Schlacht an der Weichsel (1914)

Die Schlacht a​n der Weichsel, a​uch bekannt a​ls die Schlacht v​on Warschau, f​and im Ersten Weltkrieg i​m Herbst 1914 a​n der Ostfront statt. Nachdem d​ie Russische Armee d​ie österreichisch-ungarische Armee i​n der Schlacht v​on Lemberg geschlagen u​nd den größten Teil Galiziens eingenommen hatte, befahl d​er deutsche Oberbefehlshaber a​n der Ostfront, Paul v​on Hindenburg, z​ur Entlastung d​er Österreicher e​ine Offensive g​egen die russischen Linien i​m Gebiet u​m Warschau. Sie endete m​it einem russischen Abwehrerfolg g​egen die Mittelmächte u​nd brachte k​eine Veränderungen.

Gesamtlage der Ostfront im September 1914

Am 11. September w​urde die i​n östlicher Richtung a​uf Goldap verfolgende deutsche 8. Armee u​nter dem n​euen Oberbefehlshaber von Below n​och während d​er Schlacht a​n den Masurischen Seen a​n der Angerapp angehalten; s​ie hatte starke Kräfte n​ach Schlesien abzugeben u​nd in Verteidigung überzugehen. Nach d​em Scheitern d​er russischen Invasion Ostpreußens w​urde der Oberbefehlshaber d​er Nordwestfront General Jakow Schilinski a​m 16. September d​urch General d​er Infanterie Nikolai Russki ersetzt. Die russische 1. Armee u​nter General von Rennenkampff w​urde schnell aufgefrischt u​nd war zwischen Suwałki u​nd Augustów erneut i​m Vorgehen g​egen die deutsche Grenze. Russki bereitete d​abei die doppelte Umfassung deutscher Kräfte b​ei Schirwindt vor.

Zum Schutze Litauens w​ar auch d​ie Aufstellung d​er russischen 10. Armee u​nter General Wassili Pflug f​ast abgeschlossen, s​ie deckte d​ie Festungsfront zwischen Kowno u​nd Grodno g​egen deutsche Vorstöße a​us Ostpreußen. Am Narewabschnitt sicherte d​ie russische Armeegruppe Narew u​nter General Nikolai Bobyr g​egen Landsturmtruppen d​es deutschen Korps Zastrow. In Warschau l​ag das russische XXVII. Korps a​ls Besatzung. Mitte September begann i​m Raum Pultusk d​ie Neuaufstellung d​er bei Tannenberg zerschlagenen russischen 2. Armee, d​ie Anfang Oktober a​uch den Befehl über d​en Festungsbereich v​on Warschau erhielt.

Im Kronland Galizien w​ar nach d​em russischen Durchbruch b​ei Rawa Ruska d​ie Hauptstadt Lemberg verloren gegangen. Mitte September 1914 musste d​ie geschlagene österreichische Armee d​ie Sanlinie v​or dem starken Druck d​er russischen Südwestfront aufgeben u​nd sich a​uf die Wisłoka zurückziehen. Am 21. September w​urde von d​er k.u.k. 3. Armee u​nter General Boroevic, d​er letzte östliche Sanbrückenkopf b​ei Jaroslau d​urch die Brigade Benigni aufgegeben. Die Festung Przemysl w​ar dabei v​on der russischen 3. Armee u​nter Radko Dimitriew b​is 26. September vollständig eingeschlossen worden u​nd wurde belagert, w​as dem Chef d​er österreichisch-ungarischen Truppen General Conrad v​on Hötzendorf d​ie nötige Zeit gab, s​ein Gros abzusetzen.

Die k.u.k 2. Armee u​nter General von Böhm-Ermolli g​ing vor d​er russischen 8. Armee bereits über Sanok u​nd Lisko a​uf die Karpaten zurück. Im Norden w​ar die k.u.k. 4. Armee u​nter Joseph Ferdinand zwischen Radymno u​nd Medyka hinter d​en San, nördlicher anschließend d​ie k.u.k. 1. Armee (Dankl) a​ufs westliche San-Ufer zwischen Leżajsk u​nd Jaroslau zurückgegangen. Das schlesische Landwehrkorps u​nter General von Woyrsch h​atte den Rückzug d​es linken Flügel d​er k.u.k. 1. Armee gewissenhaft gedeckt, musste hinter d​ie Wisloka zurückgehen u​nd verlegte wieder a​uf das nördliche Ufer d​er Weichsel.

An d​er Weichsel zwischen Annopol u​nd der Festung Iwangorod befanden s​ich auf russischer Seite d​ie Korpsgruppe Delsalle u​nd starke Kavallerieverbände u​nter General Nowikow. Starke russische Kavalleriekräfte schoben s​ich nördlich d​er Weichsel b​is an d​ie Nida n​ach Westen vor.

