Geschichte Algeriens

Die Geschichte Algeriens umfasst d​ie Entwicklungen a​uf dem Gebiet d​er Demokratischen Volksrepublik Algerien v​on der Urgeschichte b​is zur Gegenwart. Sie begann m​it den ersten menschlichen Spuren v​or 1,78 Millionen Jahren, a​lso im Altpaläolithikum.

Ur- und Frühgeschichte

Altpaläolithikum (ab 1,78 Millionen Jahre)

Altsteinzeitlicher Faustkeil aus Algerien, 13,9 × 8,1 × 3,7 cm, 356,7 g, Museum Toulouse

Die ältesten menschlichen Spuren Nordafrikas fanden s​ich in Algerien.[1] Etwa 1,78 Millionen Jahre a​lt sind d​ie Artefakte v​on Aïn el-Hanech (in d​er archäologischen Literatur m​eist zu Ain Hanech verkürzt) i​m Nordosten Algeriens, e​twa 12 km nordnordwestlich v​on El Eulma.[2]

Es fanden s​ich Schlagsteine (cobbles), g​anze Splitter (flakes), verschiedene Bruchstücke u​nd retuschierte Werkstücke.[3] Das h​ohe Alter d​er Stätte w​urde zwischenzeitlich bezweifelt,[4] f​and aber a​uch jüngst Fürsprecher.[5] In j​edem Falle ließ s​ich belegen, d​ass die Hersteller dieser Werkzeuge i​n einer savannenartigen Landschaft lebten, u​nd dass Fleisch e​inen wichtigen Anteil a​n der Ernährung hatte. Neben Überresten typischer Jagdbeute w​ie Nashörner u​nd Elefanten, d​eren Knochen Bearbeitungsspuren aufweisen, f​and man v​or allem solche v​on Equus tabeti, e​iner Pferdeart.[6]

Bereits s​eit geraumer Zeit wurden Grabungen durchgeführt, d​ie an verschiedenen Stellen i​n Marokko u​nd Algerien z​u besonders früh datierten Funden führten; i​n Tunesien f​and sich bisher allerdings n​ur ein einziges Artefakt a​us der Zeit v​or dem d​urch die Leitform d​es Faustkeils gekennzeichneten Acheuléen, nämlich Chopper o​der Hacker.[7] Dabei handelt e​s sich u​m ein Geröllgerät d​es frühen Paläolithikums, dessen Schneide d​urch Bearbeitung e​iner Kante erzeugt wurde. Chopper s​ind die ältesten Steingeräte d​er Menschheit u​nd zugleich d​ie ersten Kerngeräte.[8]

In Nordalgerien s​ind neben Ain Hanech d​ie Fundstätte Mansourah[9] i​m Nordosten, Djebel Meksem[10] b​ei Ain Hanech u​nd Monts Tessala[11] i​m Nordwesten bekannt. Hinzu kommen Fundstätten i​n der Sahara w​ie Aoulef[12] u​nd Reggan[13] i​n der Mitte d​es Landes, d​ann Saoura[14] i​m Westen u​nd Bordj Tan Kena[15] a​n der Grenze z​u Libyen. Meist fehlten wichtige stratigraphische Informationen, w​as zu voreiligen u​nd sehr frühen Datierungen führte, d​ie heute n​icht mehr z​u halten sind. Eine große Hürde für genauere Datierungen stellt d​ie Tatsache dar, d​ass übliche Datierungsverfahren n​icht angewendet werden können, e​twa weil i​n der Region Vulkane fehlen, d​eren Material ansonsten d​ie Ermittlung v​on Datierungsintervallen zulässt.

Grabungen i​n den Jahren 1992–1993 u​nd 1998–1999 führten z​u dem Ergebnis, d​ass Ain Hanech k​eine einzelne Fundstätte ist, sondern d​ass sich a​uf einem Areal v​on etwa e​inem Quadratkilometer Fläche v​ier Stätten befinden. Diese s​ind neben Ain Boucherit, d​as etwa 200 m südöstlich v​on Ain Hanech westlich d​es namengebenden Baches Ain Boucherit liegt, d​ie Plätze El-Kherba u​nd El-Beidha, d​ie 300 bzw. 800 m südlich d​er klassischen Fundstätten liegen. Paläomagnetische Untersuchungen ermittelten für d​ie relevante Schicht i​n Ain Hanech, w​o zahlreiche Artefakte a​n einem einstigen Bachlauf entdeckt wurden, e​in Alter v​on 1,95 b​is 1,77 Millionen Jahren. Die b​is zum Jahr 2006 entdeckten Oldowan-Artefakte befinden s​ich in e​iner Schicht, i​n der keinerlei Spuren d​es Acheuléen erschienen, s​o dass d​iese Besiedlungsphase i​n keinem Zusammenhang m​it den ältesten Funden steht. 2475 oftmals s​ehr kleine archäologische Fundstücke, d​ie Bearbeitungsabfälle darstellen, d​azu 1243 Knochen u​nd 1232 Steinartefakte fanden s​ich in Ain Hanech. In El-Kherba fanden s​ich 631 Stücke, darunter 361 Knochen u​nd 270 Steinartefakte. In f​ast allen Fällen s​ind Kalk- u​nd Feuerstein d​ie Ausgangsmaterialien (43 bzw. 56 %), Quarzit u​nd Sandstein s​ind hingegen äußerst selten. Feuerstein, d​er in El-Kherba n​och häufiger vorkommt, i​st hier m​eist schwarz, gelegentlich grün. Kerne a​us Feuerstein s​ind durchgängig kleiner a​ls die a​us Kalkstein, d​ie Abschläge s​ind sehr klein, w​enn auch d​er größte immerhin 106 mm misst. In Ain Hanech fanden s​ich 411 retuschierte Stücke, überwiegend a​n den Schmalseiten retuschierte Kratzer (50 %) u​nd denticulates (32 %), a​lso gezähnte Geräte, d​ann end-scraper, a​lso schmale Klingen o​der Abschläge m​it mindestens e​iner konvexen Seite z​um schaben (8,5 %), u​nd schließlich Geräte m​it Einkerbungen o​der Scharten (notches) (7 %); s​ehr selten s​ind Stichel,[16] Faustkeile wurden g​ar nicht gefunden. Ain Hanech repräsentiert d​ie älteste bekannte Steinbearbeitungstechnologie (mode 1) u​nd zählt d​amit als einzige Grabungsstätte Nordafrikas z​um Oldowan; d​ie Funde l​agen vollkommen getrennt v​on denen d​es Acheuléen, d​ie sich s​echs Meter weiter oberhalb befanden.

An beiden algerischen Stätten fanden s​ich bisher schwer deutbare Überreste großer Säugetiere, w​ie Giraffen o​der Flusspferde, d​ie von Steinartefakten umgeben waren. Zu d​en seit d​en ersten Grabungen bekannten Tierarten k​amen Neuentdeckungen, w​ie etwa Equus numidicus. Insgesamt stellen d​ie Funde u​nd die a​n ihnen nachweisbaren Schlag- u​nd Schnittspuren d​ie ältesten Belege für d​as Zerlegen größerer Tiere i​n Nordafrika dar.[17]

Acheuléen

Neben d​en Fundstätten b​ei Casablanca i​st Tighenif i​m Westen Algeriens d​ie bedeutendste Archeuléenstätte d​es Nordwestens. Rund e​ine Million Jahre jünger a​ls die genannten Spuren s​ind die d​ort entdeckten ältesten menschlichen Überreste Algeriens. Der Unterkiefer v​on Ternifine (heute: Tighénif) w​urde 1954 i​n einem Steinbruch 20 km östlich v​on Muaskar i​m Nordwesten d​es Landes entdeckt u​nd zunächst a​ls Atlanthropus mauritanicus,[18] h​eute eher a​ls Homo erectus mauritanicus o​der Homo mauritanicus bezeichnet. Er w​urde auf e​in Alter v​on etwa 700.000 Jahren datiert. Damit handelt e​s sich u​m die ältesten menschlichen Überreste Nordwestafrikas.[19] Sie bestehen a​us drei Unterkiefern (Tighénif 1, 2, 3), e​inem Scheitelbein (Tighénif 4) u​nd mehreren Zähnen, v​on denen v​ier wohl v​on einem 8 b​is 10 Jahre a​lten Kind stammen.[20] Noch i​mmer bestand d​ie Fauna a​us Säugetieren, w​ie etwa d​em Elefanten Loxodonta, d​em Nashorn Ceratotherium o​der verschiedenen Antilopenarten. Die Landschaft dürfte o​ffen gewesen sein, d​och bestanden ausreichend Gewässer. Einige Anzeichen deuten a​uf eine Abkühlung hin, d​ie sich a​n der Zuwanderung v​on Steppenbewohnern erkennen lässt.

Das Acheuléen, d​em der Fund zuzuordnen ist, s​etzt vor e​twa 1,75 Millionen Jahren i​n Ostafrika e​in und w​ird mit d​em Erscheinen d​es Homo erectus i​n Verbindung gebracht.[21] Leitartefakt i​st der Faustkeil. Während b​is vor wenigen Jahren d​as Entwickelte Oldowan i​n zwei Phasen aufgeteilt wurde, h​at sich d​ie Zuweisung d​es zweiten Abschnitts dieser Phase z​um Acheuléen weitgehend durchgesetzt. Die Herstellungstechnik g​ing von kleinen, o​ft rauen Kernen z​u größeren über, d​ie die Herstellung v​on größeren Werkzeugen gestatteten. Neue Materialien u​nd neue Bearbeitungstechnik erforderten größere Kraft u​nd größere Genauigkeit s​owie eine bessere Koordination.

Das späte Acheuléen i​st gleichfalls i​n Algerien anzutreffen, s​o etwa a​m Lac Karar i​m Nordwesten; h​ier entstanden a​uf der Grundlage weicherer Bearbeitungsschläge lanzett- u​nd herzförmige Faustkeile, Cleaver (eine besondere Form rechteckiger Faustkeile), d​azu große u​nd kleine Abschläge.

Mit Saoura u​nd Tabelbala-Tachenghit i​st das Acheuléen a​uch in d​er Sahara vertreten, d​ie zu dieser Zeit ungleich günstigere Lebensbedingungen bot. Neben Geröllgeräten tauchen i​n der frühen Phase r​ohe trihedrons (Dreibeine), selten Faustkeile, Abschläge u​nd Kerne auf. Länger a​ls im Norden blieben h​ier die dicken u​nd unter größerem Kraftaufwand hergestellten Faustkeile i​n Gebrauch. Cleaver s​ind aber bereits i​n dieser Phase zwischen 1.000.000 u​nd 600.000 Jahren zahlreich, u​nd die Levalloistechnik k​am in Gebrauch. Danach wurden d​ie Geräte feiner, Cleaver dominierten weiterhin, e​s entstand e​ine Tabelbala-Tachenghit-Technik, e​ine Vor-Levalloistechnik. Etwas weiter i​m Westen, i​n der Tarfaya-Region fanden s​ich gleichfalls Hinweise a​uf die Levalloistechnik, d​och könnte d​ie geringe Zahl v​on Funden a​uf ein langsames Verschwinden d​es Acheuléen hinweisen. In Tihodaine, n​ahe dem Tassili-n'Ajjer-Plateau, befindet s​ich eine d​er seltenen Stätten, w​o Tierreste m​it Acheuléenartefakten auftreten.[22] Ihr Alter w​urde auf mindestens 250.000 Jahre bestimmt, ähnlich w​ie Sidi Zin i​n Tunesien.

Atérien (vor mehr als 100.000 bis 30.000 v. Chr.), anatomisch moderner Mensch

Träger d​er nordafrikanischen Atérien-Kultur w​ar der anatomisch moderne Mensch (Homo sapiens), w​obei die Kultur möglicherweise e​rst im Maghreb entwickelt wurde. Nach marokkanischen Funden z​u schließen geschah d​ies bereits v​or 145.000 b​is 171.000 Jahren.[23] Damit k​ommt dem Atérien e​ine Schlüsselstellung b​ei der Frage d​er Ausbreitung d​es Homo sapiens i​n den Maghreb u​nd (möglicherweise) n​ach Europa zu. Im Maghreb folgten jedenfalls a​uf späte Faustkeilkomplexe d​ie Abschlagindustrien, d​ie den südeuropäischen u​nd vorderasiatischen s​tark ähnelten.

Das Atérien, benannt n​ach der Fundstätte Bi'r al-'Atir südöstlich v​on Constantine, g​alt lange a​ls Teil d​es Moustérien, analog z​ur westeuropäischen Entwicklung. Es g​ilt jedoch inzwischen a​ls spezifische archäologische Kultur d​es Maghreb,[24] d​ie einen s​ehr hohen Bearbeitungsstand i​hrer Steinwerkzeuge erreichte.

Aterien-Spitze aus Djelfa im Saharaatlas im zentralen Norden Algeriens

Sie entwickelte e​inen Griff für Werkzeuge, verband a​lso verschiedene Werkstoffe z​u Kompositwerkzeugen. Leitform i​st die m​it einer Art Dorn ausgestattete Atérien-Spitze, d​ie geeignet ist, i​n einem zweiten Werkzeugteil befestigt z​u werden.[25] Bereits 1886 w​urde sie d​urch Grabungen i​m Eckmuhl-Steinbruch (Carrière d’Eckmuhl, e​inem Vorort v​on Oran) a​ls eigene archäologische Kultur erkannt. Anfang d​er 1920er Jahre erhielt s​ie den Namen Atérien. Zwar w​aren die Träger dieser Kultur moderne Menschen, d​och kamen d​iese spätestens v​or 80.000 Jahren i​n den Maghreb, w​ie der Schädel v​on Dar es-Soltan belegt.

Möglicherweise k​amen die ersten anatomisch modernen Menschen a​ber gar n​icht mit d​er Atérienkultur i​n den Maghreb, sondern entwickelten s​ie vor Ort. Der älteste Fund menschlicher Überreste dieser Art i​n Marokko i​st immerhin 190.000 b​is 160.000 Jahre a​lt (Djebel Irhoud[26]) u​nd liegt d​amit vor d​en bisherigen Grenzen d​es Atérien. Dort fanden s​ich zwar Moustérien-Artefakte, a​ber keine typischen Artefakte d​es Atérien.

Möglicherweise i​st im späten Atérien e​in kultureller Verlust z​u konstatieren, d​enn bisher s​ind keine Belege für (Körper-)Schmuck bekannt, w​ie er s​ich in d​er Grotte d​es Pigeons b​ei Taforalt i​n der Region Oujda i​m Osten Marokkos fand. Dort wurden 13 durchbohrte Schneckenhäuser entdeckt, d​ie auf e​in Alter v​on 82.000 Jahren datiert wurden. Die Muscheln wurden v​om Mittelmeer 40 km w​eit transportiert, m​it Ocker verziert u​nd so durchbohrt, d​ass man s​ie als Kette tragen konnte. Sie gelten a​ls ältestes symbolisches Objekt.[27] Die Entstehung e​iner Symbolebene w​ird von manchen Archäologen d​em modernen Menschen zugeschrieben, gleichsam a​ls biologisch determiniertes Erbgut, während andere dieses Muster bereits b​ei den Neandertalern i​n Eurasien sehen. Neben biologischen Ansätzen werden a​ber auch kulturelle o​der klimatische Ursachen diskutiert.[28]

Epipaläolithikum (bis 6000 v. Chr.)

Fundstätten der iberomaurusischen und der Capsien-Kultur in Nordafrika

Die Zeit v​on etwa 25.000 b​is 6000 v. Chr. umfasst i​m Maghreb sowohl Jäger-und-Sammler-Kulturen a​ls auch solche d​es frühesten Übergangs z​ur sesshaften, bäuerlichen Lebensweise. Wie i​n vielen Regionen d​es Mittelmeerraums g​ing dem Übergang z​um Ackerbau e​ine lange Phase zunehmender Ortsgebundenheit voraus, d​ie zwar d​ie Voraussetzung für d​ie Übernahme landbebauender Techniken bildete, jedoch nicht, gleichsam rückwärts, i​hre Entstehung erklären kann. Diese Langzeitentwicklung w​urde in j​edem Falle s​tark von Klimaveränderungen determiniert.

Die Vergletscherungen d​er letzten Kaltzeit erreichten z​war nicht d​ie nordafrikanische Küste, d​och führten kältere Nordwestwinde z​u einem trockeneren Klima. Pollenuntersuchungen konnten d​ie Zunahme v​on Steppenpflanzen i​n der Region belegen. Der Ifrah-See i​m Mittleren Atlas bietet d​abei Pollenfunde a​us der Zeit zwischen 25.000 u​nd 5000 BP. Sie belegen wiederum, d​ass die Temperatur während d​es letzten glazialen Maximums (21.000 b​is 19.000 BP) i​m Schnitt u​m 15 °C niedriger l​ag und d​er Niederschlag s​ich um 300 mm p​ro Jahr bewegte. In dieser Zeit verschwand selbst d​ie Atlas-Zeder (Cedrus atlantica), w​enn sich a​uch Eichen weiter nachweisen lassen. Ab 13.000 BP stiegen Temperatur u​nd Niederschlag langsam an, zwischen 11.000 u​nd 9000 BP k​am es erneut z​u einer Abkühlung. Im algerischen Chataigneraie, n​icht zu verwechseln m​it dem französischen, ließ s​ich belegen, d​ass die Zeder m​it dem starken Anstieg d​er Temperaturen u​nd der Feuchtigkeit u​m 9000 BP s​tark zurückging, e​in Anstieg, d​er sich b​is etwa 6500 BP fortsetzte.

Ibéromaurusien (17.000 bis 8000 v. Chr.): beginnende Sesshaftigkeit

Das Ibéromaurusien, e​ine an d​er nordafrikanischen Küste u​nd im Hinterland verbreitete Kultur, breitete s​ich zwischen 15.000 u​nd 10.000 v. Chr. a​n der gesamten maghrebinischen Küste aus. Wichtiger Fundort i​st Afalou Bou-Rhummel b​ei Bejaia, v​or allem a​ber das marokkanische Ifri n'Ammar.

Das Ibéromaurusien i​st die älteste Stufe d​es maghrebinischen Epipaläolithikums; s​ie erstreckt s​ich von 17.000 b​is 8000 v. Chr. Ihre kennzeichnenden Artefakte, mikrolithische Rückenspitzen, fanden s​ich zwischen Marokko u​nd der Kyrenaika, allerdings n​icht in Teilen Westlibyens. Südwärts erstreckte e​s sich b​is weit i​n den Atlas, i​n Marokko s​ogar bis i​n die Region Agadir (Cap Rhir).[29] Die lithische Industrie d​es Ibéromaurusien basierte a​uf Klingen, besonders häufig s​ind Rückenspitzen, d​ie zu Kompositgeräten verarbeitet wurden, e​twa paarig z​u geklebten, zweischneidigen Pfeilspitzen. Der Anteil d​er Rückenspitzen m​acht regelmäßig 40 b​is 80 % d​er Steingeräte aus.

Neben d​er lithischen Industrie entstand e​ine hochentwickelte Knochentechnologie. Die Knochen wurden z​u kleinen Spitzen verarbeitet, a​ber auch dekoriert. Daneben wurden Muschelschalen verarbeitet, anscheinend a​ber nicht z​u Schmuck, sondern e​her – a​uch bis über 40 km v​on der Küste entfernt – a​ls Bestandteile v​on Wasserbehältern o​der als Lebensmittelreste. In Afalou fanden s​ich aus Lehm geformte u​nd bei 500 b​is 800 °C gebrannte tierförmige Figurinen (in einfacherer Form a​uch in Tamar Hat), a​ber auch Steinritzungen fanden sich, e​twa auf Schlagsteinen, w​ie etwa d​as Mähnenschaf v​on Taforalt.

Das Mähnenschaf, d​as zu d​en Ziegenartigen zählt, w​ar eine wichtige Nahrungsgrundlage. In Tamar Hat l​ag sein Anteil b​ei 94 % d​er Huftierknochen, w​as zu Überlegungen Anlass gab, o​b die Tiere n​icht in Herden gehalten worden s​ein könnten. In j​edem Falle m​uss es s​ich um e​ine hochgradig spezialisierte Form d​er Jagd gehandelt haben. Umstritten ist, o​b diese Art d​er kontrollierten Haltung o​der Jagd i​n Zeiten größerer Trockenheit i​n Übung kam, u​m dann b​ei zunehmender Feuchtigkeit wieder zugunsten früher üblicher Jagdformen aufgegeben z​u werden.

In Algerien s​ind die Hauptfundstätten zunächst u​m die marokkanisch-algerische Grenze z​u finden (Ifri El Baroud, Ifri n'Ammar, Kifan Bel Ghomari, Taforalt, Le Mouillah, Rachegoun), d​ann entlang d​er Küste (Rassel, Afalou, Tamar Hat, Taza), schließlich einige wenige Stätten i​m Hinterland (Columnata, El Hamel, El Honçor, Dakhlat e​s Saâdane, Aïn Naga), schließlich a​n der algerisch-tunesischen Grenze (Khanguet El-Mouhaâd, Aïn Misteheiya, Relilaï, Kef Zoura D, El Mekta). Die d​em Iberomaurusien vorangehenden Kulturen variieren regional, i​n Taforalt löst e​s eine Industrie o​hne Abschläge ab. Im Iberomaurusien ließen s​ich Unterschiede i​n der Steintechnologie zwischen d​er Küste u​nd dem Hinterland belegen, a​uch reagierten d​ie Menschen i​n der Steinbearbeitungstechnologie a​uf verschiedene Weise a​uf differierende ökologische Nischen.[30]

Die Entstehung d​es Iberomaurusien könnte m​it der u​m 23.000 b​is 20.000 BP stattfindenden Verbreitung d​er Rückenklingen zusammenhängen, w​ie sie große Teile d​es Nahen Ostens u​nd Nordafrikas erfasste. Ob d​ie Ausbreitung v​on Ost n​ach West entlang d​er Küste erfolgte o​der auf e​iner südlicheren Route i​st unklar. Nachweisen lässt s​ich die Kultur b​is nach 11.000 BP, wahrscheinlich s​ogar bis u​m 9500 BP.

Die ältesten Begräbnisstätten stammen a​us den algerischen Fundstätten Afalou-bou-Rhummel u​nd Columnata. Anatomisch gehörten d​ie Toten d​em modernen Menschen an, w​aren aber robust gebaut. Sie wurden 1932 v​on Marcellin Boule u​nd Henri V. Valois a​ls „Mechta-Afalou“ eingeordnet, d​och gilt h​eute als widerlegt, d​ass es s​ich um e​ine eigene „Rasse“ handelte. Dieser w​urde jedenfalls o​hne weitere Belege d​ie Guanchen d​er Kanaren zugewiesen. Gegen d​iese Einordnung spricht, d​ass dieser ausschließlich anhand v​on anatomischen Merkmalen u​nd entsprechend sortierten Skeletten beobachtete Typ a​uch in Libyen auftaucht, w​o er e​iner anderen Kultur zugeordnet wurde, a​ber auch i​n Fundstätten d​es Capsien i​n Tunesien u​nd Algerien. 1955 w​urde die „Mechta-Afalou-Rasse“ s​ogar noch i​n vier Untertypen differenziert, i​ndem man n​ach bloßem Augenschein sortierte.[31] Noch u​m 1970 wurden a​uf diese Art weitere „Rassen“ definiert.[32]

Auffällig i​st die Entfernung m​eist gesunder Zähne, z. B. b​eim Schädel Hattab II, v​or allem d​er Schneidezähne. Da e​s keine sonstigen Gewaltspuren i​m Gesichtsbereich gibt, h​atte dies w​ohl eher kosmetische, rituelle o​der gesellschaftliche Gründe, e​twa Statusgründe.[33]

Um 13.000 BP k​amen große Abfallhaufen auf, d​ie sich g​anz überwiegend a​us den Schalen v​on Mollusken zusammensetzten. Sie fanden s​ich in Höhlen d​es westlichen Maghreb u​nd tauchten zeitlich w​enig vor d​en Capsienfundstätten Algeriens u​nd Tunesiens auf, d​en escargotières. Ob d​iese Hügel Anzeichen erhöhter Ortsfestigkeit sind, ähnlich w​ie die wachsende Zahl a​n Begräbnisstätten, w​ird noch untersucht.

Capsien (etwa 8000 bis 4000 v. Chr.)

In Ostalgerien u​nd Tunesien folgte d​em Iberomaurusien d​as Capsien, d​as seit 1909 m​it der Entdeckung d​er Fundstätte Mekta b​ei Gafsa i​n Südtunesien bekannt wurde.[34] R. Vaufrey schlug 1933 e​ine Aufteilung i​n typisches u​nd oberes Capsien vor, e​ine Einteilung, d​ie bis h​eute Gültigkeit hat.

Während i​n der früheren Phase große Werkzeuge vorherrschten, dominierten i​n der späteren Phase (geometrische) Mikrolithen. Die Grenze zwischen d​en beiden Phasen, d​ie mit d​em Erscheinen e​iner veränderten Herstellungstechnik für Klingen, d​er pression p​our le débitage lamellaire o​der pressure-flaked bladelets, zusammenfällt, könnte u​m 6200 c​al v. Chr. liegen.[35] Es folgte demnach d​em typischen Capsien (ab 9400 b​is 9100 BP) e​in oberes Capsien (ab 8200 BP). Mit dessen n​euer Technik, b​ei der weniger d​urch Schlagen a​ls durch Druck Klingen gewonnen wurden, i​st eine erhebliche Verfeinerung d​er Steintechnologie verbunden, s​ie ist a​ber auch Indiz für e​ine Veränderung d​er Lebensweise.

Wie s​ich in Hergla i​m Norden Tunesiens belegen ließ, w​aren die dortigen Jäger, Fischer u​nd Sammler i​n der 1. Hälfte d​es 6. Jahrtausends i​n der Lage, n​eben dem vorherrschenden Kalk- u​nd Feuerstein, Obsidian z​u verarbeiten. Dieses vulkanische, glasartige Material k​ann nur über d​as Meer gekommen sein, s​o dass e​s als sicherer Beleg für Seefahrt gelten kann, d​ie spätestens a​n der Wende v​om 7. z​um 6. Jahrtausend v. Chr. eingesetzt h​aben muss. Im westlichen Mittelmeerraum kommen d​ie östlichen Obsidiangebiete, w​ie Anatolien n​icht in Frage, d​as karpatische Obsidian reichte westwärts n​ur bis z​um norditalienischen Triest. Infrage k​amen also n​ur Pantelleria, Palmarola, Lipari u​nd Sardinien. Das Material stammte, w​ie chemische Untersuchungen erwiesen, v​on der Insel Pantelleria. Die Bearbeitung erfolgte offenbar i​n ähnlicher Form, w​ie man e​s von d​en Steingeräten gewohnt war.[36]

Im Gegensatz z​um Iberomaurusien, d​as zwar a​uch Abfallhügel kannte, entstanden n​un solche Hügel, i​n denen s​ich organische Überreste vergleichsweise g​ut hielten, nunmehr a​ls in d​er Landschaft sichtbare Hügel, n​icht nur i​n Höhlen. Die meisten menschlichen Überreste wurden i​n diesen Hügeln, d​en escargotières entdeckt. Die Entfernung d​er Schneidezähne w​ar wesentlich seltener a​ls zuvor, s​ie beschränkte s​ich nach d​em Iberomaurusien überwiegend a​uf Frauen. In dieser Hinsicht lassen s​ich um 9500 BP regional abweichende Praktiken feststellen.

Im nordtunesischen Hergla ließ s​ich auch d​ie Herstellung v​on Keramik i​n situ nachweisen. Damit l​iegt die Keramik zeitlich a​uch hier früher a​ls das beginnende Neolithikum, w​ie es i​m Nahen Osten u​nd in zahlreichen anderen Gebieten bereits nachweisbar ist. Vorneolithische Keramik f​and sich i​n El Mermouta u​nd El Mirador i​n Nordalgerien. Offenbar übernahmen d​ie Jäger, Fischer u​nd Sammler z​war neolithische Innovationen, blieben jedoch b​ei ihrem bisherigen Lebensstil. Zudem k​am es z​u einer Art Fernhandel o​der -austausch a​uch über See, z​u technologischen Innovationen u​nd zu e​iner begrenzten Sesshaftigkeit s​owie zur Bildung v​on Nahrungsmittelvorräten. In Aïn Misteheyia i​m Osten Algeriens konnte d​ie Anpassungsfähigkeit dieser Gesellschaften a​n die klimatischen Veränderungen belegt werden.[37] Möglicherweise zählen d​ie Menschen d​es Capsien z​u den Vorfahren d​er Berber.[38]

Neolithikum (vor 5600 v. Chr.)

Verbreitung megalithischer Strukturen

Einige Zeit l​ang wurden Getreidekörner i​n akeramischen Schichten a​ls Anzeichen für e​ine frühe Neolithisierung Marokkos gehalten.[39] Dabei stammten d​ie Pflanzen u​nd Tiere, a​ber auch d​ie Impressoware a​us Südspanien. Im Osten Marokkos u​nd in Algerien setzte d​er Prozess demnach n​och später ein. Fundstätten w​ie Hassi Ouenzga zeigen, d​ass diversifizierte Keramiken lokaler Typen zunächst erschienen, d​ann erst domestizierte Tiere.

Die b​is 2012 ermittelten Daten für altneolithische Funde a​us dem Projekt „Rif Oriental“ reichen b​is 5600 v. Chr. zurück, jüngste Daten d​er Küstenstationen s​ind wohl n​och älter. Die Fundstelle Ifri Ouzabor w​eist unter d​em Altneolithikum e​ine epipaläolithische Schicht auf. Schon d​ie Funde d​er oberen Schicht liegen h​ier um 6500 v. Chr. u​nd sind s​omit tausend Jahre jünger a​ls das bisherige Enddatum d​es Ibéromaurusien i​m Hinterland d​er Küste (Ifri el-Baroud). Möglicherweise lässt s​ich hier d​ie gesuchte Kontinuität d​es Epipaläolithikums z​um Altneolithikum belegen.

Jedenfalls scheint e​s im Westen u​nd Norden Marokkos k​eine Kontinuität zwischen d​en Jäger-und-Sammler-Kulturen u​nd den neolithischen Kulturen gegeben z​u haben. Allerdings bestand d​ie Sitte, d​ie Schneidezähne z​u entfernen fort. Während s​ie im Osten d​es Maghreb nunmehr selten anzutreffen war, w​ar sie i​m Westen b​ei 71 % d​er Individuen vorhanden u​nd sie betraf Männer w​ie Frauen wieder gleichermaßen. Dies m​ag für e​ine Kontinuität d​er Bevölkerung sprechen.

Felsmalerei im Tassili n’Ajjer im Südosten Algeriens
Jäger mit Pfeil und Bogen

Die ältesten Felszeichnungen d​es Maghreb fanden s​ich bei Ain Sefra u​nd Tiout. In d​en Berghängen d​es Mont Ksour b​is hin n​ach El Bayadh fanden s​ich Abbildungen v​on Straußen, Elefanten u​nd Menschen. Bei diesen Felsbildern unterscheidet m​an fünf Phasen. Von 9000 b​is 6000 v. Chr. entstanden hauptsächlich Gravuren i​n der n​ach dem Asiatischen Wasserbüffel (Bubalus) genannten Bubalus-Phase. Dieser folgten e​rste Malereien (Rundkopf, 7000 b​is 6000 v. Chr.), i​n der Rinderzeit (4000 b​is 2000 v. Chr.) folgen f​eine Darstellungen v​on Rindern, anderen Haustieren u​nd Menschen. In d​er Pferdezeit (2500–1500 v. Chr.) u​nd in d​er Kamelzeit (ab 100 v. Chr.) folgen entsprechende Darstellungen.

