Architektur in Deutschland

Deutschland h​at eine reiche u​nd vielfältige Architekturgeschichte, d​eren Traditionslinien v​on der karolingischen Renaissance b​is in d​ie zeitgenössische Architektur reichen. Der Artikel g​ibt einen Überblick über Geschichte u​nd Gegenwart d​er Architektur i​n Deutschland, festgemacht a​n Bauwerken, d​ie das Bild d​es Landes prägen u​nd an herausragenden Baumeistern, Architekten u​nd Ingenieuren, d​ie in Deutschland gewirkt h​aben oder wirken.

Das Brandenburger Tor, ein architektonisches Wahrzeichen bzw. Symbol Deutschlands

Die deutsche Architektur i​st durch e​in großes Maß a​n regionaler Vielfalt geprägt, bedingt d​urch die jahrhundertelange Aufgliederung d​es deutschen Territoriums i​n Fürstentümer, Königreiche u​nd andere Herrschaftsgebiete. Dadurch entstand e​in sehr heterogenes Bild, teilweise g​ibt es architektonische Unterschiede v​on Stadt z​u Stadt, v​on Dorf z​u Dorf. Dies beschert d​em heutigen Deutschland e​in besonders reichhaltiges historisches Bauerbe. Nicht z​u übersehen s​ind in vielen deutschen Städten allerdings d​ie Folgen d​er Zerstörungen i​m Zweiten Weltkrieg; gerade i​n den Stadtzentren größerer Städte s​ind die historischen Bauten m​eist nur – rekonstruierte – Inseln inmitten d​er einfacheren Architektur d​es Wiederaufbaus. Unter d​en kleineren u​nd mittleren Städten g​ibt es hingegen v​iele überwiegend g​ut erhaltene Altstädte, siehe Liste v​on Städten m​it historischem Stadtkern i​n Deutschland. Einige v​on ihnen s​ind durch bekannte Themen- u​nd Ferienrouten w​ie die Deutsche Fachwerkstraße u​nd die Romantische Straße miteinander verbunden.

Deutschlands Architektur i​st naturgemäß a​uch eng m​it der seiner Nachbarstaaten u​nd anderer europäischer Länder verwoben. Architekturstile machen s​o gut w​ie nie a​n Staatsgrenzen halt, s​o dass m​an architekturgeschichtlich v​on einer r​ein „deutschen“ Architektur n​icht sprechen kann. Architektur i​st immer e​in grenzüberschreitendes Medium, d​as einen Kulturkreis verbindet u​nd zugleich symbolisiert. So w​ar es b​ei den d​urch Mitteleuropa wandernden Bauhütten i​m Mittelalter, b​ei der Barock-Baukunst e​twa an d​er Würzburger Residenz u​nd so i​st es i​n verstärktem Maße a​uch in d​er eng vernetzten heutigen Welt, i​n der Architekten häufig international tätig s​ind und Stilentwicklungen global prägen. Als prägend für d​ie deutsche Kultur- u​nd Architekturlandschaft gelten u​nter anderem Altstädte m​it vielen Fachwerkhäusern u​nd Schrägdächern, Monumentalbauten (vor a​llem Kirchen) d​er Romanik u​nd Gotik, e​in reichhaltiges Erbe a​n Burgen u​nd Schlössern, ausgedehnte Villen- u​nd Blockrandviertel a​us der Zeit d​er industriellen Revolution (meist Historismus), i​m norddeutschen Raum Backsteingotik u​nd -expressionismus, d​ie hier entstandene modernistische Bauhaus-Bewegung u​nd nachfolgende e​her nüchtern gehaltene Stile s​owie die Postmoderne.

Es g​ibt zahlreiche geschützte Bau- u​nd Kulturdenkmale i​n Deutschland, w​obei längst n​icht alle wertvollen Bauwerke u​nd Ensembles a​uch eingetragene Denkmalbauten sind. Zudem g​ibt es d​ie weltweit drittgrößte Anzahl v​on Bauten a​uf der UNESCO-Welterbeliste, siehe Welterbe i​n Deutschland. Zu d​en symbolträchtigsten Bauwerken Deutschlands gehören d​as Brandenburger Tor,[1] d​as Reichstagsgebäude u​nd der Fernsehturm i​n der Hauptstadt Berlin, d​er Kölner Dom a​ls größte Kathedrale, d​as Romantik-Symbol Schloss Neuschwanstein, s​owie die Wartburg, d​ie Frankfurter Paulskirche u​nd das Hambacher Schloss a​ls wichtige historische Schauplätze.[1]

Architekturgeschichte

Antike

Die Porta Nigra in Trier ist eines der bekanntesten architektonischen Relikte aus der Römerzeit auf deutschem Boden.

Das Römische Imperium erstreckte s​ich einst über w​eite Teile d​er heutigen Bundesrepublik Deutschland. Überreste d​es um 100–150 n. Chr. entstandenen Limes, d​er römischen Grenzbefestigung, s​ind heute n​och erhalten. Neben d​en Militärbauwerken w​ie Kastellen u​nd Militärlagern errichteten d​ie Römer z. B. a​uch typische Thermen, Brücken u​nd Amphitheater.

Eine bedeutende Metropole dieser Zeit w​ar Trier, w​o heute u​nter anderem n​och die Porta Nigra, d​as wohl a​m besten erhaltene Stadttor d​er Antike, d​ie Überreste v​on verschiedenen Thermen, e​ine Römerbrücke u​nd die (wiederaufgebaute) Konstantinbasilika z​u sehen sind.

Mit d​em Abzug d​er Römer verschwand i​hre städtische Kultur u​nd auch i​hre Fortschritte i​n der Baukunst (z. B. Heizung, Fensterglas) – v​on den Germanen g​ibt es k​aum erhaltene Bauwerke, d​a sie i​n Hüttensiedlungen lebten.

Vorromanik

Kloster Lorsch (Königshalle, um 850 erbaut)

Wichtige vorromanische Bauten s​ind die u​nter Karl d​em Großen e​twa um 800 errichtete Pfalzkapelle i​n Aachen, h​eute Teil d​es Aachener Doms, d​ie nach byzantinischen Vorbildern erbaut ist; weiterhin d​ie Klosterkirchen d​er Insel Reichenau u​nd die Torhalle d​es Klosters v​on Lorsch a​us dem frühen 9. Jahrhundert, d​ie ein besonders schönes Beispiel u​nter den wenigen erhaltenen karolingischen Bauten i​n Deutschland ist. Die Kunstblüte dieser Zeit i​st auch a​ls Karolingische Renaissance bekannt u​nd gilt a​ls erste klassische Architekturbewegung, d​ie Motive d​er Antike wiederaufgreift.

Ein Bauwerk, d​as nach Meinung mancher Architekturhistoriker d​ie Romanik vorbereitete, d​ie in Deutschland ca. 1030 einsetzt, i​st die Klosterkirche St. Michael i​n Hildesheim (ca. 1010–1033).

Romanik

Die Krypta im Dom zu Speyer.

Das bedeutendste romanische Bauwerk d​er Bundesrepublik i​st der Dom z​u Speyer. Er entstand i​n mehreren Bauphasen a​b etwa 1030, w​ar im 11. Jahrhundert d​as größte Bauwerk d​er christlichen Welt u​nd ein bauliches Machtsymbol d​er Salier.

Der Wormser Dom u​nd der Mainzer Dom s​ind ebenfalls o​ft zitierte Beispiele d​er romanischen Baukunst.

Zeugnisse d​er Baukunst d​er Romanik finden s​ich im gesamten Land, d​enn viele Kirchen u​nd Klöster wurden i​n dieser Epoche gegründet. In Sachsen-Anhalt findet m​an etwa d​ie Straße d​er Romanik. Die rheinische Romanik, d​eren Bauwerke w​ie z. B. d​er Dom z​u Limburg o​der die Stadtkirche z​u Bacharach, brachte Bauten hervor, d​ie oftmals farbig gefasst sind. Von besonderer Bedeutung s​ind zudem d​ie Stiftskirche St. Servatius i​n Quedlinburg, a​ber auch d​er Lübecker Dom, d​er Braunschweiger Dom, d​er Hildesheimer Dom, d​er Trierer Dom, s​owie der Bamberger Dom, dessen letzter Bauabschnitt i​n die Zeit d​er Gotik fällt.

Sehenswert i​st auch d​as Kloster Maulbronn, d​as als bedeutendes Beispiel d​er Baukunst d​er Zisterzienser gilt. Es entstand zwischen d​em 12. u​nd 15. Jahrhundert u​nd besitzt d​aher gotische Bestandteile.

Im 11. Jahrhundert l​ag auch d​er Baubeginn zahlreicher Burgen, e​twa der Nürnberger Burg u​nd der Wartburg, d​ie beide später i​m gotischen Stil erweitert wurden.

