Altes Rathaus (Leipzig)
Das Alte Rathaus in Leipzig – die Ostseite des Marktes der Messestadt dominierend – gilt als einer der bedeutendsten deutschen Profanbauten der Renaissance. An seiner Rückseite liegt der Naschmarkt. Bürgermeister und Stadtverwaltung sind seit 1905 im Neuen Rathaus untergebracht.
Geschichte
Im Jahr 1341 übereignete Markgraf Friedrich II. von Meißen den Leipziger Tuchmachern ein vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts im romanischen Stil massiv errichtetes repräsentatives Gebäude südlich des Marktes. Dieser Bau entspricht in Lage und Grundfläche etwa der heutigen Ratsstube des Alten Rathauses. Anzunehmen ist, dass bereits hier der Stadtrat seine Aufgaben wahrnahm. Urkundlich erwähnt wurde ein Leipziger Rathaus erstmals 1360. An der Nordseite des Tuchhauses kam es, aufgrund des Wachstums Leipzigs und der daraus resultierenden Mehraufgaben des Stadtrates, zu Erweiterungen. Die zunächst zwei bis zum heutigen Durchgang reichenden Neubauten wurden auf Fundamenten vorheriger Gebäude errichtet, so lässt sich auch der „Knick“ in der Längsfassade des Rathauses von etwa drei Grad zwischen dem ersten und dem zweiten Zwerchgiebel von rechts erklären.
Mitte des 15. Jahrhunderts kam es zum Zusammenschluss mit zwei weiteren Bauten nördlich des heutigen Durchgangs. Im Dezember 1467 wurde eine neue Ratsstube fertiggestellt. Die Überbauung des Durchgangs durch einen Treppenturm und somit die endgültige Zusammenführung der Einzelgebäude ist nicht genau nachweisbar. Erstmals wurde 1476 ein Treppenturm erwähnt. Die Tuchmacher bezogen 1482 ein eigenes Gebäude. Ein Jahr später wurde eine Geheimkammer angelegt, die eine Art Zwischengeschoss darstellt und heute als Aerar (Schatzkammer) zu besichtigen ist. Im Jahre 1498 wurde, da der Handel zu dieser Zeit florierte, ein Umbau des Rathauses beschlossen, der finanziell dann jedoch unmöglich wurde.
- Älteste Ansicht des Alten Rathauses von 1547
- Altes Rathaus, 1672
- Der Leipziger Marktplatz mit dem Alten Rathaus, 1712
Bis Mitte des 16. Jahrhunderts gab es grundlegende bauliche Änderungen, so wurde das Rathaus um etwa vier Meter in Richtung Naschmarkt verbreitert, einhergehend mit einer Vergrößerung und Erhöhung des Daches. Das Rathaus wurde 1556/57 vom regierenden Bürgermeister und Großkaufmann Hieronymus Lotter umgebaut und erhielt damit weitestgehend seine heutige äußere Gestalt im Stil der Sächsischen Renaissance. Erster Obermeister war Paul Speck, dem wohl auch der Entwurf zuzuschreiben ist. Ihm folgte nach seinem Tod Anfang 1557 Meister Paul Widemann. Weiter beteiligt war auch der Ratsmaurermeister der Stadt, Sittich Pfretzschner.
Neben dem Sitz der Ratsherren beherbergte das Alte Rathaus auch bereits seit dem späten 16. Jahrhundert zeitweilig das Oberhof- und Schöffengericht, den Stadtrichter, das Ratsarchiv sowie im Keller untergebrachte Gefängniszellen. Der Festsaal mit einer Länge von etwa 40 Metern war lange Zeit die größte Veranstaltungsstätte der Stadt und wurde dementsprechend auch für öffentliche Empfänge und Festlichkeiten genutzt.
Gemälde Hans Krells mit Abbildungen sächsischer Fürsten, die seit 1553 in Festsaal und Ratsstube anzufinden sind, wurden kontinuierlich ergänzt.
Bereits im 18. Jahrhundert wurde eine Aufstockung des Gebäudes diskutiert. Zur Ausführung gelangte schließlich nur die Erhöhung des Turmes um 2,80 Meter durch den Baumeister Christian Döring. Ende des 19. Jahrhunderts erwies sich das Rathaus für die schnell wachsende Stadt als endgültig zu klein. Es folgten jahrzehntelange Diskussionen über einen Abriss und Neubau an derselben Stelle oder gar einen Verkauf des Grundstücks zwecks Errichtung von Geschäftshäusern. Das Neue Rathaus entstand schließlich ab 1899 anstelle der Pleißenburg. Der Erhalt des Alten Rathauses wurde 1905 bei Stimmengleichheit durch das Votum des Vorsitzenden des Stadtverordnetenkollegiums, Johannes Junck, entschieden. Es sollte nach umfangreicher Sanierung als Stadtgeschichtliches Museum dienen.[1]
Die Instandsetzung und Umbauarbeiten zur neuen Nutzung als Museum erfolgten von 1906 bis 1909, das heutige Äußere ist heute zu überwiegenden Teilen eine Nachformung dieser Umbauten. Dabei entstand am marktseitigen Erdgeschoss u. a. anstelle der hölzernen Verkaufslauben ein Arkadengang aus Rochlitzer Porphyr. Im Durchgang stehen seitdem in einer Nische innen und vor dem Durchgang zur Naschmarktseite zwei Brunnen „Badender Knabe“ und „Badendes Mädchen“.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude am 4. Dezember 1943 bei dem schweren Luftangriff auf Leipzig erheblich beschädigt, der Dachstuhl brannte komplett aus. Die während der Sanierungsarbeiten Anfang des 20. Jahrhunderts eingezogene eisengestützte Betondecke verhinderte ein Übergreifen der Flammen vom Dachstuhl auf die historischen Räume im ersten Obergeschoss. Das Museumsgut wurde vorher schon weitestgehend ausgelagert und blieb erhalten. Die Wiederherstellung als eines der ersten öffentlichen Gebäude Leipzigs erfolgte von 1946 bis 1950. Nach kleineren Ausstellungen ab 1945 eröffnete das Stadtgeschichtliche Museum und somit das Alte Rathaus wieder im Jahr 1952.
