Oran
Oran (arabisch وهران, DMG Wahrān, tamazight ⵡⴻⵀⵔⴰⵏ Wehran) ist eine Küstenstadt in der gleichnamigen Provinz im Westen von Algerien.
وهران Oran | |||
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Koordinaten | 35° 41′ N, 0° 39′ W | ||
Symbole | |||
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Basisdaten | |||
Staat | Algerien | ||
Oran | |||
Höhe | 100 m | ||
Einwohner | 679.877 (2009) | ||
Postleitzahl | 31000 – 31037 | ||
Blick auf Oran |
Sie ist nach der Hauptstadt Algier die zweitgrößte Stadt des Landes und eine bedeutende Industriestadt (Metall-, chemische, Leicht-, Lebensmittelindustrie). Sie besitzt einen Hafen, den Flughafen Oran Es Sénia und ist Kulturzentrum mit Universität, Theater und Museen.
Oran ist auch der Ort des fiktiven Geschehens des Romans „Die Pest“ des französischen Schriftstellers Albert Camus, der einen Pestausbruch in den 1940er Jahren beschreibt und der 1947 erschien. Vier Jahre zuvor hatte der italienische Schriftsteller Raoul Maria de Àngelis den Roman „La peste a Urana“ („Die Pest in Urana“) veröffentlicht.[1] Oran ist die Heimatstadt des Raï.
In Oran ist das algerische Raumfahrtentwicklungszentrum Centre de développement spatial der algerischen Weltraumbehörde Agence Spatiale Algérienne beheimatet.
Klima
Oran befindet sich in der subtropischen Klimazone. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 17,7 Grad Celsius, die jährliche Niederschlagsmenge 366 Millimeter im Mittel. Die wärmsten Monate sind Juli und August mit durchschnittlich 24,2 bis 24,8 Grad Celsius, die kältesten Monate Dezember bis Februar mit 11,7 bis 12,4 Grad Celsius im Mittel. Der meiste Niederschlag fällt von Oktober bis April mit durchschnittlich 32 bis 67 Millimeter, der wenigste von Mai bis September mit eins bis 19 Millimeter im Mittel.
Oran | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Oran
Quelle: [3] |
Geschichte
Oran wurde vermutlich im 10. Jahrhundert von muslimischen Kaufleuten aus Andalusien gegründet. Seit dem Untergang des Reichs der Abdalwadiden wechselte die Stadt mehrmals den Besitzer. Die Spanier eroberten Mers el Kebir im Oktober 1508 und Oran im Mai 1509. Im Jahr 1708 mussten sich die Spanier aber nach einer Belagerung durch die Mauren ergeben. Im Jahr 1732 wurde sie unter Philipp V. zurückerobert. Die Spanier landeten überraschend am 22. Juni 1732 vor Oran und am 24. Juni kam es zur Schlacht bei Masalquivir, in der die Mauren geschlagen wurden. Sie zogen sich in die Stadt zurück und ergaben sich am 27. Juni 1732. Die Spanier blieben dort 60 Jahre, bis sie die Stadt 1792[4] an Algier verkauften. 1797 wurde die Hassan-Pascha-Moschee errichtet.
Die Herrschaft von Algier dauerte nur bis 1830, als Frankreich Oran in Besitz nahm und rund 90 %[5] der damals etwa 10.000[5] Einwohner aus der Stadt vertrieb. Die Bevölkerung Westalgeriens[5] leistete Widerstand und rief 1832[5] in Oran Abd el-Kader zum Emir[5] aus, den die Franzosen widerwillig 1834[5] als Bey von Oran[5] anerkannten, was 1837 im Vertrag von Tafna[5] bestätigt wurde. 1847 wurde Abd el-Kader nach Syrien deportiert.
Der muslimische Stadtteil wurde von den Franzosen als Village nègre[6] bezeichnet, das Quartier wurde auch von zahlreichen Juden bewohnt. 1896 hatte die Stadt 85.081[7] Einwohner, davon waren 24.088[7] Franzosen und 33.873[7] weitere Europäer. 16.466[7] Einwohner waren Muslime und 10.654[7] waren Juden.
Bei den von Algerienfranzosen durchgeführten antisemitischen Ausschreitungen von 1897[6] flohen viele Juden, die seit dem Décret Crémieux von 1870 Franzosen waren, aus anderen Stadtteilen in den Schutz des muslimischen Stadtteils,[6] um dem Gewaltausbruch der Franzosen zu entgehen. Jedoch zwangen uniformierte Polizeibeamte[6] einige muslimische Algerier dazu, sich an den Übergriffen zu beteiligen, schwebte doch antisemitischen Franzosen in Algerien eine Allianz[6] von Franzosen und Muslimen gegen die Juden als erstrebenswertes Ziel vor. Im Mai 1898 wurde der Oranais Firmin Faure,[6] als einer von vier algerischen Antisemiten, in die französische Nationalversammlung nach Paris gewählt.