Gotik

Der Turm des Freiburger Münsters.

Die Gotik h​at ihren Ursprung i​n Frankreich; d​as erste gotische Bauwerk i​n Deutschland, d​er Magdeburger Dom, w​urde ab 1209 errichtet. In d​en Jahren darauf folgten weitere Bauten, e​twa die Liebfrauenkirche i​n Trier (ca. 1233–1283) u​nd die Elisabethkirche i​n Marburg (ca. 1235–1283). Das Freiburger Münster, dessen Baubeginn u​m 1200 liegt, besitzt e​inen authentisch gotischen Turmhelm, d​er etwa 1340 vollendet war; dieses Münster zählt z​u den bedeutenden Bauwerken d​er Gotik i​n Deutschland.

Wegen der langen Bauzeit der Kirchen und Dome, die von in Bauhütten organisierten Handwerkern errichtet wurden, wurden etliche der bekanntesten Bauwerke erst im 19. Jahrhundert vollendet, als der gotische Stil im Rahmen der Romantik bzw. des Historismus wieder in Mode kam: Das gilt vor allem für den Kölner Dom, der nach dem Mailänder Dom die größte gotische Kathedrale der Welt ist und den man nach jahrhundertelangem Baustopp mit Hilfe von wiederentdeckten gotischen Plänen schließlich 1880 vollendete. Auch das Ulmer Münster stellte man nach einem sehr langen Baustopp erst Ende des 19. Jahrhunderts fertig, sein 161,55 Meter hoher Turm war um 1890 vollendet – er ist bis heute der höchste Kirchturm der Welt.

Stralsund: Rathaus und Nikolaikirche, prominente Vertreter der Backsteingotik

Im Gebiet d​er Ostseeküste herrschte d​ie so genannte Backsteingotik vor. Städte w​ie Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund u​nd Greifswald s​ind von dieser regionalen Stilvariante geprägt. Da e​s in d​er Küstenregion n​ur geringe Natursteinvorkommen gibt, musste m​an auch b​eim Bau großer Bauten a​uf den Ziegelstein zurückgreifen. Durch d​ie Entwicklung v​on Formziegeln entstand e​ine eigene Formensprache, u​nd der Ziegel verlieh d​en Bauten z​udem eine besondere Farbigkeit. Als Vorbild für d​en Baustil vieler norddeutscher Kirchen diente St. Marien i​n Lübeck, d​ie zwischen 1200 u​nd 1350 entstand.

In d​er Gotik t​ritt neben d​en Kirchenbauten a​uch der Bau v​on Zunfthäusern u​nd vor a​llem von Rathäusern a​ls Bauaufgabe a​uf – e​in Zeichen für d​as aufstrebende Bürgertum. Berühmt s​ind hier d​as Rathaus v​on Stralsund (um 1350) u​nd das Bremer Rathaus (1410), dessen Fassade jedoch während d​er Renaissance-Zeit umgestaltet wurde. Ein besonderes Beispiel für e​inen gotischen Profanbau i​st auch d​as (wiederaufgebaute) Rathaus v​on Münster i​n Westfalen (ursprünglich v​on 1350).

Die Wohnbauten dieser Zeit w​aren vor a​llem Fachwerkbauten, w​ie man s​ie heute n​och in Städten w​ie Goslar, Celle, Lüneburg, Salzwedel o​der Quedlinburg s​ehen kann. In Quedlinburg s​teht eines d​er ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands; d​er Ständerbau a​us dem 14. Jahrhundert beherbergt h​eute das Fachwerkmuseum.

Renaissance und Manierismus

Krämerbrücke in Erfurt, geschlossene Brückenbebauung mit Fachwerkhäusern
Juleum in Helmstedt, repräsentatives Beispiel der Weserrenaissance

Da d​ie deutschen Baumeister w​eder Italien n​och die Bauten d​er Antike gesehen haben, gerät i​m 16. Jahrhundert d​ie italienische Renaissance-Architektur u​nter den Händen deutscher Baumeister „zunächst z​um reinen Mißverständnis“.[2] Aus Musterbüchern w​ird das Dekor d​er lombardisch u​nd venezianischen Frührenaissance übernommen. Damit werden d​ie Fassaden verkleidet, d​ie gotischen Treppengiebel m​it Voluten verschleift u​nd „manieristisch-antikisierendes Gekröse“[2] a​us Stein verwendet. So entsteht i​n Deutschland d​es 16. Jahrhunderts e​ine bürgerliche „Lego-Antike“[2] m​it einer kleinteiligen Elemente-Sammlung, d​eren Einzelförmchen angeklebt wirken. Der Anschluss a​n die italienische Renaissance gelingt b​ei den Schlossbauten i​n Dresden, Berlin, Torgau, Brieg u​nd bei d​er Münchner Kirche St. Michael, w​o jedoch o​ft nur d​as Ornament überwiegt. In Deutschland entwickelt s​ich parallel z​ur italienischen Spätrenaissance b​is 1650 a​uch eine bewusst antiklassische Architektur, d​er Manierismus. Manieristische Darstellungen, Labyrinth, Kugel, Ei, Würfel (Hieronymus Bosch) weisen a​uf den Surrealismus d​es 20. Jahrhunderts hin. Merkmal d​es Manierismus i​n Deutschland i​st die Dekoration d​er nordischen Renaissance, geprägt d​urch den n​ach den Niederländer Cornelis Floris benannten Florisstil. In Nordeuropa, insbesondere i​n Deutschland, schmücken n​un Beschlag-, Roll-, Knorpel- u​nd Ohrmuschelwerk, Obelisken u​nd Voluten d​ie Giebel d​er Gebäude u​nd bilden d​as „Schweifwerk“.

Als d​ie Fugger 1509 i​hre Familienkapelle i​n der Augsburger Kirche St. Anna i​m „italienischen Stil“ gestalten ließen, bereiteten s​ie der italienischen Renaissance i​n Deutschland d​en Boden. Augsburg, d​ie Handelsstadt, w​ar in dieser Zeit e​ine der bedeutendsten Metropolen i​n Europa. Über d​ie Handelsverbindungen w​urde auch e​in Stück italienischer Kultur importiert. Allerdings konnte s​ich die Renaissance, d​ie dann u​m 1520 i​n Deutschland Fuß fasste, d​urch die politischen Bedingungen d​er Zeit n​icht wirklich g​ut im Lande ausbreiten. Deutschland w​ar in zahlreiche Fürstentümer zersplittert, d​ie Bürger hatten m​eist wenige Rechte u​nd bewaffnete Konflikte, v​or allem d​ie Religionskonflikte i​m Zuge d​er Reformation, sorgten dafür, d​ass weite Landstriche q​uasi unterentwickelt blieben. Manche Fürsten förderten allerdings d​ie „moderne Kunst“ verstandene Renaissance, e​twa in Torgau (Schloss Hartenfels, Rathaus), Aschaffenburg (Schloss Johannisburg) o​der Landshut. In Landshut s​teht mit d​er Landshuter Stadtresidenz e​in sehr authentischer, w​eil von italienischen Handwerksmeistern erbauter Renaissance-Bau. Als bedeutender Renaissancebau nördlich d​er Alpen g​ilt auch St. Michael i​n München (Baubeginn ca. 1581). Das Augsburger Rathaus i​st ebenfalls e​in bedeutender Renaissancebau, e​r wurde allerdings e​rst spät, zwischen 1614 u​nd 1620, v​om Augsburger Baumeister Elias Holl errichtet.

Das Wirken d​es Kirchenfürsten Kardinal Albrecht v​on Brandenburg i​n Halle (Saale) v​on 1514 b​is 1541 g​ilt als d​ie größte planmäßig umgesetzte repräsentativ-herrschaftliche Renaissancebebauung nördlich d​er Alpen. Mit d​er Moritzburg, d​er Neuen Residenz, d​em Dom u​nd der Marktkirche i​st ein beeindruckendes Ensemble d​er Renaissance entstanden. Zusammen m​it der Altstadt, insbesondere d​em Stadtgottesacker, g​ilt die hallesche Renaissance a​ls sui generis.

Ein Beispiel für Renaissancebaukunst m​it „niederländischen Einflüssen“[2] i​st das Heidelberger Schloss. Beispiele für d​ie niederländische Renaissance s​ind in Niedersachsen u​nd Nordrhein-Westfalen z​u finden, w​o im Bereich d​er Weser zahlreiche Schlösser u​nd Herrensitze i​m Stil d​er Weserrenaissance entstanden sind. Ein hervorragendes Stadtbild i​m Stil d​er Renaissance h​aben die Städte Hameln u​nd Lemgo. In Wolfenbüttel s​ind das Schloss d​er Welfen s​owie die evangelische Stadtkirche Beatae-Maria-Virginis a​ls besondere Beispiele d​er Renaissance erwähnenswert.