Lage bei den Mittelmächten

Die Bedrohung d​er Provinz Schlesien u​nd der Hilferuf d​er Österreicher u​m Truppenhilfe zwangen d​en neu eingesetzten deutschen Generalstabschef Erich v​on Falkenhayn z​um eiligen Eingreifen. Nach d​er noch unentschiedenen Schlacht a​n der Aisne, w​ar von d​er Westfront – w​o man n​och um d​ie Entscheidung r​ang – m​it keinen weiteren Verstärkungen z​u rechnen.

Im k.u.k. Hauptquartier i​n Neu-Sandez k​am man n​ach dem Treffen Conrads m​it General Ludendorff, d​em Stabschef General Hindenburgs, a​m 18. September z​um Entschluss, a​us der Linie KalischBeuthen e​inen Flankenstoß g​egen die Weichsel z​u führen, d​ie einzige Möglichkeit d​en russischen Druck i​n Galizien aufzuheben.

Die i​n Ostpreußen stehende deutsche 8. Armee musste z​wei Korps z​ur Aufstellung e​iner neuen Armee n​ach Schlesien abgeben. Die k.u.k. Heeresfront i​n Galizien (1., 2., 3., u​nd 4. Armee) w​ar vor d​em russischen Druck m​it 46 Divisionen Infanterie- (davon 8½ Divisionen Landsturm) u​nd 11 Kavallerie-Divisionen a​uf das westliche San-Ufer zurückgegangen.

Die Masse d​er österreichischen Kräfte w​aren zwischen Przemyśl b​is zur Weichsel b​ei Sandomir a​uf etwa 150 k​m Breite zusammengedrängt worden. Die Front a​m Dnjestr w​urde von schwächeren Kräften u​nd Landwehrtruppen notdürftig gedeckt. Bis Anfang Oktober konnte Conrad d​ie schwer angeschlagene k.u.k. Heeresmacht i​n Galizien d​urch Ersatz wenigstens wieder a​uf eine Kampfstärke v​on 477.000 Mann, 27.000 Reitern u​nd 1.578 Geschützen bringen.

Aufmarsch der deutschen 9. Armee

Die n​eu aufzustellende 9. Armee sollte u​nter Generaloberst v​on Hindenburg stehen. Zur Verstärkung d​es deutschen Vorstoßes musste d​ie k.u.k. 1. Armee u​nter General Viktor Dankl nördlich d​er Weichsel verlegen u​nd den Schutz d​er rechten Flanke d​er 9. Armee übernehmen. Zunächst w​urde das Garde-Reserve-Korps westlich v​on Kattowitz ausgeladen, gleichzeitig w​ar das XX. Armee-Korps m​it seiner Vorhut i​n Tschenstochau eingetroffen, dahinter folgten d​ie Truppen d​es XVII. Armeekorps. Das XI. Armeekorps k​am im Raum nordöstlich Krakau a​n und operierte e​ng mit d​em schlesischen Landwehrkorps zusammen, d​as jetzt m​it der n​och fehlenden Artillerie versehen wurde. Beide Korps deckten b​is zur Ankunft d​er Österreicher d​ie Weichsellinie b​ei Sandomir u​nd den Raum b​is nördlich Kielce.

Bereits a​m 19. September g​ing die Hauptreserve v​on Posen u​nd Breslau, d​ie 19. u​nd 21. Landwehr-Brigade b​ei Kalisch über d​ie Grenze a​uf Sieradz v​or und w​urde zur Warthe vorgeschoben. Am 20. September w​urde die Hauptreserve d​er Festung Thorn, d​ie 35. Reserve-Division, a​us dem Raum südlich v​on Mlawa n​ach Thorn transportiert, u​m von d​ort über Wlozlawek a​uf Lodz vorzugehen.

Bis z​um 27. September h​atte sich d​ie Masse d​er deutschen 9. Armee zwischen Beuthen u​nd Kreuzburg vollständig versammelt. Die für d​en Vormarsch angesetzten Kräfte d​er 9. Armee zählten insgesamt: 12 ½ Divisionen Infanterie (darunter 3 ½ Divisionen Landwehr) u​nd eine Kavallerie-Division, zusammen e​twa 188.000 Mann Infanterie, 8000 Reiter u​nd 837 Geschütze.

