von Sachsen-Coburg und Gotha in Wien; † 10. September 1948 in Coburg) aus der Dynastie Sachsen-Coburg-Koháry der Wettiner war ab 1887 Knjaz (Fürst) und von 1908 bis 1918 Zar von Bulgarien.
Leben
Seine Eltern waren der österreichische General August von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1881) und Clémentine von Orléans (1817–1907), Tochter des französischen Königs Ludwig Philipp. Damit war er Großneffe des Coburg-Gothaischen Herzogs Ernst I. sowie ein Neffe 2. Grades von Prinz Albert, dem Ehemann von Königin Victoria. Im Familienkreis hatte er den Spitznamen „Foxy Ferdie“ („schlauer Ferdie“). Im Jahre 1887 soll er eine Affäre mit Katharina Schratt, der Vertrauten des österreichischen Kaisers Franz Joseph I., gehabt haben.[1]
Fürst und Zar von Bulgarien
Nachdem der bulgarische Fürst Alexander I. von Battenberg nach dem Putsch von 1886 hatte abdanken müssen, wählte eine Regentschaft unter der Führung von Stefan Stambolow Ferdinand zu dessen Nachfolger. Dieser wurde am 25. Junijul. / 7. Juli 1887greg. vom bulgarischen Parlament im Amt des Prinzregenten im formell dem Osmanischen Reich unterstehenden Land bestätigt. Die Anerkennung durch die Pforte und die europäischen Großmächte erlangte er allerdings erst 1896. Zum Zeitpunkt seiner Wahl zum bulgarischen König war Ferdinand österreichisch-ungarischer Offizier.[2]
Innenpolitisch stand Bulgarien im Zeichen der liberalen Reformen von Ministerpräsident Stefan Stambolow, während außenpolitisch eine Entfremdung gegenüber der bisherigen Schutzmacht Russland zu beobachten war, die am 8. November 1886 die diplomatischen Beziehungen mit Bulgarien abgebrochen und sich gegen den „westlichen“ Kandidaten Ferdinand gestellt hatte.
Nach Stambolows Rücktritt (31. Mai 1894) und Ermordung (19. Juli 1895) begann eine Wiederannäherung an Russland. Ferdinand entschloss sich, Bulgarien mit Russland zu versöhnen, indem er den katholisch getauften Thronfolger Boris als Dreijährigen orthodox taufen ließ, mit dem russischen Zaren Nikolaus II. als Paten.
Die politische Schwäche des Osmanischen Reiches zu Beginn der Bosnischen Annexionskrise ausnutzend, erklärte Ferdinand am 22. Septemberjul. / 5. Oktober 1908greg. in Weliko Tarnowo die Unabhängigkeit seines Landes. Zugleich nahm er den Titel eines Zaren von Bulgarien an. In den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges war es sein Ziel, bei der Aufteilung des osmanischen Besitzes in Europa Bulgarien einen möglichst großen Anteil zu sichern und das Land so zur regionalen Vormacht auf dem Balkan zu machen. Zu diesem Zweck trat er dem Balkanbund bei, der 1912 dem Osmanischen Reich den Krieg erklärte. Dieser Erste Balkankrieg war nach wenigen Wochen siegreich beendet. Bulgarien erhielt im Londoner Vertrag 1913 in Thrakien mit Dedeagatsch (heute Alexandroupolis) einen Zugang zur Ägäis; die Landesgrenze im Südosten verschob sich bis zur Linie Enos-Midia rund 30 km vor Istanbul.
Im selben Jahr kam es zum Streit um den Besitz Makedoniens mit Serbien und Griechenland, der zum Zweiten Balkankrieg führte, in dem Bulgarien gegen Rumänien, Serbien, Griechenland, Montenegro und die Osmanen isoliert stand und daher den Krieg schnell verlor. Im Frieden von Bukarest am 10. August 1913 musste Bulgarien die südliche Dobrudscha an Rumänien und das Gebiet von Edirne an die Türkei abtreten, behielt aber den Ägäiszugang. Der serbische Besitz Makedoniens musste anerkannt werden. Im Bündnis mit den Mittelmächten (Vertrag vom 6. September 1915) sah Ferdinand die Chance, diese „demütigenden“ Bedingungen im Kampf mit den Serben und Griechen im Ersten Weltkrieg zu revidieren. Tatsächlich gelang es den bulgarischen Truppen zunächst, gemeinsam mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich Makedonien zu besetzen. Die Unterwerfung Rumäniens brachte 1916 die Rückgewinnung der Süd-Dobrudscha. Im Kampf gegen Griechenland konnten Teile Thrakiens besetzt werden. Diese Erfolge wurden aber durch spätere Siege der Alliierten zunichtegemacht, und Bulgarien sah sich am 30. September 1918 als erster Verbündeter der Mittelmächte zur Kapitulation gezwungen (pro forma war es ein Waffenstillstand). Ferdinand dankte am 3. Oktober ab; sein ältester Sohn Boris bestieg den Thron am gleichen Tag.
Exil
Da Österreich Ferdinand Asyl verweigerte, fuhr er Anfang Oktober 1918 mit dem Zug nach Coburg, wo er zeitweise im von ihm Augustenpalais genannten Bürglaß-Schlösschen, zeitweise in einer Villa im Hofgarten wohnte. Ein weiterer Wohnsitz war Schloss Svätý Anton in der Slowakei.