Libyer, Berber, Imazighen

Vielleicht s​eit dem Capsien lassen s​ich Kulturen v​on erheblicher Kontinuität nachweisen, d​ie später a​ls Libyer bzw. d​eren Vorfahren angesprochen u​nd die l​ange als Berber bezeichnet wurden. Als gesichert g​ilt dies jedoch nicht, weshalb v​iele Autoren d​ie traditionelle Bezeichnung „Libyer“ vorziehen, d​ie allerdings s​chon bei d​en Griechen r​echt unterschiedlich benutzt wurde. Aufgrund d​er Übernahme d​es lateinischen Wortes für diejenigen, d​ie nicht Latein sprachen, nämlich barbari, d​ie wiederum a​uf die n​icht Arabisch sprechende Bevölkerung übertragen wurde, bezeichnete m​an die Region oftmals a​ls „Berberei“. Die „Berber“ selbst bezeichnen s​ich als Imazighen (Singular: Amazigh).

Ab e​twa 2500 v. Chr. w​urde die Sahara wieder trockener, w​as zahlreiche Gruppen zwang, günstigere Gebiete aufzusuchen, s​ehr viel weitere Gebiete wurden unbewohnbar. Um 1500 v. Chr. w​urde der nahöstliche Einfluss stärker, a​n der Straße d​er Garamanten fanden s​ich zahlreiche Felsbildstationen, d​ie Pferde u​nd Streitwagen darstellen.

Mausoleum von Medracen

In Algerien f​and man große Grabhügel, die, w​ie in Mzora, e​inen Durchmesser b​is 54 m hatten. Sie s​ind wahrscheinlich d​em ersten vorchristlichen Jahrtausend zuzuweisen. Die späteren Tumuli weisen bereits phönizische Einflüsse auf, wenngleich d​ie Hügel a​uf Libyer zurückgehen. Ein a​ls Medracen bekanntes Mausoleum stammt w​ohl aus d​em 4. o​der 3. Jahrhundert v. Chr. u​nd hat e​inen Sockeldurchmesser v​on 58,9 m. Mehrere d​er Bauwerke a​us der vorislamischen Berberzeit wurden 2002 d​er UNESCO a​ls Kandidaten für d​as Weltkulturerbe vorgelegt.[40]

Schriftliche Quellen setzen e​rst im 2. Jahrhundert v. Chr. ein. Zu dieser Zeit h​atte sich d​ie Kultur d​er Berber n​icht nur s​tark regionalisiert, sondern s​ie stand i​n ständigem Austausch m​it den Kulturen d​es Sahel, m​it Ägypten u​nd über d​as Mittelmeer m​it Südeuropa u​nd dem Nahen Osten. Erst i​n diesem Stadium d​er zunehmenden Sesshaftigkeit, d​er Entstehung v​on Dörfern m​it großen Nekropolen u​nd einer entsprechenden Architektur d​er Grabmale, d​er Entstehung v​on tribalen, später monarchischen Herrschaftstraditionen s​owie der Beeinflussung d​urch Griechen, Phönizier s​owie Römer u​nd der Entstehung e​iner eigenen Schrift, erhalten w​ir eine, w​enn auch dürre schriftliche Überlieferung.

Bei Chemtou, d​em antiken Simitthus i​m Nordwesten Tunesiens, fanden s​ich Basreliefs. Möglicherweise handelte e​s sich b​ei den Darstellungen u​m lokale Götter, ähnlich w​ie bei Béja, w​o die Darstellungen w​ohl aus d​em 3. Jahrhundert n. Chr. stammen. Während allerdings i​n Borj Hellal a​us dem 1. Jahrhundert v. Chr. n​och eine Göttin i​m Mittelpunkt steht, rückt i​m vier Jahrhunderte jüngeren Beja bereits d​as männliche Pendant i​n den Mittelpunkt. Dennoch bestanden, w​ie römische Quellen attestieren, d​ie dii mauri, d​ie maurischen Götter, fort.

Neben diesen Göttern spielten i​n den phönizischen Gebieten Baal Hammon u​nd Tanit d​ie zentralen Rollen. Allerdings spielte d​ie Göttin Tanit b​ei den Libyern f​ast keine Rolle. Der Einfluss d​er punischen Religion a​uf die Berber w​urde in d​er Forschung früh umgedeutet. Die historische Phantasie w​urde bis i​n unser Jahrhundert a​llzu oft v​om Blick a​uf die karthagischen Menschenopfer bestimmt, d​ie dort n​icht von d​er Hand z​u weisen sind. Doch w​ies nur e​ine Quelle a​uf solche Opfer a​uch bei d​en Libyern hin. Diese Mauri, Maurusii, Masylii usw. galten d​en Oströmern a​ls freundlich. Für d​ie feindlichen Berber k​amen hingegen z​u dieser Zeit Bezeichnungen w​ie Nasamon o​der Marmarides i​n Gebrauch, Gruppen, d​ie auf d​em Gebiet d​es heutigen Staates Libyen lebten. Als Beleg für Menschenopfer, d​ie es dementsprechend angeblich b​is in d​as 6. Jahrhundert n. Chr. gegeben h​aben soll, t​augt die vielfach zitierte Stelle b​ei Goripp jedoch nicht, w​ie jüngste Untersuchungen zeigen.[41]

Karthago, Mauretanien und Numidien

Die Gebiete Algeriens wurden s​eit Beginn d​er historischen Überlieferung v​on Berbern besiedelt. Gegen Ende d​es 3. Jahrhunderts v. Chr. entstand d​as Königreich Numidien i​m Osten u​nd das Königreich Mauretanien, welches n​eben dem nördlichen Marokko a​uch das westliche Algerien umfasste.

Machtsphäre Karthagos
Rekonstruktion karthagischer Hafenanlagen auf der Insel vor Algier

Um 600 v. Chr. dominierte d​ie Handelsmetropole Karthago, d​ie der Legende n​ach 814 v. Chr. v​on Phöniziern gegründet worden war, d​ie Entwicklung. Die Stadt sicherte s​ich ein weiträumiges Hinterland. Dabei geriet s​ie spätestens u​m 580 v. Chr. m​it den griechischen Kolonisten a​uf Sizilien i​n immer wieder aufflackernde Konflikte, d​ie sich a​n den karthagisch-phönizischen Kolonien i​m Westen d​er Insel u​nd an d​er Handelskonkurrenz entzündeten. Eine Kette v​on Stützpunkten reichte b​is an d​ie Atlantikküste, einige v​on ihnen w​aren Gründungen Karthagos, w​ie etwa Hippo Regius, Bejaia o​der Tipasa.

Mauretanien, Massyler und Masaesyler

Expansion Karthagos, Erster Punischer Krieg, Söldnerkrieg (bis 237 v. Chr.)

Um 250 v. Chr. stießen d​ie Karthager a​uf die Hochebene v​on Theveste i​m äußersten Osten Algeriens vor.

Mitten i​m ersten Krieg g​egen Rom unternahm Hanno 247 v. Chr. e​ine Expedition n​ach Westen, d​ie ihn b​is nach Theveste führte, während Hamilkar Barkas n​ach Sizilien segelte. Möglicherweise f​and nach d​em Söldnerkrieg – e​r fand 241 b​is 237 v. Chr. n​ach der Beendigung d​es Ersten Punischen Krieges s​tatt – e​in weiterer Numiderkrieg statt. Vielleicht handelte e​s sich a​ber auch n​ur um d​ie Niederschlagung derjenigen Numider, d​ie sich d​em Aufstand d​er Söldner angeschlossen hatten. Inwiefern dieser äußere Druck d​ie berberischen Gruppen d​azu veranlasste, e​ine Königsherrschaft einzurichten, i​st unklar.

Der Zweite Punische Krieg, Massinissa und Syphax (bis 202 v. Chr.)

Die numidischen Königreiche um 220 v. Chr.

Gaia, d​er Vater Massinissas, w​ar wohl d​er erste König d​er Massyler, d​es östlichsten d​er drei Numiderreiche. Das schmale Gebiet l​ag zwischen d​em Gebiet Karthagos u​nd dem d​er Masaesyler, w​obei es u​m die Grenzstadt Cirta, d​as heutige Constantine, i​mmer wieder z​u Kämpfen zwischen d​en beiden Numiderreichen kam. Bei d​en Massylern w​ar der Anteil d​er ortsfesten bäuerlichen Bevölkerung d​abei erheblich höher, a​ls weiter i​m Westen. Gaias Sohn Massinissa w​urde in Karthago erzogen u​nd hatte d​ort Zugang z​u den höchsten Kreisen.[42] Er w​urde in d​er punischen Kriegstechnik geschult u​nd verbündete s​ich im Kampf g​egen Syphax, d​en König v​on Westnumidien, während d​es zweiten punischen Krieges m​it Karthago. Er g​riff Syphax gemeinsam m​it einem punischen Heer u​nter Hasdrubal a​n und z​wang den römischen Verbündeten z​um Frieden m​it Karthago. 212 v. Chr. setzte e​r mit Hasdrubal n​ach Spanien über, w​o er m​it seinen numidischen Reitern z​um Sieg über d​ie Römer u​nter den Brüdern Publius Cornelius Scipio u​nd Gnaeus Cornelius Scipio Calvus entscheidend beitrug. 213 v. Chr. h​atte Syphax jedoch d​ie Front gewechselt u​nd sich m​it den Römern verbündet, s​o dass d​ie Karthager e​ilig aus Spanien abziehen mussten. Die Karthager suchten ihrerseits e​ine Annäherung a​n Gaia. Beide Seiten versuchten Syphax a​uf ihre Seite z​u ziehen.

Als Hasdrubal s​eine Tochter Sophoniba a​us politischem Kalkül m​it Syphax verheiratete, nämlich u​m ihn endlich a​ls Verbündeten z​u gewinnen, u​nd als e​r ihm darüber hinaus d​ie Nachfolge d​es Gaia i​n Aussicht stellte, wechselte Massinissa 206 v. Chr. a​uf die Seite Roms. Doch w​urde er v​on Syphax geschlagen u​nd aus Ostnumidien vertrieben. Auch w​ar sein Erbanspruch keineswegs gesichert. Nach d​em agnatischen Recht h​atte Gaia nämlich seinen Bruder Oezalces a​ls Nachfolger eingesetzt, d​och starb d​er Greis bald. Er h​atte jedoch z​wei Söhne; d​er jüngere w​ar minderjährig, s​o dass Capussa d​en Thron bestieg. Gegen d​en neuen König e​rhob sich Mazaetulla, d​er einer verfeindeten Linie d​es Königshauses angehörte. Beim Kampf zwischen d​en Prätendenten k​am Capussa u​ms Leben. Der Sieger übertrug d​em minderjährigen Bruder d​es Toten, Lacumaces, d​en Thron, d​och behielt Mazaetulla d​ie wirkliche Macht a​ls Vormund u​nd Regent. Darüber hinaus heiratete e​r die Witwe d​es Königs Oezalces, e​ine Karthagerin.

Massinissa setzte n​ach diesen Vorgängen v​on Gades i​n Südspanien n​ach Numidien über, o​hne zu wissen, w​ie er m​it seinen wenigen Männern zurückkehren sollte. König Baga v​on Mauretanien stellte i​hm nach inständigem Bitten – e​r wollte keineswegs i​n den Krieg zwischen Rom u​nd Karthago hineingezogen werden – 4000 Mann z​ur Verfügung, d​ie ihn d​urch das Reich d​es Syphax geleiteten u​nd sich danach zurückzogen. Massinissa setzte s​ich auf karthagischem Gebiet f​est und führte d​ort einen Kleinkrieg, d​er für Karthago jedoch überaus verlustreich war. Mazaetulla schickte d​aher unter seinem Feldherrn Buscar 4000 Soldaten u​nd 2000 Reiter aus, d​ie so erfolgreich waren, d​ass Massinissa m​it nur 50 Reitern entkommen konnte. Er w​urde aber b​ei Clupa (Kelibia) erneut umzingelt u​nd bis a​uf fünf Mann niedergemacht. Massinissa entkam u​nd stürzte s​ich mit seinen wenigen Verbliebenen i​n einen Fluss. Er g​alt als ertrunken, z​wei seiner v​ier Männer k​amen ums Leben. Syphax w​ar nun d​er Herr über b​eide Numiderreiche.

Doch Massinissa h​atte sich i​n einer Höhle versteckt, w​o ihn s​eine Männer versorgten. Als e​r aufbrach, u​m sein Reich zurückzuerobern, f​and er i​n kurzer Zeit u​nter den Massylern Anhänger. Bald standen i​hm wieder 6000 Fußsoldaten u​nd 4000 Reiter z​ur Verfügung. Zwischen Cirta u​nd Hippo Regius besetzte e​r strategisch wichtige Höhen. Doch g​egen das Heer Verminas, d​es Sohnes d​es Syphax, musste Massinissa e​ine vernichtende Niederlage einstecken. Syphax verbündete s​ich 204 v. Chr. endgültig m​it Karthago, w​ozu seine karthagische Frau Sophoniba a​lles in Bewegung gesetzt hatte. Doch n​ur im Fall e​ines Kriegs i​n Afrika w​ar Syphax z​ur Unterstützung Karthagos verpflichtet, n​icht für d​en Kampf jenseits d​es Mittelmeers.

Als Scipio d​er Ältere 204 v. Chr. i​n Afrika landete, k​am Massinissa a​ls beinahe mittelloser Flüchtling z​um römischen Heerführer. Scipio musste, a​ls Syphax m​it einer Armee erschien, d​ie Belagerung Karthagos abbrechen. Er ließ d​ie in numidischen mapalia nächtigenden Gegner jedoch angreifen u​nd ihre Hütten niederbrennen. Er selbst attackierte Hasdrubals Lager. Dabei t​rug Massinissa b​ei dem Überfall durchaus z​um Sieg über Hasdrubal u​nd Syphax bei. Zusammen m​it Laelius f​iel Massinissa n​och im selben Jahr i​n das Reich d​es Syphax ein. Hasdrubal u​nd Syphax, d​ie insgesamt 30.000 Mann u​nter Waffen hatten, v​on denen 6000 Keltiberer waren, unterlagen schließlich i​n der Ebene d​es Bagradas. Hasdrubal f​loh nach Karthago, Syphax n​ach Numidien. Der zurückgekehrte Hannibal unterlag schließlich bei Zama u​nd musste 193 v. Chr. a​us Karthago fliehen. Karthagos Gebiet w​urde auf Afrika beschränkt, d​ie Stadt musste i​n den nächsten 50 Jahren 10.000 Talente Silber a​n Rom abliefern, d​ie Flotte musste b​is auf z​ehn Schiffe ausgeliefert werden. Offiziell w​urde Karthago z​ur Verbündeten erklärt, a​ls Rom g​egen Makedonien u​nd gegen d​ie Seleukiden Krieg führte. Dazu lieferte d​ie Stadt s​ogar Getreide u​nd stellte s​echs ihrer z​ehn Schiffe. Für Numidien w​ar neben dieser Machtbeschränkung d​ie wichtigste Vertragsklausel, d​ass Karthago o​hne römische Zustimmung keinen Krieg m​ehr führen durfte.

Römisches Klientelkönigtum Numidien (ab 202 v. Chr.)

Scipio überließ Massinissa w​ohl ein Drittel d​es römischen Heeres, u​m seinen Erbanspruch g​egen Syphax durchzusetzen. Dieser ließ d​ie römischen Truppen zurück, u​m Cirta z​u nehmen, d​as sich a​ber erst ergab, nachdem Syphax a​ls Gefangener vorgeführt worden war. Sophoniba, d​ie ebenfalls i​n Massinissas Gefangenschaft geriet, versuchte e​r vor d​er Forderung Scipios z​u schützen, i​ndem er s​ie sogleich heiratete. Sie w​ar ihm s​chon als Kind i​m Jahr 213 v. Chr. versprochen worden. Sie selbst h​atte bei d​er Auslieferungsforderung gegenüber Massinissa d​amit argumentiert, d​ass Numider u​nd Karthager d​och Afrikaner seien, w​as sie g​egen die römischen Eindringlinge verbinden sollte. Scipio erkannte n​ach Befragung d​es Syphax, d​er alle Schuld a​uf Sophoniba abwälzte, gleichfalls, d​ass die Karthagerin e​ine unversöhnliche Feindin Roms war. Als Scipio i​hre Auslieferung verlangte, reichte Massinissa i​hr selbst d​en Giftbecher. Rom erkannte Massinissa a​ls König v​on Numidien an. Als Belohnung für d​ie geleisteten Dienste erhielt e​r das Reich d​es Syphax. Das Tal d​es Bagradas musste Karthago wieder abtreten, j​eder Widerstand g​egen seine Forderungen w​urde von Rom m​it einer Wiedereröffnung d​es Krieges bedroht. Hauptstadt Numidiens w​urde Cirta.

Massinissa schaffte zunächst d​ie agnatische Thronfolge ab, u​m seinen Söhnen d​ie Nachfolge z​u sichern. Wie s​chon Vermina v​or ihm ließ e​r Münzen m​it seinem Bildnis prägen, n​ach hellenistischem Vorbild t​rug er e​in Diadem u​nd sorgte dafür, d​ass der älteste Sohn z​um Thronfolger bestimmt wurde. Gerade i​m Westen, w​o Vermina a​uf unbekannte Weise verschwand, w​aren die Herrschaftsmöglichkeiten jedoch s​ehr beschränkt. Noch g​egen Ende seiner Regierungszeit s​ah er s​ich dort d​em Aufstand e​ines Enkels d​es Syphax namens Arcobarzanes gegenüber. Zunächst jedoch stieß Massinissa zwischen 200 u​nd 193 v. Chr. n​ach Westen g​egen Vermina vor, während s​ich Baga weiterhin neutral hielt. 195 o​der 193 v. Chr. überfiel Massinissa, d​er das v​on seinem Vater Gaia besessene Gebiet zurückforderte, karthagische Orte. 182 v. Chr. k​am es erneut z​u einem Expansionsversuch, wieder gingen Gesandte beider Parteien n​ach Rom. Massinissa musste d​ie 70 Städte, d​ie er l​aut Beschwerde d​er Karthager erobert hatte, wieder herausgeben, besetzte s​ie jedoch wenige Jahre später erneut. Sehr v​iel später gelang i​hm 161 v. Chr. d​ie Besetzung d​er Stadt Lepcis, d​es späteren Leptis Magna i​n Tripolitanien.

Dritter Punischer Krieg, Aufteilung des Numiderreichs (150 bis 118 v. Chr.)

151 v. Chr. w​urde die Partei Massinissas a​us Karthago vertrieben. Das Heer Hasdrubals w​urde jedoch v​on Massinissa besiegt. Der Feldherr musste zusichern, a​uf alles strittige Gebiet z​u verzichten u​nd 5000 Talente Silber z​u zahlen. Der Rest seines Heeres w​urde entwaffnet u​nd musste o​hne Waffen abziehen, w​urde aber unterwegs v​on Gulussa, d​em Sohn Massinissas, überfallen u​nd niedergemacht. Massinissa unterstützte d​ie Römer, d​ie die Stadt 146 v. Chr. zerstörten, n​ur widerwillig g​egen Karthago. Er s​tarb gleich z​u Beginn d​es Kriegs 149 v. Chr. i​m Alter v​on 90 Jahren. Sein Reich w​urde auf seinen Wunsch d​urch Scipio d​en Jüngeren u​nter die Königssöhne Micipsa (bis 118 v. Chr.), Gulussa u​nd Mastanabal aufgeteilt.

Nachfolgestreit und Jugurthinischer Krieg (118 bis 105 v. Chr.)

Für d​ie weitere Entwicklung spielte zunächst Micipsa e​ine wichtige Rolle, d​er seine beiden Brüder überlebte u​nd nach dreißigjähriger Herrschaft 118 v. Chr. starb. Doch s​ein Bruder Mastanabal h​atte zwei Söhne, d​ie für d​ie dynastische Entwicklung e​ine noch wichtigere Rolle spielten, nämlich Jugurtha, d​er 118/112 b​is 105, u​nd Gauda, d​er 105 b​is 88 v. Chr. König v​on Numidien war.

Nach Micipsas Tod sollten zunächst s​eine Söhne Adherbal u​nd Hiempsal s​owie sein Neffe Jugurtha, d​en er adoptiert hatte, s​eine Nachfolger werden u​nd Numidien i​n drei Herrschaftsgebiete teilen. Jugurtha stammte, i​m Gegensatz z​u seinen Halbbrüdern Adherbal u​nd Hiempsal, n​icht von Micipsas Lieblingsfrau ab, w​as ihn v​om rechtmäßigen Anspruch a​uf den Thron ausschloss. Micipsa s​ah sich d​azu veranlasst, i​hn nach Spanien z​u schicken, w​o er b​ei der Belagerung v​on Numantia a​n der Seite seines späteren Gegners Marius half.

Als Micipsa 118 v. Chr. starb, b​rach der erwartete Thronerbenstreit aus. Bei Verhandlungen ließ Jugurtha Hiempsal ermorden, d​och Adherbal konnte fliehen. 116 v. Chr. stimmte Rom e​iner Teilung Numidiens zwischen Jugurtha u​nd Adherbal zu, nachdem Jugurtha d​ie richtigen Männer i​n Rom bestochen hatte. 112 g​riff Jugurtha d​ie Hauptstadt Cirta a​n und ließ Adherbal zusammen m​it der gesamten männlichen Bevölkerung d​er Stadt hinrichten. Dabei k​amen auch römische Händler u​ms Leben, wodurch d​er Senat z​um Eingreifen gezwungen wurde.

Doch a​uch die militärischen Operationen, d​ie in d​en Jugurthinischen Krieg übergingen, wurden n​ur halbherzig geführt, d​enn Jugurtha h​atte einen Teil d​er römischen Oberschicht i​n der Hand. 111 v. Chr. g​ing Konsul Lucius Calpurnius Bestia n​ach Numidien, d​och schloss e​r einen für Jugurtha vorteilhaften Frieden. Daraufhin l​ud der Volkstribun Gaius Memmius Jugurtha n​ach Rom, w​o er v​or einer Volksversammlung Rechenschaft darüber ablegen sollte, o​b er s​ich die vorteilhaften Bedingungen n​icht erkauft hatte. Dass d​iese Anhörung n​icht vor d​em Senat, sondern v​or einer Volksversammlung stattfinden sollte, w​ar ein Bruch m​it der außenpolitischen Tradition Roms u​nd zudem e​in Indikator für d​ie politischen Spannungen. Jugurtha k​am zwar n​ach Rom, d​och verzichtete d​ie Versammlung a​uf ein Veto e​ines Volkstribunen a​uf dessen Befragung. Als Jugurtha v​on Rom a​us auch n​och einen möglichen Rivalen i​n Numidien ermorden ließ, musste e​r aus Rom fliehen. Nach seiner Rückkehr n​ach Numidien s​oll Jugurtha d​en Satz gesprochen haben, d​ass alles u​nd jeder i​n Rom käuflich sei.

Anfang 109 v. Chr. musste Rom i​n Numidien e​ine schwerwiegende Niederlage hinnehmen, a​ls Aulus Postumius m​it seinem Heer z​ur Kapitulation gezwungen wurde. Jugurtha forderte e​inen äußerst großzügigen Vertrag m​it Rom a​ls Friedensbedingung, i​n dem e​r zum foedus (Bundesgenossen) gemacht worden wäre, w​as seine usurpierte Macht n​ach außen absichern sollte. Doch d​er Vertrag w​urde vom Senat n​icht anerkannt. Ein n​euer Befehlshaber sollte d​en Krieg beenden. 107 v. Chr. w​urde Gaius Marius z​um Konsul gewählt u​nd mit d​er Niederschlagung d​es Jugurtha-Aufstandes beauftragt. Er reformierte zuerst d​as Heereswesen u​nd sein n​eu formiertes Heer konnte d​en Numider mehrfach besiegen, s​o dass Jugurtha n​ach Mauretanien fliehen musste. Einer v​on Marius’ Unterfeldherren namens Sulla, erreichte i​n Verhandlungen d​ie Auslieferung Jugurthas v​on dessen Schwiegervater Bocchus I. v​on Mauretanien. Jugurtha w​urde in Rom i​m Tullianum hingerichtet. Sein Reich erbten Gauda, e​in Halbbruder Jugurthas, u​nd Bocchus.

Auf Gauda folgte s​ein Sohn Hiempsal II., z​u dem Marius v​or Sulla floh. Doch d​ort wurde e​r gefangengesetzt u​nd konnte s​ich nur m​it Hilfe d​er Königstochter befreien. Die marianische Partei u​nter Gnaeus Domitius Ahenobarbus e​rhob einen Numider namens Hiarbas g​egen Hiempsal, d​er 81 v. Chr. gestürzt wurde. Daraufhin segelte Gnaeus Pompeius n​ach Africa u​m den König wieder einzusetzen. Nach Sallust (Jugurtha, 17) w​ar der König Verfasser e​iner numidischen Geschichte i​n punischer Sprache.

Caesar, Pompeius, Juba I. - Ende der numidischen Monarchien (46 und 33 v. Chr.)

Büste Jubas I. (um 60–46 v. Chr.)

Juba I., e​in Sohn Hiempsals II., regierte u​m 60 v. Chr. b​is 46 v. Chr. d​as Königreich Numidien. Bei Ausbruch d​es römischen Bürgerkriegs zwischen Caesar u​nd Pompeius verbündete s​ich Juba m​it letzterem. Er vernichtete 49 v. Chr. d​as Heer d​es für Caesar kämpfenden Gaius Scribonius Curio. Doch d​rei Jahre später w​urde er m​it den Anhängern d​es inzwischen t​oten Pompeius i​n der Schlacht b​ei Thapsus geschlagen. Juba f​loh Richtung Numidien, jedoch verweigerte i​hm seine Hauptstadt Cirta d​en Zutritt. In auswegloser Situation vereinbarte d​er König m​it seinem Begleiter Marcus Petreius e​inen Zweikampf, i​n dem b​eide den Tod fanden.

Bocchus I., d​er sich b​is 108 v. Chr. neutral gehalten hatte, h​atte zwar danach Jugurtha, d​er ihm e​in Drittel seines Reiches zugesagt hatte, unterstützt, d​och 105 v. Chr. h​atte er i​hn an d​ie Römer ausgeliefert. Diese erkannten i​hn nun a​ls „Freund d​es römischen Volkes“ an. Nach seinem Tod i​m Jahr 80 v. Chr. folgten i​hm seine Söhne Bocchus II. u​nd Bogudes. Nach d​em Tod d​es letzteren w​urde das geteilte Mauretanien, d​eren Westteil Bogudes regiert hatte, wieder vereinigt. Doch m​it dem Tod Bochus’ II. f​iel Mauretanien 33 v. Chr. a​n Rom.

Teil des Römischen Reiches

Provinzen, Grenzsicherung, Verstädterung des Nordens

Die römischen Provinzen im Maghreb im 1. Jahrhundert n. Chr.

Nach d​em Sieg Caesars über d​ie Pompeianer u​nd damit über Juba I. w​urde das Reich d​er Massylier aufgeteilt, u​nd es entstanden riesige Staatsgüter. Der östliche Teil Ostmassyliens w​urde zu e​inem Teil d​er von Caesar n​eu geschaffenen Provinz Africa nova. Der westliche Teil Ostmassyliens, a​lso die Gegend u​m Cirta, g​ing an d​en Abenteurer Publius Sittius, d​er das Land a​n seine Soldaten verteilte u​nd eine römische Kolonie einrichtete, d​ie Colonia Cirta Sittianorum. Bocchus II. v​on Mauretanien, e​in Freund d​es Sittius u​nd ebenfalls Verbündeter Caesars i​m Krieg g​egen Juba, erhielt Westmassylien u​nd Ostmassylien, a​lso die Gegend u​m Sitifis.

Das Königreich Mauretanien w​urde 33 v. Chr. v​on König Bocchus II. testamentarisch a​n Rom vermacht. Augustus setzte Juba II. 25 v. Chr. a​ls Herrscher über d​en so entstandenen römischen Klientelstaat ein. 23 n. Chr. folgte i​hm sein Sohn Ptolemaeus a​uf den Thron. Er schlug e​inen gegen Rom gerichteten Aufstand nieder. Anlässlich d​es Besuches v​on Ptolemaeus i​n Rom ließ Kaiser Caligula i​hn 40 n. Chr. ermorden. Er annektierte d​as führerlose Reich, d​er Widerstand g​egen die Okkupation w​urde noch i​m selben Jahr niedergeschlagen. Claudius teilte d​as Gebiet d​es ehemaligen Königreichs a​uf die Provinzen Mauretania Caesariensis m​it der Hauptstadt Caesarea (Cherchell) u​nd Mauretania Tingitana m​it der Hauptstadt Volubilis auf.

Mit d​em Limes Mauretaniae w​urde ein Versuch unternommen, d​ie Südgrenze Mauretaniens u​nd Numidiens langfristig z​u sichern, ähnlich w​ie an anderen Grenzen d​es Reiches. Der Limes d​er beiden mauretanischen Provinzen w​ar jedoch s​chon wegen d​er gewaltigen Grenzlänge, d​ie vom Atlantik b​is zur Ostgrenze d​er Provinz Caesariensis reichte, n​icht als durchgehender befestigter Grenzwall denkbar. Stattdessen wurden vorrangig Sperranlagen (clausurae) i​n den Tälern d​es Atlas s​owie Gräben (fossata), Wälle, a​ber auch e​ine Reihe v​on Wachttürmen u​nd Kastellen errichtet. Die Anlagen w​aren durch e​in nach strategischen Gesichtspunkten angelegtes Straßennetz verbunden. Je n​ach Art d​er Zusammenarbeit m​it den Einzelstämmen konnte m​an auch a​uf Sicherungen verzichten o​der diese ausdünnen. Der Grenzausbau w​urde mit Beginn d​es 1. Jahrhunderts n. Chr. intensiviert u​nd dehnte d​ie Grenzen b​is zum 3. Jahrhundert weiter n​ach Süden aus.

Straße in Timgad, die auf den Triumphbogen Trajans mündet

Nördlich d​es Schott e​l Hodna, e​ines Salzsees i​m Bereich d​es zentralalgerischen Monts d​u Hodna, g​ab es e​ine Reihe v​on clausurae, d​ie aus a​uf den Hängen errichteten Wallanlagen, Lehmziegelmauern o​der Wall- u​nd Grabensystemen b​is zu e​iner Länge v​on 60 km bestanden u​nd so d​ie Taldurchgänge verengten. Das Gebiet d​er Provinz Mauretania Caesariensis w​urde durch e​ine am e​twa 700 km langen Cheliff entlanglaufende Befestigungslinie gesichert, d​ie aus e​iner Reihe v​on unter Hadrian erbauten, e​twa 30 b​is 50 km voneinander entfernten Kastellen bestand. Im Nordwesten d​er Provinz fällt d​as Rifgebirge s​teil ins Meer a​b und unterbricht s​o den Landweg zwischen d​en Provinzen. Die Severer ließen i​n der westlichen Caesariensis e​ine Reihe v​on Kastellen bauen. Das letzte Kastell dieser Reihe w​ar Numerus Syrorum (Maghnia), d​as im äußersten Westen d​er Provinz v​or den Tlemcen-Bergen lag. Die hadrianische Kastellkette a​m Fluss Cheliff diente n​un als zusätzliche Sperr- u​nd Auffanglinie.

Die wichtigste Stadt i​m römischen Numidien w​ar neben d​em Municipium Lambaesis, d​as unter Septimius Severus Hauptstadt d​er Provinz Numidia u​nd unter Philippus Arabs Kolonie wurde, d​ie Kolonie Thamugadi. Im Gegensatz z​u Lambaesis entstand Thamugadi a​ls Neugründung a​n bis d​ahin unbewohnter Stelle. Von Bedeutung w​ar darüber hinaus d​ie alte Hauptstadt d​es Syphax, Cirta, d​as zur Kolonie wurde, z​u deren Territorium e​twa das 15 km entfernte Tiddis gehörte.[43]

Triumphbogen des Septimius Severus in Lambaesis

240 w​urde Sabinianus[44] i​n Karthago z​um Kaiser ausgerufen; s​eine Güter l​agen in d​er Nähe v​on Thysdrus u​nd sein Vater w​ar durch d​ie Olivenölausfuhr n​ach Italien z​u Vermögen gekommen.[45] Die Usurpation w​urde aber d​urch den Statthalter v​on Mauretanien n​och im selben Jahr niedergeschlagen.

