Eddy Merckx
Eddy Merckx (* 17. Juni 1945 in Meensel-Kiezegem, Belgien; eigentlich Édouard Louis Joseph Baron Merckx) ist ein ehemaliger belgischer Radrennfahrer. Er gewann je fünf Mal die beiden wichtigsten Rundfahrten, die Tour de France und den Giro d’Italia. Von einem Großteil der Radsportexperten wird er heute als der größte Rennfahrer der Radsportgeschichte angesehen,[1] so unter anderem von Lance Armstrong,[2] Bernard Hinault und Miguel Indurain sowie von der Cycling Hall of Fame.[3]
Merckx ist – gemessen sowohl an der Quantität wie der Qualität seiner Siege – der erfolgreichste männliche Radrennfahrer der Radsportgeschichte. Überdies erbrachte er in allen Disziplinen des Radsports überragende Leistungen: Er gewann Klassiker, Grand Tours und Sechstagerennen, er dominierte bei Bergetappen, Einzelzeitfahren und Sprints. Wegen seines Siegeshungers wurde er auch der Kannibale genannt.[3]
Die Website „Mémoire du cyclisme“ listet 525 Siege auf der Straße, 98 Siege auf der Bahn und zwei Siege bei Querfeldein-Rennen.[4]
Von 1969 bis 1975 gewann er siebenmal die Saisonwertung Super Prestige Pernod.
Sportliche Karriere
Fahrerprofil und Entwicklung
Gerade erst 18 geworden und in die Amateurklasse aufgestiegen, nahm ihn Lucien Acou, Belgiens Trainer und sein späterer Schwiegervater, 1963 in die Nationalmannschaft, wo er die Schweden-Rundfahrt bestritt und beide Starts in der DDR (gegen die DDR-Spitzenfahrer Täve Schur, Klaus Ampler, Manfred Weißleder u. a.) im Rennen Rund um Sebnitz und in Dresden als Sieger beendete.
Nachdem Merckx – gerade 19-jährig – am 5. September 1964 jüngster Titelträger in der Geschichte der Amateurweltmeisterschaften geworden war, gewann er nach seinem Wechsel zu den Profis bereits im Alter von 20 Jahren 1966 zum ersten Mal den Klassiker Mailand–Sanremo. In den nächsten beiden Jahren begann sich seine spätere Dominanz im internationalen Radsport abzuzeichnen: Er gewann neben zahlreichen weiteren Klassikern erstmals bei der Straßenweltmeisterschaft (1967) der Profis und 1968 seine erste große Landesrundfahrt, den Giro d’Italia.
Dies war der Beginn der „Ära Merckx“, wie die Jahre 1968–1975 später bezeichnet werden sollten. Er verbrachte diese Ära bei den Profiteams FAEMA (1968–1970) und Molteni (1971–1975).
1969 nahm er erstmals an der Tour de France teil und dominierte das Rennen gleich in überragender Manier: Neben dem Gesamtsieg holte er sieben Etappensiege und gewann mit einem Vorsprung von 17:54 Min. Die schwerste Pyrenäenetappe über die Pässe Tourmalet und Aubisque beendete er mit 7 Minuten und 56 Sekunden Vorsprung. Außerdem gewann er als einziger Fahrer der Geschichte gleichzeitig die Bergwertung (das Gepunktete Trikot wurde allerdings erst 1975 eingeführt) und das Grüne Trikot des Siegers in der Punktewertung. Damit hatte der Belgier schon als 24-Jähriger fast alle wichtigen Radrennen gewonnen. Im folgenden Jahr holte er bei der Tour sogar acht Etappensiege bei einem Vorsprung von 12:41 Min.
Der Spitznamen „Der Kannibale“ geht auf den Mannschaftskollegen Christian Raymond bei Peugeot-BP zurück. Dieser erzählte seiner 12 Jahre alten Tochter von dem unstillbaren Siegeshunger Merckx' der dazu führte, dass er niemanden anders gewinnen lasse. Daraufhin bezeichnete ihn das Mädchen als einen Kannibalen, der Spitzname etablierte sich.[5]
Bilanz
Bis zu seinem Karriereende im Mai 1978 gewann Merckx mehr Rennen als jeder andere Fahrer und stellte zahllose Bestleistungen auf. So konnte er die Tour de France als Zweiter von derzeit vier Fahrern fünf Mal für sich entscheiden, dem fünften, Lance Armstrong, wurden 2012 von der United States Anti-Doping Agency (USADA) u. a. die Tour-de-France-Siege aberkannt.[6][7][8][9]
Merckx trug das Gelbe Trikot insgesamt 96 Tage (Rekord) und holte als Erster 34 Etappensiege (Rekord, eingestellt 2021 von Mark Cavendish). Die französische Sportzeitung L’Équipe wählte Merckx 2003 anlässlich der 100-Jahr-Feier der Tour de France zum größten Tour-Champion.
