Dietrich Thurau

Dietrich „Didi“ Thurau (* 9. November 1954 in Frankfurt am Main, Schwanheim) ist ein ehemaliger deutscher Radrennfahrer.

Dietrich Thurau
Dietrich Thurau (2006)
Zur Person
Spitzname Didi Thurau
Geburtsdatum 9. November 1954 (67 Jahre)
Nation Deutschland Deutschland
Disziplin Straße
Karriereende 1989
Doping
1980
1987
Gent–Wevelgem
Tour de France
Internationale Team(s)
1974–1977
1978–1979
1980
1981–05/1982
05-07/1982
1983
1985
1986
1987
1987–1988
TI-Raleigh
IJsboerke
Puch-Sem
Kotter’s Racing Team
Hoonved–Bottecchia
Del Tongo-Colnago
Hitachi–Splendor–Sunair
Supermercati Brianzoli
Roland-Skala
Panasonic-Isostar
Wichtigste Erfolge
Lüttich–Bastogne–Lüttich 1979
Straßeneinzelrennen 1977 & 1979

Radsport-Karriere

Bereits als Jugend- und Junioren-Fahrer galt Thurau als eines der größten westdeutschen Talente im Radsport. Sein erster größerer Erfolg war der Sieg im Etappenrennen Dusika-Tour 1972, der bedeutendsten Etappenfahrt für Junioren in Österreich.

Nach dem Sieg bei den Bahn-Radweltmeisterschaften 1974 mit dem Bahnvierer („Kilian-Vierer“) trat er noch im Oktober desselben Jahres als knapp 20-jähriger zum Profi-Radsport über und wurde Mitglied des Radsportteams TI-Raleigh.

Als Jungprofi hatte Dietrich Thurau einige Erfolge aufzuweisen und war u. a. zweimal deutscher Straßen-Meister: Das erste Mal im Juni 1975 im Alter von 20 Jahren bei den in Diekirch ausgetragenen Drei-Nationen-Meisterschaft Deutschlands, Luxemburgs und der Schweiz.[1] Er wurde Gesamtvierter der Vuelta a España 1976, bei der er den Prolog und vier Etappen gewann.

Im Alter von 22 Jahren debütierte Thurau 1977 erfolgreich bei der Tour de France: Er gewann den Prolog der Tour de France 1977, trug in der Folge 15 Tage lang das Gelbe Trikot des Gesamtführenden[2] und überstand dabei auch die Bergetappen über die Pyrenäen. Erst in den Alpen nach dem Bergzeitfahren der 15. Etappe von Morzine nach Avoriaz musste Thurau das Führungstrikot an den späteren Sieger Bernard Thévenet abgeben. Insgesamt erzielte Thurau außer dem Prolog vier weitere Tageserfolge. Darunter waren die schwere Pyrenäenetappe, die bereits am zweiten Tag von Auch über den Col du Tourmalet nach Pau führte und das Einzelzeitfahren der 5. Etappe, bei dem es ihm gelang, auf einer Strecke von nur 30 Kilometer Rekordsieger Eddy Merckx als Etappenzweiten um ganze 50 Sekunden zu distanzieren. Thurau wurde Fünfter der Gesamtwertung und gewann die Nachwuchswertung.

Die Erfolge Thuraus auf Frankreichs Straßen verhalfen dem Radsport in Deutschland kurzfristig zu einer ungeahnten Popularität,[2] vergleichbar nur mit der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Jan Ullrichs Sieg 20 Jahre später auslösen sollte. Thurau wurde zum Sportler des Jahres 1977 gewählt,[2] der damalige Bürgermeister von Paris, Jacques Chirac, meinte über den „blonden Engel“: „Seit Konrad Adenauer hat keiner so viel für die deutsch-französische Freundschaft getan wie Dietrich Thurau.“

1977 blieb das stärkste Jahr in der Karriere Thuraus. Er wurde zudem noch in Venezuela bei der Weltmeisterschaft Zweiter hinter dem Italiener Francesco Moser. 1977 gewann er auch den Großen Preis der Dortmunder Union-Brauerei.

Anschließend wechselte Thurau 1978 für zwei Jahre zur belgischen Mannschaft IJsboerke. In den Folgejahren konnte er nie mehr an seine Leistungen anknüpfen. Er gewann je einmal die Klassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich 1979 und Meisterschaft von Zürich (1978). Bei der Tour de France 1979 gelang ihm noch einmal ein Etappensieg. Im Gesamtklassement belegte er am Ende den zehnten Platz und wurde Zweiter in der Punktewertung.

Thurau (l.) als Vize-Weltmeister bei der Straßen-WM 1979

Im selben Jahr kam Thurau auf den zweiten Platz bei der Weltmeisterschaft im niederländischen Valkenburg hinter Jan Raas. Die drei weiteren Teilnahmen Thuraus an der Tour de France in den 1980er Jahren endeten alle mit vorzeitigen Aufgaben bzw. Disqualifikationen, unter anderem 1985 aufgrund eines tätlichen Angriffs auf einen Rennkommissär.

Thurau war derjenige deutsche Fahrer, der am häufigsten beim Giro d’Italia startete.[3] Bei seinen sechs Starts beendete er viermal die Rundfahrt und gewann zwei Etappen. Seine beste Platzierung gelang ihm 1983 als Fünfter.