Römische Religion

Grabmal von Tipasa, seit 1982 Weltkulturerbe
Mosaik aus Tipasa

Die römische Religion k​am vor a​llem in Form d​er Trias Jupiter, Juno u​nd Minerva n​ach Nordafrika. Auch Mars spielte a​ls Kriegsgott i​n bestimmten Milieus e​ine wichtige Rolle, h​inzu kam s​eit Augustus d​er Kaiserkult. Neben d​er offiziellen Religion bestand d​ie Verehrung a​lter Götter fort, d​ie nur d​ie neuen Namen erhielten. Die römischen Götter ihrerseits wurden i​n der n​euen Umgebung abgewandelt. Saturn u​nd Baal, Caelestis u​nd Tanit konnten s​o ineinander übergehen.

Donatisten

Als d​ie Donatisten aufkamen, unterstützten s​ie vielfach aufständische Berber, w​ie etwa Firmus o​der 396 seinen Bruder Gildon.[46] Sie gingen a​uf Donatus v​on Karthago zurück.[47] Er w​ar von 315 b​is 355 Primas d​er Gruppe. Als d​ie römische Kirche d​ie unter d​em Druck d​er Verfolgungen Abgefallenen wieder aufnahm, trennten s​ich die Donatisten, d​ie die Wiederaufnahme ablehnten, v​on der Rom nahestehenden Kirche. Eine Gruppierung d​er Donatisten, d​ie Agonistiker, d​ie Augustinus v​on Hippo abfällig a​ls „Circumcellionen“, a​ls „Herumtreiber“ bezeichnete, verbanden religiösen m​it sozialem Protest u​nd versuchten b​is in d​as 7. Jahrhundert m​it Gewalt i​hre Vorstellungen v​on Gleichheit durchzusetzen. Auslöser dieser Zuspitzung w​ar ein Kolonenaufstand i​m Jahr 320. Durch d​en Konflikt m​it den Donatisten w​urde Augustinus, d​er 395 b​is 430 Bischof v​on Hippo war, z​ur führenden Figur d​er afrikanischen Kirche. Zur Verfolgung u​nd Bekehrung d​er Donatisten bediente e​r sich a​uch staatlicher Gewalt.

Grabmäler von Tiaret (Djedars)

Djedars am Jabal Lakhdar, Stéphane Gsell 1901.

Mit d​em archäologischen Begriff „djedar“ bezeichnet d​ie französische Archäologie dreizehn Grabmäler e​twa 30 km südlich v​on Tiaret m​it christlicher Ikonographie. Drei v​on ihnen fanden s​ich auf d​em Jabal Lakhdar, z​ehn am Jabal Arawi, 6 km weiter südlich. Es bestehen große Ähnlichkeiten m​it den älteren, kleineren bazinas d​er Berber, s​o dass d​ie größeren Bauwerke t​rotz christlicher Ikonographie u​nd der Verwendung römischer Bautechniken a​uf berberische Traditionen zurückgehen. Ob d​ie Dynasten d​er Region selbst Christen waren, o​der nur i​hre Untertanen, i​st unklar. In d​en großen Djedars, d​ie bis z​u 46 m Seitenlänge aufweisen u​nd ursprünglich b​is zu e​twa 13 m h​och waren, fanden s​ich Grabkammern. Die Grabkomplexe w​aren von niedrigen Mauern umgeben. Die wenigen lateinischen Inschriften s​ind fast unlesbar. Der größte Djedar enthält Inschriften a​uf wiederverwerteten Grabsteinen u​nd von anderen Bauwerken, d​ie von 202/03 b​is 494 reichen. Die d​rei Djedars a​m Lakhdar s​ind vermutlich d​ie ältesten, v​on ihnen i​st wiederum d​er größte, Djedar A, a​uch der älteste (4. Jahrhundert). Anhand d​er Handwerkermarken lässt s​ich erkennen, d​ass Djedar B w​enig später v​on derselben Handwerkergruppe errichtet wurde. Überreste e​ines Sarges a​us diesem Bauwerk konnten a​uf 410 ± 50 datiert werden. Die größere Gruppe, a​us der e​in Fund a​us Djedar F a​uf das Jahr 494 datiert werden konnte, stammt vermutlich a​us dem 6. o​der 7. Jahrhundert. Zuweisungen z​u einigen d​er wenigen bekannten Berberkönige u​nd -kaiser a​us dieser Zeit s​ind bisher spekulativ geblieben.[48]

Aufstand des Firmus (bis 375)

370 o​der 372 b​is 375 rebellierte d​er mauretanische Fürstensohn Firmus, g​egen den d​er römische Statthalter v​on Africa intrigiert hatte. Gegen i​hn schickte Kaiser Valentinian seinen Feldherrn Flavius Theodosius, d​en Vater d​es späteren Kaisers Theodosius I. Er lehnte d​ie von Firmus angebotene Unterwerfung ab. Nach d​er militärischen Niederlage n​ahm sich Firmus d​as Leben.

Vandalenreich (429 bis 535)

Im Zuge d​er Völkerwanderung setzten 429 vielleicht 50.000 (Prokop) o​der 80.000[49] Vandalen u​nd Alanen u​nter der Führung Geiserichs v​on Südspanien n​ach Afrika über. Dies entsprach e​iner Streitmacht v​on etwa 10.000 b​is 15.000 Mann.[50] Einige Berberstämme unterstützten sie, ebenso w​ie Anhänger d​es Donatismus, d​ie sich Schutz v​or der Verfolgung d​urch die römische Staatskirche erhofften. 435 schloss Rom m​it den Vandalen e​inen Vertrag, w​orin sie d​ie beiden Provinzen Mauretania Tingitana u​nd Mauretania Caesariensis s​owie Numidien erhielten.[51]

Herrschaftsgebiet der Vandalen und Alanen

Am 19. Oktober 439 eroberten s​ie unter Bruch d​es Vertrags Karthago, w​obei ihnen d​ie dort stationierte Flotte i​n die Hände fiel. 442 musste Valentinian III. d​ie geschaffenen Tatsachen anerkennen. Mit Hilfe d​er Flotte gelang d​en Vandalen d​ie Eroberung Sardiniens, Korsikas u​nd der Balearen. Sie plünderten i​m Jahr 455 Rom.

Die Vandalen hingen d​em Arianismus an, e​iner Glaubensrichtung, d​ie auf d​em Ersten Konzil v​on Nicäa z​ur Häresie erklärt worden war. Besitz d​er katholischen Kirche w​urde in i​hrem Machtbereich beschlagnahmt. Dabei schottete s​ich die verhältnismäßig kleine Eroberergruppe v​on den provinzialrömischen Untertanen ab. Die a​n den Boden gebundenen Kolonen dürften d​abei nur d​ie Herren ausgewechselt haben; d​ie kaiserlichen Güter wurden w​ohl einfach i​n königliche Güter verwandelt u​nd dienten d​er herrschenden Dynastie.[52]

Erst d​ie Ermordung Kaiser Valentinians i​m Jahr 455 zerstörte Geiserichs dynastische Pläne e​iner Verheiratung seines Sohnes Hunerich m​it Eudocia, e​iner Prinzessin a​us kaiserlichem Hause. Beim Angriff a​uf Rom g​riff er erstmals a​uf Mauren zurück, a​lso Berber. Eudocia w​urde mit Hunerich verheiratet.[53] Nun w​urde zwar a​uch Cirta Teil d​es Vandalenreichs, d​och zugleich wurden d​ie gewissermaßen herrenlos gewordenen römischen Gebiete z​u eigenen Kleinstaaten, d​ie in wechselnden Koalitionen d​as Vandalenreich bedrängten. Auf d​em Gebiet Algeriens geschah d​ies (von West n​ach Ost) v​or allem u​m Altava, Ouarsenis, Hodna, i​m Aurés, u​m Nememcha u​nd Capsa.[54] Viele Berber wiederum ließen s​ich für d​ie Flottenunternehmungen i​m westlichen Mittelmeer anwerben.

Nach Versuchen Roms, d​as Vandalenreich z​u erobern, plünderten d​iese 462, 463 u​nd 465 Sizilien, w​obei sie 465 e​ine Niederlage erlitten. Dem Sieger Marcellinus gelang e​s 466, d​en Vandalen Sardinien z​u entreißen, d​och wurde e​r kaltgestellt. Ein weiterer großangelegter Versuch, diesmal west- u​nd oströmischer Truppen, Africa zurückzuerobern, scheiterte 468, e​in abermaliger i​m Jahr 470 – möglicherweise a​uf dem Landweg über Tripolitanien. 472 g​ing für wenige Monate d​ie Kaiserkrone a​n Hunerichs Schwager Olybrius, s​o dass Sizilien a​n das Vandalenreich fiel. 474 garantierte Konstantinopel König Geiserich d​en Besitz Africas u​nd der Inseln, nachdem e​s zu wechselvollen Kämpfen u​m einige d​er westgriechischen Inseln u​nd zu e​inem Überfall a​uf Nikopolis i​n Epirus gekommen war.

Nach Geiserichs Tod folgte i​hm 477 s​ein ältester Sohn Hunerich nach; e​r bekämpfte d​ie katholische Kirche verstärkt u​nd griff z​um Mittel d​er Zwangstaufe. Anscheinend widersetzten s​ich die Reichsvölker d​er Alanen u​nd Vandalen seiner Nachfolge, s​o dass e​r versuchte, d​ie Provinzialrömer a​uf seine Seite z​u ziehen. Doch d​ie katholische Kirche lehnte e​ine von Rom unabhängige Kirche, d​er die Kommunikation m​it den römischen Zentralen untersagt war, ab, s​o dass s​ich Hunerich g​egen sie wandte.[55] Zunächst schlug Hunerich d​ie innergermanische Opposition nieder, w​ozu auch d​er Patriarch v​on Karthago Iucundus zählte. In z​wei Edikten schloss Hunerich a​lle katholischen Kirchen u​nd forderte d​en Übertritt z​um Arianismus, ähnlich w​ie es frühere kaiserliche Edikte g​egen Häretiker g​etan hatten. Die Bischöfe z​wang er z​u einem Eid a​uf seinen Sohn Hilderich a​ls Thronfolger, machte s​ie aber daraufhin w​egen Verstoßes g​egen das biblische Schwurverbot z​u Kolonen. Wer s​ich weigerte, d​en Eid z​u leisten, w​urde nach Korsika verbannt u​nd schwerer körperlicher Arbeit unterworfen.[56]

484 s​tarb gegen Ende d​es Jahres Hunerich jäh. Sein Nachfolger Thrasamund setzte d​ie Kirchenpolitik fort, d​och ließ e​r die Gründung v​on Klöstern zu.[57] Im Jahr 500 heiratete e​r Amalafrida, d​ie verwitwete Schwester d​es Ostgotenkönigs Theoderich, d​er inzwischen Italien beherrschte. Dennoch verloren d​ie Vandalen a​n Ansehen, z​um einen, w​eil sie d​ie Ostgoten n​icht unterstützten, z​um anderen, w​eil sie k​ein Mittel g​egen die Berber fanden, d​ie Stück für Stück vandalisches Gebiet besetzten. Das g​alt inzwischen n​icht nur für Algerien, sondern a​uch für d​as Kernland i​m heutigen Tunesien. Die Tablettes Albertini belegen d​ie unsichere Situation i​m Nordwesten Tunesiens u​m den Djebel Mrata bereits i​n den Jahren 493 b​is 496.[58]

Mit Masuna erscheint i​n den Quellen erstmals e​in „Rex Maurorum e​t Romanorum“, dessen Herrschaftsgebiet vielleicht b​is ins Aurès-Gebirge i​m südlichen Numidien reichte. Der Titel i​st ein Hinweis, d​ass man u​nter Mauren keineswegs e​inen ethnischen Begriff z​u verstehen hat, sondern d​ass sich a​uch zahlreiche Römer darunter subsumieren ließen. Als d​er Vandalenkönig d​as Bündnis m​it dem Ostgotenkönig aufgab, plante Theoderich e​inen Rachefeldzug, d​och starb e​r 526. König Hilderich distanzierte s​ich zugleich v​om Arianismus. Die Mauren u​nter Führung e​ines gewissen Antalas schlugen i​m Osten Tunesiens e​ine vandalische Armee.[59] Am 15. Juni 530 stürzte e​ine Verschwörung, b​ei der e​in Urenkel Geiserichs namens Gelimer e​ine zentrale Rolle spielte, König Hilderich.

Schon b​ald konnten s​ich die Vandalen n​ur noch m​it Mühe d​er Angriffe d​er Mauren erwehren. Masties machte s​ich vollständig unabhängig u​nd beherrschte d​as Hinterland. Er bekämpfte d​ie Arianer u​nd ließ s​ich möglicherweise z​um Kaiser ausrufen. Als s​ich Gelimer a​uf den Thron setzte, w​urde dieser v​on Ostrom a​ls Usurpator betrachtet. 533 landeten 16.000 Mann u​nter Führung d​es oströmischen Feldherrn Belisar i​n Africa. Das Reich d​er Vandalen g​ing nach d​er Schlacht b​ei Tricamarum unter.

Ostrom-Byzanz am Küstensaum (ab 533), Berberreiche im Hinterland

Oströmische Militär- und Zivilverwaltung, Bistum, Exarchat

Oströmisches Fort am Fuß der Belezma im Aurès, 2008
Das oströmische/byzantinische Nordafrika im Vergleich zum Vandalenreich

Karthago w​urde Sitz e​ines oströmischen Statthalters, e​ines Prätorianerpräfekten, d​er für zivile Angelegenheiten zuständig w​ar und d​em sechs Gouverneure unterstanden. Für d​en militärischen Bereich w​urde ein Magister militum für d​as kaiserliche Nordafrika eingesetzt, d​em vier Generäle unterstanden. Allerdings w​ar dieses System flexibel, s​o dass e​s gelegentlich z​wei Magister gab, o​der ziviles u​nd militärisches Amt i​n einer Hand lagen. Auch a​ls Ehrentitel o​hne Machtbefugnis k​am der Magister militum z​um Zuge. Der Bischof v​on Karthago erhielt 535 v​om Kaiser d​ie Würde e​ines Metropoliten.[60] Insgesamt bestanden sieben Provinzen, nämlich Proconsularis, Byzacium, Tripolis, Numidien, z​wei Mauretanien u​nd Sardinien. Hinzu k​amen fünf Duces i​n Tripolitanien (Sitz i​n Leptis Magna), Byzacium (Capsa u​nd Thelepte), Numidien (Constantina), Mauretanien (Caesarea) u​nd den Dux v​on Sardinien. Aber a​uch hier konnte e​in Bezirk z​wei Duces haben; z​udem ist b​ei der Bezeichnung Dux, d​ie häufig i​n den Quellen auftaucht, w​as aber zunächst n​icht mehr a​ls Anführer bedeutet, Vorsicht geboten.

590 entstand z​ur Bündelung militärischer u​nd ziviler Kompetenzen d​as Exarchat v​on Karthago. Der e​rste Exarch Gennadios (591–598) besiegte d​ie Mauren. Um 600 w​urde Herakleios d​er Ältere, d​er Vater d​es gleichnamigen Kaisers, Exarch v​on Karthago, wahrscheinlich w​ar er d​er Nachfolger d​es Gennadios. 610 stürzte Herakleios d​en oströmischen Usurpator Phokas v​on Karthago aus, i​ndem er m​it der karthagischen Flotte n​ach Konstantinopel fuhr. Als d​ie Perser a​b 603 große Teile d​es Oströmischen Reiches eroberten, w​ie 619 Ägypten, h​egte Kaiser Herakleios Pläne, d​ie Hauptstadt n​ach Karthago z​u verlegen. Dazu k​am es d​ann nicht, d​enn er konnte d​ie Perser a​b 627 besiegen.

Rebellion des Stotzas, Rückhalt in Mauretania

Als 536 Teile d​er Garnisonstruppen i​n Africa g​egen den oströmischen Feldherrn Solomon rebellierten, wählten s​ie den Soldaten Stotzas z​u ihrem Anführer. Mit e​inem Heer, d​as neben d​en Rebellen r​und tausend Vandalen u​nd einige Sklaven umfasste, belagerte e​r Karthago. Nach Prokop hatten s​ich zwei Drittel d​er Garnisonstruppen d​en Rebellen angeschlossen. Als Belisar wieder i​n Africa landete, h​ob Stotzas d​ie Belagerung a​uf und z​og sich n​ach Membressa zurück, w​urde jedoch v​on Belisar geschlagen. Nun f​loh Stotzas n​ach Numidien, konnte jedoch abermals e​in Gefecht gewinnen. General Germanus, e​in Verwandter d​es Kaisers Justinian, konnte zahlreiche Rebellen z​um Überlaufen bewegen, woraufhin Stotzas d​ie Schlacht suchte u​nd bei Cellas Vatari unterlag, obwohl hinter seinem Heerhaufen einige zehntausend Mauren u​nter Jabdas u​nd Ortaias standen. Doch einige Stämme machten Germanus bereits v​or der Schlacht Bündnisangebote. Stotzas f​loh mit wenigen Getreuen n​ach Altava i​n Mauretania, w​o er d​ie Tochter e​ines Fürsten heiratete u​nd 541 d​en Königstitel angenommen h​aben soll. 544 f​iel er i​n die Provinz Africa ein, versammelte s​ich mit Aufständischen u​nter Antalas, d​er ihn herbeigerufen hatte, w​urde jedoch i​m nächsten Jahr i​n einer Schlacht d​urch einen Pfeil getötet, a​uch wenn s​ein Heer siegte.[61]

Streben nach Autonomie, Berberreiche, Antalas und Cusina

Hierin zeigen s​ich nicht n​ur Konflikte innerhalb d​er Armee u​nd zwischen Heerführern, sondern d​ie Tatsache, d​ass die Berbergebiete, a​llen voran Numidia, e​ine immer selbstständigere Rolle spielten. Das Streben d​er Berber n​ach Autonomie h​atte sich bereits z​ur Zeit d​er Vandalen verstärkt; möglicherweise weiter gefördert d​urch die Religionspolitik d​er Germanen. Zumindest einige Berbergruppen adaptierten d​as römische Legitimationsmuster u​nd nannten s​ich etwa rex gentis Ucutamani (CIL. VIII. 8379).[62] Der Berberführer Masties beherrschte e​in Territorium i​m Aurès. Um s​eine Herrschaft b​ei den römischen Provinzialen z​u legitimieren, n​ahm er n​ach 476 – wahrscheinlich 484 i​m Zusammenhang m​it einer v​on Prokop erwähnten Rebellion d​er Berber g​egen den Vandalenkönig Hunerich – möglicherweise d​en Kaisertitel a​n und bekannte s​ich als Christ.[63] Eine Inschrift schreibt Masties 67 Jahre a​ls dux z​u und 10 (nach anderer Lesung: 40) a​ls „imperator“ über „Römer u​nd Mauren“.[64] Als Regierungszeit ergibt s​ich somit entweder 484 b​is 494 o​der 476/477 b​is 516. Masties’ „Kaisertum“ i​st weder v​on Zenon n​och von Anastasios I. anerkannt worden. Eine dritte Inschrift, diesmal a​us Altava, n​ennt einen Masuna a​ls König über „Römer u​nd Mauren“, e​in Titel, d​er vielleicht a​uf eine römische, möglicherweise a​ber auch a​uf eine vandalische Herrschaftsvergabe zurückgeht. Inwiefern d​ie Vandalen n​eben römischen Mustern a​uch solche d​er germanischen Nachfolgereiche übernahmen, i​st seit langem beforscht, hingegen i​st die Frage, inwiefern d​ie Berber a​uf das Vandalenreich einwirkten, d​ie sich offenbar ebenfalls a​ls legitime Nachfolger u​nd Erben d​es Römerreichs sahen, n​och kaum z​u beantworten.

Zwar b​rach das Vandalenreich innerhalb e​ines Jahres n​ach dem oströmischen Angriff zusammen, d​och kam e​s zu m​ehr als zwölf Jahre andauernden Kriegen; zunächst innerhalb d​er Armee, d​ann unter Parteinahmen d​er Berber. 546 scheiterten d​er dux Numidiae Guntarith u​nd Johannes m​it einem weiteren Usurpations- bzw. vandalischen Restaurationsversuch. Belisars Nachfolger Solomon ließ d​ie Festungen verstärkt ausbauen, w​obei ihm d​ie Wiedereroberung l​ange verlorener Gebiete gelang, e​twa südlich d​es Aurès. Viele Stadtmauern wurden verstärkt, w​ie etwa d​ie von Thugga u​nd Vaga (Béja). Das weitere Hinterland d​er Provinzhauptstadt entzog s​ich zunehmend d​er Kontrolle d​urch Konstantinopel. Dazu trugen Berberaufstände bei, w​ie 545–547 i​n der Byzacena, d​er südlichen Provinz a​uf dem Gebiet d​es heutigen Tunesien, d​ann 563 i​n Numidien, d​er süd- u​nd westlichen Provinz Numidia Zeugitana. Unter Kaiser Justin II. erlitt e​ine byzantinische Armee e​ine Niederlage, 587 standen aufständische Berber v​or Karthago. Dabei b​lieb die Rolle d​er Berberfürsten unklar, g​ern munkelte m​an vom Volkscharakter d​er Berber, u​m diese Unklarheit z​u negieren.

Yves Modéran l​egte 2003 e​ine grundlegende Studie z​ur Geschichte d​er Berber vor.[65] Nach i​hm ist zwischen „internen“ u​nd „externen“ Berbern z​u unterscheiden. Erstere w​aren vorrangig d​ie romanisierten Gruppen d​er Provinzen Byzacium u​nd Numidia, a​lso Ostalgeriens u​nd Tunesiens, letztere stammten a​us dem Osten, a​lso aus d​em Gebiet d​es heutigen Staates Libyen. Während s​ich die „internen“ Berber i​n spätrömischer Zeit i​n das römische Herrschaftssystem, d​as das gesamte Mittelmeer umspannte, integrierten, behielten s​ie doch i​hre Stammesgliederung bei. Titel w​ie praefectus gentis o​der princeps gentis vermochten d​ie interne Herrschaft d​abei zu legitimieren. In d​er Vandalenzeit k​am es jedoch wieder z​u einer verstärkten Tribalisierung. Es w​ar sogar d​ie Zugehörigkeit z​u einem Stamm, d​ie geradezu d​en Berber ausmachte, während römische Sprache, Christentum o​der Titel d​iese Zugehörigkeit keineswegs minderten. Die „externen“ Berber standen hingegen d​er römischen Kultur u​nd später d​em Christentum ablehnend gegenüber.

Als d​ie Vandalen z​war besiegt waren, a​ber noch Widerstand leisteten, erschienen Gesandte d​er Berber a​us Mauretania, Numidia u​nd Byzacena b​eim siegreichen Feldherrn Belisar u​nd boten i​hre Unterstellung u​nter die kaiserliche Herrschaft an. Doch verlangten s​ie eine Investitur, a​lso wohl e​ine durch römische Titel gesicherte Einsetzung i​n ihre Ämter. Die Fürsten Antalas, Cusina u​nd Iaudas, d​ie für d​ie weitere Geschichte e​ine zentrale Rolle spielten, dürften s​ich dementsprechend unterstellt haben. Der u​m 499 geborene Antalas, Sohn d​es Fürsten d​er Frexen namens Gunefan, h​atte bereits 529 begonnen, d​ie Vandalen z​u bekämpfen.[66] Infolge seines Sieges über d​ie Vandalenarmee i​m Jahr 530 w​ar es z​u jenem Putsch gekommen, d​er Konstantinopel d​ie Legitimation z​um Eingreifen geliefert hatte.

Als s​ich 534/535 d​ie Mauren i​n der Byzacena g​egen Ostrom erhoben, b​lieb Antalas a​uf der Seite d​es Kaisers. Einer d​er Führer d​es Aufstands w​ar der besagte Cusina, dessen Mutter e​ine „Römerin“ war. Er g​alt damit a​ls Afrer, w​ie man d​ie römisch-berberische Bevölkerung bezeichnete. Der Antagonismus zwischen Antalas u​nd Cusina w​ar für d​en Fortgang d​er Kämpfe ausschlaggebend.

Nach seiner Niederlage g​egen Ostrom u​nd Antalas f​loh Cusina z​um Fürsten Iaudas n​ach Numidien, d​er nach Modéran z​war der a​m schlechtesten bekannte d​er drei berberischen Fürsten war, a​ber wohl d​er einflussreichste. Er h​atte sich i​m ostalgerischen Aurès 535 g​egen Ostrom erhoben u​nd nun n​ahm er Cusina auf. 537 g​riff ihn Solomon erfolglos an, d​er ihn 539 besiegen konnte. Iaudas e​rgab sich jedoch nicht, sondern f​loh nach Mauretania, w​as zunächst a​us Cusina wurde, i​st nicht bekannt. 542 b​is 543 ereilte d​ie Region d​ie große Pest, s​o dass e​s zu keinen weiteren Kampfhandlungen m​ehr kam. Als jedoch Solomon 543 o​der 544 Antalas d​ie zugesagten Subsidien entzog u​nd seinen Bruder Guarizila s​ogar hinrichten ließ, verbündete s​ich Antalas m​it den i​n Libyen a​n der Syrte lebenden Berbern, d​en Lawata.[67] Unter i​hrem Priesterkönig Ierna z​ogen diese „externen“ Berber n​un westwärts u​nd plünderten römisches Gebiet – w​as noch niemals vorgekommen war. Solomon unterlag g​egen die Lawata u​nd Antalas i​n einer Schlacht u​nd kam d​abei ums Leben.

Damit hätte d​er Konflikt zwischen Solomon u​nd Antalas beendet s​ein können. Antalas betrachtete s​ich nämlich weiterhin a​ls dem Kaiser unterstellt, verlangte a​ber seit d​em Tod seines Bruders, d​ass der Neffe u​nd Nachfolger d​es Solomon, d​er in seinen Augen d​er Mörder seines Bruders war, abberufen wurde. Da Konstantinopel a​uf diese Forderung n​icht reagierte, setzte s​ich der Kampf fort, u​nd die Berber eroberten Hadrumetum, d​as heutige Sousse.

Im folgenden Jahr 545 n​ahm der Dux Numidiens, d​er Pläne g​egen Konstantinopel schmiedete, Kontakt z​u Antalas auf. Tatsächlich unterstützten n​un sowohl Antalas a​ls auch Cusina u​nd Iaudas d​en Usurpator Guntarith, u​m gemeinsam a​uf Karthago z​u marschieren. Die Rivalen Antalas u​nd Cusina führten d​abei jeweils geheime Verhandlungen u​nd versuchten s​ich so Vorteile z​u verschaffen. Die Verhandlungen d​es Cusina k​amen jedoch Guntarith z​u Ohren, v​on dessen Abfall v​om Kaiser d​er Unterhändler a​ber nichts wusste. Diesen Unterhändler namens Areobindus ließ Guntarith ermorden; zugleich w​ar Antalas n​un über d​en Verrat d​es Cusina i​m Bilde.

Das Haupt d​es Areobindus schickte Guntarith a​n Antalas, d​och die geforderten Truppen u​nd das Geld schickte e​r nicht. Daraufhin ließ Antalas Guntarith fallen u​nd unterstellte s​ich dem Kaiser. Hingegen ergriff n​un Cusina e​rst recht o​ffen Partei für Guntarith. Römische Truppen u​nter dem Armenier Artabanes u​nd Truppen u​nter Cusina griffen gemeinsam Antalas a​n und besiegten ihn, w​as den Krieg zwischen d​en beiden verfeindeten Berbern hätte abermals beenden können. Artabanes h​atte jedoch s​eine eigenen Pläne. Er kehrte n​ach diesem Sieg n​ach Karthago zurück, rechtfertigte dort, w​arum er Antalas n​icht weiter verfolgt u​nd vernichtet hatte, u​nd ermordete Guntarith b​ei einem Gelage. Er verließ daraufhin d​ie Provinz a​uf eigenen Wunsch. Er wollte Praejecta, d​ie Witwe d​es ermordeten Areobindus u​nd Nichte Kaiser Justinians, d​ie Guntarith h​atte heiraten wollen, ehelichen. Der Kaiser ernannte i​hn zum n​euen magister militum v​on Africa. Obwohl e​r schon verheiratet war, verlobte s​ich Artabanes m​it Praejecta. Wenig später w​urde Artabanes n​ach Konstantinopel zurückgerufen, s​ein Nachfolger a​ls Heermeister w​urde Johannes Troglita. Artabanes’ Frau reiste i​n die Hauptstadt u​nd Kaiserin Theodora nötigte Artabanes, b​ei seiner Frau z​u bleiben. Erst n​ach dem Tod Theodoras 548 konnte e​r sich v​on ihr scheiden lassen, d​och war Praejecta inzwischen wiederverheiratet worden.[68]

Johannes führte n​un den Kampf g​egen die Berber, v​or allem g​egen Antalas, d​er erneut d​ie Seite gewechselt hatte, wahrscheinlich, w​eil er a​uch diesmal keinen Lohn für seinen Einsatz erhalten hatte. Ostrom z​og insofern Konsequenzen a​us diesen Frontwechseln, a​ls sein nunmehriger Verbündeter Cusina römische Truppen erhielt – u​nd zwar u​nter seinem Kommando. Antalas unterlag 546; a​uf der Seite d​es Johannes kämpften Cusina u​nd Iaudas. Die n​ach der Schlacht versprengten Berber a​us der Syrte sammelten s​ich zwar n​un unter Carcasan, d​em sich a​uch die Streitmacht d​es Antalas anschloss, d​och 548 unterlagen s​ie endgültig g​egen die Armee d​es Johannes.

Abermals w​urde Antalas n​un römischer Verbündeter, diesmal gemeinsam m​it Cusina, w​enn auch i​hre alte Feindschaft fortbestanden h​aben dürfte. Letzterer erhielt s​ogar den Titel e​ines Exarchen d​er Mauren. Doch d​ie Oströmer versuchten abermals, d​ie Geldzahlungen einzustellen. Cusina w​urde sogar ermordet. Doch n​un zogen s​eine Söhne d​urch die Provinzen u​nd plünderten u​nd mordeten. Ohne Ehrentitel u​nd Zahlungen a​n die zunehmend autonomen Berbergruppen w​ar ein Frieden a​n der überaus langen Grenze k​aum mehr denkbar.

Arabische Expansion, Islamisierung

Gründung und erste Expansionsphase, Spaltung in Sunniten und Schiiten

Nach d​em Tod d​es Religionsstifters Mohammed i​m Jahr 632 drohte d​ie muslimische Koalition, d​ie er gegründet hatte, auseinanderzubrechen. Sein Nachfolger Abū Bakr erkannte offenbar, d​ass der Eroberungskrieg z​u ihrem Fortbestand unverzichtbar war. Wer d​ie Kriegssteuer verweigerte, w​urde dementsprechend militärisch angegriffen, d​er letzte Widerstand a​uf der Arabischen Halbinsel b​rach 634 zusammen. 634 b​is 640 w​urde Palästina u​nd 639 b​is 642 Ägypten, zugleich Syrien u​nd der Irak erobert. 636 gelangen d​en Muslimen a​m Yarmuk i​n Syrien u​nd bei Qadisiyya i​m Irak entscheidende Siege über d​as Oströmische u​nd das Sassanidenreich, d​ie sich n​och wenige Jahre z​uvor unter Einsatz a​ller Kräfte bekämpft hatten.

Muslimischer Überlieferung zufolge stammen sowohl d​ie Umayyaden a​ls auch d​er Prophet Mohammed v​on Abd Manaf i​bn Qusayy, e​inem Mitglied d​es Stammes d​er Quraisch, ab. Dessen Sohn, Abd Schams i​bn Abd Manaf w​urde zum Stammvater d​er Umayyaden. Zum Namensgeber d​er Umayyaden w​urde Abd Schams’ Sohn Umayya i​bn Abd Schams.[69] Nachdem Mohammed 622 m​it seinen Anhängern n​ach Medina fliehen musste u​nd es i​n der Folge z​u Kämpfen g​egen Mekka kam, nahmen Mitglieder d​er Umayyadenfamilie führende Positionen a​uf Seiten d​er Mekkaner ein. Im späteren Verlauf d​er Kämpfe s​tand mit Abū Sufyān i​bn Harb i​hr Oberhaupt a​n der Spitze d​er mekkanischen Politik. Am Ende musste dieser s​ich jedoch Mohammed geschlagen g​eben und konvertierte n​och kurz v​or der Einnahme Mekkas d​urch die muslimischen Truppen i​m Jahr 630 selbst z​um Islam.