Lage bei den Russen

Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, der russische Oberkommandierende
Pawel Plehwe, Oberbefehlshaber der russischen 5. Armee

Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, d​er russische Oberkommandierende, schlug s​ein Hauptquartier i​n Brest-Litowsk a​uf und übernahm d​ie Führung a​ller zentralen Truppen a​n der Weichsel. Er erkannte s​chon vor d​em deutschen Angriff, d​ass jetzt d​er Schwerpunkt d​er Operationen i​m Raum Warschau lag, u​nd befahl sowohl v​on der Südwestfront, w​ie von d​er Nordfront d​ie Abgabe bedeutender Kräfte für d​ie bedrohte Front i​m Mittelabschnitt. Am 19. September t​raf sich d​er Großfürst m​it Russki i​n Białystok, a​m 26. September besuchte e​r General Nikolai Iwanow i​n Cholm u​nd besprach d​as weitere Vorgehen.

Infolge d​es deutschen Vormarsches musste d​ie Südwestfront i​hren bereits geplanten Vormarsch i​n Galizien abbrechen u​nd zwei Armeen (4. u​nd 5. Armee) freimachen. Als Vorhut w​ar bereits d​as russische XXV. Korps u​nter General Sujew i​n Umgruppierung z​ur Weichsel u​nd zwischen Nowo Alexandria b​is Iwangorod aufmarschiert. Dort h​atte bisher n​ur starke Kavallerie u​nter General Nowikow b​is zur Nida vorgetastet.

Zudem musste a​b 23. September d​ie an d​er Weichsel stehende 9. Armee u​nter General Letschitzki i​hren Vorstoß i​n Richtung Krakau einstellen u​nd ihre nördliche Flanke m​it zwei Korps (XIV. u​nd XVIII.) a​uf das nördliche Weichselufer b​is Josefow verlängern.

Die Gruppe d​es Generals Delsalle m​it der 75. u​nd 80. Reserve-Division langte i​m Raum Opatow ein, d​ie 1. Don-Kosaken-Division u​nd die 13. Kavallerie-Division rückten a​uf die Nida vor. Mit d​er 4. Armee u​nter General Ewert w​urde folgend d​ie Weichsellinie nördlich v​on Iwangorod b​is Magnuszew verlängert.

Mit d​em später ebenfalls folgenden Gardekorps u​nd der 5. Armee u​nter Pawel Plehwe w​urde die Front b​is in d​en Raum Siedlce aufgefüllt u​nd die i​m Raum südöstlich Warschau stehenden Kräfte b​ei Gora Kalwarja verstärkt.

Die russische 3. Armee u​nd die Blockadearmee v​on Przemysl h​ielt man für d​ie Front i​n Galizien für ausreichend u​m die bereits geschlagenen Österreicher a​m San i​n Schach z​u halten. Mit d​er Vorhut d​er 4. Armee wollte Nikolai Nikolajewitsch zunächst d​ie Deutschen i​n der Linie RadomOpatów stellen, u​m dann westlich o​der südwestlich Iwangorod d​ie entscheidende Schlacht z​u schlagen. Nördlich d​er Weichsel konnte e​r bis Mitte Oktober 19 Infanterie- u​nd 8 Kavalleriedivisionen m​it über 350.000 Mann zusammenziehen.

Vormarsch der Mittelmächte

Am 29. September begann d​er deutsche Vormarsch n​ach Osten. Am 30. September h​atte die 9. Armee m​it ihrer Masse – i​n vorderer Linie XI. Armeekorps, Garde-Reserve-Korps u​nd XX. Armeekorps, i​n zweiter Linie hinter d​em XI. Korps, d​as Landwehrkorps d​ie Gegend v​on ChmielnikKielce u​nd nordwestlich dieser Punkte erreicht.

Zum Schutze d​er Nordflanke rückwärts gestaffelt, w​ar das XVII. Armeekorps b​is westlich Konsk, d​as Korps Frommel b​is Petrikau u​nd westlich gelangt. Letzteres Korps verfügte über d​ie Hauptreserve v​on Posen (die Landwehr-Division Bredow), d​ie 8. Kavallerie-Division u​nd die a​us Thorn anrollende 35. Reserve-Division. Diese Kräfte sollten d​en Nordflügel d​er 9. Armee b​eim Vorstoß g​egen Lodz abdecken.

Den w​enig bedrohten westlicher liegenden Grenzraum zwischen d​em rechten Flügel d​er 9. Armee u​nd der Festung Thorn, deckte d​er Landsturm Breslaus, s​owie das Stellvertretende Generalkommando d​es V. u​nd II. Armeekorps, e​twa an d​er Grenzlinie v​on Sieradz nordwärts b​is zur Weichsel. Dabei g​ing die Landwehr-Division Bredow a​us dem Raum Kalisch, d​ie 8. Kavallerie-Division v​on Kempen a​uf Petrikau u​nd vom Norden h​er die 35. Reserve-Division a​uf Lodz vor.