Die in jungen Jahren stets prognostizierte wirklich große Karriere blieb bei Thurau aus. Er musste sich immer wieder mit dem Vorwurf auseinandersetzen, sein Talent nicht ausgereizt zu haben, was vor allem damit begründet wurde, dass er sich für die lukrativen winterlichen Sechstagerennen verpflichten ließ, statt sich für die Straßensaison zu regenerieren.

Thurau beendete seine Radsport-Karriere im Jahr 1989.

Doping und Disziplinarisches

Besonders in den späteren Jahren seiner Laufbahn als Radprofi fiel Thurau immer häufiger durch Dopingverstöße auf.[4] Im Jahr 1980 wurde er bei Gent-Wevelgem positiv getestet und erhielt eine Geldstrafe von 1000 Schweizer Franken. Eine zweite positive Probe bei der Tour de Romandie wurde wegen eines Formfehlers nicht geahndet. Bei den Deutschen Meisterschaften 1980 ergab sich eine positive A-Probe (Amphetamin), jedoch war die B-Probe negativ.[5] Laut Bund Deutscher Radfahrer war bei der ersten Analyse aus unbekanntem Grund Urin untersucht worden, der nicht von Thurau stammte.[6]

Wegen eines Dopingverstoßes während der achten Etappe der Tour de France 1987, die er nach der 14. Etappe wegen Kniebeschwerden vorzeitig beendete, wurde Thurau auf den letzten Platz der achten Etappe gesetzt,[7] für einen Monat gesperrt und musste 5000 Franken Geldbuße zahlen.[2][8] Thurau beteuerte damals entschieden seine Unschuld.[9] Nach dem Ende seiner Laufbahn gestand er regelmäßigen Gebrauch von leistungssteigernden Mitteln ein.[10]

Von der Tour de France 1985 wurde Thurau ausgeschlossen, nachdem er einen Kommissär, der ihn wegen verbotenen Windschattenfahrens bei einem Zeitfahren mit einer Zeitstrafe belegt hatte, körperlich attackiert hatte.[11]

Privates

Als Manager wurde Thurau während seiner Laufbahn von seinem Vater Helmut betreut.[12]

Der frühere Radsportprofi ist geschieden und hat zwei Söhne, Björn (* 1988) und Urs, die ebenfalls Radrennfahrer waren.[2][13] Dietrich Thurau arbeitet nach seiner Radsportkarriere als professioneller Tennistrainer und als Immobilienkaufmann. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin in der Schweiz.

Grand-Tour-Platzierungen

Grand Tour197619771978197919801981198219831984198519861987
 Vuelta a EspañaVuelta436
 Giro d’ItaliaGiroDNF14DNF51852
 Tour de FranceTour510DNFDNFDSQDNF
Legende: DNF: did not finish, aufgegeben oder wegen Zeitüberschreitung aus dem Rennen genommen. DSQ: Disqualifikation.

Literatur

  • Helmer Boelsen: Dietrich Thurau. Sonnyboy und Supermann, Copress-Verlag, München, 2005, ISBN 3-7679-0128-5
Commons: Dietrich Thurau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dietrich Thurau Straßenmeister. In: Hamburger Abendblatt#. 23. Juni 1975, abgerufen am 13. Januar 2021.
  2. Torsten Hampel: Das schnelle Gelb. In: Der Tagesspiegel. 4. Juli 2003.
  3. Kurt Graunke, Walter Lemke, Wolfgang Rupprecht: Giganten von einst und heute. Edition Sedina, München 1993, ISBN 3-9803273-0-2, S. 74.
  4. Dopingfälle deutscher Radfahrer. Abgerufen am 20. September 2019.
  5. Eine Chronik der Schande. In: sueddeutsche.de. 11. Mai 2010, abgerufen am 10. August 2018.
  6. Thurau rehabilitiert - die Tour rollt weiter. In: Hamburger Abendblatt. 4. Juli 1980, abgerufen am 12. April 2021.
  7. Tour de France: Thurau war gedopt. In: Hamburger Abendblatt. 20. Juli 1987, abgerufen am 13. Januar 2021.
  8. Jeff Connor: Wide Eyed & Legless - Inside the Tour de France. 1988, ISBN 0-671-69937-7.
  9. Thurau: „Ich bin unschuldig“. In: Hamburger Abendblatt. 21. Juli 1987, abgerufen am 13. Januar 2021.
  10. Didi Thurau: "Wir haben doch früher alle gedopt". In: welt.de. 23. Mai 2007, abgerufen am 10. August 2018.
  11. Tour-Ausschlüsse: Thurau-Ausraster und Flaschenwurf. In: sueddeutsche.de. 5. Juli 2017, abgerufen am 25. August 2020.
  12. Didi Thurau stieg in Bordeaux vom Rennrad. In: Hamburger Abendblatt. 8. Juli 1980, abgerufen am 12. April 2021.
  13. Hannes Schmitz: „Fette-Reifen-Rennen“: 43 Jahre nach Didi Thuraus Sieg gewinnt der Sohn. In: aachener-zeitung.de. 2. Juli 2018, abgerufen am 2. Juli 2018.
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