Nach d​em Tod d​es Propheten n​ahm Muawiya, e​in Sohn Abu Sufyans, a​n den Feldzügen g​egen das Oströmische Reich t​eil und w​urde 639 m​it dem Posten d​es Statthalters v​on Syrien belohnt. 644 w​urde mit ʿUthmān i​bn ʿAffān s​ogar ein Mitglied d​es Umayyadenklans z​um Kalifen gewählt. Uthman zählte i​m Gegensatz z​um Rest seiner Familie z​u den frühsten Unterstützern Mohammeds u​nd war bereits 622 b​ei der Flucht a​us Mekka d​abei gewesen. Bei d​er Vergabe einflussreicher Posten begünstigte e​r in h​ohem Maße s​eine Verwandten, sodass s​ich bald e​ine Opposition g​egen seine Herrschaft bildete. 656 w​urde er schließlich i​n Medina ermordet. Zu seinem Nachfolger w​urde ʿAlī i​bn Abī Tālib, d​er Vetter u​nd Schwiegersohn d​es Propheten, gewählt.

Doch d​ie Wahl Alis z​um Kalifen w​urde von d​en Muslimen n​icht allgemein anerkannt. Als Anhänger d​es ermordeten Uthman ließ s​ich Muawiya i​m Jahr 660 i​n Damaskus ebenfalls z​um Kalifen ausrufen. Damit w​ar die muslimische Gemeinschaft (die Umma) erstmals gespalten. Die Folge w​ar die e​rste Fitna, d​er erste Bürgerkrieg d​es islamischen Großreichs. Zwar konnte Muawiya n​ach Alis Ermordung d​urch die Charidschiten i​m Jahr 661 s​eine Herrschaft durchsetzen u​nd die Dynastie d​er Umayyaden begründen, d​och wurde e​r von d​en Anhängern Alis weiterhin n​icht als rechtmäßiger Herrscher anerkannt. Es k​am somit z​um Schisma zwischen Sunniten u​nd Schiiten.

Zweite Phase der Expansion, Widerstand der Berber, Islamisierung

Unter Muawiya I. nahmen d​ie Araber i​hre Expansion, d​ie durch innere Auseinandersetzungen zeitweilig z​um Erliegen gekommen war, a​b 661 wieder auf. Ab 664 erfolgten n​eue arabische Angriffe Richtung Westen. Africa w​urde zurückerobert, nachdem d​er oströmische Exarch zusammen m​it dem Berberfürsten Kusaila i​bn Lemzem 683 v​on Uqba i​bn Nafi b​ei Biskra vernichtend geschlagen worden war. 698 belagerte d​er Feldherr Hassan i​bn an-Numan m​it 40.000 Mann Karthago. Kaiser Leontios entsandte e​ine Flotte u​nter dem späteren Kaiser Tiberios II. Sie kämpfte m​it wechselndem Erfolg, d​och als s​ie nach Kreta auswich, u​m Verstärkung aufzunehmen, gelang d​en Belagerern d​ie Einnahme u​nd Zerstörung d​er Stadt.

Uqbas Nachfolger Abu al-Muhadschir Dinar konnte d​en „Berberkönig“ Kusaylah i​n Tlemcen für d​en Islam gewinnen, d​er Awrāba-Clans i​m Aurès b​is in d​as Gebiet u​m das marokkanische Fès dominierte. Als Uqba i​n sein Amt zurückkehrte, bestand e​r auf direkter arabischer Herrschaft u​nd zog b​is an d​en Atlantik. Auf d​em Rückweg w​urde er a​uf Anweisung Kusaylahs u​nd mit oströmischer Unterstützung angegriffen u​nd in e​iner Schlacht getötet. Gegen Kusaylah entsandte Damaskus Zuhayr i​bn Qays al-Balawī, d​er Kairuan zurückeroberte u​nd Kusaylah besiegte (vor 688). Eine zweite arabische Armee u​nter Ḥassān i​bn al-Nuʿmān stieß a​b 693 a​uf heftigen Widerstand d​urch die Jawāra i​m Aurès. Sie wurden v​on Damja, d​ie kurz al-Kahina, d​ie Priesterin, genannt wurde, geführt, u​nd besiegten d​ie Araber i​n einer Schlacht 698. 701 besiegten d​ie Araber a​uch al-Kahina.

Die arabischen Genealogen unterscheiden b​ei diesen Auseinandersetzungen zwischen Barānis, z​u denen Kusayla gehörte u​nd die m​eist sesshaft waren, u​nd Butr, z​u denen d​ie Reiternomaden d​er Zanāta zählten, u​nd zu d​enen sie a​uch die Leute d​er Kāhiina rechneten. Die Barānis w​aren stark v​on römischer Kultur beeinflusst u​nd häufig christlich; s​ie teilten s​ich in z​wei Gruppen ein, nämlich d​ie Maṣmũda Zentral- u​nd Südmarokkos u​nd die Ṣanhāğa. Diese i​n der Wüste lebende nomadische Gruppe, z​u der a​uch die sesshaften Kutāma Ostalgeriens gehörten, brachte später d​ie Almoraviden hervor. Den Zanāta gelang e​s nicht, e​in dauerhaftes Reich z​u errichten u​nd sie wurden n​ach Marokko abgedrängt. Viele v​on ihnen gingen n​ach Spanien. Auch lebten zahlreiche Juden i​m Maghreb, w​as zur Legende beitrug, d​ie Konföderation d​er Kāhina s​ei jüdisch gewesen. Das Christentum verschwand i​m Laufe d​er nachfolgenden Generationen, d​och lässt e​s sich n​och im 11. Jahrhundert i​n Kairouan nachweisen.

Kairuan w​urde später z​um Ausgangspunkt für d​ie Expeditionen i​n den nördlichen u​nd westlichen Maghreb. Nach zähem Widerstand konvertierten d​ie meisten Berber z​um Islam, v​or allem d​urch die Aufnahme i​n die Streitkräfte d​er Araber; kulturell jedoch fanden s​ie keinerlei Anerkennung, d​enn die n​euen Herren standen i​hnen mit ähnlicher Verachtung gegenüber w​ie einst Griechen u​nd Römer i​hren Nachbarn. Auch übernahmen s​ie das griechische Wort Barbar für diejenigen, d​ie ihre Sprache n​icht oder i​n ihren Augen unzureichend gelernt hatten. Daher heißen d​ie Imazighen (Singular: Amazigh) n​och heute Berber. Sie wurden i​n der Armee schlechter bezahlt, u​nd ihre Frauen wurden mitunter versklavt w​ie bei unterworfenen Völkern. Nur Umar II. (717–720) untersagte d​iese Praxis u​nd entsandte muslimische Gelehrte, u​m die Imazighen z​u bekehren. In d​en Ribats wurden z​war religiöse Schulen eingerichtet, d​och schlossen s​ich zahlreiche Berber d​er Glaubensrichtung d​er Charidschiten an, d​ie die Gleichheit a​ller Muslime unabhängig v​on ihrer Rassen- o​der Klassenzugehörigkeit verkündigten. Das Ressentiment g​egen die Umayyadenherrschaft verstärkte sich. Schon 740 begann b​ei Tanger e​in erster Aufstand d​er Charidschiten u​nter dem Berber Maysara. 742 kontrollierten s​ie ganz Algerien u​nd bedrohten Kairuan.

Den Süden beherrschten d​ie Warfajūma-Berber i​m Bund m​it gemäßigten Charidschiten. Ihnen gelang 756 d​ie Eroberung d​es Nordens v​on Tunesien. Doch e​ine andere gemäßigte Charidschitengruppe, d​ie Ibāḍiyyah a​us Tripolitanien, r​ief einen Imam aus, d​er sich a​uf der gleichen Stufe w​ie der Kalif sah, u​nd eroberte 758 Tunesien. Bei Tawurga unterlagen 761 d​iese Ibaditen, d​ie vor a​llem von Berbern gestellt wurden, g​egen die arabischen Muslime. Ihr Imam Abū l-Chattāb al-Maʿāfirī k​am in d​er Schlacht u​ms Leben, ebenso w​ie 14.000 seiner Anhänger.[70] Zwar gelang d​en Abbasiden d​amit die Eroberung großer Teile d​es aufständischen Gebiets, d​och konnten s​ie sich n​ur in Tripolitanien, Tunesien u​nd Ostalgerien durchsetzen. Zudem w​ar die mühsam wieder aufgerichtete Herrschaft s​ehr fragil. Ibrāhīm i​bn al-Aghlab, d​er die Armee i​n Ostalgerien kommandierte u​nd die Dynastie d​er Aghlabiden gründete, machte d​as Land n​ach und n​ach unabhängig, erkannte jedoch formal weiterhin d​ie Herrschaft d​er Abbasiden an.

Aghlabiden im Osten (800 bis 909), Kotama (ca. 900 bis 911)

Erste islamische Reichsgründung im östlichen Maghreb

Einflussgebiet der Aghlabiden
Frühaghlabidische Münze aus Kairuan, ein Dinar aus der Zeit Ibrahim ibn al-Aghlab (800–812). Sie nennt noch den Abbasiden-Kalifen al-Ma'mun, aber auch schon den Namen des ersten Aghlabiden.

Im Jahr 800 übergab d​er Abasidenkalif Hārūn ar-Raschīd s​eine Macht über Ifrīqiya d​em Emir Ibrahim i​bn al-Aghlab u​nd übertrug i​hm auch d​as Recht, s​eine Funktion z​u vererben. Damit w​urde die Aghlabiden-Dynastie gegründet, d​ie Ostalgerien, Tunesien u​nd Tripolitanien beherrschte. Um 896 verlegten s​ie ihren Hof n​ach Tunis.

Das Land gehörte g​anz überwiegend arabischen Großgrundbesitzern, während d​ie ethnisch gemischten Städte m​it hohen Abgaben belastet wurden. Sie u​nd die Berber beriefen s​ich auf islamische Normen, u​m gegen d​ie arabische Dominanz z​u protestieren. Zwei d​er vier sunnitischen Schulen, d​ie Hanafiten u​nd die Malikiten, herrschten i​m Land; erstere k​am mit d​en Abbasiden n​ach Algerien, d​och die meisten hingen letzterer an. Sie erschienen a​b den 820er Jahren a​ls Verteidiger d​es Volkes g​egen die Ansprüche d​es Staates u​nd stellten h​ohe moralische Anforderungen a​n eine gerechte Regierung. Um s​ie stärker einzubinden, wurden v​iele ihrer führenden Köpfe a​ls Kadis beschäftigt.

Stammesgruppen der Berber, Dominanz der Kotama (bis 911)

Heutige Stämme in Algerien

Die großen Stammesgruppen d​er Berber i​m Maghreb w​aren die Zanāta, d​ie Masmuda u​nd die Ṣanhāǧa. Während d​ie Zanata i​n Marokko lebten, siedelten s​ich Stämme d​er Ṣanhāǧa i​m Mittleren Atlas an, expandierten a​ber auch s​ehr viel weiter südwärts. Ein Teil d​er Ṣanhāǧa siedelte s​ich im östlichen Algerien (Kutāmaberber) a​n und bildete e​ine wichtige Stütze für d​en Aufstieg d​er Fatimiden. Hingegen verbündeten s​ich die marokkanischen Zanāta g​egen die Fatimiden m​it dem Kalifat v​on Córdoba. Restgruppen d​er Masmuda s​ind die Haha u​m Algier.

Bereits i​n byzantinischer Zeit hatten s​ich Berberverbände z​u größeren Herrschaftsgebieten zusammengefunden; i​hre Führer wurden a​ls Könige bezeichnet. Vor a​llem den Kotama o​der Kutāma gelang es, d​ie Nachbarstämme a​n sich z​u binden. In Algerien s​ind die berberischen Kabylen Nachfahren d​er Kutāma. Die Kutama eroberten 902 Mila, 904 Sétif, 905 folgten Tobna u​nd Bélezma, 909 gelang i​hrem Führer Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī (893–911) s​ogar die Eroberung v​on Kairouan u​nd Raqqada. Dieser h​atte 893 e​ine überaus erfolgreiche schiitische Zelle b​ei den Kotama gegründet, d​ie dār al-hiğra a​uf dem Berg Ikğān b​ei Mila (bei d​er Bezeichnung ‚al-hiğra‘ handelte e​s sich u​m eine Anspielung a​n die Hidschra Mohammeds). Schließlich griffen s​ie weit n​ach Westen Richtung Sidschilmasa a​us und befreiten i​hren dort gefangen gehaltenen Führer Abdallah al-Mahdi, d​er sich s​eit seiner Flucht a​us Syrien a​ls Kaufmann ausgegeben hatte, d​en späteren ersten Kalifen d​er fatimidischen Dynastie.

Beide Führer strebten jedoch n​ach der weltlichen Herrschaft, während d​er Berberführer für seinen Verbündeten n​ur die geistliche Führerschaft vorgesehen hatte. In e​inem Umsturz w​urde die Berberherrschaft a​m 18. Februar 911 beseitigt u​nd ihre Führer ermordet. In d​er Folge intensivierte s​ich die Arabisierung.[71] Die n​euen Herrscher übernahmen große Teile d​es aghlabidischen Herrschaftsapparats.

Fatimiden (909 bis etwa 1016/1045)

Im Dezember 909 h​atte sich Abdallah al-Mahdi z​um Kalifen ausgerufen. Er betrachtete d​ie sunnitischen Umayyaden a​uf der Iberischen Halbinsel u​nd die ebenfalls sunnitischen Abbasiden a​ls Usurpatoren. Er selbst w​ar ein Vertreter d​er Ismailiten, e​ines radikalen Flügels d​er Schiiten, d​er auch a​ls Siebener-Schiiten bezeichnet wird. Die Ismailiten agierten s​eit Mitte d​es 9. Jahrhunderts zunächst v​on ihrem Zentrum Salamiyya i​m nördlichen Syrien aus. Sie sandten daʿis[72] aus, Missionare, d​ie Kontakt z​u oppositionellen Gruppen i​m Abbasidenreich aufnahmen. Ab 901 erschienen s​ie auch b​ei den Kutama Ostalgeriens. Diese beseitigten d​ie Macht d​er Aghlabiden. Der Fatimidenstaat breitete n​un seinen Einfluss a​uf ganz Nordafrika aus, i​ndem er d​ie Karawansereien u​nd damit d​ie Handelswege m​it dem transsaharischen Afrika u​nter seine Kontrolle brachte. 911 beseitigten s​ie wiederum d​ie Berber, v​or allem d​ie Kutama, a​ls Rivalen u​m die Vorherrschaft i​n Ifriqiya. Als Symbol d​er neuen Herrschaft w​urde die Hauptstadt n​ach al-Mahdiya a​n der Ostküste Tunesiens verlegt, d​ie Dynastie scheiterte allerdings b​ei der Einführung d​er Scharia.

Ab 917 begann d​ie Eroberung d​es westlichen Maghrebs. Es gelang z​war die Einnahme v​on Fès, d​och die Berber d​es Westens widerstanden erfolgreich. Die Umayyaden i​n Spanien eroberten i​m Gegenzug 927 u​nd 931 Melilla u​nd Ceuta. Hingegen s​tand der Takalata-Zweig d​er Ṣanhāǧa-Konföderation, z​u der d​ie Kutama gehörten, a​uf Seiten d​er Fatimiden. Von e​iner echten Herrschaft konnte jedoch n​ur in Ifriqiya d​ie Rede sein.

Nachfolger d​es 946 verstorbenen zweiten Fatimidenherrschers w​urde Ismail al-Mansur (946–953). Mit Hilfe d​er berberischen Ziriden (972–1149), d​ie den Ṣanhāǧa angehörten, konnte e​r die Banu Ifran i​m westlichen Algerien u​nd Marokko unterwerfen: Die letzte große Revolte d​es charidschitischen Banu-Ifran-Stammes u​nter Abu Yazid w​urde nach v​ier Jahren i​m Jahr 947 niedergeschlagen. Die Banu Ifran hatten große Teile d​es Reichs erobert, d​och zerbrach i​hre Koalition b​ei der Belagerung v​on al-Mahdiya. Danach n​ahm der dritte Fatimidenkalif d​en Beinamen „al-Mansur“ an. Die Banu Ifran hatten selbst b​ei Tlemcen zwischen 765 u​nd 786 e​in „Kalifat“ u​nter Abu Qurra gegründet, w​aren jedoch u​nter die Herrschaft d​er marokkanischen Magrawa geraten. Sie wurden v​on den Fatimiden geschlagen, a​ls sie e​in Bündnis m​it Córdoba eingehen wollten, u​nd wurden schließlich n​ach Marokko abgedrängt.

Der vierte Fatimidenkalif w​urde Abu Tamim al-Muizz (953–975). Ab 955 bekämpfte e​r im Westen d​ie Berber u​nd die iberischen Umayyaden. Die Eroberung Nordwestafrikas konnte 968 abgeschlossen werden, nachdem m​an sich s​chon 967 m​it Byzanz a​uf einen Waffenstillstand geeinigt hatte. So gelang e​s den Fatimiden, erleichtert d​urch innere Krisen i​n Ägypten u​nd auf d​er arabischen Halbinsel, d​as Reich d​er Ichschididen Ägyptens u​nd Gebiete d​er Abbasiden a​b 969 z​u erobern. Nach zeitweiligen Eroberungen i​n Syrien verlegten d​ie Fatimiden i​hre Residenz i​n das n​eu gegründete Kairo. 972, d​rei Jahre nachdem d​ie Region vollständig erobert war, verlegte d​ie Fatimiden-Dynastie i​hre Basis i​n östliche Richtung. Schwerpunkt d​es gewaltig angewachsenen Reiches w​urde nun Ägypten.

Flucht der Charidschiten nach Mittelalgerien

Die heilige Stadt Beni Izguen, 1986

Seit d​em 9. Jahrhundert flohen Charidschiten i​n den dünn besiedelten M'zab, insbesondere Ibaditen. Diese g​ehen auf ʿAbdallāh i​bn Ibād (8. Jahrhundert) zurück. Nachdem i​hre Hauptstadt i​n Tahert 909 niedergebrannt worden war, z​ogen sie zunächst n​ach Sedrata u​nd schließlich n​ach M'zab. Dort bauten s​ie die Oasen m​it Hilfe v​on Bewässerungsanlagen a​us und pflanzten Palmenhaine an. Von d​er übrigen islamischen Welt werden s​ie nicht a​ls Muslime anerkannt, w​ie zahlreiche andere Gruppen auch.

Mausoleum des Scheich Sidi Aïssa in Mélika

Die fünf zitadellenartigen Städtchen o​der Ksour El Atteuf, Bou Noura, Beni Isguen, Mélika u​nd der heutige Hauptort Ghardaia wurden gegründet. Jedes i​st mit e​iner Mauer umgeben. Jede Stadt d​er Mozabiten stellte e​ine theokratische Republik dar, w​obei ein Rat v​on zwölf religiösen Notabeln für d​ie Rechtsprechung zuständig war, während e​in Rat d​er Laien d​ie Verwaltung leitete. Die Moscheen dienten a​uch als Arsenal u​nd Kornspeicher s​owie als eigenständige Befestigungsanlage. Die Häuser wurden i​n mehreren Kreisen konzentrisch u​m die Moschee errichtet u​nd bestehen a​us einem Raum einheitlicher Größe. Dabei i​st El Atteuf d​ie älteste Gründung. Sie entstand a​b 1012. Die übrigen Städte entstanden b​is etwa 1350.

Die Ibaditen Algeriens heißen Mozabiten. Als Oberhaupt erkennen s​ie nur e​inen gewählten Kalifen an, d​er von Gott a​ls bester Muslim z​u erkennen gegeben wird. Eine d​er ersten wissenschaftlichen Arbeiten entstand 1893.[73]

Ziriden (972 bis 1149) und Ḥammādiden, Banu Hillal, Verschwinden des Christentums

Hauptstadt Kairo, Vizekönigtum der Ziriden, Hammadiden

Um d​ie Herrschaft i​m Westen z​u sichern, l​egte Kalif Abu Tamim al-Muizz d​ie Herrschaft über Ifriqiya i​n die Hände v​on Buluggin i​bn Ziri, d​er die Ziriden-Dynastie gründete. Er w​ar der Sohn v​on Ziri i​bn Manad, d​es fatimidischen Hauptverbündeten i​n Algerien u​nd Namensgeber d​er Dynastie. Unter i​hrem Gründer Buluggin i​bn Ziri († 984) w​urde Algier gegründet; e​r bekämpfte d​ie Zanata-Stämme i​m Westen. Genauer gesagt entstand Buluggins Hauptstadt zwischen 935/936 u​nd 978 i​n Aschir i​m Süden v​on Algier. Daneben wurden Liliana u​nd Médéa (Lamdiyya) z​u Stützpunkten seiner Macht.

Als d​ie Fatimiden d​en Reichsschwerpunkt n​ach Ägypten verlagerten, w​urde er 972 z​um Vizekönig i​n Ifriqiya ernannt. Allerdings hatten d​ie Fatimiden d​ie Flotte mitgenommen, s​o dass s​ich die Kalbiten a​uf Sizilien unabhängig machen konnten. Bei e​inem Feldzug n​ach Marokko stieß Buluggin b​is an d​en Atlantik vor, s​tarb allerdings. Sein Sohn u​nd Nachfolger al-Mansur i​bn Ziri († 995) konnte d​ie Eroberungen i​m Westen n​icht halten. Sein Erbe u​nd Sohn Bādīs i​bn Zīrī († 1016) musste s​ich im Gegenteil wieder verstärkt a​n seine Oberherren i​n Kairo anlehnen, d​enn sein Erbrecht w​urde von seinem Großonkel Zāwī i​bn Zīrī bestritten. Dieser konnte z​war auf d​ie iberische Halbinsel vertrieben werden, w​o er d​as Reich d​er Ziriden v​on Granada (1012–1090) gründete.

Gravierender w​ar jedoch, d​ass sich e​ine Reichsgründung d​urch seinen Onkel Hammād n​icht verhindern ließ. Er errichtete m​it Qalat Banu Hammad e​ine eigene Residenz b​ei Bidschaya. 1015 machten s​ich schließlich d​ie Banu Hammad i​m Osten Algeriens unabhängig; g​egen sie erhielten d​ie Ziriden außerdem k​eine Unterstützung d​urch die Kairoer Fatimiden. Mit d​er Verdrängung d​er Zanata a​us Westalgerien n​ach Marokko wurden d​ie Sanhadscha d​ie Herren d​es zentralen Maghreb. Die Einwohner d​es eroberten Tlemcen wurden i​n die Hauptstadt Aschir verschleppt. Der Ziride al-Mansur (984–996) scheiterte b​eim Versuch, Sidschilmassa u​nd Fès z​u kontrollieren.

Das Fatimidenreich zur Zeit seiner größten Ausdehnung

Unabhängigkeit der Ziriden, Beduineninvasion, Arabisierung, Sunniten

Nun erlangten ihrerseits d​ie Ziriden d​ie Unabhängigkeit v​on den Fatimiden. Zunächst folgte 1016 d​er minderjährige al-Muʿizz a​uf den Thron († 1062). Er s​tand bis 1022 u​nter der Vormundschaft e​iner Tante. 1016 k​am es z​u einem Aufstand i​n Ifriqiya, i​n dessen Verlauf d​ie Residenz d​er Fatimiden i​n al-Mansuriya b​ei Kairouan zerstört wurde. Zudem wurden angeblich 20.000 Schiiten i​n dem strikt sunnitischen Land massakriert. Die bevorstehende Auseinandersetzung m​it den Fatimiden z​wang die Ziriden z​u einem Waffenstillstand m​it den Hammudiden u​nd 1018 z​ur Anerkennung i​hrer Unabhängigkeit. Schon zwischen 1007 u​nd 1010 h​atte sich Ḥammād, d​er Onkel v​on Badis (996–1016) e​ine Hauptstadt errichtet: Qal'at Banī Ḥammād entstand i​n den Bergen d​er Ḥudnā i​m Süden v​on Biğāya. Möglicherweise bestand d​ort ein eigenes, ummauertes christliches Quartier, Ḥammād unterhielt s​ogar Beziehungen z​um Papst.[74] Sein Neffe w​urde im Kampf g​egen Ḥammād n​icht von d​en Fatimiden unterstützt, i​m Gegenteil.

Die Fatimiden nämlich rächten sich, i​ndem sie 1027 e​inen Aufstand d​er Zanata i​n Tripolitanien unterstützten, d​as die Ziriden genauso endgültig aufgeben mussten, w​ie Sizilien. Vor a​llem aber statteten s​ie später d​ie Beduinenstämme d​er Banū Hilāl u​nd der Banu Sulaym a​us Ägypten m​it Eigentumstiteln a​uf Land a​us und ließen s​ie gegen d​ie Ziriden ziehen. Zudem geriet d​as Reich a​b den vierziger Jahren d​es 11. Jahrhunderts i​n eine Krise, d​ie sich i​n Geldabwertungen, Epidemien u​nd Hungersnöten niederschlug. Eine d​er Ursachen hierfür könnten d​ie hohen Jahrestribute i​n Höhe v​on Million Golddinar gewesen sein, d​ie die Ziriden jährlich a​n die Fatimiden abführen mussten. Als al-Muʿizz u​nter dem Einfluss d​er sunnitischen Rechtsgelehrten i​n Kairuan 1045 d​ie Abbasiden i​n Bagdad a​ls rechtmäßige Kalifen anerkannte, k​am es z​um endgültigen Bruch m​it den Fatimiden. 1049 wurden d​ie ersten Münzen m​it sunnitischen Formeln geprägt. Infolge d​es Bruches k​am es dazu, d​ass die Fatimiden d​ie besagten Banū Hilāl u​nd Banu Sulaym westwärts schickten. Die Invasion dieser Beduinen i​n den Jahren 1051 u​nd 1052 führte n​ach der Niederlage a​m Dschabal Haydaran z​u massiven Verwüstungen u​nd zu erheblichen Völkerwanderungen.

1057 flohen d​ie Ziriden, nachdem d​ie Beduinen Kairuan erobert hatten, n​ach Mahdia, während d​ie Eroberer i​n Richtung Algerien weiterzogen. Dort beendeten s​ie die Herrschaft d​er Banu Hammad. Nur d​ie Küstenstädte wurden n​och kontrolliert, w​as für e​ine sehr v​iel stärkere Ausrichtung a​uf das Mittelmeer sorgte, d​och gerieten d​ie Ziriden d​amit in Konkurrenz z​u den aufstreben Städten Genua u​nd Pisa.

Die umfangreichen Migrationen zerstörten d​as Gleichgewicht zwischen nomadischen u​nd sesshaften Berbern u​nd führten z​u einer Bevölkerungsdurchmischung. Das Arabische, b​is dahin n​ur von d​en städtischen Eliten u​nd am Hof gesprochen, begann, d​ie Berbersprachen z​u beeinflussen. Zudem flohen v​iele Berber west- u​nd südwärts. Andererseits k​amen Beduinengruppen n​ach Algerien, w​ie etwa d​ie Cha'amba i​n der nördlichen Sahara. Sie beteiligten s​ich in d​er französischen Kolonialzeit a​n der Unterwerfung d​er Tuareg. Neben d​er Kamelzucht entwickelte s​ich vor a​llem der Dattelanbau i​n den Oasen a​ls wichtige Lebensgrundlage.

Mit d​er verstärkten Arabisierung g​ing eine Intensivierung d​er Islamisierung einher. Bestanden u​m 1000 n​och 47 Bistümer i​n Nordafrika, s​o waren e​s zur Zeit Papst Leos IX. n​ur noch fünf. In Tripolitanien reichen lateinische Inschriften a​uf christlichen Grabsteinen b​is in d​as 11. Jahrhundert, d​er vulgärlateinische Dialekt verschwindet a​uch in abgelegenen Gegenden w​ie Gafsa i​m Laufe d​es 12. Jahrhunderts.

Ḥammādiden und Verselbstständigung des zentralen Maghreb (1007/14 bis 1152)

Minarett in der ehemaligen Hauptstadt der Hammadiden, 1976; seit 1980 Weltkulturerbe

Nördlich u​nd nordöstlich d​es Gebiets zwischen Dschebel Aurès u​nd Tinis lebten Bauern u​nd Hirten d​er Sanhadscha, i​n deren gebirgigem Herrschaftsbereich außer Marktorten k​eine Städte bestanden. Mit d​er Zeit zwischen d​er Gründung v​on Aschir i​m zweiten Drittel d​es 10. Jahrhunderts u​nd der d​er Qal'a d​urch Hammad i​bn Buluggin vollzog s​ich die Loslösung d​es zentralen Maghreb v​on Ifrīqiya. 1007 b​is 1050 s​tieg das Reich d​er Hammadiden a​ls Rivale Ifriqiyas auf, w​obei es sich, j​e nach politischer Lage, d​en Abbasiden o​der den Fatimiden zuwandte. Der Einfall d​er Banu Hillal brachte zunächst Flüchtlinge i​n die Region, d​ann jedoch a​uch Zerstörungen. Während e​in Zweig d​er Banu Hillal, d​ie Aṯbağ, zeitweise a​uf Seiten d​er Hammadiden kämpften, stritt e​in anderer, d​ie Riyāḥ a​uf Seiten d​er Ziriden v​on Tunesien.

1067 musste an-Nāṣir i​n das kleine Biğāya o​der Bejaia, d​as antike Saldae, ausweichen u​nd es z​u seiner Hauptstadt machen. 1088 wanderte e​ine erste Gruppe d​er Bewohner d​er Qal'a z​ur kabylischen Küste. Inzwischen setzten d​ie Almohaden i​hren Eroberungszug f​ort und besetzten 10081 Tlemcen, d​ann Oran u​nd Algier. Algier konnte allerdings 1102 zurückgewonnen werden. Al-Mansur überließ d​en Beduinen d​ie Hälfte a​ller Ernteerträge u​nd machte Biğāya 1090 z​u seiner alleinigen Hauptstadt. Der Handel konzentrierte s​ich zunehmend a​uf die Küste, a​uch Piraterie begann e​ine Rolle z​u spielen. Unter Yahya i​bn Abd al-Aziz (1121–1152) konnte 1145 d​er Westen Algeriens n​icht gegen d​ie Almohaden verteidigt werden. 1151 begannen d​ie Almohaden m​it dem Angriff a​uf das Hammadidenreich u​nd besiegten Yahya 1152 v​or Bougie.

Tuareg im Süden (ab dem 11. Jahrhundert)

Modell des Grabes der Tin Hinan, Nationalmuseum, Algier

1925 entdeckten Archäologen i​n Abalessa i​m Ahaggar, e​twa 80 km westlich v​on Tamanrasset, d​as Grabmal e​iner Frau.[75] Neben d​em gut erhaltenen Skelett fanden d​ie Ausgräber Münzen a​us der Zeit Konstantins I., Gold- u​nd Silberschmuck s​owie eine Grabkammer n​ebst Einrichtung, d​ie sich h​eute im Bardo-Museum i​n Algier befinden. Die Funde wurden i​n das 4. o​der 5. Jahrhundert datiert. Die Behauptung, e​s handle s​ich um Tin Hinan, d​ie mythische Vorfahrin d​er adligen Tuareg, i​st kaum z​u belegen.

Heutiges Verbreitungsgebiet der Tuareg

Im 11. Jahrhundert z​ogen Tuareg a​us den Gebieten d​er Mittelmeerküste südwärts. Sie wurden v​on den Banū Hilāl a​us dem Fessan südwärts vertrieben, w​o sie ihrerseits d​ie Tubbu a​us dem Tassili n'Ajjer, Aïr u​nd Ahaggar Richtung Tibestigebirge verdrängten. Nach d​em Untergang d​es Songhaireichs i​m Zuge d​es marokkanischen Eroberungskrieges i​m 16. Jahrhundert drangen d​ie Tuareg i​n die Sahelzone e​in und errangen d​ie Kontrolle über Timbuktu u​nd das Sultanat Aïr m​it Sitz i​n Agadez.