Doch im Gegensatz zu anderen Tour-Siegern siegte er auch in praktisch jedem anderen Rennen: So gewann er den Giro d’Italia ebenfalls fünf Mal (Rekord, zusammen mit Alfredo Binda und Fausto Coppi). Da er 1973 auch die Vuelta a España gewann, gehört er zu den insgesamt nur sechs Fahrern, denen es gelang, alle drei Grand Tours zu gewinnen. Die Tour de Suisse gewann er 1974.
Zudem stehen für Merckx drei Weltmeistertitel auf der Straße (Rekord, zusammen mit Alfredo Binda, Rik Van Steenbergen, Óscar Freire und Peter Sagan) zu Buche. Außergewöhnlich ist auch seine Erfolgsliste bei den größten Eintagesrennen, den fünf sogenannten Monumenten des Radsports. Jedes „Monument“ konnte er mindestens zweimal gewinnen (Rekord, nur Rik Van Looy und Roger De Vlaeminck gelang jeweils mindestens ein Sieg): Er gewann sieben Mal Mailand–Sanremo und fünf Mal Lüttich–Bastogne–Lüttich, womit er Rekordsieger dieser Rennen ist, sowie dreimal Paris–Roubaix und je zweimal die Lombardei-Rundfahrt und die Flandern-Rundfahrt. In Deutschland gewann er 1970 und 1972 den Großen Preis der Dortmunder Union-Brauerei.
Außerdem gewann er bei den im Winter in der Halle ausgetragenen Sechstagerennen insgesamt 17-mal.
1972 holte er sich in Mexiko-Stadt auch den Stundenweltrekord: Mit einem Bahnrad mit Stahlrahmen und besonders leichten Ausstattungselementen fuhr er in 60 Minuten 49,431 km weit.[10] Dieser Weltrekord wurde unter gleichen Bedingungen – Verwendung eines normalen Bahnrades mit dem traditionellen Bügellenker, der eine wesentlich ungünstigere Aerodynamik erzwingt – erst 30 Jahre später überboten.
Bei seinem ersten Start bei einer UCI-Straßen-Weltmeisterschaft wurde er 1964 Amateur-Weltmeister; bei seiner letzten Teilnahme 1977 Vorletzter (von 34).
Doping
Eddy Merckx wurde 1969 unter bis heute ungeklärten Umständen wegen Dopings vom Giro d’Italia ausgeschlossen. Er selbst betonte seine Unschuld und warf den Organisatoren bewusste Manipulation vor. Er wurde ursprünglich bis in den Beginn der Tour de France hinein gesperrt, die Sperre wurde aber später aufgehoben[11] – das ermöglichte ihm seinen ersten Tour-Sieg. Während der Tour tauchten Vorwürfe auf, dass er vom damaligen Tour-Arzt Lucien Maigre Dopingmittel verabreicht bekommen habe, was von diesem bestritten wurde. 1973 und 1977 wurde er bei den Eintagesrennen Lombardeirundfahrt und Wallonischer Pfeil positiv getestet.[12] Nach seinem Karriereende wurde bekannt, dass Merckx regelmäßig Corticosteroide verwendete,[13] die aber erst 1980 auf die UCI-Dopingliste gelangten.
Ehrungen
Merckx war dreimal Weltsportler des Jahres (1969, 1971, 1974), zweimal Europas Sportler des Jahres (1969, 1970) und wurde in Belgien zum Sportler des Jahrhunderts gewählt. Schließlich kürte ihn der Weltradsportverband UCI zum besten Radrennfahrer des 20. Jahrhunderts.
Im Jahre 1996 wurde Merckx durch den belgischen König in den Adelsstand erhoben und der Titel eines Baron zuerkannt. In Brüssel wurde 2003 eine U-Bahn-Station eröffnet, die nach Eddy Merckx benannt ist.
Im Dezember 2005 erreichte der ehemalige Radprofi im belgischen Fernsehen bei einer Wahl zum Größten Belgier aller Zeiten[14] den dritten Platz und war dabei der am höchsten eingestufte noch lebende Kandidat.
Anlässlich seines 65. Geburtstages gab die belgische Post 2010 eine Briefmarke mit dem Konterfei von Eddy Merckx heraus (Wert 1,18 Euro).[15]
2014 wurde er von der französischen Sportzeitschrift L’Équipe zum „Champion des champions de légende“ gekürt.