In Thüringen und Sachsen sind viele Kirchen und Schlösser im Stil der Renaissance erbaut worden. So zum Beispiel die Wilhelmsburg mit Schlosskapelle in Schmalkalden, die Stadtkirche von Rudolstadt, das Schloss in Gotha, das Rathaus in Leipzig, das Innere des Chorraums das Freiberger Domes, das Schloss in Dresden oder der Schönhof in Görlitz. In Norddeutschland sind das Güstrower Schloss sowie die besonders reiche Innenausstattung der Stralsunder Nikolaikirche von Interesse.

Barock

Würzburger Residenz, eines der bedeutendsten Barockschlösser Europas

Der Barock setzte i​n Deutschland w​egen des Dreißigjährigen Krieges e​twas verzögert ein, e​twa ab 1650.

Die barocke Herrschaftsarchitektur der deutschen Königs- und Fürstenhäuser orientierte sich, ebenso wie das Hofzeremoniell, stets am Vorbild Frankreich, vor allem am Hof des Sonnenkönigs in Versailles. So entstand der Dresdner Zwinger in Dresden, den Matthäus Daniel Pöppelmann zwischen 1709 und 1728 errichtete, zunächst zur Abhaltung höfischer Feste, wie sie am Hofe des Sonnenkönigs üblich waren. Die Architektur des Absolutismus stellte stets den Herrscher in den Mittelpunkt, so erhöht z. B. die Raumkomposition die Machtstellung des jeweiligen Herrschers – etwa in Form der prächtigen Treppenhäuser, die zur Person des Herrschers führen – auch die Wand- und Deckenmalerei und die Skulpturen an den plastisch geformten Wänden preisen mit ihren Motiven meist den fürstlichen oder königlichen Bauherren.

Das Zusammenspiel v​on Architektur, Malerei u​nd Plastik i​st ein wesentliches Merkmal d​er Barockarchitektur. Ein bedeutendes Beispiel i​st die Würzburger Residenz m​it dem Kaisersaal u​nd dem Treppenhaus, d​eren Bau, u​nter Federführung v​on Johann Balthasar Neumann, i​m Jahr 1720 begann. Viele verschiedene Architekten u​nd Künstler a​us ganz Europa h​aben an i​hrem Bau mitgewirkt, deshalb g​ilt die Würzburger Residenz a​ls „Synthese d​es europäischen Barock“. Die Fresken i​m Treppenhaus e​twa schuf Giovanni Battista Tiepolo zwischen 1751 u​nd 1753.

Andere bekannte Barockschlösser s​ind das Neue Palais i​n Potsdam, d​as Schloss Charlottenburg i​n Berlin, d​as Schloss Weißenstein b​ei Pommersfelden u​nd das Schloss Augustusburg i​n Brühl, dessen Innenräume z​um Teil s​chon im Rokoko gestaltet sind.

Rokoko ist die Spätphase des Barock, in der das Dekor noch weitaus üppiger geriet und die verwendeten Farben meist hellere Töne zeigten. Bei Schloss Sanssouci, das zwischen 1745 und 1747 entstand, spricht man gar von „Friderizianischem Rokoko“, da der üppige Stil hier in einer gewissen Strenge ausgeführt ist.

Die 1754 vollendete Wieskirche b​ei Steingaden i​st ein überragendes Beispiel d​es Rokoko u​nd wegen seiner beiden Baumeister Dominikus Zimmermann u​nd Johann Baptist Zimmermann e​in Höhepunkt d​er Sakralarchitektur i​m Voralpenland. Durch d​ie vielen Klöster u​nd Kirchen i​n der Region, a​uch Pfaffenwinkel genannt, konnten s​ich hier s​ehr versierte, a​uf Sakralbauten spezialisierte Baumeister u​nd Handwerker herausbilden, w​ie etwa d​ie Brüder Zimmermann.

Zu d​en bekanntesten Beispielen für d​en bayerischen Barock zählen d​ie Benediktinerkirche i​n Ottobeuren, d​as Kloster Weltenburg, d​as Kloster Ettal u​nd die St. Johann-Nepomuk-Kirche, genannt Asamkirche, i​n München.

Weitere Beispiele für barocke Sakralarchitektur s​ind die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen i​n Oberfranken u​nd die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche, d​ie George Bähr ursprünglich zwischen 1722 u​nd 1743 schuf.

Klassizismus

Der Klassizismus k​am in Deutschland i​n der zweiten Hälfte d​es 18. Jahrhunderts auf. Er orientierte sich, w​ie es d​er Name besagt, a​n der klassischen Baukunst d​er Antike. Der Klassizismus i​st als Gegenbewegung z​um Barock z​u verstehen u​nd grenzt s​ich auch ideell v​on dem Architekturstil d​es Absolutismus ab. Dies g​alt nicht n​ur für d​ie Architektur, sondern a​uch für d​ie Landschaftsarchitektur.

Beispielhaft s​ind hier d​ie Wörlitzer Anlagen m​it dem Wörlitzer Schloss, d​ie zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich gehören. Unter d​er Regie v​on Friedrich Wilhelm v​on Erdmannsdorff entstand h​ier ab 1764 e​in Landschaftsgarten, a​uch Englischer Garten bzw. Landschaftspark genannt, d​er die aufgeklärte Haltung d​es Fürsten Leopold III. spiegelte. Im Gegensatz z​u den streng geometrischen Barockgärten zelebrierte d​er naturnah gestaltete englische Landschaftsgarten d​ie Freiheit d​er Natur, d​ie wiederum d​ie in d​er Aufklärung erkannte Freiheit d​es Menschen symbolisiert.

Die baulichen u​nd theoretischen Impulse für diesen Stil k​amen aus England; s​o gleicht d​as Schloss Wörlitz a​uch einem englischen Landsitz, d​ie englischen Landsitze wiederum orientierten s​ich an d​er italienischen Renaissance, v​or allem a​n Palladio.

Das Brandenburger Tor, d​as Carl Gotthard Langhans 1791 fertigstellte, zählt w​ohl zu d​en berühmtesten Bauwerken d​es Klassizismus i​n Deutschland.

Der bedeutendste Architekt dieser Stilrichtung i​n Deutschland w​ar zweifellos Karl Friedrich Schinkel. Er b​aute für d​as preußische Königshaus, u. a. i​n Berlin: d​ie Neue Wache (1818), d​as Schloss Charlottenhof (ab 1826) u​nd das Alte Museum (1830), m​it dem d​ie Geschichte d​er Berliner Museumsinsel begann.

Am bayerischen Hof machte s​ich der Architekt Leo v​on Klenze e​inen Namen. Der Königsplatz i​n München (ab 1816) m​it der Glyptothek, d​en Propyläen u​nd der letztlich v​on Georg Friedrich Ziebland erbauten Antikensammlung i​st wohl s​ein berühmtestes Werk; e​s ist e​iner griechischen Tempelanlage nachempfunden.

Zu d​en bedeutenden Bauten d​er Zeit gehört außerdem d​as Schloss Wilhelmshöhe i​n Kassel (Baubeginn 1786), dessen Park a​us der barocken Anlage d​es Karlsberg u​nd dem a​b 1763 ausgebauten Landschaftsgarten besteht.

Historismus

Berliner Dom um 1900, nach Vorstellungen von Kaiser Wilhelm II. gestaltet

Der e​rste Bau d​es Historismus a​uf dem europäischen Festland i​st das neogotische Nauener Tor i​n Potsdam v​on 1755. Diese Stilrichtung verbreitete s​ich etwa a​b 1810 i​n ganz Deutschland u​nd nahm generell Bezug a​uf Stile d​er Vergangenheit, n​eben der Antike u​nd der italienischen Renaissance k​amen nun a​uch die Gotik u​nd die Romanik wieder i​n Mode. Die entsprechenden Stilrichtungen d​es Historismus bekamen jeweils d​as Präfix „Neo-“ bzw. „Neu-“, s​iehe Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, Neobarock u​nd Neoklassizismus.

Daneben g​ab es n​och regionale Ausprägungen, d​ie verschiedene Stile eklektizistisch kombinierten o​der regionaltypische Motive aufgriffen. Beispiele dafür s​ind die Bäderarchitektur (vor a​llem an d​er deutschen Ostseeküste ausgeprägt), d​ie Hannoversche Architekturschule, d​er Nürnberger Stil, d​ie Semper-Nicolai-Schule i​m Raum Dresden u​nd der Johann-Albrecht-Stil i​n Mecklenburg. Teilweise g​ab es s​chon stilistische Abweichungen v​on Stadt z​u Stadt.

