NSU 2.0
Mit der Unterschrift „NSU 2.0“ versandten deutsche Rechtsextremisten vom August 2018 bis Juni 2021 insgesamt rund 140 Morddrohungen per Fax, E-Mail, SMS oder mit Kontaktformularen an bestimmte Empfänger. Die Unterschrift spielte auf die rechtsterroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) an, die von 2000 bis 2007 mindestens zehn Menschen ermordete, neun davon aus rassistischen Motiven.
Die Absender bedrohten mindestens 32 verschiedene Adressaten und 60 Institutionen in Deutschland und Österreich. Betroffen waren die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız sowie weitere Opferanwälte im NSU-Prozess und öffentlich gegen Rassismus, Antisemitismus, für Flüchtlinge und Migranten engagierte Menschen in Politik, Kunst, Medien und Justiz, die meisten davon Frauen. Die Schreiben bezogen sich öfter auf rechte Terroranschläge der letzten Jahre und enthielten persönliche Empfängerdaten. Einige davon waren öffentlich unbekannt und bei Behörden gesperrt.
In drei Fällen hatten Beamte der Polizei Hessen vorher Empfängerdaten abgefragt, dreimal auch bei der Polizei Berlin und zweimal der Polizei Hamburg. Die Ermittler fanden mindestens 70 Verdachtsfälle rechtsradikaler Polizisten in Hessen und weitere in anderen Bundesländern. Tausende illegale, bis dahin kaum kontrollierte und sanktionierte Datenabfragen bei deutschen Polizeibehörden wurden bekannt. Die Drohungen gingen auch nach der Suspendierung verdächtiger Beamter weiter. Hier werden rechtsradikale Polizisten als Urheber oder Beihelfer vermutet.
Von Oktober 2018 bis April 2019 versandte der Rechtsextremist André M. 107 Drohmails und 87 Bombendrohungen an deutsche Justiz- und Verwaltungsbehörden, Medien, Politiker und die Schlagersängerin Helene Fischer. Er signierte meist mit „NationalSozialistischeOffensive“ (NSO). Nach M.s Festnahme setzten unbekannte Unterstützer mit Signaturen wie „NSU 2.0“, „Wehrmacht“, „Elysium“ oder „Staatsstreichorchester“ die Drohungen fort. M. wurde am 14. Dezember 2020 wegen Nötigung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten zu vier Jahren Haft verurteilt.
Am 3. Mai 2021 wurde der Berliner Alexander Horst M. als mutmaßlicher Autor und Absender von 116 Drohmails mit der Signatur „NSU 2.0“ festgenommen. Bis zum 4. Juni 2021 verschickten „Trittbrettfahrer“ noch einige solche Drohmails. M. wurde am 28. Oktober 2021 wegen 67 mit den Drohungen verbundenen Strafdelikten angeklagt; sein Strafprozess begann am 16. Februar 2022.
Übersicht
Datum | Signatur | Adressaten | Merkmale |
---|---|---|---|
2. Aug 2018 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | nach Datenabruf im 1. Polizeirevier Frankfurt/Main; auch Tochter bedroht. |
18. Dez 2018 | „Wehrmacht“ | Mustafa Kaplan, weitere Opferanwälte, Ermittlungsbehörden, Medien | Erpressungsversuch |
20. Dez 2018 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | Bezug auf suspendierte Polizisten; auch Eltern und Ehemann bedroht |
Dez 2018 | „Wehrmacht“ | Mordaufruf gegen Seda Başay-Yıldız in einem Darknet-Forum; Bezug auf Medienberichte | |
Jan 2019 | Polizeiausbilder-Name, „HLKA“ | Seda Başay-Yıldız | |
11. Jan 2019 | „NSU 2.0“ „Wehrmacht“, „Elysium“ | Aiman Mazyek, Josef Schuster | |
4. Feb 2019 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | |
Okt 2018–Apr 2019 | „NationalSozialistischeOffensive“, „NSU 2.0“, „Staatsstreichorchester“ et al. | Gerichte, Behörden, Stadtverwaltungen, Medien, Helene Fischer, Katarina Barley et al. | 107 Drohmails, 87 Bombendrohungen von André M. und Unterstützern |
Mär–Nov 2019 | „SS-Obersturmbannführer“ | Idil Baydar | nach Datenabruf im 4. Wiesbadener Polizeirevier; acht Morddrohungen mit persönlichen Daten |
13. Apr 2019 | „NSU-Vergeltungskommando“ | Shermin Langhoff | Bezug auf Aktion vom Zentrum für Politische Schönheit gegen Björn Höcke |
5. Jun 2019 | „NSU 2.0“ „Prinz Eugen SSOSTUBAF“ | Seda Başay-Yıldız | Bezug auf Mordfall Walter Lübcke |
Jun 2019 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız, LKA Hessen, Bundesanwaltschaft | Bezug auf laufende Ermittlungen |
Jun 2019 | „Staatsstreichorchester“ | Henriette Reker, Andreas Hollstein | Bezug auf Mord an Walter Lübcke, Spendensammlung im Darknet für ihre Erschießung |
ab Jul 2019 | „Staatsstreichorchester“ | bundesweit Journalisten, Redaktionen, Politiker | fordert Freispruch für André M. |
10. Jul 2019 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | |
12. Jul 2019 | „Staatsstreichorchester“ | Journalisten | Mordaufruf gegen Seda Başay-Yıldız im Darknet |
30. Sep 2019 | [ungenannt] | Mike Mohring | Morddrohung im Landtagswahlkampf Thüringen |
14. Okt 2019 | [ungenannt] | Robert Habeck | Mordaufruf auf Facebook |
ab 9. Okt 2019 | „Staatsstreichorchester“ | [ungenannt] | Bezug auf Anschlag in Halle (Saale) 2019 |
19. Okt 2019 | „Staatsstreichorchester“ | Mike Mohring | Morddrohung im Landtagswahlkampf Thüringen |
21. Okt 2019 | „Staatsstreichorchester“ | Dirk Adams | Morddrohung im Landtagswahlkampf Thüringen |
2019 | „NSU 2.0“ | Kolumnistin in Berlin, Strafverteidigerin in München | |
15./22. Feb 2020 | „NSU 2.0“ | Janine Wissler | nach Datenabruf im 3. Polizeirevier Wiesbaden |
~15. Feb 2020 | „Staatsstreichorchester“ „Combat 18“ | Rechtsanwalt; Deutscher Richterbund | |
Feb/Mär 2020 | „Wolfzeit“, Wolfssymbol | Christiane Schneider, Erik Marquardt | |
2. Mär 2020 | „Wolfszeit 2.0“ | Katina Schubert | dritte Morddrohung dieser Art |
Anfang Apr 2020 | „Staatsstreichorchester“ | Jens Spahn; Deutsche Krankenhausgesellschaft | Bitcoin-Erpressungsversuch droht mit Cyberangriff auf Krankenhaus |
20. Apr 2020 | „Staatsstreichorchester“ | Der Tagesspiegel | fordert Freispruch für André M., droht mit Anschlägen wie in „Kassel, Halle, Hanau“ |
21. Apr 2020 | „NSU 2.0“ | Landgericht Berlin-Moabit | Bombendrohung zum Prozessauftakt gegen André M. |
bis 21. Apr 2020 | „NSU 2.0“, „Staatsstreichorchester“, „Wehrmacht“ | Martina Renner | 12 Drohmails von André M., weitere von seinen Unterstützern |
26.–28. Apr 2020 | „combat18@xxx“ „Die Musiker des Staatsstreichorchesters“ | National Health Service (NHS) | 17 Mails mit Bitcoin-Erpressungsversuch Bombendrohung |
Anfang Mai 2020 | „Staatsstreichorchester“ | Dirk Friedriszik | Morddrohungen |
19. Mai 2020 | „NSU 2.0“ | Staatsanwältin | Bezug auf Prozess gegen André M. |
21. Mai 2020 | „NSU 2.0“ | Ermittlerin des LKA Berlin | Bezug auf Prozess gegen André M. |
Jun 2020 | „NSU 2.0 Der Führer“ „SS-Obersturmbannführer“ | [ungenannt] | nennt die öffentlich unbekannte aktuelle Wohnanschrift von Seda Başay-Yıldız |
Jul 2020 | „NSU 2.0“ | taz | Bezug auf taz-Journalistin |
4.–6. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Janine Wissler | |
ab 5. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Anne Helm | öffentlich unzugängliche Privatdaten |
9. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Volker Bouffier, Peter Beuth, Sonderermittler Hanspeter Mener | Bezug auf Ermittlungen gegen die Absender |
bis 10. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Martina Renner, Anne Helm | öffentlich unzugängliche Privatdaten |
13./14. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Idil Baydar | |
14. Jul 2020 | „AFD“ | Helin Evrim Sommer | Bezug auf Mordfall Lübcke |
14. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Fraktionen im Landtag Hessen, Maybrit-Illner-Talkshow | Todesdrohung gegen Janine Wissler, Martina Renner, Anne Helm, Idil Baydar, Hengameh Yaghoobifarah, Maybrit Illner. Bezug auf Rücktritt von Polizeipräsident Udo Münch |
16. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Mehmet Daimagüler | |
18. Jul 2020 | „SS-Obersturmbannführer“ | Roland Ullmann; 15 weitere Adressaten | bedroht Deniz Yücel, Hengameh Yaghoobifarah |
19. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Jutta Ditfurth | antisemitisch, Mordfantasien, mit Privatinformationen |
20. Jul 2020 | „NSU 2.0“ „Der Führer“ | Sawsan Chebli, Karamba Diaby, Jutta Ditfurth, Michel Friedman, Katrin Göring-Eckardt, Katja Kipping, Claudia Roth, Martina Renner, Deniz Yücel und andere | Morddrohung, Wohnadressenkenntnis |
21. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Volker Beck, Gökdeniz Özcetin | |
21. Jul 2020 | „Eugen Prinz“, „NSU 2.0“ | Josef Schuster | |
22. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Anton Hofreiter, Renate Künast, Aiman Mazyek, Belit Onay, Filiz Polat | |
23. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Gökay Akbulut, Amira Mohamed Ali, Sevim Dagdelen, Anton Hofreiter, weitere Grünen-Abgeordnete, Gökdeniz Özcetin | |
29. Jul 2020 | „NSU 2.0“ | Saskia Esken | |
1. Aug 2020 | „NSU 2.0“ | [ungenannt] | enthält Adresse von Jan Böhmermann |
3. Sep 2020 | „NSU 2.0“ | taz, LKA Hessen, LKA Berlin | Hinweis auf aktuelle unbekannte Adresse von Seda Başay-Yıldız |
Sep 2020 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız, Janine Wissler, Idil Baydar, Martina Renner u. a. | mehrere Mails |
17. Sep 2020 | „NSU 2.0“ | [ungenannte Politiker*innen] | sechs Mails |
~19. Nov 2020 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | Bezug auf Belohnungsangebot |
~1. Dez 2020 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | Kenntnis ihrer neuen Adresse |
29. Jan 2021 | „NSU 2.0“ | Walter-Lübcke-Schule Wolfhagen | Bombendrohung |
Feb 2021 | „NSU 2.0“ | Landgerichte Neuruppin, Itzehoe Jüdische Allgemeine Politikerinnen | Bombendrohungen |
Feb 2021 | „NSU 2.0“ | Anne Hübner | zwei Morddrohungen |
19. Feb 2021 | „NSU 2.0“ | Seda Başay-Yıldız | Bezug auf angekündigte Preisverleihung |
~9. Mär 2021 | „NSU 2.0“ | Janine Wissler | |
14. Mär 2021 | „NSU 2.0“ „Der Führer“ | Nico Wehnemann | Morddrohung |
15. Mai 2021 | „Ein ehemaliger Bekannter des NSU 2.0“ | Journalisten | Hinweis auf Datenaustausch in Darknetgruppe |
22. Mai 2021 | „NSU 2.0“ | Nancy Faeser | Brief mit weißem Pulver |
25. Mai 2021 | [keine Angabe] | Martina Renner | 3 Briefe, einer mit weißem Pulver Bezug auf „NSU 2.0“ |
4. Jun 2021 | „NSU 2.0“ | Nancy Faeser | |
Absender
Bis zum 18. März 2021 registrierte das Landeskriminalamt Hessen (LKA) 133 Drohschreiben mit der Signatur „NSU 2.0“, davon 115 vom selben Absender, 18 von Nachahmern. Sie gingen an 32 verschiedene Empfänger und 60 Institutionen in neun Bundesländern und Österreich.[1] Sie wurden als E-Mail von einer identischen Adresse aus verschickt, einige auch als Fax, SMS oder über Internetkontaktformulare.[2]
Der oder die Absender nutzten stets über einen Tor-Browser angemeldete und verschlüsselte Email-Adressen wie jessica@hotmail.com,[3] rudolfhess123@protonmail.com oder tuerkensau@yandex.com. Die zweite Adresse verwies auf den von Neonazis verehrten NS-Verbrecher Rudolf Heß. Der Anbieter Protonmail ist in der Schweiz ansässig, der Anbieter Yandex in Russland.[4] Mailadressen mit Endungen wie „@hitler.rocks“, „@nuke.africa“ oder „@getbackinthe.kitchen“ wurden über Vincent Canfields E-Mail-Service „cock.li“ verschickt, der dazu Server von „FlokiNet“ (Kolja Weber) in Rumänien nutzt. Nach Angaben Canfields vom Oktober 2019 hatte sein Dienst die Adresse „@hitler.rocks“ an 6.853 von mehr als 500.000 registrierten Nutzern vergeben.[5]
Adressen, Versandwege und Sprache der Mails zeigten deutliche Zusammenhänge der verschiedenen Drohserien. Die mit „NationalSozialistischeOffensive“ (NSO) unterzeichneten Mails wurden auf André M., die Mails von „NSU 2.0“ mit der Yandexadresse auf mindestens zwei oder mehr männliche rechtsextreme Unterstützer zurückgeführt. Sie konnten die vertraulichen Daten aus Polizei und Justiz von dort tätigen Beamten oder aus einem Darknetforum erhalten haben. Als Kenner und eventuell Verteiler der Daten erschien der Darknetbenutzer „Wehrmacht“. Auf eine Anfrage an die Yandexadresse erhielt die Wochenzeitung Die Zeit zur Antwort: „Wir sind ein lockerer Zusammenschluss heimattreuer Elitekämpfer, die sich nur im Netz unter Pseudonym treffen. Keiner kennt keinen persönlich.“ Man tausche Listen mit Informationen über die Adressaten aus. Wie viele Personen die Mails verschickten, wisse er „selbst nicht genau“.[6]
Ab Juli 2020 nahmen Menge, Adressaten und Privatinhalte der Mails erheblich zu. Sie enthielten Meldeadressen, Handynummern, Kindernamen, Angaben zu Wohnverhältnissen und Klingelschildern, einige auch zu Interna der Polizei. Den brutalen Drohungen folgte meist Häme über die bis dahin erfolglosen Ermittler. Diese hielten sowohl einen frauenfeindlichen und narzisstischen Einzeltäter für möglich, der Daten seiner Opfer aufwändig zusammengetragen hatte und technische Fähigkeiten besaß, als auch eine im Darknet vernetzte Gruppe, die dort Informationen austauschte und sich beim Verfassen und Absenden der Drohungen abwechselte.[4] Die Unterstützer von André M. unterzeichneten oft mit mehreren Namen, neben „Wehrmacht“ auch „NSU 2.0“, „Elysium“ und „Die Musiker des Staatsstreichorchesters“. Die Ermittler vermuteten aber eher einen einzigen, technisch versierten Absender, der ein Kollektiv vortäuschte.[7]
Bis zum 15. Mai 2021 schrieb ein Absender, der mit „Ein ehemaliger Bekannter des NSU 2.0“ signierte, an mehrere Journalisten per Mail: „Wir sind ein Zusammenschluss von mehreren Personen, darunter 'Wehrmacht', 'Staatsstreichorchester', 'Wolfszeit', 'NSU 2.0 Der Führer' und 'Nationalsozialistische Offensive'. Die Kontakte reichen sehr wohl bis in die Polizei, daher auch die Datenabfrage.“ So sei man auch an nichtöffentliche Informationen aus dem Ermittlungsverfahren gegen André M. gelangt. Die Mail enthielt solche Informationen und glich sprachlich und inhaltlich jener Mail, die die Zeit im Juli 2020 erhalten hatte.[8]
Drohserien nach polizeilichen Datenabfragen
Gegen Seda Başay-Yıldız
Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız hatte im NSU-Prozess (6. Mai 2013 bis 11. Juli 2018) die Familie des ersten NSU-Mordopfers Enver Şimşek als Nebenkläger vertreten. Zudem hatte sie mutmaßliche islamistische Gefährder vor Gericht zeitweise erfolgreich gegen ihre Abschiebung verteidigt. Sie hatte schon oft rassistische Drohbriefe erhalten.[9]
Am 2. August 2018 von 15:09 bis 15:15 Uhr führte ein unbekannter Polizeibeamter auf dem 1. Frankfurter Polizeirevier widerrechtlich insgesamt 17 Computerabfragen zu Başay-Yıldız durch. Er erfragte ihre Privatadresse, ihr Geburtsdatum, Namen und Geburtsdaten ihres Ehemannes, ihrer Eltern und ihrer zweijährigen Tochter, etwaige Verkehrsdelikte, Strafanzeigen oder Anklagen gegen sie oder Straftaten von ihr. Solche umfassenden Abfragen waren nur bei Festnahmen von unbekannten Verdächtigen üblich.[10] Die Adresse der Anwältin und ihrer Familie war öffentlich gesperrt und nur für die Polizei zugänglich.[3] Die an jenem Tag eingeloggte Polizistin und alle 14 Beamten ihrer Dienstgruppe bestritten später, etwas mit der Abfrage zu tun oder diese bemerkt zu haben. Der ausführende Täter ließ sich nicht nachweisen, da es üblich war, eingeloggt zu bleiben, um den PC Kollegen zu überlassen.[3]
Um 15:41 Uhr, 25 Minuten nach der Abfrage, erhielt die Kanzlei der Anwältin ein erstes Drohfax von „NSU 2.0“.[11] Im Briefkopf stand: „Dieses kostenlose Fax wurde Ihnen von Uwe Böhnhardt geschickt“. Dann folgte: „Als Vergeltung für 10.000 Euro Zwangsgeld schlachten wir deine Tochter“. Es folgten der Vorname der Tochter, die korrekte Straße und Hausnummer der Familie und Beschimpfungen: „Miese Türkensau! Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein!“ Eingangssatz und Signatur bezogen sich auf die NSU-Morde, waren also Teil der Morddrohung. Weil die Anwältin den Namen ihrer Tochter nie öffentlich genannt hatte und ihre Adresse schon Jahre zuvor aus dem Telefonbuch hatte streichen lassen, erstattete sie erstmals Strafanzeige[9] und ließ ihre Daten im Melderegister für Privatauskünfte sperren.[12]
Der zweite Drohbrief von „NSU 2.0“ vom 20. Dezember 2018[13] bezog sich auf die vorangegangene Suspendierung einiger Frankfurter Polizisten: „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau! Deiner Scheiß (Name der Tochter) reißen wir den Kopf ab … und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden.“ Die Eltern der Anwältin, ihr Ehemann und erneut ihre Tochter wurden mit ihren vollen Namen genannt. Sie waren alle unter derselben, inzwischen gesperrten Adresse gemeldet. Die Daten konnten daher nur aus Polizeicomputern stammen.[14] Entweder hatten Polizisten im Dienst die Daten abgerufen und das Schreiben verfasst oder die Daten aus der ersten Abfrage auf beide Drohschreiben verteilt, oder in einer anderen Behörde war trotz Meldesperre darauf zugegriffen worden. Die Formulierung „Polizeikollegen“ erschien Experten ungewöhnlich.[12]
Im Januar 2019 erhielt Başay-Yıldız zwei weitere Drohmails mit ähnlichen rassistischen Schmähungen. Eine war mit dem Vor- und Nachnamen eines in Hessen bekannten Polizeiausbilders unterzeichnet. Er hatte laut Ermittlern nichts mit den Drohungen zu tun. Weil sein Name und die Abkürzung „HLKA“ für Hessisches Landeskriminalamt Insiderwissen verriet, wurden der oder die Absender in der hessischen Polizei vermutet. Eine zweite PC-Abfrage von Privatdaten der Anwältin gab es laut Sicherheitskreisen nicht; die Daten der ersten Abfrage sollten in rechtsextremen Gruppen kursieren.[15] Die Abkürzung HLKA stand auch im Twitterkonto und der E-Mail-Adresse der LKA-Pressestelle.[16]
Am 4. Februar 2019 erhielten die Anwältin und das Polizeipräsidium Frankfurt über dieselbe nicht nachverfolgbare Verbindung wie zuvor ein identisches Drohfax.[17] Am 5. Juni 2019, drei Tage nach dem Mord an Walter Lübcke, erhielt sie ein sechstes Drohschreiben von „NSU 2.0“ und „Prinz Eugen SSOSTUBAF“. Die Signatur kürzte SS-Obersturmbannführer ab und spielte auf die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ an, die in der NS-Zeit viele Kriegsverbrechen verübt hatte. Der oder die Absender drohten sinngemäß, sie hätten Lübcke getötet; bald sei die Anwältin an der Reihe. Ob sie Täterwissen hatten oder den Mord zum Einschüchtern benutzten, blieb unklar. Elf Tage später wurde der Rechtsextremist Stephan Ernst als des Mordes an Lübcke Verdächtiger festgenommen.[18]
Bis Ende Juni 2019 sandte „NSU 2.0“ der Anwältin, dem LKA Hessen und der Bundesanwaltschaft weitere Drohfaxe, jeweils mit volksverhetzenden Inhalten und mit Bezug auf die laufenden Ermittlungen.[19]
Am 10. Juli 2019 erhielt die Anwältin ein Drohfax mit dem Aufruf, sie zu ermorden. Am 12. Juli 2019 rief eine Gruppe im Darknet zur Ermordung der Anwältin auf und schickte den Aufruf einigen Journalisten. Diese Mails waren mit dem Hitlergruß und der Signatur „Die Musiker des Staatsstreichorchesters“ unterschrieben.[18] Bis Juli 2020 erhielt Seda Başay-Yıldız mehr als ein Dutzend Drohmails vom selben Absender,[20] weitere bis zum 3. September 2020. Spätestens ab Juni 2020 kannten der oder die Absender ihre neue gesperrte Wohnadresse, wie aus Mails an andere Empfänger hervorging.[21]
Im November 2020 verhöhnte eine weitere Drohmail von „NSU 2.0“ eine Belohnung als unzureichend, die Başay-Yıldız für Hinweise auf die Täter öffentlich angeboten hatte. Sie machte die Mail nicht bekannt, um dem Absender keine Beachtung zu verschaffen. Am 18. Februar 2021 kündigte die Stadt Wiesbaden an, ihr einen Preis für Zivilcourage zu verleihen. Am nächsten Tag, dem Jahrestag des Terroranschlags in Hanau mit zehn Mordopfern, erhielt sie eine weitere Drohmail von „NSU 2.0“ an ihre neue Adresse. Daraufhin machte sie die Mails wieder bekannt und verwies dabei darauf, dass der Mörder von Hanau seine Tatwaffen legal besessen hatte.[22][23]
Zudem wurde am 19. Februar 2021 die gesperrte neue Adresse von Başay-Yıldız in einem rechten Darknetforum veröffentlicht. Auf den Rat des LKA Hessen ließ sie ihr Haus absichern, um ihre Familie zu schützen.[24]
Gegen Idil Baydar
Die Kabarettistin Idil Baydar behandelt das Thema Rassismus gegen Migranten in ihrem Kabarettprogramm und engagiert sich auch sonst politisch. Sie war schon oft Drohungen ausgesetzt und arbeitet mit Personenschutz.[25] Am 17. November 2019 hielt sie in Frankfurt am Main unter Polizeischutz die jährliche „Möllner Rede im Exil“ zum Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln vom 23. November 1992. Zuvor sandte ihr ein Absender, der sich „SS Obersturmbannführer“ nannte, per Mail acht Morddrohungen und drohte zuletzt, er werde sie bei ihrer Rede „abknallen“.[26] Baydar zeigte alle acht Drohmails an, doch alle Verfahren wurden bis Juli 2020 ergebnislos eingestellt.[27] Im Frühjahr 2020 bedrohte derselbe Absender sie monatelang mit anonym über die Plattform 5 vor 12 verschickten SMS.[28] Er verwendete auch die Abkürzung „SS-Ostubaf“, nannte auch Baydars Mutter namentlich und bedrohte sie ebenfalls mit Erschießung.[11]
Am 5. März 2019 hatten drei Polizeibeamte unberechtigt Baydars persönliche Daten von einem Polizeicomputer abgefragt:[29] einer im 4. Revier in Wiesbaden,[30] je einer in Spandau und in Neukölln. Sie handelten unabhängig voneinander und riefen keine Namen von Angehörigen Baydars ab. In einer Droh-SMS vom 15. März 2020 stand auch der Vorname ihrer Mutter. Weil Hinweise fehlten, dass die Abrufe damit zu tun hatten, wurden die Beamten nicht suspendiert.[31] Die Abfragen wurden erst ab 13. Juli 2020 bekannt.[32] Auch Baydar erfuhr erst damals davon.[25]
Die Drohbotschaften an Baydar enthielten sexistische Beleidigungen und Vergewaltigungsfantasien.[33] Eine jüngere Drohmail an sie widersprach Berichten, man habe „explizite Vergewaltigungsdrohungen versendet“: „Hammer zwar nicht, machen wir aber als nächstes“. Der Ausdruck „Hammer“ erinnerte Baydar an Plakate vom Mai 2019 in Berlin. Darauf stand in Frakturschrift der Satz „Ihr seid der Hammer“, darunter Porträtfotos von vier prominenten Frauen mit Migrationshintergrund: der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), der Journalistin Dunja Hayali, den Komikerinnen Enissa Amani und Idil Baydar. Sie vermutete einen Zusammenhang der Drohmails mit den Plakaten. Strafanzeigen dazu blieben folgenlos.[34] Weil eine Droh-SMS an Baydar auf ein solches Plakat anspielte, nahm sie an, der Absender sei damals in Berlin gewesen. Die Polizei habe jedoch nicht auf ihre Hinweise reagiert und ihr nichts zum Ermittlungsstand mitgeteilt.[29]
Gegen Janine Wissler
Ende Januar 2020 traf sich Janine Wissler, damals Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag Hessen, mit Seda Başay-Yıldız.[35] Im Februar 2020 fragte ein Polizeibeamter im 3. Wiesbadener Revier des Polizeipräsidiums Westhessen ohne konkreten Anlass Wisslers Privatadresse und weitere Daten zu ihr ab.[36]
Am 15. und 22. Februar 2020 erhielt sie zwei mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Drohungen.[37] Der Absender beschimpfte sie und drohte ihr einen „Tag X“ an, an dem die Polizei sie nicht beschützen werde. Er unterstrich die Drohung mit öffentlich unzugänglichen Daten Wisslers. Ferner behauptete er innerdienstliche Kenntnisse und beschimpfte einige Beamte einer internen Aufklärungsgruppe zu rechtsextremen Vorfällen bei der hessischen Polizei. Er nutzte die Nazi-Grußformeln „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“.[38] Nach einem Medienbericht dazu sandte „NSU 2.0“ am selben 4. Juli 2020 eine weitere Drohung an Wissler.[36] Bis Ende Juli 2020 erhielt sie insgesamt acht solche Mails,[39] weitere bis Anfang März 2021.[40]
Am 25. Februar 2020 fand das LKA den Wiesbadener Beamten, unter dessen Kennung Wisslers Privatadresse und Handynummer abgerufen worden war.[20] Er gab an, er kenne Wisslers Namen nicht und wisse nichts von der Abfrage.[37] Möglicherweise habe ein Kollege oder eine Kollegin seine Kennung benutzt. Nach Polizeiangaben konnte man ihm das Gegenteil nicht nachweisen und fand keine Bezüge zur rechtsextremen Chatgruppe im Frankfurter Polizeirevier. Jedoch wurden die privaten Datenträger des Beamten nicht durchsucht. Er wurde in den Akten als „Zeuge“ geführt.[20] Ob andere Polizeibedienstete in diesem Fall suspendiert oder diszipliniert wurden, ließ das Innenministerium offen.[36]
Gegen Hengameh Yaghoobifarah
Im Oktober 2017 hatte die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah für die Berliner taz die Kolumne „Deutsche, schafft euch ab!“ verfasst. Seitdem wurde sie öfter massiv bedroht und ihre Adresse wurde ausspioniert. Im August 2018 thematisierten die Basler Zeitung und das Hetzportal PI-News erneut ihre Kolumne. Am 17. und 22. August 2018 rief ein unbekannter Mann die taz-Redaktion an, gab sich als Polizist eines Reviers in Berlin-Wedding aus und verlangte Yaghoobifarahs private Kontaktdaten. Weil sie keinen Kontakt zu jenem Polizeirevier hatte, bat die Chefredaktion ihn beim zweiten Anruf um seine Kontaktdaten. Er beendete das Gespräch mit der Drohung: „Ihrer Kollegin blüht noch einiges.“ Am 8. Oktober 2019 schrieb „NSU 2.0“ von der Yandexadresse aus über das Leserbriefformular an die taz, beschimpfte die Chefredakteurin als „Volksschädling“ und erwähnte, er habe sie „persönlich telefonisch schon vor Monaten zutreffend belehrt“, dass sich Yaghoobifarah zurückhalten solle. Zudem nannte er die frühere Wohnadresse von Seda Başay-Yıldız.[41]
Am 15. Juni 2020 erschien in der taz ein satirischer Kommentar von Hengameh Yaghoobifarah zur deutschen Polizei. Am selben Tag führten zwei Hamburger Polizisten Datenabfragen zu ihr durch. Im Juli tauchte ihr Name in einem Drohschreiben von „NSU 2.0“ auf.[29] Eine Beamtin in Hamburg-Mitte und ein Beamter in Hamburg-Neugraben hatten die Abfragen unabhängig voneinander durchgeführt. Sie gaben Neugier oder eine beabsichtigte Strafanzeige gegen die taz-Autorin als Grund an. Beide bestritten Kontakte zu Rechtsextremen. Den Ermittlern zufolge hatten sie die Daten nicht verwendet oder weitergegeben.[31]
Am 23. Juni 2020 erhielt die taz-Redaktion von derselben Yandexadresse wie 2019 fünfmal eine weitere Nachricht mit dem Betreff „Hengameh Yaghoobifarah“, diesmal mit „SS-Obersturmbannführer“ als Absender und der Signatur „Der Führer des NSU 2.0“. Sie enthielt sexistische und queerfeindliche Beschimpfungen, Yaghoobifarahs Geburtsdatum und den exakten Hinweis: Er habe „schon am 22.8.2018 telefonisch höchstpersönlich klargemacht, dass wir Hengameh Yaghoobifarah […] ganz besonders zutreffend betreuen werden“. Die Mail endete mit „Heil Hitler“. Demnach war der frühere Anrufer mit dem Absender identisch oder im engen Informationsaustausch. Zudem enthielt die Mail die neue, geheime und im Melderegister gesperrte Frankfurter Adresse von Seda Başay-Yıldız. Das LKA Berlin vermutete hier eine Einzelperson oder Kleingruppe als Urheber, weil der „Führer des NSU 2.0“ seine Mails stets aus der Ich-Perspektive verfasste, gleich formatierte, individuell auf die jeweiligen Empfänger oder Sachverhalte zuschnitt und mehrmals denselben Rechtschreibfehler in einem seltenen Wort machte: „Blut wird fließen, knüppelhagedick!“ Der Satz zitiert ein antisemitisches Lied der rechtsextremen Szene. Die Nachrichten enthielten mehrere solche internen Querverweise zueinander.[41]
Auf eine Anfrage der taz antwortete „NSU 2.0“ in der Nacht zum 3. September 2020 mit dem Hinweis, die Anwältin sei mittlerweile in Frankfurt umgezogen: „Hilft ihr aber nicht.“ Er sandte die Antwortmail auch an verschiedene LKA-Adressen in Hessen und Berlin.[42] Darin betonte er, Yaghoobifarah werde eine „Sonderbehandlung“ erhalten und sei „unser Primärziel“.[41]
Weitere Adressaten
Strafverteidiger
Am 18. Dezember 2018 ging eine Drohmail von „NSU 2.0“ an mehrere Strafverteidiger, Ermittlungsbehörden und Journalisten.[43] Der Absender nannte sich auch „Wehrmacht“, forderte ohne konkreten Bezug zum Frankfurter Fall zehn Millionen Euro in Bitcoin und drohte, Kinder und Beamte zu ermorden. Er hatte schon mehrfach Strafverteidiger von Menschen mit Migrationshintergrund bedroht. Der betroffene Kölner Anwalt Mustafa Kaplan erstattete Strafanzeige.[44] 2019 erhielten auch eine Münchner Strafverteidigerin und eine Berliner Kolumnistin eine solche Drohmail.[45]
Auch Mehmet Daimagüler war Opferanwalt im NSU-Prozess und hatte seit Jahren viele rechtsextreme Drohmails erhalten. Am 16. Juli 2020 erhielt er erstmals eine Drohmail mit der Signatur „NSU 2.0“.[46] Er verzichtete auf eine Strafanzeige, weil er keine Erfolgsaussicht dafür sah.[47]
Kulturschaffende
Am 13. April 2019 sandte ein „NSU-Vergeltungskommando“ der Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters Shermin Langhoff und allen dortigen Schauspielern eine Morddrohung als Rache für eine Protestaktion des Zentrums für Politische Schönheit gegen Björn Höcke (AfD). Langhoff stellte Strafanzeige.[48]
Der Schauspieler Gökdeniz Özcetin aus Bad Kreuznach hatte 2017 eine Protestaktion gegen die rechten Aufmärsche in Kandel (Pfalz) besucht. Auf der Hinfahrt hatte ein Rechtsextremer ihn verletzt. Seitdem griffen Rechtsextreme Özcetin immer wieder an. Am 21. und 23. Juli 2020 sandte „NSU 2.0“ ihm zwei Morddrohungen: „Der Tag X rückt immer näher und Du TÜRKENSAU wirst hängen.“ „Wir werden Dich kriegen und dann abschlachten. […] Sieg Heil! Mit blutigen Grüssen NSU 2.0“. Mit Özcetins Strafanzeige dazu befasste sich ein Ermittlerteam des „K12“ beim Staatsschutz in Mainz.[49]