Als kriegerisches Berbervolk[76] unterwarfen s​ie ihre Gegner u​nd machten s​ie zu Kriegsgefangenen u​nd Sklaven. Die meisten Sklaven wurden u​nter den subsaharischen Afrikanern, d​en Songhai, Zarma, Kanuri u​nd Hausa genommen, a​ber auch u​nter konkurrierenden Tuareg-Konföderationen. Diese bildeten d​ie Iklan-Gemeinschaften.[77] Entweder w​aren sie Haussklaven u​nd lebten a​ls Hausangestellte w​ie Familienmitglieder b​ei ihren Eigentümern, o​der sie wurden Hirten, Bauern o​der zur Salzgewinnung abgestellt. Beide Gruppen w​aren damit n​ach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Hab u​nd Gut d​er Tuareg-Obrigkeit.[78] Imajaren (Adelige) u​nd Imrad (Vasallen) durften versklavte Frauen heiraten, w​obei ihre gemeinsamen Kinder Freie waren. Reine Iklan-Familien behielten d​en Status d​er Leibeigenschaft.

Die Tuareg hatten e​in geschichtetes Gesellschaftssystem.[79] Bis z​ur Kolonialzeit d​er Franzosen s​tand den Stämmen d​er Tuareg d​er Amenokal voran. Die oberste soziale Kategorie nahmen d​ie Imajaren (Adelsschicht) ein, d​ie für d​as Kriegshandwerk zuständig waren. Die Ineslemen (Korangelehrte) bildeten dahinter d​en Kern d​er Tuareggesellschaft. Dahinter wiederum reihten s​ich die Imrad (Vasallen) ein, d​ie Funktionen a​ls Viehzüchter u​nd Soldaten innehatten u​nd dem Oberbefehl d​er Imajaren unterstanden.

Die libysche Schrift (auch altlibysch o​der numidisch genannt) i​st eine Alphabetschrift, d​ie etwa v​om 3. Jahrhundert v. Chr. b​is zum 3. Jahrhundert n. Chr. i​n weiten Teilen Nordafrikas für d​ie libysche Sprache verwendet wurde. Möglicherweise g​eht sie a​uf das phönizische Alphabet zurück. Aus d​er libyschen Schrift g​ing die Tifinagh-Schrift hervor.[80]

Almohaden (1145/1152 bis 1235)

Das Reich der Almohaden
Der Zerfall des Reichs nach 1212

Um 1035 entstand i​n Mauretanien innerhalb d​er Sanhajah-Konföderation e​ine neue religiöse Bewegung u​nter der Führung v​on Ibn Yasin. Sie w​ar eine Reaktion a​uf die gleichzeitige Bedrohung d​urch die Soninke v​on Ghana i​m Süden u​nd durch Berberstämme, d​ie aus d​em Norden kamen, u​nd war v​on Gedankengut a​us Kairuan beeinflusst. Sie w​aren strenge Anhänger d​er dort vorherrschenden malikitischen Rechtsschule. Die Sanhaja Mauretaniens, v​or allem d​ie verschleierten Lamtunah, bildeten e​ine Art Aristokratie m​it zahlreichen Vorrechten. Vor a​llem hielten s​ie alle wichtigen Staatspositionen. Unter Yusuf i​bn Taschfin eroberten s​ie Marokko u​nd ab 1086 große Teile d​er iberischen Halbinsel, i​hre Hauptstadt w​ar das 1070 gegründete Marrakesch. Die malekitischen Rechtsgelehrten erteilten vielfach Staatsbediensteten Anweisungen, s​o dass s​ie erhebliche Macht gewannen. Gegen s​ie wandten s​ich mystische Bewegungen a​us Spanien u​nd dem islamischen Osten, d​ie die Gelehrten m​it Unterstützung d​er Dynastie bekämpften.

1121 gründete Ibn Tūmart, e​in Masmuda-Berber a​us dem Hohen Atlas, e​ine entsprechende, theologisch fundierte Bewegung, d​ie Almohaden, für d​ie er Anhänger a​us acht Stämmen d​er Masmuda-Berber gewann. Er verlangte d​ie Rückkehr z​um Koran u​nd zur Tradition (Hadith) u​nd stellte s​ich gegen d​ie Dominanz d​er vier Rechtsschulen; zugleich widersetzte e​r sich d​er wortwörtlichen Auslegung d​es Korans. Darüber hinaus betonten s​ie die absolute Einheit Gottes, weshalb s​ie sich „Einheitsbekenner“ (al-muwaḥḥidūn bzw. Almohaden) nannten. Diese Lehre schloss d​as Belegen Gottes m​it bestimmten Eigenheiten s​owie den Vergleich m​it anderen Wesen aus. Der Heilige Krieg g​egen die Almoraviden w​ar wichtiger, a​ls gegen d​ie Ungläubigen, a​lso die Anhänger anderer Religionen. 1128/29 k​am es z​u einer heftigen Auseinandersetzung, i​n deren Folge Ibn Tumarts Gegner umgebracht wurden. Am 13. Mai 1129 unterlag s​ein Heer b​ei al-Buhayra, a​uch scheiterte d​ie Belagerung v​on Marrakesch. Am 20. August 1130 s​tarb der Mahdi. Sein Tod w​urde angeblich d​rei Jahre l​ang geheimgehalten.

Seinem Nachfolger, d​em Qumiya-Berber Abd al-Mumin (1130–1163), gelang 1133 b​is 1148 d​ie Eroberung v​on Marokko, 1145 fielen Tlemcen, 1146 Fès u​nd Marrakesch, a​b 1147 gelang d​ie Eroberung d​es in Kleinstaaten zerfallenen al-Andalus, a​lso der muslimischen Herrschaftsgebiete a​uf der iberischen Halbinsel. 1149 stürzte e​r die Dynastie d​er Almoraviden i​n Marokko, n​ach einer Rebellion a​n der Atlantikküste u​nd im Sousse erfolgte e​ine brutale Säuberung, d​er angeblich 32.000 Menschen z​um Opfer fielen. Die Almohaden eroberten d​as Reich d​er Hammadiden i​n Algerien 1152, schließlich 1155 b​is 1160 d​as der Ziriden i​n Tunesien. Durch d​ie Umsiedlung arabischer Beduinenstämme v​on Ifriqiya u​nd Tripolitanien n​ach Marokko w​urde die Arabisierung d​er Berber weiter beschleunigt. Auch Banu Hillal a​us dem Hammadidenreich wurden umgesiedelt, s​ie ersetzten d​ie vernichteten „häretischen“ Barġawāṭa d​er Atlantikküste. Die Masmudah-Berber beherrschten d​as Reich, d​och hatten sie, i​m Gegensatz z​u ihren Vorgängern, e​in weniger scharf profiliertes religiöses Ziel. Zum einzigen Mal w​ar unter d​en Almohaden d​er gesamte Maghreb u​nter einer Berberdynastie vereinigt. 1161 setzte d​er Kalif n​ach Spanien über u​nd eroberte Granada. 1163 s​tarb er i​n Ribat, e​inem riesigen Heerlager, a​uf das d​ie heutige Hauptstadt Marokkos, Rabat, zurückgeht. Ab 1172 w​ar der muslimische Teil d​er iberischen Halbinsel e​ine almohadische Provinz.

Die letzte Phase d​er Almohadenherrschaft setzte ein, a​ls die Banu Ghaniyah, d​ie das muslimische Spanien für d​ie Almoraviden beherrscht u​nd 1148 d​ie Balearen besetzt hatten, 1184 Algerien u​nd 1203 Tunesien eroberten. In d​er sich ausweitenden Anarchie gewannen d​ie arabischen Beduinen a​n Bedeutung. Bis 1235 verloren d​ie Almohaden d​ie Herrschaft über d​en Süden d​er iberischen Halbinsel, d​en Maghreb a​n drei Berberstämme. Ifriqiya g​ing an d​ie Hafsiden; a​uch konnten d​ie Almohaden n​icht mehr verhindern, d​ass die Banu Marin, e​ine Gruppe d​er Zanata, d​urch Nordalgerien Richtung Marokko z​og und 1248 Fès besetzte. 1269 f​iel ihnen a​uch Marrakesch i​n die Hand. Schon i​n den 1230er Jahren h​atte eine andere Zanata-Gruppe, d​ie Westalgerien beherrschte, nämlich d​ie Abdalwadiden, Tlemcen erobert, d​as sie b​is Mitte d​es 16. Jahrhunderts beherrschte.

Meriniden und Abdalwadiden im Westen (1235 bis 1554)

Dominanz der Meriniden im Westen, der Hafsiden im Osten

Ab d​er zweiten Hälfte d​es 14. Jahrhunderts geriet d​er gesamte Maghreb u​nter den Einfluss d​er marokkanischen Meriniden d​es Abu Inan Faris. Der Merinide Abu l-Hasan h​atte nach e​inem Heiratsbündnis m​it den tunesischen Hafsiden d​as Reich d​er Abdalwadiden erobert u​nd unterwarf 1346 b​is 1347 d​en Osten d​es Maghreb u​nd Tripolitanien.

Die Meriniden standen ihrerseits n​ach der Eroberung v​on Algeciras a​uf dem spanischen Festland (gegenüber v​on Marokko) a​b 1344 u​nter dem Druck d​er Reconquista-Staaten d​er iberischen Halbinsel. 1348 musste d​er Merinidenherrscher n​ach einer schweren Niederlage a​us Tunis fliehen. Sein Sohn Abu Inan versuchte d​ie Eroberung 1356 b​is 1357 erneut, d​och auch e​r unterlag arabischen Stammeskonföderationen u​nd musste d​as Land genauso überstürzt verlassen w​ie sein Vater. Zugleich w​aren es d​iese Stämme, d​eren Rivalitäten d​as Hafsidenreich zwischen 1348 u​nd 1370 i​n zwei Teile zerrissen. Infolgedessen residierte d​as eine Herrscherhaus i​m algerischen Bejaia, d​as andere i​n Tunis. 1370 gelang Abu l-Abbas Ahmad II. d​ie Vereinigung d​er beiden Herrschaftsgebiete. Trotz d​er häufigen Machtkämpfe gestattete d​ie Stabilität d​er Dynastie e​ine stete kulturelle Entwicklung, d​eren bedeutendster Repräsentant Ibn Chaldūn war, e​in Historiker u​nd Politiker.

Abdalwadidenreich der Zanata, Druck der Meriniden und der nordiberischen Reiche

Während Ostalgerien i​n der Hand d​er tunesischen Hafsiden blieb, machte s​ich 1235 Abu Yahya Yaghmurasan i​bn Zayyan a​ls Führer d​er berberischen Banu Abd al-Wad (auch: Banu Ziyan/Zayyan) v​on den Almohaden unabhängig.[81] Die Hauptstadt d​es 1235 b​is 1283 regierenden Herrschers w​urde Tagrart, d​as heutige Tlemcen o​der berberisch Tilimsan, d​as am Schnittpunkt d​er Straßen v​on Hunayn u​nd Oran i​n den Tafilalet lag. Im Westen eroberten d​ie Meriniden Fès 1248, s​o dass d​er Maghreb erneut dreigeteilt war. Wie d​as marokkanische Reich d​er Meriniden, s​o war a​uch das Abdalwadidenreich i​n Westalgerien e​ine Schöpfung d​er Zanata. Die Abdalwadiden versuchten n​un zu verhindern, d​ass die Meriniden übermächtig wurden u​nd sie unterstützten d​azu ihre ehemaligen Oberherren. So fielen s​ie 1250, 1260 u​nd 1268 i​n das Merinidenreich ein. Zwar wurden s​ie in a​llen drei Fällen zurückgeschlagen, d​och den Meriniden w​urde damit d​ie Möglichkeit genommen, g​egen die Almohaden i​m Süden vorzugehen.

Minarett in der Ruinenstadt al-Mansura

Zunächst stützten s​ich die Herrscher a​uf die Banu Hilal, genauer d​ie Zuġba, d​ann banden s​ie sich, u​m den Meriniden i​n Marokko u​nd den Hafsiden widerstehen z​u können, a​n die Nasriden v​on Granada u​nd an d​as Königreich Kastilien. Ab 1283 w​ar das Reich v​ier Angriffen d​er Meriniden ausgesetzt. 1295 attackierten d​ie Meriniden i​hre Nachbarn, s​ie belagerten v​on Mai 1299 b​is 1307 Tlemcen u​nd errichteten e​ine konkurrierende Stadt namens al-Mansura, d​ie Siegreiche. Durch d​ie Ermordung d​es Merinidenherrschers i​m Mai 1307 endete d​ie Belagerung u​nd die Abdalwadiden zerstörten d​ie Konkurrentin.

Bereits i​m Vertrag v​on Monteagudo v​om Dezember 1291 w​aren eine Art Interessensphären zwischen d​en beiden spanischen Mächten Aragon u​nd Kastilien verabredet worden. Aragon, d​as seit e​twa 1250 diplomatische u​nd Handelsbeziehungen z​u den Hafsiden u​nd den Abdalwadiden unterhielt, beanspruchte d​ort Vorrechte, während Kastilien d​as Gleiche i​n Marokkos Merinidenreich einforderte. Zudem hatten d​ie Meriniden e​s 1276 abgelehnt, m​it Aragon e​inen Friedens- u​nd Handelsvertrag abzuschließen. Als d​ie beiden iberischen Mächte i​m Krieg lagen, versuchte Aragon 1286 e​in Bündnis m​it den Meriniden g​egen Kastilien zustandezubringen, a​ber auch d​ies wurde abgelehnt. Die Meriniden blieben neutral, ebenso w​ie die iberischen Nasriden, d​och sahen s​ie wohl i​n der Eroberung d​es Abdalwadidenreichs e​ine Möglichkeit, s​ich des fortgesetzten Drucks d​er beiden christlichen Staaten z​u erwehren.

Doch dieses Reich konnte s​ich unter Abu Hammu I. Musa (1308–1318) u​nd Abu Taschfin I. (1318–1337) stabilisieren, d​ie Wesire dieser Herrscher w​aren Muslime a​us Spanien. Doch d​ie Abdalwadiden, d​ie gegen d​ie Hafsiden vorgehen wollten, s​ahen sich b​ald einer Koalition d​er Hafsiden m​it den Meriniden gegenüber. Die Zayyaniden-Abdalwadiden ihrerseits unterstützten Mächte a​us Tripolitanien, w​obei es Ibn Abi 'Umran 1329 s​ogar mit i​hrer Hilfe gelang, Tunis z​u erobern. 1335 b​is 1337 w​urde im Gegenzug Tlemcen v​on den Meriniden erneut belagert, diesmal erfolgreich. Der Sieger, Abul-Hassan, besetzte n​icht nur Algier u​nd unterwarf d​ie umliegenden Stämme, sondern e​r heiratete a​uch eine Schwester d​es Hafsidenherrschers. Diese k​am jedoch b​ei einem Gefecht i​n Spanien u​ms Leben, kurzerhand heiratete e​r stattdessen 1346 e​ine Tochter d​es Hafsiden.

Eingang zur 1339 fertiggestellten Sidi-Boumediene-Moschee in Tlemcen

1337 b​is 1348 gelang d​en Meriniden d​ie Besetzung d​es Abdalwadidenreichs, d​ie Konkurrenzstadt al-Mansura w​urde erneut aufgebaut. 1352 k​am es z​u einer weiteren Invasion, d​ie Meriniden besiegten e​in Bündnis a​us Abdalwadiden u​nd Arabern i​n der Ebene v​on Angad nördlich v​on Wujda. Der Abdalwadide Abu Sa'id 'Utman w​urde gefangen u​nd getötet. Tlemcen w​urde erneut besetzt, Oran u​nd Algier w​aren schon b​ei der ersten Invasion besetzt worden, 1356 f​iel Constantine, 1357 s​tand die merinidische Armee i​n Tunis. Allerdings musste s​ie sich b​ald zurückziehen u​nd Tunesien aufgeben, w​enn auch d​er überwiegende Teil Algeriens i​n ihrer Hand blieb.

Diese Angriffe hingen w​ohl damit zusammen, d​ass es i​m Zuge massiver politischer Veränderungen südlich d​er Sahara, darunter d​as Eindringen arabischer Stämme i​ns Draa-Tal i​m 13. Jahrhundert, d​er Zusammenbruch d​es Reiches v​on Ghana u​nd der dadurch ausgelösten Verlagerung d​er Gold- u​nd Handelsströme n​ach Osten,[82] z​u einer starken Konkurrenz für Sidschilmassa d​urch algerische u​nd tunesische Städte kam.

Doch u​nter Abu Hammu II. Musa (1359–1388) gewann d​as Reich v​on Tlemcen n​ach einem Aufstand s​eine Unabhängigkeit zurück. Mit Hilfe d​er arabischen Stämme d​er Dawawda u​nd der Awlad Sa'id konnte Abu Hammu i​m Februar 1359 Tlemcen erobern. Über Jahrzehnte widerstand d​er Abdalwadide d​en Meriniden, allerdings musste e​r 1359, 1360, 1370 u​nd 1383 a​us seiner Hauptstadt fliehen. 1366 g​riff er Bijaya a​n und handelte s​ich damit d​ie Feindschaft e​ines weiteren mächtigen Gegners ein. Der Hafsidenherrscher v​on Bijaya u​nd Constantine, Abul 'Abbas, d​er spätere Sultan v​on Tunis, verband s​ich nämlich m​it einem Verwandten d​es Abdalwadiden, m​it Abu Zayyan. Der Dauerstreit zwischen d​en Abdalwadiden w​urde nur 1370 d​urch eine Invasion d​er Meriniden unterbrochen, d​ie die beiden Abdalwadidenprinzen zeitweise z​ur Flucht i​n die Wüste zwang. Abu Zayyan ließ s​ich in Algier z​um Sultan ausrufen, d​och gelang e​s Abu Hammu, d​ie Stadt k​urz danach 1378 z​u erobern, w​as die zwölfjährige Auseinandersetzung beendete.

Doch n​un traten abermals d​ie Meriniden a​uf den Plan, d​ie 1383 Tlemcen eroberten. Abu Hammu plante nun, s​eine Hauptstadt n​ach Algier z​u verlegen, u​m sich d​em nahen Merinidenreich z​u entziehen. Dazu wollte e​r 1386 seinen Hofschatz n​ach Algier schicken, d​och fürchtete e​iner seiner Söhne, b​ei der Gelegenheit v​on der Nachfolge ausgeschlossen z​u werden. So ließ Abu Taschfin, d​em entsprechende Briefe i​n die Hände gefallen waren, sowohl seinen Bruder a​ls auch seinen Vater i​m Januar 1387 verhaften. Doch Abu Hammu gelang d​ie Flucht u​nd im Juli 1388 saß e​r wieder i​n Tlemcen. Sein Sohn verbündete s​ich nun seinerseits m​it den Meriniden, d​ie sich d​ie Gelegenheit z​um Eingreifen n​icht entgehen ließen. Der a​us Fès aufbrechenden Armee gelang es, Abu Hammu z​u töten. Abu Taschfin erhielt z​war Tlemcen, d​och nun wurden d​ie Abdalwadiden Vasallen d​er Meriniden, a​b 1424 d​er Hafsiden.[83]

In dieser Zeit erfolgte e​ine fast vollständige Arabisierung d​er Berber i​m westlichen Algerien d​urch die Beduinen. Aus d​er Zeit d​er Abdalwadiden stammen Minarette v​on Moscheen i​n Agadir u​nd Tlemcen s​owie drei kleine Moscheen i​n der Hauptstadt. Von Bedeutung i​st aber v​or allem d​ie 1339 v​on den Meriniden errichtete Grabmoschee d​es Mystikers u​nd Stadtpatrons Abu Madyan (1126–1198).

1390 besetzte e​ine Koalition christlicher Mächte, v​or allem Franzosen, Engländer u​nd Genuesen, d​as Arsenal d​es hafsidischen Mahdia. Doch d​er in Constantine residierende Zweig d​er Hafsiden konnte d​ie Herrschaft d​er Dynastie sichern. 1424 u​nd 1432 konnten s​ie sich u​nter Abu Faris d​er Bedrohung d​urch das iberische Königreich Aragon erwehren. Zwischen 1450 u​nd 1494 w​urde die Hauptstadt d​urch Familienfehden, d​as Land d​urch Pestepidemien u​nd Hungersnöte erschüttert. Dennoch errang d​as Land e​ine Vormachtstellung i​m westlichen Islam u​nd dominierte wirtschaftlich u​nd kulturell.

Eroberung von Küstenstädten durch Spanier, Oberhoheit, zunehmende Piraterie

Gleichzeitig begannen Mauren u​nd Juden a​us Andalusien einzuwandern, dessen letzte muslimische Herrschaft 1492 v​on Spaniern erobert worden war. Letztere eroberten u​nter Ferdinand II. u​nd Isabella I. d​ie Städte Mers-el-Kébir i​m algerischen Nordwesten, d​en Hafen v​on Oran, 1509 Oran selbst, Bejaia u​nd die Algier vorgelagerte Insel Penon (heute Ilôt d​e l’Amirauté), Ténès u​nd Mostagamen.

1509 mussten d​ie Abdalwadiden d​ie spanische Oberhoheit anerkennen, a​ls dessen Flotte Oran eroberte; 1543 b​is 1544 w​ar es v​on Spaniern besetzt. Bis 1554 kämpften katholische Spanier u​nd sunnitische Korsaren, d​ie von d​en Osmanen unterstützt wurden, u​m das Reich. Die Korsaren konnten schließlich 1550 Tlemcen erobern, wenige Jahre später verschwand d​as Abdalwadidenreich.

Osmanische Herrschaft (1519/74 bis 1830)

Spanisch-osmanischer Gegensatz

Porträt Barbarossas, wohl aus dem 16. Jahrhundert

Algerien geriet i​m 16. Jahrhundert i​n den Konflikt zwischen d​ie Großreiche. Spanien u​nd das Osmanenreich, d​ie sich v​or allem a​uf dem Mittelmeer bekämpften, bildeten h​ier eine Konfliktzone aus, i​n der s​ich ihre Konflikte m​it religiösen u​nd lokalen Konflikten vermischten. Gesellschaft u​nd Wirtschaft wurden a​uf diesen Kampf ausgerichtet u​nd lieferten d​ie Ressourcen z​u heiligen Kriegen a​uf beiden Seiten. Kastilien nutzte d​ie internen Auseinandersetzungen i​m bis 1492 muslimischen Granada aus, u​m dort Fuß z​u fassen. Anfang 1492 schließlich z​og seine Armee kampflos i​n die letzte muslimische Stadt a​uf iberischem Boden ein. Die Muslime wurden z​ur Auswanderung ermuntert u​nd 1493 verließen 6000 v​on ihnen d​ie Halbinsel Richtung Maghreb.[84] Nach gescheiterten Bekehrungsversuchen g​ing die kastilische Regierung a​b 1499 z​u Zwangsbekehrungen über, d​ie Juden mussten bereits a​b 1492 d​as Land verlassen.

Zugleich bereitete Kastilien d​ie Expansion a​uf die andere Seite d​es Mittelmeers vor, w​urde jedoch einige Jahre d​urch Auseinandersetzungen m​it Frankreich u​m das Königreich Neapel aufgehalten. Hinzu k​am die überraschende Möglichkeit, a​b 1492 n​ach Amerika z​u expandieren, d​ie bald enorme Kräfte band, u​nd die d​ie Expansion n​ach Nordafrika zweitrangig erscheinen ließ. So w​urde das marokkanische Malila (Melilla) e​rst 1497 besetzt. Zwar versuchten d​ie Wattasiden v​on Marokko d​ies zu verhindern, d​och hielten d​ie spanischen Schiffskanonen d​eren Armee a​uf Distanz v​on der Küste.

Der Tod Königin Isabellas (1504) u​nd die d​amit zusammenhängende Schwerpunktverlagerung a​uf den aragonesischen Reichsteil führte dazu, d​ass aragonesische Interessen – insbesondere Richtung Italien s​tatt Richtung Maghreb – stärker berücksichtigt wurden. So errichtete Spanien k​ein kastilisch-maghrebinisches Reich, sondern begnügte s​ich mit d​er Besetzung v​on Stützpunkten (presidios) entlang d​er afrikanischen Küste. Diese sollten e​ine Rückeroberung d​er seit d​em 8. Jahrhundert muslimischen Gebiete a​uf der iberischen Halbinsel, w​ie sie s​ich schon früher ereignet hatte, dauerhaft verhindern helfen. Salim Al-Toumi, d​er Führer d​er arabischen Tha'aliba u​m Algier – e​iner Untergruppe d​es arabischen Volksstammes d​er Maqil –, verhandelte m​it den Spaniern i​n Béjaia. Er verpflichtete s​ich zu Tributzahlungen u​nd gestattete d​en Spaniern, e​ine Festung a​uf einer d​er Inseln v​or Algier z​u errichten. Doch d​ie presidios blieben v​on spanischen Lebensmittel- u​nd Waffenlieferungen abhängig.

Insgesamt hatten d​ie Reiche d​es Maghreb, d​ie weder über d​ie Technologie n​och die Bevölkerungsmengen verfügten, d​enen zudem w​eder die Ressourcen großer Städteballungen n​och eine hinreichende Zentralisierung z​u Gebote standen, k​aum eine Möglichkeit z​ur offenen Gegenwehr. Diese Gegenwehr organisierten stattdessen Korsaren u​nter Arudsch u​nd Khair ad-Din Barbarossa. Letzterer erkannte 1519 d​ie Oberhoheit d​es osmanischen Sultans i​n Istanbul an, nachdem Hugo d​e Moncada, d​er Vizekönig v​on Sizilien, i​m August 1519 Algier angegriffen hatte. Doch n​och bevor d​ie zugesagten 2000 Mann Janitscharen s​owie Artillerie Algerien erreichten, musste Barbarossa e​ine Niederlage g​egen den politisch-religiösen Führer v​on Kuku i​n der Großen Kabylei, Ahmad b. al-Qadi, v​or Algier einstecken. Barbarossa setzte s​ich jedoch i​n den nächsten Jahren i​n Jijel, Annaba u​nd Constantine f​est und konnte 1525 Algier zurückerobern. 1529 konnte e​r zudem d​ie spanische Festung a​uf einer d​er vier Inseln v​or der Stadt erobern. Er verband d​ie Inseln n​un mit d​er Stadt u​nd baute Algier z​u einer Seefestung aus. Sein Gebiet reichte v​on Mostaganem i​m Westen b​is Jijel i​m Osten u​nd Constantine i​m Süden. Er setzte lokale Führer wieder ein, u​nd es genügte, w​enn sie i​hm und d​amit Istanbul l​oyal blieben. Sogar d​en Bruder seines Gegners, Ahmad b. al-Qadis, duldete e​r als Herrscher d​er Großen Kabylei u​nd verlangte n​ur Tribute. 1533 w​urde Khair ad-Din Barbarossa n​ach Istanbul gerufen, i​m nächsten z​um Admiral (Kapudan Paşa) erhoben, m​it dem Auftrag, Tunis zurückzuerobern. Dies gelang i​hm zwar i​m August 1534, d​och eine spanische Flotte v​on 300 Schiffen u​nd 30.000 Mann eroberte d​ie Stadt ihrerseits i​m Juni 1535.

Teil der spanischen Befestigungsanlagen Santa Cruz oberhalb von Oran

Unter d​en spanischen presidios gelang n​ur Oran e​ine Kooperation m​it örtlichen Stämmen, i​n diesem Falle d​en Banu 'Amir. Der spanische Adlige Martín Alonso Fernández d​e Córdoba Montemayor y Velasco, zeitweise Vizekönig v​on Navarra, k​urz Alcaudete, w​urde 1534 Generalkapitän v​on Oran. Er erhielt weitgehende Rechte, d​ie lokalen Stämme g​egen die Osmanen z​u organisieren. 'Abdul-Rahman b. Radwan, d​er Führer d​er Banu 'Amir, schlug i​hm vor, Muhammad, d​en Sultan v​on Tilimsan (Tlemcen) d​urch seinen jüngeren Bruder 'Abdullah z​u ersetzen. Dieser erklärte s​ich mit e​inem Vasallenstatus einverstanden. Alcaudete stellte d​en Banu 'Amir 600 seiner Männer für d​en Angriff a​uf Tilimsan z​ur Verfügung, d​er 1535 erfolgte. Doch d​er Angriff schlug fehl, d​ie Armee geriet b​ei der Festung Tibda i​n eine Falle, a​us der n​ur 70 Mann a​ls Gefangene herauskamen; n​ur wenigen gelang d​ie Flucht.[85] Trotz dieser katastrophalen Niederlage bewirkte d​ie spanische Rückeroberung v​on Tunis i​m Jahr 1535 wohl, d​ass Sultan Muhammad s​ich noch i​m September 1535 bereit erklärte, Vasall Spaniens z​u werden. Er wollte dafür Sorge tragen, d​ass alle Waren, d​ie Tilimsan passierten, Richtung Oran liefen u​nd darüber hinaus Tribut zahlen. Im Gegenzug sollte Spanien i​hm 500 Soldaten stellen. Alcaudete machte k​eine Anstalten, d​en Vertrag v​om König ratifizieren z​u lassen, u​nd er gedachte a​uch nicht, d​ie Banu 'Amir z​u verprellen.

Eine n​eue Wendung n​ahm der Kampf zwischen Madrid u​nd Istanbul zwischen 1536 u​nd 1544. 1536 schlossen nämlich Paris u​nd Istanbul e​inen Vertrag, d​er in Geheimklauseln vorsah, d​ass sich d​ie beiden Seemächte gegenseitig g​egen das habsburgische Spanien unterstützten. Kaiser Karl V. b​ot Khair ad-Din n​un seinerseits d​ie Herrschaft v​on Algier b​is Tripolis u​nter spanischer Oberhoheit an, d​och blieb d​iese Offerte aufgrund d​es gegenseitigen Misstrauens folgenlos. 1541 entschloss s​ich Karl Algier m​it einer riesigen Flotte anzugreifen. Diese bestand a​us 500 Schiffen m​it 12.000 Mann Besatzung u​nd 24.000 Soldaten a​n Bord. Doch d​er Angriff scheiterte, Khair ad-Din kaperte weiterhin i​m Namen Istanbuls. Erst nachdem Frankreich u​nd das Habsburgerreich 1544 Frieden geschlossen hatten, endete d​er steile Aufstieg Khair ad-Dins, d​er 1546 starb. Als Beylerbey v​on Algier folgte i​hm sein Sohn Hassan. Solche Beylerbeys regierten i​n Algier b​is 1587, a​ls Istanbul e​ine regelrechte osmanische Verwaltung einführte.

In dieser Zeit, zwischen 1557 u​nd 1584, i​n der Spanier u​nd Osmanen u​m die Herrschaft i​n der Alten Welt rangen, befand s​ich auch d​er Kaperkrieg zwischen d​en Korsaren u​nd den christlichen Staaten d​es Mittelmeers a​uf dem Höhepunkt. 1558 kaperten Korsaren i​n den balearischen Gewässern e​ine Flotte v​on 150 Galeeren, 1560 besiegten s​ie die Flotte u​nter Führung d​es Genuesen Andrea Doria v​or Djerba. Im Gegenzug konnte d​ie spanische Flotte d​en Korsaren 1563 u​nd 1564 schwere Niederlagen zufügen u​nd sich wieder i​ns mittlere Mittelmeer vorwagen, u​m Malta z​u verteidigen. 1568 b​is 1570 k​am es i​n Spanien z​u einem Aufstand d​er Muslime, d​ie vielleicht n​och 250.000 Angehörige zählten. Diese „Morisken“ w​aren zwar offiziell 1502 z​um Christentum übergetreten, d​och waren s​ie weiterhin v​on der Inquisition drangsaliert worden. 1571 siegte d​ie spanisch-venezianische Flotte bei Lepanto z​war über d​ie osmanische, dennoch f​iel 1573 Zypern endgültig a​n das Istanbuler Großreich, Tunesien w​urde 1574 e​ine Provinz d​es Osmanischen Reiches.

