Hans Paetsch
Hans Paetsch (* 7. Dezember 1909 in Altmünsterol, Elsass; † 3. Februar 2002 in Hamburg) war ein deutscher Schauspieler, Hörspiel-, Synchronsprecher und Filmregisseur. Er hatte eine der bekanntesten Stimmen im deutschsprachigen Raum und galt in der Bundesrepublik Deutschland als „Märchenonkel der Nation“.[1]
Leben
Hans Paetsch kam in dem Grenzort Altmünsterol im Elsass als Sohn eines Beamten zur Welt. Er wuchs in Straßburg, Darmstadt und Berlin auf. Nach dem Abitur studierte er in Marburg und Berlin. Nachdem er während des Studiums bei einer Schüleraufführung sein Interesse am Theater entdeckt hatte, trat das Philologiestudium in den Hintergrund und Paetsch beschloss, Schauspieler zu werden. Nach Abschluss des Studiums erhielt er 1931 sein erstes Engagement am Stadttheater Gießen. Es folgten Engagements am Theater der Stadt Heidelberg, an den Bühnen der Hansestadt Lübeck, am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken (bis 1939), von 1939 bis 1944 am Deutschen Theater Prag. In Saarbrücken wurde er zusammen mit dem übrigen Ensemble nach einer Aufführung von Madame Dubarry Adolf Hitler vorgestellt.[2]
1944 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Nach kurzer Ausbildung erlebte er die Verteidigung der Stadt Köthen (Anhalt). Sein Regiment zog bis Tangermünde. Anschließend ging er in Kriegsgefangenschaft.[3] Er traf später seine Frau in Selbitz (Oberfranken) wieder.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte er am Staatstheater Braunschweig und von 1946 bis 1947 am Württembergischen Staatstheater Stuttgart. 1947 fand er das Schauspielhaus, das er für den Rest seines Theaterlebens nicht mehr verlassen sollte: das Thalia-Theater in Hamburg. Die nächsten 28 Jahre, bis 1975, arbeitete er dort unter den Intendanten Willy Maertens, Kurt Raeck und Boy Gobert als Schauspieler und Regisseur.
Am bekanntesten wurde Hans Paetsch einem breiten Publikum seit den 1960er-Jahren als Erzähler in zahllosen Aufnahmen klassischer Märchen und anderen Hörspielproduktionen für Kinder, hauptsächlich für das Tonstudio Europa (darunter Die Hexe Schrumpeldei, Der kleine Muck oder Hui Buh), denen er mehr als 30 Jahre lang seine markante Stimme lieh. Allerdings gab es auch Hörspiele, in denen Paetsch andere Rollen übernahm, zum Beispiel in der Europa-Serie Edgar Wallace oder Die drei ???. Sporadisch stellte er sogar sein komödiantisches Talent unter Beweis: so war er der glücklose Gaius Bockschus in Folge 1 der 1980er-Asterix-Hörspielreihe*, oder der mysteriöse Dr. Stein in der Folge Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten aus H. G. Francis’ Gruselserie. Als Synchronsprecher sprach er u. a. Barry Morse als Lt. Gerard in der Krimiserie Auf der Flucht und den Sheriff Roy Coffee in der Serie Bonanza. In Kampfstern Galactica ist er als Erzähler zu hören. In dem 1944 entstandenen Spielfilm Der unheimliche Gast synchronisierte er Donald Crisp in der Rolle des Commander Beech. In der Hörspielserie Gabriel Burns leitet er jede Folge mit einem kleinen Text ein, bei Point Whitmark sprach er in den ersten 30 Folgen den Teaser zur nächsten Folge am Ende jedes Hörspiels. Er war mit der Hörspielproduzentin Heikedine Körting befreundet.[4]
Neben seiner Tätigkeit als Sprecher übernahm Paetsch Film- und Fernsehrollen. Seine Stimme war außerdem bei Musikproduktionen zu hören, so zum Beispiel im Album Unter falscher Flagge (Die Toten Hosen), 13 (Die Ärzte), Liebesschmerz (Schiller) oder beim Dance-Projekt Märchenmann. Man findet ferner einige Edutainment-CD-ROMs (u. a. Willy, der Zauberfisch und Max und die Geheimformel (Tivola)) mit seiner stimmlichen Mitwirkung im Handel. 2002 erschien die CD Der Märchenprinz, seine letzte Veröffentlichung, auf der Hörspielausschnitte, Gedichte, Märchen und ein Hip-Hop-Stück mit seiner Stimme zu hören sind.