Von der Yandexadresse aus bedrohte „NSU 2.0“ auch Fernsehsatiriker wie Jan Böhmermann, Christian Ehring und Carolin Kebekus.[50]
Politikerinnen und Politiker
Am 9. Juli 2020 setzte Innenminister Peter Beuth einen Sonderermittler zu NSU 2.0 ein und kündigte verstärkte Fahndung an. Am nächsten Tag forderte „NSU 2.0“ ihn und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit der Anrede „Heil Euch Kameraden“ auf, eine vorgegebene Erklärung auf ihren Homepages zu veröffentlichen; andernfalls würden sie selbst getötet.[51] Auch der Sondermittler Hanspeter Mener erhielt die Drohmail.[25]
Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken und Nebenklägerin im Strafprozess gegen André M., hatte bis zum Prozessbeginn zwölf Drohmails unter der Signatur „NationalSozialistischeOffensive“ und weitere unter den Signaturen „NSU 2.0“, „Wehrmacht“ oder „Staatsstreichorchester“ erhalten.[52] Am 21. April 2020, dem ersten Prozesstag vor dem Berliner Landgericht, erhielt sie eine weitere Drohmail von „NSU 2.0“.[25]
Ab dem 5. Juli 2020 erhielt Anne Helm, Fraktionsvorsitzende der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, in kurzen Abständen mehrere Drohmails von „NSU 2.0“. Sie kamen von derselben russischen Yandex-Adresse wie die Mails an eine Staatsanwältin und eine LKA-Ermittlerin, die am Prozess gegen André M. beteiligt waren. Sie enthielten frauenverachtende, vulgäre und rechtsextreme Inhalte und eine persönliche Information, die Helm nirgendwo veröffentlicht hatte. Jüngere Gewaltandrohungen dieses Absenders folgten unmittelbar auf ihre öffentlichen Äußerungen, etwa zu möglichen Verbindungen ihres Falls zur Polizei in Hessen.[6] Bis 10. Juli 2020 erhielten Martina Renner und Anne Helm weitere solche Morddrohungen mit persönlichen, öffentlich unbekannten und kaum zu recherchierenden Informationen. Renner sprach von einem Totalversagen des LKA Hessen und des Innenministers, der sich viel zu spät um den Fall gekümmert habe. Helm erklärte, es gebe sehr starke Indizien für Kontakte des oder der Täter zur Neonaziszene in Berlin. Darum sei sie überzeugt, dass die Mails von einem bundesweiten Netzwerk ausgingen.[53]
Ob die Daten der Mails an Helm ebenfalls aus Polizeicomputern abgegriffen wurden und falls ja, wo, ist bisher ungeklärt. Helm erklärte, in ihrem Fall verwiesen die Spuren eher nach Berlin; eine Information darin sei „wahrscheinlich durch Ausspähung meines Wohnumfelds erhoben“ worden. Diese Methode nutze das Neuköllner Neonazinetzwerk schon lange. Es liege daher nahe, dass auch die Absender der Mails mit diesem Netzwerk verbunden seien. Helm verwies auf ein laufendes Disziplinarverfahren gegen einen Berliner Polizeibeamten wegen Geheimnisverrats: „Er hatte Informationen über Ermittlungen in einer Chatgruppe geteilt, in der auch mindestens einer der Neuköllner Hauptverdächtigen aktiv war“. Da dieser Beamte zum Tatzeitpunkt noch zur hessischen Polizei gehörte, bestehe durchaus eine Verbindung dorthin.[27] Helm ist Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, wurde schon mehrfach von Rechtsextremen bedroht und stand auf einer Feindesliste eines Neonazis in Berlin.[54]
Am 14. Juli 2020 erhielt die Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (Die Linke Berlin) eine ähnliche Morddrohung per Mail, die laut ihrem Pressesprecher mit „AFD“ signiert war.[55] Ihr werde es ebenso ergehen wie dem ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Auch sie war zuvor schon öfter rechtsextremen Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Auch ihr Name und der ihres Ehemannes standen seit 2010 auf einer Feindesliste von Neuköllner Neonazis. Dies hatte ihr die Polizei erst wenige Tage zuvor mitgeteilt. Parteichef Bernd Riexinger verlangte sofortigen Polizeischutz für die Betroffenen.[56]
In der Nacht zum 20. Juli 2020 erhielt die Frankfurter Stadtverordnete Jutta Ditfurth (ÖkoLinx) eine mit „NSU“ signierte Drohmail. Diese enthielt nach ihren Angaben auffallend heftige antisemitische Beleidigungen und unbekannte Informationen aus ihrem Privatleben.[57] Der anonyme Verfasser beschimpfe sie als „Deutschland-Feindin“, „Judensau“ und als „Schande für ihre arische Familie“. Sie solle lernen, ohne Überweisungen der Familie Rothschild auszukommen. Er beschreibe, auf welche Weise man sie umbringen wolle: dass man sie unter bestimmten Umständen in einen bestimmten Keller locken werde, um ihre Körperteile abzutrennen und sie als Rumpf ohne Kopf sterben zu lassen. Die Mail zeige den in rechten und faschistischen Kreisen üblichen tiefsitzenden Frauenhass, sei aber anders als andere Drohmails weitgehend in einem auffällig kühlen Ton verfasst. Sie enthalte eine Mischung aus Vorwürfen, Behauptungen und Schmähungen sowie einige Hinweise zu ihrer Familie und ihrer Adresse: „Da muss jemand länger beobachtet haben, was ich schreibe.“[58] Dazu nenne er ihre Privatadresse, aber keine anderen Personen. Die Mail ende mit „Heil Hitler wünscht dir der Nationalsozialistische Untergrund 2.0 - NSU“. Schlimm sei die Sicherheit, in der sich der oder die Täter fühlten. Ein Sonderermittler der Staatsanwaltschaft habe sich schon bei ihr gemeldet, um sich selbst ein Bild von den Drohungen zu machen.[59] Sie sei in den letzten Jahren in Frankfurt schon mehrmals Leuten begegnet, auch einem angeblichen Polizisten, die ihr deutlich machten: „Wir haben Sie im Blick.“ Zweimal sei in ihrem Haus Feuer gelegt worden. Sie finde es „sehr sonderbar, dass große Konzerne jedes Surf-Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter während der Arbeitszeit sehr genau dokumentieren, während die hessische Polizei es nicht schafft, in den eigenen Reihen zu ermitteln. Das kann nur zwei Sachen bedeuten: entweder dass sie komplett unfähig sind. Oder dass sie unwillig sind und ein rechtsradikales Netz gestützt wird.“[58] Die Mail an Ditfurth bezieht sich auf die aktuelle Drohserie des „NSU 2.0“, unterscheidet sich jedoch in wichtigen Punkten von anderen Mails mit dieser Signatur. Sie stimmt inhaltlich eher mit früheren Drohungen überein, die Ditfurth seit Jahren erhält. Daher wird hier ein anderer Absender vermutet.[60]
Am 20. Juli 2020 erhielten mehrere Personen eine wortgleiche Mail von „NSU 2.0“, darunter erstmals die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), erneut Jutta Ditfurth, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), die Linken-Vorsitzende Katja Kipping, Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die Abgeordneten Martina Renner und Karamba Diaby (SPD) sowie der Journalist Deniz Yücel und der Publizist Michel Friedman. Sie wurden darin als „Menschendreck“ beschimpft und kollektiv bedroht: „Wir wissen alle genau, wo ihr wohnt. Wir werden euch alle abschlachten.“[61]
Ditfurth betonte, die Drohschreiben seien für sie kein großer Schock, da sie solche Bedrohungen seit den 1980er Jahren erlebe, sowohl auf ihr Haus als auch per Post. Daher nehme sie bisweilen Personenschutz zu ihren Vorträgen mit, vorzugsweise von der Antifa. Sie habe die Drohmails an ihren Anwalt übergeben, der nun Strafanzeige und einen Strafantrag stelle. Ihr fehle jedoch das Vertrauen, dass die hessische Polizei die Sache aufklären könne oder wolle.[62]
Volker Beck (Grüne) gab am 21. Juli 2020 bekannt, er habe ebenfalls eine Drohmail von NSU 2.0 erhalten.[63]
Am 22. Juli 2020 erhielten vier Politiker der Grünen eine Drohmail: Belit Onay, der Oberbürgermeister von Hannover, Anton Hofreiter, der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, sowie die Abgeordneten Renate Künast und Filiz Polat. Der Absender drohte, man wolle sie umbringen, und signierte mit „Heil Hitler“, „Der Nationalsozialistische Untergrund 2.0“ und „NSU 2.0“. Die Grünen erstatteten Strafanzeige. Onay erklärte: „Drohungen und Einschüchterungen nehmen ein unerträgliches Ausmaß an. Wir müssen alarmiert sein, denn der verbalen Hetze folgen immer wieder Gewalttaten.“ Laut Künast bekräftigen die Mails, dass „die Gesellschaft und seine Sicherheitsbehörden sich wirklich auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus konzentrieren müssen“. Sonst zerfalle die Gesellschaft. Polat sah in diesen Mails eine besondere Bedrohung, falls dahinter tatsächlich ein rechtes Netzwerk aus deutschen Sicherheitsbehörden stecke.[64]
Die Absender der Drohmails vom 20. bis 23. Juli 2020 behaupteten, die Aufenthaltsorte der Bedrohten zu kennen. Man habe auch ihre Familien und Freunde ausspioniert. Die Autoren zeigten Sympathien mit NS-Verbrechern wie Heinrich Himmler, Rudolf Heß oder mit Prinz Eugen von Savoyen, der vor rund 300 Jahren die türkischen Truppen besiegt hatte. Trotz der identischen Signatur „NSU 2.0“ wurden hier wegen anderer Merkmale Nachahmer vermutet.[65]
Am 23. Juli 2020 erhielten die Bundestagsabgeordneten der Linken Amira Mohamed Ali, Sevim Dagdelen und Gökay Akbulut sowie ungenannte Abgeordnete der Grünen und erneut deren Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter Drohmails mit dem Absender „NSU 2.0“. Zu den Inhalten äußerte sich zunächst kein Empfänger, jedoch hatten alle Kontakt zum Bundeskriminalamt (BKA).[66]
Am 29. Juli 2020 gab die SPD-Vorsitzende Saskia Esken bekannt, sie habe von „NSU 2.0“ eine Morddrohung erhalten. Der Inhalt sei unbeschreiblich scheußlich. Sie habe die Mail angezeigt, erwarte aber keinen Ermittlungserfolg. Sie fühle sich persönlich nicht bedroht, sorge sich aber um die rechtsextreme Bedrohungslage in der Gesellschaft insgesamt.[67]
Anfang September 2020 erhielten Janine Wissler, Martina Renner, Idil Baydar und verschiedene Empfänger in Polizei, Justiz und Medien erneut mehrere Drohmails von der Yandex-Adresse von „NSU 2.0“.[42]
Im Februar 2021 erhielt Anne Hübner, Fraktionschefin der SPD im Münchner Stadtrat, zwei Morddrohungen von „NSU 2.0“, unterzeichnet mit „Heil Hitler“ und abgesandt von einer verschlüsselten Emailadresse. Die Polizei vermutete einen Nachahmer und stellte das Verfahren bis Mai 2021 ergebnislos ein.[68]
Am Tag der Kommunalwahl in Hessen 2021 (14. März) erhielt Nico Wehnemann, Frankfurter Kandidat für Die Partei, eine Morddrohung mit der Signatur „NSU 2.0“ und „Der Führer“. Wehnemann und der Vorsitzende des Landesverbands Hessen erstatteten Strafanzeige.[69]
Am 22. Mai 2021 erhielt die hessische SPD-Landesvorsitzende Nancy Faeser, die sich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus einsetzt, einen mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Brief. Ein Mitarbeiter ihres Wahlkreisbüros öffnete den Umschlag, fand darin ein weißes Pulver und alarmierte die Polizei. Das Pulver stellte sich als harmlos heraus. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf.[70] Am 4. Juni 2021 erhielt Faeser ein weiteres mit „NSU 2.0“ unterzeichnetes Drohschreiben an ihr Wahlkreisbüro. Der Brief enthielt auch das internationale Symbol für biologische Gefährdung (Biohazard).[71]
Am 25. Mai 2021 erhielt das Wahlkreisbüro von Martina Renner drei Drohbriefe eines identischen Absenders. Der erste war mit einem weißen Pulver gefüllt, worauf das Büro evakuiert wurde. Der zweite enthielt Bezüge zu „NSU 2.0“ und zu Renners Warnung vom Monatsanfang, nach der Festnahme eines Verdächtigen gebe es keinen Grund zur Entwarnung. Der dritte enthielt sexistische Beleidigungen und ein Foto der Autorin Hengameh Yaghoobifarah, die ebenfalls Drohbriefe erhalten hatte.[72]
Die Drohbriefe an Nancy Faeser und Martina Renner vom Mai/Juni 2021 wurden vom selben Postamt aus versandt. Die Behörden ordnen sie bisher einem oder mehreren Nachahmern (Trittbrettfahrern) der ursprünglichen Drohserie zu.[73]
„Wolfszeit 2.0“
Am 5. März 2020 erhielt das Wahlkreisbüro von Katina Schubert, der Vorsitzenden der Linkspartei Berlin, eine mit „Wolfszeit 2.0“ überschriebene Morddrohung per Mail. Darin hieß es, man werde sie „niederstechen“, weil sie sich „für dreckige Asylanten“ einsetze. Es war die dritte Morddrohung dieser Art an sie. Schubert erstattete Strafanzeige und betonte: Sie lasse sich nicht einschüchtern, könne die Drohungen aber nach allen rechtsterroristischen Anschlägen auch nicht bloß ignorieren.
Anfang März 2020 schrieb ein Absender mit dem Wolfssymbol an den Europaparlamentarier der Grünen Erik Marquardt: „Wir finden dich, wir schlachten dich. Verzieh dich mit deinen Helfern aus Griechenland!“ Es sei „Wolfzeit“. Marquardt hatte zuvor kritisch über die inhumanen Zustände im Flüchtlingslager Moria und anderen Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos berichtet und wird seitdem öfter bedroht. An Christiane Schneider (Die Linke Hamburg) schrieb der mutmaßlich gleiche Absender, sie sei „offiziell zur Jagd freigegeben“; man werde sie „abschlachten“. Auch diese Mail endete mit „Ist Wolfzeit“. Alle drei Adressaten engagieren sich öffentlich für Geflüchtete. Schubert wertete die Mails daher als gezielte rechte Kampagne gegen dieses Engagement und vermutete, dass noch weitere Flüchtlingshelfer solche Drohungen erhalten.
Laut einem Sprecher der Polizei Berlin ähneln diese Mails sprachlich und inhaltlich denen von „Staatsstreichorchester“, „Wehrmacht“ oder „NSO“. Eine Sonderermittlungsgruppe beim Staatsschutz sei dazu eingerichtet worden. Ein Zusammenhang mit einer unaufgeklärten rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln wird vermutet.[74]
Diese Drohserie richtete sich gegen Politiker und Journalisten. Die Unterschrift „Ist Wolfzeit“ nahm offenbar Bezug auf gleichlautende Buchtitel und den Film „Wolfzeit“ (2003), die mit dem Ausdruck ein Zeitalter von apokalyptischer Gewalt und Umsturz bezeichnen und bei Nazis beliebt sind. Als E-Mail-Adresse erschien zum Teil auch „Luebcke 2019“, also der Bezug auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) am 2. Juni 2019.[75]
Der Neonazi Heinz Lembke hatte umfangreiche Waffendepots angelegt und 1981 kurz vor seinem Suizid geschrieben: „Es ist Wolfszeit“. Wie er verstanden sich viele Rechtsterroristen als „Einsamer Wolf“, der jederzeit von jedem Ort aus führerlosen Widerstand ausüben kann. Staatsbehörden verharmlosten diesen Tätertyp lange als „alte Unbelehrbare“, als „Waffennarren“ oder „Spinner“.[76]
Journalistinnen, Journalisten, Medien
Am Abend des 14. Juli 2020 erhielt die Redaktion der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner eine mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Mail. Der Absender schlug Illner im Stil einer Zuschauerzuschrift vor, Janine Wissler, Martina Renner, Anne Helm, Idil Baydar und Hengameh Yaghoobifarah in eine Sendung mit dem Thema „Wann wird Deutschland endlich abgeschafft?“ einzuladen. Er drohte allen sechs Frauen den Tod an und warf Illner vor, sie engagiere sich für die „Abschaffung der Scheißdeutschen, die Vernichtung der Kartoffelkultur und für den Bevölkerungsaustausch“. Er deutete an, er sei selbst Polizist, habe schon mehrere rechtsextreme Mails verschickt und werde weitere folgen lassen. Zum Schluss bezog er sich auf die „Kameraden des Staatsstreichorchesters“, die 2019 ebenfalls bundesweit Drohschreiben verschickt hatten, auch an Journalisten. Ferner bezog er sich auf den Rücktritt des Landespolizeipräsidenten Udo Münch am selben Tag. Diese Mail ging auch an mehrere Fraktionen im Landtag Hessen. Der Sprachduktus ähnelte den bisherigen Schreiben, so dass man denselben Absender annahm.[77]
Am 18. Juli 2020 sandte „NSU 2.0“ eine Drohmail an die Adresse des neuen Landespolizeipräsidenten Roland Ullmann und einen breiten Verteiler, darunter Ministerpräsident Volker Bouffier, das LKA, die Staatsanwaltschaft Frankfurt, Sonderermittler Hanspeter Mener, die Bundeszentrale der CDU und einige Medien. Der identische Mailinhalt bedrohte erstmals den Journalisten Deniz Yücel und erneut Hengameh Yaghoobifarah, jedoch diesmal ohne persönliche Daten von ihnen.[78] 15 Personen erhielten diese Drohmail, darunter erneut Janine Wissler, Idil Baydar und Peter Beuth. Deniz Yücel erfuhr erst durch Medienrecherchen davon, dass sein Name darin vorkam.[79]
Vor dem Landgericht Neuruppin sollte ein 100-jähriger ehemaliger KZ-Wachmann, vor dem Landgericht Itzehoe eine 95-jährige ehemalige Sekretärin eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers angeklagt werden. Ende Februar 2021 am selben Tag sandte „NSU 2.0“ beiden Gerichten je eine Bombendrohung.[80] Am nächsten Tag erhielten die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ sowie ungenannte Politikerinnen weitere Drohmails von „NSU 2.0“.[81]
Aiman Mazyek und Josef Schuster
Am 11. Januar 2019 sandte „NSU 2.0“ an Aiman Mazyek (Zentralrat der Muslime in Deutschland) und an Josef Schuster (Zentralrat der Juden in Deutschland) eine gleichlautende Drohmail mit Mordfantasien. In der Betreffzeile stand „Aufruf zur Vernichtung von Josef Schuster und Aiman Mazyek“. Am 21. Juli 2020 erhielt Josef Schuster eine zweite Mail, unterzeichnet mit „NSU 2.0“. Auch sie enthielt Mordparolen, trug aber einen anderen Namen im Absenderfeld.[7]
Aiman Mazyek erhielt zwei weitere solche Morddrohungen, unterschrieben mit „Heil Hitler Dein NSU 2.0“. Die dritte kam am 22. Juli 2020. Sie bedrohte ihn mit Vergasen und seine Familie mit Zerstückeln.[64] Mazyek erklärte, es handele sich um eine „feige Straftat“, die ihn jedoch in seinem Engagement gegen jede Form von Rassismus bestärke. Er lasse sich auf keinen Fall von solchen „demokratiezersetzenden, rassistischen Tiraden“ in seiner Arbeit behindern. Später ergänzte er: Die Mail richte sich auch namentlich gegen Familienmitglieder. Der Täter müsse „mindestens gut recherchiert haben und mich lange beobachtet haben“. Er habe Strafanzeige erstattet, weil diese Mails Proben für weitere, schlimmere Straftaten seien und man daher nicht darüber schweigen dürfe. Die Ermittlungen müssten zeigen, ob der Absender Zugriff auf Behördendaten gehabt habe.[82]
Walter-Lübcke-Schule Wolfhagen
Am 29. Januar 2021, einen Tag nach dem Gerichtsurteil gegen den rechtsextremen Mörder von Walter Lübcke und seinen Helfer, erhielt die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen eine Bombendrohung mit dem Absender „NSU 2.0“. Er hatte Datum und Adressaten seiner Drohmail wegen des Urteils am Vortag gewählt. Die Schule war im Sommer 2020 zum Gedenken an Lübckes Engagement für Demokratie und Geflüchtete nach ihm benannt worden.[83] Vor dem Urteil hatten Schüler dieser Schule am Oberlandesgericht Frankfurt eine Mahnwache abgehalten und eine härtere Strafverfolgung rechtsextremer Gewalt gefordert. Infolge der Drohung wurde eine Videoüberwachung an der Schule eingerichtet.[84]
Drohserien von André M.
Vorgeschichte
André M. aus Halstenbek wurde um 1987 geboren. Als er acht Jahre alt war, wurde in seinem Gehirn ein gutartiger, nicht operabler Tumor entdeckt. Fortan mied er jede körperliche Anstrengung und entwickelte Gewaltfantasien. Er misshandelte Mitschüler,[85] zerstach Autoreifen, legte Brände, experimentierte mit Sprengstoff und griff einen Nachbarn mit einem Messer an. Als 15-Jähriger brach er die Schule ab.[86] Er erlernte nie einen Beruf.[85]
Schon als Jugendlicher soll er Rechtsrock gemocht und Freunde wegen rechtsradikaler Äußerungen verloren haben. Auf einem Bild posierte er vor einer Hakenkreuzfahne. Im Herbst 2007 erwogen er und ein Kumpel einen Anschlag auf ein lokales Fest und besorgten sich Sprengstoffzutaten. Mangels Beweisen wurden sie nicht wegen Verabredung zum Mord, nur anderen Delikten verurteilt.[87]
Nach fünf Jahren in einem psychiatrischen Krankenhaus war M. arbeitslos, sozial isoliert und wohnte wieder bei seinen Eltern. Er staffierte sein Zimmer mit NS-Devotionalien aus, lud Anleitungen zum Bomben- und Schusswaffenbau aus dem Netz, posierte auf Fotografien mit Sturmgewehren und befasste sich mit dem Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch. Ab 2017 war er im Darknetforum „Deutschland im DeepWeb“ aktiv, zuerst mit dem Nutzernamen „Sturmsoldat“, ab 2018 als „Sturmwehr“[86] oder „Stahlgewitter“. In Chats tauschte er sich über Waffen, Drogen und Sprengstoff aus.[6] Er soll mehrmals zu Terror gegen Polizisten, Richter und Politiker aufgerufen haben. Bis zum Verbot der Plattform wurden dort auch Anschläge geplant und Waffen gehandelt.[86]
Im Oktober 2018 kam M. frei, lernte auf Facebook eine Frau kennen und kommunizierte bald täglich mit ihr über Sprachnachrichten, traf sie aber nie. Er teilte ihr seinen Hass, seinen Wunsch, sich und andere zu töten und seine Amokfantasien mit.[85] Als er ihr ein Video schickte, in dem eine Frau vergewaltigt und enthauptet wird, brach sie den Kontakt ab. Daraufhin sandte er ihr als „Nationalsozialistische Offensive“ Drohmails. Einer Polizistin, die ihn seit seiner Haftentlassung betreute, berichtete er in Mails von seinem Drang, Brände zu legen, und seinem Interesse an Serienmördern, zeigte ihr sein Zimmer, seine Bücher und Wanddekoration.[88] Im November 2018 suchte er im Darknetforum Munition und Schusswaffen, angeblich zum Sammeln.[6] Bis 2020 war er unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung, Brandstiftung, Sachbeschädigung, einem Sprengstoffdelikt und dem Veröffentlichen einer Anleitung zum Bombenbau vorbestraft.[87]
Adressaten
Von Dezember 2018 bis zu seiner Festnahme im April 2019 versandte André M. laut Anklage bundesweit 107 rechtsextreme Hassmails und 87 Bombendrohungen. Meist signierte er mit dem zusammengepressten Wort „NationalSozialistischeOffensive“ (abgekürzt „NSO“).[89]
Im September 2018 hatte die Schlagersängerin Helene Fischer Fans aufgefordert, gemeinsam mit ihr die Stimme „gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit“ zu erheben. Seitdem sandte M. Morddrohungen und sadistische Fantasien an sie, ihre Konzertveranstalter und Musikunternehmen. Weitere Hassmails sandte er an Medien, Politiker wie Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD), Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, der Grünen und der FDP. Er benutzte eine fanatische, holprige Sprache mit Rechtschreibfehlern, etwa am 26. März 2019 an mehrere Stadtverwaltungen: „Ihr werdet nur noch in Fetzen darliegen, und wir hoffen das ihr übelebt und für euer restlichen Leben traumatisiert seid. Und wir hoffen das bei euren Familien viele Tränen fließen werden“. In Berlin erhielten das Landgericht, Finanzamt Neukölln, Kaufhaus des Westens, Hotel Adlon und Velodrom Berlin Drohmails von „NSO“. Bombendrohungen sandte er unter anderem dem Lübeck Hauptbahnhof, Gerichten in Flensburg, Köln, Magdeburg, München, Potsdam, und Rathäusern in Augsburg, Göttingen, Kaiserslautern, Neunkirchen (Saar) und Rendsburg. Damit löste er zahlreiche Polizeieinsätze und Evakuierungen von Gebäuden aus. In keinem Fall wurden Sprengsätze gefunden.[90]
Auch die Rote Flora in Hamburg erhielt eine Bombendrohung von „NSO“. Der Absender sprach oft über versteckten Sprengstoff, Fernzündungen via Handy, schmückte Todesszenarien aus und veröffentlichte Gewaltaufrufe im Darknet. Er lehnte Helene Fischer immer wieder als „slawisch“ ab, sprach vom „deutschen Volkstum“, für dessen Reinheit man kämpfe, drohte, man werde „Menschen auf offener Straße exekutieren“ oder Kinder töten. Einige dieser Mails forderten riesige Geldsummen in Bitcoin oder Monero und verlinkten dazu ein Video, in dem Kinder missbraucht und gefoltert werden.[86]
Am 12. Januar 2019 schrieb „NSO“ dem Organisator eines Schlagerfestivals in Berlin: Helene Fischer befinde „sich auf einer Liste von einer neuen rechtsterroristischen Vereinigung, die aus mehreren kleinen Gruppen besteht, die dem Blood & Honour Netzwerk zuzuordnen sind, darunter Nationalsozialistische Offensive, NSU 2.0 und Wehrmacht“. Er forderte von der Sängerin, keine deutschen Lieder mehr zu singen, sonst würden Menschen sterben. Er erwähnte sie 19 Mal auch in Drohmails an Martina Renner, jedoch ohne persönliche Daten aus Polizeicomputern. Da einige Drohmails von „NSU 2.0“ an Renner Daten von Idil Baydar, Janine Wissler und Anne Helm enthielten, wurde ein größeres Absendernetzwerk vermutet.[52]
Festnahme und Strafprozess
Im Frühjahr 2019 bedrohte André M. seine frühere Facebookfreundin und nannte ihren Klarnamen in einer weiteren Drohmail. Seine Vertrauenspolizistin erfuhr davon und machte die Ermittler auf ihn aufmerksam. Daraufhin nahm die Polizei ihn als wahrscheinlichen Absender der „NSO“-Drohmails in seinem Wohnort Halstenbek fest. In seinem Zimmer fand man Hakenkreuzfahnen, viele Poster mit NS-Symbolik, das Bild eines SS-Soldaten und Dekowaffen.[88]
Am 21. April 2020 begann der Strafprozess vor dem Landgericht Berlin-Moabit. Die Anklage stufte M. als rechtsextrem und terrorbereit, eventuell auch als psychisch gestört ein. Er habe die „Androhung von Gewalthandlungen gegen staatliche Einrichtungen, Repräsentanten des Kapitalismus und Unterstützer der staatlichen Ordnung“ geplant, um seinen „Menschenhass“ auszuleben, seine „Fantasien von der Vernichtung des kapitalistischen Systems zugunsten einer nationalen sozialistischen Ordnung“ öffentlichkeitswirksam zu verbreiten und sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu befriedigen. Er habe Reaktionen auf seine Drohungen erzwingen, Empfänger und Bevölkerung verunsichern, die angekündigten Anschläge später in die Tat umsetzen und dabei zahlreiche unbeteiligte zufällige Opfer töten oder schwer verletzen wollen. Einige Bombendrohungen soll er mit einem unbekannten Kumpan abgesprochen haben.[90]
Im Prozess sollte André M.s Schuldfähigkeit geklärt werden. Sachverständige attestierten ihm früher eine Persönlichkeitsstörung. Die Nebenklägerin Martina Renner erwartete Aufklärung über Mittäter, da „NSO“ und „Staatsstreichorchester“ in ihren Schreiben auch „NSU 2.0“ als Teil ihres Netzwerks benannt hatten.[86]
M. schwieg dazu und bestritt, dass er die ihm angelasteten Drohmails verfasst habe. Er beschuldigte Mitglieder der Ermittlungsbehörden zu „NSU 2.0“ als Täter. Ein IT-Experte fand jedoch auf seinem PC einige Fragmente der NSO-Mails. Eine linguistische Gutachterin verglich deren Stil, Wortwahl, Schreib- und Grammatikfehler mit M.s Schreiben an seine Vertrauenspolizistin und kam zu dem Ergebnis, dass er die NSO-Mails geschrieben hatte. Im Prozess wurden Dutzende seiner Sprachnachrichten vorgespielt.[85] Die Vertrauenspolizistin bezeugte, M. habe ihr offenbart, dass er Menschen hasse, besonders Polizei und Medien, und keinen Kontakt zu anderen haben wolle. Er habe weder Freunde noch jemals eine Partnerin gehabt. Er halte sich für nicht therapierbar.[88]
Am 14. Dezember 2020 verurteilte das Landgericht Berlin ihn wegen Störung des öffentlichen Friedens in Tateinheit mit vollendeter und versuchter Nötigung in 26 Fällen und versuchter Nötigung in neun Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und folgte damit weitgehend der Anklage. Er habe einen ausgeprägten „Hass auf sich selbst, auf Menschen, eigentlich auf alles“. Mit menschenverachtenden, antisemitischen und rassistischen Äußerungen habe er die Bevölkerung beunruhigen und das demokratische System der Bundesrepublik angreifen wollen. Er sei höchst gefährlich und würde seine Tötungsfantasien in die Tat umsetzen. Er sei jedoch wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung im Tatzeitraum nur vermindert schuldfähig gewesen und darum in der forensischen Psychiatrie unterzubringen. Falls er sich dort nicht behandeln lasse, werde er auf unbestimmte lange Zeit in Haft bleiben müssen. Das Urteil war noch nicht rechtskräftig.[85]
Unterstützernetz
Im Dezember 2018 hatte das Darknetforum „Deutschland im Deep Web 2“ über Medienberichte zu den Drohmails an Seda Başay-Yıldız diskutiert. Der Benutzer „Wehrmacht“ stellte klar: Die Wehrmacht, „also wir“, rufe zum Mord an „diesem anatolischen Abschaum auf“. Daraufhin nahm „Stahlgewitter“ (André M.) Kontakt mit ihm auf und tauschte bald darauf verschlüsselte Nachrichten mit ihm aus. Im Januar 2019 schrieb „Wehrmacht“ privat an ihn: „Herzlichen Glückwunsch, du wurdest einverleibt.“ M. sei jetzt „Teil der Wehrmacht“, zu der auch „NSU Zwei“ zähle. Kurz danach sprach M. in einer eigenen Drohmail von seinen „Partnern“ „NSU 2.0“ und „Wehrmacht“. Im Forum schrieb er, er wisse, dass „Wehrmacht so einiges macht“. Dieser habe ihm anvertraut, „was er raushaut“, und schon öfter bundesweite Polizeieinsätze ausgelöst. Er führe die Behörden seit „Ewigkeiten“ an der Nase herum. Im März 2019 schrieb mutmaßlich „Wehrmacht“ an M.: „Wir sind eine Übermacht, gegen die sie nicht ankommen werden, weil sie technisch nicht dazu in der Lage sind. Aber schön zu wissen, dass der Staatsschutz nun ermittelt, ich wünsche den Amateuren viel Spaß.“[6] Seit Mitte Januar 2019 diskutierten beide im Darknet, welche Adressaten sie bedrohen sollten.