Privatmann und Unternehmer
Eddy Merckx betrieb ein Unternehmen unter seinem Namen, das Rennräder herstellt. Seine Firma baute er ab 1978 mit Hilfe von Ugo de Rosa auf. Inzwischen ist diese verkauft.[16] Zudem produzierte der inzwischen nicht mehr existierende englische Hersteller Falcon eine Reihe von Rädern unter der Marke Molteni Merckx.[17]
Außerdem ist Merckx bei vielen Radrennen als Organisator und Kommentator tätig.
Der Eddy Merckx Classic Radmarathon wird seit 2007 jedes Jahr im Salzburger Land, veranstaltet von der Fuschlsee Tourismus GmbH ausgetragen und Eddy Merckx war bisher (Stand 2016) bei jeder Austragung dieses Rennens mit am Start.[18] Bei der Austragung am 9. September 2018 war Merckx persönlich in Fuschl.[19]
Familie
Sein Sohn Axel Merckx war ebenfalls Profiradrennfahrer. Er gewann beispielsweise bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen die Bronzemedaille im Straßenrennen. Er beendete in der Saison 2007 als Profi für das Team T-Mobile seine aktive Radsportkarriere und wurde Sportlicher Leiter.
Erfolge (Auswahl)
- 1964: Amateurweltmeister Straße
- 1966: Mailand–Sanremo
- 1967: Weltmeister Straße; Mailand–Sanremo; Gent–Wevelgem; Flèche Wallonne
- 1968: Giro d’Italia (3 Etappen); Paris–Roubaix
- 1969: Tour de France (6 Etappen); Paris–Nizza; Mailand–Sanremo; Flandern-Rundfahrt; Lüttich–Bastogne–Lüttich
- 1970: Tour de France (8 Etappen); Giro d’Italia (3 Etappen); Gent–Wevelgem; Paris–Roubaix; Flèche Wallonne
- 1971: Tour de France (4 Etappen); Paris–Nizza; UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 1971; Mailand–Sanremo; Lüttich–Bastogne–Lüttich; Lombardei-Rundfahrt
- 1972: Tour de France (5 Etappen); Giro d’Italia (4 Etappen); Mailand–Sanremo; Flèche Wallonne; Lüttich–Bastogne–Lüttich; Lombardei-Rundfahrt
- 1973: Giro d’Italia (6 Etappen); Vuelta a España (7 Etappen); Gent–Wevelgem; Paris–Roubaix; Amstel Gold Race; Lüttich–Bastogne–Lüttich
- 1974: Tour de France (8 Etappen); Giro d’Italia (2 Etappen); Tour de Suisse; UCI-Straßen-Weltmeisterschaften 1974; Escalada a Montjuïc
- 1975: Tour de France (2 Etappen): Mailand–Sanremo; Flandern-Rundfahrt; Amstel Gold Race; Lüttich–Bastogne–Lüttich
- 1976: Mailand–Sanremo
Wichtige Platzierungen
Grand Tour | 1965 | 1966 | 1967 | 1968 | 1969 | 1970 | 1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 | 1976 | 1977 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Vuelta a EspañaVuelta | – | – | – | – | – | – | – | – | 1 | – | – | – | – |
Giro d’ItaliaGiro | – | – | 9 | 1 | DNF | 1 | – | 1 | 1 | 1 | – | 8 | – |
Tour de FranceTour | – | – | – | – | 1 | 1 | 1 | 1 | – | 1 | 2 | – | 6 |
Monument | 1965 | 1966 | 1967 | 1968 | 1969 | 1970 | 1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 | 1976 | 1977 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mailand–Sanremo | – | 1 | 1 | – | 1 | – | 1 | 1 | – | – | 1 | 1 | – |
Flandern-Rundfahrt | – | – | 3 | 9 | 1 | 3 | – | 7 | 3 | 3 | 1 | 6 | – |
Paris–Roubaix | – | 15 | 8 | 1 | 2 | 1 | 5 | 7 | 1 | 4 | 2 | – | 11 |
Lüttich–Bastogne–Lüttich | – | 8 | 2 | – | 1 | 3 | 1 | 1 | 1 | – | 1 | 6 | 6 |
Lombardei-Rundfahrt | – | 2 | 3 | 3 | 3 | – | 1 | 1 | 2 | 2 | – | – | – |
Weltmeisterschaft | 1965 | 1966 | 1967 | 1968 | 1969 | 1970 | 1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 | 1976 | 1977 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