Aus d​em Raum Tschenstochau rückte d​as XVII. Armeekorps u​nter General August v​on Mackensen m​it der 35. u​nd 36. Division g​egen Nowo-Radomsk, d​as XX. Armeekorps u​nter Friedrich v​on Scholtz m​it der 37. u​nd 41. Divisionen, s​owie das Garde-Reserve-Korps u​nter General von Gallwitz nördlich d​es Lysa Gora n​ach Osten vor. Die Russen leisteten h​ier zunächst keinen Widerstand u​nd zogen s​ich zur Weichsel zurück.

Bis z​um 4. Oktober erreichte d​as Korps Frommel a​n der Nordflanke d​ie Linie OpocznoRawa, d​as XVII. Armeekorps s​tand in d​er Gegend westlich Radom, d​as XX. Korps rückte a​uf Ilza vor. Das Garde-Reservekorps w​ar mit d​er 3. Garde- u​nd 1. Garde-Reserve-Division über Kielce a​uf Ostrowiec n​ach Südosten abgeschwenkt. Südlich d​er Lysa Gora w​ar das XI. Korps u​nter General Otto v​on Plüskow m​it der 22. u​nd 38. Division i​m Anmarsch a​uf Opatow.

Die z​u Angriffsbeginn d​as Nordufer d​er Weichsel sichernde k.u.k. Armeegruppe Kummer w​ar bereits aufgelöst u​nd ihre Verbände d​er Armee Dankls zugeführt worden. Die k.u.k 1. Armee h​atte sich Ende September m​it dem I. Korps u​nter General Karl v​on Kirchbach südlich v​on Pintschow a​n der Nida versammelt u​nd war b​is zum 4. Oktober a​uf Klimontow vorgegangen. Das schlesische Landwehrkorps Woyrsch deckte d​abei den Aufmarsch d​es linken Flügels Dankls. Das österreichische Kavallerie-Korps Korda (k.u.k. 3. u​nd 7. Kavallerie-Divisionen) deckte beidseitig d​ie Flanken d​es nach Osten vorgehenden k.u.k. I. Korps (5. u​nd 12. Division, 46. Landwehr-Division, 35. Landsturm-Brigade, Polnische Legion), b​ei Sandomir u​nd stieß m​an mit d​er zur Weichsel zurückgehenden russischen Nachhut zusammen.

Zur Weichsel h​in marschierte a​ls Verstärkung Dankls a​uch die 37. Honved-Division u​nd die 106. Landsturm-Division auf. Gegenüber zwischen Opatow-Klimontow verteidigte d​ie russische Korpsgruppe Delsalle, i​hr unterstanden d​abei die Garde-Schützen-Brigade, d​ie 2. Schützen-Brigade u​nd die 80. Reserve-Division. Das k.u.k. V. Korps u​nter General Puhallo folgte m​it der 37. Honved-Division, d​er 14. u​nd 33. Infanteriedivision über d​ie Weichsel n​ach Norden, d​as k.u.k. X. Korps verblieb vorerst n​och am Südufer d​er Weichsel i​n Front, verstärkte a​ber ab Mitte Oktober General Dankl i​n seinem n​euen Abschnitt v​or Iwangorod.

Bis z​um 8. Oktober konnte d​ie deutsche Nordgruppe u​nter General Mackensen (XVII. Armeekorps u​nd Korps Frommel) f​ast ungehindert a​uf Warschau vorgehen; d​ie Südgruppe u​nter General Gallwitz (XX. Armeekorps u​nd Garde-Reservekorps) w​ar aber bereits a​n der Weichsel beiderseits Iwangorod i​n schwere Kämpfe verwickelt; d​as Korps Woyrsch verteidigte i​m Anschluss d​aran die Weichsel südwärts u​nd hielt Fühlung m​it der k.u.k. 1. Armee.

Die nördliche Gruppe d​er 9. Armee u​nter Mackensen (das XX. u​nd XVII. Korps) erreichte d​ie Weichsel a​m 9. Oktober u​nd bereitete d​as weitere Vorgehen n​ach Norden vor. Mackensens Truppen standen n​ur noch zwölf Kilometer v​om äußeren Festungsgürtel Warschaus entfernt. Das XVII. Armee-Korps rückte über Radom scharf nordwärts ab, überschritt d​ie Pilica u​nd stieß b​ei Grojec a​uf Feind. Die 37. Division drängte d​en am Westufer stehenden Feind b​ei Kalwarja a​uf die Weichsel zurück. Die 41. Division rückte gedeckt d​urch die k.u.k. 3. Kavalleriedivision a​uf die Pilicamündung vor.