Der oder die Unterstützer M.s kombinierten SS-Runen mit Kinderpornografie, verlangten große Summen in der Kryptowährung Bitcoin und unterzeichneten oft mit mehreren Namen, darunter „NSU 2.0“, „Elysium“ und „Die Musiker des Staatsstreichorchesters“.[7] Ihre Mails bezogen sich auf „NSO“ und kamen von derselben Darknetplattform. Nach M.s Festnahme im April 2019 forderte „Staatsstreichorchester“ von Politikern und Journalisten „Immunität“ für seinen „Mitarbeiter“ M., den er mit vollem Nachnamen nannte. Er habe „nicht die nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, doch seine Festnahme habe „in keiner Weise beeindruckt“. Neue Terrorakte würden folgen. Bis Ende Juni 2019 verschickte dieser Absender bundesweit mehr als 200 solche Drohmails.[86]
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein hatten einen rechtsextremen Mordanschlag knapp überlebt. Am 19. Juni 2019 erhielten sie eine identische Mail von „Staatsstreichorchester“. Er bedrohte sie mit „Mord“, ihre Familien, Freunde und andere Politiker mit „Genickschüssen“, Juden und Muslime mit der endgültigen „Auslöschung“: „Und Sie werden ihnen beste Gesellschaft beim Sterben leisten.“ Er forderte, „100.000.000 € in Bitcoin“ bis spätestens zum 31. August 2019; sonst werde ihr Leben 2020 enden. Zuletzt folgte der Hitlergruß. Von da an vermuteten die Ermittler mehrere Absender, die sich absprachen. Ausführliche Mordszenarien, offene NS-Verherrlichung und Erpressungsversuche galten als ihre Merkmale. Ihr Sprachstil unterschied sich von den oft vulgären, kurzen und fehlerhaften Mails von „NSU 2.0“, „Wehrmacht“ oder „NSO“. Die Staatsanwaltschaft Berlin übernahm die Ermittlungen dazu, weil dort die meisten Adressaten lebten.[91]
Seit Juni 2019 bezog sich „Staatsstreichorchester“ auf den Mord an Walter Lübcke: Seenotretterin Carola Rackete stehe „auf der Todesliste“, bis sie die Geflüchteten endlich „im Meer ersaufen“ lasse. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stehe auf der „Abschussliste“: „Walter Lübcke war nicht der letzte Politiker, sondern der erste.“ Aiman Mazyek und Josef Schuster drohte er, man werde „euch abschlachten und eure Gebetshäuser niederbrennen“.[92] Ab Juli 2019 forderte er in bundesweiten Mails an Politiker und Medien für André M. einen Freispruch. Dieser hatte manche seiner Drohmails auch mit „Staatsstreichorchester“ signiert. Ermittler vermuteten, dass er den Absender auf derselben rechtsextremen Plattform im Darknet kennenlernte, über die sich David S. eine Pistole besorgt und damit beim rassistischen Anschlag in München 2016 neun Menschen erschossen hatte.[25]
Nach dem Anschlag in Halle (Saale) 2019 (9. Oktober) bezog sich „Staatsstreichorchester“ in Drohmails darauf. Am 19. Oktober 2019 forderte er, CDU-Kandidat Mike Mohring müsse seinen Wahlkampf für die bevorstehende Landtagswahl in Thüringen 2019 bis zum nächsten Tag um 12:00 Uhr einstellen, sonst werde man ihn „niederstechen“ oder mit einer Autobombe umbringen. Am 21. Oktober 2019 bedrohte er den Grünen-Politiker Dirk Adams mit Mord. Mohring veröffentlichte die Drohung in einem Video und rief dazu auf, dagegen parteiübergreifend zusammenzustehen. Wolfgang Tiefensee (SPD), Susanne Hennig-Wellsow und der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) erklärten ihre Solidarität. Ramelow war seinerseits im Wahlkampf körperlich angegriffen worden.[92]
Drohmails von „Staatsstreichorchester“ erhielten Mitte Februar 2020 ein Rechtsanwalt und der Deutsche Richterbund. Anfang April 2020 forderte er 25 Millionen Euro in Bitcoins von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sonst werde man die IT-Infrastruktur von Krankenhäusern mit einem Cyberangriff lahmlegen. In 17 verschlüsselten Drohmails an den britischen National Health Service (NHS) vom 26. bis 28. April 2020 forderten „Die Musiker des Staatsstreichorchesters“ mit dem Absender „combat18@xxx“ jeweils binnen 14 Tagen zehn Millionen britische Pfund in Bitcoins, sonst werde man in irgendeinem Krankenhaus Großbritanniens eine Bombe zünden.[93]
Am 20. April 2020 forderte „Staatsstreichorchester“ in einer Mail an den Tagesspiegel einen Freispruch für André M. und drohte mit Anschlägen wie in „Kassel, Halle, Hanau“.[90] Am selben Tag verlangte er auch von der Nebenklägerin Martina Renner für M. einen „einwandfreien Freispruch“. Am Folgetag, als der Strafprozess gegen M. begann, erhielt das Landgericht Berlin-Moabit eine Bombendrohung von „NSU 2.0“. Der Absender nannte den Richter namentlich und drohte, die anwesende „Lügenpresse“ werde „im eigenen Blut vor dem Saal ersaufen“.[86] Dabei sprach er wie Justizvertreter von einem „HVT“ (Hauptverhandlungstermin).[4] Sprengsätze wurden im Gebäude nicht gefunden. Nach der Anklageverlesung erhielt das Gericht nachmittags eine weitere Drohmail vom selben Absender.[90]
Anfang Mai 2020 erhielt der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik in Mecklenburg-Vorpommern von „Staatsstreichorchester“ Morddrohungen per Post. Damals beschossen Unbekannte seinen Pkw mit einem Luftgewehr. Er stand auch auf der Feindesliste der rechtsextremen Preppergruppe Nordkreuz und vermutete daher deren Verbindung zu den Drohmails.[94]
Am 19. Mai 2020 sandte „NSU 2.0“ der Staatsanwältin im Prozess gegen M. eine Drohmail, nannte das Aktenzeichen und die „Sitzungsvertretung bis zum 3.9.2020“ der Adressatin. Am 21. Mai schrieb er an die zuständige Ermittlerin des LKA Berlin, benannte das korrekte Fachreferat und M.s Geburtsdatum. Dies zeigte detailliertes Fachwissen aus der Berliner Justiz und Polizei. Daher wurden hier beteiligte Staatsbeamte und Kontakte von M.s Unterstützern zu den Absendern der Drohmails von „NSU 2.0“ in Hessen vermutet.[6]
Bis Ende April 2020 setzte „Staatsstreichorchester“ die Droh- und Erpressermails an viele Politiker, Redaktionen, Journalisten und engagierte Antifaschisten fort. Der oder die Autoren gaben sich als Teil eines rechtsterroristischen Netzwerks aus, das einen Staatsstreich plane.[93]
Drohserien von Alexander Horst M.
Vorgeschichte
Alexander Horst M. wurde laut der späteren Anklageschrift 1968 in Ost-Berlin geboren. Seine Mutter war Lehrerin. Sein Vater war im Zweiten Weltkrieg Mitglied des Totenkopfverbands „Thüringen“ der Waffen-SS gewesen, der beim Konzentrationslager Buchenwald stationiert war. Er starb 1984. M. ließ sich zum Facharbeiter für elektronische Datenverarbeitung (EDV) ausbilden und erhielt eine Stelle bei einer Ostberliner Bank, die er nach der Wende 1990 verlor.[50]
1992 gab er sich bei Telefonanrufen bei Behörden als Kriminalpolizist aus, etwa um die Privatadresse seiner Lehrerin[10] und Kundendaten einer Bank zu bekommen.[50] Dafür wurde er später wegen Amtsanmaßung verurteilt.[95] 1994 erhielt er wegen gefährlicher Körperverletzung eine Bewährungsstrafe, 1995 wegen verschiedener Betrugsdelikte eine mehrjährige Haftstrafe[96] sowie Geldstrafen wegen Betrug und Falschbeurkundung. 1999 erhielt er zwei Monate Haft wegen Beleidigung, 2001 erneut eine Haft- und Geldstrafe wegen Beleidigung sowie falscher Verdächtigung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Diebstahl.[97]
Bis zum Jahr 2000 verbüßte M. dreieinhalb Jahre Haft in der Justizvollzugsanstalt Moabit. Im Februar 2003 bedrohte er deren Leiter zweimal am Telefon mit Mord. Im Strafprozess dazu beschimpfte er frühere Mithäftlinge und Zeugen als „Junkies, Kinderschänder, Mörder und Kanaken“. Er erschien als sozial isolierter Einzelgänger mit rechtsextremen Ansichten. 2006 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten ihn wegen der Morddrohungen, Betrug mit gefälschten Verrechnungsschecks und Besitz von Kinderpornografie zu zwei Jahren Haft. Ein anderes Berliner Gericht setzte die Strafe zur Bewährung aus.[98]
Seit 2002 wohnte M. im Hinterhaus eines Altbaus in der Osloer Straße (Soldiner Kiez, Berlin-Gesundbrunnen).[99] 2007 führte er einen E-Mail-Dialog mit der NPD und deren Verlag Deutsche Stimme. Ob er Parteimitglied war, teilte die NPD 2021 nicht mit.[8] Immer wieder wurde gegen M. wegen Bedrohung, Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede ermittelt; einige Male wurde er deswegen verurteilt. 2005 fiel M. erstmals dem Berliner Staatsschutz auf. 2013 wurde er für das Erschleichen von Leistungen verurteilt. Ab 2017 beobachtete der Verfassungsschutz M. wegen Drohanrufen.[96] 2019 wurde er erneut wegen Besitzes jugendpornografischer Schriften angeklagt, aber freigesprochen. Immer wieder erstattete er selbst Strafanzeigen wegen angeblicher Beleidigungen gegen ihn und galt deshalb bei der Polizei als Dauerquerulant.[98] Von 1994 bis 2014 wurde er insgesamt zehnmal verurteilt und verbüßte mehrere Haftstrafen. Er ist ledig, kinderlos, erwerbslos und bezog zuletzt Sozialleistungen. Seine Vermieterin stellte 2021 eine Räumungsklage gegen ihn, weil sie eine Verwahrlosung der Wohnung befürchtete.[50]
Drohungen gegen Chan-jo Jun
Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun war seit 2016 juristisch gegen das Dulden von Mordaufrufen, Gewaltandrohungen und Holocaustleugnung auf Facebook vorgegangen und hatte seitdem rechtsextreme Drohanrufe erhalten. Im Januar 2017 verklagte Jun Facebook, weil dort Hass- und Hetzposts sowie gefälschte Fotografien gegen seinen Mandanten, einen geflüchteten Syrer, nicht gelöscht wurden. Am 6. Februar 2017 rief M. dreimal in Juns Anwaltskanzlei an und drohte, Jun müsse die Klage sofort zurückziehen, „sonst gibt es Leichen“. Er nannte Juns Adresse und die Namen seiner Kinder und drohte, sie zu ermorden. Beim dritten Mal rief er: „Deutschland den Deutschen, Sieg Heil!“ Wegen der Morddrohungen zeigte Jun den Anrufer an und legte sein Mandat für den Syrer nieder, um die eigenen Kinder zu schützen. Die Anrufe wurden zu M.s Haus in der Osloer Straße in Berlin zurückverfolgt. Sein Wohnsitz war nicht angemeldet und seine Adresse beim Einwohneramt gesperrt. Dazu musste er eine Bedrohungslage glaubhaft machen. M.s Telefonanschluss, E-Mail-Adressen und Handynummern waren unter fiktiven oder falschen Namen angemeldet. Ein Telekom-Mitarbeiter nannte der Polizei mündlich die Wohnung, aus der Jun angerufen worden war. Deren Mieter M. war wegen vielen Ermittlungen, mehreren Vorstrafen und auch Drohanrufen polizeibekannt, bei denen er Privatdaten der Bedrohten genannt hatte. Am 13. März 2017 gaben zwei Polizeibeamte ihm daher eine Gefährderansprache. Er ließ sie nicht in seine Wohnung und bestritt die Vorwürfe. Danach hatte er Zeit, seine PCs von verdächtigen Spuren zu säubern. Erst am 4. Mai 2017 ließ die Staatsanwaltschaft Würzburg seine Wohnung durchsuchen. Man fand eine Gasdruckpistole, eine Machete, Sicheln, Messer, Schlagstöcke und drei PCs, aber keine Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung und keine Spuren zu Jun, nur einige Bilder und Videos mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und installierte Zugänge ins Darknet. Im Ermittlungsverfahren versprach M. der Polizei per Mail, die Gefährderauflagen zu befolgen und Jun in Ruhe zu lassen, um nicht wieder in Haft zu kommen. Er verlangte seine Computer „gereinigt“ von der Behörde zurück, verteidigte sich mit langen Schriftsätzen, reichte eine detaillierte Verfassungsklage gegen das Verfahren ein, formulierte „Rügen“ mit Zitaten aus der Strafprozessordnung und dem Telekommunikationsgesetz. Er verhöhnte Jun als „Rechtsanwender“ und „Prädikats-Juristen“, der für Drohanrufe mit Hitlergrüßen „prädestiniert“ sei. Die Behauptung, Jun und seine Familie würden persönlich bedroht, sei eine „absurde Darstellung“. Man solle Jun auf seinen Geisteszustand hin untersuchen und ihm die Zulassung entziehen.[99]
Die Ermittler konnten M.s Drohanrufe gegen Jun nicht beweisen, weil der Telekommitarbeiter seine Angabe zu M.s Wohnung nicht schriftlich und namentlich bestätigte, die Telekom angab, M.s Anrufdaten seien nicht mehr gespeichert,[100] und die genaue Lage seines Anschlusses nach dem Telekommunikationsgesetz den Behörden nicht mitteilen musste. Das Amtsgericht und das Landgericht Würzburg lehnten die Anklage gegen M. bis zum 28. Juli 2018 ab, weil ihm die Telefonate mit Juns Kanzlei nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Nur Tage danach begann die NSU-2.0-Drohserie.[101] 2021 vermuteten die Ermittler, dass die 2017 ausgebliebene Überführung und Strafe M. zu weiteren solchen Taten ermutigt hatte.[99]
Ermittlungen und Festnahme
M. war seit Jahren im Internet aktiv, etwa mit Nutzernamen wie „Sudel-Ede“, „SS-Obersturmbannführer“ oder „Obersimulant“ auf rechten Blogs.[10] Auf dem rechtsextremen Portal „PI News“ postete er regelmäßig politische Kommentare, die den Drohmails des yandex-Kontos sprachlich ähnelten. Auch Nutzer eines Schachportals mit denselben Alias-Namen verwendeten ähnliche sprachliche Wendungen und waren teils schon wegen rassistischer Beleidigungen abgemahnt worden. Sprachgutachter des BKA ordneten sechs dieser Kommentatoren „NSU 2.0“ zu. Einige der Drohmails waren genau dann versandt worden, als die verdächtigen Nutzer Schachspielpausen machten.[50] Der Nutzer „alexandros“ hatte sich mit seinem Klarnamen auf dem Schachportal registriert. So kamen Ermittler auf M.s Spur.[102] Auf PI-News deutete „alexandros“ oft eine Kindheit und Jugend in der ehemaligen DDR an. Im Chat der Schachplattform nannte er Berlin als seinen Standort. Auch in früheren Ermittlungsverfahren und Briefen an ein Landesamt hatte M. sich oft auf Berlin und sein direktes Wohnumfeld bezogen, ebenso in den Drohmails. Durch Anfragen beim Betreiber der Schachplattform und Bestandsdatenabfragen bei Telefonanbietern identifizierten die Ermittler M.s genaue IP-Adresse, Namen und Anschrift. Am 14. April 2021 leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein.[103] Ab dem 15. April wurde er observiert, sein Telefon wurde abgehört und sein Handy geortet. Er verließ seine Wohnung nur zum Einkaufen im benachbarten Supermarkt.[99] Am 23. April erließ das Amtsgericht Frankfurt gegen M. einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, der am 3. Mai ausgeführt und am 4. Mai in Vollzug gesetzt wurde.[103]
Am 3. Mai 2021 um 21:25 Uhr drangen hessische Spezialeinsatzkräfte in M.s Wohnung ein. Laut der Anklageschrift lief er auf sie zu, griff nach einer Pistole und richtete sie auf sie. Nach dreimaligem Zuruf legte er die Waffe ab und ließ sich Handfesseln anlegen. Später stellte sich die Waffe als Schreckschusspistole heraus. Der Zugriff erfolgte, als M. sich gerade online am PC befand, um diesen entsperrt und unverschlüsselt vorzufinden. In M.s Wohnung wurden ein Schlagstock, andere Waffen, USB-Sticks und drei PCs sichergestellt. Darauf fanden sich Bilder und Videos von sexuellem Kindesmissbrauch. In einem Regal standen Bücher zum Thema Holocaust, zur Psychologie nationalsozialistischer Täter, zur gezielten Täuschung,[50] etwa Ratgeber mit Titeln wie „Manipulieren - aber richtig“ oder „Verbotene Rhetorik“.[10]
Sonderermittler Hanspeter Mener schätzte M. wegen seines Griffs zur Waffe und früherer Gewalttaten als „nicht ungefährlich“ ein. Doch wurden bis 5. Mai 2021 keine Verbindungen in ein „rechtes Milieu“, keine Bezüge oder Reisen nach Hessen und keine Geheimdienstvermerke zu M. gefunden.[104]
Für das LKA Hessen ist M. der wahrscheinliche Verfasser der Drohfaxe gegen Seda Başay-Yıldız ab August 2018 und von 115 Drohmails, die ab Dezember 2018 über das Yandexkonto tuerkensau@yandex.com versandt worden waren, zuerst an Mehmet Daimagüler, später auch an Zeit-Journalisten.[102] Nach der Festnahme von André M. soll er sich mit diesem solidarisiert und Bezüge zu Drohbriefserien von „Staatsstreichorchester“ hergestellt haben.[50] Ermittelt werden sollte:
- ob M. im Internet oder Darknet Unterstützer hatte,
- wie genau er an die persönlichen Daten der Adressaten gelangt war, die zuvor aus Polizeicomputern abgerufen worden und dann in einigen Drohmails enthalten waren,[105]
- welche der bis dahin 133 NSU-2.0-Drohmails ihm zuzuordnen waren;[106]
- ob er irgendwelche Bezüge zu Personen in der Polizei hatte;[107]
- ob er auf den von ihm genutzten Plattformen private Informationen über die Drohbriefopfer ausgetauscht hatte.[108]
Das LKA Hessen erklärte am 4. Mai 2021, M. sei nie Bediensteter einer Polizeibehörde gewesen.[109] Innenminister Peter Beuth erklärte, seines Wissens sei „nie ein hessischer Polizist für die ›NSU 2.0‹-Drohmailserie verantwortlich“ gewesen.[106] Die erste Prüfung der gesicherten Daten erhärtete den Verdacht gegen M., so Staatsanwalt Sinan Akdogan am 5. Mai 2021. Laut Oberstaatsanwalt Michael Leer und Hanspeter Mener gab es bis dahin keine Hinweise, dass Polizisten die von M. versandten Daten abgefragt hätten; zu den Gründen der polizeilichen Datenabfragen werde aber weiter ermittelt.[110] Laut einem LKA-Ermittler deutete bis 5. Mai 2021 „nichts darauf hin, dass Polizisten bei der Fertigung oder der Versendung der Schreiben beteiligt waren.“ Dies werde weiter verfolgt.[111] Laut Oberstaatsanwalt Albrecht Schreiber wurden bis 8. Mai 2021 keine Bezüge M.s nach Hessen festgestellt. Er habe sich offenbar „nicht aus Berlin herausbewegt“. Drohschreiben mit Poststempeln aus Hessen, von denen Betroffene berichteten, seien ein neuer Sachverhalt.[112]
M. besaß vertrauliche Daten von mehr als 30 von ihm bedrohten Personen. Einige Daten hatte er laut LKA durch einfaches Googlen gefunden, so am 2. Februar 2017 die Namen und Privatadresse der Familie Jun, eventuell auch die bis Februar 2020 ungesperrte Adresse von Janine Wissler. Die Handynummer von Idil Baydar und den Namen ihrer Mutter kann er nur von einer bislang unbekannten außerpolizeilichen Quelle, die neue gesperrte Adresse von Seda Başay-Yıldız nur durch unbekannte Helfer erfahren haben.[113]
M. hatte Jahre zuvor in einem umfangreichen Briefwechsel mit dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin geschildert, wie man bei Behörden manipulativ personenbezogene Daten erhalten könne; er selbst habe dies schon getan.[114] Er hatte sich seit Jahren in Telefonanrufen bei Behörden als Behördenvertreter ausgegeben, um in beamtentypischer Sprache Auskünfte einzuholen. So hatte im August 2018 ein angeblicher Polizeibeamter die taz-Redaktion angerufen. Beamte des 3. und 4. Wiesbadener Polizeireviers hatten angegeben, sie hätten ihre Datenabfragen zu Idil Baydar und Janine Wissler für angebliche Polizisten im Einsatz am Telefon getätigt; man könne wegen der vielen täglichen Abfragen nicht immer die Berechtigung der Anrufer kontrollieren. Wegen dieser Angaben hatte das LKA Hessen die Wohnungen der Wiesbadener Beamten nicht durchsucht.[98] Er hatte sich laut Ermittlern in früheren Verfahren als „sehr rechtskundig“ gezeigt. Eventuell habe er sein Wissen genutzt, um echte Polizisten zu täuschen und Behördenvertreter manipulativ zu den erwünschten Auskünften zu bringen.[115] Die hessischen Ermittler vermuteten zudem, er habe sich auch aus dem Darknet illegal verbreitete Daten seiner Opfer beschafft.[116] Er und Polizisten könnten zu einer Gruppe im Darknet gehört haben, die Daten zu Opfern der Drohserie austauschten. Dies legte die E-Mail nahe, die „ein Bekannter von NSU 2.0“ nach M.s Festnahme an Journalisten der Zeit sandte.[8]
Im Melderegister gesperrte Privatadressen von Politikern und Prominenten konnte M. jedoch nicht durch einfache Telefonanrufe erfahren. Laut der Berliner Polizei kann ein externer Anrufer Auskünfte aus dem Informationssystem POLIKS nur dann erhalten, wenn er ein täglich neu vergebenes Tageskennwort angibt, seine Polizeizugehörigkeit verifiziert und ein berechtigtes Interesse vorbringt. Jeder Zugriff auf das POLIKS werde protokolliert. Gesperrte Privatadressen seien auch dort unsichtbar. Nur Justizvertreter und ausgewählte Mitarbeiter von Bürgerämtern hätten darauf Zugriff. Darum wurde vermutet, dass M. sich bei der Polizei als solcher ausgab und/oder interne Helfer in solchen Behörden hatte.[97] Befragte hessische Polizisten hielten es für möglich, dass M. auch ohne Kennwort oder Gegenkontrolle Privatdaten erhielt, etwa wenn er am Telefon gut deutsch sprach, „einigermaßen glaubwürdig rüberkam“ und ein überzeugendes Auftreten eingeübt hatte. Man wolle einem Kollegen ja nicht unnötig viel Arbeit machen. Ein Verdacht werde nur intern kommuniziert und nicht an andere Dienststellen weitergegeben. Auch schriftliche Verifizierungen per E-Mail und Fax seien manipulierbar. Polizisten benutzten für Anfragen bei Kollegen oft ihr Privathandy, um sie nicht über Dienstfunkgeräte bekannt zu geben. Diensthandys seien oft veraltet. Wegen fehlender Vernetzung könnten Berliner Polizisten Auskünfte über in Hessen gemeldete Personen nach Dienstschluss der Einwohnermeldeämter nur telefonisch erfragen. M. könne solche Mängel ausgenutzt und seine Rufnummer so manipuliert haben, dass im Frankfurter Revier eine Berliner Behördennummer auf dem Display erschien. Der Polizeiausbilder Rafael Behr blieb jedoch dabei, bei Nachfragen nach Vornamen von Kindern und Geburtsdaten von Eltern müsste auch „dem naivsten Menschen ein Verdacht kommen“ müsste.[40]
Bis 15. Mai 2021 wurde M. aus der Berliner Untersuchungshaft in ein hessisches Gefängnis verlegt. Er legte Widerspruch gegen die Beschlagnahmung seiner PCs ein und verzögerte so die Datenauswertung.[8] Seine Beschwerde gegen seine Untersuchungshaft vom Juni 2021 verwarf das Frankfurter Landgericht als unbegründet.[117]
Bis 6. August 2021 wurde ermittelt, dass M. mehr als zwei Jahre lang dutzende Drohschreiben verfasst und versandt hatte, fast alle an Frauen mit Migrationshintergrund oder linke Frauen. Auf M.s PC gespeicherte Textauszüge stimmten mit Passagen in den Drohschreiben überein. Laut Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan wurde eine riesige Datenmenge ergebnisoffen weiter ausgewertet. Unklar sei, wie M. an die Daten der Opfer kam. Trickanrufe bei verschiedenen Behörden (social engineering) seien nur eine von mehreren Möglichkeiten. So konnte die mit einem Sperrvermerk versehene neue Adresse von Seda Başay-Yıldız nicht unbemerkt im Polizeicomputer abgerufen werden, da das LKA zu dieser Abfrage eine Art Fangschaltung installiert hatte. Daher hielten erfahrene Kriminalisten Mittäter oder Mitwisser M.s für wahrscheinlicher als dass er sich sensible Daten über das Darknet besorgte. Dazu gab die Staatsanwaltschaft während der Ermittlungen keine Auskunft.[118]
Bis September 2021 fanden die Ermittler auf entschlüsselten PC-Daten und Papieren M.s Texte mit ähnlichem Wortlaut wie in den Drohschreiben. Dies erhärtete, dass er etliche „NSU 2.0“-Drohbriefe verfasst und versandt hatte. Ferner fanden sie Hinweise, dass M. bei Polizeidienststellen und Bürgerämtern erfolgreich Auskünfte zu seinen Adressaten eingeholt hatte. Die Staatsanwaltschaft Würzburg prüfte zudem eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zu den Morddrohungen gegen den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun.[117]
Anklage und Strafprozess
Am 28. Oktober 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen M. wegen 67 strafbarer Delikte, darunter Bedrohung, Beleidigung, versuchte Nötigung, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Volksverhetzung, Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften, illegaler Besitz zweier Würgehölzer, ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte bei seiner Festnahme,[119] Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, öffentliche Aufforderung zu Straftaten und ein Verstoß gegen das Waffengesetz.[120] Laut Anklage versandte M. vom 2. August 2018 bis zum 21. März 2021 per Mail, Fax oder SMS insgesamt 116 Drohschreiben[119] mit folgenden Hauptmerkmalen:
- Sie seien oft wie ein Behördenbrief oder Gerichtsurteil verfasst worden.