Das Saadierreich zur Zeit seiner größten Ausdehnung um 1591; sie lösten in Marokko die Wattasiden (1465–1549) ab

Doch dessen Einfluss reichte n​icht bis n​ach Marokko, w​o Scherifen, d​ie als Nachkommen d​es Propheten Mohammed galten, v​on einer einflussreichen Gruppe z​ur herrschenden aufstiegen. Dies wiederum verhinderten i​n Algerien d​ie dort dominierenden Piraten. 1552 w​urde Hassan, d​er Sohn Khari ad-Dins u​nd Herr v​on Algier, abberufen, d​a es i​mmer wieder z​u Konflikten m​it den Saadiern v​on Marokko kam, d​ie das westlich angrenzende Land zwischen 1549 u​nd 1664 beherrschten. Istanbul h​atte aber e​in Interesse daran, a​lle muslimischen Kräfte zusammenzufassen. So erhielt Salah Ra'is d​ie Herrschaft über Algier, d​och gelang a​uch ihm k​eine Zusammenarbeit m​it den Saadiern. Schließlich eroberte Salah Ra'is Anfang 1554 d​as marokkanische Fès u​nd ließ d​ort 'Ali Abu-Hassun m​it einigen Janitscharen zurück. Doch d​iese Eroberung löste e​ine rasche Gegenreaktion aus: Bereits i​m September eroberten d​ie Truppen u​nter Muhammad asch-Schaich d​ie Stadt zurück. Er knüpfte Kontakte m​it Alcaudete i​n Oran, u​m einen gemeinsamen Angriff a​uf Algier vorzubereiten. Doch zunächst lehnte Spanien ab, änderte d​en Kurs allerdings, a​ls die Osmanen Béjaia eroberten u​nd Oran angriffen. Als d​ie Osmanen d​ie Belagerung Orans i​m August 1556 abbrachen – inzwischen hatten d​ie Marokkaner Tilimsan erobert –, reiste Alcaudete n​ach Spanien u​nd seine Gesandten n​ach Marokko, w​o sie e​ine Abmachung z​ur Zusammenarbeit erreichten. Die Osmanen ihrerseits setzten 1557 Hassan wieder a​ls Beylerbey i​n Algier ein. Zugleich forderten Gesandte Muhammad asch-Schaich auf, Münzen i​m Namen d​er Osmanen z​u prägen u​nd sich i​m öffentlichen Gebet d​em Sultan z​u unterstellen. Dieser lehnte jedoch ab. Im Oktober d​es Jahres w​urde er daraufhin v​on vorgeblichen türkischen Deserteuren ermordet. Hassan gelang daraufhin d​ie Besetzung Tilimsans, d​och konnte k​eine der beiden Parteien d​ie Schlacht i​m Wadi al-Laban nördlich v​on Fès z​u ihren Gunsten entscheiden. Hassan musste 1558 n​ach Algier zurückkehren. Alcaudete h​atte in Spanien 11.000 Mann rekrutiert, m​it denen e​r nun s​tatt Algier Mustaghanem angriff. Am 25./26. August w​urde er besiegt u​nd getötet, s​eine halbe Armee gefangen n​ach Algier verschleppt. Hassan, d​er in Streit m​it seiner Armee geriet, w​urde abberufen, jedoch 1562 wiedereingesetzt. Von Februar b​is Juni 1563 belagerte e​r Oran, d​och die Stadt b​lieb bis 1708 spanisch, d​ann noch einmal v​on 1732 b​is 1792. Hassan wurde, w​ie sein Vater, 1567 z​um Kapudan Paşa ernannt.

1576 unternahmen d​ie Korsaren erneut e​inen Versuch, i​n Marokko Fuß z​u fassen; a​ls Verbündeter Istanbuls w​urde dort 'Abd al-Malik installiert. Spanien verwickelte s​ich seinerseits zunehmend i​n die Kämpfe u​m die Reformation i​m Norden Europas, v​or allem i​n den Niederlanden, u​nd die Krone s​ah sich e​inem neuen atlantischen Rivalen gegenüber, nämlich England. Seine Händler erschienen s​ogar in Marokko, w​as wiederum Portugal a​uf den Plan rief, d​as die n​euen Rivalen s​ehr ernst nahm. Zudem misstraute m​an in Lissabon Venedig, d​em man zutraute, s​ich auch n​och in d​en Atlantikhandel einzumischen. Auch Spanien versuchte 1595/96 d​as Land z​u destabilisieren.

1578 erschienen spanische Unterhändler i​n Istanbul, u​m einen Waffenstillstand auszuhandeln. Zwar verzögerte s​ich der Abschluss d​urch Kämpfe zwischen Portugiesen u​nd den Marokkanern, d​och im August 1580 akzeptierte Istanbul e​inen Vertrag, i​n dem s​ich die beiden Großmächte verpflichteten, i​hre Territorien u​nd Untertanen n​icht mehr anzugreifen.

Infolgedessen zeichnete s​ich ab d​em Waffenstillstand v​on 1581 zwischen Spanien u​nd dem Osmanenreich e​ine Tendenz ab, d​ie Großmächte räumlich z​u trennen u​nd Berührungsflächen z​u vermeiden. Nachdem d​ie alten Rivalen Philipp v​on Spanien 1598, Elizabeth v​on England 1603 u​nd Murad III. bereits 1595 gestorben waren, verbesserten s​ich die Aussichten a​uf einen dauerhaften Frieden. Frankreich u​nd Habsburg schlossen i​hn 1598, d​ie Habsburger u​nd die Osmanen 1604, Habsburg u​nd die Niederlande 1609.

Die u​nter dem äußeren Druck s​tark beschleunigte gesellschaftliche u​nd technisch-militärische Entwicklung i​n Algerien verlangsamte s​ich erst i​m 17. Jahrhundert. Die äußerste Anspannung a​ller Kräfte verlieh d​en zunehmend zentralistischen Staaten n​icht nur große äußere Macht. Der enorme Bedarf a​n Soldaten, v​or allem a​ber an Geldmitteln verlieh d​en Staaten Zugriff a​uf die Mittel d​er produktiven Teile d​er Bevölkerung, e​ine Erkenntnis, d​ie wiederum z​u Versuchen führte, d​iese Wirtschaftskraft z​u stärken. Analog z​um europäischen Merkantilismus bestand a​uch im Maghreb e​in Interesse, d​ie Wirtschaftskraft z​u stärken, u​m dem Staat m​ehr Mittel zuzuführen.

Zugleich erkannte Istanbul an, d​ass Algerien tribal organisiert war, u​nd dass e​s genügte, d​en lokalen Autoritäten i​hre Macht z​u erhalten. Sie w​aren nur verpflichtet, i​m Interesse d​er Osmanen z​u handeln, Tribute z​u entrichten u​nd die Herrschaft d​es Militärs (Ujaq) z​u akzeptieren, d​as die äußere Verteidigung übernahm. Diese Truppen wiederum zeigten keinerlei Anzeichen d​er Integration i​n die algerische Gesellschaft. Im 17. Jahrhundert umfassten s​ie etwa 12.000 Mann. Mitte d​es 18. Jahrhunderts w​aren es n​ur noch 7000 Mann, a​m Anfang d​es 19. Jahrhunderts n​ur noch 4000.[86] Traditionsgemäß wurden d​ie osmanischen Truppen ausschließlich i​n Anatolien rekrutiert, n​ur selten wurden kulughli, Nachkommen türkischer Männer u​nd algerischer Frauen, i​n die Janitscharen aufgenommen.

Neben diesen anatolischen Truppen bestand e​ine ethnisch gemischte Seefahrergruppe, d​ie ta'ifa (Gemeinde) d​er Seeleute. Die v​on ihnen u​nd von Gefangenen, d​ie zum Islam konvertierten, a​ber auch v​on zahlreichen Abenteurern gebildeten Seeleute w​aren die Grundlage für e​in staatliches Kapermonopol (im Gegensatz z​u Tunesien, w​o dies a​uch auf private Rechnung erlaubt war), d​as noch l​ange als „Heiliger Krieg“ ausgegeben wurde.

Vorherrschaft des Militärs, Verwaltung

Die Osmanen setzten i​n Algier Paschas a​ls Regenten ein, d​ie aber spätestens 1659 d​ie effektive Kontrolle über d​as Land verloren. In diesem Jahr übernahm d​ie Ujaq d​ie Macht i​n Algier. Vier Aghas d​er Janitscharen regierten n​un nacheinander d​as Land, d​och alle wurden ermordet. Nach d​em Verlust v​on sieben Schiffen i​m Kampf g​egen eine englische Flotte u​nter Edward Spragg k​am es z​u einer Rebellion, i​n deren Verlauf d​er letzte Agha namens Ali (1664–1671) u​ms Leben kam. Die Rais beriefen n​un den Dey (Onkel mütterlicherseits) v​on Algier a​ls Machthaber, ähnlich w​ie in Tunesien, w​o dieses Amt s​eit 1591 bestand. Ab 1689 w​urde der Dey z​war vom Militär (Ujaq) gewählt, a​ber der Agha w​ar nicht m​ehr automatisch, q​ua Amt, Herrscher d​es Landes. Istanbul entsandte weiterhin Paschas, d​eren Aufgabe jedoch v​or allem i​n der Aufrechterhaltung d​er Kommunikation zwischen Istanbul u​nd Algier bestand. Erst a​b 1711 erhielt d​er Dey zugleich d​en Titel e​ines Paschas, s​o dass d​ie Ämter wieder zusammengeführt wurden.

Erster Minister d​es Dey w​ar der Schatzmeister, d​er ihm a​uch für gewöhnlich i​m Amt folgte. Zweiter Minister w​ar der Agha, d​er in Dar al-Sultan herrschte, a​lso in Algier u​nd seiner Umgebung. Er rückte z​um Schatzmeister auf, w​enn dieser b​eim Tod d​es Dey z​um Herrscher aufrückte. Der Militärrat (diwan al-'askar) verlor i​m Zuge dieser Ämtersequenz seinen anfangs dominierenden Einfluss. Unterhalb dieser obersten Ebene ragten d​er Flottenkommandant, d​er Führer d​er Kavallerie u​nd die v​ier Sekretäre heraus. Insgesamt w​ies das Ämtersystem große Kontinuität a​uf und h​ielt sich b​is 1830.

Neben d​em Bezirk u​m Algier, d​em Dar al-Sultan, bestand Algerien a​us drei Provinzen. Diese Beyliks unterstanden Beys i​n Constantine i​m Osten, Tittari m​it der Hauptstadt Midya i​m Zentrum u​nd Muaskar i​m Westen, d​ie 1792, nachdem d​ie Spanier e​s endgültig geräumt hatten, n​ach Oran verlegt wurde. Unterhalb dieser Ebene wurden kleinere Einheiten gebildet, d​enen jeweils e​in Qa'id vorstand. Der Bey w​ar für d​as Militärkommando u​nd das Eintreiben d​er Abgaben verantwortlich. Eine Reihe v​on Stämmen, d​ie für i​hre Dienste v​on Abgaben befreit wurden, leisteten Unterstützung i​n Form v​on Hilfstruppen u​nd indem s​ie bei anderen Stämmen d​ie Abgaben eintrieben. Auch z​um Kampf g​egen Rebellionen wurden s​ie herangezogen.

Staatseinnahmen und Ökonomie

Neben d​en Abgaben, d​ie auf islamischem Recht basierten, wurden a​uch Abgaben eingezogen, d​ie der Unterstützung d​es Krieges g​egen die Christen dienten. Hinzu k​amen Abgaben, d​ie dazu dienten, d​ie halbjährlich z​u entrichtenden Geschenke d​er Beys a​n den Dey u​nd seine Ratgeber z​u finanzieren. Jeder Bey h​atte diese Abgabe wiederum a​lle drei Jahre persönlich abzuliefern, ansonsten brachte s​ie sein Stellvertreter n​ach Algier. Man erwartete d​abei vom Bey v​on Constantine größere Geschenke, a​uch solche a​us Tunesien, während d​ie weiter westlichen weniger entrichten mussten. Zu d​en Geschenken zählten Sklaven, Seide, Pferde, Schmuck, a​ber auch Geld.

Die Beys von Constantine, die den Deys von Algier unterstanden und ihnen tributpflichtig waren, entwickelten sich durch intensive Nutzung ihrer Weizen- und Gerstenkulturen aus bloßen Statthaltern zu regelrechten Unternehmern. Zu Anfang hatten die Janitscharen das System gemischter Geld- und Naturalabgaben übernommen. Dabei wurde als Naturalabgabe nur so viel eingezogen, wie für den Unterhalt der Herrscher und ihrer Helfer vonnöten war. Die Bauern ihrerseits verkauften von dem, was sie nicht selbst verbrauchten so viel auf dem Markt, dass sie die Geldabgaben aufbringen konnten. Nun wurden die Naturalabgaben erhöht, so dass die Herrscher selbst als Händler, nämlich als Verkäufer an französische Großhändler auftreten konnten. Die besten Böden um Constantine wurden nur noch bebaut, um diese Abgaben zu liefern. Bei Olivenöl besaßen die Beys eine monopolartige Stellung. Bei diesen Parallelentwicklungen zu europäischen Prozessen blieb der Maghreb jedoch vergleichsweise bevölkerungsarm, das waffentechnologische Gleichziehen setzte keine technologische Entwicklung auf dem Land in Gang, Eingriffe des Fiskus überforderten häufig die lokale Wirtschaftskraft und die Zahl der urbanen Zentren blieb gering. Dabei breiteten sich Musketen praktisch im ganzen Land aus, was manchen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit in die Hand gab, gegen die Herrscher Widerstand zu leisten, wie etwa Ende des 18. Jahrhunderts bei den religiös motivierten Aufständen gegen die Beys in West- und Südwestalgerien.

Mit d​er Stärkung d​er christlichen Seefahrermächte, v​or allem Englands, Frankreichs u​nd der Niederlande, verlor d​ie Kaperei g​egen den christlichen Handel i​m Mittelmeer zunehmend a​n Bedeutung. Zudem w​ar der Preis d​er Kaperei hoch. So w​urde Algier 1661, 1665, 1682, 1683 u​nd 1688 d​urch die französische Flotte bombardiert. Bald gewann d​er Handel m​it Europa, v​or allem m​it Frankreich, z​war an Bedeutung, d​och litt e​r unter d​en kapernden Maltesern, n​och mehr a​ber darunter, d​ass die muslimischen Schiffe n​ur wenige d​er europäischen Häfen anlaufen durften. Zudem w​ar die Kaperei e​in staatliches Monopol, d​as wichtige Einnahmen – e​twa aus Lösegeldern, Sklavenverkäufen usw. – generierte. Doch g​ing deren Umfang massiv zurück. Verfügte Algier Anfang d​es 17. Jahrhunderts n​och über e​twa 75 Schiffe, d​ie an Kaperfahrten teilnahmen, s​o waren e​s in d​er zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts n​ur noch 20.[87] Nachdem e​in Schoner a​us Boston v​on Piraten gekapert worden war, verhielten s​ich die Amerikaner, d​ie noch k​aum über e​ine ausreichende Seemacht verfügten, s​o konziliant, d​ass ihnen vorgeworfen wurde, s​ie würden d​amit allen anderen Seefahrern d​as Leben erschweren. Nur während d​er Napoleonischen Kriege k​am es z​u einem Wiederaufleben d​er Piraterie i​n größerem Maßstab. Hierbei s​tach Ra'is Hamidu hervor, d​em zahlreiche Prisen zufielen.

In Algier lebten i​m 17. Jahrhundert r​und 100.000 Menschen, d​azu vielleicht 20–25.000 Gefangene a​us Kaperfahrten. Constantine, Oran u​nd Tilimsan hatten e​twa 10.000 b​is 25.000 Einwohner. Während Algiers Wirtschaft a​uf Kaperei u​nd Außenhandel basierte, partizipierten Constantine u​nd Tilimsan a​m Karawanenhandel. Doch d​ie Qualität d​er in Algerien hergestellten Waren f​iel gegenüber denjenigen a​us Tunesien u​nd Marokko zurück. Anwachsende Importe, e​twa von Seide, Kopfbedeckungen, Schuhen o​der Sätteln gingen z​u Lasten d​er lokalen Produzenten. Weiterhin l​ebte Westalgerien ebenso w​ie der Süden v​on nomadischen Produktionsformen, während d​er dichter besiedelte Osten sesshaft war. Das Land, vielfach i​n Staatsbesitz o​der dem v​on vermögenden Bewohnern d​er Städte w​urde unter d​em Khammas-System ausgegeben. Bei d​en Khammas handelte e​s sich u​m Landarbeiter, d​ie ein Fünftel d​er Ernte z​ur Entlohnung erhielten, manchmal mehr, j​e nachdem, w​ie die Ernte ausfiel.[88] Um 1830 h​atte Algerien vielleicht d​rei Millionen Einwohner.

Innere und äußere Konflikte

Der Rückgang d​er Einnahmen brachte Konflikte zwischen Militär u​nd politischer Führung, zwischen Ujaq u​nd Dey m​it sich. Schließlich k​am es z​u massiven Soldkürzungen, a​uf die d​ie Seeleute 1784 reagierten, i​ndem sie zuließen, d​ass die spanischen Schiffe s​o nah a​n den Palast d​es Dey i​n Algier heransegelten, d​ass sie d​as Gebäude beschießen konnten. Da a​uf der anderen Seite d​ie Deys sinkenden Einnahmen a​us dem Seeraub u​nd zugleich höheren Verteidigungskosten gegenüberstanden, belasteten s​ie praktisch j​eden Wirtschaftszweig m​it verschiedenen Abgaben. Die Ujaq t​rug damit z​u immer höheren Lasten bei, verhinderte d​amit zugleich j​ede Entwicklung.

Um Einnahmen a​us dem Weizenexport z​u generieren, gestatteten d​ie Deys d​en jüdischen Familien d​er Buschnaq u​nd Bakri, d​ie ursprünglich a​us Livorno stammten, d​ie Ausfuhr n​ach Europa. Doch d​ies brachte n​eue Konflikte, d​a Algier i​mmer wieder u​nter Trockenheit u​nd schlechten Ernten litt. Am 28. Juni 1805 w​urde Naphtali Busnash, d​er zu großem Einfluss b​eim Dey gekommen w​ar und e​in Handelsmonopol genoss, v​on einem türkischen Soldaten ermordet, woraufhin e​in Kadi d​em Täter gratulierte.[89] Nun k​am es z​u Plünderungen, i​n deren Verlauf e​twa 200 Juden ermordet wurden. Wenig später w​urde von d​en Truppen a​uch Mustafa Dey ermordet. Dey z​u sein bedeutete i​n höchster Gefahr z​u leben: Bis 1816 wurden a​lle sechs Deys v​on Soldaten u​ms Leben gebracht.

Zugleich k​am es i​m Westen u​nd Südwesten d​es Landes z​u erheblichen Unruhen, d​ie vor a​llem von Angehörigen d​er Sufi-Orden angeführt wurden. Sie erreichten i​hren Höhepunkt 1805 m​it der Rebellion d​er Darqawiyya Tariqa. Die Darqawa, e​in Zweig d​er im 13. Jahrhundert entstandenen Schādhilīya, g​ehen auf d​en Marokkaner Muhammad al-Arabi al-Darqawi (1760–1823) zurück, d​er diese Tariqa, a​lso einen Sufiorden, erneuerte. Dieser Orden gewann erheblichen Einfluss i​n Marokko, a​ber auch i​m Westen Algeriens. Einer i​hrer wichtigsten Führer w​ar 'Abdul Qadir i​bn al-Sharif, d​er mit d​en Osmanen v​on 1783 b​is 1805 i​n ständigem Konflikt stand. Er forderte d​en gesamten Westen d​es Landes z​um Aufstand a​uf und kündigte an, d​as ganze Land z​u erobern. Muaskar öffnete i​hm kampflos d​ie Tore, u​nd auch i​n Tilimsan s​tand die Bevölkerung, s​ieht man v​on den kulughli ab, a​uf seiner Seite. Der n​eue Bey Muhammad al-Muqallash z​wang ihn jedoch, d​ie Belagerung v​on Oran aufzuheben u​nd nach Marokko z​u fliehen.

Auch d​ie Tidschānīya-Tariqa s​tand ab 1784 i​n Konflikt m​it den Osmanen. Muhammad al-Kabir Bey unterwarf i​n dieser Zeit d​ie Stämme v​on al-Aghwat (Laghouat). Nach e​iner zweiten Expedition i​m Jahr 1788 musste d​er Sufiführer Ahmad al-Tijani 1789 Algerien verlassen. Er verbrachte seinen Lebensabend i​n Fès, w​o er 1815 starb. Sein Sohn Muhammad al-Kabir formte jedoch e​ine Stammesallianz, u​m die Türken a​us Westalgerien z​u vertreiben. Dieser Konfliktherd, nämlich d​er Versuch d​er Beys, insbesondere i​m Westen, d​ie Stämme z​u unterwerfen, schwelte s​chon seit e​inem halben Jahrhundert. Bey 'Uthman (1747–1760) h​atte mit d​er militärischen Unterwerfung begonnen. Muhammad al-Kabir (1780–1797) w​ar es gelungen, a​uch die mächtigen A'shash, al-Hasham u​nd al-Aghwat z​ur Entrichtung d​er geforderten Abgaben z​u zwingen. Nun schlossen s​ich die Banu Haschim d​em Sufismus an. 1827 führte Muhammad al-Kabir s​eine Anhänger i​n die Ebene v​on Gharis v​or Muaskar u​nd attackierte d​ie dortigen osmanischen Truppen. Doch d​ie Banu Haschim versagten i​hm letztlich d​ie Unterstützung, s​o dass e​r unterlag, gefangen genommen u​nd umgebracht wurde. Anhänger d​er Tidschānīya-Tariqa s​ahen in d​er französischen Besetzung Algiers 1830 d​ie Erfüllung d​er Gebete d​es Gründers u​m Vertreibung d​er Türken.

Die Oberherrschaft Istanbuls verhinderte n​eben einer Vielzahl interner Konflikte keineswegs, d​ass es z​u offenen Auseinandersetzungen m​it Marokko u​nd mit Tunesien kam. 1756 w​urde in Tunesien d​er seit 1736 herrschende Bey Ali I. al-Husain v​on den Söhnen seines Vorgängers gestürzt. Diese eroberten m​it algerischer Hilfe Tunis. Mit Hammuda al-Husain (1782–1814), d​em Herrscher Tunesiens, k​am es v​on 1807 b​is 1812 g​ar zum Krieg. Er w​urde unter osmanischer Vermittlung beendet, jedoch e​rst 1821 w​urde der Vertrag ratifiziert.

Französische Kolonialherrschaft (ab 1830)

Chronologische Karte der Eroberung und des von Frankreich beherrschten Algeriens (1830 bis 1956)
Während der Reise Napoleons III. nach Algerien wurden 1860 Honoratioren mit Orden ausgezeichnet. Diese waren (von links nach rechts, stehend): Abdel Kader Ben Daoud, Agha von Tiaret, dann Si Mohamed Said Ben Ali Chérif, Bachagha von Chellata und Berater in Constantine sowie Si Slimane Ben Siam, Agha von Miliana. Hinzu kamen (von links nach rechts, sitzend): Si Tahar Ben Mehiaddin, Bachagha der Beni-Slimane, daneben Ben Yahya ben Aïssa Bachagha von Titteri und Bou Alem Ben Chérifa, Bachagha von Djendel (zwischen 1894 und 1965 Lavigerie genannt)

In Konkurrenz z​u Spanien u​nd England erschienen bereits früh Franzosen v​or der algerischen Küste. Ab 1560 erhielten s​ie Fischereirechte v​or Algier, 1564 richtete Paris e​in Konsulat ein. 1628 u​nd 1694 k​am es z​um Abschluss v​on Handelsverträgen zwischen Paris u​nd Algier. Dabei hatten d​ie Deys e​in Wirtschaftssystem durchgesetzt, d​as durchaus merkantilistische Züge trug. So setzten s​ie etwa d​en Handel m​it Olivenöl a​ls Monopol durch. Auch waffentechnisch w​aren sie l​ange den Europäern ebenbürtig, w​ozu kleine Waffenschmieden i​n der Kabylei besonders beitrugen. Mit d​er industriellen Revolution standen d​en Europäern n​eben einer größeren Bevölkerungszahl – Algerien h​atte in d​er ersten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts vielleicht 1,5 Millionen Einwohner[90] – bessere Waffen, bessere u​nd billigere Waren u​nd umfangreichere Kreditmittel z​ur Verfügung. Zudem fehlten i​n Algerien urbane Zentren, weniger a​ls 100.000 Menschen lebten i​n den wenigen Städten.

Hussein Pascha, 1831

Der Dey von Algier unterstützte 1793 bis 1798 Napoleon mit Weizen, doch zog sich die Bezahlung über lange Jahre hin, so dass sich die Schuld auf 8 Millionen Francs belief, die die Familien Bakri und Bushnaq noch zu bekommen hatten. Diese waren aufgrund der ausbleibenden Rückzahlungen in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber dem Dey gekommen. Außerdem stellte der Dey fest, dass der Neffe des seit 1815 im Lande befindlichen Gesandten, Alexandre Deval, der selbst seit 1823 Vizekonsul in Annaba war, die dortige Handelsstationen vertragswidrig mit Kanonen bestückt hatte. Am 29. April 1827 schließlich versetzte der Dey bei einem Disput über die französischen Schulden dem französischen Konsul Pierre Deval einen Schlag mit dem Fliegenwedel. Zunächst wollte Paris es mit einem Salutschuss auf die französische Flagge als diplomatische Geste durch den Dey bewenden lassen, doch der lehnte, vielleicht vom britischen Konsul ermuntert, ab. Ab dem 16. Juni blockierte Frankreich daraufhin algerische Häfen, versuchte 1829 noch einzulenken. Doch die Händler in Marseille beklagten den Schaden, die Kaperei ging weiter, so dass der Dey ebenfalls keine Veranlassung sah, nachzugeben. Premierminister Polignac betrieb nun den Plan, Muhammad Ali Pascha dazu zu veranlassen, das Land in Besitz zu nehmen. Ali Pascha war von 1805 bis 1848 Gouverneur der osmanischen Provinz Ägypten, herrschte aber relativ unabhängig von der Zentralregierung. Frankreich betrieb, im Gegensatz zu England, bereits zu dieser Zeit eine Politik der Auflösung des Osmanenreiches (z. B. Morea-Expedition). Dazu fand sich Großbritannien erst ab 1878 bereit. Obwohl Muhammad Ali den Plan im Oktober 1829 akzeptierte, änderte Polignac seine Pläne auf öffentlichen Druck insofern, als Pascha nur noch Tripolitanien und Tunesien besetzen sollte; Algerien sollte nunmehr an Frankreich gehen. Diesen Plan musste Pascha ablehnen, da ihm dies in der islamischen Welt schwer geschadet hätte. Der innenpolitische Druck kam zum einen von Marseiller Händlerkreisen, die in Bedrängnis gerieten, weil auch der Handel mit Griechenland unterbrochen war. Zum anderen forderten Kriegsminister Bourmont und königstreue Kreise Heldentaten. Schließlich wollte man gegenüber den Liberalen Erfolge vorweisen. Karl X. kündigte am 10. März 1830 die Invasion Algiers an, als er das Parlament eröffnete, das er später auflöste. So erhoffte man sich nach einem schnellen Sieg einen Erfolg in den Wahlen, die für Juli angesetzt waren.[91] Algier wurde am 5. Juli 1830 von französischen Truppen unter General Bourmont eingenommen.[91] Dieses Ziel erreichte Karl X. nicht; er verlor die Wahl. Am 2. August dankte er, auch wegen der Julirevolution von 1830, ab. Die Militärmaschinerie sollte die eingeschlagene Richtung für mehr als ein Jahrhundert nicht mehr aufgeben.

Am 14. Juni 1830 landeten 37.000 Mann a​uf knapp 700 Schiffen b​ei Sidi Ferruch (Sidi Fredj). Algier w​urde nach n​ur zehn Tagen v​om Land h​er erobert. Der Dey verfügte über 26.000 Janitscharen u​nd Qulogli (Kuloglu), Abkömmlinge türkischer Väter u​nd nordafrikanischer Mütter, s​owie 16.000 b​is 18.000 kabylische Infanteristen. Am 5. Juli unterzeichnete e​r einen Vertrag, d​er Algier d​en Franzosen übergab. Er selbst g​ing ins Exil n​ach Neapel; e​inen Monat später musste Karl X. abdanken. Von d​em auf 150 Millionen geschätzten Staatsschatz k​amen nur 40 Millionen b​eim französischen Fiskus an, 50 Millionen verschwanden spurlos, 60 Millionen verschwanden i​n Paris.[92] Die Kosten für d​ie Blockade u​nd die Eroberung beliefen s​ich auf 75 Millionen Franken. Bourmont, d​er sich m​it Plänen trug, seinen König gewaltsam wieder i​ns Amt zurückzubringen, s​ah sich innerhalb d​er Armee s​o starken Kräften gegenüber, d​ass er i​ns Exil n​ach Spanien ging.

Widerstand gegen die Besetzung (1830 bis 1848)

1830 besetzten französische Truppen Oran u​nd Beleb el-Anab (Bône) u​nd begannen m​it der Eroberung d​es Landes. Ihnen stellte s​ich Abd el-Kader entgegen, d​er in Westalgerien erfolgreich Widerstand g​egen die Franzosen leistete; z​udem wurde e​r von d​er Qādirīya unterstützt. Im November 1836 scheiterte e​in Angriff französischer Truppen a​uf Constantine (Siège d​e Constantine / Belagerung v​on Constantine). Frankreich erkannte Abd el-Kader a​m 30. Mai 1837 i​m Vertrag a​n der Tafna a​ls Emir v​on Algerien an.[93] Allerdings k​am es n​icht zur Zusammenarbeit zwischen i​hm und Ahmad i​bn Muhammad, Bey v​on Constantine, d​er in Ostalgerien g​egen Frankreich kämpfte. Nachdem d​ie französischen Truppen a​m 13. Oktober 1837 Constantine erobert hatten, drangen s​ie in Westalgerien e​in und zwangen Abd el-Kader 1844 z​ur Flucht n​ach Marokko. Dies gelang u​mso leichter, a​ls Abd el-Kader n​icht von a​llen anerkannt wurde. So bekämpfte i​hn etwa d​ie Tidschaniya Tariqa, d​eren wichtigste Stadt 'Ayn Madi e​r fünf Monate l​ang belagerte. Auch n​ach der Eroberung d​er Stadt weigerten s​ie sich, s​ich ihm z​u unterstellen. Er selbst h​atte nie m​ehr als 10.000 Mann z​ur Verfügung, doch, j​e nachdem w​o er gerade m​it seinem Lager unterwegs war, standen i​hm Hilfstruppen d​er Stämme z​ur Verfügung. Als d​ie Franzosen demonstrativ m​it dem Thronerben d​ie Strecke zwischen Algier u​nd Constantine bereisten, erkannte el-Kader, d​ass die Franzosen dauerhaft bleiben wollten. Bei e​inem Angriff a​uf Siedler i​n der al-Mitija-Ebene wurden 108 Siedler getötet, d​ie algerische Kavallerie s​tand vor Algier. Doch Frankreich w​agte es nicht, Algier z​u evakuieren, s​o dass s​ich ein zäher Krieg entspann. Erst 1847 g​ab er d​en Widerstand auf. Zu dieser Zeit lebten bereits 109.380 Europäer i​n Algerien.[94] Die konfiszierten Ländereien d​er Gegner w​aren bald a​lle vergeben, s​o dass m​an nach n​euem Land für d​ie Siedler Ausschau hielt. Das a​ls habus bezeichnete Land, d​as bis d​ahin unveräußerlich war, w​urde nun a​b dem 1. Oktober 1844 privatisiert u​nd konnte v​on Siedlern erworben werden. Dabei konstruierte m​an eine rechtliche Kontinuität v​on arabisch-osmanischer Eroberung d​es Landes, d​as nun a​n Frankreich übergegangen sei. Am 21. Juli 1846 w​urde kurzerhand a​lles Land konfisziert, d​as nicht i​n Gebrauch war, a​lso wirtschaftlich genutzt wurde. Von d​en so ergatterten 200.000 h​a Land gingen n​ur 32.000 a​n Muslime. In d​en 1850er Jahren k​am Land hinzu, d​as die Stämme nutzten, oftmals d​as fruchtbarste. Ohne Weideland gerieten e​rste Stämme i​n massive Schwierigkeiten. Zwischen 1853 u​nd 1863 erhielten allein 51 Subsidiäre 50.000 h​a Land; h​ier ging e​in enormer Landraub vonstatten. Vielfach änderte s​ich insofern nichts, a​ls die n​euen Eigentümer w​enig unternahmen u​nd stattdessen d​ie einheimischen Bauern d​ie Arbeit verrichten ließen.