1988 bis 1990 war das Gebäude aufgrund umfassender Sanierungsarbeiten und Umbauten letztmals längere Zeit geschlossen. Von Anfang 2017 bis 2018 wurde die Fassade, inklusive der Zifferblätter der zwei Uhren, umfangreich saniert.
Sehenswert im Inneren des Gebäudes sind vor allem der große Festsaal, die Ratsstube, das Landschaftszimmer des Spätbarock, die Schatzkammer und das einzige authentische Porträt Johann Sebastian Bachs (von Elias Gottlob Haussmann), der 1723 in der Ratsstube seine Anstellungsurkunde als Thomaskantor unterzeichnete.
Umlaufende Inschrift
Rings um das Rathaus ist unterhalb des Dachgeschosses dieser Text zu lesen:
„NACH CHRISTI UNSERES HERRN GEBURTH IM MDLVI IAHR BEY REGIERUNG DES DURCHLAUCHTIGSTEN UND HOCHGEBORENEN FURSTEN UND HERRN AUGUSTI HERTZOGEN ZU SACHSEN DES H. ROM REICHS ERTZMARSCHALL UND CHURFÜRSTEN LANDGRAFF IN THÜRINGEN MARGGRAFFEN ZU MEISSEN U. BURGGRAFFEN ZU MAGDEBURG ETC. IST INDISER STADT ZU BEFÖRDERUNG GEMEINES NUTZENS DIESES HAUS IM MONATH MARTIO ZU BAUEN ANGEFANGEN UND DASSELBE DES ENDE IM NOVEMBRIS VOLLBRACHT. DEM HERRN SEY ALLEIN DIE EHRE, DENN WO DER HERR DIE STADT NICHT BAUET SO ARBEITEN UMSONST DIE DARAN BAUEN WO DER HERR DIE STADT NICHT BEWACHET SO WACHET DER WÄCHTER UMSONST DES HERRN NAHME SEY GEBENEDEYET EWIGLICH AMEN BEY CHURF. IOH. GEORG II. HOCHLÖBL. REGIERUNG RENOV. MDCLXXII.“
Das Alte Rathaus und der Goldene Schnitt
Bemerkenswert ist der asymmetrische Aufbau des Gebäudes von der Front- und Rückseite aus, die dieses annähernd im Goldenen Schnitt teilt. Bei den Umbauten unter Hieronymus Lotter 1556/57 erhielt die Fassade durch schon vorhandene Gebäude und deren Fundamenten weitestgehend die heutigen Abmessungen. Vielfach wird angenommen, dass der seitlich nach links versetzte Turm des Alten Rathauses die Proportionen des Goldenen Schnittes am Gebäude kennzeichnet. Die eigentliche Einteilung der Gehäusefront zum Markt hin in Sachen Goldener Schnitt nimmt allerdings die Mitte des Hauptportals und Durchgangs – asymmetrisch zum Turm liegend – vor. Der ästhetische Gesamteindruck des Gebäudes wird durch diese Tatsache in Verbindung mit der Höhe des Turmes nicht beeinflusst.[2]
Abmessungen (seit 1909)
- Gesamtlänge (Marktseite): ca. 93,2 Meter
- Längen der Gebäudeteile links und rechts vom Durchgang (mittig vom Durchgang ausgehend, Marktseite): ca. 35,8 Meter links, ca. 57,4 Meter rechts
- Breite: ca. 20,6 Meter
- Höhe Rathausturm: ca. 41 Meter
- Länge Umschrift: ca. 220 Meter
Literatur
- Cornelius Gurlitt: Rathhaus. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 18. Heft: Stadt Leipzig (II. Theil). C. C. Meinhold, Dresden 1896, S. 308.
- Der Umbau des alten Rathauses zu Leipzig. In: Der Profanbau, Jg. 1910, Heft 1 (1. Januar 1910), S. 1–14.
- Doris Mundus: Das Alte Rathaus in Leipzig. Lehmstedt, Leipzig 2003, ISBN 3-937146-01-6.
- Volker Rodekamp (Hrsg.): Das Alte Rathaus zu Leipzig. DZA, Altenburg 2004, ISBN 3-936300-11-9.
- Volker Rodekamp (Hrsg.): Leipzig original. Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Völkerschlacht. Katalog zur Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Alten Rathaus, Teil I. DZA, Altenburg 2006, ISBN 978-3-936300-24-6.
- Markus Cottin, Doris Mundus (Hrsg.): 450 Jahre Altes Rathaus zu Leipzig. Sax, Markkleeberg 2010, ISBN 978-3-86729-055-5.
- Alberto Schwarz: Das Alte Leipzig – Stadtbild und Architektur, Beucha 2018, ISBN 978-3-86729-226-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Artikel „Altes Rathaus“ in Leipzig-Lexikon
- Marko Kuhn: Die Genese eines Zufalls. Das Alte Rathaus Leipzig. In: Lieselotte Kugler, Oliver Götze (Hrsg.): Göttlich - Golden - Genial. Weltformel Goldener Schnitt? Hirmer, München 2016, ISBN 978-3-7774-2689-1, S. 186–191.