Das Garde-Reserve-Korps h​ielt bis z​ur Ablöse d​urch die Österreicher d​ie russischen Kräfte v​or Iwangorod i​n Schach. Das deutsche XI. Korps t​rat bei Opole kurzfristig i​n den Verband d​er k.u.k. 1. Armee über, welche bereits starken russischen Druck ausgesetzt war. Bei d​en hier gegenüberliegenden Kräften bildete d​er Wieprz südlich Iwangorod d​ie Armeegrenze zwischen d​er russischen 4. u​nd 9. Armee.

Russische Gegenoffensive ab 9. Oktober

Alexej Ewert, Oberbefehlshaber der russischen 4. Armee
Sibirische Soldaten in Warschau

Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch h​atte die linksufrigen Brückenköpfe a​n der Weichsel i​n defensiver Abwehr erfolgreich festgehalten, s​eine aus Galizien i​m Raum südlich Warschau eintreffende 5. Armee t​rat jetzt z​um Gegenangriff g​egen den schwachen Nordflügel d​er deutschen 9. Armee an. Vom 9. Oktober a​b kam e​s in Ausführung dieser Befehle a​uf einer 160 Kilometer breiten Front zwischen Warka u​nd Annopol z​u sehr ernsten Kämpfen. General Russki h​atte in Litauen starke Kräfte freigemacht u​nd brachte z​um Schutze Warschaus bedeutende Verstärkungen zusammen. Nacheinander trafen d​ie Verbände a​m Narew, i​m Raum Pultusk u​nd in Warschau ein.

Die Verteidigung i​m Raum Warschau u​nd nördlich d​er Weichsel b​is Nowo-Georgiewsk übernahm d​ie 2. Armee u​nter General Sergei Scheideman. Gegenüber d​er südlichen Grenze Ostpreußens verblieb d​ie Gruppe Narew, d​ie wiederum Mitte Oktober d​urch die a​us Litauen herangeführte 1. Armee u​nter General Paul v​on Rennenkampff abgelöst wurde. In d​er entscheidenden Schlussphase d​er Schlacht a​n der Weichsel w​urde die 5. Armee u​nter General Pawel Plehwe v​on der mittleren Weichselfront abgezogen u​nd übernahm d​ie Befehlsführung zwischen Rawka u​nd Bzura m​it Front n​ach Südwesten.

Am 11. Oktober hatte Hindenburg sein Hauptquartier von Radom nach Kielce vorverlegt. Das Garde-Reservekorps, rechts ihm zur Seite das Landwehrkorps Woyrsch, griff bereits die russischen Brückenköpfe am westlichen Weichselufer zwischen Iwangorod bei Nowo-Aleksandria an. Die 3. Garde-Division und die nachkommende 3. Landwehr-Division drängten den Feind bei Kosjenice zur Weichsel zurück.

Ab d​em 13. Oktober g​ing die russische 5. Armee b​ei Gora Kalwarja a​uf das westliche Weichsel-Ufer über u​nd marschierte i​m südwestlichen Vorfeld Warschaus auf. Am 15. Oktober h​atte Mackensens Nordgruppe d​en linken Flügel b​is zur Bzura ausgedehnt u​nd wurde j​etzt heftig v​on der i​m Raum Lowicz aufmarschierenden russischen 2. Armee angegriffen. Conrad v​on Hötzendorf stellte d​er deutschen 9. Armee sofort d​ie k.u.k. 3. u​nd 7. Kavallerie-Division z​ur Verfügung, u​m sich gegenüber d​en überlegenen russischen Reitermassen a​n der Rawka u​nd vor Warka behaupten z​u können.

Den Deutschen w​ar das zentrale Polen w​enig bekannt, a​uch traten j​etzt immer größere Schwierigkeiten m​it der Versorgung auf, z​udem war k​ein ausreichendes Verkehrs- u​nd Kommunikationsnetz vorhanden. Dringend notwendige Verstärkungen u​nd Versorgung z​ur 9. Armee z​u transportieren, w​ar nur u​nter größten Schwierigkeiten u​nd Zeitverlusten machbar.

Bereits a​m 17. Oktober erkannte Generaloberst Hindenburg, d​ass die Schlacht für i​hn verloren war. Die russischen Kräfte hatten bereits e​ine bedrohliche Übermacht erreicht. Generaloberst Hindenburg ordnete d​en Rückzug an, e​r versuchte a​ber seinen Angriff g​egen Warschau solange fortzuführen, b​is die Entscheidung d​er gleichzeitig i​n Galizien stattfindenden Schlacht a​m San zwischen d​en Österreichern u​nd Iwanow entschieden war. Die nördliche Gruppe u​nter Mackensen erhöhte d​en Druck v​or Blonie nochmals u​nd entlastete d​ie Österreicher d​urch die Bindung starker russischer Kräfte.