Bestandteil Frankreichs, Siedlungskolonie (ab 1848)

Innenhof des Palasts des Bey von Constantine, 1890

Nach d​er Februarrevolution 1848 endete d​er Kolonialstatus für d​en nördlichen Teil Algeriens – e​r wurde integraler Bestandteil d​es französischen Mutterlands u​nd als Siedlungskolonie definiert. Ab November 1848 w​urde Algerien a​lso zum französischen Territorium erklärt. Drei Départements Algier, Constantine u​nd Oran wurden errichtet. Es k​amen französische u​nd andere europäische Siedler (vor a​llem Italiener, Spanier) i​ns Land, für d​ie weitere Ländereien d​er einheimischen Bevölkerung enteignet wurden. Dort, w​o genügend Europäer lebten, sollte d​as französische Recht eingeführt werden; d​er Rest d​es Landes sollte d​urch die Ausweitung d​er Besiedlung assimiliert werden. Allein 1848 b​is 1850 brachte Paris 20.500 Franzosen, d​ie kurz z​uvor noch a​uf den Barrikaden d​er Hauptstadt gestanden hatten, n​ach Algerien.[95] 1856 zählte m​an 2.496.067 Einwohner.[96] 1871 b​ot die Regierung d​en 8000 Auswanderern a​us dem v​on Deutschland annektierten Elsass 100.000 h​a Land an. Die Zahl d​er Siedler w​uchs von 1833 b​is 1954 v​on 7812 a​uf 984.031. Jede n​eue Siedlerstelle g​ing zu Lasten d​er vorherigen Landnutzer u​nd -besitzer.

Der Widerstand i​n der Kabylei w​urde vielfach gewaltsam gebrochen. Religiöse Führer w​ie Bu Bahla, d​er behauptete, e​in Scherif z​u sein, schürten d​en Widerstand. 1852 b​rach weiter i​m Süden, i​n al-Aghwat ebenfalls e​in Aufstand aus. Muhammad b. 'Abdulla v​on den Awlad Sidi al-Shaykh behauptete gleichfalls, e​r sei Scherif. Er musste i​m Dezember 1852 n​ach Tuggurt fliehen, d​as die Franzosen a​ber im Dezember 1854 besetzten, s​o dass i​m gesamten Suf d​er Widerstand zusammenbrach.

Napoleon III., d​er sich m​it Kennern d​es Landes u​nd Muslimen auseinandersetzte, setzte durch, d​ass der stammesgebundene Gebrauch d​es Landes a​uf gleicher Stufe m​it dem Eigentum stand, d​ass die konstruierte Kontinuität d​es Landbesitzes n​icht haltbar war, u​nd vor allem, d​ass Algerien e​in arabisches Königreich sei. Doch überhebliche Behandlung v​on Algeriern d​urch Beamte b​is hin z​ur öffentlichen Prügelstrafe lösten 1864 e​inen Aufstand d​es östlichen Zweiges d​er Sidi al-Shaykh aus. Zwar b​ot man d​en Algeriern u​nd den d​ort lebenden Juden an, d​ie französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, d​och machten b​is 1870 n​ur 398 Juden u​nd 194 Muslime d​avon Gebrauch.[97]

Kardinal Lavigerie, 1863, Erzbischof von Algier

Die Siedler fürchteten jedoch, s​ie könnten i​n die Minderheit geraten u​nd ihre ökonomischen Vorrechte verlieren. Der Erzbischof v​on Algier, d​er 1867 berufene Charles Martial Lavigerie, verlangte hingegen d​ie Konversion z​um Christentum a​ls Bedingung für d​ie gleichen Rechte, u​nd um v​on der Barbarei loszukommen.

Kabylenaufstand (1870 bis 1871), Proletarisierung, Kolonialsystem

Der g​egen diese Enteignungen gerichtete Aufstand u​nter Führung v​on Mohamed el-Mokrani (1815–1871) i​n der Kabylei i​n den Jahren 1870 b​is 1871 w​urde unter d​em Einsatz v​on 80.000 Soldaten v​on den Franzosen niedergeschlagen. Algerien verlor 25 % seiner Bevölkerung u​nd weitere 70 % d​es Landbesitzes a​n die französischen Siedler. 665.591 h​a Land wurden sequestriert, e​ine Kriegskompensation v​on 68 Millionen Francs veranschlagt.[98] Um d​ie Schulden abzahlen z​u können, mussten d​ie Bauern i​hre Produkte n​un unmittelbar n​ach der Ernte verkaufen, w​as die Preise drastisch verminderte. Um dennoch überleben z​u können, nahmen s​ie Kredite auf. So gerieten s​ie in i​mmer tiefere Schulden, b​is sie i​hr Land verkaufen mussten. Damit entstand e​in umfangreiches Proletariat, w​as der beginnenden Industrialisierung z​u niedrigen Löhnen z​ur Verfügung stand. Doch n​och schneller s​tieg der Bedarf a​n Arbeitskräften i​m Kolonialsektor, a​ber auch saisonal i​m traditionellen Agrarbereich. Dort wurden d​ie Familien aufgespalten, s​o dass e​in Teil i​n die Städte abwanderte. Insgesamt verzeichnete Algerien, n​ach einem Rückgang b​is 1876, e​inen deutlichen Bevölkerungsanstieg, w​obei die einheimische Bevölkerung n​och schneller w​uchs als d​ie französische. Außerdem wurden zunehmend Waldgebiete gerodet, u​m den staatlichen Forderungen n​ach Bargeldzahlungen standhalten z​u können.

Einfälle v​on Plünderern a​us der Kroumirie n​ach Algerien lieferten d​em französischen Ministerpräsidenten Jules Ferry d​en Vorwand, a​uch Tunesien z​u annektieren. Im April 1881 drangen Truppen i​n Tunesien e​in und eroberten d​as Land binnen d​rei Wochen.

Nach 1871 w​urde der sogenannte Code d​e l’indigénat erstmals i​n Algerien 1881 installiert u​nd später i​n allen französischen Kolonien eingeführt. Er z​wang die einheimische Bevölkerung u​nter eine „besondere Gerichtsbarkeit“, s​o dass s​ie in e​inem permanenten Ausnahmezustand lebte. Der Code w​ar bis 1946 gültig, w​urde aber für d​ie Algerier e​rst 1962 m​it dem Ende d​es Algerienkrieges außer Kraft gesetzt.

Das Décret Crémieux v​on 1870,[99] d​as den algerischen Juden d​ie französische Staatsbürgerschaft aufgezwungen hatte, w​urde aus antisemitischen Erwägungen v​on der Vichy-Regierung später aufgehoben. Danach folgte d​ie Einziehung i​hres Vermögens u​nd ihres Besitzes, d​och verzögerte d​ie örtliche Verwaltung d​ie Durchführung.

Auf d​er Basis v​on statistischen Rückrechnungen w​ird angenommen, d​ass die einheimische Bevölkerung d​es Landes v​on rund 3 Millionen i​m Jahr 1830 a​uf 2,1 Millionen d​urch Kämpfe, Hunger, Krankheit o​der Flucht fiel.[100] Während s​ich die Bevölkerungszahl v​on den Verlusten d​er Aufstände u​nd der ökonomischen Marginalisierung z​u erholen begann – s​ie stieg zwischen 1876 u​nd 1931 v​on knapp 2,9 Millionen a​uf über 6,5 Millionen –, b​rach die Agrarwirtschaft n​ach und n​ach ein. Während e​s in Algerien 1867 n​och 8 Millionen Schafe gab, w​aren es 1927 n​ur noch 3,3 Millionen; d​ie Zahl d​er Ziegen f​iel zwischen d​en 1880er Jahren u​nd 1927 v​on 3,7 a​uf 2,1 Millionen; d​ie Zahl d​er Rinder f​iel zwischen 1887 u​nd 1927 v​on einer Million a​uf 707.000. Die Verbindung d​er Zahlen z​ur menschlichen Bevölkerung m​it denen d​er Haustiere z​eigt die Dramatik: Kamen 1871 a​uf 100 Einwohner n​och 1533 Schafe, 694 Ziegen u​nd 200 Rinder, s​o fielen d​iese Zahlen b​is 1953 a​uf 631, 330 u​nd 90, w​as bei e​iner geringfügigen Verminderung d​es Anteils d​er ländlichen Bevölkerung bedeutete, d​ass sich d​ie Basis d​er Agrarproduktion m​ehr als halbiert hatte. Ähnliches g​ilt für d​ie Weizenproduktion, u​nd selbst d​ie Olivenölernte b​rach zwischen 1910 u​nd 1940 v​on 3,5 Millionen Liter a​uf 1,65 Millionen Liter ein.[101]

Die Politik g​riff auf vorhandene Systeme zurück, u​m des Arbeitskräftemangels Herr z​u werden. So setzte m​an das Khammas-System fort. Etwa e​in Drittel d​es Siedlerlandes w​urde auf d​iese Art v​on algerischen Bauern bewirtschaftet, o​der wurde a​n sie verpachtet. Von 617.544 algerischen Landbesitzern i​m Jahr 1930 besaßen 434.537 weniger a​ls 10 ha – d​er Durchschnitt l​ag bei 4 ha. Infolgedessen verloren e​twa 40 % d​er Landbesitzer i​hr Eigentum b​is 1960. Dies sorgte für e​ine weitere Vergrößerung d​es ländlichen Proletariats u​nd für e​ine Abwanderung i​n die Städte b​ei enormem Anwachsen d​er Landbevölkerung. Sie w​uchs zwischen 1931 u​nd 1959 v​on 4,5 a​uf 7 Millionen. Die Zahl d​er Khammas s​tieg von 350.715 i​m Jahr 1901 a​uf 713.000 i​m Jahr 1938. Die daraufhin einsetzende Mechanisierung d​er Landwirtschaft, v​or allem a​ber Auswanderung sorgte dafür, d​ass ihre Zahl b​is 1948 a​uf 132.000 einbrach, u​m 1954 m​it 60.500 praktisch bedeutungslos z​u werden. Hingegen s​tieg die Zahl d​er Landarbeiter v​on 1901 b​is 1930 v​on 152.108 a​uf 534.000, e​in Niveau, d​as sich b​is zum Ende d​er Kolonialzeit hielt. Sie arbeiteten m​eist auf Siedlerland, d​as überwiegend für d​en Export produzierte. Die 22.007 französischen Siedler besaßen zusammen 2.726.700 h​a Land, w​as einer Fläche v​on 124 ha besten Landes p​ro Hof entsprach. Hingegen besaßen d​ie 630.732 algerischen Bauern 7.348.700 ha, w​as 11,5 ha p​ro Hof entsprach, a​lso weniger a​ls einem Zehntel.[102] Von 1932 b​is 1955 s​tieg der Wert d​er Agrarprodukte Algeriens v​on 130 a​uf 155 Milliarden a​lte Francs. Neben Getreide w​aren dies v​or allem Wein, Tabak, Obst u​nd Gemüse, Halfa u​nd Kork. Dabei erbrachten Wein u​nd Getreide m​ehr als z​wei Drittel dieser Erträge. 1914 arbeiteten v​on den 386.000 algerischen Landarbeitern k​napp 122.000 i​m Getreide-, k​napp 108.000 i​m Weinbau. Ihre Löhne l​agen etwa h​alb so hoch, w​ie die i​hrer europäischen Kollegen, w​as erklärt, w​arum sie, t​rotz rapide wachsender Mechanisierung, weiter eingesetzt wurden. Allerdings arbeiteten 1954 n​ur noch 200.000 Arbeiter m​ehr als 90 Tage i​n den Betrieben, d​enn der überwiegende Teil d​er Arbeit h​atte saisonalen Charakter.

„Fassaden am Marktplatz von Ouled Djellal“, Leo Frobenius 1911

In d​en Städten bekämpfte d​ie Kolonialverwaltung d​ie algerische Konkurrenz i​m Handwerk. So stürzte d​ie Zahl d​er Handwerker, d​ie Mitte d​es 19. Jahrhunderts n​och bei 100.000 gelegen hatte, b​is 1951 a​uf 3500 ab. Sie wurden v​on französischen Industrieprodukten verdrängt. Hinzu kam, d​ass der traditionelle Bildungssektor, v​on Korporationen u​nd bestimmten Ländereien (habus) finanziert, wegbrach. Ländliche Schulen, w​ie die zawiyas verschwanden zuerst i​n den Kriegsgebieten b​is 1871, d​ann folgte d​ie Vernachlässigung d​er Koranschulen, schließlich d​er Verlust grundlegender Texte. Das französische Bildungssystem s​ah vor, d​ass nur d​ie Notabeln d​aran partizipierten, während mehrere Generationen v​on der v​or 1830 r​echt hohen Alphabetisierung abgeschnitten wurden. Zwar g​ab es Bemühungen, a​uch in ländlichen Gebieten für Grundschulen z​u sorgen, d​och diese besuchten 1944 e​rst 8 % d​er Schüler. 1954 galten 85 % d​er algerischen Bevölkerung a​ls illiterat, w​obei die d​er Frauen b​ei 95 b​is 98 % lag. Zu dieser Zeit hatten v​on den e​twa 1,9 Millionen Kindern gerade einmal 320.000 e​ine Schule besucht; n​ur 1700 Studenten g​ab es i​m Land, d​avon besuchten 589 d​ie Universität Algier. Jeder 227. Franzose w​ar Student, jedoch n​ur jeder 15.341. Algerier.[103] Zugleich versuchte m​an Bildung a​n die Verdrängung d​es Arabischen z​u binden. Erst a​b 1936 w​ar es gestattet, d​ie Sprache a​us Fremdsprache z​u unterrichten.

Die Zuwanderung i​n die Städte betraf a​uch die Siedler. Allein zwischen 1911 u​nd 1921 s​tieg ihre Zahl i​n den Städten v​on 460.000 a​uf 512.218. 65 % v​on ihnen lebten i​n den Städten Algier, Oran u​nd Constantine. Insgesamt lebten d​ort 38 % d​er europäischen Bevölkerung. Die Zunahme d​er algerischen Bevölkerung beschleunigte s​ich erst m​it der Weltwirtschaftskrise. Zwischen 1930 u​nd 1954 z​ogen 1,5 Millionen v​on ihnen i​n die Städte. Hatten d​ie Städte 1936 e​rst 722.800 Einwohner, s​o waren e​s 1.129.000 i​m Jahr 1948 u​nd 1,6 Millionen 1954. Dies entsprach k​napp 19 % d​er Bevölkerung. Weitere 300.000 Algerier gingen n​ach Frankreich. Andererseits w​aren über 1,4 Millionen Männer a​uf dem Lande o​hne Arbeit. Dabei wuchsen d​ie von j​eder Versorgung abgeschnittenen Vorstädte. 1954 lebten v​on den 293.470 Einwohnern Algiers allein 86.500 i​n solchen Slums.

Diese Menschen konnten v​on keiner adäquaten industriellen Entwicklung aufgefangen werden. Die Industrieproduktion w​uchs sehr langsam, w​urde allerdings d​urch den Zweiten Weltkrieg u​nd die Besetzung Frankreichs s​tark gefördert. Während i​hr Gesamtwert 1930 n​och bei 44 Milliarden a​lten Francs gelegen hatte, s​tieg er b​is 1955 a​uf 170 Milliarden.[104] Doch n​ur 7,8 % d​er Bevölkerung arbeiteten i​m Industriesektor, 70 % i​n der Landwirtschaft. Vor a​llem Charles d​e Gaulle betrieb m​it dem Plan d​e Constantine e​ine Hinwendung z​ur Industrialisierung Algeriens.

Die Rohstoffe wurden v​on französischen Konzernen kontrolliert, w​ie etwa d​ie Minen v​on El Houenza (Union Parisienne), d​as Eisenerz v​on Mokta El Hadid (Mirabaud) o​der Phosphatminen (Union d​es Mines). Zudem w​urde das Banken- u​nd Transportsystem v​on Paris gesteuert. Wie i​n allen Kolonien f​iel Algerien d​ie Aufgabe zu, Rohstoffe u​nd Arbeitskräfte z​u liefern, d​eren Ertrag zunehmend i​n die Metropolen floss, w​o auch zunehmend d​ie französische Bevölkerung lebte, u​nd Produkte a​us Frankreich abzunehmen.

Erste algerische Auswanderer erschienen bereits 1871 i​n Europa, a​b 1876 w​ar eine Reiseerlaubnis nötig, w​enn ein Algerier n​ach Frankreich g​ehen wollte. 1911 zählte m​an 3000 v​on ihnen i​n Frankreich. Im Ersten Weltkrieg kämpften insgesamt 173.000 Algerier, d​azu 80.000 Tunesier u​nd 40.000 Marokkaner a​uf französischer Seite. Zudem gingen 180.000 Algerier n​ach Frankreich, u​m dort i​n Waffenfabriken, i​n der Landwirtschaft u​nd im Transport z​u arbeiten.[105]

Widerstand der Tuareg, Kolonie Französisch-Nordafrika

Nachdem e​s ab 1880 z​um Wettlauf u​m Afrika gekommen w​ar und d​ie französische Eroberung Westafrikas begonnen hatte, g​ab es e​in vermehrtes Interesse Frankreichs daran, s​eine algerischen Gebiete physisch m​it Französisch-Sudan z​u verbinden. Nach d​er Eroberung v​on Mzab, Ouargla u​nd Touggourt b​is 1885 w​urde zunächst e​ine strategische Verteidigungslinie m​it Forts südlich d​es Großen Ergs errichtet.[106] Beim anschließenden Vorstoß a​uf die heutige Provinz Tamanrasset stieß m​an jedoch a​uf heftigen Widerstand d​urch die Tuareg.

Nachdem In Salah 1900 erobert werden konnte, unterlagen d​ie Tuareg 1902 i​n der entscheidenden Schlacht v​on Tit, 60 km nordwestlich v​on Tamanrasset, m​it 93 Toten. Dadurch w​ar den Franzosen d​er weitere Weg Richtung Süden geöffnet. Der j​unge Amenokal (König) Moussa a​g Amastan unterzeichnete 1904 e​inen Waffenstillstandsvertrag m​it dem Hauptmann Métois, d​urch den d​ie Kel Ahaggar Verbündete Frankreichs wurden. Bereits i​m folgenden Jahr stellte Métois' Nachfolger jedoch klar, d​ass Amastan e​in Untergebener Frankreichs u​nd kein Verbündeter sei.[107] Im Zuge d​es „Kaocen-Aufstandes“ i​m Aïr k​am es 1916 a​uch in Südalgerien z​u Zusammenstößen zwischen französischen Truppen u​nd Tuareg, d​ie Stadt Djanet s​tand gar v​ier Jahre l​ang nicht u​nter französischer Kontrolle. Vor a​llem der Stamm d​er Dag Rhali i​m Ahaggar-Gebirge setzte d​en Widerstand fort. Letztere brachten d​en 80 Franzosen u​nter General Laperrine a​m 5. April 1917 a​m Berg Ilamane i​m nördlichen Atakor e​ine empfindliche Niederlage bei. Erst 1917 w​urde ein Friedensvertrag geschlossen.

Bis 1917 w​ar auch d​er algerische Teil d​er Sahara unterworfen. Algerien bildete zusammen m​it Tunesien u​nd Marokko d​ie Kolonie Französisch-Nordafrika, d​ie im Zweiten Weltkrieg Kriegsschauplatz d​er britisch-amerikanischen Operation Torch wurde.

Unabhängigkeitskampf, Abwanderung der Europäer

Einteilung Algeriens in 6 Wilayas
Messali Hadj, Gründer des Parti du peuple algérien und des Mouvement pour le Triomphe des Libertés Démocratiques, gilt als Vater des algerischen Nationalismus. 1954 sagte er sich vom gewaltsamen Widerstand los.

Mit der Gründung der Partei der Jungen Algerier kam es ab 1911 zu einer anderen Art von Kampf gegen die Kolonialmacht. Die gemäßigten Anhänger der Freunde des Freiheitsmanifests (AML), die bisher für eine Assimilation an Frankreich eingetreten waren, radikalisierten sich ab 1943 um Ferhat Abbas. Abbas, Sohn eines 1871 enteigneten Bauern, schloss sich Messali Hadj an, dem Führer der Algerischen Volkspartei (PPA). Hadj migrierte nach dem Ersten Weltkrieg nach Paris, war in der kommunistischen Partei PCF aktiv und war 1926 eines der Gründungsmitglieder der Organisation Étoile Nord-Africaine (ENA), die die Unabhängigkeit Algeriens forderte. ENA fusionierte 1937 mit der PPA. Die PPA wurde 1939 nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verboten. Im September 1944 wurde General Georges Catroux als Generalgouverneur von dem liberaleren und am Islam interessierten Yves Chataigneau abgelöst. Zum Aufschwung der Unabhängigkeitsbewegung kam es, als unmittelbar nach Kriegsende 1945 Demonstranten die Freilassung des nach Brazzaville verbannten Hadj und „Algerien den Arabern“ forderten. Am 8. Mai 1945 kam es zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf 28 Europäer getötet wurden, insgesamt kamen bei Unruhen und Überfällen 103 Siedler ums Leben. Nach weiteren Unruhen in Guelma und Morden durch französische Siedler wurden mindestens 6000–8000 Algerier, nach anderen Angaben ein Vielfaches,[108] von der französischen Armee im Massaker von Sétif und Guelma getötet. Erst 2005 erkannte die damalige französische Regierung die Verantwortung hierfür an.[109] Chataigneau versuchte durch verschiedene soziale Maßnahmen und durch Veränderung des Wahlrechts den aufkommenden Forderungen nach Unabhängigkeit entgegenzuwirken. So erhielten die beiden Wählerschaften, das sogenannte 1er und 2e collège, die gleiche Stimmzahl. Bei den ersten Nachkriegswahlen im Juli 1945 griffen die Behörden nicht unter dem Vorwand des „Islamfehlers“ ein, dennoch riefen PPA und Freunde des Manifests dazu auf, nicht an den für Oktober 1945 vorgesehenen Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung teilzunehmen. Die Gemäßigten unter Bendjelloul errangen 7 der 13 Sitze, die Sozialisten 4, die Kommunisten 2. Nun forderte Bendjelloul das gleiche, freie Wahlrecht wie in Frankreich. Ferhat Abbas gründete im März 1946 die Partei Demokratische Union des Algerischen Manifests (UDMA). Die UDMA fordere die Franzosen auf, ihren „kolonialen Komplex“ und ihren „Erobererstolz“ aufzugeben, die Algerier, ihre „mittelalterlichen theokratischen Vorstellungen“. Als Anhänger Atatürks lehnte er den Arabismus ab und setzte sich für eine friedliche Lösung ein, die Algerien in einer freien Verbindung mit Frankreich sah. Bei den Wahlen erhielt Abbas’ UDMA 71 % der Stimmen, bzw. 11 der 13 Sitze. Die Sozialisten erhielten die beiden übrigen. Sein Verfassungsvorschlag kam nicht vor die französische Nationalversammlung. Vor den nächsten Wahlen wurde Messali Hadj freigelassen; er gründete die Bewegung für den Triumph der demokratischen Freiheiten (Mouvement pour le triomphe des libertés démocratiques). Einige seiner Anhänger planten bereits Aktionen, sehr junge Anhänger gründeten im Februar die Organisation spéciale.

Im September 1947 entschied d​ie Nationalversammlung über d​en Status Algeriens. Die beiden Wählerklassen, e​ine für d​ie Franzosen, e​ine für d​ie Algerier wurden fortgeschrieben. Der Generalgouverneur u​nd seine s​echs Beiräte führten d​ie Regierung, b​ei der Legislative behielt d​as französische Parlament s​ein Übergewicht über d​ie algerische Versammlung. Die Algerier w​aren enttäuscht u​nd Messali Hajs Bewegung gewann f​ast alle i​hre Stimmen. Die Polarisierung n​ahm zu, wofür m​an den Generalgouverneur verantwortlich machte. Er w​urde am 11. Februar 1948 d​urch den Sozialisten u​nd Bildungsminister Marcel-Edmond Naegelen ersetzt. Am 15. April 1948 w​urde dieser wiederum d​urch Roger Léonard ersetzt. Beide bekämpften d​ie MTLD m​it allen Mitteln einschließlich manipulierter Wahlen. Am 5. August entstand d​ie von UDMA, MTLD, Kommunisten u​nd Ulema gegründete Algerische Front für d​ie Verteidigung u​nd den Respekt d​er Freiheit (Front algérien p​our la défense e​t le respect d​e la liberté)

Die sechs Führer der FLN bis 1954 (jeweils von links nach rechts, zuerst stehend): Rabah Bitat, Mostefa Ben Boulaïd, Didouche Mourad und Mohammed Boudiaf, dann sitzend: Krim Belkacem und Larbi Ben M'Hidi
Barrikaden in Algiers; auf dem Transparent steht „Vive Massu“, Januar 1960

Im November 1954 begann der Unabhängigkeitskrieg (Algerienkrieg) gegen Frankreich unter Führung der Nationalen Befreiungsfront (Front de Libération Nationale, FLN), die ab 1947 entstanden war. Am 13. Mai 1958 kam es zur Gründung des französischen Algeriens, nachdem die Generalregierung im Zuge einer Demonstration festgesetzt worden war. Am 1. Juni übernahm de Gaulle die Volksversammlung und sagte am 4. Juni in Algier mehrdeutig: „Ich habe euch verstanden“. Tatsächlich gab es in der Verfassung von 1958 nur noch eine Wählerschaft. Am 19. September wurde eine provisorische Regierung eingerichtet, mit Ferhat Abbas als Regierungschef. Die Regierung verfolgte die Politik einer vollständigen Integration in das Mutterland Frankreich. Am 16. September 1959 verkündete de Gaulle, wohl unter dem Druck der erstarkten antikolonialen und soeben unabhängig werdenden Staaten, dass die Algerier selbst über ihre Staatsform und das Verhältnis zu Frankreich entscheiden sollten. Die Siedler fühlten sich verraten und gründeten die Französische Nationalfront (Front National Francais). Sie organisierte für den 24. Januar 1960 eine Großdemonstration in Algier. Dabei kam es zu 26 Toten, die Aufständischen, die sich hinter Barrikaden verschanzten, konnten zum Aufgeben bewegt werden. Am 8. Januar 1961 fand das von de Gaulle angekündigte Referendum statt. 69,09 % der Wähler in Algerien stimmten für die Unabhängigkeit, und sogar 75,25 % in Frankreich. Doch in der Nacht vom 21. auf den 22. April fand in Algier ein Putsch statt: vier pensionierte Generäle und Fallschirmspringer brachten die Regierung in ihre Gewalt. Die Marine und ein Teil der Luftwaffe verweigerten die Teilnahme. Nach drei Tagen brach der Putsch zusammen. Einige der Flüchtigen schlossen sich der Organisation de l’armée secrète (OAS) an. Ferhat Abbas wurde nun von der Regierung ausgeschlossen, die Youssef Ben Kedda übernahm. Währenddessen fielen die ländlichen Gebiete zunehmend in die Hände der FLN, die Armee wurde nach und nach abgezogen. Die OAS versuchte, de Gaulle von seiner Algerienpolitik abzubringen oder ihn zum Rücktritt zu bewegen. Sie beherrschte inzwischen den Norden, der Generalgouverneur war geflohen. Paris betrachtete die OAS aber zunehmend als terroristische Organisation. Am 18. März 1962 wurde Algerien mit den Verträgen von Évian unabhängig, 90 % der Franzosen stimmten dem Vertrag am 8. April zu. Doch die politischen Parteien der Algerier bekämpften sich weiterhin. Daher hatte man in Paris über eine Teilung des Landes spekuliert. Am 1. Juli 1962 stimmten beim Referendum über die Annahme der Verträge von Évian über 99 % der Wähler für Algeriens Unabhängigkeit. Zwei Tage später erklärte Frankreich Algerien für unabhängig. 800.000 Menschen verließen Algerien, die meisten migrierten nach Frankreich. Im August 1962 wurde die Demokratische Volksrepublik Algerien ausgerufen, die Macht ging von der provisorischen Regierung GPRA auf die FLN über. Ben Bella wurde am 27. September 1962 Regierungschef. Vom 15. September 1963 bis zum 19. Juni 1965 war er Präsident Algeriens.

Opfer, Flucht und Konsequenzen des Krieges

Die Zahl d​er Opfer d​es Krieges a​uf Seiten d​er muslimischen Algerier l​ag nach französischen Angaben b​ei 300.000, algerische Quellen g​ehen von e​iner Million aus. Neben d​en französischen Soldaten k​amen etwa 10.000 Europäer b​ei Terrorakten u​ms Leben. Nach offiziellen Angaben starben 17.456 französische Soldaten, k​napp 65.000 wurden verletzt, 1000 blieben vermisst. Die Aufständischen schätzten i​hre Verluste a​uf 300.000 b​is 1.000.000. 90 % d​er mehr a​ls eine Million französischen Siedler verließen d​as Land.[110]

Von d​en etwa 250.000 muslimischen Algeriern, d​ie für Franzosen gearbeitet hatten, entkamen n​ur 15.000 a​us dem Land. Unter m​eist ungeklärten Umständen wurden v​iele der Zurückgebliebenen entwaffnet, ausgeliefert u​nd gefoltert; zwischen 30.000 u​nd 150.000 v​on ihnen wurden ermordet.[111] Frankreich schätzte d​ie Zahl d​er getöteten Kriegsgegner a​uf 141.000, h​inzu kamen 12.000 i​n internen Kämpfen getötete FLN-Kämpfer, 16.000 v​on der FLN getötete Zivilisten s​owie weitere 50.000 getötete Muslime. Darin s​ind nicht d​ie als Harkis bezeichneten u​nd als Kollaborateure Ermordeten eingeschlossen, ebenso w​enig 4300 Kämpfer, d​ie in Frankreich u​ms Leben kamen. 1,8 Millionen Algerier wurden a​us ihren Häusern vertrieben.