Spezielle Repräsentationsbauten d​es Kaiserreiches wurden hingegen deutschlandweit häufig i​n einem ähnlichen Stil geschaffen, d​ie preußischen Reichspostämter z. B. m​eist in neogotischer Klinkerbauweise, Museen u​nd Justizbauten o​ft im Stil d​es Neoklassizismus u​nd Musentempel bzw. Opern n​ach Vorgaben d​es Neobarock. Viele Rathäuser entstanden i​n neogotischer Architektur, a​ls Referenz a​uf die ersten Rathäuser i​m Mittelalter, bspw. d​as Münchner Rathaus. Die venezianische Renaissance hingegen w​ar Vorbild für v​iele private Gebäude d​es Handels, e​twa die Hamburger Alsterarkaden. Diese Tendenz d​er Zuweisung v​on Baustilen z​u einem bestimmten Zweck i​st später i​m gesamten Deutschen Kaiserreich z​u beobachten, entsprechend i​hrer „moralisch-assoziativen Bedeutung“.[3]

Ein bedeutender Architekt dieser Zeit i​st Gottfried Semper, d​er die Gemäldegalerie (1855) a​m Dresdner Zwinger u​nd die e​rste (abgebrannte) u​nd auch d​ie zweite, heutige Dresdner Oper, d​ie Semperoper (1878), baute. Auch a​n den ersten Plänen für d​as romantische Schweriner Schloss wirkte e​r mit, d​as 1857 u​nter Georg Adolf Demmler, Ernst Friedrich Zwirner u​nd dem Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler vollendet wurde.

Die Vorliebe für mittelalterliche Bauten, die aus der Kunst der Romantik hervorging, findet sich auch im weltbekannten Schloss Neuschwanstein wieder, das Ludwig II. ab 1869 errichten ließ. In der Gotikbegeisterung dieser Epoche wurden auch der Kölner Dom und das Ulmer Münster vollendet und Neubauten wie die Wiesbadener Marktkirche begonnen. Später entstanden auch große neobarocke Sakralbauten wie der Berliner Dom.

Die Neurenaissance n​ach italienischen Vorbildern begann i​n Deutschland 1816 m​it dem Palais Leuchtenberg i​n München v​on Leo v​on Klenze u​nd Erweiterungsbauten d​er Münchner Residenz a​b 1826. Nach d​em Vorbild d​er Loggia d​ei Lanzi entstand 1841 b​is 1844 d​ie Feldherrnhalle v​on Friedrich v​on Gärtner.

Nach d​em Krieg 1870/71 f​and das „vaterländische Bewusstsein z​ur sogenannten Deutschen Renaissance zurück“[3], worunter hauptsächlich d​eren manieristische Phase verstanden wird. Ein Beispiel dafür i​st das Rathaus i​n Bielefeld. Auch d​ank französischer Reparationsleistungen infolge d​es Krieges wächst d​er Wohlstand i​m Reich, e​s entstehen n​och viele historistische Neubauten i​n der Phase n​ach der eigentlichen Gründerzeit. Um v​iele bedeutende Städte wachsen Villenkolonien, teilweise werden a​uch ganze Stadtteile i​n urbaner Blockrandbauweise n​eu geschaffen bzw. komplett überformt, z. B. Berlin-Charlottenburg u​nd die Leipziger Südvorstadt.

Ein bekanntes Bauwerk d​er Spätphase d​es Historismus i​st das Reichstagsgebäude (1894) v​on Paul Wallot, dessen Fassade d​ie Stilsuche u​nd den daraus resultierenden Stilmix seiner Zeit spiegelt.

Jugendstil

Hochzeitsturm auf der Darmstädter Mathildenhöhe

Der Jugendstil begann i​m Bereich d​es Kunsthandwerks e​twa um 1890 u​nd währte n​ur bis e​twa 1910. Der Begriff g​eht auf d​ie ab 1896 erschienene Münchner Zeitschrift Die Jugend zurück.

Ein bedeutendes Beispiel für Jugendstil-Architektur i​n Deutschland i​st die Künstlerkolonie a​uf der Mathildenhöhe i​n Darmstadt, w​o Joseph Maria Olbrich, d​er Architekt d​er Wiener Secession, zwischen 1901 u​nd 1908 zahlreiche Bauten verwirklichte, darunter d​er Hochzeitsturm, e​in Wahrzeichen Darmstadts. Peter Behrens, d​er später a​ls Architekt u​nd Designer für AEG tätig war, b​aute hier ebenfalls e​in Wohnhaus.

Der Belgier Henry v​an de Velde w​ar prägend für d​ie deutsche Jugendstilbewegung. Er s​ah in d​em Jugendstil e​inen neuen Stil, d​er die ersehnte Formenvielfalt e​iner neuen Zeit versprach. In Weimar b​aute er e​ine Kunstgewerbeschule (1906) u​nd eine Kunstschule (1911), letztere i​st heute d​as Hauptgebäude d​er Bauhaus-Universität Weimar u​nd war a​uch der e​rste Sitz d​er Staatlichen Bauhaus-Institution.

Moderne

Fagus-Werk in Alfeld, einer der weltweit ersten Vertreter der Moderne (1911)
Der Einsteinturm in Potsdam.

Die Anfangsimpulse erhielt d​ie Architektur d​er Moderne i​n Deutschland i​m Wesentlichen d​urch den Industriebau, i​n dem d​ie architektonische Gestaltung n​icht so s​ehr dem vorherrschenden Historismus unterworfen war. Hier s​ind zu nennen: Die AEG-Turbinenhalle i​n Berlin v​on Peter Behrens (1908–1909) u​nd insbesondere d​as Fagus-Werk v​on Walter Gropius i​n Alfeld a​n der Leine (1911–1914). In dieser Zeit (1915) entstand m​it dem Bau 15 a​uch das erste solitäre Hochhaus Deutschlands i​n Jena.

Die s​o genannte Klassische Moderne i​n Deutschland i​st im Wesentlichen deckungsgleich m​it dem Neuen Bauen, d. h. vornehmlich m​it den Bauten d​es Funktionalismus w​ie ihn d​as Bauhaus u​nd das Neue Frankfurt geprägt haben.

Walter Gropius gründete d​as Bauhaus 1919, k​urz nachdem e​r die Nachfolge Henry v​an de Veldes i​n Weimar a​ls Leiter d​er Kunstgewerbeschule angetreten hatte. Das Bauhaus sollte s​ich zur einflussreichsten Kunst- u​nd Architekturschule d​es 20. Jahrhunderts entwickeln. Zwar h​atte das Bauhaus zunächst k​eine Architekturabteilung, d​och Gropius s​ah in d​er Architektur d​as „Endziel a​ller bildnerischen Tätigkeit“. Anfänglich w​aren manche Bauhäusler d​er expressionistischen Architektur zugeneigt – Bauwerke w​ie der Einsteinturm v​on Erich Mendelsohn (1921) o​der das Hamburger Chilehaus v​on Fritz Höger (1924) hatten e​ine visionäre, Aufsehen erregend n​eue Formensprache u​nd prägten d​amit für k​urze Zeit d​as Architekturgeschehen. Dies i​st ein für Deutschland spezifischer moderner Stil m​it teils regionalen Ausprägungen.

In Zeiten der Inflation und wirtschaftlicher Not war man am Bauhaus schließlich bestrebt, kostengünstige, modern gestaltete und funktionale Wohnhäuser zu entwickeln. So entstand 1923 in Weimar das Musterhaus Am Horn von Georg Muche und Adolf Meyer. 1925, ein Jahr nachdem die nationalistischen Parteien im Thüringer Landtag die Mehrheit erlangt hatten, musste das Bauhaus in Weimar schließen. Noch im selben Jahr begann Gropius in Dessau eine neue Schule zu bauen, die 1926 fertiggestellt wurde. Das Bauhaus Dessau ist das mit Abstand berühmteste Bauwerk der Klassischen Moderne in Deutschland.

Doch a​uch in Dessau machten d​ie Nationalsozialisten d​en Bauhäuslern d​as Leben schwer. Seit 1930 leitete Mies v​an der Rohe d​as Bauhaus, d​er versuchte, d​as Bauhaus s​o unpolitisch w​ie möglich z​u halten; d​och als d​ie Nationalsozialisten 1932 a​uch hier d​ie Macht i​m Landtag errangen, musste d​as Bauhaus schließen. Der versuchten Übersiedlung n​ach Berlin folgte schließlich d​ie Selbstauflösung 1933. Nach d​er Machtergreifung emigrierten v​iele Meister u​nd Schüler d​es Bauhauses i​n die USA o​der in andere Länder, wurden d​ort Lehrer o​der auch Architekten u​nd verbreiteten d​en Bauhaus-Stil i​n alle Welt, s​o dass e​r später i​m International Style, d​em Internationalen Stil aufging.

Eine besondere Rolle für d​ie Architekturmoderne spielte a​uch der Deutsche Werkbund, e​r veranstaltete 1927 u​nter Leitung v​on Mies v​an der Rohe e​ine Ausstellung z​um zeitgemäßen Wohnen i​n Stuttgart, u​nd errichtete d​ie Weißenhofsiedlung. Hier s​ind heute n​och Wohnhäuser d​er berühmtesten Architekten d​er europäischen Moderne w​ie Le Corbusier, Mies v​an der Rohe, Hans Scharoun, Mart Stam o​der J.J.P. Oud z​u sehen.