Im Juli 1940 ließ der britische Premierminister Winston Churchill die im Hafen von Oran vor Anker liegende (vichy-)französische Flotte beschießen, um eine befürchtete Übernahme durch die Deutschen zu verhindern (Operation Catapult). Am 10. November 1942 wurde die Stadt im Rahmen der Operation Torch von US-amerikanischen Truppen eingenommen und diente als Ausgangspunkt der folgenden Landung auf Sizilien.
Während der französischen Kolonialzeit hatte die Stadt den höchsten Prozentsatz an europäischer Bevölkerung in ganz Algerien, 1962 waren dies 54 %. Die Gruppe der „Europäer“ gemäß der juristischen Definition der Kolonie bestand aus den Christen spanischer, italienischer und französischer Herkunft sowie den sephardischen Juden. 1911 stellten Spanier und als Franzosen eingebürgerte Spanier 65 %[8] der europäischen Stadtbevölkerung.
In der chaotischen Zeit der Unabhängigkeit Algeriens betrieb die rechte französisch-nationalistische Terrorgruppe OAS eine Politik der verbrannten Erde: Den verhassten Muslimen wollte man keine französischen Errungenschaften hinterlassen und so brannten Delta Commandos der OAS nicht nur Algiers Bücherei nieder, sondern sprengten auch Orans Stadthalle, Bücherei und vier Schulen in die Luft. In Oran kamen durch Bombenanschläge der OAS im Mai 1962 täglich 10–15 Menschen ums Leben.[9] Dafür und für über 100 Jahre der Unterdrückung rächte sich die Nationale Befreiungsfront (FLN) am 5. Juli 1962 mit einem Blutbad. Zwischen 95 und 3500 christliche Europäer wurden bei einem Massaker getötet, eine genauere Aufarbeitung der Ereignisse steht bis heute aus. Seit 1962 ist Oran Teil des unabhängigen Staates Algerien. Die verbliebene europäische Bevölkerung, meist Franzosen und Italiener, wurde von den neuen Machthabern größtenteils enteignet und vertrieben.
Bevölkerung und Religion
Oran hat 645.984 Einwohner (Berechnung 2012).[10]
Bevölkerungsentwicklung:
Jahr | Einwohner |
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1977 (Zensus) | 499 330 |
1987 (Zensus) | 609 823 |
2009 (Berechnung) | 679 877 |
Seit der Unabhängigkeit 1962 ist der Islam die mit Abstand wichtigste Religion in Oran. Es gibt etwa 93 % Muslime (1962 waren es nur ca. 44 %), 4 % sind Christen, 3 % sind Juden. In vielen Vierteln Orans findet man oft mehrere Moscheen. Die bekanntesten Moscheen in Oran sind:
- Moschee Sidi El Houari
- Moschee Eckmühl
- Moschee El Mouahidine
- Moschee Zin El abidine
- Moschee Osama bno Zaid
- Moschee el Fath
- Moschee Maghrawa
- Moschee Abubakr Es-Sedik
Wirtschaft
Durch den großen Hafen entwickelte sich die Stadt seit der Kolonialzeit zu einem wichtigen Industrie- und Handelszentrum. Unter anderem gibt es Chemieindustrie und Nahrungsmittelindustrie. Erdgas aus der algerischen Sahara erreicht über Pipelines Oran und wird von hier aus exportiert. Die Ost-West-Autobahn führt nahe an der Stadt vorbei.
Der Hafen „Marsa el Kebir“ ist ein wichtiger Umschlagplatz für Export und Import Algeriens. Die meisten algerischen Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Oran. Die Industriegebiete Es Senia, Oued Tlilet, und Hassi Ameur sind für ihre vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen bekannt; dort werden Lebensmittel, Kleidung, Möbel und Papierwaren hergestellt. Oran hat seit der Einführung der Marktwirtschaft viele ausländische Investitionen angezogen und gilt als wichtiges Zentrum der algerischen Wirtschaft.
Auch der Tourismus gilt als wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Oran hat eine große Garnison des algerischen Militärs. Das Hauptquartier der Militärregion Nordwest des algerischen Heeres und ein Stützpunkt der algerischen Marine sind in Oran.
Sehenswürdigkeiten
- Sidi El Houari ist das Altstadtviertel und Wahrzeichen Orans.
- Die Küste um Oran verfügt über eine große Anzahl von Sandstränden; z. B. die Strände Coralès, La Grande, Les Andalouses und Bousfer.
- Das von den Spaniern im 16. Jahrhundert erbaute Fort von Santa Cruz überragt die Stadt in fast 400 m Höhe.
- Die ab 1880 errichtete Große Synagoge war eine der größten jüdischen Gotteshäuser in Nordafrika, 1975 wurde sie beschlagnahmt und in die Abdellah-ben-Salem-Moschee umfunktioniert.
- Die Kathedrale des Heiligen Herzens (Sacré-Coeur) wurde ab 1903 erbaut und dient heute als Bibliothek.
- Das Museum Ahmed Zabana zeigt die Geschichte Algeriens und bietet einen Einblick in die Kultur der dort lebenden Menschen.
- Das Musée d’art modern d’Oran zeigt Moderne Kunst.