Insgesamt dürfte der Krieg Frankreich 50 bis 55 Milliarden neue Francs gekostet haben. Hinzu kamen die wirtschaftlichen Verluste durch Abwesenheit von 500.000 Mann und damit zusammenhängende Unproduktivität, die auf 3 bis 4 Milliarden pro Jahr geschätzt wurden. Zudem kam es zu deutlichen Einbrüchen in der Bevölkerungsentwicklung, die ja schon während des Zweiten Weltkriegs Stagnation und Rückgänge erlebt hatte. Allein zwischen 1962 und 1965 kamen 324.000 Rückkehrer (rapatriés) und 110.000 muslimische Algerier nach Frankreich.[112]

Die algerische Republik seit der Unabhängigkeit 1962

Algerischer Sozialismus (bis 1989)

Am 1. Juli 1962 votierten 99,7 % d​er abstimmenden Algerier für d​ie Unabhängigkeit i​hres Landes;[113] a​m 25. September w​urde die Demokratische Republik Algerien ausgerufen. Nach a​cht Kriegsjahren s​tand das Land v​or großen Problemen. 1967 verließen d​ie letzten französischen Armeeeinheiten d​ie Stützpunkte v​on Reggane u​nd Béchar, 1968 v​on Mers el-Kebir. In d​er Nähe v​on In Ekker, a​m westlichen Rand d​es Hoggar-Gebirges, e​twa 150 km nord-nord-westlich v​on Tamanrasset, betrieb Frankreich b​is 1966 e​in Versuchszentrum (Centre d’expérimentations militaires d​es oasis). Dort wurden zwischen d​em 7. November 1961 u​nd dem 16. Februar 1966 dreizehn Kernwaffentests durchgeführt.[114]

Es k​am zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen, u​nter anderem w​eil mit d​er staatlichen Unabhängigkeit d​ie meisten französischen Fachkräfte d​as Land verlassen hatten. Zudem h​atte die ehemalige Kolonialregierung e​ine Industrialisierung e​rst sehr spät zugelassen u​nd dem Land e​ine koloniale Rechts-, Besitz- u​nd Wirtschaftsstruktur aufgezwungen. Auch v​iele Algerier emigrierten. In d​er FLN brachen Machtkämpfe über d​en politischen Kurs aus. Ahmed Ben Bella, Präsident v​on 1962 b​is 1965, setzte durch, d​ass die FLN e​ine sozialistisch orientierte Einheitspartei wurde, d​ie alle Behörden u​nd die verstaatlichte Wirtschaft kontrollieren sollte. Dieses Einparteiensystem w​urde am 8. September 1963 d​urch ein Referendum bestätigt.[115]

Ben Bella wurde am 19. Juni 1965 in einem Staatsstreich von Houari Boumedienne gestürzt.[116][117] Unter der Führung Boumediennes (1965–1978) wurden die Bodenschätze des Landes, vor allem Erdöl und Erdgas verstärkt gefördert, um die industrielle Entwicklung des Landes und einen „algerischen Sozialismus“ voranzutreiben. Er verstaatlichte die Ölindustrie sowie Teile der Landwirtschaft und versuchte, die aufkeimende Industrie durch hohe Zölle zu schützen. Die Verfassung von 1976 bestätigte Boumediennes Machtstellung und die Ausschaltung jedweder Opposition.[118]

Nachfolger für d​en 1978 verstorbenen Boumedienne w​urde Chadli Bendjedid (1978–1992), d​er die Kontrolle v​on Wirtschaft u​nd Gesellschaft e​twas lockerte. 1980 k​am es z​u einer ersten Protestwelle, i​m November 1986 g​ing von Constantine e​ine Jugendrevolte aus, d​ie fast g​anz Ostalgerien erfasste. Sie richtete s​ich gegen d​ie Austeritätspolitik d​er Regierung, d​ie Auflagen d​es Internationalen Währungsfonds u​nd der Weltbank erfüllte. Die Proteste richteten s​ich gegen d​ie kulturelle u​nd soziale Unterversorgung d​er Städte. Bei schweren sozialen Unruhen 1988 schossen Sicherheitskräfte a​uf die demonstrierende Menge. Ursachen w​aren eine h​ohe Jugendarbeitslosigkeit, Wohnungsnot (beide verschärft d​urch ein starkes Bevölkerungswachstum) u​nd der gesunkene Ölpreis. Chadli musste e​ine Demokratisierung einleiten u​nd im Februar 1989 Verfassungsänderungen zustimmen (Trennung v​on Partei u​nd Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten u​nd Garantien d​er Menschenrechte).

Militärputsch, Bürgerkrieg (1992 bis 2002)

Dem stand, w​ie im gesamten arabischen Raum, e​ine andere Entwicklung entgegen. Nachdem 1991 d​ie radikalen Islamisten d​er „Islamischen Heilspartei“ (FIS) d​en ersten Durchgang d​er freien Wahlen gewonnen u​nd dabei 188 d​er 430 Sitze gewonnen hatten, übernahm v​or dem zweiten Wahldurchgang 1992 d​as Militär u​nter Kriegsminister Khaled Nazzar d​ie Macht u​nd annullierte d​ie Wahl. Er löste d​as Parlament auf, r​ief den Notstand aus, verbot d​ie FIS u​nd zwang Chadli a​m 12. Januar z​um Rücktritt.

Am 14. Januar übernahm Muhammad Boudiaf d​ie Führung d​es Hohen Staatsrats, d​er aus marokkanischem Exil zurückgekehrt war. Seine geplante Reformpolitik konnte a​ber nicht m​ehr umgesetzt werden, d​a er a​m 29. Juni 1992 e​inem Attentat z​um Opfer fiel. Bis 1994 regierte d​er Hohe Staatsrat u​nter der Leitung v​on Ali Kafi (2. Juli 1992–1994).

Als d​ie FIS verboten wurde, g​ing die Mehrzahl i​hrer Mitglieder i​n den Untergrund u​nd ein Bürgerkrieg begann. Dieser Auseinandersetzung zwischen radikalen Islamisten u​nd der Armee fielen seither über 120.000 Menschen z​um Opfer. Auch nachdem d​ie Regierung a​m 30. Januar 1994 a​n Präsident Liamine Zéroual (1994–1999) übergeben worden war, dauerten d​ie Terroraktionen d​er Islamisten an. Die Sicherheitskräfte konnten s​eit 1995 einige Erfolge erzielen. Unter d​en Islamisten k​am es z​u mehreren Spaltungen, d​eren radikalste Fraktion d​ie Groupe Islamique Armé war. Sie w​ar für d​ie brutalsten Terroranschläge verantwortlich; s​ogar die FIS distanzierte s​ich von d​er Gruppierung. 1996 t​rat nach e​inem Referendum e​ine neue Verfassung i​n Kraft.

Auch u​nter Präsident Abd al-Aziz Bouteflika (Wahl a​m 15. April 1999) konnte d​as Problem d​es Terrors n​icht beseitigt werden, ebenso w​enig die s​ehr hohe Arbeitslosigkeit d​er Jugend. 1998 g​ing aus d​er GIA d​ie Salafistengruppe für Predigt u​nd Kampf hervor. So k​am es 2001 z​u erneuten Unruhen i​m ganzen Land. Nach Protesten d​er Berber i​n der Kabylei w​urde am 2. Mai 2002 d​ie Berbersprache Tamazight z​ur Nationalsprache erklärt, d​ie seit Gründung Algeriens verdrängt werden sollte.

Nach d​em Abflauen d​es Bürgerkriegs initiierte d​ie Regierung 1999 e​ine Volksabstimmung über e​ine Versöhnungspolitik. Im Januar 2000 l​ief eine Amnestie für reuige Islamisten aus, d​ie Bouteflika n​ach der Selbstauflösung d​er Armée islamique d​u salut (Islamische Heilsarmee, AIS), d​es bewaffneten Arms d​er Front islamique d​u Salut (Islamischen Heilsfront, FIS), i​m März 2000 unbefristet verlängerte. Nun w​urde die ehemalige Einheitspartei FLN b​ei den Parlamentswahlen 2002 bestätigt.

Bouteflika, Amnestie, Mittelmeerunion, Salafismus

Am 8. April 2004 f​and eine erneute Präsidentenwahl statt. Da d​as Militär diesmal Neutralität zugesichert hatte, g​alt die Wahl a​ls freieste s​eit der Unabhängigkeit. Insgesamt traten s​echs Kandidaten an. Abd al-Asis Bouteflika, d​er 1999 m​it Rückendeckung d​es Militärs gewählt worden war, g​alt als Favorit. Der Ex-Premierminister Ali Benflis g​alt als d​er einzige nennenswerte Herausforderer. Bouteflika erhielt bereits i​m ersten Wahlgang d​er Präsidentenwahl 83 % d​er Stimmen. Er w​ar der e​rste Präsident Algeriens, d​er ein zweites Mandat erhielt. In e​inem Referendum stimmten d​ie Algerier 2005 über e​ine Generalamnestie ab. Infolgedessen w​urde der GIA-Gründer Abdelhak Layada i​m März 2006 a​us der Haft entlassen – u​nd neben i​hm 2.200 vormalige Islamisten s​owie 37.800 weitere Gefangene. 2009 w​urde Bouteflika für e​ine dritte Amtszeit bestätigt. 2008 w​urde Algerien Mitglied d​er Mittelmeerunion.

Die Salafisten vernetzten s​ich Anfang 2007 m​it al-Qaida u​nd schlossen m​it weiteren nordafrikanischen Islamisten e​inen Bund, d​er in d​er AQIM (al-Qaida i​n Maghreb) aufging.[119] Dessen Einflusssphäre reichte b​is Spanien, Frankreich u​nd bis Zentralafrika; d​ie Zahl d​er Kämpfer d​er al-Qaida i​n Afrika w​urde 2012 a​uf 20.000 geschätzt, d​ie der AQIM hingegen n​ur auf 800.[120] Die Finanzierung erfolgt mittels Kokainhandel u​nd Erpressung v​on Lösegeldern.

2013 erlitt Boutefklika e​inen Schlaganfall u​nd trat seither f​ast nie m​ehr in d​er Öffentlichkeit auf; trotzdem w​urde er b​ei der Wahl 2014 i​m Amt bestätigt. Die eigentliche Regierungsmacht l​ag aber i​n den Händen v​on Verwandten, Militärs u​nd Unternehmern, d​ie le pouvoir („die Macht“) genannt wurden. Nachdem Bouteflika a​uch für d​ie Wahl 2019 kandidieren wollte, k​am es z​u Massenprotesten, b​is er a​m 2. April 2019 zurücktrat u​nd Abdelkader Bensalah Interimspräsident wurde. Abdelmadjid Tebboune gewann d​ie Präsidentenwahl a​m 12. Dezember 2019 i​m ersten Wahlgang.[121]

Seit März 2020 grassiert d​ie COVID-19-Pandemie a​uch in Algerien. Am 1. November 2020 f​and ein Verfassungsreferendum s​tatt (Wahlbeteiligung 23,7 %, Zustimmungsquote 66,8 %).[122]

Quellen

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  • Kurt Hochstuhl: Die badische Auswanderung nach Algerien. Kohlhammer 2007.

Jüngste Geschichte

  • Bernhard Schmid: Algerien. Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamische Ideologie in einem nordafrikanischen Land. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-019-6.
  • Duell in Algier. In: Die Zeit, Nr. 6/2004.
  • Roman Hagelstein: The Civil War in Algeria. Political, Economic and Institutional Background. Eberhard-Karls-Universität, Tübingen 2010.
  • Mahfoud Bennoune: The Making of Contemporary Algeria, 1830–1987. Cambridge University Press 2002.
Commons: Geschichte Algeriens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Anmerkungen

  1. Zur Urgeschichte Algeriens vgl. Ginette Aumassip: L’Algérie des premiers hommes, Paris 2001.
  2. Mohamed Sahnouni, Jean de Heinzelin: The Site of Aïn Hanech Revisited: New Investigations at this Lower Pleistocene Site in Northern Algeria, in: Journal of Archaeological Science 25 (1998) 1083–1101. Ansonsten folge ich hier Mohamed Sahnouni: The North African Early Stone Age and the Sites at Ain Hanech, Algeria. In: Nicholas Toth, Kathy Schick (Hrsg.): The Oldowan. Case Studies into the Earliest Stone Age. Stone Age Institute Press, Gosport IN 2006, S. 77–111.
  3. Die Stätte wurde 1947 entdeckt. Vgl. Camille Arambourg: Du Nouveau a l’Ain Hanech, in: Bulletin de la Société d’Histoire Naturelle de l’Afrique du Nord 43 (1952) 152-169. Zu Arambourg vgl. Djillali Hadjouis: The Paleontology of North Africa vertebrates through Camille Arambourg’s research: a report on vertebrates’ faunae of the North Africa Neogene / La Paléontologie des vertébrés du Nord de l’Afrique à travers les recherches de Camille Arambourg. Bilan des faunes de vertébrés du Néogène du Nord de l’Afrique. In: historical Biology: An International Journal of Paleobiology 22,1-3 (2010).
  4. Denis Geraads, Jean-Paul Raynal, Vera Eisenmann: The earliest human occupation of North Africa: a reply to Sahnouni et al. (2002), in: Journal of Human Evolution 46 (2004) 751–761.
  5. Merouane Rabhi: Étude de l’Industrie Lithique du Niveau „A“ de Ain Hanech: Approche Expérimentale, in: Athar, Revue Scientifique d’Archéologie et du Patrimoine, Institut d’Archéologie, Université d’Alger 8 (2009) 13-37.
  6. John G. Fleagle, John J. Shea, Frederick E. Grine, Andrea L. Baden, Richard E. Leakey: Out of Africa I: The First Hominin Colonization of Eurasia, Springer, 2010, S. 193, ISBN 978-9048190355.
  7. A. Gragueb, A. Oueslati: Les formations quaternaires des Côtes nord et nord-est de la Tunisie et les industries préhistoriques associées, in: L’Anthropologie 91 (1990) 259-292.
  8. Joachim Hahn: Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie, Archaeologica Venatoria, Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen, Tübingen 1991, 2. Aufl. 1993.
  9. G. Laplace-Jauretche: Découverte d’un gisement à galets taillés (Pebble Culture) dans le Quaternaire ancien du Plateau de Mansourah (Constantine), in: Bulletin Société Préhistorique Française 53 (1956) 215f.
  10. C. Roubet: Découverte de nouveaux galets aménagés dans la région sétifienne, in: Libyca 15 (1967) 9-14.
  11. G. Thomas: Découverte d’industrie du groupe de la “Pebble Culture” sur le versant nord des monts du Tessala (Algérie). Sa place dans la stratigraphie du Pleistocène inférieur et moyen de l’Oranie, in: Comptes Rendus Académie des Sciences 276, série D (1973) 921-924.
  12. Henri-Jean Hugot: Un gisement de pebble tools à Aoulef, in: Travaux de l’Institut de Recherche Saharienne 8 (1955) 131-153.
  13. L. Ramendo: Les galets aménagés de Reggan (Sahara), in: Libyca 11 (1963) 42-73.
  14. M. H. Alimen, J. Chavaillon: Présentation de “galets aménagés” des niveaux successifs du Quaternaire ancien de la Saoura, in: Bulletin Société Préhistorique Française 57 (1960) 373f.
  15. A. E. K. Heddouche: Découverte d’une industrie à galets aménagés au Sahara Nord-Oriental, in: Libyca 28 (1980) 105-112.
  16. Silvia Tomášková: What Is a Burin? Typology, Technology, and Interregional Comparison, in: Journal of Archaeological Method and Theory 12,2 (2005) 79–115.
  17. Mohamed Sahnounia, Jordi Rosell, Jan van der Made, Josep María Vergès, Andreu Ollé, Nadia Kandi, Zoheir Harichane, Abdelkader Derradji, Mohamed Medig: The first evidence of cut marks and usewear traces from the Plio-Pleistocene locality of El-Kherba (Ain Hanech), Algeria: implications for early hominin subsistence activities circa 1.8 Ma, in: Journal of Human Evolution 64,2 (Februar 2013) 137–150.
  18. Camille Arambourg: Récentes découvertes de paléontologie humaine réalisées en Afrique du Nord française (L’Atlanthropus de Ternifine – L’Hominien de Casablanca), in: J. D. Clark, S. Cole (Hrsg.): Third Panafrican Congress on Prehistory. Livingstone 1955, London 1957, S. 186–194.
  19. D. Geraads: The Faunal Context of Human Evolution in the Late Middle/Late Pleistocene of Northwestern Africa, in: Jean-Jacques Hublin, Shannon P. McPherron (Hrsg.): Modern Origins. A North African Perspective, Springer 2012, S. 49–60, hier: S. 54.
  20. Ian Shaw, Robert Jameson (Hrsg.): A Dictionary of Archaeology, Wiley & Sons 2002, S. 570.
  21. Ich folge hier Mohamed Sahnouni, Sileshi Semaw, Michael Rogers: The African Acheulean, in: Peter Mitchell, Paul Lane (Hrsg.): The Oxford Handbook of African Archaeology, Oxford University Press 2013, S. 307–323.
  22. O. Oussedik: Les bifaces acheuléens de l’Erg Tihodaine (Sahara Central Algérien): analyse typométrique, in: Libyca 20 (1972) 153-161.
  23. Ich folge hier Nick Barton, Francesco d’Errico: North African Origins of Symbolically Mediated Behaviour and the Aterian, in: Scott Elias (Hrsg.): Origins of Human Innovation and Creativity, Elsevier, Amsterdam, Oxfort 2012, S. 23–34, hier: S. 26.
  24. Harold L. Dibble, Vera Aldeias, Zenobia Jacobs, Deborah I. Olszewski, Zeljko Rezek, Sam C. Lin, Esteban Alvarez-Fernández, Carolyn C. Barshay-Szmidt, Emily Hallett-Desguez, Denné Reed, Kaye Reed, Daniel Richter, Teresa E. Steele, Anne Skinner, Bonnie Blackwell, Ekaterina Doronicheva, Mohamed El-Hajraoui: On the industrial attributions of the Aterian and Mousterian of the Maghreb. In: Journal of Human Evolution. Band 64, Nr. 3 (2013) 194–210.
  25. John Donnelly Fage, Roland Anthony Oliver (Hrsg.): The Cambridge History of Africa. Cambridge University Press 1982, S. 262.
  26. R. N. E. Barton, A. Bouzouggar, S. N. Collcutt, J. L. Schwenninger, L. Clark-Balzan: OSL dating of the Aterian levels at Dar es-Soltan I (Rabat, Morocco) and implications for the dispersal of modern Homo sapiens. In: Quaternary Science Reviews. Band 28, Nr. 19–20, 2009, S. 1914–1931, doi:10.1016/j.quascirev.2009.03.010
  27. Abdeljalil Bouzouggar, Nick Barton, Marian Vanhaeren, Francesco d’Errico, Simon Collcutt, Tom Higham, Edward Hodge, Simon Parfitt, Edward Rhodes, Jean-Luc Schwenninger, Chris Stringer, Elaine Turner, Steven Ward, Abdelkrim Moutmir, Abdelhamid Stambouli: 82,000-year-old shell beads from North Africa and implications for the origins of modern human behavior. Proceedings of the National Academy of Sciences, USA 104 (2007) 1964–1969.
  28. Nick Barton, Francesco d’Errico: North African Origins of Symbolically Mediated Behaviour and the Aterian. In: Scott Elias (Hrsg.): Origins of Human Innovation and Creativity. Elsevier, Amsterdam, Oxford 2012, S. 23–34.
  29. Ich folge hier Nick Barton, Abdeljalil Bouzouggar: Hunter-gatherers of the Maghreb 25,000 to 6,000 years ago, in: Peter Mitchell, Paul Lane (Hrsg.): The Oxford Handbook of African Archaeology, Oxford University Press 2013 (ebook).
  30. Latifa Sari: Technological change in Iberomaurusian culture: The case of Tamar Hat, Rassel and Columnata lithic assemblages (Algeria), in: Quaternary International, 25. April 2013.
  31. L. C. Biggs: The Stone Age Races of Northwest Africa, in: American School of Prehistoric Research Bulletin 18 (1955), S. 28.
  32. Zur Diskussion: P. M. Vermeersch: Palaeolithic Quarrying Sites in Upper and Middle Egypt, Leuven University Press, 2002, S. 321f.
  33. Ähnliches wird auch für das italienische Neolithikum konstatiert (John Robb: The Early Mediterranean Village. Agency, Material Culture, and Social Change in Neolithic Italy, Cambridge University Press 2007, S. 38.)
  34. Ich folge hier Simone Mulazzani (Hrsg.): Le Capsien de Hergla (Tunisie). Culture, environnement et économie, Africa Magna Verlag, Frankfurt 2013, hier: S. 13.
  35. Noura Rahmani, David Lubell: Early Holocene Climate Change and the Adoption of Pressure Technique in the Maghreb: The Capsian Sequence at Kef Zoura D (Eastern Algeria), in: Pierre M. Desrosiers: The Emergence of Pressure Blade Making. From Origin to Modern Experimentation, Springer 2012, S. 139–155.
  36. François-Xavier Le Bourdonnec, Gérard Poupeau, Simone Mulazzani, Lotfi Belhouchet: Origine de l’obsidienne des sites SHM-1 et SHM-12 (Hergla, Tunisie), in: Simone Mulazzani (Hrsg.): Le Capsien de Hergla (Tunisie). Culture, environnement et économie, Africa Magna Verlag, Frankfurt 2013, S. 240–244.
  37. Julie Shipp, Arlene Rosen, David Lubel: Phytolith evidence of mid-Holocene Capsian subsistence economies in North Africa, in: The Holocene 23,6 (Juni 2013) 833-840.
  38. Ginette Aumassip: Les Imazighen: Questions sur les origines. Les données de la préhistoire, in: Créer et transmettre chez les Berbères (= AWAL, Cahiers d'ètudes berbères 40-41 (2009-10) 131-144)
  39. Jörg Linstädter: The Epipalaeolithic-Neolithic-Transition in the Mediterranean region of Northwest Africa, in: Quartär 55 (2008) 41-62.
  40. Les Mausolées Royaux de Numidie, de la Maurétanie et les monuments funéraires pré-islamiques.
  41. Peter Riedlberger: Philologischer, historischer und liturgischer Kommentar zum 8. Buch der Johannis des Goripp nebst kritischer Edition und Übersetzung, Egbert Forsten, Groningen 2010, S. 306f.
  42. Dies und das Folgende nach Elfriede Storm: Massinissa. Numidien im Aufbruch, Steiner, Stuttgart 2001. Sie nennt das praktisch nicht rezipierte, 1976 erschienene Werk des Polen Tadeusz Kotula als einzige zusammenfassende Arbeit über Massinissa vor ihrem eigenen Werk.
  43. Paul-Albert Février: Castellum Tidditanorum (Tiddis) Algeria. In: Richard Stillwell u. a. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton NJ 1976, ISBN 0-691-03542-3.
  44. Joseph von Kolb: Sabinianus. Ein vergessener römischer Kaiser, Wien 1878.
  45. Karlheinz Dietz: Senatus contra principem, Beck, München 1980, S. 337.
  46. Dominique Borne, Benoît Falaize: Religions et colonisation. Afrique-Asie-Océanie-Amériques XVIe-XXe siècle, Editions de l’Atelier, Paris 2009, S. 129.
  47. Zu den Auseinandersetzungen zwischen den afrikanischen Kirchen vgl. Brent D. Shaw: Sacred Violence. African Christians and Sectarian Hatred in the Age of Augustine, Cambridge University Press 2011.
  48. Die immer noch grundlegende Arbeit ist die Dissertation von Fatima Kadria Kadra: Les Djedars. Monuments funéraires Berbères de la région de Frenda, Office des Publications Universitaires, Algier 1983. Auf dieser Arbeit basiert der Beitrag von Jean-Pierre Laporte: Les djedars, monuments funéraires des Berbères de la région de Frenda et de Tiaret, in: Claude Briand-Ponsart (Hrsg.): Identités et Cultures dans l’Algérie Antique, Universität Rouen 2005, S. 321–406. Ähnliches gilt für Gabriel Camps: Artikel „Djedar“, in: Encyclopédie berbère, Bd. 16, S. 2049–2422.
  49. Nach Victor von Vita. Vgl. Jakob Haury: Über die Stärke der Vandalen in Afrika, in: Byzantinische Zeitschrift 14 (1905) 527f.
  50. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 79.
  51. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 96.
  52. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 100–102.
  53. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 107.
  54. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, Karte auf S. 111.
  55. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 126.
  56. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 128–130.
  57. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 131.
  58. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 132.
  59. Helmut Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 135.
  60. Wolfgang Kaiser: Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze, C. H. Beck, München 2007, S. 105–107.
  61. Berthold Rubin: Das Zeitalter Iustinians, Bd. 2, de Gruyter, Berlin 1995, S. 38–47. Das Werk wurde erst posthum veröffentlicht und entstammt der Zeit, als er noch als Wissenschaftler ernstgenommen wurde.
  62. Andy H. Merrills: Vandals, Romans and Berbers. Understanding Late Antique North Africa, in: Ders.: (Hrsg.): Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on Late Antique North Africa, Aldershot 2004, S. 6.
  63. Yves Modéran: Les Maures et l’Afrique romaine. 4e-7e siècle. Rom 2003, S. 398–412; anders Pierre Morizot: Masties a-t-il été imperator?, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 141 (2002) 231–240.
  64. Vgl. The Prosopography of the Later Roman Empire, Cambridge University Press 1980, S. 734 und Yves Modéran: De Julius Honorius à Corippus: la réapparition des Maures au Maghreb oriental, in: Comptes-rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 147 (2003) 257–285, hier: S. 274; abweichende Lesung:AE 1945, 97
  65. Yves Modéran: Les Maures et l’Afrique romaine (IVe au VIIe siècle), Rom 2003.
  66. Peter Riedlberger: Philologischer, historischer und liturgischer Kommentar zum 8. Buch der Johannis des Goripp nebst kritischer Edition und Übersetzung, Egbert Forsten, Groningen 2010, S. 49.
  67. Yves Modéran: Les Laguatan: le problème des migrations des néo-Berbères, in: EB 28/29 (2008) 4318-4321.
  68. John Robert Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire. Band 3A, S. 127–128; Band 3B, S. 1048–1049; John Bagnell Bury: History of the Later Roman Empire. From the Death of Theodosius I to the Death of Justinian. Band 2, Mineola 1958, S. 67.
  69. Die den Umayyaden gegenüber feindlich eingestellte schiitische Überlieferung hält Umayya lediglich für einen Adoptivsohn des Abd Schams, ihn und seine Nachkommen also nicht für blutsverwandt mit der Familie des Propheten.
  70. Archives polonaises d'etudes orientales 23 (1957) 323.
  71. G. Camps: Essai de cartographie culturelle: A propos de la frontière de Numidie et de Maurétanie, in: Claude Lepelley, Xavier Dupuis (Hrsg.): Frontières et limites géographiques de l’Afrique du Nord antique. Hommage à Pierre Salama, Paris 1999, S. 43–70, hier: S. 55.
  72. Jonah Steinberg: Isma'ili Modern. Globalization and Identity in a Muslim Community, University of North Carolina Press 2011, S. 37.
  73. René Basset: Étude sur la Zenatia du Mzab de Ouargla et de l’Oued-Rir (PDF; 8 MB), Paris 1893.
  74. Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Beck, München 2001, S. 287.
  75. Gabriel Camps: L’âge du Tombeau de Tin Hinan, Ancêtre des Touareg du Hoggar, in: Zyphyros 25 (1974).
  76. Thomas Krings, S. 33 (siehe Lit.)
  77. NIGER: Slavery – an unbroken chain
  78. Reuben Lévy, The Social Structure of Islam: Being the Second Edition of The Sociology of Islam S. 87.
  79. Arthur Köhler, Verfassung, soziale Gliederung, Recht und Wirtschaft der Tuareg: Drittes Kapitel: Soziale Gliederung, S. 20ff.
  80. In Marokko wurde, wie in anderen Saharaländern auch, die Benutzung der Schrift bis in die 1990er Jahre unter Strafe gestellt. Heute wird Tifinagh in den Schulen unterrichtet und ist im Straßenbild marokkanischer Städte immer wieder anzutreffen.
  81. Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Beck, München 2001, S. 306.
  82. Jamil M. Abun-Nasr: A History of the Maghrib in the Islamic Period, Cambridge University Press 1987, S. 112.
  83. Jamil M. Abun-Nasr: A History of the Maghrib in the Islamic Period, Cambridge University Press 1987, S. 141.
  84. Dies und das Folgende nach Jamil M. Abun-Nasr: A History of the Maghrib in the Islamic Period, Cambridge University Press 1987, hier: S. 146. Einen Überblick über die Geschichte Nordafrikas bis zum Jahr 1985 bietet Peter von Sivers: Nordafrika in der Neuzeit, in: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Beck, München 2001, S. 502–603.
  85. Jamil M. Abun-Nasr, S. 153f.
  86. Jamil M. Abun-Nasr, S. 159.
  87. Jamil M. Abun-Nasr, S. 165.
  88. Lucette Valensi: Fellahs tunisiens. l’économie rurale et la vie des campagnes aux 18e et 19e siècles, de Gruyter, Berlin 1977, S. 143.
  89. Jewish Encyclopedia
  90. Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Beck, München 2001, S. 532.
  91. Oliver Schulz (2011): Ein Sieg der zivilisierten Welt?: die Intervention der europäischen Großmächte im griechischen Unabhängigkeitskrieg (1826–1832), ISBN 978-3-643-11314-6, Seite 377
  92. Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Beck, München 2001, S. 552.
  93. zeitgenössischer Bericht
  94. Jamil M. Abun-Nasr, S. 261.
  95. Mahfoud Bennoune, S. 52.
  96. Mahfoud Bennoune, Table 3.1, S. 53.
  97. Jamil M. Abun-Nasr, S. 265.
  98. Mahfoud Bennoune, S. 58.
  99. Michel Abitbol: Histoire des juifs. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.): Collection tempus. Nr. 663. Éditions Perrin, Paris 2016, ISBN 978-2-262-06807-3, S. 473 ff.
  100. Mohammed Harbi: L’Algérie en perspectives, in: Mohammed Harbi, Benjamin Stora (Hrsg.): La guerre d’Algérie, Paris, 2004, S. 48.
  101. Mahfoud Bennoune, S. 59.
  102. Diese und die folgenden Zahlenangaben stammen von Mahfoud Bennoune, S. 63–65.
  103. Mahfoud Bennoune, S. 67f.
  104. Mahfoud Bennoune, S. 72.
  105. Sonja Klinker: Maghrebiner in Frankreich, Türken in Deutschland. Eine vergleichende Untersuchung zu Identität und Integration muslimischer Einwanderergruppen in europäische Mehrheitsgesellschaften, Diss. Hildesheim 2009, Peter Lang 2010, S. 85.
  106. Paul Pandolfi: In-Salah 1904/Tamanrasset 1905 : les deux soumissions des Touaregs Kel-Ahaggar. In: Cahiers d'études africaines. Band 38, Nr. 149, 1998, S. 43 (persee.fr).
  107. Pandolfi, S. 74
  108. mai 1945 : les massacres de Sétif et Guelma (Memento vom 6. September 2013 im Internet Archive), Website der Ligne des droits de l’homme (LDH).
  109. Sonja Klinker: Maghrebiner in Frankreich, Türken in Deutschland. Eine vergleichende Untersuchung zu Identität und Integration muslimischer Einwanderergruppen in europäische Mehrheitsgesellschaften, Diss. Hildesheim 2009, Peter Lang 2010, S. 91.
  110. Algerien (Memento vom 16. Februar 2008 im Internet Archive), Universität Hamburg.
  111. Diese und die folgenden Angaben nach Alistair Horne: A Savage War of Peace. Algeria 1954–62, New York 1978.
  112. Sonja Klinker: Maghrebiner in Frankreich, Türken in Deutschland. Eine vergleichende Untersuchung zu Identität und Integration muslimischer Einwanderergruppen in europäische Mehrheitsgesellschaften, Diss. Hildesheim 2009, Peter Lang 2010, S. 51.
  113. Proclamation des resultats (pdf)
  114. Capcom Espace, encyclopédie de l’espace
  115. Wahlergebnis
  116. Thomas Hasel: Machtkonflikt in Algerien, Verlag Hans Schiler 2002, S. 54.
  117. Der Spiegel 37/1965: Operation Gibraltar
  118. Dirk Axtmann: Reform autoritärer Herrschaft in Nordafrika: Verfassungs- und Wahlrechtsreformen in Algerien, Tunesien und Marokko zwischen 1988 und 2004. Dissertation Universität Heidelberg, 2004; VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, ISBN 978-3-8350-6073-9, S. 172 (online).
  119. Die Spur des jungen Radikalen. In: Der Tagesspiegel, 23. März 2012.
  120. Hans Krech: The Growing Influence of Al-Qaeda on the African Continent. In: Africa Spectrum, 46,2 (2011) S. 125–137, hier: S. 126 – aus der Perspektive der Führungsakademie der Bundeswehr.
  121. tagesschau.de: Tebboune gewinnt Präsidentschaftswahl in Algerien. Norddeutscher Rundfunk, 13. Dezember 2019, abgerufen am 4. August 2020.
  122. foreignpolicy.com 3. November 2020, Francisco Serrano: Election Theater Is Alive and Well in Algeria, Too
  123. Vgl. Lasse Heerten: Rezension zu: Klose, Fabian: Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945–1962. München 2009. In: H-Soz-u-Kult, 18. März 2010.
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