- Sie alle sollten neben der Drohwirkung auf die Adressaten eine öffentlichkeitswirksame Medienberichterstattung erzielen.[121]
- Der Absender habe darin rassistische Beleidigungen verwendet wie „Türkensau“, „Scheißtürken“, „Volksschädling“, „Kümmelhändler“, „hirntoter Scheißdöner“, „Abfallprodukte“, und Sätze formuliert wie „verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder gedroht, Familienangehörige würden „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“.
- Er habe sich selbst „SS-Obersturmbannführer“ genannt und die Schreiben regelmäßig mit „Heil Hitler“ unterzeichnet.[122]
- Er habe ausschließlich Frauen als Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden und Institutionen bedroht.[123]
- Gegenüber den Frauen habe er oft personenbezogene und zum Teil nicht frei zugängliche Daten genannt, um die Drohwirkung zu verstärken.
- Er habe diese Daten „unter Einsatz einer Legende“ erlangt, indem er sich etwa telefonisch als Behördenmitarbeiter ausgegeben und seine Kontaktpersonen erfolgreich irregeführt habe.
- Der Anfangsverdacht, Polizeibeamte hätten seine Datenabfragen „in strafrechtlich relevanter Weise“ unterstützt, habe sich nicht bestätigt. Die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Frankfurter Chatgruppe würden aber fortgesetzt.[119] Nur mit diesem Satz erwähnte die Anklage die Ermittlungen gegen Polizeibeamte.[10]
Schon kurz nach M.s Festnahme hatten die hessischen Ermittler ihre Kollegen als „Opfer“ eines Betrugs bezeichnet. Nach ihren Angaben erfolgte die Abfrage im 1. Polizeirevier zu Seda Başay-Yıldız auf einen falschen Anruf hin. Welcher Beamte den Anruf annahm und warum die Fragen etwa nach der kleinen Tochter der bekannten Anwältin ihn nicht stutzig machten, fanden sie nicht heraus. In M.s Verbindungsdaten ließen sich keine Anrufe zu jenem Polizeirevier rekonstruieren. Kein Beamter dort konnte sich an so einen Anruf erinnern, keiner meldete sich seit M.s Festnahme dazu, auch M. machte dazu keine Aussage. Gleichwohl sah Peter Beuth die hessische Polizei entlastet. Sein Ministerium betonte, hessische Polizisten seien „zu keinem Zeitpunkt Absender oder Tatbeteiligte“ gewesen. Sie könnten allenfalls unbewusst an der Datenbeschaffung mitgewirkt haben. Was die polizeilichen Abfragen damit zu tun hatten, lasse sich eventuell nie klären.[122]
Seda Başay-Yıldız glaubt nicht an die Manipulationsthese. Es sei nicht plausibel, dass sich Polizeibeamte mehrmals am Telefon zu Datenabfragen überreden ließen, die der vermeintliche Kollege ja auch selbst hätte ausführen können.[119] Die Ermittler hätten konkrete Fragen nicht beantwortet:
- wie ihre mit einem Sperrvermerk versehene neue Adresse in Umlauf geraten und an M. gelangen konnte;
- welche Rolle das 1. Frankfurter Polizeirevier und dessen rechtsextreme Chatgruppe dabei spielten;
- wie dort, angeblich von außen angeregt, eine derart umfangreiche Abfrage zu ihren Privatdaten erfolgen konnte und sich dann niemand daran erinnere.[122]
- Eine telefonische Abfrage nach Verurteilungen oder Ermittlungsverfahren gegen sie sei unmöglich. Darum halte sie eine versehentliche Datenweitergabe bei Telefonanrufen nicht für schlüssig. Sie rechne jedoch nicht mehr mit der vollständigen Aufklärung des Vorgangs.[124] Kurz vor dem Beginn des Strafprozesses erklärten Basay-Yildiz, Janine Wissler und vier weitere Betroffene auf Twitter: Es sei skandalös, dass nur gegen einen vermeintlichen Einzeltäter ermittelt wurde. Es gebe zwingende Hinweise „auf mindestens gezielte Datenweitergabe“ aus Polizeikreisen. Das müsse aufgeklärt werden.[125]
Am 16. Februar 2022 begann der Strafprozess gegen M. vor dem Landgericht Frankfurt am Main mit der Verlesung der Anklage. Erwartet wurde die Klärung, wie M. an die öffentlich unzugänglichen Daten von Seda Başay-Yıldız, Janine Wissler und Idil Baydar gekommen war.[120] Am 17. Februar in einer vorbereiteten etwa einstündigen Erklärung bestritt M., dass er die Drohschreiben verfasst habe. Sie seien in einer Chatgruppe im Darknet entstanden und koordiniert worden, zu der vermutlich auch Polizisten aus Hessen gehört hätten. Er selbst habe nie bei der hessischen Polizei angerufen, um Empfängerdaten zu erhalten, und sei nicht rechtsextrem. Er forderte, das Verfahren auszusetzen.[125] Er bestritt auch den Besitz von Kinder- und Jugendpornografie und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Mitte 2019 sei er in eine Chatgruppe im Darknet eingeladen worden. Dort sei aggressiv politisch diskutiert und entschieden gegen Seda Başay-Yıldız gehetzt worden. Zur Gruppe hätten offensichtlich auch frustrierte hessische Polizeibeamte gehört. Sie seien für die Drohschreiben verantwortlich. Man habe die Mitglieder aufgefordert, ebenfalls solche Schreiben zu verfassen. Er warf den Ermittlern „Trickserei“ vor. So habe er nicht über die nötigen Tageskennwörter der Polizei verfügt, um an die Empfängerdaten zu kommen. Als Berliner, der Hessen nie betreten habe, könne er unmöglich Dienstgeheimnisse hessischer Sicherheitsbehörden erfahren haben, die in den Drohschreiben vorkamen. Als im Chat die These einer „jüdischen Weltverschwörung“ vertreten worden sei, habe er widersprochen und die Gruppe 2020 verlassen. Er könne noch einige Mitglieder namentlich nennen. Dafür müsse das Verfahren gegen ihn eingestellt und er müsse in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Zuletzt bat er die Richterin und anwesende Presse, seine schriftliche Erklärung weit zu verbreiten. Nachfragen dazu werde er auf Rat seiner Anwälte nicht beantworten. Die Einlassung wurde als Versuch gewertet, die Zweifel an der Einzeltäterthese für sich auszunutzen.[126]
Am 3. März 2022 sagte Janine Wissler als Zeugin aus: Gemäß der Bitte des LKA habe sie über die Drohmails geschwiegen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden und ihre Familie nicht zu beunruhigen. Das LKA habe ihr gegenüber immer eine polizeiliche Datenabfrage zu ihr bestritten. Doch dann habe der damalige Landespolizeipräsident Udo Münch Journalisten über die Drohungen gegen sie und die Abfrage ihrer Daten informiert. Dies habe sie erst aus der Presse erfahren. Sie habe ihre Wohnung sicherer gemacht und der Polizei fortan misstraut, aber ihre politische Arbeit nicht verändert. Der Angeklagte beantragte daraufhin, die ebenfalls geladenenen Zeuginnen Seda Başay-Yıldız und Martina Renner als Nebenkläger vom Verfahren auszuschließen: Die Beleidigungen und Bedrohungen seien nur „anonymes Rumpöbeln im Internet“ ohne reale Gefährdung gewesen. Die Empfänger hätten die Mails einfach ignorieren können.[127]
Frankfurter Chatgruppe „Itiotentreff“
Rechtsradikale Chats
Bei einer Hausdurchsuchung im September 2018 bei der am 2. August 2018 eingeloggten Frankfurter Beamtin fand sich auf ihrem Mobiltelefon eine WhatsApp-Chatgruppe namens „Itiotentreff“. Deren sechs Mitglieder hatten insgesamt 102 Bilder, Karikaturen und Nachrichten mit rechtsextremer Tendenz versandt.[3] Zur Gruppe gehörten fünf hessische Polizisten, vier davon im 1. Frankfurter Revier, und eine Privatperson. Von Oktober 2015 bis Oktober 2016 hatten sie einander Nazisymbole und menschenverachtende Bilder von Geflüchteten und Behinderten gesandt,[128] etwa zu Menschen mit Down-Syndrom. Unter einem Bild Adolf Hitlers vor einem rauchenden Schornstein stand der Kommentar: „Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude“.[129] Weitere Bilder zeigten KZ-Häftlinge, dunkelhäutige Menschen und den ertrunkenen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi mit dem Kommentar „Wers findet, darfs behalten“. 40 dieser Posts stufte die Staatsanwaltschaft Frankfurt als strafrechtlich relevant ein.[3]
Ermittlungen
Die beteiligten Polizisten waren bis dahin nicht disziplinarrechtlich oder politisch aufgefallen. Einer sollte an der Führungsakademie der Deutschen Polizei studieren, zwei weitere sollten wegen einer Reanimierung geehrt werden.[128][130] Sie wurden suspendiert und gegen sie wurde wegen Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Bis Dezember 2018 wurden ihre Arbeitsplätze und Wohnungen zweimal durchsucht. Ob einer oder mehrere das Drohfax versandt oder die abgefragten Daten weitergegeben hatten, blieb ungeklärt.[128] Geprüft wurde auch, ob sie dienstlich mit Seda Başay-Yıldız zu tun hatten. Die suspendierten Polizisten machten keinerlei Angaben.[14]
Bei der ersten Durchsuchung am 25. Oktober 2018 identifizierten die Ermittler einen sechsten Polizisten als Chatmitglied. Am 12. Dezember 2018 fanden sie in seinem Haus in Kirtorf ein Zimmer mit Flaggen, Uniformen, Plakaten, Orden und Abzeichen der NS-Zeit. Der Beamte hängte bei großen Sportereignissen eine Reichsflagge in Schwarz-Weiß-Rot aus. Auf Facebook folgte er der AfD und dem Neonaziportal „Traditionsbuchreihe“, das Tode von SS-Veteranen als „Kameraden“ meldet und den Tod eines NS-Kriegsverbrechers als Mord ausgibt. Sein jüngerer Bruder gratulierte dem aktiven Neonazi Glenn Engelbrecht oft zum Geburtstag.[131] Dieser leitete die Kameradschaft „Berserker Kirtorf“ und lud regelmäßig bundesweit Neonazis zu seiner Geburtstagsparty am „Führergeburtstag“ (20. April) ein. 2004 sangen die Gäste dabei antisemitische Lieder mit Mordaufrufen. Später managte Engelbrecht die Rechtsrock-Band „Gegenschlag“ und trat mit ihr 2017 in Themar beim Festival „Rock gegen Überfremdung“ vor 6000 Neonazis auf. Mit ihm, weiteren Neonazis und Rechtsrockbands waren die Kirtorfer Brüder auf Facebook verbunden. Der langjährige Kirtorfer Bürgermeister Ulrich Künz (CDU) verteidigte beide als „voll integriert“.[132] Direkte Kontakte zu Engelbrechts Kameradschaft und Band ließen sich ihnen nicht nachweisen.[131]
Am 17. und 18. Januar 2019 fanden die Ermittler im Kirtorfer Haus des älteren Bruders erlaubnispflichtige Waffen, Gewehr- und Pistolenmunition, auf dem Handy des Jüngeren volksverhetzende Nachrichten.[133] Sie stellten Speichermedien sicher und ermittelten gegen insgesamt vier in Romrod und Kirtorf wohnhafte Beamte wegen des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen und Volksverhetzung. Mindestens einer der vier sollte zur Reichsbürgerbewegung gehören.[134]
Im März 2019 wurden ein Polizist aus Alsfeld wegen rechtsextremer Chats vorsorglich suspendiert,[135] im Februar 2020 drei weitere Frankfurter Polizisten. Auch ihre Wohnungen und Diensträume wurden durchsucht.[136]
Am 25. Juni 2019 nahmen die Ermittler den älteren Kirtorfer Beamten vorläufig fest und durchsuchten erneut seine Wohnräume, ließen ihn aber wegen fehlendem Haftgrund am nächsten Tag wieder frei.[137] Er hatte 18 der 40 strafrechtlich relevanten Chatposts der Gruppe „Itiotentreff“ verschickt und galt als möglicher Absender der ersten Drohfaxe an Seda Başay-Yıldız.[3] Auf seinem Handy fanden sich drei Suchläufe nach ihr sowie Fotografien von ihm und Freunden mit Hitlergruß und zum Hakenkreuz geformten Stiften. Wie viele Drohmails von „NSU 2.0“ benutzte er im Chat öfter das Filmzitat „Ich reiß dir den Kopf ab und scheiß dir in den Hals“. Er kannte sich mit der Tor-Browser-Verschlüsselung aus und hatte dazu an der Polizeiakadamie Hessen referiert. Er hatte genau während der Datenabfrage zu Seda Başay-Yıldız Dienst gehabt. Sein Alibi, er sei am 2. August 2018 gegen 15:41 Uhr auf Streifenfahrt gewesen, erwies sich als Falschangabe. Zudem hatte er nach einem Islamisten gegoogelt, den die Anwältin verteidigt hatte. Am selben Abend hatte sie jemand auf dem Internetportal Indymedia beschuldigt, diesen zu verteidigen, und dazu gepostet: „Ich, Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, bin das größte Schwein im ganzen Land.“ Sie brauche nun dringend Ärger von deutschen Patrioten. Dazu gab der Unbekannte ihre Privatadresse bekannt.[10]
Anfang Februar 2020 durchsuchten Ermittler in Berlin Wohnung und Arbeitsplatz eines Polizisten, der zur Frankfurter Chatgruppe gehört hatte. Wegen möglicher Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Seinen früheren Einsatzort in Hessen und die Verdachtsmomente gegen ihn teilten die Ermittler nicht mit.[138]
Seit Mitte Juli 2020 kannten die hessischen Behörden die Mail von „NSU 2.0“ mit der gesperrten neuen Adresse von Seda Başay-Yıldız, beantworteten aber keine Presseanfragen dazu.[42] Am 6. August 2020 erklärte die Staatsanwaltschaft Frankfurt dem Rechtsausschuss des hessischen Landtags, man verdächtige nur noch den einen Frankfurter Beamten der illegalen Datenabfrage und führe ihn wegen Bedrohungen und Volksverhetzungen als Beschuldigten. Der Verdacht gegen die eingeloggte Polizistin habe sich nicht erhärtet. Die bei den illegalen Abfragen zu Janine Wissler und Idil Baydar eingeloggten Wiesbadener Beamten würden weiterhin nicht als Beschuldigte geführt.[139]
Im September 2020 verdächtigten die Ermittler den Kirtorfer Polizisten Johannes S. erneut wegen „möglichen punktuellen Vernetzungen“ mit Drohmailabsendern an Berliner Adressaten.[140] Nach taz-Recherchen hatte er sich seit der Bundestagswahl 2013 im Netz als AfD-Anhänger und Hasser der Antifa gezeigt. Dass er Drohmails verschickte, ließ sich nicht erhärten, auch weil Russland ein Rechtshilfeersuchen von 2019 zur Yandexadresse nicht beantwortete.[141]
Konsequenzen
Im Ermittlungsverlauf wurden bis August 2020 insgesamt 15 hessische Polizeibeamte wegen Delikten wie Betrug, Diebstahl, Kinderpornografie, Körperverletzung, Verletzung von Dienstgeheimnissen oder Volksverhetzung suspendiert, davon drei in Frankfurt. Einer der sechs Polizisten in der Frankfurter Chatgruppe wurde entlassen. Bei den anderen fünf erhärtete sich der Anfangsverdacht nicht oder wurde ausgeräumt, so dass sie wieder in den Polizeidienst eingegliedert wurden. Zwölf von 17 Polizisten einer weiteren Chatgruppe, die rassistische Inhalte ausgetauscht hatten, blieben suspendiert.[142]
Im Februar 2021 klagte die Staatsanwaltschaft Frankfurt vier ehemalige Polizisten der Chatgruppe „Itiotentreff“ an. Der ältere Kirtorfer sollte zwischen Oktober und Dezember 2018 rassistische Beiträge an insgesamt 30 Empfänger verschickt haben, darunter viele Polizeibeamte. Er wurde wegen Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, sein jüngerer Bruder wegen Propagandadelikten und dem Verrat von Dienstgeheimnissen angeklagt.[143] Ein drittes Chatgruppenmitglied wurde wegen der illegalen Weitergabe von Informationen aus Polizeidatenbanken (Geheimnisverrat), das vierte wegen des privaten Herunterladens von Bildmaterial zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen angeklagt. Offen blieb, ob die Anklagen auch unerlaubte Datenbankabfragen zu Adressaten von „NSU 2.0“ umfassten.[144]
Am 29. Juni 2021 verurteilte das Amtsgericht Alsfeld den älteren Kirtorfer wegen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz zu 14 Monaten Haft auf Bewährung und 1500 Euro Geldstrafe, zahlbar an die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Von den übrigen Vorwürfen sprach es ihn frei. Das Urteil war noch nicht rechtskräftig.[145]
Am 5. Oktober 2021 verurteilte das Amtsgericht Alsfeld einen Expolizisten wegen zweifacher Verletzung des Dienstgeheimnisses und Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 7.000 Euro, sprach ihn aber vom Vorwurf der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen frei. Laut Anklage hatte er im Februar 2018 eine Videodatei mit einem Hitlerbild in einer zehnköpfigen Chatgruppe geteilt sowie zwei „POLIS“-Abfragen ohne dienstlichen Anlass getätigt und die erlangten Informationen an Zivilpersonen weitergegeben. In seiner Wohnung hatte man im Dezember 2018 fünf Gas- und Schreckschusswaffen gefunden, davon zwei ohne erforderliche Waffenbesitzkarte.[146]
Gegen 15 von 31 Beamten der rechtsextremen Chatgruppe „Alphateam“ in Mülheim an der Ruhr wurden im Februar 2021 Strafverfahren wegen der Verbreitung antisemitischer und volksverhetzender Bilder eingeleitet. Bei elf von 15 Mitgliedern der Chatgruppe „Kunta Kinte“ im Polizeipräsidium Essen stellte die Staatsanwaltschaft Duisburg strafrechtlich relevante Bilder fest, etwa ein Foto vor dem Tafelbild eines Hakenkreuzes in einer Kegelbahn.[143]
Weitere Verdachtsfälle
Polizei Hessen
Bei den Ermittlungen zu „NSU 2.0“ wurden weitere rechtsextreme Verdachtsfälle in der Polizei Hessen bekannt. 2016 teilte ein Polizeidienstgruppenleiter in Mühlheim am Main in einer internen Chatgruppe drei Bilder mit rechtsextremen Botschaften. Eins zeigte eine Rentnerin, die ein Backblech mit Keksen in Hakenkreuzform in die Kamera hält. „Oma hat Plätzchen gebacken, sind nur etwas braun geworden“ stand darunter. Das zweite Bild zeigte drei dunkelhäutige Männer in Wehrmachtsuniformen mit der Textzeile „Bundeswer 2020“. Am Heiligabend 2016 verschickte der Beamte ein Bild, das ein mit Tannenzweigen und einem schwarz-weiß-roten Band geschmücktes Eisernes Kreuz zeigte, als „deutschen Weihnachtsgruß“. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte die Ermittlungen dazu im November 2019 ein, weil sie keinen hinreichenden Tatverdacht auf Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sah. Der Beschuldigte habe das Hakenkreuz nur einer geschlossenen kleinen Chatgruppe gezeigt und nicht annehmen oder wissen können, dass das Bild Dritten überlassen werden konnte. Somit sei das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens oder öffentlichen Verwendens des Symbols nicht erfüllt. Das zweite Bild sei eine von der Meinungsfreiheit gedeckte „geschmacklich fragwürdige Kritik an einer … befürchteten Personalentwicklung der Bundeswehr.“ Ein Aufstacheln zum Hass, Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden einer bestimmten Bevölkerungsgruppe liege nicht vor. Das dritte Bild zeige kein strafbares Symbol. Das Polizeipräsidium Südosthessen ließ offen, ob es ein unterbrochenes disziplinarrechtliches Verfahren gegen den Beamten nach dem Freispruch fortsetzen werde.[147]
2016 gab ein Polizist in Dieburg (Südhessen) ohne dienstlichen Anlass Informationen aus polizeilichen Datenbanken an eine Frau weiter, die Mitglied der Neonazigruppe „Aryans“ war.[148] Sie hatte ihn zuvor in einem gemeinsamen Chat gebeten, ihr Informationen zu zwei Neonazis herauszusuchen.[149] Dieser Fall wurde im Februar 2019 bekannt.[150] Das Amtsgericht Dieburg verurteilte den Beamten im März 2019 wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen zu einer Geldstrafe. Er hatte beteuert, er sei nicht rechtsextrem, sondern habe seiner früheren Freundin einen Gefallen tun wollen und nicht nach ihren Motiven gefragt.[151]
Am 27. Januar 2019, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, hängten vier Polizisten vor der Polizeistation in Schlüchtern die Bundesflagge und die Landesdienstflagge Hessens verkehrt herum auf. Damit zeigen Rechtsextreme und „Reichsbürger“ oft symbolhaft ihre Verachtung dieses Staates. Die Ermittlungen wurden jedoch Ende März 2019 eingestellt, da man von einem Versehen ausging.[152]
Im Dezember 2019 wurden nach Hausdurchsuchungen je ein Beamter aus dem Polizeipräsidium Westhessen und dem Polizeipräsidium Osthessen vom Dienst suspendiert, weil sie den „Reichsbürgern“ nahestehen sollten. Beamte im Polizeipräsidium Südosthessen sollen 2016 in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe vier Bilder mit rechtsextremem Inhalt ausgetauscht haben. Ein 21-jähriger Polizeikommissaranwärter wurde festgenommen, der mutmaßlich an einer Schlägerei mit ausländerfeindlichen Gesängen beteiligt war. Er quittierte freiwillig den Dienst.[153]
Bis 13. Dezember 2019 wurden weitere Vorfälle bekannt, darunter rassistische Äußerungen auf einem Volksfest, das Sammeln von Neonazidevotionalien und rechtsextreme Chatgruppen. Bis dahin ermittelte das LKA Hessen gegen 38 hessische Polizisten wegen rechtsextremer Umtriebe oder ging disziplinarrechtlich gegen sie vor.[154] Zeitweise stieg die Zahl der Verdachtsfälle in der hessischen Polizei auf mehr als 70.[20]
Berliner Justiz und Polizei
Aus persönlichen Daten in manchen NSU-2.0-Drohmails gegen Anne Helm, Martina Renner und das Landgericht Moabit ergab sich ein Verdacht auf Zuträger aus der Berliner Justiz und Polizei. Diese hatte eine jahrelange rechtsextreme Droh- und Anschlagsserie in Berlin-Neukölln bis dahin nicht aufgeklärt, obwohl die zwei hauptverdächtigen Neuköllner Neonazis Tilo Paulenz und Sebastian Thom beobachtet wurden. In einer Chatgruppe, zu der Paulenz gehörte, lieferte ein Polizist der Neuköllner AfD 2016 aktuelle Informationen zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. 2017 beteiligte sich ein Ermittler zu den Neuköllner Anschlägen an einem rassistischen Angriff auf einen Geflüchteten aus Afghanistan. Ein weiterer Berliner Polizist versandte Drohschreiben an linke Aktivisten. 2018 beobachtete der Berliner Verfassungsschutz Thom und Paulenz wochenlang beim Auskundschaften der Wohnadresse des Linksparteipolitikers Ferat Kocak. Trotzdem verhinderte die Polizei den folgenden Brandanschlag auf sein Haus nicht. Wenige Tage später beobachteten Verfassungsschützer ein Treffen von Thom mit einem Berliner Polizisten. Weil dieser sich nicht zweifelsfrei identifizieren ließ, wurden die Ermittlungen dazu eingestellt. Im Sommer 2020 bekundete der mit den Neuköllner Ermittlungen betraute Staatsanwalt Matthias Fenner in einem Chat Sympathie mit Paulenz; ein Kollege, der das Chatprotokoll in den Ermittlungsakten las, meldete den Fund nicht. Beide Staatsanwälte wurden Anfang August 2020 strafversetzt. Zudem fragten Polizisten unerlaubt Daten von zwei Opfern der Neuköllner Anschlagsserie ab. Mitte August machte die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Maja Smoltczyk bekannt, dass die Berliner Polizei sich weigerte, die Abfragen aufzuklären. Daher können die Daten in Drohmails an Berliner Adressaten ebenso aus der Neuköllner Naziszene wie von der Berliner Polizei stammen.[155]
Am 25. Juli 2019 fragte ein Berliner Polizist persönliche Daten des Satirikers Jan Böhmermann ab. Am 17. August 2020 erfuhr die Staatsanwaltschaft Frankfurt davon und befragte den Beamten. Als Grund seiner Abfrage nannte er eine Strafanzeige, an deren Grund und Urheber er sich nicht erinnerte. Laut der Polizei Berlin hatte er plausible dienstliche Gründe für die Abfrage. Diese sei mit seiner Zugangs- und Computerkennung protokolliert worden. Er werde daher nicht als Verdächtiger im Fall „NSU 2.0“ geführt.[156] Am 17. September 2020 berichtete die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) dem Innenausschuss des Hessischen Landtags von dieser Abfrage, teilte aber nicht mit, ob die abgefragten Daten danach in einer Drohmail auftauchten. Am 1. August 2020 hatte „NSU 2.0“ nach Medienberichten eine E-mail an andere Adressaten versandt, die Böhmermanns private Adresse enthielt.[157]
Hermann S.
Am 24. Juli 2020 ließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt in Landshut den 63-jährigen ehemaligen bayerischen Polizisten Hermann S. und seine 55-jährige Ehefrau vorläufig festnehmen. Ihre Datenträger wurden beschlagnahmt und ausgewertet. Jedoch fanden sich nicht genug Hinweise für einen Haftbefehl, so dass sie am Folgetag wieder freikamen.[158] Dem Paar wurde zunächst der Versand von sechs E-Mails mit der Kennung „NSU 2.0“ ab 21. Juli 2020 vorgeworfen.[159] Später wurden ihm zwölf Schreiben mit beleidigenden, volksverhetzenden und drohenden Inhalten zugeordnet.[2] Das Paar wurde als „Trittbrettfahrer“, nicht als Urheber der gesamten Drohserie eingestuft.[160] Kurz nach der Hausdurchsuchung bei dem Ehepaar wurden neue Mails vom Yandex-Account aus versandt.[6]
Der Expolizist Hermann S. nannte sich im Netz „Eugen Prinz“ und spielte damit wohl auf Eugen von Savoyen an. „Prinz Eugen“ ist ein beliebtes Pseudonym bei Rechtsextremen. Auch die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“, die zahlreiche Kriegsverbrechen in Jugoslawien verübte, wurde nach ihm benannt.[161] „Eugen Prinz“ nannte sich auch der Absender der Drohmails vom 22. Juli 2020 an mehrere Politiker der Grünen. Obwohl auch diese mit „NSU 2.0“ signiert waren, unterschieden sie sich von früheren Drohmails mit dieser Signatur. So fehlten darin persönliche Angaben zu den Bedrohten.[162] Der Expolizist bestritt, die Drohmails verschickt zu haben; die E-Mail-Adresse gehöre ihm nicht. Er behauptete eine Intrige: Jemand anderes wolle den Verdacht auf ihn lenken.[163] Laut Ermittlern fehlten bislang Hinweise, dass diese Mails mit dem Abruf persönlicher Daten von Polizeicomputern zu tun hatten.[164]
Bei der Hausdurchsuchung in Landshut fanden die Ermittler auch zwei versteckte Pistolen und eine Pumpgun, Schlagstöcke und Pfeffersprays. S. behauptete, die Waffen seien Erbstücke, deren Anmeldung er nur versäumt habe.[165] Er sei Sportschütze und habe eine Waffenbesitzkarte. Die Generalstaatsanwaltschaft München leitete ein Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes gegen ihn ein. Kontakte des Ehepaars zu den verdächtigen Frankfurter Polizisten wurden bis Ende Juli 2020 nicht gefunden.[166]
Hermann S. war bis 2004 Beamter bei der Polizeiinspektion Landshut im mittleren Dienst und hatte enge Kontakte zur Neuen Rechten. Er war seit 2017 als Autor des islamfeindlichen Portals PI News bekannt und schrieb auch für ein weiteres rechtsradikales Portal. Im Oktober 2015 behauptete S. auf dem Internetblog „klartext.la“ eines Landshuter CSU-Stadtrats, es drohe in Deutschland eine Welle von Vergewaltigungen („rape wave“) durch Geflüchtete. In einem Leserbrief vom März 2017 beschimpfte er Deniz Yücel als Journalisten ohne Anstand und Charakter. Yücel war kurz zuvor in der Türkei unrechtmäßig inhaftiert worden und ist einer der von „NSU 2.0“ Bedrohten. Im August 2018 hetzte S. gegen „triebgesteuerte Barbaren unter den Flüchtlingen“. Im Mai 2019 besuchte S. für PI News die „1. Konferenz der Freien Medien“ im Bundestag, zu der die AfD-Bundestagsfraktion eingeladen hatte. Daran nahmen mehrere vom Verfassungsschutz beobachtete neurechte und rechtsextreme Personen und Medien teil. Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelte seit 2017 öfter gegen S. wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Datenschutzverstoß und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Alle Verfahren wurden eingestellt.[161] Ende Juli 2020 leitete Bayerns Regierung gegen den Expolizisten ein Disziplinarverfahren ein.[167]
Hermann S. veröffentlichte seit Jahren hunderte von rassistischen Texten im Netz. Bis 2015 schrieb er unter Klarnamen auf der Webseite des Landshuter CSU-Stadtrats Rudolph Schnur. Seit einem kritischen Bericht der Landshuter Zeitung darüber lagerte Schnur die Rubrik „Zuwanderung“ aus. Seither schrieb Hermann S. auf zuwanderung.net und bei PI News als „Eugen Prinz“. PI-News bestätigte die Identität dieses Autoren mit dem Landshuter Expolizisten und startete eine Spendenkampagne für ihn. Sein Pseudonym ist bei rechtsextremen Islamfeinden beliebt, weil Prinz Eugen im Großen Türkenkrieg gegen die osmanischen Truppen gesiegt hatte. Daran anknüpfend, deutete S. muslimische Migranten und Geflüchtete als angebliche Bedrohung der Deutschen, prophezeite Rassenunruhen, behauptete einen „Genozid an der weißen Bevölkerung“ in Südafrika und fragte: „Kommen mit den Flüchtlingen auch die Seuchen?“ Artikel zur COVID-19-Pandemie betitelte er mit „Virusdiktatur“, „Merkels neuester Anti-Deutschland Plan“ oder „Nach Corona muss gelten: Deutschland zuerst!“ PI-News prangert oft Flüchtlingshelfer an und veröffentlicht ihre persönlichen Daten und Adressen. 2015 setzte ein anonymer Autor (eventuell Hermann S.) so eine Lehrerin aus Deggendorf einem Shitstorm aus. S. erstattete damals eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Betroffene. Bis 2017 hatte S. gute Kontakte zur CSU und referierte bei ihr zu einem angeblich erheblichen Anstieg der Kriminalität wegen der Zuwanderung. Aktuell unterstützt ihn der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron, der mit südafrikanischen Rassisten an Schusswaffen trainierte.[165]
Am 11. Mai 2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft München Anklage gegen Hermann S. in Landshut wegen des unerlaubten Besitzes eines Repetiergewehrs, zweier halbautomatischer Selbstladepistolen und von Munition.[168]
Emil A.