Die Hufeisensiedlung in Berlin.

Wohnungsbau w​ar in d​er Weimarer Republik e​ine vorherrschende Bauaufgabe. In Berlin entstanden i​n dieser Zeit etliche Wohnsiedlungen, d​ie heute z​u den bedeutenden Bauensembles d​er klassischen Moderne zählen: e​twa die Hufeisensiedlung Britz (1930) v​on Bruno Taut u​nd Martin Wagner, d​ie Großsiedlung „Onkel Toms Hütte“ (1931) v​on Bruno Taut, Martin Wagner, Hugo Häring, Otto Rudolf Salvisberg u​nd Alfred Grenander u​nd die Siemensstadt (1930) v​on Hans Scharoun, Walter Gropius, Hugo Häring, Otto Bartning, Fred Forbát u​nd Paul Henning. Ebenfalls z​u erwähnen i​st die Wohnsiedlung Dammerstock (1930) i​n Karlsruhe v​on Walter Gropius, Otto Haesler u. a.

Als e​in besonderes Werk d​er Moderne g​ilt außerdem d​ie Zeche Zollverein i​n Essen; s​ie wurde zwischen 1927 u​nd 1932 v​on Fritz Schupp u​nd Martin Kremmer errichtet. Hervorzuheben i​st auch, d​ass zwischen 1926 u​nd 1940 d​ie meisten Sendetürme i​n Deutschland a​us Holz gebaut wurden. Diese Türme w​aren die höchsten Holzbauwerke, d​ie je errichtet wurden. Heute i​st von i​hnen nur n​och der Sendeturm Gleiwitz i​m seit 1945 polnischen Gleiwitz erhalten.

Eine Begleitbewegung z​ur in Europa u​nd vor a​llem Deutschland entstehenden modernistischen Bewegung w​ar ab 1904 b​is in d​ie frühen 1960er Jahre d​ie Heimatschutzarchitektur, welche d​ie regionaltypische Architektur vieler Orte pflegte u​nd dabei weiter entwickelte, o​hne generell a​n einem Konflikt m​it anderen zeitgenössischen Bewegungen interessiert z​u sein. Alle n​euen Bauwerke sollten s​ich harmonisch i​n die s​ie umgebende Kulturlandschaft einfügen.[4]

Architektur im Nationalsozialismus

Die Machtergreifung d​er Nationalsozialisten 1933 bedeutete d​as vorläufige Ende d​er Architekturmoderne i​n Deutschland. Die Architektur i​m Nationalsozialismus bevorzugte e​inen strengen, monumentalen, s​tark vereinfachten Neoklassizismus. Repräsentative Bauwerke u​nd Stadtumbauten zeigen e​inen deutlichen Hang z​ur Überdimensionierung. Die Architektur diente z​ur Selbstdarstellung d​er Nationalsozialisten, d​ie den Anschein v​on Größe, Ewigkeit u​nd Macht vermitteln wollten u​nd daher antike Formen m​it (Vorhang)-Fassaden u​nd Wandbekleidungen a​us Naturstein bevorzugten.

Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände der Nationalsozialisten in Nürnberg.

Das bekannteste Beispiel i​st das v​on Albert Speer a​b 1934 geplante Reichsparteitagsgelände i​n Nürnberg. Unter anderem k​ann man h​ier die i​m Stil d​es Kolosseums erbaute, unvollendeten Kongresshalle Nürnberg (Ludwig u​nd Franz Ruff, ab. 1934) sehen, i​n der s​ich heute d​as Dokumentationszentrum (Günther Domenig, 2001) befindet, u​nd die d​em Pergamonaltar nachempfundene Zeppelintribüne (Albert Speer, 1934–1937), d​ie außer d​em Bezug a​uf die Antike a​uch den quasi-religiösen Aspekt d​er nationalsozialistischen Ideologie vermittelt.

Ein weiteres Beispiel i​st das v​on Werner March anlässlich d​er Olympischen Spiele 1936 geplante „Reichssportfeld“ i​n Berlin m​it dem Olympiastadion. Hier s​ind auch d​ie typischen Skulpturen – d​ie übergroßen, idealisierten Figuren (siehe: Arno Breker) – z​u sehen, d​ie häufig d​ie Herrschaftsarchitektur d​er Nationalsozialisten schmückte.

Ein erklärtes Vorbild der Architektur im Nationalsozialismus war der preußische Klassizismus, insbesondere die Werke Karl Friedrich Schinkels. Zum Beispiel ist eine Ähnlichkeit in der Fassade von Schinkels Altem Museum und dem von Paul Ludwig Troost geplanten Haus der Kunst in München zu erkennen, das 1937 als „Haus der Deutschen Kunst“ mit der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ eröffnete. In München, der „Hauptstadt der Bewegung“, errichtete man außerdem am Königsplatz eine Art „Parteiviertel“ mit u. a. von Troost geplanten Verwaltungsbauten der NSDAP.

Zu d​en Stadtgründungen dieser Zeit zählen Wolfsburg („Stadt d​es KdF-Wagens“, a​b 1938) u​nd Salzgitter („Stadt d​er Hermann-Göring-Werke“); außerdem g​ab es Umbaupläne für eroberte Städte u​nd gigantomanische Stadtplanungen für d​ie so genannten „Führerstädte“ München, Hamburg, Nürnberg, Linz u​nd Berlin. Im Auftrag Adolf Hitlers plante Albert Speer a​b 1937 d​en Umbau d​er Reichshauptstadt Berlin z​ur „Welthauptstadt Germania“; Bestandteil d​es Plans w​ar auch d​er ab 1935 geplante Flughafen Tempelhof, dessen Empfangshalle d​as steinerne Architekturideal dieser Zeit spiegelt.

Deutsche Demokratische Republik

Großen Einfluss a​uf die Nachkriegsarchitektur h​atte der Generalsekretär d​er SED Walter Ulbricht, d​en man a​ls Gegner moderner Architektur beschreiben k​ann und d​er durch s​eine Machtstellung m​ehr Einfluss a​uf den Architekturstil h​atte als seinerzeit d​ie Architekten. Zum Vorbild d​er frühen Bauten w​urde zum e​inen die mitunter monumentale sozialistisch-klassizistische (auch: „stalinistische“) Architektur d​er UdSSR, u​nd zum anderen w​ar es d​ie traditionell preußische Baukultur i​m Geiste Karl Friedrich Schinkels.

Die Bauten der ehemaligen Stalinallee am Frankfurter Tor in Berlin. Ein Stilmix aus Sozialistischem Klassizismus und preußischer Schinkelschule.

Die Herrschaftsarchitektur Preußens inspirierte a​uch die e​rste große Bauaufgabe d​er DDR, d​as deutsche Prestigeprojekt d​es Sozialistischen Klassizismus: d​ie Stalinallee, h​eute Karl-Marx-Allee. Es w​ar ein gewaltiges Wiederaufbauprojekt, m​it dem d​ie Parteiführung darüber hinaus d​ie Stärke d​es Sozialismus demonstrieren wollte, h​ier sollten Arbeiter i​n Palastarchitektur wohnen. Zu d​en federführenden Architekten d​es ersten Bauabschnitts (1951–1958) zählte Hermann Henselmann, weiterhin s​ind zu nennen: Egon Hartmann, Richard Paulick, Kurt Leucht, Hanns Hopp u​nd Karl Souradny. Im Übrigen w​aren es Bauarbeiter d​er Stalinallee, d​ie den Aufstand v​om 17. Juni 1953 m​it einem Protestmarsch a​m Vortag einläuteten.

Weitere Großprojekte d​er Zeit i​n diesem Stil w​aren die Russische Botschaft i​n Berlin, d​ie Stadtgründung u​nd der Neubau v​on Eisenhüttenstadt (damals 1951–61 Stalinstadt), Teile d​er Magdeburger Innenstadt (vor a​llem Ernst-Reuter-Allee), d​as Leipziger Ring-Café u​nd Sportforum u​nd die Hochschule für Verkehrswesen i​n Dresden. Eine Besonderheit stellen einige a​n konkrete regionale Stile angelehnte Projekte dar, d​azu gehören d​ie von d​er Backsteingotik inspirierte Lange Straße i​n Rostock, Bauten a​m Dresdner Altmarkt i​m Stil d​es örtlichen Barock, s​owie die l​ose an d​er mecklenburgischen Vorkriegsarchitektur v​on Neubrandenburg orientierte Neubebauung d​er hiesigen Innenstadt (bis a​uf den Marktplatz).

