Schloss Wilhelmshöhe
Das Schloss Wilhelmshöhe befindet sich im Bergpark Wilhelmshöhe von Kassel. Das von 1786 bis 1798 im Stil des Klassizismus gestaltete Schloss wurde für Landgraf Wilhelm IX. (ab 1803 Kurfürst Wilhelm I.) errichtet.
International bekannt ist es für seine heutige Nutzung als Museum, das unter anderem die Antikensammlung und die Gemäldegalerie Alte Meister enthält. Sehr bedeutend ist zudem das Museum im Weißensteinflügel mit den einzig authentisch verbliebenen Räumen der Landgrafen.
Am 23. Juni 2013 wurde der Bergpark Wilhelmshöhe mit dem Schloss als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.[1]
Geographie
Das Schloss steht im Gebiet des Kasseler Stadtteils Bad Wilhelmshöhe im unteren Teil des Bergparks Wilhelmshöhe auf etwa 282 m ü. NHN.[2] Am unteren Karlsberghang befindet es sich oberhalb des Westendes der Wilhelmshöher Allee. Das Herkulesmonument sowie das Schloss bilden eine Sichtachse. Diese Sichtachse, die zugleich die Mittelachse des gesamten Bergparks bildet, findet ihre Verlängerung in der Wilhelmshöher Allee, die bis in die Kasseler Innenstadt führt und in der Fünffensterstraße endet.
Geschichte
An der Stelle des heutigen Schlosses bestand seit dem 12. Jahrhundert das Augustiner-Chorherren-Stift und spätere Augustinerinnen-Kloster Weißenstein. Unter Landgraf Philipp von Hessen wurde das Kloster säkularisiert und danach gelegentlich als Jagdschloss benutzt. Philipps Enkel, Landgraf Moritz, ließ von 1606 bis 1610 an gleicher Stelle ein neues Jagdschloss erbauen. Dies wurde unter seinen Nachfolgern zu beachtlicher Größe ausgebaut. Die ursprüngliche Klosteranlage fiel dem Neubau zum Opfer.
Das heutige Schloss entstand von 1786 bis 1798 nach Entwürfen der Architekten Simon Louis du Ry (Weißensteinflügel und Kirchflügel) und Heinrich Christoph Jussow (Mittelteil) für Landgraf Wilhelm IX. Als Vorbilder gelten Wanstead House und Prior Park in England. Geplant und ausgeführt wurde das Schloss als zum Park geöffnete, weit ausgreifende Dreiflügelanlage. Die Seitenflügel sind langgestreckte, schmale Bauwerke mit halbrunden Anbauten an den Schmalseiten. Die Mitten der Langseiten werden durch Risalite mit je acht frei vorgestellten Säulen betont, die beide Obergeschosse umfassen; abgeschlossen durch vasengekrönte Attiken.
Während der napoleonischen Besetzung von 1806 bis 1813 wurde die Anlage in Napoléonshöhe umbenannt. Das Schloss diente dem König von Westphalen, Jérôme Bonaparte, nachdem das von Jérôme und seinem Hofstaat bewohnte Kasseler Stadtschloss 1811 abgebrannt war, zeitweise als Residenz. In dieser Zeit besuchte auch Charles-Louis-Napoléon Bonaparte, der Neffe Jérômes und spätere Napoleon III., das Schloss. Die drei bis dahin freistehenden Gebäude wurden durch eingeschossige Bauten verbunden; diese Bauten wurden unter Kurfürst Wilhelm II. durch seinen Hofbaumeister Johann Conrad Bromeis zu ihrer heutigen Höhe aufgestockt. Dadurch und durch das Fehlen der ursprünglichen weißen Fassung geht dem klassizistischen Bauwerk einiges an Filigranität verloren. In der dazugehörenden Schlosskapelle wurde unter anderem 1828 Wilhelms Tochter Louise von Bose konfirmiert.
Nachdem Napoleon III. bei der Schlacht von Sedan im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) gefangen genommen worden war, stand er vom 5. September 1870 bis zum 19. März 1871 im Schloss unter Arrest; dann ging er ins Exil nach Großbritannien. Am 30. Oktober 1870 besuchte Kaiserin Eugénie ihn im Schloss.
Das Schloss war von 1891 bis 1918 regelmäßig Sommerresidenz der Kaiserfamilie. Es war auch Rückzugsort für Kaiser Wilhelm II. während persönlicher oder politischer Krisen. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne im Jahr 1918 war das Schloss kurze Zeit Sitz des Großen Hauptquartiers.
1944 und 1945 flog die Royal Air Force mehrere Luftangriffe auf Kassel. Im Februar 1945 wurde Wilhelmshöhe bombardiert. Dabei wurde der kuppelbekrönte Mittelbau des Schlosses durch Bomben stark beschädigt, auf der Parkseite blieben jedoch voll ausgestattete Räume, bis in das zweite Obergeschoss hinein, intakt. Die Sicherung der Anlage seit dem Ende des Kriegs durch die Bauverwaltung war nachlässig. Unter der Vorgabe, Enttrümmerungen vornehmen zu wollen, wurde der Mittelteil schließlich Zug um Zug um die verbliebene historische Innenausstattung gebracht. Teile des Schlossmobiliars finden sich heute in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Ab 1961 betreute der funktionalistische Architekt Paul Friedrich Posenenske den Wiederaufbau; dieser erfolgte zum Teil in vereinfachter Ausführung und unter dem Aspekt einer vornehmlichen Nutzung als Kunstmuseum. Dabei entfiel auch der Wiederaufbau der Kuppel.
