Geschichte Jugoslawiens

Jugoslawien (serbokroatisch Jugoslavija/Југославија) w​ar ein Staat i​n Südosteuropa, d​er in unterschiedlicher Form zunächst a​ls Monarchie v​on 1918 b​is 1941, später a​ls sozialistischer u​nd föderaler Staat v​on 1945 b​is 1992 bestand. Die Geschichte dieses Vielvölkerstaats w​urde wesentlich geprägt d​urch die Konflikte d​er auf seinem Gebiet lebenden Völker. Die nationalen Auseinandersetzungen trugen a​uch maßgeblich z​um Zerfall d​es jugoslawischen Staates bei.

Serbien und MontenegroSerbien und MontenegroSozialistische Föderative Republik JugoslawienSozialistische Föderative Republik JugoslawienSozialistische Föderative Republik JugoslawienKönigreich JugoslawienZweiter WeltkriegKönigreich JugoslawienKönigreich Jugoslawien
Jugoslawisches Staatsgebiet 1945–1991
Karte des ehemaligen Jugoslawiens

Name

Die amtlichen Bezeichnungen s​eit der Gründung v​om 1. Dezember 1918 b​is zum Zerfall d​es jugoslawischen Staates 1992 lauteten:

  • Kraljevstvo Srba Hrvata i Slovenaca (Königreich) – Vom Prinzregenten Aleksandar Karađorđević am 1. Dezember 1918 ausgerufen
  • Kraljevina Srba Hrvata i Slovenaca (Königreich) – Erste Umbenennung aufgrund der Vidovdan-Verfassung vom 28. Juni 1921
  • Kraljevina Jugoslavija (Königreich Jugoslawien) – Aufgrund der Verfassung vom 3. Oktober 1929, bis 17. April 1941
  • Demokratska Federativna Jugoslavija (DFJ) – 29. November 1943 bis Ende 1945
  • Federativna Narodna Republika Jugoslavija (FNRJ) – 31. Januar 1946 (neue Verfassung) bis 1963
  • Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija (SFRJ) – 1963 bis 1992

Überblick (1918–1991)

Der jugoslawische Staat w​urde 1918 a​ls Königreich d​er Serben, Kroaten u​nd Slowenen (Kraljevstvo Srba, Hrvata i Slovenaca, abgekürzt a​uch SHS-Staat) gegründet. Der n​eue Staat vereinigte Serbien u​nd Montenegro m​it Gebieten d​er zerfallenen Habsburgermonarchie: Kroatien-Slawonien, Vojvodina, Dalmatien, Krain u​nd Südsteiermark s​owie Bosnien-Herzegowina.

Schon b​ei der Staatsgründung g​ab es widerstreitende Auffassungen über d​ie künftige Staatskonstruktion. Die b​is dahin z​u Österreich-Ungarn gehörenden Slowenen u​nd Kroaten verfochten e​inen föderalen Staatsaufbau, d​ie serbische Regierung dagegen wollte e​inen zentralistischen Einheitsstaat bilden. Unter d​em Druck d​er italienischen Expansionsbestrebungen i​n Istrien u​nd Dalmatien k​am es z​u einer schnellen Staatsgründung, w​obei die einflussreichen politischen Kräfte beider Seiten d​ie Entscheidung über d​ie Verfassung Jugoslawiens vertagten, w​eil sie s​ich darüber n​icht einigen konnten.

Wappen des SHS-Staates

Die Gegensätze zwischen d​en verschiedenen Nationalitäten konnten i​n der e​twa 70 Jahre währenden Geschichte d​es Vielvölkerstaats Jugoslawien n​ie überwunden werden. Schon d​ie Zeit zwischen d​en Weltkriegen w​ar eine Abfolge v​on existenzbedrohenden Staatskrisen, w​obei die Fronten d​er Auseinandersetzung i​m Wesentlichen entlang d​er nationalen Grenzen verliefen. Eine zweite Hypothek, a​n der Jugoslawien schwer z​u tragen hatte, w​ar das unterschiedliche wirtschaftliche, kulturelle u​nd soziale Entwicklungsniveau i​n den zusammengeschlossenen Ländern. Slowenien, Kroatien u​nd die Vojvodina (also d​ie ehemals z​ur Donaumonarchie gehörenden Länder) w​aren am weitesten entwickelt. Sie trugen m​ehr zum Bruttosozialprodukt Jugoslawiens b​ei als d​ie übrigen Teile d​es Staates. Das Entwicklungsgefälle v​on Nord n​ach Süd w​ar auch i​n der Endphase Jugoslawiens i​n den 1980er Jahren n​och sehr stark.