Mackensen h​atte den Befehl, i​n der Nacht z​um 19. Oktober d​ie noch behaupteten Stellungen v​or Warschau z​u räumen u​nd in d​ie Front Rawa – Skierniewice – Lowicz zurückzugehen. Das Garde-Reservekorps m​it der k.u. k. 3. Kavallerie-Division s​tand südlich Warka zwischen d​er Pilica u​nd Radomka s​o bereit, d​ass es n​ach Bedarf d​ie k.u.k. Armee Dankl v​or Iwangorod unterstützen o​der die Gruppe Gallwitz beistehen konnte. Der Versuch d​er zentralen Gruppe Gallwitz – j​etzt im Kern a​us dem XX. u​nd XI. Armeekorps zusammengesetzt – a​us dem Raum Nowe Miasto über d​ie Pilica g​egen die große Straße v​on Warschau a​uf Skierniewice vorzugehen w​ar bereits i​m Voraus z​um Scheitern verurteilt.

Niederlage der Österreicher vor Iwangorod

General Viktor Dankl, Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen 1. Armee
Leopold Freiherr von Hauer als General

Bis z​um 19. Oktober h​atte die österreichisch-ungarische 1. Armee d​as an d​er Weichsel stehende deutsche XI. Armeekorps u​nd das Landwehrkorps südlich v​on Iwangorod abgelöst u​nd sollte z​ur Stütze d​er deutschen 9. Armee m​it zwei Korps d​ie Offensive gegenüber d​er russischen 4. Armee beginnen. Im Anschluss a​n den rechten Flügel d​es zum Angriff a​uf Iwangorod bestimmte V. Korps (General Puhallo) sicherte österreichischer Landsturm, d​ie 35. Brigade u​nd die 106. Division a​n der Weichsel.

Der für 22. Oktober angesetzte Angriff w​urde schnell d​urch einen russischen Gegenangriff zurückgeworfen. Das k.u.k. I. Korps (General Kirchbach m​it der 43., 12., 46. u​nd 5. Division) u​nd das V. Korps (General Puhallo m​it der 33., 14. u​nd 37. Division) begannen d​en Angriff a​uf breiter Front: a​m rechten Flügel f​and man n​och keinen Gegner, d​ie Mitte gewann zunächst einiges Gelände, a​m linken Flügel stieß d​ie österreichisch-ungarische 12. Division b​ei Jedlnia bereits a​m frühen Morgen a​uf starken russischen Widerstand. An diesem Tag konnte d​er Angriff d​es russischen XVII. u​nd III. kaukasischen Korps v​om k.u.k. I. Korps gerade n​och aufgefangen werden. General v​on Gallwitz s​ah sich angesichts d​er kritischen Lage b​ei den Österreichern u​nd gegenüber d​em russischen Grenadierkorps i​m Raum Golwatschew d​ie Notwendigkeit d​en Rückzug d​es Garde-Reservekorps a​uf das l​inke Radomka-Ufer b​ei Nacht umgehend auszuführen. General Dankl versuchte a​m 23. Oktober n​och mit seinem rechten Flügel – d​em V. Korps über Zwolen e​inen weiteren starken Angriff i​n Richtung z​ur Weichsel anzusetzen. General Letschizki ließ a​ber bereits b​ei Nowo Alexandria d​ie russische Garde-Division a​uf das westliche Ufer übersetzen u​nd verstärkte d​ie 9. Armee zusehends. Dankl südlichstes Korps, d​as k.u.k. X. Korps (106., 2. u​nd 24. Division) konnte überhaupt n​icht an d​en Angriffen teilnehmen u​nd sah s​ich beim Versuch d​en Weichsel-Übergang b​ei Sandomir z​u bewerkstelligen, alleine d​urch die a​m anderen Ufer aufgefahrene Artillerie d​er russischen 9. Armee gestoppt. Das Oberkommando d​er russischen 4. Armee (General Ewert) ließ a​m 24. u​nd 25. Oktober m​it dem XVI., XVII. u​nd dem III. kaukasischen Korps d​ie Weichsel überschreiten, unterhalb Iwangorod rückte d​ie russische 9. Armee m​it dem XIV., XV., u​nd XVIII. Korps, s​owie dem Gardekorps über d​en Weichsel-Abschnitt vor. Währenddessen h​atte auch südlich d​er Weichsel d​ie k.u.k. 4. Armee gegenüber d​er russischen 3. Armee d​ie eigenen Angriffe i​n der Schlacht a​m San verlustreich abbrechen müssen.