Die Bayreuther Festspiele besuchte Ferdinand erstmals 1883. Er wurde Anhänger der Musik Wagners sowie Stammgast in Bayreuth und verlieh einigen Geschäftsleuten den Titel eines königlich-bulgarischen Hoflieferanten.[3] Ferdinand unterstützte finanziell die Festspiele und andere Projekte wie eine neue Orgel für die Stadtkirche. Am 22. August 1928 beschloss der Bayreuther Stadtrat die Verleihung der Ehrenbürgerrechte.[4]
In Coburg widmete er sich insbesondere seinen Herbarien und Insektensammlungen. Im Jahr 1925 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Ferdinand unternahm zahlreiche Exkursionen, so 1930 und 1933 nach Ostafrika, Ägypten und Sudan.[5] Davon brachte er viele Vögel mit nach Coburg, die er in etwa hundert Volieren im Hofgarten neben seiner Villa hielt. Als Ornithologe und Botaniker machte er sich in Fachkreisen einen Namen. So wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft und aufgrund seiner Verdienste um die Entwicklung der Naturwissenschaft 1942 Ehrendoktor der Universität Erlangen.[6] Anlässlich seines 80. Geburtstages verlieh Coburg am 26. Februar 1941 Ferdinand, der sich auf Schloss Svätý Anton aufhielt, für seine Förderung des Naturkundemuseums und des Landestheaters die Ehrenbürgerrechte. Die Übergabe der Urkunde durch den Oberbürgermeister August Greim folgte am 16. Mai 1942.[7] Am 10. September 1948 starb Ferdinand I. im Augustenpalais, am 13. wurde er in der Krypta von St. Augustin beigesetzt. Ferdinand war unter anderem Inhaber des k.u.k. Husarenregiments „Ferdinand I. König der Bulgaren“ Nr. 11 sowie des 23. Königlich Bayerischen Infanterie-Regiments „König Ferdinand der Bulgaren“.
Ehe und Nachkommen
1893 heiratete Ferdinand I. Marie Louise von Bourbon-Parma (1870–1899), eine Halbschwester der Kaiserin Zita, mit der er vier Kinder hatte:
- Thronfolger Boris III. (1894–1943), heiratete am 25. Oktober 1930 in Assisi Giovanna von Savoyen
- Kyrill (1895–1945)
- Eudoxia (1898–1985)
- Nadeshda (1899–1958), heiratete am 24. Januar 1924 in Bad Mergentheim Albrecht Eugen Herzog von Württemberg
In zweiter Ehe heiratete er 1908 Prinzessin Eleonore Reuß zu Köstritz (1860–1917), Tochter von Heinrich IV. von Reuß-Köstritz.
Siehe auch
Literatur
- Theo Aronson: Crowns In Conflict. The Triumph And The Tragedy Of European Monarchy, 1910–1918. J.Murray, London 1986, ISBN 0-7195-4279-0.
- Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank (Hrsg.): Die Ehrenbürger von Coburg und seiner Umgebung. Coburg 1992.
- Hans-Joachim Böttcher: Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha 1861 - 1948 - Ein Kosmopolit auf dem bulgarischen Thron. OEZ Berlin Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-89998-296-1.
- Stephen Constant: Foxy Ferdinand, 1861–1948. Tsar of Bulgaria. Sidgwick and Jackson, London 1986, ISBN 0-283-98515-1
- Jeffrey Finestone: The Last Courts of Europe. J.M.Dent, London 1981, ISBN 0-460-04519-9.
- Joachim von Königslöw: Ferdinand I., König von Bulgarien. In: Mathias Bernath, Felix von Schroeder (Hrsg.), Gerda Bartl (Red.): Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 1. Oldenbourg, München 1974, ISBN 3-486-47871-0, S. 499–501.
- Georg Stadtmüller: Ferdinand, Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 88–90 (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Ferdinand I. im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Ferdinand I. in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Wladimir Wladimirow: Ferdinand I. von Bulgarien – 121 Jahre seit seiner Wahl zum bulgarischen Landesfürsten. (Memento vom 12. August 2007 im Internet Archive) (Radio Bulgarien im Sommer 2008)
Einzelnachweise
- Philipp Vandenberg: Die Frühstücksfrau des Kaisers. Vom Schicksal der Geliebten. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2007, ISBN 3-404-64221-X, S. 386ff.
- Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie. Böhlau, Wien 2013, ISBN 978-3-205-78283-4
- Bernd Mayer: Zar Ferdinands große Liebe zu Bayreuth. In: Heimat Kurier, Nr. 3/2010, S. 14
- www.barnick.de: Wer ist wer in Bayreuth (Memento des Originals vom 30. November 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Wladislaw Neresoff: Mit König Ferdinand von Bulgarien nach Afrika. Berlin 1940.
- Andrej L. Pantev, Aleksi K. Popov: Die Epoche von König Ferdinand I.; die Rückkehr Bulgariens nach Europa ; 100 Jahre seit der Erklärung der Unabhängigkeit Bulgariens. Polygrafisches Kombinat Dimiter Blagoew, Sofia 2008, ISBN 978-954-92042-3-0, S. 80
- Harald Sandner: Coburg im 20. Jahrhundert. Die Chronik über die Stadt Coburg und das Haus Sachsen-Coburg und Gotha vom 1. Januar 1900 bis zum 31. Dezember 1999 – von der „guten alten Zeit“ bis zur Schwelle des 21. Jahrhunderts. Verlagsanstalt Neue Presse, Coburg 2002, ISBN 3-00-006732-9, S. 172