Kulinarische Spezialitäten
Oran ist eine Küstenstadt, was bedeutet, dass Fisch eine wichtige Rolle einnimmt. Unter anderem findet Fisch auch bei der Zubereitung von Paella Verwendung. Dieses Gericht wurde in Oran von den Spaniern übernommen, die zweihundert Jahre lang Herren der Stadt waren.
Es gibt auch Fast Food, das bekannteste heißt Karantika, eine Oraner Spezialität, bei der ein Sandwich mit gebackenem Pudding aus Kichererbsenmehl gefüllt wird. Eine andere Spezialität in Oran ist Couscous mit Lammfleisch, Karotten, weißen Rüben, Melonenkürbis, Kichererbsen und grünen Zucchini. Eine weitere kulinarische Besonderheit in Oran ist Chorba, eine besonders gewürzte Nudelsuppe mit Gemüse.
Städtepartnerschaften
Söhne und Töchter der Stadt
- Émilie Ambre (1854–1898), französische Opernsängerin
- Ernest Libérati (1906–1983), französischer Fußballspieler
- Joseph Alcazar (1911–1979), französischer Fußballspieler
- Camille Malvy (1912–1999), französischer Fußballspieler
- Jean Bastien (1915–1969), französischer Fußballspieler und -trainer
- Kader Firoud (1919–2005), französischer Fußballspieler und -trainer
- Léon Ashkénasi (1922–1996), französischer Rabbiner, Kabbalist und Philosoph
- Armand Mouyal (1925–1988), französischer Fechter
- Renée Gailhoustet (* 1929), französische Architektin und Stadtplanerin
- Errol Parker (1930–1998), US-amerikanischer Jazz-Schlagzeuger, Pianist, Bandleader und Komponist
- Antoine Pascual (* 1933), französischer Fußballspieler
- Kaddour Bekhloufi (1934–2019), algerischer Fußballspieler
- Claude Dray (1935–2011), französischer Immobilienunternehmer und Kunstsammler
- Yves Saint Laurent (1936–2008), französischer Modeschöpfer
- Hélène Cixous (* 1937), französische Philosophin
- Pierre-Alain Dahan (1943–2013), französischer Jazz-Schlagzeuger
- Jean Benguigui (* 1944), französischer Schauspieler
- Hamid Skif (1951–2011), algerischer Schriftsteller und Journalist
- Laurence Tubiana (* 1951), französische Wirtschaftswissenschaftlerin
- Jean-Marc Foussat (* 1955), französischer Komponist und Improvisationsmusiker
- Étienne Daho (* 1956), französischer Pop-Sänger
- Alain Chabat (* 1958), französischer Schauspieler und Regisseur
- Rachid Taha (1958–2018), algerisch-französischer Raï-Musiker
- Philippe Corcuff (* 1960), französischer Soziologe
- Catherine Destivelle (* 1960), französische Alpinistin
- Cheb Khaled (* 1960), Raï-Sänger
- Franck Amsallem (* 1961), französischer Jazz-Pianist und Komponist
- Chaba Fadela (* 1962), algerische Schauspielerin und Sängerin
- Mustapha Moussa (* 1962), algerischer Boxer
- Gerhard Dammann (1963–2020), Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker
- Philippe Parreno (* 1964), französischer Künstler und Filmemacher
- Cheb Hasni (1968–1994), algerischer Raï-Sänger
- Ysa Ferrer (* 1972), französische Schauspielerin und Sängerin
- Noureddine Daham (* 1977), algerischer Fußballspieler
- Ali Kaaf (* 1977), Künstler
- Hemza Mihoubi (* 1986), algerisch-französischer Fußballspieler
Weblinks
Einzelnachweise
- Michael Quick: ‚Le parole sono pietre‘ – Medizinische Aspekte italienischer Literatur des 20. Jahrhunderts. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 7, 1989, S. 5–34; hier: S. 21
- wetterkontor.de
- wetterkontor.de
- Jean-Pierre Filiu: Les Arabes, leur destin et le nôtre – Histoire d'une libération. Éditions La Découverte, Paris 2015, ISBN 978-2-7071-8661-4, S. 21.
- Walter Schicho: Handbuch Afrika – Nord- und Ostafrika. Band 3/3. Brandes & Apsel Verlag / Südwind, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-86099-122-1, S. 79.
- Michel Abitbol: Histoire des juifs. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.): Collection tempus. 2. Auflage. Nr. 663. Éditions Perrin, Paris 2016, ISBN 978-2-262-06807-3, S. 613 f., 616 f.
- Michel Abitbol: Le passé d'une discorde – Juifs et Arabes du VIIe siècle à nos jours. Librairie Académique Perrin, Paris 1999, ISBN 2-262-01494-9, S. 275 (dort zitiert nach Zahlen der parlamentarischen Untersuchungskommission Pourquery de Boisserin von 1900).
- Jeannine Verdès-Leroux: Les Français d'Algérie de 1830 à aujourd'hui. Une page d'histore déchirée. Éditions Fayard, Paris 2001, ISBN 2-213-60968-3, S. 206.
- la fusillade de la rue d’Isly, l’exode des pieds-noirs, Oran. Ligue des droits de l’homme, März 2002
- Citipedia.info Abgerufen am 3. Mai 2017.