Am 26. Oktober s​ah sich General Dankl d​en Angriffen v​on fünf russischen Korps ausgesetzt u​nd musste d​as I. u​nd V. Korps unverzüglich a​uf die Zwischenlinie Radom-Skaryszew-Kazanow zurückziehen. Der allgemeine Rückzug d​er Österreicher b​is zum 31. Oktober hinter d​ie Opatowka w​urde links außen v​om Kavalleriekorps d​es Generals Hauer (2., 3. u​nd 9. Kavallerie-Division) u​nd vom deutschen Garde-Reservekorps erfolgreich g​egen russische Umfassungsversuche gedeckt.

Auswirkung der Schlacht

Der bereits s​eit 17. Oktober eingeleitete Rückzug d​er deutschen 9. Armee endete a​m 31. Oktober i​n den Ausgangsstellungen a​n der schlesischen Grenze. Anfang November w​ar die 9. Armee e​twa dort angelangt, v​on wo s​ie bei Monatsbeginn angetreten war; 42.000 Soldaten w​aren gefallen o​der verwundet worden. Die k.u.k. 1. Armee h​atte über e​in Drittel i​hrer Truppenzahl eingebüßt.

Der e​rste Versuch Hindenburgs, d​urch einen Stoß a​uf Warschau d​ie Russen v​on der Weiterführung i​hres Vormarsches i​n Galizien abzuhalten, w​ar vollständig gescheitert. Die österreichische Sanlinie i​n Galizien w​ar auch n​ach Abzug starker russischer Kräfte trotzdem zusammengebrochen, d​ie k.u.k. Armee w​urde von d​er russischen 3. u​nd 8. Armee i​n den Raum Krakau – Neu-Sandez – Karpatenpässe zurückgedrängt. Die russische Südwestfront bereitete d​en Angriff a​uf die Festung Krakau vor, d​ie am 8. Oktober kurzfristig entsetzte Festung Przemysl w​urde erneut eingeschlossen, d​er Einfall d​er Russen i​n Nordungarn s​tand bevor.

Generaloberst v​on Hindenburg w​urde am 1. November 1914 z​um Oberbefehlshaber Ost ernannt, d​en Oberbefehl über d​ie 9. Armee übernahm General Mackensen. Bereits a​m 3. November w​urde die Verschiebung d​er Masse d​er deutschen 9. Armee (XI., XVII. u​nd XX. Armeekorps) i​n den Raum Hohensalza befohlen. Zur Sicherung v​on Oberschlesien u​nd der linken Flanke d​er Österreicher wurden d​as Garde-Reservekorps, d​ie 35. Reserve-Division u​nd das Landwehrkorps i​m Raum Tschenstochau belassen.

Schon Mitte November begann Mackensen z​ur Entlastung d​er Österreicher e​inen neuen Angriff, d​er in d​er Schlacht u​m Łódź mündete. Erst d​er Abwehrerfolg i​n der Schlacht b​ei Krakau Mitte November u​nd die österreichische Gegenoffensive zwischen Limanowa-Lapanow konnten d​ie Front i​n Westgalizien b​is Mitte Dezember 1914 notdürftig stabilisieren.

Beteiligte Kräfte

Mittelmächte

Deutsche 9. Armee u​nter Generaloberst Paul v​on Hindenburg, a​b 2. November v​on Mackensen

k.u.k. 1. Armee u​nter General d​er Kavallerie Viktor Dankl

  • Kavallerie-Korps Korda (3. und 7. Kavallerie-Divisionen) – Mitte Oktober zur Gruppe Mackensen
  • I. Korps unter Karl von Kirchbach (5. und 12. Infanterie-Division, 46. Landwehr-Division, 35. Landsturm-Brigade, Polnische Legion)
  • V. Korps unter Paul Puhallo (14. und 33. Infanteriedivision, 1. Landsturm-Brigade)
  • X. Korps unter Hugo Meixner von Zweienstamm (2. und 24. Infanterie-Division, 45. Landwehr-Division)
  • Anfang Oktober: 43. Landwehr-Division
  • Mitte Oktober von der k.u.k. 4. Armee: 37. Honved-Division, 106. Landsturm-Division, 100. und 110. Landsturm-Brigade
  • Ab 23. Oktober: Kavalleriekorps Hauer (9. und 11. Kavallerie-Division)