Hans Paetsch wurde auf dem Friedhof Volksdorf in Hamburg beigesetzt.[5]
Filmografie (Auswahl)
- 1939: Silvesternacht am Alexanderplatz
- 1940: Mein Mann darf es nicht wissen
- 1941: Hauptsache glücklich
- 1941: Blutsbrüderschaft
- 1941: Kameraden
- 1942: Fünftausend Mark Belohnung
- 1943: Liebe, Leidenschaft und Leid
- 1944: Sieben Briefe
- 1948: Frech und verliebt
- 1949: Das Gesetz der Liebe
- 1950: Die Lüge
- 1953: Im Banne der Guarneri
- 1954: Das Ministerium ist beleidigt
- 1957: Made in Germany – Ein Leben für Zeiss
- 1957: Das Herz von St. Pauli
- 1958: Blick zurück im Zorn
- 1959: Die Caine war ihr Schicksal
- 1959: Natürlich die Autofahrer
- 1959: Hunde, wollt ihr ewig leben
- 1959: Der Mann, der sich verkaufte
- 1959: Blühende Träume
- 1959: Buddenbrooks – 1. Teil
- 1959: Der blaue Nachtfalter
- 1960: Die Frau am dunklen Fenster
- 1960: Ich zähle täglich meine Sorgen
- 1960: Fabrik der Offiziere
- 1960: Die Botschafterin
- 1960: Im Namen einer Mutter
- 1961: Barbara
- 1961: Die toten Augen von London
- 1961: Mörderspiel
- 1962: Das Gasthaus an der Themse
- 1962: Das Rätsel der roten Orchidee
- 1963: Durchbruch Lok 234
- 1964: Hotel zur Erinnerung
- 1964: Wartezimmer zum Jenseits
- 1965: Die eigenen vier Wände
- 1967: Bürgerkrieg in Rußland (fünfteiliger dokumentarischer Fernsehfilm)
- 1967: Die Unverbesserlichen … und ihr Optimismus
- 1968: Affäre Dreyfuss
- 1968: Sir Roger Casement
- 1969: Kim Philby war der dritte Mann (Fernsehfilm)
- 1969: Marinemeuterei 1917
- 1969: Die Kuba-Krise 1962 (Fernsehfilm)
- 1970: Das Chamäleon
- 1971: König Johann
- 1971: Preußen über alles … (Mehrteiler)
- 1971: Kein Geldschrank geht von selber auf
- 1972: Friß, Pappi, friß!
- 1978: PS – Geschichten ums Auto (3. Staffel)
- 1978: Kommissariat 9 (Folge Auf einen guten Mokka)
- 1984: Blaubart
- 1984: Die Schwarzwaldklinik (3 Folgen)
- 1987: Das Erbe der Guldenburgs
- 1990: Insel der Träume
- 1990: Wer zu spät kommt – Das Politbüro erlebt die deutsche Revolution
- 1991: Das serbische Mädchen
- 1992: La Paloma fliegt nicht mehr
- 1992: Sommer der Liebe (als Erzähler)
- 1994: Ein letzter Wille
- 1997: Großstadtrevier (Folge 111 Lug und Trug)
- 1998: Sieben Monde
- 1998: Lola rennt
Hörspiele (Auswahl)
- 1947: George Bernard Shaw: Helden (Bluntschi) – Regie: Alfred Vohrer (Hörspiel – SDR)
- 1947: Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick (Bahnbeamter) – Regie: Alfred Vohrer (Hörspiel – SDR)
- 1947: Otto Brand: Besuch aus dem Jenseits (Kartenspieler) – Regie: Oskar Nitschke (Hörspiel – SDR)
- 1950: Günter Eich: Die gekaufte Prüfung – Regie: Fritz Schröder-Jahn (NWDR Hamburg)
- 1951: Johannes D. Peters: Die großen Brüder – Regie: Hans Freundt (Kinderhörspiel – NWDR Hamburg)
- 1952: Günter Eich: Die Andere und ich – Regie: Gustav Burmester (NWDR Hamburg)
- 1952: Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür (Erzähler; Hörspiel mit Inge Meysel, Hans Quest und Gustl Busch, Musik Werner Haentjes) (NWDR Hamburg)
- 1953: Gerhart Herrmann Mostar: Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück (Folge: Ferndiagnose) – Regie: Gerd Fricke (NWDR Hamburg)