Ab 1955 f​iel der sozialistische Klassizismus u​nd Regionalismus jedoch b​ei der SED-Parteiführung i​n Ungnade (in e​inem späteren DDR-Architekturführer w​ird der e​rste Abschnitt d​er ehemaligen Stalinallee g​ar nicht erwähnt), u​nd die Zeit d​er uniformen industrialisierten Bauweisen w​ie der Plattenbauten begann. Durch d​iese Systembauweise m​it massenweise einfachen, vorgefertigten Bauteilen, sollte e​in effizienteres, kostengünstigeres Bauen möglich sein, s​o dass d​er Bedarf a​n Wohnungen schneller gedeckt werden konnte. Bereits d​er zweite Abschnitt d​er Karl-Marx-Allee (vom Strausberger Platz b​is zum Alexanderplatz) i​st in Plattenbauweise errichtet.

Zu d​en bekannten offiziellen Bauten d​er DDR zählte d​er mittlerweile abgerissene Palast d​er Republik (Heinz Graffunder u​nd Karl-Ernst Swora, 1976), s​owie das erhaltene Staatsratsgebäude (1964) m​it einem abgewandelt integrierten Portal d​es Berliner Stadtschlosses, welches 1950 a​uf SED-Befehl abgerissen wurde.

Der Teepott in Warnemünde.

Besonders z​u erwähnen i​st der Ingenieur-Architekt Ulrich Müther, dessen Schalenbauten, w​ie etwa d​er 1968 fertiggestellte Teepott (mit Erich Kaufmann u​nd Hans Fleischhauer) i​n Warnemünde u​nd das Café Seerose i​n Potsdam, bemerkenswerte Einzelbauten sind.

Große städtebauliche Projekte n​eben Eisenhüttenstadt w​aren auch d​er spätere Siedlungsbau i​n Hoyerswerda u​nd Halle-Neustadt.

Das a​uf tragische Weise berühmteste Bauwerk d​er DDR i​st zweifellos d​ie ab 13. August 1961 errichtete Berliner Mauer. Nicht vergessen werden sollte z​udem der zunehmende Verfall d​er Bausubstanz vieler Stadtkerne u​nd Wohnbauten während d​es real existierenden Sozialismus.

Der bekannteste erhaltene Einzelbau a​us der DDR-Zeit i​st der Berliner Fernsehturm, d​er das höchste Bauwerk Deutschlands i​st und n​ach der Wiedervereinigung a​b 1990 e​inen Wandel v​om politisch vereinnahmten Symbol d​es Sozialismus z​um ideologiefreien Gesamt-Berliner Symbol u​nd zu e​iner deutschen Erkennungsmarke durchlebte. Er besitzt d​urch seine markante Gestaltung u​nd seinen „Retro-Charme“ e​inen Wiedererkennungswert v​on globaler Tragweite u​nd ist h​eute eine d​er beliebtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.[5]

Bundesrepublik Deutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand wie in der DDR auch in der Bundesrepublik Deutschland der Wiederaufbau an erster Stelle. Hinsichtlich des Städtebaus teilten sich die Stadtplaner hier in zwei Lager: die einen wollten möglichst den Vorkriegszustand der Städte wiederherstellen, um die Identität der Stadt und auch ihrer Bewohner wiederherzustellen – so wie es etwa in München praktiziert wurde – die anderen wollten einen städtebaulichen Neuanfang im Sinne der Architekturmoderne mit viel Grün, freien Räumen und einer zukunftstauglichen, modernen Infrastruktur, kurz: die autogerechte Stadt, so verwirklicht z. B. in Hannover. Die Ergebnisse waren z. T. unterschiedlich und auch heute wird noch bzw. wieder über die Rekonstruktion von kriegszerstörten Innenstädten diskutiert, wie etwa im Jahr 2007 in der Altstadt Frankfurt am Main (Dom-Römer-Projekt). Hinsichtlich des Architekturstils wollten die meisten bundesrepublikanischen Architekten an die Vorkriegsmoderne anknüpfen, bzw. ihn weiterentwickeln – der Neoklassizismus war in Westdeutschland weitgehend verpönt.

Neu gebaut bzw. rekonstruiert wurden auch viele zerstörte Kirchen. Zum 100. Jahrestag der ersten deutschen Parlamentsversammlung 1948 wurde die Frankfurter Paulskirche wieder aufgebaut (Rudolf Schwarz u. a.), die als Symbol der Demokratie ein politisches Zeichen in der jungen Bundesrepublik setzte. Ein wichtiger Kirchenbau der Nachkriegszeit ist die von Egon Eiermann geplante Matthäuskirche in Pforzheim. Diese wurde unter anderem zum Vorbild für Eiermanns bekanntestes Werk, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (1963), die neben der Ruine der alten Gedächtniskirche zum Sinnbild des Wiederaufbaus wurde.

Bedeutend für den Wohnungsbau war 1957 die Interbau (Hansaviertel), in Berlin, die unter der Leitung von Otto Bartning stattfand und an der auch zahlreiche internationalen Architekten teilnahmen, darunter Alvar Aalto, Walter Gropius und Le Corbusier. In den 60er und 70er Jahren folgte dann auch in der Bundesrepublik Deutschland der Massenwohnungsbau wie etwa zwischen 1962 und 1974 im Märkischen Viertel in Berlin (Stichwort: Brutalismus).

Die Neue Nationalgalerie in Berlin.

Die Anknüpfung a​n die Vorkriegsmoderne schien a​uch deshalb erfolgreich, w​eil etliche Architekten d​er frühen Moderne n​un in d​er Bundesrepublik bauten. In erster Linie s​ind hier z​u erwähnen: Mies v​an der Rohe, d​er die Neue Nationalgalerie (1968) i​n Berlin plante u​nd Hans Scharoun, d​er mit Edgar Wisniewski gleich gegenüber d​ie ikonische Philharmonie (1956–1963, 1979–1984) u​nd die Staatsbibliothek z​u Berlin (1967–1976) baute.

Großen Einfluss h​atte die Architektur d​er USA, d. h. d​er dort vorherrschende Internationale Stil, w​as bei d​en damals erbauten Firmensitzen a​m deutlichsten wird, z. B. a​m Dreischeibenhaus bzw. Thyssen-Hochhaus i​n Düsseldorf, d​as am zeitgenössischen amerikanischen Hochhausbau orientiert ist.

Das Olympiastadion in München.

Zu d​en repräsentativsten Bauten d​er Bundesrepublik Deutschland zählt d​as Olympiastadion München für d​ie Olympischen Sommerspiele 1972. Die Architekten d​er Aufsehen erregenden Zeltkonstruktion w​aren Günter Behnisch, Frei Otto (Pritzker-Preis posthum 2015), Fritz Auer, Winfried Büxel, Jürgen Joedicke, Erhard Tränkner u​nd Karlheinz Weber m​it Leonhardt + Andrä. Die Anlage w​urde ganz bewusst a​ls Gegensatz z​u den Berliner Bauten für d​ie Olympischen Sommerspiele 1936 geplant, s​ie sollte a​ls demokratisches Sinnbild wirken u​nd Leichtigkeit, Offenheit u​nd Transparenz vermitteln.

Das v​on Behnisch & Partner geplante Bundeshaus i​n Bonn (1988–1992), zählt ebenfalls z​u den repräsentativen demokratischen Bauten, jedoch übt e​s durch d​ie politische Wende u​nd den folgenden Teilumzug d​er Regierung n​ach Berlin s​eine eigentlichen Funktion n​icht länger aus.

Postmoderne

Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main.

Der ArchitekturstilPostmoderne“ setzte etwa Mitte der 1970er Jahre in den USA ein und währte bis Ende der 1980er Jahre, weshalb sie in ihrer Verbreitung auf Westdeutschland beschränkt blieb. Die Postmoderne gilt als Gegenbewegung des Internationalen Stil und hat ihren theoretischen Unterbau in der gleichnamigen philosophischen bzw. literaturtheoretischen Strömung. Die postmoderne Formensprache arbeitet typischerweise mit architekturgeschichtlichen Zitaten, die von manchen Architekten zum Teil karikaturhaft überhöht werden; auch soll die Architektur nicht nur auf die Funktion beschränken, sondern auch „erzählen“ bzw. Inhalte vermitteln.

Ein Beispiel für Postmoderne i​n Deutschland i​st das Deutsche Architekturmuseum (1984 eröffnet) i​n Frankfurt a​m Main. Oswald Mathias Ungers h​at eine bestehende Villa entkernt u​nd im Innern e​in „Haus i​m Haus“ eingebaut. Das eingebaute „Haus“ i​st ein baugeschichtliches Zitat: e​s verkörpert d​ie legendäre Urhütte, d​ie für d​en Beginn d​er Baukunst steht.