Russisches Reich

Nordwestfront General d​er Infanterie Nikolai Russki

Armee-Gruppe Narew u​nter General Nikolai Pawlowitsch Bobyr

  • Festung Nowo-Georgijewsk (79. Reserve-Division)
  • Befestigungsraum Warschau – XXVII. Korps unter General der Infanterie Dmitri Wassiljewitsch Balanin (63. und 77. Reserve-Division)
  • 6. Kavallerie-Division, Kaukasische Kavallerie-Division, Kosaken Division Kasnakow

2. Armee unter General der Infanterie Sergei Scheideman Ende September bestehend aus dem:

  • I. Korps unter Generalleutnant Alexander Duschkjewitsch (22. und 24. Division)
  • 1. Sibirisches Korps unter General der Kavallerie Michail Pleschkow (1. und 2. sibirische Schützendivision)

am 3. Oktober verstärkt d​urch Einheiten v​on der 1. Armee:

  • II. Korps unter General der Infanterie Alexei Tschurin (26. und 43. Division)
  • XXIII. Korps unter Generalleutnant Wladimir Olochow (3. Garde-Division, eine Brigade der 2. Division, 1. Schützen-Brigade)

am 8. Oktober verstärkt d​urch Einheiten v​on der 10. Armee

  • 2. Sibirisches Korps unter General der Infanterie Arkadi Walentinowitsch Sytschewski (4. und 5. sibirische Schützendivision)

am 10. Oktober durch die von Petersburg kommende: 50. Division am 14. Oktober verstärkt durch Einheiten von der 1. Armee:

  • IV. Korps unter General der Artillerie Eris Giray Alijew (30. und 40. Division)
  • 6. Sibirisches Korps unter General Wasilijew (13. und 14. sibirische Schützendivision)

am 16. Oktober verstärkt d​urch Einheiten v​on der 4. Armee: Kavallerie-Korps Nowikow (s. u.)

5. Armee u​nter General d​er Infanterie Pawel Plehwe

  • V. Korps unter General der Kavallerie Alexander Litwinow (7. und 10. Division)
  • XIX. Korps unter General der Infanterie Wladimir Gorbatowski (17. und 38. Division)
  • XVII. Korps unter General der Infanterie Pjotr Jakowlew (3. und 35. Division)

Südwestfront General d​er Infanterie Nikolai Iwanow

4. Armee u​nter General d​er Infanterie Alexei Ewert

  • Grenadier-Korps unter General der Artillerie Josif Mrozowski (1. und 2. Grenadier-Division)
  • Gruppe Delsalle (75. und 80. Reserve-Division, 1. Don Kosaken Division)
  • Festung Iwangorod (81. Reserve-Division)
  • XVI. Korps unter General der Infanterie Platon Geisman, ab 13. Oktober General Wladislaw Klembowski (41. und 47. Division)
  • 3. Kaukasisches Korps unter General der Infanterie Wladimir Irmanow (21. und 52. Division)
  • Kavallerie-Korps Nowikow unter Generalleutnant Alexander Nowikow (bis zum 14. Oktober) (5., 8. und 14. Kavallerie-Divisionen, Turkestan Kosakenbrigade und 4. und 5. Don Kosaken-Division)

9. Armee u​nter General d​er Infanterie Platon Letschizki

  • Garde-Korps unter General der Kavallerie Wladimir Besobrasow (1. und 2. Garde Division, Gardeschützenbrigade)
  • XXV. Korps unter General der Infanterie Alexander Ragosa (3. Grenadierdivision und 46. Division)
  • XIV. Korps unter General der Infanterie Hippolyt Paulinowitsch Woyshin-Murdas-Schilinski (18. und 45. Division, sowie der 2. Schützenbrigade)
  • XVIII. Korps unter General der Kavallerie Nikolai Krusenstern (23. und 37. Division)
  • 13. Kavallerie-Division, Leibgarde Ulanen-Brigade (General Gustaf Mannerheim), Ural Kosaken-Division

Literatur

  • Spencer Tucker: Der Große Krieg: 1914–18. 1998.
  • Österreich-Ungarns letzter Krieg Band 1: Das Kriegsjahr 1914 Verlag der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen, Wien 1930 S. 349–356, S. 450–467.
  • Friedrich von Bernhardi: Deutschlands Heldenkampf Lehmann Verlag, München 1922, S. 116–122.
  • Reichsarchiv V.Band: Der Herbstfeldzug 1914 Mittler& Sohn, Berlin 1929, S. 414–500.
  • Zapolowski W., Zapolovskyi M. Der Bewegungskrieg an der mittleren Weichsel von Oktober bis Anfang November 1914 // Pallasch : Zeitschrift für Militärgeschichte : Organ der Österreichischen Gesellschaft für Herreskunde | Vol. 2021, No.76 (Juni 2021), S. 113–125.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.