Nach Hinweisen britischer Ermittler nahm die Polizei am 15. Juni 2020 in Berlin den 33-jährigen Italiener und früheren Informatik- und Mathematikstudenten Emil A. als mutmaßlichen Absender der Bitcoin-Erpressermails an den britischen NHS fest. Kurz zuvor verschlüsselte er seinen Laptop, der bisher nicht entschlüsselt werden konnte. In seiner Wohnung fand man keine Hinweise auf eine rechtsextreme Haltung. In der Untersuchungshaft schwieg er. Die Ermittler vermuten, dass er seit 2018 auch andere Droh- und Erpressermails mit der Signatur „die Musiker des Staatsstreichorchesters“ versandt hat. Am 11. Dezember 2020 begann das Amtsgericht Berlin-Tiergarten gegen ihn einen Strafprozess wegen räuberischer Erpressung.[93]
Ermittlungsverlauf
August 2018 bis Juli 2020
Im August 2018 leitete das LKA Hessen die Strafanzeige von Seda Başay-Yıldız zunächst an das Polizeipräsidium Frankfurt weiter. Dieses leitete sofort interne Ermittlungen ein, ließ Büros und Privaträume der fünf Frankfurter Polizisten durchsuchen und beschlagnahmte ihre Telefone und Computer. Im Dezember 2018 wollte sich der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill für deren Entlassung einsetzen, falls sich der Verdacht auf Austausch rechtsextremer Inhalte erhärte.[169]
Die Frankfurter Polizei informierte das LKA zwar über die Ermittlungen, verschwieg aber vier Monate lang, dass das Drohfax eventuell aus den eigenen Reihen stammte. Obwohl dann das LKA zuständig gewesen wäre, ließ Landespolizeipräsident Udo Münch – nach eigenen Angaben ohne Rücksprache mit Innenminister Peter Beuth –, die Frankfurter Polizei weiter dazu ermitteln. Beuth wusste seit dem 6. August 2018 von der Strafanzeige und seit dem 28. September 2018 von den verdächtigen Chats der Frankfurter Beamten, informierte aber ebenfalls das LKA nicht, angeblich um keine Ermittlungen zu gefährden. Erst ab den Presseberichten vom Dezember 2018 informierte Münch das LKA über den konkreten Verdacht gegen Frankfurter Beamte. Daraufhin zog dieses den Fall an sich und fand dann in Kirtorf, dem Wohnort eines der verdächtigen Beamten, ein rechtsextremes Umfeld und Hinweise, dass weitere hessische Polizeibeamte in diese Strukturen verwickelt sein könnten. Politiker im hessischen Innenausschuss kritisierten die späte Übergabe an das LKA scharf.[128]
Am 14. Dezember 2018 setzte Beuth am LKA eine Ermittlergruppe auf den ursprünglichen Fall des Drohfaxes an. Das LKA erklärte, es sei nach Erlasslage verpflichtet, Ermittlungen zu übernehmen, wenn ein Verfahren das Ansehen der hessischen Polizei beschädigen könne. Dies galt intern als Hinweis auf die zunehmende Sorge vor Vertuschungen.[170] Am 19. Dezember 2018 wies Beuth die Vorwürfe zurück und betonte, die Behörden hätten die Vorgänge „unverzüglich mit Nachdruck verfolgt“. Es gäbe derzeit keine Anhaltspunkte für ein „rechtes Netzwerk“ bei der hessischen Polizei.[171] Bis dahin waren dort jedoch drei weitere hessische Polizisten mit rechtsradikalem Gedankengut und Verhalten aufgefallen. Diese Fälle sollten zunächst polizeiintern geprüft werden.[172]
Bis Februar 2019 gingen die Ermittler davon aus, dass die mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Schreiben an Seda Başay-Yıldız von der Polizei selbst stammten, weil der Abruf ihrer persönlichen Daten im 1. Frankfurter Revier die einzige Spur darstellten und einige Polizisten dort von der rechtsextremen Gesinnung ihrer Kollegen gewusst haben sollen.[17] Ab Februar 2019 stockte das LKA Hessen die „Besondere Aufbauorganisation“ (BAO) zu rechtsextremen Polizisten in Hessen auf 60 Beamte auf.[152] Diese BAO Winter sollte alle weiteren Fälle aufklären.[136]
Am 13. Dezember 2019 erklärte die Staatsanwaltschaft Frankfurt: Viele bisherige Verfahren seien abgeschlossen oder weit fortgeschritten. Die Zahl der übrigen Beschuldigten ändere sich dauernd je nach dem Ermittlungsstand. Die eigens eingesetzte BAO befrage weiter Zeugen und werte Material aus, um die Urheber der Drohbriefe „NSU 2.0“ zu finden. Hessens Innenministerium teilte mit, sechs der 38 verdächtigten Polizisten seien entlassen worden, ein siebter werde demnächst entlassen. In 17 Fällen habe sich der strafrechtliche Vorwurf nicht bestätigt. Ein Beamter sei tödlich verunglückt. Somit bearbeite die BAO derzeit noch 13 Verdachtsfälle.[154] 2020 gingen in einer Arbeitsgruppe „AG 21“ des LKA Hessen zeitweise 60 Beamte den Verdachtsfällen nach. Bis Juli 2020 wurden weitere verdächtige Polizisten aus dem Dienst entfernt, einige Verfahren wurden eingestellt.[20]
Einsatz eines Sonderermittlers
Am 9. Juli 2020 erklärte Peter Beuth, er habe von der Datenabfrage zu Janine Wissler vom Februar 2020 aus der Presse erfahren. Das LKA Hessen habe ihn darüber nicht informiert; das sei „völlig inakzeptabel“. Er räumte erstmals ein, dass ein rechtsextremes Netzwerk in der Polizei Hessen möglich sei. Er setzte den im Polizeipräsidium Frankfurt am Main tätigen Kriminaldirektor Hanspeter Mener als Sonderermittler ein. Dieser soll die weiteren Ermittlungen führen und darüber unmittelbar dem Landespolizeipräsidenten berichten.[173]
Doch schon am 5. März 2020 hatte das LKA das Landespolizeipräsidium laut internen Polizeivermerken bei einer Videokonferenz über eine „unberechtigte Datenabfrage […] im Polizeipräsidium Westhessen“ zu Janine Wissler informiert. Man habe den beteiligten Kollegen des Reviers sofort dazu vernommen. Dabei habe er angegeben, er kenne Frau Wissler nicht und könne sich nicht an die Abfrage erinnern.[37] Diese protokollarischen Vermerke wurden nicht an Peter Beuth weitergegeben. Die Gründe dafür wollte der Landespolizeipräsident intern klären.[174] Zugleich gelangten detaillierte Informationen zu den Ermittlungen im Fall Wissler an die Presse. Darum erstattete LKA-Präsidentin Sabine Thurau Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses.[37]
Beuths Berufung eines Sonderermittlers wurde als Zeichen für ein Zerwürfnis zwischen ihm und Sabine Thurau kritisiert: Damit spreche er einer Fachbehörde die Kompetenz ab und verschaffe dem Urheber der Drohbriefe maximale Aufmerksamkeit. Der Sonderermittler Hanspeter Mener sei als hartnäckig bekannt, könne aber nur auf einen Fehler des Briefautors hoffen.[175] Kritisiert wurde ferner, dass seit August 2018 nicht geklärt wurde, wer die erste Datenabfrage zur Empfängerin der Drohmails durchgeführt hatte und wer sonst zu den Polizeicomputern Zugang hatte. Dass Beuth die Abfragemechanismen bei polizeilichen Informationssystemen jetzt nochmals überprüfen lasse, lege nahe, dass dies bisher unterblieben sei. Davon lenke Beuth ab, indem er das LKA beschuldige und ihm einen Sonderermittler überordne. Das schwäche das LKA und gefährde den Ermittlungserfolg. Beuth müsse selbst Verantwortung für die fehlende Aufklärung übernehmen.[176]
Seda Başay-Yıldız kritisierte Beuth am 10. Juli 2020 scharf: Anders als Sabine Thurau, die ihrer Familie polizeilichen Personenschutz gewährt habe, habe er sich nie persönlich bei ihr und ihrer Familie gemeldet. Beuth solle die wichtige Arbeit des LKA zur Aufklärung struktureller Probleme nicht aus politischen Gründen torpedieren. Dass er erst bei Drohmails gegen Politiker einen Sonderermittler für nötig halte, sei „purer Aktionismus“ und vermittle ihr das Gefühl, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.[177]
Rücktritt des Polizeipräsidenten
Am 14. Juli 2020 trat Hessens Polizeipräsident Udo Münch zurück. Er war laut Peter Beuth schon im März 2020 über die unzulässige Datenabfrage im Polizeipräsidium Westhessen informiert, hatte dies aber nicht sofort an Beuth berichtet. Bisher sei kein kausaler Zusammenhang der Abfragen mit den Drohmails ermittelt worden. Die Regeln für polizeiliche Abfragen von Personendaten würden wegen der Vorfälle aber weiter verschärft. Er habe auch vom Fall Baydar erst am 8. Juli 2020 erfahren.[32] Über die weitere unerlaubte Abfrage zu Baydar im März 2019 sei das Innenministerium entweder gar nicht oder „zumindest nicht sachgerecht“ informiert worden. Das sei rasch aufzuklären.[27]
Jedoch kannten die hessischen Ermittlungsbehörden die Drohmails gegen Idil Baydar im März 2019 noch gar nicht, konnten dem Innenministerium also auch nicht davon berichten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt waren Strafanzeigen von Idil Baydar in Berlin eingegangen, so dass das Verfahren dort geführt wurde. Es wurde erst im Juli 2020 wegen der möglichen Bezüge zur hessischen Drohbriefaffäre nach Frankfurt abgegeben, ebenso die Verfahren zu Anne Helm und Martina Renner. Danach sei man auf die Abfrage vom März 2019 zu Baydar gestoßen.[30]
Am 17. Juli 2020 kündigte Beuth an, der Sonderermittler Hanspeter Mener werde umfangreiche Befugnisse erhalten, dürfe unkompliziert auf zusätzliches Personal zugreifen und das komplette IT-Fachwissen der Polizei sowie externer Partner nutzen. Er werde in das hessische Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum eingebunden und könne die dortige Vernetzung von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz für seine Ermittlungen nutzen. Schutz und individuelle Betreuung bedrohter Personen hätten oberste Priorität.[178]
Forderungen nach bundesweiter Ermittlung
Seit dem 10. Juli 2020 forderten verschiedene Bundespolitiker und Juristen den Generalbundesanwalt (GBA) auf, die Ermittlungen zu übernehmen. Bernd Riexinger vom Bundesvorstand der Linkspartei betonte, dass die Morddrohungen nicht nur Hessen beträfen, sondern die Demokratie und staatliche Institutionen bundesweit direkt angriffen. Zudem gebe es „erhebliches berechtigtes Misstrauen gegen die Federführung der LKA in Hessen und Berlin, die bisher keine Erfolge bei der Verfolgung und Zerschlagung rechter Netzwerke in der Polizei zu verzeichnen haben“.[179] Auch Martina Renner forderte den GBA zur Übernahme der Ermittlungen auf. Nach ihrem Eindruck seien „die Kommunikation, der Informationsaustausch und die Ermittlungsstrategie zwischen dem LKA Hessen, dem LKA Berlin und dem BKA nicht wirklich abgestimmt“. Daher könnten die Ermittler „Querbezüge zu anderen Komplexen“ zu wenig beachten, etwa zu den mit „NationalSozialistischeOffensive“ und „Staatsstreichorchester“ signierten Drohschreiben und zur seit Jahren laufenden rechtsextremen Anschlags- und Bedrohungsserie in Berlin-Neukölln. Der GBA wäre zuständig, da die Täter nicht nur Privatpersonen, sondern „den Staat in seinen Institutionen“ angriffen, etwa das Berliner Landgericht und gewählte Abgeordnete.[78] Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle unterstützte die Forderung. Nach Angaben vom 20. Juli 2020 legte die Staatsanwaltschaft Frankfurt das Ermittlungsverfahren wegen der „NSU 2.0“-Drohmails dem GBA „zur Prüfung einer Übernahme“ vor. Die Bundesanwaltschaft sah jedoch bisher keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Bildung einer terroristischen Vereinigung, die ihre Ermittlungen nach § 129a erfordern würden.[78]
Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser fordert einen bundesweiten, von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden unabhängigen Sonderermittler. Dieser solle länderübergreifende Netzwerke von rechtsextremen Polizeibeamten im Dienst und heutige Aktivitäten von entlassenen früheren rechtsextremen Polizisten ermitteln. Strasser verwies auf Beispiele wie die Polizisten in der Einheit des NSU-Mordopfers Michèle Kiesewetter, die Mitglied im Ku-Klux-Klan waren, rassistische Äußerungen aus dem Innenstadtrevier in Stuttgart, und Polizisten in der rechtsextremen Preppergruppe „Nordkreuz“, die für ihre Feindeslisten mutmaßlich Meldedaten aus Polizeicomputern abgegriffen hatten.[180]
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sah jedoch bis 15. Juli 2020 keine Anhaltspunkte dafür, dass die abfragende Person in den Fällen von Başay-Yıldız, Wissler und Baydar mit dem Versender der Drohmails identisch sei und diese von einem Polizeirevier aus versandt wurden. Nicht ausgeschlossen wird, dass die abgerufenen Daten an den oder die Absender der Drohmails weitergegeben wurden. Auch ein Zusammenhang mit Drohmails aus dem Umfeld von André M. wird vermutet.[25] Da bei den Datenabfragen jeweils verschiedene Polizeibeamte in den drei hessischen Polizeirevieren tätig waren, wird vermutet, dass mehrere die Daten ausspähten, die später für Drohschreiben des „NSU 2.0“ verwendet wurden.[78]
Bis Juli 2020 bat auch LKA-Präsidentin Sabine Thurau den GBA informell darum, den Fall zu übernehmen. Danach schloss sich auch der Frankfurter Oberstaatsanwalt Albrecht Schreiber dieser Bitte an. Seine Behörde übersandte dem GBA am 7. Juli 2020 jedoch nur drei der jüngsten Drohmails, nicht die vollständigen Ermittlungsergebnisse seit 2018. Auch deshalb sah die Bundesanwaltschaft die gesetzlichen Vorgaben für ihre Übernahme nicht als erfüllt an und gab an: Sie ist nicht für Bedrohungen oder Beleidigungen zuständig, sondern erst bei Gewalttaten oder wenn eine Gruppe handelt. Trotz der drei Abfragen in drei verschiedenen hessischen Polizeirevieren könnten die dort abgerufenen Adressen und Privatdaten auch auf anderen Wegen recherchiert worden sein. Daher ermitteln neben der „AG 21“ in Hessen eine Einheit namens „Triangel“ in Berlin und die Sicherungsgruppe des BKA für Bundestagsabgeordnete unabhängig voneinander zu den rechtsextremen Drohmails.[4]
Befragung im Innenausschuss
Am 21. Juli 2020 befragte der Innenausschuss des hessischen Landtags Innenminister Peter Beuth, Frankfurts Oberstaatsanwalt Albrecht Schreiber und Polizeipräsident Roland Ullmann zum Stand der Ermittlungen. Laut Beuth kannten die Ermittler bis dahin 69 Drohschreiben von „NSU 2.0“, viele mit Morddrohungen. Darüber informierten andere dieser Mails Mitempfänger, so einige Zeitungsredaktionen. Beuth gab die polizeilichen Datenabfragen zu Seda Başay-Yıldız, Idil Baydar und Janine Wissler bekannt; weitere Abfragen, die mit Drohschreiben zusammenhängen könnten, seien nicht bekannt.
Ermittelt wurde, welche Beamte jeweils an den Computern eingeloggt und wie viele dabei auf den Revieren im Einsatz waren. Insgesamt drei Bedienstete in den drei Revieren hatten laut Beuth irgendeinen virtuellen Kontakt zu Rechtsextremen im Internet. Reale persönliche Kontakte zu Rechtsextremen habe der Verfassungsschutz bei ihnen nicht gefunden. Dennoch seien die drei aus dem hessischen Polizeidienst entlassen worden.[181]
Die illegale Abfrage zu Idil Baydar vom März 2019 wurde im Oktober 2019 entdeckt. Doch erst im Juni 2020 wurde begonnen, die zwölf Polizeibeamten zu befragen, die damals in jenem Revier Dienst hatten. Am 13. Juli 2020 wurde gegen einen davon ein Disziplinarverfahren eingeleitet, offenbar unter dem Druck der Medienberichte.[182] Der Datenabruf zu Wissler wurde am 25. Februar 2020 festgestellt. Erst am 22. Juni 2020 wurde ein Beteiligter als Zeuge dazu vernommen. Beuth hatte nicht nach Parallelen der späteren Datenabfragen zum Fall Başay-Yıldız gefragt. Datenträger oder Mobiltelefone der bei den Abfragen diensthabenden Beamten wurden weder beschlagnahmt noch durchsucht. Laut Oberstaatsanwalt Schreiber war es in Wiesbaden üblich, dass sich ein Beamter einloggt und seinen Kollegen Zugriff auf den Computer ermöglicht. Daher fehle ein Anfangsverdacht gegen eine konkrete Person. Man habe weder den Absender der Drohmails noch die Gründe der Datenabfragen aufklären können, weil die Täter die Anonymität des Internets nutzten.[183] Die Vernehmungen der Beamten seien erst im Juni begonnen worden, weil sie als Zeugen und nicht als Beschuldigte eingestuft wurden, die Frankfurter Behörde den Fall Baydar erst im November 2019 aus Berlin übernommen habe und ab Februar 2020 die COVID-19-Pandemie in Deutschland gekommen sei. Dieses Vorgehen kritisierten die Oppositionsvertreter im Ausschuss scharf: Die Coronapandemie könne weder die späte Zeugenvernehmung noch die versäumte Sicherstellung von Beweismaterial noch die verspätete Einleitung von Disziplinarverfahren entschuldigen.[181]
Unklar blieb, warum Beuth dem hessischen Innenausschuss am 20. Juli 2020 nichts von der Drohmail vom Juni mit der aktuellen Wohnanschrift von Başay-Yıldız berichtet hatte. Beuth beteuerte nach deren Bekanntwerden im September, er und Landespolizeipräsident Roland Ullmann wüssten nichts von einer weiteren illegalen Datenabfrage bei der Polizei Hessen.[184]
Im September 2020 erfuhr der Innenausschuss, dass das LKA Hessen 25 Ermittlungsverfahren gegen 50 Beschuldigte, darunter Polizeibeamte, im Zusammenhang mit NSU 2.0 eingeleitet hat. Laut Stefan Müller (FDP Hessen) wurden bis dahin erneut persönliche Daten Prominenter von Polizeicomputern abgerufen. Die illegalen Datenabfragen wurden verspätet an den hessischen Datenschutzbeauftragten gemeldet. Die für die Auswertung zuständige Firma war in einen Korruptionsskandal verwickelt und musste abgezogen werden.[185]
Gutachten und Rechtshilfeersuchen
Die Ermittler der „AG 21“ ließen bis 23. Juli 2020 psychologische und sprachliche Gutachten zu den Mailabsendern erstellen, befragten Cyber-Experten und baten deutsche Geheimdienste um Unterstützung. Andreas May, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt, nannte das Tor-Netz und das technische Knowhow des oder der Absender als Haupthindernis auch für Cyber-Ermittler. Man müsse deren Identität auf andere Weise zu finden versuchen.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte dazu schon am 31. Juli 2019 ein Rechtshilfeersuchen an die Regierung Russlands gesandt. Auch das BKA sandte später Rechtshilfeersuchen an Russland sowie in die USA, um Zugriff auf Absenderdaten zu erhalten und deren Tarnung zu überwinden. Die Antworten stehen aus. Befürchtet wird, dass die bisherige Erfolglosigkeit der Polizei eine neue Welle von Bedrohungen und Hasskriminalität provozieren wird.[4]
Nach Eigenangaben bat Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, Außenminister Heiko Maas und Kanzleramtsminister Helge Braun darum, sich gegenüber der Regierung Russlands für eine beschleunigte Bearbeitung des Rechtshilfeersuchens zu dem Fall einzusetzen.[139]
Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) in Gießen führte die Versuche, die Verschlüsselung der Mailabsender zu überwinden. Zudem richtete das LKA eine eigene Website ein, um mit dem Täter zu kommunizieren. Zwei BKA-Kriminalistinnen in Wiesbaden werteten die Drohmails und Faxe linguistisch aus und verglichen ungewöhnliche Formulierungen darin mit Formulierungen im Netz. Ihr Gutachten dazu verwies auf einen Nutzer von PI-News als möglichen Verfasser. Das LKA in Hessen fand dann dessen Identität und Wohnsitz heraus. Nach seinen Angaben waren die Ermittlungen zu diesem Fall besonders aufwendig und umfassend.[99]
Weitere Maßnahmen
Gegen Datenmissbrauch
Das LKA Hessen bat die Polizeibehörden der anderen Bundesländer im Lauf der Ermittlungen zu NSU 2.0 um die Prüfung, ob Daten zu den Empfängern der Drohschreiben in ihren Datenbanken abgefragt worden waren. Jedoch sollen nur wenige Behörden die erbetene Prüfung durchgeführt und Rückmeldungen dazu geliefert haben. Daher waren weitere unentdeckte illegale polizeiliche Abfragen zu den Empfängern bis Mai 2021 nicht auszuschließen, wie auch fingierte Anrufe bei anderen Behörden, etwa Einwohnermeldeämtern oder Versicherungen.[186]
Wegen der Fälle von Datenmissbrauch führte Hessens Polizeipräsidium im Februar 2019 erstmals intern stichprobenartige Kontrollen von Abfragen aus dem internen Polizeiauskunftssystem (POLAS) ein: Bei jeder 200. Abfrage mussten die Beamten den Grund dafür angeben. Erschien dieser nicht plausibel, sollte der Datenschutzbeauftragte der Polizei dem Fall nachgehen. Dessen Kontrollvolumen stieg trotz der seltenen Stichproben von Februar bis August 2019 auf 9.000 mögliche Missbrauchsfälle. Im ganzen Jahr 2018 waren es 180 Fälle gewesen. Am 2. August 2019, genau ein Jahr nach der ersten Drohmail von „NSU 2.0“, räumte Polizeipräsident Holger Münch eine tausendfache private Nutzung des Auskunftssystems durch Hessens rund 18.000 Polizeibeamte ein. Dazu zählte auch der Abruf gespeicherter personengebundener Hinweise (PHW) von der Meldeadresse bis hin zu Drogenkonsum und psychischen Problemen. Gleichwohl nannte der GdP-Landesvorsitzende Andreas Grün die Abfragenzahl „ganz normal“ und verwies auf „Unverständnis“ seiner Kollegen über die Kontrollen. Jedoch kritisierte auch die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk den häufigen privaten Missbrauch von Datenabfragen bei der Polizei.[187]
Bis Dezember 2019 leitete das Innenministerium Hessen nach Eigenangaben ein Maßnahmenbündel zur Extremismusprävention ein, gab interkultureller Kompetenz und Demokratieverständnis in der Aus- und Weiterbildung von Polizisten mehr Raum, betreut Polizeianwärter/innen besser und schult Führungskräfte im Umgang mit Fehlverhalten und Diskriminierung. Weitere Inhalte für die Extremismusprävention unter Studierenden der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung würden erarbeitet. Das LKA unterziehe die aktuellen Fälle einer Strukturanalyse, um daraus weitere gezielte Maßnahmen schlussfolgern zu können. Bei polizeilichen Datenabfragen habe man bessere Kontrollmechanismen etabliert.[154]
Am 17. Juli 2020 kündigte Hessens neuer Polizeipräsident Roland Ullmann neue Verfahren an, um Missbrauch von Datenabfragen zu verhindern. Derzeit würden alle Zugangsberechtigungen zurückgesetzt, alle Polizisten erhielten neue Zugangsdaten, Datenschutz werde in jeder Dienststelle Chefsache. Die automatischen Stichprobenkontrollen zu elektronischen Datenabfragen würden engmaschiger geführt, die Passwortsicherheit erhöht. Künftig werde schon bei Abruf der Datenabfragemaske das Benutzerpasswort nachgefragt. Zudem soll eine Personenliste mit Personen des öffentlichen Lebens hinterlegt werden. Wer Daten dieser Menschen abrufen wolle, müsse sich das von Vorgesetzten bestätigen lassen.[178] Der Sperrbildschirm an den Rechnern solle sich schon nach drei Minuten aktivieren, um zu verhindern, „dass ein Beamter Zugriffsrechte auf den Account seines Kollegen hat.“ Drittabfragen würden umfangreich dokumentiert.[188]
Infolge der Drohmails wurde bekannt, dass pro Jahr bundesweit hunderte illegale Datenabfragen in Polizeicomputern vorkommen. Seit 2018 wurden mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren gegen deutsche Polizeibeamte eingeleitet. Die Kontrollmechanismen und Strafverfolgung solcher Dienstvergehen sind je nach Bundesland verschieden. In den meisten Bundesländern dürfen die Datenschutzbehörden solche Ordnungswidrigkeiten nicht ahnden.[189] Die Innenexperten der FDP und der Linken, Konstantin Kuhle und André Hahn, forderten bundesweit einheitliche Kontrollverfahren gegen den Abfragemissbrauch. Dieser müsse sofort gestoppt werden. Unzulässige Abfragen müssten viel rascher aufgeklärt und durch sofortige Entlassung der Täter bestraft werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer will illegale Datenabfragen bei der Polizei künftig durch technische Sicherungsmaßnahmen verhindern. Er ließ dazu prüfen, ob biometrische Merkmale der Abfrager beim Datenzugriff festgestellt werden können.[190]
Die Datenschutzbeauftragte für Berlin, Maja Smoltczyk, ließ einen Strafantrag ihrer Behörde gegen mutmaßliche Täter in Landesbehörden prüfen.[191] Sie kritisierte schon in ihrem Bericht von 2019, dass Abfragen in der Polizeidatenbank POLIKS auch ohne Angabe konkreter Gründe möglich waren. Polizeibeamte müssten nur sehr allgemeine Abfragegründe wie „Vorgangsbearbeitung“ oder „sonstiger Grund“ auswählen.[31]
Nach Recherchen von Netzpolitik.org werden Polizeiabfragen in Melderegistern, bei der Ausländerbehörde oder bundesweiten und internationalen Fahndungssystemen seit 2018 zwar oft protokolliert, doch kaum proaktiv und engmaschig überprüft. Nur zwei Bundesländer kontrollieren regelmäßig: in Baden-Württemberg jede 50., in Hessen jede 200. Abfrage. Die mehr als 400 möglichen unbefugten Datenbankabfragen seit 2018 hatten kaum strafrechtliche Folgen: Meist erhielten beteiligte Polizisten eine Geldbuße der Datenschutzbehörde im unteren vierstelligen Bereich, nur selten erfolgten zusätzliche dienstrechtliche Maßnahmen. In Mecklenburg-Vorpommern führte keins der seit 2018 abgeschlossenen Disziplinarverfahren zu einer Anklage. Nur in vier der bis Ende August 2020 noch laufenden 16 Disziplinarverfahren ermittelte die Staatsanwaltschaft. In einem Fall wählte eine junge Frau am 31. Dezember 2018 wegen öffentlicher antisemitischer und rassistischer Angriffe in Greifswald den Notruf. Nachdem sie auf Facebook anonym von dem Angriff und Anruf berichtete, rief der Beamte, der ihren Anruf aufnahm, ihre Daten aus drei Datenbanken ab. Direkt danach erhielt sie Drohungen von Rechtsextremen, die ihren vollen Namen und Telefonnummer auf Facebook veröffentlichten. Später erwies sich, dass der Polizist als AfD-Anhänger in jener Facebookgruppe aktiv war und mindestens 19 Mal unbefugt Privatdaten politischer Gegner abgerufen hatte. Die Betroffenen erhielten danach immer wieder Drohanrufe auf öffentlich unzugänglichen Telefonnummern. Der Beamte wurde suspendiert, aber nicht angeklagt. Die Staatsanwaltschaft stellte drei Verfahren gegen ihn ein, weil sie keinen ausreichenden Verdacht auf eine Schädigungsabsicht und Weitergabe der Daten sah. Jedoch wurden weder Computer und Smartphone des Polizisten beschlagnahmt noch seine Telefonverbindungen überprüft. Ein Drohanrufer wurde nicht zu seinen Kontakten mit ihm vernommen. Daraufhin reichte die Klägerin eine Verfassungsbeschwerde ein. Ihre Anwältin warf den Strafverfolgungsbehörden vor, sie hätten den Fall als Bagatelle behandelt, nur halbherzig gegen Kollegen ermittelt und wichtige Zeugen nicht vernommen. Gerade wegen der mutmaßlichen Verstrickung von Polizeibeamten in die Drohschreiben von „NSU 2.0“ sei „halbherzige Ermittlungsarbeit“ bei solchen Fällen nicht zu dulden.[192]
Infolge der NSU-2.0-Ermittlungen stellte sich heraus, dass hessische Polizisten die Privatdaten der Sängerin Helene Fischer im Juli 2018 vor einem ihrer Auftritte 83 Mal aus dem POLAS abgerufen hatten. Hessens Landespolizeipräsident räumte vor dem Innenausschuss des Landtags ein, dass es dafür kaum triftige Gründe gab. 2019 registrierte das LKA Hessen mehr als 1000 missbräuchliche Suchanfragen pro Monat. Auch in Berlin nutzten Polizisten die Datenbank POLIKS für illegale Abfragen, zum Beispiel im Jahr 2018, um Angehörigen der linken Szene Drohbriefe zu schreiben oder um die Exfreundinnen des neuen Lebensgefährten ausfindig zu machen und dann zu Gesprächen aufzusuchen. Oft wurden keine gültigen Abfragegründe angegeben; so schrieb ein Beamter einfach „Mickey Mouse“ in die Rubrik. Viele illegale Abfragen bleiben trotz verschärfter Kontrollen schon wegen der riesigen Menge unentdeckt: Die hessische Datenbank Polas wird täglich mehr als 40.000 Mal, das Schengener Informationssystem 220 Mal pro Sekunde abgefragt. Auch die Weitergabe von Passwörtern erscheint weiterhin möglich. Diese Sicherheitslücken hat der Drohmailschreiber laut Ermittlern vermutlich ausgenutzt, um Auskünfte zu erhalten.[193]