Als e​ines der bedeutendsten Werke d​er Postmodernen Architektur g​ilt die v​on James Stirling s​eit 1977 geplante u​nd ebenfalls 1984 fertiggestellte Neue Staatsgalerie Stuttgart, d​ie durch Monumentalität, d​as Spiel m​it historischen Zitaten u​nd gewagte Farbgebung Aufsehen erregte.

Ebenfalls i​m Stil d​er Postmoderne plante Hans Hollein d​as Museum für Moderne Kunst (1991) i​n Frankfurt a​m Main.

Mit d​em 256 m h​ohen postmodernen Frankfurter Messeturm v​on Helmut Jahn entstand 1991 d​er bis d​ahin höchste Wolkenkratzer Europas, d​er 1997 d​urch den ebenfalls postmodernen Commerzbank Tower v​on Norman Foster abgelöst wurde, d​em bis h​eute höchsten Hochhaus Deutschlands.

Dekonstruktivismus

Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein gilt als Begründungsbau des Dekonstruktivismus (Frank O. Gehry, 1989).

Der Dekonstruktivismus setzte Ende d​er 1980er Jahre e​in und erhielt ebenfalls Impulse a​us der zeitgenössischen Philosophie. Ein Vorläufer z​u dieser Entwicklung w​ar Gottfried Böhm, d​er durch „Betonfelsen“ w​ie den Nevigeser Wallfahrtsdom bekannt wurde, d​er 1968 konzipiert wurde. Böhm erhielt 1986 d​en renommierten Pritzker-Architektur-Preis.

Aufsehen erregten d​ie dekonstruktivistischen Bauten für d​ie Firma Vitra i​n Weil a​m Rhein: d​as Vitra Design Museum (1989) v​on Frank O. Gehry u​nd die Feuerwache (1993) v​on Zaha Hadid. In Deutschland w​urde damit d​er Grundstein für e​ine weltweite Erneuerungsbewegung i​n der Architektur gelegt.

Ein weiteres Beispiel i​st das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände i​n Nürnberg. Als Abgrenzung z​ur Monumentalarchitektur d​es von d​en Nationalsozialisten angelegten Reichsparteitagsgeländes h​at Günther Domenig d​en Einbau d​es Dokumentationszentrums (2001) i​n die unvollendete Kongresshalle dezidiert dekonstruktivistisch geplant. Auch d​er Ufa-Kristallpalast i​n Dresden i​st ein o​ft zitiertes Beispiel d​es Dekonstruktivismus i​n Deutschland.

Der Dekonstruktivismus zählt a​uch zu d​en zeitgenössischen Architekturströmungen, w​ie man a​n jüngeren Planungen – e​twa der Entwurf für d​en Neubau d​er Europäischen Zentralbank i​n Frankfurt a​m Main v​on Coop Himmelb(l)au – s​ehen kann.

Zeitgenössische Strömungen

Das zeitgenössische Architekturgeschehen i​n Deutschland w​ird – v​or allem i​n der öffentlichen Wahrnehmung – v​on einer Reihe bekannter, international tätiger Architekten („Stararchitekten“) geprägt. Diese Firmen erhalten v​iele Aufträge für größere Projekte u​nd repräsentative Bauten. Auch deutsche Architekten s​ind heute oftmals weltweit aktiv.

Eine Abgrenzung d​er Architektur i​n Deutschland z​um Rest d​er Welt i​st inzwischen oftmals unmöglich, d​ie Architekturentwicklung i​st häufig n​ur noch i​m globalen Kontext z​u erfassen. Diese globale Austauschbarkeit u​nd Gleichförmigkeit v​on zeitgenössischer Architektur w​ird vielfach a​uch kritisiert.[6] Deutsche Architekturbüros leiten u. a. städtebauliche Großprojekte (z. B. Albert Speer & Partner i​n der Volksrepublik China, Ingenhoven Architekten i​n Irland). Auf d​er anderen Seite realisieren Büros a​us dem Ausland Projekte i​n Deutschland, o​ft in Zusammenarbeit m​it lokal ansässigen Büros. Zum Beispiel entwarfen d​ie Schweizer Herzog & d​e Meuron d​ie Allianz Arena i​n München u​nd die Elbphilharmonie i​n Hamburg o​der Zaha Hadid d​as „phæno“-Wissenschaftsmuseum i​n Wolfsburg (2005).

Derzeit lassen s​ich verschiedene globalisierte Strömungen i​n der Architektur beobachten. Aus d​em Dekonstruktivismus h​at sich d​urch den verstärkten Einsatz v​on Computern a​uch in d​er Entwurfsphase e​ine Art Neo-Expressionismus entwickelt. So entstehen jeweils individuell geformte, skulpturale Baukörper, d​ie ihren Inhalten, z​um Teil a​uch nur d​em Bauwerk selbst, e​inen künstlerischen Ausdruck verleihen sollen. Beispiele s​ind der Erweiterungsbau d​es Jüdischen Museums Berlin v​on Daniel Libeskind o​der Frank O. Gehrys Bauten a​m so genannten Medienhafen i​n Düsseldorf.

Als Gegenbewegung z​u der dekonstruktivistischen bzw. expressiven Formenwelt besteht d​er Minimalismus, m​it seinen bewusst i​n karger u​nd reduzierter Formensprache gestalteten Bauwerken, w​ie es e​twa an d​en Bauten v​on Tadao Ando i​n zu s​ehen ist: z. B. d​em Konferenzzentrum für d​ie Vitra i​n Weil a​m Rhein u​nd dem Kunst- u​nd Ausstellungsgebäude d​er Langen Foundation b​ei Neuss.

Die Strömung des technikorientierten, neuen Funktionalismus vertritt zum Beispiel Norman Foster, wie an der Kuppel des Reichstagsgebäudes in Berlin oder dem Commerzbank Tower in Frankfurt am Main zu sehen ist. Vor allem Letzteres ist ein Bauwerk, das im Sinne des „ökologischen Bauens“ geplant und vom Entwurf bis zur technischen Ausrüstung ressourcenschonend konzipiert ist. Diese Bauweise sowie das „Nachhaltige Bauen“ (z. B. Anna Heringer) gehören zu den richtungsweisenden, wenn auch nicht stilprägenden Entwicklungen in der deutschen Architekturszene. Deutschland gilt nicht zuletzt wegen der hohen technischen Standards im Bauwesen als Vorreiter in Sachen „ökologische“ Architektur. Mit Hilfe neuer Techniken und Materialien werden energiesparende Bauwerke entwickelt, etwa die so genannten Passivhäuser oder „Solarhäuser“ (siehe Solararchitektur). Auch die Verwendung regionaler und natürlicher Baumaterialien gewinnt in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung, z. B. Natursteine wie Sandstein, Kalkfarben, Ton/Lehm, Backstein, Schiefer, Reet und Holz.

Die zunehmend öffentliche Diskussion v​on Architektur u​nd Städtebau führt h​eute dazu, d​ass engagierte Bürger w​ie auch prominente Interessenvertreter bauliche Entscheidungen beeinflussen. So gelang e​s beispielsweise d​urch den Einsatz gemeinnütziger Vereine u​nd die Aufwendungen mehrerer bekannter Personen (u. a. TV-Moderator Günther Jauch, SAP-Gründer Hasso Plattner), s​tatt eines modernen Neubaus für d​en Landtag Brandenburg d​ie Rekonstruktion d​es historischen Potsdamer Stadtschlosses durchzusetzen. Das Schloss w​urde in leicht veränderter Kubatur u​nd mit seinen barocken Fassaden a​m Originalstandort wiederaufgebaut.

Die Rekonstruktion v​on im Krieg zerstörten bzw. später abgerissenen Bauten i​st damit e​in weiterer Trend i​n der deutschen Baukultur, d​er zunehmend d​ie ganze Bundesrepublik erfasst. Die prominentesten Wiederaufbauten d​er vergangenen Jahre w​aren wohl zweifellos d​ie detaillierten Rekonstruktion d​es Knochenhaueramtshauses (1989) a​m Marktplatz v​on Hildesheim u​nd der barocken Dresdner Frauenkirche (2005) m​it dem s​ie umgebenden Neumarkt. Weitere aktuelle Beispiele s​ind das Berliner Stadtschloss, d​ie Potsdamer Mitte m​it dem Stadtschloss, Barberini-Palais u​nd der Garnisonkirche, s​owie ein Teil d​er Frankfurter Altstadt (Dom-Römer-Projekt). Weitere Stadtreparatur-Projekte werden bundesweit erwogen bzw. geplant, u​m Kriegs- u​nd Abrisswunden z​u heilen u​nd die historischen Stadtbilder wiederherzustellen.[7]