Während des deutsch-deutschen Gipfeltreffens am 21. Mai 1970 war im Schloss das Pressezentrum untergebracht. Der französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing besuchte das Schloss auf seiner Deutschlandreise 1980.
Heutige Nutzung
Der Kirchflügel wurde für die Nutzung als Verwaltungsort der Staatlichen Museen Kassel weitgehend entkernt. Der stark beschädigte Mittelbau wurde ohne Kuppel und ohne Fensterkreuze sowie Fensterläden wieder instand gesetzt und wirkt im Ensemble heute als Fremdkörper. Auch die ursprüngliche Raumaufteilung wurde nicht wiederhergestellt. Anstatt der Kuppel setzte man auf das Gebäude ein Glasdach zur Belichtung der Gemälde, das noch vom Herkules aus ins Auge fällt. Die Museumslandschaft Hessen-Kassel präsentiert im Mittelbau heute:
- die Antikensammlung
- die Gemäldegalerie Alte Meister; sie enthält vornehmlich flämische und holländische Malerei des Barock (Rembrandt, Frans Hals, Rubens etc.) sowie altdeutsche (Albrecht Altdorfer, Albrecht Dürer), italienische und spanische Malerei.
- die Graphische Sammlung
- regelmäßig Wechselausstellungen
- das Museumsbistro Jérôme
- in der historischen Kapelle hält die protestantische Gemeinde ihre Gottesdienste ab.
Weißensteinflügel
Seit dem Umbau des Schlosses nach 1945 ist nur noch die historische Einrichtung des Weißensteinflügels vorhanden, dessen nach historischen Vorbildern eingerichtete Räume besichtigt werden können. Hier befand sich von 1948 bis 1976 auch das Tapetenmuseum. Auf zwei Etagen werden zahlreiche Möbel des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts gezeigt. Aus der Einrichtung der Bauzeit im Stil Louis-seize und des Frühklassizismus haben sich zahlreiche Möbel erhalten. Allein drei Schreibtische von David Roentgen sind ausgestellt.[3][4] Aus der Zeit von Jérôme Bonaparte ist eine große Sammlung an Empire-Mobiliar von Bernard Molitor, Bronzen von Pierre-Philippe Thomire und Porzellan aus Sèvres erhalten.[5] Neben zahlreichen Gemälden von Johann Heinrich Tischbein dem Älteren werden auch sieben Jagdstücke von Jean-Baptiste Oudry gezeigt.
Filme
- Museums-Check mit Markus Brock: Bergpark und Schloss Wilhelmshöhe, Kassel. 30 Min. Erstausstrahlung: 23. August 2020.[6]
Literatur
nach Autoren/Herausgebern alphabetisch geordnet
- Christoph Dittscheid: Kassel-Wilhelmshöhe und die Krise des Schlossbaues am Ende des Ancien Régime. Charles De Wailly, Simon Louis Du Ry und Heinrich Christoph Jussow als Architekten von Schloss und Löwenburg in Wilhelmshöhe (1785 – 1800). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1987, ISBN 978-3-88462-029-8.
- Rolf Müller (Hrsg.): Schlösser, Burgen, alte Mauern. Herausgegeben vom Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden 1990, ISBN 3-89214-017-0, S. 207–209.
Weblinks
- Museum Schloss Wilhelmshöhe, Museumslandschaft Hessen Kassel, museum-kassel.de
- Material zu Schloss Wilhelmshöhe in der Sammlung Duncker der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Archiviert vom Original am 29. März 2007; abgerufen am 30. März 2016. Auf zlb.de (PDF; 254 k; 260 kB)
- Onlinedatenbank der Gemäldegalerie Alte Meister Kassel – Erweiterte Suche, auf altemeister.museum-kassel.de
- Schloss Wilhelmshöhe als 3D-Modell im 3D Warehouse von SketchUp
Einzelnachweise
- Uno-Kulturorganisation: Unesco kürt Kasseler Herkules zum Welterbe, Spiegel Online, 23. Juni 2013.
- Topographische Karte Stadtatlas Kassel (M. = 1:10.000), Hrsg.: Stadt Kassel, Vermessung und Geoinformation, 2009
- Michael Stürmer: Luxus, Leistung und die Liebe zu Gott. München 1993, S. 65 ff.
- Hans Huth: Roentgen Furniture. London 1974, S. 117.
- Museumslandschaft Hessen Kassel: König Lustik!? – Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen. München 2008, S. 330 ff.
- Museums-Check: Von der Heydt-Museum, Wuppertal. In: Fernsehserien.de. Abgerufen am 15. November 2020.