Hessens Landesdatenschutzbeauftragter erklärte am 7. Mai 2021, die hessische Polizei habe ihn verspätet über die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten bei „NSU 2.0“ informiert. Er habe das beim Landespolizeipräsidium beanstandet. Falls die fraglichen Personen identifiziert würden und ein „Mitarbeiterexzess“ vorliege, werde er den Fall weiterverfolgen. Grundsätzlich reichten technische Maßnahmen meist nicht aus, um personenbezogene Daten zu schützen. Nötig sei eine umfassende Sensibilisierung gegen die Gefahr unbefugter Datenweitergabe aus Landesbehörden.[194]
Am 8. Mai 2021 kündigte Innenminister Peter Beuth an, unbefugte Abfragen von Polizeicomputern zu erschweren. Externe Anfragen auf Revieren sollen generell schriftlich, nur in dringenden Fällen telefonisch erfolgen. Telefonauskünfte sollen durch die Vergabe eines Kennworts oder einen „legitimierten Rückruf“ abgesichert werden. Ein „Abfrageprotokoll“ soll allen Polizeibeamten das Überprüfen der Abfrage ermöglichen. Außerdem sollen alle Abfragen biometrisch abgesichert werden, etwa mit Venenscannern, Fingerabdruck und Gesichtserkennung.[112]
Meldestellen
Anfang August 2020 forderte Sebastian Fiedler (Bund Deutscher Kriminalbeamter; BDK) externe Ombudsstellen und Hotlines für Whistleblower, damit diese verfassungsfeindliche Vorgänge in der Polizei auch außerhalb des Dienstwegs melden können. Die Polizeibeauftragten einiger Bundesländer seien eher für Bürgerbeschwerden da. Das Landesinnenministerium von Baden-Württemberg wies den Vorschlag zurück: Auch Polizisten könnten sich an den Polizeibeauftragten wenden. Die SPD-Fraktion im Landtag und Vertreter der Grünen forderten von Innenminister Thomas Strobl (CDU) Aufklärung über die Verfahren bei polizeilichen Datenabfragen und mögliche Zusammenhänge der Drohmails mit der rechtsextremen Preppergruppe Nordkreuz.[195]
Expertenkommission
Am 18. August 2020 berief Hessens Innenministerium eine vierzehnköpfige Expertenkommission aus Wissenschaftlern, Vertretern der Polizei, Juristen, Menschenrechtlern und Journalisten. Sie soll die bisherigen Maßnahmen gegen Fehlverhalten einzelner Polizisten im Kontext der Drohmails, gewaltsamer Übergriffe hessischer Polizisten und anderer Vorfälle auswerten und Empfehlungen aussprechen, wie sie weiterzuentwickeln seien. Dazu darf die Kommission Dienststellen besuchen und uneingeschränkt mit allen Bediensteten sprechen. Vorsitzende ist die Rechtswissenschaftlerin und ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Angelika Nußberger, ihr Stellvertreter ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt Jerzy Montag.[196]
Opferberatung und Kostenübernahmestreit
Seda Başay-Yıldız bekam 2018 einen Waffenschein, eine Pistole und ein Schießtraining auf Staatskosten angeboten, lehnte dies aber als Verlagerung der staatlichen Schutzpflicht auf Selbstschutz ab. Seit Juli 2020 führte die Polizei mehrerer Bundesländer „Sensibilisierungsgespräche“ mit den an Leib und Leben bedrohten Personen und verwies sie darauf, worauf sie im Alltag auf der Straße und zu Hause achten sollen. Dabei gingen die Landeskriminalämter nicht von akuter Lebensgefahr für die Bedrohten aus.[197]
Bei den Drohmails von „NSO“, „Wehrmacht“, „NSU 2.0“ und „Elysium“ nahmen das BKA und das LKA Baden-Württemberg pure Angstmache eines unbestimmten Personenkreises ohne konkrete Tatabsicht an. Es handele sich um „eine Mischung aus Unmutsbekundungen und Erpressungsschreiben ohne erkennbare, resultierende Gefährdungslage“. Ein „schädigendes Ereignis“ sei bisher nicht eingetreten. Boris Weirauch, Rechtsextremismusexperte der SPD im Landtag Baden-Württemberg, kritisierte, dass die Bedrohungslage nur bei Kenntnis der Absender der Drohmails richtig einzuschätzen sei und das Landesinnenministerium seine Schutzpflicht für Betroffene nicht erfülle, sondern sich nur auf das BKA berufe.[198]
Nachdem Seda Başay-Yıldız mit ihrer Familie umgezogen war und erneut Drohmails an ihre nur der Polizei bekannte neue Adresse erhalten hatte, führte das hessische LKA im Januar 2019 eine Begehung mit anschließender Beratung zu Sicherungsmaßnahmen durch. Der Beratungsbericht stellte fest, das die Anwältin aktuell als „gefährdet, mit flankierenden Schutzmaßnahmen“ eingestuft werde, und listete eine Vielzahl von „sicherungstechnischen Empfehlungen“ auf. Daraufhin ließ sie ihre neue Wohnung gemäß einigen dieser Empfehlungen zusätzlich sichern.[22] Im Dezember 2020 kündigte sie an, sie werde Peter Beuth diese Maßnahmen in Rechnung stellen. Sie sei ja nicht Schuld daran, dass Polizisten ihre Daten abriefen und diese dann veröffentlicht wurden. Es sei Sache des Landes, diese Kosten zu tragen. Beuth hätte das von sich aus anbieten müssen.[199] Mitte Dezember 2020 sandte sie die Rechnung von 5083,93 Euro an Innenminister Peter Beuth und berief sich dabei auf den Beratungsbericht des LKA. Aus dem rechtswidrigen Datenabruf von einem Polizeicomputer, dem das erste Drohschreiben gefolgt sei, ergebe sich ein „amtshaftungsrechtlicher Anspruch“ auf eine Erstattung der Kosten für Schutzmaßnahmen, die ihr das LKA empfohlen habe. Mitte Februar 2021 antwortete Hessens Landespolizeipräsident Roland Ullmann: Das Innenministerium „bedauert zutiefst“, dass sich Başay-Yıldız und ihre Familie „nach wie vor aufgrund der an sie adressierten Drohschreiben bedroht fühlen“. Doch bestehe kein Anspruch auf Kostenersatz für ihre privaten Schutzmaßnahmen gegenüber dem Land Hessen. Vor allem gebe es keine Anhaltspunkte, dass die „rechtswidrige Datenabfrage ‚in Ausübung eines öffentlichen Amtes‘ erfolgte und dass insofern die eigentliche Zielsetzung, in der deren Sinn die Abfrage erfolgte, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist“.[22] Die Anwältin werde rund um die Uhr durch Verbindungsbeamte zum LKA betreut, die sie jederzeit erreichen könne. Für ihre öffentlichen Auftritte gebe es „lageangepasste Maßnahmen“.[200]
Başay-Yıldız kritisierte die Absage scharf: „Meine Familie ist zum Abschuss freigegeben, und der hessische Innenminister will keine Verantwortung übernehmen.“ Der Fall sei „kein Privatproblem“, die Abfrage sei durch hessische Beamte während der Dienstzeit von einem Dienstcomputer erfolgt. Sie habe nur das getan, was das LKA ihr empfohlen habe. Die Rechtsauffassung des Innenministers sei rechtswidrig und untergrabe das Vertrauen in den Rechtsstaat.[22] Auch Oppositionsvertreter im hessischen Landtag kritisierten Beuths Ablehnung, weil offenkundig erst staatliche Versäumnisse, das jahrelang nicht geschlossene Datenleck bei der Frankfurter Polizei, die Schutzmaßnahmen der Anwältin verursacht hatten.[200] Der Juraprofessor Günter Frankenberg stützte den Amtshaftungsanspruch mit einem Gutachten: Başay-Yıldız stehe eine Kostenerstattung „für den rechtswidrigen und schuldhaften Abruf persönlicher Daten durch Amtsträger von einem polizeilichen Computer in einer polizeilichen Dienststelle während der Dienstzeit“ zu. Das mache den Datenabruf zu einer polizeilichen Anfrage. Es sei daher „nicht nur abwegig, sondern nachgerade absurd darzutun, die amtsmissbräuchliche, rechtswidrige Erlangung und Verwendung der persönlichen Daten sei nur ,bei Gelegenheit’ der polizeilichen Tätigkeit der bis dato identifizierten und suspendierten Polizeikräfte geschehen“. Als Privatpersonen wäre diesen Polizeikräften der Online-Zugang zu den polizeilichen Datenbanken ja verwehrt. Ihre Amtsanmaßung zum gravierenden Nachteil der Rechtsanwältin müsse sich die Anstellungskörperschaft zurechnen lassen, auch wenn diese den Vorgang und dessen Ziel missbillige. Das ergebe sich eindeutig aus Artikel 34 des Grundgesetzes.[201]
Beuth wollte laut Angaben des Innenministeriums im Hessischen Landtag andere Wege für eine Kostenübernahme prüfen lassen. Bis April 2021 reagierten Beuth und Ullmann jedoch nicht auf den Kostenübernahmeantrag und das Gutachten. Daraufhin kündigte Başay-Yıldız eine Klage gegen das Land Hessen an.[24] Am 6. Mai 2021, nach der Festnahme eines Tatverdächtigen, sagte Beuth im Innenausschuss des Landtags, das Innenministerium werde Başay-Yıldız einen Teil ihrer Kosten für Sicherungsmaßnahmen erstatten. Dies habe er der Anwältin persönlich geschrieben. Die Regeln für die Kostenübernahme in besonderen Fällen wie diesem würden gegenwärtig erarbeitet.[202]
Unterstützergruppe
Seda Başay-Yıldız, Idil Baydar, Janine Wissler, Martina Renner und Anne Helm bildeten im Juli 2020 eine Gruppe, um sich gegenseitig gegen die Drohungen und im Umgang mit den Behörden zu unterstützen. Başay-Yıldız erhielt für ihren Tweet „Grüße an den OberSTRUMPFbandführer - ihr bekommt uns nicht klein“ vom 16. Juli 2020 eine enorme Solidarität. Helm betonte, der Austausch der betroffenen Frauen sei sehr wichtig, da deren Bedrohungssituation durch die persönlichen Informationen im Besitz der Täter massiv verstärkt worden sei. Baydar ordnete die Drohungen historisch ein und betonte die Kontinuität von den Pogromen gegen Migranten und türkischstämmige Deutsche in den 1990er Jahren über Thilo Sarrazins „wirre Auslesethesen“ bis zu den rechtsterroristischen Morden des NSU und in München, Kassel, Halle und Hanau.[203]
Belohnung
Am 19. November 2020 bot Seda Başay-Yıldız 5000 Euro Belohnung für Hinweise an, die zur Ermittlung oder Ergreifung der Urheber von „NSU-2.0“-Drohmails führen würden. Dazu ließ sie eine E-Mail-Adresse (Hinweise_NSU2.0@protonmail.com) freischalten. Sie sah in der Maßnahme „die letzte Möglichkeit“, den Fall aufzuklären, und hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass dies der Polizei nach 27 Monaten noch gelinge. Die Strafverfolgungsbehörden hatten keine Belohnung ausgesetzt. Sprecher betonten, es sei entscheidend, dass eingehende Hinweise an sie weitergeleitet werden.[204]
Başay-Yıldız entschied sich zu diesem Schritt, weil immer wahrscheinlicher geworden war, dass die Absender der Drohmails an sie aus der Frankfurter Polizei kamen, sich aber gegenseitig deckten oder schwiegen. Sie erhielt keine Akteneinsicht, keine Auskunft zum Ermittlungsstand und durfte keine Bilder der verdächtigen Polizisten sehen. Stattdessen ließ der eingesetzte Sonderermittler ihre früheren Nachbarn befragen, ob die Anwältin selbst Anlass zu der Bedrohung gegeben haben könnte. Man riet ihr, ihr Haus auf eigene Kosten sicherheitstechnisch aufzurüsten. Obwohl nur ein sehr kleiner Polizeikreis ihre gesperrte neue Adresse kannte, erschien dort ein Unbekannter, der das neue Haus von allen Seiten fotografierte. Darum und weil der Täter ihre neue, geheime Adresse schon kannte und diese an verschiedene Medien geschickt hatte, konnte sie nicht mehr nur auf die Arbeit der Polizei vertrauen und wollte nicht abwarten, „bis uns jemand abknallt“.[205]
Adressenweitergabe durch die Landesregierung
Im August 2019 erhielten zehn Personen oder Stellen der hessischen Polizei eine interne Mail, die die gesperrte Wohnanschrift von Seda Başay-Yıldız sowie die Adressen ihrer Kanzlei und der Kindertagesstätte ihrer Tochter enthielt. Bis spätestens Juni 2020 hatten der oder die Absender von „NSU 2.0“ auf unbekannte Weise Kenntnis ihrer neuen gesperrten Adresse erlangt. Im selben Monat setzte der Hessische Landtag einen Untersuchungsausschuss ein, der mögliche Versäumnisse hessischer Behörden beim rechtsextremen Mord an Walter Lübcke (1. Juni 2019) aufklären sollte. Im Mai 2021 vermutete Sonderermittler Hanspeter Mener öffentlich, der oder die Drohmailautoren könnten die gesperrte Adresse der Anwältin aus ihrem persönlichen Umfeld erhalten haben. Başay-Yıldız wies diese Verdächtigung als „Unverschämtheit“ zurück. Im Juli 2021 sandte Hessens Landesregierung dem Lübcke-Ausschuss und allen darin vertretenen Fraktionen des hessischen Landtags umfangreiche Unterlagen. Darin war auch jene interne Polizeimail mit den ungeschwärzten Adressen von Seda Başay-Yıldız und der Kita ihrer Tochter enthalten.
Der Vertreter der Linksfraktion Hermann Schaus entdeckte die Adressen in den Ausschussakten und bat Innenminister Peter Beuth, Staatskanzleichef Axel Wintermeyer und den Ausschussvorsitzenden Christian Heinz (alle CDU) schriftlich darum, diese Daten rasch uneinsehbar zu machen, bevor sie in falsche Hände gerieten. Wintermeyer zog die Akten jedoch nicht zurück, sondern wies alle Fraktionen in einer Mail auf die kritische Passage hin und leitete die Bitte von Schaus mitsamt der Fundstelle an sie weiter. Er betonte, die interne Polizeimail sei im Landespolizeipräsidium in einem Aktenordner im Kontext des Mordes an Walter Lübcke angelegt worden. Die Landesregierung lege dem Ausschuss alle diese Akten vollumfänglich vor. Daten darin würden nur auf Beschluss des Untersuchungsausschusses unkenntlich gemacht.[206] Auch Heinz schickte die Unterlagen und den E-Mail-Wechsel mit Schaus an alle Landtagsfraktionen.[207]
So machte die Landesregierung die Adresse der von Rechtsextremen bedrohten Anwältin einem Untersuchungsausschuss bekannt, in dem die AfD vertreten ist, und der einen rechtsextremen Mord untersucht, dessen Täter AfD-Kontakte hatte. Indem die Staatskanzlei es dem Ausschuss überließ, die Schwärzung der Adressen nachträglich zu beschließen, ließ sie die AfD über die Privatsphäre einer seit Jahren von rassistischen Morddrohungen Betroffenen mitentscheiden. – Medienberichte und oppositionelle hessische Politiker kritisierten den Vorgang scharf: Er bedeute (so die taz), „dass hessische Behörden weiterhin auf die Menschenwürde von Betroffenen von rechter Gewalt und Morddrohungen pfeifen – in einem Untersuchungsausschuss über einen rechtsextremen Mord. Akten über rechte Strukturen schützen sie gleichzeitig peinlich genau mit dem Verweis auf Quellenschutz.“ Dies bezog sich darauf, dass die Landesregierung aus CDU und Grünen die Freigabe der hessischen Verfassungsschutzakten zum NSU abgelehnt und sie zunächst bis ins Jahr 2134, später bis 2044 hatte sperren lassen. Der Kommentar zitierte Başay-Yıldız mit ihrer Frage von 2019: „… wer schützt unsere Würde vor dem Staat und seinen Repräsentanten in einer Zeit, in der Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst kleingeredet wird?“[208]
Die Anwältin reagierte entsetzt auf die Weitergabe ihrer Adressen und fragte die Landesregierung öffentlich, warum und wie diese in die Akten für den Lübcke-Ausschuss gelangt waren und was ihre aktuelle Bedrohung mit dem Ausschussthema zu tun habe.[206]
Ihre Fragen blieben unbeantwortet. Im Oktober 2021 rechtfertigte Innenminister Peter Beuth die Weitergabe der ungeschwärzten Adresse: Die Landesregierung müsse bei der Aktenweitergabe an den Landtag nur „staatliche Schutzinteressen“ berücksichtigen, nicht den „Schutz von Privatgeheimnissen“. Letzteres habe der Untersuchungsausschuss „selbst zu entscheiden“. Dieser entschied erst daraufhin, die Passage mit den Adressen zu schwärzen.[207]
Rezeption
Einordnungen
Bis Juli 2020 zeigte sich, dass „NSU 2.0“ bevorzugt linksgerichtete, öffentlich antifaschistisch engagierte Frauen mit Migrationsgeschichte bedrohte, dabei Rassismus mit Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus verband[209] und allen Adressaten die Botschaft vermittelte: „Wir setzen das Mörderwerk der Terroristen des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘ fort“.[197] Somit seien die Absender, so Vanessa Fischer (Neues Deutschland), als rechtsextremes und antifeministisches Terrornetzwerk zu bezeichnen.[210]
Kern seiner Ideologie ist die Vorstellung einer patriarchalen, von weißen Männern dominierten Ordnung. Diesen Machtanspruch sah „NSU 2.0“ wie die Attentäter beim Anschlag in Toronto 2018, beim Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch und Anschlag in Halle (Saale) 2019 von selbstbewussten, besonders nichtweißen Frauen gefährdet. Idil Baydar, Anne Helm, Martina Renner und die ebenfalls bedrohte Sevim Dağdelen verwiesen darauf, dass sie gezielt als Hassobjekte ausgewählt wurden: „Die Gewalt- und Mordfantasien werden sexualisiert, um so eine größtmögliche Wirkung zu erzielen.“[211] Laut Anne Helm benutzten die Absender eine eindeutige NS-Sprache und sprachen explizite Todesurteile über Antifaschistinnen aus.[54] In ihrem völkischen Weltbild müssten Frauen dem Erhalt eines „imaginierten Volkskörpers“ dienen, den Migrantinnen für sie gefährdeten. Sie projizierten ihre eigenen sexualisierten Gewaltfantasien auf Geflüchtete und People of Colour.[212]
Die Politikwissenschaftler Alexandra Kurth[77] und Wolfgang Schroeder bestätigten den Zusammenhang von Rassismus und Sexismus im Täterweltbild. Die Drohschreiben seien Teil einer „systematischen Einschüchterungskampagne“.[213] Laut der Autorin Eike Sanders bedrohten die Täter gezielt Frauen in offenen sozialen Rollen, „die ihnen das patriarchale und rassistische System nicht zugesteht“. Weil die Überordnung von Männern über Frauen zu ihrem Weltbild gehöre, verwandelten sie Feminismus und „Gender-Mainstreaming“ in ein bedrohliches, verschwörungsideologisches, übermächtiges Feindbild. Rechtsextremismus, Antifeminismus, Antisemitismus und Rassismus seien gemeinsame, sich gegenseitig verstärkende Kerne der Drohmails und rechter Terroranschläge. Gleichwohl stufe die Kriminalstatistik solche Mails nicht als Gewalt gegen Frauen ein und blende diesen Aspekt auch bei rechtsextremen Straftätern meist aus. Die Drohmailschreiber fühlten sich daher „in ihrer Männlichkeit als Krieger und Helden berufen, einen vermeintlich natürlichen Zustand wiederherzustellen“ und einen imaginierten Volkswillen zu vollstrecken.[214]
Weil auch dem Mord an Walter Lübcke solche Drohmails vorausgegangen waren, sprach BKA-Chef Holger Münch im April 2020 von einer „demokratiegefährdenden“ Entwicklung.[86] Mit ihnen und dem Aggressionspotenzial der Proteste während der COVID-19-Pandemie in Deutschland sah Volker Beck die rechte Terrorgefahr auf einem „stabilen Dauerhoch angelangt“. Jutta Ditfurth verwies auf die Kontinuität dieser Angriffe seit den 1980er Jahren. Die Ausbreitung rechtsextremer Strukturen ähnele in mancher Hinsicht dem Aufstieg des Nationalsozialismus, obwohl sie langsamer erfolge.[215]
Die Journalistin Heike Kleffner betonte im Blick auf diese Kontinuität: „Die Täter-Opfer-Umkehr und der institutionelle Rassismus der polizeilichen Ermittlungen im NSU-Komplex haben das Vertrauen vieler in die Polizei nachhaltig gestört. Was bis heute immer wieder verpasst wurde: den Betroffenen zuzuhören, ihre Forderungen nach tiefgreifenden Veränderungen ernst zu nehmen - diese Möglichkeit und auch Chance hat die Polizei nach dem NSU-Komplex überwiegend vertan.“[203]
Annette Ramelsberger (Süddeutsche Zeitung – SZ) verglich die Verdachtsfälle in der Polizei Hessen mit der bundesweiten Zunahme von Rechtsextremisten in Parlamenten und Staatsbehörden, von illegalen Munitionslagern, Todeslisten und Terrorplänen bei der Bundeswehr. Diese „rechte Unterströmung“ sei in den letzten Jahren immer stärker geworden. Durch die Rhetorik vom „Volkstod“ und „Bevölkerungsaustausch“ in Parlamenten fühlten sich Gewaltbereite jetzt gehört, verstanden und legitimiert, sich dagegen mit Waffengewalt zu „wehren“.[76]
Die New York Times (NYT) berichtete im Dezember 2020 ausführlich über die Drohmails und erinnerte an die von den Alliierten nach 1945 angestrebte Entnazifizierung. Obwohl deutsche Polizisten in ihrer Ausbildung über die NS-Zeit aufgeklärt würden, tauchten dort nun immer mehr rechtsextreme Chatgruppen und Neonazipropaganda auf, begünstigt von der AfD. Diese versuche seit ihrer Gründung deutsche Sicherheitsbehörden zu infiltrieren und sei damit besonders in den östlichen Bundesländern weit vorangekommen. So habe Björn Höcke Polizei- und Verfassungsschutzbeamte öfter zur Befehlsverweigerung aufgerufen und die Bundesregierung als ihren Feind dargestellt. Fraglich sei, ob Polizeibehörden Rechtsextreme in den eigenen Reihen angemessen strafverfolgen. Die hauptbetroffene Başay-Yıldız habe dazu kein Vertrauen mehr.[216]
Kritik an den Ermittlern
Mehmet Daimagüler sah die Datenabrufe und Drohmails an Seda Başay-Yıldız ab Dezember 2019 als Folge davon, „dass das Thema NSU in der Politik abgehakt ist und dass es keine größere Debatte über institutionellen Rassismus gibt“.[170] Am 24. Juli 2020 erklärte er in einem Interview: Er habe schon mehrere Drohmails angezeigt, doch die Verfahren dazu seien alle eingestellt worden, ohne ihn darüber zu informieren und Gründe dafür zu nennen. Viele seiner Mandanten erlebten dasselbe und verzichteten daher oft auf Strafanzeigen. So hätten die Bedroher schon einen Teil ihres Ziels erreicht. Deshalb überlege man sich letztlich, wie man sich selbst schützen könne. In anderen Staaten hätte die hessische Landesregierung nach einer Bestandsaufnahme wie der vom 21. Juli 2020 komplett abtreten müssen. Nach dem nicht aufgeklärten NSU-Mord an Halit Yozgat (6. April 2006) und jahrelangen Drohmails von „NSU 2.0“ stehe man vor einer „hessischen Bankrotterklärung“. Zwischen der staatlichen Verharmlosung des NSU, rassistischer Polizeiarbeit, Nichtaufklärung der Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes und den Drohmails bestehe ein Zusammenhang. Seine im NSU-Prozess geäußerte Befürchtung, „nach dem NSU ist vor dem NSU“, habe sich bestätigt. Er persönlich habe keine Angst, aber dass der Staat bedrohte engagierte Menschen allein lasse, sei „verheerend für die Demokratie“ und zerstöre diese früher oder später. Mehrere Bundesländer wüssten nicht mit rechtsextremen Beamten in Sicherheitsbehörden, Polizei und Bundeswehr umzugehen. Dort seien „Putschisten in spe“ am Werk, die „gegen diesen Staat arbeiten“. Dafür müssten organisatorische Lösungen von außen gefunden werden.[217]
Nach der Entlassung des Polizeipräsidenten kritisierten Medienkommentare, Peter Beuth habe 2018 nicht genug Druck auf die Polizei seines Landes gemacht, den Fall aufzuklären, und ein rechtsradikales Netzwerk in der hessischen Polizei zu lange bestritten. Er habe zu unentschlossen auf die ersten Drohmails von „NSU 2.0“ reagiert, so dass weder diese Serie gestoppt noch erneute Zugriffe mutmaßlich rechter Polizisten auf persönliche Daten verhindert wurden. Das habe das Misstrauen gegenüber Polizisten vermehrt. Das umfassendere Problem aber sei die Zunahme des Rechtsextremismus im Internet, besonders von Feindeslisten und Morddrohungen an Menschen mit Migrationshintergrund, Antifaschisten, Journalisten und Politiker, oft Frauen. Dabei gehe es methodisch darum, Personen einzuschüchtern oder mundtot zu machen. Die häufig eingestellten Ermittlungen dazu seien für Betroffene nicht nachvollziehbar. Hier sei zu prüfen, ob schärfere Gesetze, mehr Personal oder beides für Ermittlungserfolge nötig seien. Die von Beuth versprochene bessere Opferbetreuung müsse selbstverständlich sein und nicht nur für die Opfer von „NSU 2.0“ gelten.[218]
Am 14. Juli 2020 kritisierte Idil Baydar das Polizeiverhalten zu ihr öffentlich scharf: Sie habe Angst vor der Polizei, weil diejenigen, die sie eigentlich schützen sollten, offenbar Teil eines rechtsextremen Netzwerks von unbekanntem Ausmaß seien.[219] Ihre Bedrohungslage sei der Polizei offenbar gleichgültig, da sich dazu bisher kein einziger Polizist bei ihr gemeldet habe. Stattdessen sei die Polizei eher „beleidigt“, dass sie die Drohungen nun öffentlich gemacht habe. Spätestens seit dem NSU-Prozess sei ihr bewusst, dass die Polizei gegen Migranten eingestellt sei und eher die Opfer einer Straftat kriminalisiere. So seien die Tode von Oury Jalloh und Amad Ahmad nach Zellenbränden in Polizeihaft keine Einzelfälle. Sie wünsche sich von der Polizei eine lückenlose Aufklärung und „ein echtes Signal“, dass Rechtsextremismus in der Polizei keinen Platz habe. Gerade nach den NSU-Morden sei Kritik an der Polizei notwendig, da diese „ein bewaffnetes Staatsorgan und kein Schützenverein“ sei. Dabei gehe es nicht um einen Generalverdacht, sondern „um Strukturen, die begünstigen, dass es rechten Terror sogar aus den Reihen der Polizei geben kann“.[28] Bei einer Protestveranstaltung in Frankfurt am Main am 19. Juli 2020 fragte Baydar: „Wie kann die Polizei die Täter nicht finden? Die Amerikaner haben Osama bin Laden in einem Erdloch gefunden, und die wollen mir erzählen, dass es zu schwierig ist, die Absender zu finden?“ Der Rat der Polizei, ihre Telefonnummer zu ändern, sei wie der Rat an eine Frau: „Zieh keinen Minirock an, dann wirste auch nicht vergewaltigt“.[11]
Die bedrohte Bundestagsabgeordnete Martina Renner geht wegen der zeitlich und räumlich gestreuten illegalen Datenabfragen und sonstigen Vorfälle von einem rechtsradikalen Netzwerk bei der Polizei in Hessen aus. Diese müsse endlich zugeben, dass sie ein strukturelles Problem mit rechtsgesinnten Beamten habe.[220] Renner verwies auf rechtsextreme Anti-Antifa-Aktionen wie Verfolgen und Ausspähen persönlicher Daten ihrer Gegner seit den 1990er Jahren, denen Angriffe, Tätlichkeiten und Brandanschläge auf sie oder Parteibüros, alternative Zentren und Flüchtlingshelfer folgten. Bei der ungeklärten Serie von Brandanschlägen in Neukölln habe es auch einen Mordversuch gegeben. Die Sorge sei gewachsen, seit bekannt ist, dass die Daten von der Polizei und der Justiz stammen könnten. Die Bedrohten wüssten daher manchmal nicht mehr, wer Feind und wer Freund sei. Sie müssten mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und ihnen neue Drohmails und Auffälligkeiten melden; doch manchmal habe es auf genau denselben Dienststellen rechtsextreme Vorfälle gegeben. Sie erinnerte an die Verdachtsfälle von rechtsextremen Berliner Polizisten. Sie sehe Ähnlichkeiten zwischen den Absendern, aber auch Unterschiede. Behördeninterna kämen nur in den Drohmails von „NSU 2.0“ vor. „Staatsstreichorchester“ habe seine Drohungen immer mit Erpressungsversuchen von Geld verbunden. Die „NationalSozialistischeOffensive“ („NSO“) habe auch einen bestimmten Sprachstil. Dennoch beziehe sich „NSU 2.0“ auf den Drohmailschreiber André M. und auf das „Staatsstreichorchester“, so dass eine Verbindung unter ihnen zu vermuten sei. Die letzten mit „NSU 2.0“ signierten Drohmails zeigten die Handschrift von Nachahmern. Die Wiesbadener Beamten, an deren Rechnern die Abfragen zu Janine Wissler und Idil Baydar stattfanden, seien als Beschuldigte anzusehen. Solche Abfragen seien strafbare Beihilfedelikte und gegebenenfalls Geheimnisverrat, und dies sei den beteiligen Beamten bekannt. Daher müsse man ihre Arbeitsplätze, Dienstrechner und Diensttelefone, unter Umständen auch ihre Privaträume durchsuchen, um Beweismittel zu sichern, bevor diese vernichtet würden. Mittlerweile seien solche möglichen Spuren sicher alle gelöscht worden.[221]
Isabelle Reifenrath (Norddeutscher Rundfunk) nannte die Drohmails, die Datenabfragen vorher und die jahrelang erfolglose oder versäumte Aufklärung einen „gigantischen Skandal“, der die Glaubwürdigkeit der gesamten deutschen Polizei unterhöhle. Unerklärlich sei, dass:
- Innenminister Seehofer sich nicht dazu geäußert habe, aber gleichzeitig strukturellen Rassismus in der Polizei bestreite;
- die Coronapandemie Ermittler von Verhören abgehalten haben soll;
- der GBA sich trotz Adressaten in acht Bundesländern nicht zuständig sehe.