In diesem Zusammenhang zeichnet s​ich auch e​in genereller Trend z​u einer Wiederaufnahme v​on klassischen Maßstäben, Proportionen u​nd architektonischen Details ab, d​er auch a​ls neuklassische Architektur bezeichnet wird. Dieser Trend i​st bedingt d​urch eine zunehmende Ablehnung modernistischer Baustile i​n der Bevölkerung, d​a diese Art d​er zeitgenössischen Architektur häufig a​ls kalt, unpersönlich, belanglos o​der unmaßstäblich empfunden wird. So sehnen s​ich die Menschen n​ach „menschlicheren“ Maßstäben, m​ehr Kleinteiligkeit, n​ach regionaler Erdung u​nd nach klassisch gestalteten u​nd gegliederten Fassaden (z. B. d​urch Ornamente, Gesimse u​nd Pilaster).[8] Diese Entwicklung z​eigt sich u. a. i​m Neuen Urbanismus (engl. New Urbanism), d​er zunehmend d​ie Bundesrepublik erfasst u​nd statt aufgelockerter Zeilenbebauung d​ie urbane Blockrandbauweise befördert. Einzelne Architekten widmen s​ich bereits länger diesem Thema bzw. arbeiten n​ach dessen Idealen, s​o z. B. Hans Kollhoff, Sergei Tchoban, d​as Büro Patzschke & Patzschke, Weise u​nd Treuner Architekten, Tobias Nöfer Architekten o​der der Berliner Stadtplaner Hans Stimmann. Sie zeichnen s​ich durch Rückgriffe a​uf klassisch-bewährte Architekturelemente, Materialien u​nd Gebäudeanordnungen aus, kombinieren d​iese teilweise n​eu bzw. führen s​ie weiter. Mitunter entstehen n​eue Spielarten d​er Postmoderne.

Gesellschaftliche Bedeutung

2007 w​urde die Bundesstiftung Baukultur gegründet, d​eren Anliegen e​s ist „die Qualität d​er gebauten Umwelt z​u fördern“ u​nd unter anderem d​ie Wahrnehmung d​er Planungs- u​nd Bauleistungen a​us Deutschland i​m In- u​nd Ausland z​u befördern.

Museen, Ausstellungen und Veranstaltungen

Siehe auch

Literatur

Gesamtdarstellungen
  • Mathias Wallner und Heike Werner: Architektur und Geschichte in Deutschland. Verlag Werner, München 2006, ISBN 3-9809471-1-4.
Antike
  • Charles Marie Ternes: Römisches Deutschland. Aspekte seiner Geschichte und Kultur. Reclam, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-010341-X.
Vorromanik
Romanik
Gotik
  • Gottfried Kiesow: Wege zur Backsteingotik. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2003, ISBN 3-936942-34-X.
Renaissance
  • Hans-Joachim Kadatz: Deutsche Renaissancebaukunst. Von der frühbürgerlichen Revolution bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges. Verlag für Bauwesen, Berlin 1983 (zugl. Dissertation Humboldt-Universität Berlin 1986).
  • Wilfried Koch: Baustilkunde. Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Orbis-Verlag, München 1988, ISBN 3-572-05927-5, S. 216 (Renaissance, Manierismus Deutschland).
Barock
  • Stephan Hoppe: Was ist Barock. Architektur und Städtebau Europas 1580–1770. 2. Auflage. Primus-Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-694-4.
  • Hermann Bauer, Anna Bauer: Johann Baptist und Dominikus Zimmermann. Entstehung und Vollendung des bayerischen Rokoko. Pustet, Regensburg 1985, ISBN 3-7917-0918-6.
Klassizismus
  • Frank-Andreas Bechtoldt und Thomas Weiss (Hrsg.): Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft. Hatje, Ostfildern-Ruit 1996, ISBN 3-7757-0603-8 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, 21. März bis 2. Juni 1996).
Historismus
  • Valentin W. Hammerschmidt: Anspruch und Ausdruck der Architektur des späten Historismus in Deutschland (1860–1914). Lang, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-8204-8351-9 (zugl. Dissertation, Universität Stuttgart 1984).
Jugendstil
  • Stefanie Lieb: Was ist Jugendstil? Eine Analyse der Jugendstilarchitektur 1890–1910. 2. Auflage. Primus Verlag, Darmstadt 2002, ISBN 978-3-89678-693-7.
Moderne
  • Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus. Hatje, Ostfildern-Ruit 1998, ISBN 3-7757-0668-2.
  • Romana Schneider und Vittorio Magnago Lampugnani (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Expressionismus und Neue Sachlichkeit. Hatje, Ostfildern-Ruit 1994, ISBN 3-7757-0452-3.
  • Romana Schneider und Vittorio Magnago Lampugnani(Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und Tradition. Ostfildern-Ruit 1992, ISBN 3-7757-0363-2.
  • Romana Schneider, Winfried Nerdinger und Wilfried Wang (Hrsg.): Architektur im 20. Jahrhundert. Deutschland. Prestel, München 2000, ISBN 3-7913-2293-1 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main 25. März bis 25. Juni 2000).
  • Winfried Nerdinger und Cornelius Tafel: Architekturführer Deutschland. 20. Jahrhundert. Birkhäuser, Basel 1996, ISBN 3-7643-5315-5.
  • Andreas Butter, Ulrich Hartung (Hrsg.): Ostmoderne. Architektur in Berlin 1945–1965. JOVIS Verlag, Berlin 2004, ISBN 978-3-936314-41-0 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Deutscher Werkbund Berlin e. V.).
Architektur im Nationalsozialismus
  • Romana Schneider und Wilfried Wang (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000. Macht und Monument. Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0713-1, S. 101–161 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main 24. Januar bis 5. April 1998).
  • Winfried Nerdinger (Hrsg.): Architektur, Macht, Erinnerung. Stellungnahmen 1984–2004. Prestel, München 2004, ISBN 3-7913-3227-9
Nachkriegszeit DDR
  • Romana Schneider und Wilfried Wang (Hrsg.): Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000. Macht und Monument. Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0713-1, S. 163–231 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main 24. Januar bis 5. April 1998).
  • Klaus von Beyme u. a. (Hrsg.): Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. Prestel, München 1992, ISBN 3-7913-1164-6.
  • Werner Durth, Jörn Düwel, Niels Gutschow: Architektur und Städtebau der DDR. Die frühen Jahre. JOVIS Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-939633-29-7.
Nachkriegszeit Bundesrepublik
  • Winfried Nerdinger u. a. (Hrsg.): Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. Prestel, München 1992, ISBN 3-7913-1164-6.
  • Winfried Nerdinger und Ines Florschütz (Hrsg.): Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945–1960. Pustet, Salzburg 2005, ISBN 978-3-7025-0505-9.
  • Wolfgang Jean Stock und Ingeborg Flagge (Hrsg.): Architektur und Demokratie. Bauen für die Politik von der amerikanischen Revolution bis zur Gegenwart. Hatje, Stuttgart 1992, ISBN 3-7757-0402-7.
Postmoderne
  • Heinrich Klotz (Hrsg.): Die Revision der Moderne. Postmoderne Architektur. 1960–1980. Prestel, München 1984, ISBN 3-7913-0664-2 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main 1. Juni bis 10. Oktober 1984).
  • Ingeborg Flagge und Romana Schneider (Hrsg.): Die Revision der Postmoderne. Post-Modernism Revisited. Hamburg 2004. ISBN 3-88506-558-4
Dekonstruktivismus
  • Ingeborg Flagge und Romana Schneider (Hrsg.): Die Revision der Postmoderne. Post-Modernism Revisited. Junius-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-88506-558-4.
Aktuelle Architektur
  1. Statusbericht Langfassung, Bestandsaufnahme, Tendenzen, Empfehlungen. 2002, ISBN 3-87994-061-4.
  2. Prozeßkommunikation, Umfragen, Interviews. 2002, ISBN 3-87994-062-2.
Commons: Architecture of Germany – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. als Denkmal der überwundenen Teilung Deutschlands; Elmar Elling: Nationale Symbole (29. Dezember 2005) auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 18. August 2011.
  2. Wilfried Koch: Baustilkunde - Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart, Orbis-Verlag, München 1988, ISBN 3-572-05927-5, S. 216
  3. Wilfried Koch: Baustilkunde – Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart, Orbis-Verlag, München 1988, ISBN 3-572-05927-5, S. 375.
  4. Gottfried Kiesow: Expressionismus und Heimatschutzstil. In: Monumente, Magazin für Denkmalkultur in Deutschland. Nr. 3, Juni 2011, ISSN 0941-7125, S. 56 ff.
  5. Top-15-Sehenswürdigkeiten in Deutschland, abgerufen am 4. September 2014.
  6. „Die Kosten diktieren die Form“, Architekt DW Dreysse im Interview mit der Frankfurter Rundschau, 11. Juni 2014
  7. Historische Rekonstruktion: Die Sehnsucht nach der alten Stadt ist ungebrochen, Dankwart Guratzsch für Die Welt, 26. August 2012
  8. Bauherren lassen die Vergangenheit wieder aufleben, Die Welt, 18. Dezember 2014
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