- 1954: Günter Eich: Das Jahr Lazertis – Regie: Fritz Schröder-Jahn (NWDR Hamburg)
- 1954: Günter Eich: Sabeth – Regie: Gustav Burmester (NWDR Hamburg)
- 1955: Willy Kleemann: Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück (Folge: Nur vier Kilometer bis zum Dorf) – Regie: Gerd Fricke (NWDR Hamburg)
- 1955: Ingeborg Bachmann: Zikaden – Regie: Gert Westphal (NWDR Hamburg)
- 1955: Günter Eich: Zinngeschrei – Regie: Gustav Burmester (NWDR Hamburg)
- 1956: Agatha Christie: Der Mord an Roger Ackroyd oder Alibi – Regie: Wolfgang Schwade (Kriminalhörspiel – NDR)
- 1958: Karl Heinz Zeitler: Die Jagd nach dem Täter (Folge: Die Villa am Teufelssee) – Regie: S. O. Wagner (NDR)
- 1959: Günter Eich: Fährten in die Prärie – Regie: Gustav Burmester (NDR)
- 1959: Walter Kolbenhoff: Die Jagd nach dem Täter (Folge: Die Affenmaske) – Regie: S. O. Wagner (NDR)
- 1960: Jochen Schöberl: Die Jagd nach dem Täter (Folge: Panik in Pearson) – Regie: Gerda von Uslar (NDR)
- 1968: Gert Hofmann: Bericht über die Pest in London, erstattet von Bürgern der Stadt, die im Jahre 1665, zwischen Mai und November, daran zugrunde gingen – Regie: Heinz von Cramer (NDR/SWF/SFB/SR)
- 1984: Günter Eich: Der 29. Februar – Regie: Peter Michel Ladiges (SWF)
- 1985: Walt Disneys: Taran und der Zauberkessel (Hörspiel)
- 1990: Walt Disneys: Arielle die Meerjungfrau (Hörspiel)
- 1992: Walt Disneys: Aladdin und die Wunderlands (Hörspiel)
- 1993: Klassik für Kids: Mozart was here (Erzähler; Hörspiel und Musik mit Justus Frantz)
- 1999: Wilhelm Busch: Max und Moritz und andere heitere Geschichten (JUMBO Neue Medien & Verlag)
- 2000: Sibylle von Olfers: Etwas von den Wurzelkindern & weitere Geschichten (JUMBO Neue Medien & Verlag)
- 2016: Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quixote von la Mancha (Erzähler, Gekürzte Lesung 918 Minuten, Neuauflage Der Hörverlag)
Literatur
- Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München • Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 734.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 6: N – R. Mary Nolan – Meg Ryan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 110 f.
Weblinks
- Literatur von und über Hans Paetsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hans Paetsch in der Internet Movie Database (englisch)
- Hans Paetsch bei filmportal.de
- Hans Paetsch in der Deutschen Synchronkartei
- Hans Paetsch in Hörspielland
- Hans Paetsch auf Europa-Vinyl
- Ralph Erdenberger: 3. Februar 2002: Hans Paetsch stirbt in Hamburg, ZeitZeichen aus Anlass des 20. Todestages
Einzelnachweise
- Hans Paetsch, der "Mann der Märchen", im Alter von 92 Jahren in Hamburg gestorben. Norddeutscher Rundfunk, 13. Februar 2002, abgerufen auf pressportsal.de am 13. Februar 2020
- „Mein Gott, ist der klein!“. Der Spiegel, 29. November 1999, abgerufen am 13. Februar 2020
- Hans Paetsch - Man muss das lieben, was man macht. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 6. Januar 2020 (deutsch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Heikedine Körting erinnert sich an Hans Paetsch auf tkkg-site.de, abgerufen am 5. Februar 2022.
- knerger.de: Das Grab von Hans Paetsch