StraßenrennenStraße | 29 | 12 | 1 | 8 | DNF | 29 | 1 | 4 | 4 | 1 | 8 | 5 | 33 |
Teams
- 1965: Solo-Supéria
- 1966–1967: Peugeot-BP
- 1968–1969: Faema
- 1970: Faemino–Faema
- 1971–1976: Molteni
- 1977: Fiat France
- 1978: C&A
Trivia
Der Unternehmer Pierre Neuville benannte sein erfolgreiches Brettspiel „Eddy Merckx“ nach ihm.[20]
Literatur
- Helmer Boelsen: Eddy Merckx, Copress-Verlag, München 1973 (ohne ISBN)
- Robert Laffont: Eddy Merckx. Coureur Cycliste, Editions Robert Laffont, Paris, 1974 (ohne ISBN)
- William Fotheringham: Merckx : half man, half bike, London : Yellow Jersey Press, 2012, ISBN 978-0-224-07448-3
- Daniel Friebe: Eddy Merckx: The Cannibal. Ebury Press, 2012, ISBN 978-0-09-194314-1
- Claudio Gregori: Merckx, il Figlio del Tuono, 66th and 2nd, Rom, Italien, 2016, ISBN 978-88-98970-46-9
- Johny Vansevenant: Het jaar van Eddy Merckx. 69. Lannoo, Tielt, 2019, ISBN 978-94-014-5747-7
Siehe auch
Weblinks
- Palmarès – Liste der Erfolge und Platzierungen bei „memoire du cyclisme“
- Offizielle Website des Fahrradherstellers Eddy Merckx
- Eddy Merckx in der Datenbank von ProCyclingStats.com
- Eddy Merckx in der Datenbank von Radsportseiten.net
- Eddy Merckx in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
- Eddy Merckx in der Datenbank der Tour de France (französisch/englisch)
- Michael Hutchinson and Cycle Sport: Hour Record: The tangled history of an iconic feat cyclingweekly.com, 15. April 2015 – mehrere Videos von Rekordfahrten, darunter der von Eddy Merckx
Einzelnachweise
- velonews.com vom 17. Juni 2005: Happy Birthday, Eddy.
- focus.de vom 5. Juli 2010: Lance Armstrong: Eddy Merckx ist der König des Radsports
- Rider Biographie, Eddy Merckx auf cyclinghalloffame.com (Memento vom 5. September 2015 im Internet Archive)
- Palmarès d'Eddy Merckx (Bel). Mémoire du cyclisme, abgerufen am 25. März 2015.
- George Vecsey: Appetite for Racing, and for Winning. In: The New York Times. 26. August 2011, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 3. Februar 2020]).
- News Release (englisch, PDF-Datei; 103 kB) In: USADA. 24. August 2012. Archiviert vom Original am 2. November 2012.
- Armstrongs Karriere liegt in Trümmern. In: radsportnews.com, 24. August 2012.
- Der größte Dopingskandal der Sportgeschichte
- Jens Hungermann: Wie Lance Armstrong zum König der Doper wurde. In: Die Welt, 11. Oktober 2012.
- Bicycle Guide magazine, März 1991: Eddy and the Hour (englisch)
- Helmer Boelsen: Eddy Merckx, Copress-Verlag, München 1973, ISBN 978-3-7679-0013-4, dort Kapitel IV: Doping und Medizinisches
- L’Équipe vom 13. März 2007
- welt.de vom 20. Juli 1998: Doping-Skandale von Charly Gaul bis Chiappucci
- Die größten Belgier aller Zeiten (Memento vom 18. Juni 2006 im Internet Archive)
- Eddy Merckx wird heute 65 In: bazonline.ch vom 17. Juni 2010.
- Vor 50 Jahren - Eddy Merckx gewinnt erstmals den Giro d‘Italia. In: Deutschlandfunk. (deutschlandfunk.de [abgerufen am 12. Juni 2018]).
- Eddy Merckx auf VeloBase.com abgerufen am 8. August 2014
- Eddy Merckx: Sportler und Ikone. (Nicht mehr online verfügbar.) In: salzburgerland.com. 14. Februar 2017, archiviert vom Original am 25. September 2017; abgerufen am 30. Mai 2017.
- Eddy Merckx Classic 2018 Bildbericht bikeboard.at, 11. September 2018, abgerufen am 6. Oktober 2018.
- “The Best is yet to come” – Das bewegte Leben des Pierre Neuville auf pokerolymp.com vom 20. Juli 2015, abgerufen am 15. Januar 2016