Die Polizei Hessen gegen sich selbst ermitteln zu lassen, sei völlig unangemessen. Von Einzeltätern könne man nicht mehr ausgehen. Bei Morddrohungen gegen Anwälte von NSU-Opfern, Bundestagsabgeordnete und den Zentralrat der Muslime handele es sich klar um bundesweiten Terror eines Netzwerks. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages habe das Staatsversagen bei der Aufdeckung des NSU belegt. Die Aufklärung zu den Drohmails müsse daher auch dazu beitragen, das bisher unaufgeklärte NSU-Täterumfeld aufzuhellen. Der Staat sei zudem verpflichtet, die jetzt Bedrohten effektiv zu schützen. Sonst wiederhole sich das Staatsversagen.[222]
Am 19. August 2020 bei einer Podiumsdiskussion mit dem Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill kritisierten Seda Başay-Yıldız, Meron Mendel (Direktor der Bildungsstätte Anne Frank) und die Journalistin Heike Kleffner ein zu langsames Tempo der Ermittlungen zu den Drohmails, zu geringe Fortschritte dabei und zu wenig Konsequenzen für die betroffenen Polizisten. Die Anwältin erklärte, sie rechne nicht mehr damit, dass die Polizei den oder die Täter finden werde.[223]
Nachdem am 3. September 2020 eine weitere illegale Datenabfrage bei der Polizei zu Seda Başay-Yıldız wahrscheinlich geworden war, wuchs die Kritik an Peter Beuth. Günter Rudolph, den parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, nannte den Fall ein „deutliches Alarmsignal“. Beuth habe diese Straftaten zwei Jahre laufen gelassen und dann erst Sicherungsmaßnahmen gegen illegale Datenabfragen angekündigt. Er habe die Problematik schlicht nicht erkannt und sei damit Teil des Problems. Der innenpolitische Sprecher der Linken im Landtag Hermann Schaus betonte: „Dieser Laissez-faire-Stil, den die Ermittler an den Tag legen, muss mit Hochdruck geändert werden.“[42]
Infolge der Ermittlungen zu „NSU 2.0“ wurden bis September 2020 auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) rechtsextreme Chatgruppen und mindestens 105 rechtsextreme Vorfälle von Polizeibeamten NRWs seit 2017 bekannt. Redakteur Jörg Diehl (Der Spiegel) kritisierte, seit 2018 hätten die Innenminister der Länder den Fund der hessischen Chatgruppe „Itiotentreff“ reflexhaft als Einzelfall abgetan und damit ihren Beamten ein „verheerendes Signal der Untätigkeit“ gegeben. Auch nach dem Fund in NRW schwiegen die Kollegen von NRWs Innenminister Herbert Reul weiter. Sie wollten damit Konflikte und Aufmerksamkeit für das Problem rechtsextremer Beamter in der Exekutive vermeiden. Diese Ignoranz sei verantwortungslos, weil ein Fundament des bundesdeutschen Rechtsstaats auf dem Spiel stehe: „ob diejenigen, denen wir Waffen anvertrauen, um die Demokratie zu schützen, vorbehaltlos hinter ihr stehen.“ Die Hetzbotschaften vom Kontrollverlust und schwachen Staat hätten offenbar bei vielen Gesetzeshütern Fuß gefasst. Dringend erforderlich sei, dass die Landesregierungen die „außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht“ von Staatsbeamten durch Kontrolle ihrer Privatäußerungen im Internet und in Chats durchsetzen. Kollegen, die nazistische und rassistische Äußerungen nicht meldeten, müssten sanktioniert werden.[224]
Bis Anfang Dezember 2020 wurden keine Täter gefasst und keine Polizeibeamten ermittelt, die die Daten bedrohter Personen illegal abgefragt hatten. Am 3. Dezember 2020 kritisierten die bedrohten Frauen Seda Başay-Yıldız, Idil Baydar und Janine Wissler in einem gemeinsamen Interview das Verhalten der Polizei Hessen und des Innenministers Peter Beuth scharf und warfen ihnen Versagen vor. Die Drohmails dauerten an, auch wenn nicht jede davon öffentlich gemacht werde. Auch wenn Polizisten sie nicht verfassten, seien sie dafür verantwortlich, dass Rechtsextreme Privatdaten der Betroffenen bekamen. Başay-Yıldız teilte mit, dass sie entgegen dem üblichen Verfahren nie zu den tatverdächtigen und suspendierten Frankfurter Polizisten befragt und ihr keine Fotografien dieser Personen vorgelegt wurden. Das Polizeipräsidium Frankfurt habe somit auf keinen Fall sachgerecht und gründlich zu der Bedrohung ermittelt, wohl weil die Verdächtigen Beamte seien: „Jeder andere Verdächtige wäre anders behandelt worden. Es war schon falsch, dass die Ermittlungen überhaupt in Frankfurt geführt wurden.“ Der von Beuth eingesetzte Sonderermittler lasse zwei Jahre und drei Monate nach dem ersten Fax ihre früheren Nachbarn zu ihr befragen mit Fragen, die sie selbst auch beantworten könnte. Polizei sei bei den Nachbarn mit kugelsicheren Westen aufgetaucht. Sie sei darüber nicht informiert worden, obwohl sie Hilfe bei der Ermittlungsarbeit angeboten habe. Niemand habe ihr Sinn und Zweck dieser Aktion erklärt. Auch, wie ihre zweite gesperrte Adresse in Umlauf gebracht wurde, habe ihr die Polizei nicht erklärt. Wissler bestätigte die Kritik, weil in Wiesbadener Polizeirevieren weder Durchsuchungen stattfanden noch Handys sichergestellt wurden und bis zu ersten Vernehmungen im Fall Baydars 16, in ihrem Fall fünf Monate verstrichen waren. Sie habe nach der ersten erhaltenen Drohmail mehrfach beim LKA nachgefragt, ob ihre Daten auch von einem Polizeicomputer abgefragt wurden, und die Auskunft monatelang gar nicht, sondern erst nach Medienberichten über die Drohmail erhalten. Als sie eine Drohmail eines anderen Absenders anzeigen wollte, sollte sie dazu das Onlineformular der Frankfurter Polizei nutzen, also ihre gesperrte Adresse eingeben: „Wo landet meine Adresse, wenn ich sie dort eingebe? Beim 1. Revier, wo Sedas Daten abgerufen wurden?“ Auch der Landtag habe fast alle Drohfälle erst aus der Presse erfahren. Bei parlamentarischen Nachfragen habe Beuth immer nur „zugegeben, was wir sowieso schon wussten“. Beuth habe nach medialem Druck mit der Entlassung des Polizeipräsidenten im Juli 2020 „Aktivitäten vorgetäuscht“, statt den Landtag schon 2018 über die ersten Drohmails von „NSU 2.0“ zu informieren und die illegalen Datenabfragen sofort zu unterbinden: „Wir wollen Aufklärung, strukturelle Veränderung und nicht einfach einen Austausch von Köpfen.“ Trotz immer mehr Fällen, auch in anderen Bundesländern, werde „weiter gemauert und das reflexhafte Gerede von ‚Einzelfällen‘ und ‚Einzeltätern‘ erschwert das Vorgehen gegen die dahinterliegenden Netzwerke.“ Baydar sagte, das lange Aussitzen von Ermittlungen unter Polizisten sei kein Versehen oder Zufall, sondern „ganz klare Absicht“. Es entspreche wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Cop Culture, zum Decken von Polizeivergehen im Polizeiapparat. Niemand habe mit ihr gesprochen und versucht, ihr Vertrauen wiederzugewinnen, sondern ihr stattdessen ihre Kritik vorgeworfen. Sie finde „diese Täter-Opfer-Umkehr sehr verstörend“ und sei „zutiefst enttäuscht, dass meine Bürgerrechte überhaupt nicht geachtet werden.“ Sie erwarte von der Polizei ein klares Bewusstsein dafür: „Bei uns laufen Dinge schief und die müssen wir aufklären.“ Sie habe immer noch nicht den Eindruck, dass die Polizei selbst den Willen zur Aufklärung habe.[199]
Anne Helm berichtete, hessische Ermittler hätten sie zunächst gar nicht zu den erhaltenen Drohmails befragt und dann die verfügbaren Informationen dazu noch nicht gehabt. Daher habe sie diese selbst an die Staatsanwaltschaft Frankfurt weitergegeben. Eine vom Berliner LKA angebotene Sicherheitsberatung für ihre Wohnung habe sie abgelehnt, weil sie momentan kein Vertrauen mehr zur Polizei habe. Jens Mohrherr (Gewerkschaft der Polizei Hessen) beklagte den Imageschaden für die gesamte Polizei: „Dieses ständig über uns schwebende, wabernde 'Ach, da gibt es rechte Strömungen, die Polizei steht mehr rechts'. Das sind alles Belastungen für meine Kolleginnen und Kollegen, aber sicherlich auch für die Betroffenen.“[225]
Im März 2021 kritisierte Seda Başay-Yıldız erneut scharf, dass sich Innenminister Peter Beuth nie persönlich bei ihr gemeldet habe, anders als Ministerpräsident Volker Bouffier. Dass anfangs das Frankfurter Polizeipräsidium gegen eigene Kollegen ermittelt hatte, zeige: „Die wollten den Fall klein halten“. Das Vorgehen der Behörden sei „katastrophal“. Sie fragte, was die im Juli 2020 eingesetzte Sonderkommission bisher eigentlich getan habe. Sie selbst habe bis heute keine Fotografien der suspendierten Polizisten aus der Frankfurter Chatgruppe vorgelegt bekommen und kenne den Grund dafür nicht. Die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag Nancy Faeser kritisiert, das Ermittlungsverfahren sei „faktisch eingeschlafen“. Beuth scheue zudem offenkundig den Kontakt mit Opfern von rechtsextremen Drohungen und rechtsextremer Gewalt.[22]
Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg (Laka) nannte die NSU-2.0-Drohserie und rechtsextremen Chatgruppen in der Polizei „alarmierend“ und forderte im November 2020 in einer Resolution „das Vorantreiben einer konsequenten Aufarbeitung von institutionalisiertem Rassismus in Landesbehörden sowie Antirassismus-Maßnahmen auf allen Ebenen der Institutionen des Landes und eine unabhängige und umfassende Studie zu Rassismus in der Polizei“.[226]
Nach der Festnahme von Alexander M. in Berlin warnten mehrere Kommentare vor Entwarnung. Christian Rath (taz) fragte: „Wie kann es sein, dass ein Rechtsextremist mit einfachen Anrufen bei hessischen Polizeidienststellen sensibel persönliche Daten von bedrohten Personen erhält? Selbst wenn die auskunftsfreudigen Polizist:innen keine Mittäter:innen waren, sind sie doch offensichtlich eine Gefahr.“ Dies zeigten auch die aufgedeckten rechtsextremen Chatgruppen von Polizisten. Falls M. Daten von der Polizei erhalten habe, könne dies durchaus mit der gleichartigen Gesinnung der Auskunftgeber zu tun haben. Daher und wegen der ermittelten Trittbrettfahrer, darunter ein pensionierter Polizist, sei die Hoffnung unrealistisch, dass die Drohbriefserie des „NSU 2.0“ nun zu Ende sei. Die Hasskriminalität in Deutschland, die zu 87 Prozent von Rechtsextremen ausgeht, nehme weiter zu.[227]
Sebastian Bähr (Neues Deutschland) kritisierte die These der Ermittler, M. habe die Drohmails „praktisch im Alleingang verfasst“ und die Privatdaten der Empfänger durch einfache Abfragen bei Polizeidienststellen und Meldebehörden erhalten. Das sei unglaubwürdig, nicht schlüssig und passe allzu gut zum Behördeninteresse: „Kein Polizist war beteiligt, der Einzeltäter ist gefasst, die Akte geschlossen – das würde nicht nur dem CDU-geführten Landesinnenministerium ganz gut in den Kram passen.“ Folgende Widersprüche seien offensichtlich: „Wie kann ein unbefugter Zivilist durch Telefonabfrage ohne Identifizierung an teilweise gesperrte Meldedaten gelangen – in mindestens 20 Fällen? Wie sollen diese Daten alternativ einfach so ins Internet gelangt sein – und dann rein zufällig in die Hände des Verdächtigen? Welche Rolle spielt die rechte Chatgruppe, deren Teil die Frankfurter Polizistin war, von deren Dienstrechner aus persönliche Daten einer Betroffenen abgefragt wurden?“ Daher spreche viel dafür, dass M. einem rechtsextremen Netzwerk angehört oder Quellen daraus bezogen habe. Bis zur Klärung dieser Fragen sei der Fall nicht abgeschlossen.[228]
Auch für Seda Başay-Yıldız ließ die Einzeltäterthese der Behörden zu viele Fragen offen: „Wie kommt ein Tatverdächtiger in Berlin an die unstreitig im 1. Frankfurter Revier abgerufenen Daten? Und vor allem: Wie kommt er danach auch noch an meine neue und gesperrte Adresse?“ Diese sei in den Dateien der Einwohnermeldeämter und wohl auch in Polizeicomputern gesperrt gewesen; nur wenige Beamte hätten sie gekannt. Trotzdem tauchte diese Adresse am 19. Februar 2021 (dem Jahrestag des rassistischen Terroranschlags von Hanau) kurzzeitig in einem rechtsextremen Darknetforum auf.[98] Am 5. Mai 2021 erklärten Seda Başay-Yıldız, Idil Baydar, Hengameh Yaghoobifarah, Janine Wissler, Martina Renner und Anne Helm gemeinsam: „Die Aufklärung von „NSU 2.0“ steht erst am Anfang.“ Sie seien „äußerst irritiert“, dass Innenminister Peter Beuth am Vortag behauptete, kein Polizist sei in die Drohserie verwickelt, obwohl noch viele Fragen offen seien. Mit der Festnahme des Verdächtigen M. in Berlin bestehe „endlich die Chance, die Hintergründe und mögliche Unterstützungsstrukturen aufzuklären“:
- wie der Festgenommene an die Daten aus Polizeicomputern in Frankfurt, Wiesbaden, Hamburg und Berlin kam, an gesperrte Adressen und alle Namen der Familienmitglieder von Başay-Yıldız;
- ob er direkte Kontakte zu Polizeidienststellen oder Behörden hatte, etwa zu Beamten jener rechtsextremen Chatgruppe im 1. Frankfurter Polizeirevier;
- welche Verbindungen er nach Hessen habe, wo viele der Bedrohten leben, zumal einige Drohbriefe Poststempel aus Frankfurt am Main und Wiesbaden trugen;
- ob die Gefahr durch M. nicht doch größer gewesen sei als von den Behörden eingeschätzt, da sich bei ihm eine einsatzbereite Schusswaffe fand und er auch wegen Körperverletzung vorbestraft war;[229]
- welche Verbindungen es zu der in einigen Drohmails erwähnten rechten Anschlagsserie in Neukölln es gebe.[110]
Man könne unmöglich behaupten, dass kein Polizist in die Drohserie verwickelt sei, solange ungeklärt sei, wie der Tatverdächtige an die Polizeidaten kam. Die Vermutung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main dazu überzeuge nicht: „Dass unbekannte Anrufer sich als Polizisten ausgeben und die Daten einer gesamten Familie aus einem Polizeicomputer abfragen können, erscheint wenig plausibel.“ Daher gebe es „keinen Grund für Entwarnung.“ In Deutschland existiere weiter eine bewaffnete, rechte Szene. „Das reflexhafte Gerede von Einzeltätern ist Teil des Problems, denn das erschwert die Aufklärung von Netzwerken und Unterstützungsstrukturen. Einer wird verhaftet, viele andere machen weiter.“[229]
Janine Wissler bekräftigte in einem Interview (8. Mai 2021): Man könne vor Auswertung der PC-Daten M.s noch gar nicht wissen, ob keine Polizisten beteiligt gewesen seien. Es sei kaum vorstellbar, dass M. sich die Daten seiner Adressaten allein verschafft haben könne, zumal ja minutenlange Abfragen zur ganzen Familie Başay-Yıldız aus Polizeicomputern bekannt wurden, deren mutmaßliche Urheber kaum „rein zufällig“ in einer rechten Chatgruppe aktiv waren. Die danach in allen Registern gesperrte neue Adresse von Seda Başay-Yıldız könne M. unmöglich durch einfache Telefonanrufe erfahren haben. Darum müssten Kontakte M.s in die Polizei oder andere Behörden aufgeklärt werden. Bis dahin seien Beuths und Meners Entlastung der hessischen Polizei voreilig. Mener sei mit seinen Ämtern in hessischen Polizeibehörden nicht unabhängig genug. Ein Sonderermittler hätte aus einem anderen Bundesland und von einer anderen Behörde eingesetzt werden sollen. Dabei gehe es nicht „um einen Generalverdacht gegen die Polizei, von dem der Innenminister immer spricht“. Auch sehr wenige rechtsradikale Polizisten seien ein „riesiges Problem“, weil sie Zugriff auf hochsensible Daten und Waffen hätten. Bei den erwiesenen Fällen müsse geklärt werden, wie Kollegen und Vorgesetzte die Einstellung dieser rechtsradikalen Beamten übersehen konnten. „Daraus ergeben sich Fragen: Was muss man an den Strukturen ändern? Wir brauchen eine andere Fehlerkultur bei der Polizei und eine unabhängige Beschwerdestelle, damit solche Dinger früher auffallen.“[230] Wie und bei welchen Polizeistellen M. durch Telefonanrufe Auskunft über Privatdaten erhalten haben könne, müsse geklärt werden, da ja mehrere auch umfangreiche Datenabfragen bewiesen seien. Falls M. Daten erhielt, weil er sich am Telefon als Polizist ausgab, wäre das „äußerst beunruhigend“. Dass M. von Berlin aus Menschen in verschiedenen Bundesländern allein ohne Unterstützer observiert habe, sei schwer vorstellbar. Zwei Betroffene hätten Drohbriefe mit Poststempeln aus Frankfurt am Main, Wiesbaden, Freiburg und Chemnitz erhalten, die der „NSU 2.0“-Drohserie stark ähnelten, und sie der Polizei übergeben. Der Sonderermittler sei offensichtlich erst durch öffentlichen Druck, nicht wegen der viel früher bekannten Drohungen eingesetzt worden. Rechtzeitige Sicherheitsvorkehrungen gegen weitere anlasslose Datenabfragen bei der Polizei seien bis Juli 2020 versäumt worden. Wer dort Daten abfragt und zu welchem Zweck, müsse durchgehend nachvollziehbar sichergestellt werden.[231]
Nach Alexander M.s Festnahme im Mai 2021 tauchten weitere E-Mails von mutmaßlichen Drohmailabsendern auf. Daher forderte Martina Renner: „Die Ermittlungsbehörden müssen sich mal lösen vom Bild des Einzeltäters und verstehen, dass es zu fast allen Drohmailserien Schnittstellen im Darknet gab und gibt und die Täter miteinander im Austausch standen. Ich gehe davon aus, dass illegal abgezweigte Daten, ob aus Polizeirechnern oder Justizakten, auf einschlägigen Foren und in Chatgruppen geteilt werden.“[8]
Plakatkunst und Schauspiel
Im März und Mai 2021 erschienen in Frankfurt am Main Protestplakate des Künstlerkollektivs „Dies Irae“, einer bekannten Gruppe deutscher Adbusters, gegen illegale Datenabfragen der Polizei. Sie imitierten eine Werbung für eine Partnerbörse mit Helene Fischers Porträt und dem Satz: „Alle 17 Minuten ruft ein Polizist Daten von Helene Fischer ab“. Hessens Polizei sei „Testsieger in der Kategorie illegale Datenabfrage und Zusammenstellen von Feindeslisten“. Dies spielte auf die grundlosen Abfragen bei einem Auftritt Helene Fischers 2019 in Frankfurt an. Auf Facebook erläuterte die Gruppe die Aktion: „Eins dürfte klar sein: Ohne das Zutun der Ordnungshüter*innen hätte es die Drohschreiben NSU2.0 wohl nicht gegeben.“[232]
Im August 2021 brachte “Dies Irae” in Mannheim erneut polizeikritische Plakate in Werbevitrinen an Bushaltestellen an, die sich auf die Vorgänge um „NSU 2.0“ bezogen. Eins zeigte Helene Fischer und ein Gütesiegel mit der Aufschrift „Testsieger der Kategorie illegale Datenabfrage & Zusammenstellen von Feindeslisten“, ein weiteres zeigte Bundesinnenminister Horst Seehofer mit einer Augenklappe namens „Korpsgeist“ und dem ironischen Text, sie lasse den Rechtsextremismus verschwinden, sei „undurchlässig für Aufklärung“ und mache jede Studie über Rassismus bei der Polizei „überflüssig“.[233]
Im Frühjahr 2021 entwickelten Nuran David Calis und Alexander Leiffheidt am Schauspiel Frankfurt das Stück „NSU 2.0“ zur Kontinuität des Rechtsterrorismus in Deutschland seit 2011. Es sollte die Täter als Kollektiv einer gemeinsamen Ideologie, die Opfer als Individuen darstellen, um die Betrachtung der Täter als Einzeltäter, der Opfer als Kollektiv umzukehren. Es folgt den Tatorten des NSU und der Morde in Kassel, Halle und Hanau. Passagen des NSU-Urteils von 2018, Aussagen von Rechtsterroristen, AfD-Politikern, des Lübcke-Mörders Stephan Ernst und seines Helfers Markus H., von Betroffenen der Drohserie, Angehörigen von Anschlagsopfern und Eindrücke der Schauspieler wurden miteinander verwoben.[234]
Das Stück wurde am 13. Juni 2021 uraufgeführt. Drei Schauspieler wechselten ständig die Perspektiven zwischen Täter, Opfer, Ermittler oder Berichterstatter und setzten die Denkweise der Täter nach Verhörsprotokollen und Manifesten szenisch um. Videosequenzen mit Zeitzeugen, Empfängern der Drohmails und Familien der NSU-Opfer wurden eingespielt. Die offenen Fragen nach dem politischen Nährboden der Täter, Forderungen zur Freigabe der NSU-Akten und Absage an Einzeltäterthesen prägten das Stück. Am selben Abend projizierte ein „Kollektiv ohne Namen“ von Künstlern und Aktivisten den Schriftzug „NSU 2.0“ und „Open 24/7“ an die Außenwand des Frankfurter Polizeipräsidiums, um auf die fortlaufenden Polizeiskandale in Hessen aufmerksam zu machen.[235]
Vom 21. Oktober bis 7. November 2021 beteiligten sich 18 deutsche Kulturinstitutionen am bundesweiten Theaterprojekt „Kein Schlussstrich!“ zur Aufarbeitung der NSU-Morde und ihrer fortdauernden Folgen. Es fand gleichzeitig in Chemnitz, Dortmund, Eisenach, Hamburg, Heilbronn, Jena, Kassel, Köln, München, Nürnberg, Rostock, Rudolstadt, Weimar und Zwickau statt, wo NSU-Mitglieder gewohnt und/oder NSU-Morde stattgefunden hatten. Intendant Florian Lutz sah für sein Staatstheater Kassel die Verantwortung, ungeklärte Fragen zum NSU-Umfeld und die Perspektive weiblicher Opfer zu behandeln. Dazu lud das Theater auch die Kabarettistin İdil Baydar ein, die seit November 2019 Morddrohungen von „NSU 2.0“ mit Personendaten aus Polizeicomputern erhalten hatte.[236]
Journalistenpreis
Am 19. Oktober 2021 erhielt Pitt von Bebenburg, Redakteur der Frankfurter Rundschau, den mit 10.000 Euro dotierten Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus. Damit wurden seine Recherchen und Berichte zum Thema „NSU 2.0“ ausgezeichnet, mit denen er diesen Polizei- und Politskandal aufgedeckt hatte. Laut Jury hat seine Veröffentlichungsreihe „die Dimensionen des Skandals um rechtsextreme Drohschreiben an meist prominente Frauen“ aufgezeigt und damit unter anderem erreicht, „dass personelle Konsequenzen gezogen wurden und sich die hessische Landespolitik und die Polizei zwei Jahre nach den ersten ,NSU 2.0‘-Drohungen endlich ernsthaft um einen substanziellen Kampf gegen rechtsextreme Umtriebe in den Sicherheitsbehörden bemühten.“[237]
Literatur
- Aiko Kempen: Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei. Europa Verlag, München 2021, ISBN 978-3-95890-351-7
- Dirk Laabs: Staatsfeinde in Uniform: Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern. Ecom / Ullstein, Berlin 2021, ISBN 978-3-8437-2418-0
- Pitt von Bebenburg, Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Der hessische Polizeiskandal. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz. Herder, Freiburg 2019, ISBN 978-3-451-81860-8, S. 131–146; Volltext bei Frankfurter Rundschau, 16. September 2019.
Weblinks
- Thema: „NSU 2.0“-Affäre der Hessenschau
- Livia Gerster, Philip Eppelsheim: Polizeiskandal in Hessen: Wenn keiner was gesehen hat. FAZ, 19. Juli 2020 (kostenpflichtig)
- Bericht vom Prozess gegen André M. im Blog der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Einzelnachweise
- Pitt von Bebenburg: Hessen: „NSU 2.0“-Drohungen ohne Ende. FR, 18. März 2021
- Rechtsextremismus: Fast 100 Drohschreiben von „NSU 2.0“ eingegangen. dpa / afp / Zeit online, 20. August 2020
- Matthias Bartsch: Frankfurter Polizisten und ihre rechtsextreme Chat-Gruppe: „Das ist so widerwärtig, da dreht sich einem der Magen um“. Spiegel Online, 29. Juli 2020
- Florian Flade, Georg Mascolo, Ronen Steinke: Ermittlungen gegen „NSU 2.0“: Fährten ins Nichts. SZ, 23. Juli 2020
- Lars Wienand: E-Mails vom „Staatsstreichorchester“: Morddrohung gegen Mohring: Lengsfeld legte falsche Spur nach links. T-online, 28. Oktober 2019
- Holger Stark, Fritz Zimmermann: Rechtsextreme Morddrohungen: Hass 2.0. Zeit online, 29. Juli 2020
- Frank Jansen: Wer steckt hinter „NSU 2.0“? Technisch versiert, rechtsextrem und voller Hass. Tagesspiegel, 1. August 2020
- Anton Maegerle, Holger Stark: Wer ist der Mann, der hinter NSU 2.0 stecken soll? Zeit Online, 21. Mai 2021
- Ronen Steinke: Rechtsextremismus:Die Spur führt zur Polizei. SZ, 16. Dezember 2018.
- Annette Ramelsberger: Der Rest ist Schweigen. SZ, 15. Februar 2022 (kostenpflichtig)
- Matthias Drobinski, Renate Meinhof: Polizeiskandal in Hessen: Hassmail für Dich. SZ, 19. Juli 2020 (kostenpflichtig)
- Frida Thurm: NSU 2.0: Gibt es weitere rechtsextreme Polizisten in Hessen? Zeit online, 14. Januar 2019.
- Katharina Iskandar: Polizeiskandal „NSU 2.0“: Anwältin erhält zweiten Drohbrief. FAZ, 14. Januar 2019.
- Annette Ramelsberger: Rechte bedrohen erneut Frankfurter Anwältin. SZ, 14. Januar 2019.
- Ronen Steinke: Neue Drohbriefe – Hessens Polizei gerät stärker in Bedrängnis. SZ, 29. Januar 2019.
- Rechtsanwältin soll erneut Drohbriefe erhalten haben. Spiegel Online, 29. Januar 2019.
- Katharina Iskandar: „NSU 2.0“: Serie an Drohschreiben gegen Frankfurter Anwältin dauert an. FAZ, 4. Februar 2020
- Frank Angermund: Nach Lübcke-Mord: Weitere Drohschreiben an Frankfurter Anwältin aufgetaucht. Hessenschau, 16. September 2019 (Archivlink)
- Auch Landeskriminalamt betroffen: Rechte Drohschreiben an Frankfurter Anwältin und Lübcke-Ermittler. Hessenschau, 28. Juni 2019 (Archivlink)
- Matthias Bartsch: Drohschreiben an Linkenpolitikerin: Privatadresse, abgefragt vom Polizeicomputer. Spiegel Online, 9. Juli 2020.
- NSU 2.0: Verfasser von Drohmails kennt neue Adresse von Seda Basay-Yildiz. Spiegel Online, 3. September 2020
- Julian Staib: „Meine Familie ist zum Abschuss freigegeben.“ FAZ, 5. März 2021
- Jutta Rippegather, Hanning Voigts: Hessischer Polizeiskandal: „NSU 2.0“ droht weiter. FR, 5. März 2021
- Frank Angermund: „NSU 2.0“-Drohschreiben: Anwältin Basay-Yildiz will Hessen verklagen. Hessenschau, 13. April 2021
- Christian Vooren: „NSU 2.0“: Das geht über Hessen hinaus. Zeit, 15. Juli 2020
- Doris Akrap: Idil Baydars Möllner Rede: Rede trotz Drohungen. taz, 18. November 2019
- Pitt von Bebenburg: Bedrohte Kabarettistin NSU 2.0: Spur im Fall Baydars führt zur Polizei. FR, 13./15. Juli 2020.
- Carolina Schwarz: Comedian İdil Baydar über Morddrohungen: „Das ist Teil meines Alltags“. taz, 14. Juli 2020
- Florian Flade, Ronen Steinke: „NSU 2.0“: Affäre um rechtsextreme Drohmails weitet sich aus. SZ, 26. August 2020
- Ewald Hetrodt, Katharina Iskandar: Innenministerium und LKA sind sich weiter uneins. FAZ, 15. Juli 2020.
- Florian Flade, Ronen Steinke: Rechtsextreme Drohmails: Fall „NSU 2.0“ - vier Polizisten unter Verdacht. SZ, 6. September 2020
- Rechtsextreme Drohschreiben: Polizeichef muss Posten räumen. Tagesschau.de, 14. Juli 2020
- Boris Herrmann, Dunja Ramadan: Rechtsextremismus: „Das hat auch Hexenjagd-Elemente“. SZ, 16. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechtsextremismus: „NSU 2.0“ weckt Erinnerung an Plakatserie. FR, 30. Juli 2020
- Frank Jansen: Nach neuer Morddrohung gegen Linken-Politikerin: Sonderermittler soll rechten Netzwerken in hessischer Polizei nachgehen. Tagesspiegel, 10. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechte Drohungen in Hessen: Die Spur führt erneut zur Polizei. FR, 9. Juli 2020.
- Pitt von Bebenburg: Zweifel an Darstellung: NSU 2.0: War Peter Beuth besser informiert als behauptet? FR, 12. Juli 2020.
- Pitt von Bebenburg: „NSU 2.0“: Hessische Linken-Politikerin Janine Wissler wird von Rechtsextremisten bedroht. Frankfurter Rundschau (FR), 4. Juli 2020.
- Ibrahim Naber: Was wir über das verdächtige Ehepaar wissen. Welt online, 27. Juli 2020
- Livia Gerster: NSU 2.0: Deutsche Polizei, die Telefonauskunft für Drohbriefschreiber. FAZ, 9. Mai 2021
- Sebastian Erb, Christina Schmidt, Dinah Riese, Konrad Litschko, Luisa Kuhn: taz-Recherche zu Drohmails: Wer steckt hinter „NSU 2.0“? taz, 5. September 2020
- Sebastian Erb, Christina Schmidt, Konrad Litschko, Dinah Riese: taz-Recherche zum „NSU 2.0“: Wieder Polizeidaten abgefragt? taz, 3. September 2020
- Katharina Iskandar: Polizeiskandal in Hessen: Rechtsextreme Vorfälle in drei weiteren Polizeipräsidien. FAZ, 18. Dezember 2018.
- Ansgar Siemens: „Betreff ‚NSU 2.0‘“: Kölner Anwalt erstattet Anzeige wegen rechtsextremer Hassmail. Spiegel, 18. Dezember 2018.
- Noch mehr Frauen bekamen Drohschreiben des „NSU 2.0“. Spiegel Online, 18. Juli 2020
- Extremismus - Siegburg: „NSU 2.0“: Anwalt aus NRW erhielt nach Eigenangabe Nachricht. dpa / SZ, 16. Juli 2020
- Drohmails der „NSU 2.0“: Auch Anwalt aus NRW erhielt Nachricht. Kölner Stadtanzeiger, 16. Juli 2020
- Jana Simon: Shermin Langhoff: „Ich bin ein Angriffsziel“. Zeit, 22. Mai 2019 (kostenpflichtig); Agnes Steinbauer: Hetze gegen „Nestbeschmutzer“: Rechte Kulturstörung. Eine Bestandsaufnahme. Deutschlandfunk, 17. Juli 2020 (MP3, ab Minute 26:22)
- „NSU 2.0“: Morddrohung gegen Gökdeniz Özcetin – „Wir werden Dich kriegen und abschlachten“. Ludwigshafen24, 24. Juli 2020.
- Hanning Voigts, Pitt von Bebenburg: NSU 2.0: Porträt des Beschuldigten. FR, 12. Januar 2022
- Rechtsextremes Drohschreiben: „NSU 2.0“ droht Janine Wissler – Innenminister Beuth setzt Sonderermittler in Polizei-Affäre ein. FR, 9. Juli 2020.
- Wiebke Ramm: Prozess gegen mutmaßlichen Drohmail-Schreiber: Obsession für Helene Fischer und NS-Devotionalien. Spiegel Online, 17. Juli 2020
- Janine Wissler: Sonderermittler untersucht Fall von Drohmails gegen Linke-Politikerin. Zeit online, 10. Juli 2020.
- Verdacht gegen Polizei in Hessen: „NSU 2.0“: Auch Berliner Linken-Politikerin soll Drohbriefe bekommen haben. rbb, 10. Juli 2020.
- Martin Brandt: Rechtsextreme bedrohen linke und migrantische Prominente: Im Visier des »NSU 2.0«. jungleworld, 23. Juli 2020
- Bundestagsabgeordnete Sommer: Weitere Linken-Politikerin erhielt Drohmail. Tagesschau.de, 14. Juli 2020; Hannes Heine: Von Neonazis beobachtet, von türkischen Faschisten bedroht: Berliner Bundestagsabgeordnete steht auf „Feindesliste“. Tagesspiegel, 12. Juli 2020
- Clarice Wolter: „NSU 2.0“-Drohung an Ditfurth. Hessenschau, 20. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Jutta Ditfurth erhält erneut rechtsextremistische Drohmail. FR, 20. Juli 2020
- „Antisemitisch und rassistisch“: Ex-Grüne Ditfurth berichtet von „NSU 2.0“-Morddrohung. Hessenschau, 20. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechtsextremismus: Generalbundesanwalt übernimmt „NSU 2.0“-Ermittlungen nicht. FR, 20. Juli 2020
- Morddrohungen mit Absender „NSU 2.0“: Auch Chebli erhält rechtsextreme Drohmail. rbb, 21. Juli 2020
- Johanna Wendel: NSU 2.0-Drohmails: Jutta Ditfurth: „Ich halte das von meiner Psyche fern“. Journal Frankfurt, 21. Juli 2020
- Insgesamt mehr als 69 „NSU 2.0“-Drohmails: Morddrohungen auch gegen Chebli, Roth und Kipping. Tagesspiegel, 21. Juli 2020
- „NSU 2.0“: Drohmail an Hannovers Oberbürgermeister und weitere Grüne aufgetaucht. Spiegel Online, 22. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechtsextremismus: NSU 2.0: Es hagelt rechtsextreme Drohschreiben - auch von Nachahmern? FR, 24. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Abgeordnete im Bundestag: NSU 2.0: Weitere Politiker*innen erhalten Hass-Mails. FR, 23. Juli 2020
- Auch SPD-Chefin Esken von „NSU 2.0“ bedroht: „Der Inhalt ist so scheußlich, dass man's gar nicht beschreiben kann“.
- Thomas Gautier: Unterzeichnet: „NSU 2.0“: Morddrohungen gegen SPD-Rathauschefin. Bild.de, 8. Mai 2021
- Marcel Richters: „NSU 2.0“: Frankfurter Spitzenkandidat von DIE PARTEI erhält Drohschreiben. Frankfurter Rundschau, 14. März 2021
- Nancy Faeser: Hessische SPD-Chefin erhält mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Brief. Zeit Online, 22. Mai 2021
- Hessische SPD-Chefin erhält erneut „NSU 2.0“-Drohschreiben. Spiegel Online, 7. Juni 2021
- Pune Djalilehvand, Georg Heil: Verdächtiges Pulver: Büro von Abgeordneter Renner evakuiert. rbb / Tagesschau.de, 26. Mai 2021
- Katharina Iskandar: NSU 2.0: neuer Drohbrief gegen SPD-Politikerin Faeser. FAZ, 7. Juni 2021
- Plutonia Plarre: Drohmails an Berliner Linksparteichefin: Erkennbares Muster. taz, 5. März 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechter Terror: Drohung mit Mord und „Wolfzeit“. FR, 5. März 2020
- Annette Ramelsberger: Anschlag in Hanau: Die Gewaltbereiten fühlen sich plötzlich verstanden. SZ, 21. Februar 2020
- Andrea Löffler: Rechtsextreme Drohungen: Neue „NSU 2.0“-Mails bedrohen auch Journalistinnen. Hessenschau, 16. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: NSU 2.0: Skandal um rechtsextreme Drohmails - Generalbundesanwalt übernimmt nicht? FR, 20. Juli 2020
- „NSU 2.0“: Neues Drohschreiben richtet sich auch gegen WELT-Autor Deniz Yücel. Welt online, 18. Juli 2020
- Ramona Dinauer, Kathrin Müller-Lancé: NSU 2.0: Mit einem Fax fing alles an. SZ, 4. Mai 2021
- Florian Flade: Rechtsextreme Drohmails: Die lange Jagd nach „NSU 2.0“. Tagesschau.de, 5. März 2021
- Rechtsextremismus: Auch Mazyek erhält „NSU 2.0“-Drohmails. FAZ, 22. Juli 2020
- Joachim F. Tornau: „NSU 2.0“: Bombendrohung gegen Walter-Lübcke-Schule. Hessenschau, 1. Februar 2021
- Nach Eingang von Drohmail: Walter-Lübcke-Schule soll per Video überwacht werden. Spiegel Online, 2. Februar 2021
- Wiebke Ramm: Urteil gegen mutmaßlichen Drohmail-Schreiber: „Er wollte schocken“. Spiegel Online, 14. Dezember 2020
- Konrad Litschko: Rechtsextreme Terrorbriefe: Der Radikalisierte. taz, 21. April 2020
- Wiebke Ramm: 32-Jähriger muss wegen rechtsextremer Drohmails vor Gericht. Spiegel Online, 15. April 2020
- Wiebke Ramm: Prozess gegen mutmaßlichen Drohmail-Schreiber: Die düstere Welt des André M. Spiegel Online, 7. Mai 2020
- Frank Jansen: Manisch anmutender Hass: 87 Bombendrohungen von Hitler-Fan André M. Tagesspiegel, 26. Januar 2020.
- Frank Jansen: Zwischenfall im Berliner Landgericht: Bombendrohung im Prozess wegen Bombendrohungen. Tagesspiegel, 21. April 2020
- Ronen Steinke, Christian Wernicke: Hassmails an Politiker: Wenn die Täter sich virtuell zusammenrotten. SZ, 20. Juni 2019
- Konrad Litschko: Drohbriefe gegen Politiker: Hasspost mit tausend Absendern. taz, 21. Oktober 2019
- Michael Götschenberg, Georg Heil: „Staatsstreichorchester“: Ist der Tatverdächtige bereits in Haft? Tagesschau.de, 11. Dezember 2020
- SPD-Politiker aus MV erhält Morddrohungen: Spuren führen zu Nordkreuz. Ostseezeitung, 5. Mai 2020 (kostenpflichtig)
- Verdächtiger im Fall der NSU-2.0-Ermittlungen in Untersuchungshaft. Zeit Online, 4. Mai 2021
- Alexander Dinger, Alexander Nabert: Die Strafakte des Alexander M. Welt Online, 5. Mai 2021
- „NSU 2.0“: Hatte der Hass-Schreiber Freunde in Berlins Justiz oder Bürgerämtern? Berliner Zeitung, 5. Mai 2021
- Matthias Bartsch, Jörg Diehl, Julia Kitzmann, Anabelle Körbel, Sven Röbel, Wolf Wiedmann-Schmidt: Verdächtiger im Fall „NSU 2.0“: Die Hass-Geschichte des Alexander Horst M. Spiegel Online, 4. Mai 2021
- Florian Flade, Georg Mascolo, Ronen Steinke, Ralf Wiegand: Rechtsextremismus: Den kenn' ich doch. SZ, 7. Mai 2021
- Florian Flade: „NSU 2.0“-Drohschreiben: Ein Mann mit Vorgeschichte. Tagesschau.de, 5. Mai 2021
- Matthias Bartsch, Jörg Diehl, Roman Lehberger, Sven Röbel: Wie der Verdächtige im Fall „NSU 2.0“ die Ermittler verhöhnte. Spiegel Online, 7. Mai 2021
- Florian Flade, Ronen Steinke: Ein alter Bekannter der Behörden. SZ, 5. Mai 2021; Florian Flade: „NSU 2.0“-Drohschreiben: Woher hatte der Täter die Privatadressen? Tagesschau.de, 4. Mai 2021
- NSU 2.0: Schachplattform und Comicfigur führen zum langersehnten Erfolg. AFP / Nürnberger Blatt, 4. Mai 2021; Konrad Litschko, Christoph Schmidt-Lunau: Verhaftung nach „NSU 2.0“-Drohserie: Das Ende der Jagd. taz, 5. Mai 2021
- Hanning Voigts, Pitt von Bebenburg: „NSU 2.0“: „Kein Grund für Entwarnung“. FR, 5. Mai 2021
- Konrad Litschko: NSU 2.0-Drohschreiben: Verdächtiger festgenommen. taz, 4. Mai 2021; Verdächtiger festgenommen: Serie von „NSU-2.0“-Drohmails vor der Aufklärung. Spiegel Online, 4. Mai 2021; Holger Stark: Das „NSU-2.0“-Phantom hat ein Gesicht bekommen. Zeit Online, 4. Mai 2021
- Verdächtiger im Fall „NSU 2.0“: „Am offenen Rechner“ festgenommen. Spiegel Online, 4. Mai 2021
- Anonyme Drohschreiben - Festnahme im Zusammenhang mit „NSU 2.0“. ZDF, 4. Mai 2021
- Ewald Hetrodt, Katharina Iskandar: Serie von Drohschreiben: Den Täter aus der Anonymität geholt. FAZ, 4. Mai 2021
- LKA-HE: Durchsuchung und Festnahme im Ermittlungskomplex „NSU 2.0“. Presseportal.de, 4. Mai 2021; Festnahme im Fall „NSU 2.0“. Tagesschau.de, 4. Mai 2021; Pitt von Bebenburg: NSU 2.0: Mutmaßlicher Täter in Berlin gefasst. FR, 4. Mai 2021
- Sonja Fouraté: NSU-2.0-Festnahme in Berlin: Verdacht gegen mutmaßlichen Drohbrief-Schreiber erhärtet. Hessenschau, 5. Mai 2021
- Ermittlungen zu NSU 2.0 laufen weiter. Zeit, 5. Mai 2021
- Pitt von Bebenburg: „NSU 2.0“-Drohbriefe: Verdächtiger hat sich „nicht aus Berlin herausbewegt“. FR, 8. Mai 2021
- Florian Flade, Ronen Steinke: „NSU 2.0“-Skandal: Welche Rolle spielte die Polizei? SZ, 13. Mai 2021
- Festnahme in Berlin: Wie die Ermittler dem „NSU 2.0“ auf die Spur kamen. Hessenschau, 4. Mai 2021
- Ronja Merkel: NSU 2.0-Drohschreiben: Betroffene verlangen Antworten. Journal-Frankfurt.de, 6. Mai 2021
- Julian Staib: Kommen die Daten tatsächlich von Anrufen bei der Polizei? FAZ, 5. Mai 2021
- Florian Flade, Ronen Steinke: Rechtsextremismus: Neue Erkenntnisse im Fall „NSU 2.0“. SZ, 22. September 2021
- Katharina Iskandar: „NSU 2.0“: Woher stammen die heiklen Daten? FAZ, 6. August 2021
- Konrad Litschko: Rechtsextreme Drohschreibenserie: Anklage im Fall NSU 2.0 erhoben. taz, 28. Oktober 2021
- Prozess gegen „NSU 2.0“-Drohschreiber beginnt im Februar. Tagesspiegel, 5. Januar 2022
- Fall NSU 2.0: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage nach Serie rechter Drohschreiben. Zeit Online, 28. Oktober 2021
- Katharina Iskandar: „NSU 2.0“: Basay-Yildiz glaubt nicht an Einzeltäter-Theorie. FAZ, 28. Oktober 2021
- Rechtsextremismus: Staatsanwaltschaft erhebt im Fall „NSU 2.0“ Anklage gegen 53-Jährigen. SZ, 28. Oktober 2021
- „NSU 2.0“: Basay-Yildiz rechnet nicht mit voller Aufklärung. dpa / FR, 28. Oktober 2021
- Danijel Majic, Heike Borufka, Tanja Stehning: Drohschreiben in Chatgruppe entstanden? Angeklagter im „NSU 2.0“-Prozess beschuldigt Polizei. Hessenschau, 17. Februar 2022
- Matthias Bartsch: Aussage des Angeklagten im „NSU 2.0“-Prozess: Nur ein „nützlicher Idiot“? Spiegel Online, 17. Februar 2022
- Annette Ramelsberger: NSU 2.0: „Ich war etwas fassungslos“. SZ, 3. März 2022
- Matthias Bartsch, Jörg Diehl: Frankfurter Polizeiaffäre: Hitler-Bilder im Gruppenchat. Spiegel Online, 19. Dezember 2018.
- Daniel Müller, Martín Steinhagen: Seda Başay-Yıldız: Polizist wegen rechtsextremer Drohschreiben vorübergehend festgenommen. Zeit online, 26. Juni 2019.
- Chatgruppe Itiot mit 50 möglichen rechtsextremen Nachrichten. Zeit Online, 21. Dezember 2018.
- Pitt von Bebenburg, Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Der hessische Polizeiskandal. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Freiburg 2019, S. 137–140
- Sebastian Erb, Dinah Riese: Rechtsextreme bei der Polizei in Hessen: Polizisten, Brüder, Nazis? taz, 25. Januar 2019
- Anja Laud: Polizei in Hessen: Polizist mit Nazi-Zimmer aufgeflogen. FR, 17. Januar 2019.
- Katharina Iskandar, Helmut Schwan: Polizei-Skandal in Hessen: Munition bei Durchsuchungen sichergestellt. FAZ, 18. Januar 2019; „Rechte“ Polizisten: Erneut Durchsuchungen im Vogelsbergkreis. Oberhessen-live.de, 17. Januar 2019; Durchsuchung bei „rechtem“ Polizisten wohl in der Gemarkung Romrod. Oberhessen-live.de, 18. Januar 2019
- Weiterer Verdachtsfall im Vogelsberg: Ermittlungen gegen weiteren Polizisten wegen rechtsextremer Chats. Hessenschau, 19. März 2019 (Archivlink)
- Katharina Iskandar, Tobias Rösmann: Frankfurter Beamte: Durchsuchungen bei Polizisten wegen NSU 2.0. FAZ, 7. Februar 2020.
- Pitt von Bebenburg, Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Der hessische Polizeiskandal. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Freiburg 2019, S. 145
- Wohnung durchsucht: Rechtsextremismus-Verdacht gegen weiteren Polizisten. Hessenschau, 19. Februar 2020.
- Rechtsausschuss: 14 weitere „NSU 2.0“-Drohmails aufgetaucht. Hessische Rundschau, 7. August 2020
- Katharina Iskandar: „NSU 2.0“-Mails: Frankfurter unter Verdacht. FAZ, 7. September 2020
- Christina Schmidt, Sebastian Erb, Dinah Riese, Luisa Kuhn, Konrad Litschko: taz-Recherche zu Drohschreiben: Anruf vom „NSU 2.0“. taz, 4. September 2020
- Pitt von Bebenburg: „NSU 2.0“: Verdacht bei zehn Polizeibeamten ausgeräumt. FR, 9. August 2020
- Florian Flade: Rechte Chats: Polizist in Hessen angeklagt. Tagesschau.de, 24. Februar 2021
- Katharina Iskandar: Weitere Anklage gegen hessischen Beamten. FAZ, 24. Februar 2021; Katharina Iskandar: Rechtsextreme Chats: Mehr Polizisten angeklagt als bisher bekannt. FAZ, 25. Februar 2021; NSU 2.0: Vier Männer aus der hessischen Polizei angeklagt. perspektive-online.net, 25. Februar 2021
- Prozess gegen Beamten aus Hessen: Nazi-Polizist kommt gut weg. taz, 29. Juni 2021
- Urteil vorm Alsfelder Amtsgericht - Kein NSU 2.0: 7.000 Euro-Geldstrafe für ehemaligen Polizisten. Oberhessen-live.de, 5. Oktober 2021
- Danijel Majic: Staatsanwaltschaft sieht keine Strafbarkeit: Ermittlungen wegen rechter Polizei-Chats eingestellt. Hessenschau, 18. November 2019.
- Susanne Höll, Reiko Pinkert, Annette Ramelsberger: Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Neonazigruppe. SZ, 17. Januar 2019
- Henriette Scharnhorst, Sebastian Scharmer: „Über Geschmack muss man bekanntlich nicht streiten.“ Rechte Gewalt und Verbindungen zur Polizei: ein Erfahrungsbericht. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Freiburg 2019, S. 232.
- Polizeiskandal: Neue Drohung gegen Anwältin Seda Basay-Yildiz in Frankfurt. FR, 4. Februar 2019.
- Pitt von Bebenburg, Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Der hessische Polizeiskandal. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Freiburg 2019, S. 138
- Pitt von Bebenburg, Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Der hessische Polizeiskandal. In: Matthias Meisner, Heike Kleffner (Hrsg.): Extreme Sicherheit. Freiburg 2019, S. 144
- Rechtsextreme in der Polizei? Welt online, 19. Dezember 2018
- Hanning Voigts: „NSU 2.0“: Die Ermittlungen im hessischen Polizeiskandal gehen weiter. FR, 13. Dezember 2019.
- Jan Ole Arps: Antifa, bitte übernehmen! Analyse & Kritik, 7. August 2020
- Komplex „NSU 2.0“: Datenabfrage zu Jan Böhmermann hatte laut Polizei dienstliche Gründe. Spiegel Online, 18. September 2020
- Pitt von Bebenburg: Polizeiskandale und „NSU 2.0“: Böhmermann-Daten vor „NSU 2.0“-Drohbriefen von Polizei-Computer illegal abgerufen. FR, 17. September 2020
- Ehepaar unter Verdacht: Vorläufige Festnahmen wegen „NSU 2.0“-Mails. Tagesschau.de, 27. Juli 2020
- Rechte Drohschreiben vom „NSU 2.0“: Zwei Festnahmen. taz, 27. Juli 2020
- NSU 2.0: Staatsanwaltschaft bestätigt 14 weitere rechtsextreme Drohschreiben. Zeit Online, 6. August 2020
- Frederik Schindler, Ibrahim Naber: Drohschreiben von „NSU 2.0“: Beschuldigter trat bei AfD-Medienkonferenz im Bundestag auf. Welt Online, 28. Juli 2020
- Rechtsextremismus: Festnahmen wegen Drohmails. FR, 27. Juli 2020
- Martin Steinhagen, Fritz Zimmermann: NSU 2.0: Beschuldigter Ex-Polizist ist rechter Blogger. Zeit online, 27. Juli 2020
- Ex-Polizist und Ehefrau unter Verdacht: Festgenommener bestreitet Verbindung zu NSU 2.0-Drohschreiben. Hessenschau, 27. Juli 2020
- NSU 2.0 - Verdächtiger schrieb einschlägige Beiträge im Netz. BR, 3. August 2020
- Felix Bohr, Jan Friedmann, Roman Höfner, Wolf Wiedmann-Schmidt, Jean-Pierre Ziegler: „NSU 2.0“-Drohmails: Rechter Blogger mit Pumpgun. Spiegel Online, 28. Juli 2020
- Spur führt nach Bayern: „NSU 2.0“-Ermittlungen gehen weiter. SZ, 28. Juli 2020
- Emanuel Socher-Jukić: „NSU 2.0“: Landshuter muss vor Gericht. Idowa, 11. Mai 2021
- Katharina Iskandar, Lorenz Hemicker: „NSU 2.0“ in Frankfurt: Die Polizei – dein Feind und Henker? FAZ, 16. Dezember 2018
- Alexander Fröhlich, Frank Jansen: Rechtsextremes Netzwerk: Ermittlungen in Frankfurter Polizei ausgeweitet. Tagesspiegel, 17. Dezember 2018.
- Hessens Innenminister: Kein „rechtes Netzwerk“ bei Polizei. WAZ, 19. Dezember 2018.
- Katharina Iskandar: Weitere Verdachtsfälle rechtsextremer Netzwerke in Frankfurter Polizei. FAZ, 17. Dezember 2018.
- Sonderermittler soll rechten Netzwerken in hessischer Polizei nachgehen. Tagesspiegel, 10. Juli 2020.
- Ewald Hetrodt, Katharina Iskandar, Julian Staib: NSU 2.0: Brisante Vermerke. FAZ, 11. Juli 2020.
- Katharina Iskandar: Ermittlungen zu „NSU 2.0“: Großer Schaden. FAZ, 11. Juli 2020.
- Julian Staib: Skandal um „NSU 2.0“: Viel zu wenig. FAZ, 12. Juli 2020.
- „NSU 2.0“-Drohmails: Anwältin Başay-Yıldız wirft Innenminister Beuth Aktionismus vor. Hessenschau, 10. Juli 2020.
- Valerie Höhne: „NSU 2.0“: Sonderermittler in Drohmailaffäre bekommt umfangreiche Befugnisse. Spiegel online, 17. Juli 2020
- Georg Heil, Karolin Schwarz: Drohungen gegen Politiker: Fall für den Generalbundesanwalt? Tagesschau.de, 10. Juli 2020.
- Maria Fiedler: Affäre um Drohmails weitet sich aus: Hessens Polizeichef tritt zurück. Tagesspiegel, 14. Juli 2020
- NSU 2.0: Zeugen noch nicht vernommen. FR, 23. Juli 2020
- Uwe Kalbe, Hans-Gerd Öfinger: Politik / NSU 2.0: Keine Ahnung und keine Lust. Neues Deutschland, 21. Juli 2020
- Christoph Schmidt-Lunau: Innenausschuss zu NSU-2.0-Drohschreiben: Keine Spur zu den Datenabfragern. taz, 21. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Landtag: „NSU 2.0“-Drohungen nehmen kein Ende. FR, 4. September 2020
- NSU 2.0: Sechs weitere rechtsextreme Drohschreiben verschickt. Zeit Online / AFP, 17. September 2020
- Florian Flade: „NSU 2.0“-Drohbriefe: Täter hatte wohl mehr als eine Quelle. Tagesschau.de, 14. Mai 2021
- Moritz Tremmel: Datenmissbrauch: Hessens Polizisten fragen nicht nur Daten von Promis ab. Golem, 2. August 2019
- „NSU-2.0“-Sonderermittler wird Teil des Antiterrorzentrums. Zeit online, 17. Juli 2020
- NSU 2.0: Hunderte Verfahren gegen Polizisten wegen illegaler Datenabfragen. dpa / Zeit online, 26. Juli 2020
- NSU 2.0: Horst Seehofer will Missbrauch von Polizeidatenbanken verhindern. Zeit online, 26. Juli 2020
- „NSU 2.0“: Berliner Datenschutzbeauftragte prüft Strafantrag im Fall Idil Baydar. Berliner Zeitung, 27. August 2020
- Ingo Dachwitz: Datenabfragen durch AfD-nahen Polizisten: Auf den Notruf folgt die Drohung. Netzpolitik.org, 17. Dezember 2020; Andreas Speit: Verdacht auf Datenlecks bei der Polizei: Opferberatung fordert Kontrollen.
- Ronen Steinke: Polizeidatenbanken: Sogar nach Helene Fischer wird gefragt. SZ, 6. Mai 2021
- „NSU 2.0“-Drohschreibenserie: Noch keine neuen Erkenntnisse. Zeit Online, 7. Mai 2021; Noch keine neuen Erkenntnisse: Datenschützer rügt Polizei im Fall „NSU 2.0“-Drohschreiben. FAZ, 7. Mai 2021
- Rechte Netzwerke in der Polizei: „NSU 2.0“-Affäre erreicht das Land. Stuttgarter Nachrichten, 3. August 2020
- Fehlverhalten erkennen und ahnden: Expertenkommission soll Polizeistrukturen untersuchen. Hessenschau, 18. August 2020
- Matthias Drobinski: Drohmails: Ein Schema voller Hass. SZ, 23. Juli 2020
- Matthias Schiermeyer: Rechtsextremistische Drohmails: Keine erkennbare Gefährdung durch „NSU 2.0“. Stuttgarter Nachrichten, 25. August 2020
- Pitt von Bebenburg: „NSU 2.0“: Drei Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen Polizei Frankfurt und Innenminister Beuth. FR, 3. Dezember 2020
- Matthias Bartsch: Kosten für Schutzmaßnahmen: Bedrohte Rechtsanwältin streitet mit hessischem Innenministerium. Spiegel Online, 6. März 2021
- Drohung durch „NSU 2.0“: Gutachter springt bedrohter Anwältin bei. FR, 8. März 2021
- Ewald Hetrodt: „NSU 2.0“-Drohschreiben: Beuth sagt Basay-Yildiz Hilfe zu. FAZ, 6. Mai 2021
- Mischa Pfisterer: NSU 2.0: Wir gehen da gemeinsam durch. ND, 25. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechtsextremismus: Belohnung für „NSU 2.0“-Hinweis. FR, 20. November 2020
- Annette Ramelsberger: Rechtsextremismus: „Ich kann doch nicht Däumchen drehen und warten, bis uns jemand abknallt“. SZ, 20. November 2020
- Pitt von Bebenburg: Seda Basay-Yildiz entsetzt: Geheime Adresse ging auch an die AfD. FR, 27. Juli 2021
- Pitt von Bebenburg: NSU 2.0: Hessens Innenminister Beuth verteidigt Aktenfreigabe. FR, 20. Oktober 2021
- Gareth Joswig: Adresse von bedrohter Anwältin geleakt: Immer wieder Hessen. taz, 27. Juli 2021
- „NSU 2.0.“ - Frauenfeindliche Motive in rechtsradikaler und rassistischer Drohserie treten immer stärker hervor. DLF, 14. Juli 2020
- Vanessa Fischer: Das Problem heißt: Antifeministischer Terror. Neues Deutschland, 14. Juli 2020
- Boris Herrmann, Dunja Ramadan: Rechtsextremismus: „Das hat auch Hexenjagd-Elemente“. SZ, 16. Juli 2020
- Gareth Joswig, Erik Peter: Anne Helm über NSU 2.0 und Neukölln: „Ich bin eine Reizfigur für Rechte“. taz, 1. August 2020
- Forscher: Selbstbewusste Frauen sind „Affront“. dpa / SZ, 16. Juli 2020
- Simon Sales Prado: Expertin über Frauenhass und Rassismus: „Feminismus als Feindbild“. taz, 24. Juli 2020
- Felix Hackenbruch: „Es läuft etwas schief in diesem Land“: Wie Betroffene der „NSU“-Drohmails die rechte Gefahr einschätzen. Tagesspiegel, 25. Juli 2020
- Katrin Bennhold: She Called Police Over a Neo-Nazi Threat. But the Neo-Nazis Were Inside the Police. NYT, 21. Dezember 2020
- Andrea Dernbach: Daimagüler zu NSU 2.0: „Da sind Putschisten in spe am Werk“. Tagesspiegel, 24. Juli 2020
- Maria Fiedler: Die Einschüchterung hat Methode: Warum der Fall „NSU 2.0“ ein größeres Problem offenbart. Tagesspiegel, 21. Juli 2020
- Maria Fiedler: Wer steckt hinter den Drohmails von „NSU 2.0“? „Ich habe Angst vor der Polizei“. Tagesspiegel, 14. Juli 2020
- „NSU 2.0“-Drohschreiben: Linken-Politikerin Renner geht von rechtem Netzwerk aus. DLF, 25. Juli 2020
- Pitt von Bebenburg: Rechtsextremismus: „Wer ist Feind und wer ist Freund?“ FR, 27. Juli 2020
- Isabelle Reifenrath: Kommentar: „Drohmails sind ein gigantischer Skandal“. NDR, 23. Juli 2020
- „Ermittlungen im Schneckentempo“: Bedrohte Anwältin rechnet nicht mit Aufklärung der „NSU 2.0“-Affäre. Hessenschau, 19. August 2020
- Jörg Diehl: Rassismus in der Polizei: Die Innenminister haben versagt. Spiegel, 25. September 2020
- Oliver Günther: NSU 2.0: Die Bedrohung geht weiter. HR, 3. Dezember 2020
- Migrantenvertreter beklagen zunehmenden Rassismus. Stimme.de, 31. Dezember 2020 / 6. Januar 2021; Resolution –Rassismus-Studie. Laka Baden-Württemberg, 21. November 32022020 (PDF)
- Christian Rath: Rechtsextreme Hasskriminalität: Für Entwarnung ist es zu früh. taz, 4. Mai 2021
- Sebastian Bähr: Ermittlungen im Fall NSU 2.0: Unglaubwürdig. ND, 4. Mai 2021
- Konrad Litschko: Festnahme im „NSU 2.0“-Fall: „Kein Grund für Entwarnung“. taz, 5. Mai 2021
- Danijel Majić: hr-Interview mit Linken-Chefin Wissler zu „NSU 2.0“: „Hier ist wieder viel zu schnell von einem Einzeltäter die Rede“. Hessenschau, 8. Mai 2021
- Pitt von Bebenburg: Janine Wissler zur „NSU 2.0“-Drohserie: „Kann man einfach bei der Polizei anrufen wie bei der Auskunft?“ FR, 11. Mai 2021
- Anna Lisa Lüft: Adbusting in Frankfurt: Polizeikritik statt Dating-App-Werbung mit Helene Fischer. Hessenschau, 7. Mai 2021
- Daniel Bräuer: Kollektiv “Dies Irae”: Guerilla-Plakataktion in Mannheim mit scharfer Polizeikritik. Rhein-Neckar-Zeitung, 6. August 2021
- Steffen Herrmann: Schauspiel Frankfurt: Proben für „NSU 2.0“ in Frankfurt: Reise in die Risse der Gesellschaft. FR, 13. April 2021; Eva-Maria Magel: „NSU 2.0“ am Schauspiel: Linien von Mölln nach Hanau. FAZ, 29. März 2021
- Fragen und Opferperspektiven: „NSU 2.0“ als Theaterstück. SZ, 14. Juni 2021; Video: Hessische Theatertage: Stück über „NSU 2.0“. Hessenschau, 24. Juni 2021
- Sonja Fouraté: Theaterprojekt „Kein Schlusstrich“: Noch viele offene Fragen zum Kasseler NSU-Mord. Hessenschau, 20. Oktober 2021
- Pitt von Bebenburg: Ausgezeichnete Recherche. FR, 19. Oktober 2021