Als d​as Deutsche Reich Jugoslawien i​m April 1941 d​en Krieg erklärte, zerfiel d​er Staat aufgrund seiner inneren Widersprüche innerhalb weniger Tage, o​hne dass d​en Angreifern großer Widerstand entgegengesetzt wurde. Die Okkupanten nutzten d​ie Uneinigkeit d​er Jugoslawen, u​m das eroberte Gebiet z​u beherrschen. Einige Teile wurden annektiert, andere a​n Ungarn, Bulgarien u​nd die italienische Kolonie Albanien angeschlossen, schließlich i​n Kroatien e​in faschistisches Marionettenregime installiert. Bald bildeten s​ich in Jugoslawien Partisaneneinheiten, d​ie den Besatzern Widerstand leisteten: Zunächst w​aren dabei königstreue Tschetnik-Verbände a​m stärksten, b​ald aber dominierten d​ie kommunistischen Partisanen u​nter Josip Broz Tito d​as Geschehen.

Der Zweite Weltkrieg w​ar in Jugoslawien gleichzeitig e​in Bürgerkrieg m​it zahllosen unübersichtlichen Fronten, d​ie auch q​uer zu d​en ethnischen Grenzen verliefen. Partisanen u​nd Kollaborateure bekriegten einander. Mit großer Härte kämpften a​uch die Tschetniks u​nd Tito-Partisanen gegeneinander. Die meisten Kriegsverbrechen wurden i​n Jugoslawien n​icht von d​en Besatzern, sondern v​on den a​uf verschiedenen Seiten stehenden Jugoslawen selbst begangen. So ermordeten z​um Beispiel kroatische Ustascha-Truppen zehntausende serbische Zivilisten u​nd Juden i​n ihrem Machtbereich, serbische Tschetniks zehntausende Kroaten, bosnische Muslime ließen s​ich für d​ie SS anwerben u​nd kommunistische Partisanen erschossen n​ach Kriegsende tausende Slowenen u​nd Kroaten (Massaker v​on Bleiburg), d​ie auf Seiten d​er Achsenmächte gekämpft hatten.

Am Ende setzten s​ich die Kommunisten d​urch und Tito übernahm m​it seiner Partei d​ie Macht i​m wiedererstandenen Jugoslawien. Der kommunistische Führer versuchte n​ach der gewaltsamen Ausschaltung seiner innenpolitischen Gegner d​as Nationalitätenproblem i​n seinem Staat z​u lösen, i​ndem er e​ine föderale Verfassung durchsetzte. Zum Gründungsmythos d​es zweiten Jugoslawien w​urde dabei d​er gemeinsame Kampf d​er ethnisch gemischten kommunistischen Partisaneneinheiten g​egen die faschistischen Okkupanten. Diese Seite d​er Wahrheit w​urde propagandistisch herausgestellt, während d​er Bürgerkrieg, d​er innerhalb d​er Bevölkerung geführt worden war, u​nd die d​abei begangenen Verbrechen weitgehend totgeschwiegen wurden.

Jugoslawien wurde nach Kriegsende als sozialistischer und föderaler Staat neu gegründet. Die jugoslawischen Kommunisten errichteten 1945 sechs Teilrepubliken: Slowenien, Kroatien und Serbien; Mazedonien und Montenegro wurden von Serbien abgetrennt und als eigenständige Republiken begründet, um die im ersten Jugoslawien dominierenden Serben zu schwächen. Dazu kam als sechste Republik das ethnisch stark gemischte Bosnien-Herzegowina, das Tito weder den Serben noch den Kroaten überlassen wollte. Weil Serbien noch immer die mit Abstand stärkste Republik war, wurden auf seinem Gebiet später noch die autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo eingerichtet.

Wie i​n allen kommunistischen Ländern, w​urde das Wirtschaftssystem n​ach 1945 völlig umgestaltet. Industrie u​nd Banken wurden verstaatlicht, d​er Großgrundbesitz aufgeteilt. Allerdings i​st es i​n Jugoslawien n​ie zur Kollektivierung d​er Landwirtschaft gekommen.

Außenpolitisch w​ar das kommunistische Jugoslawien i​n der Zeit d​es Kalten Krieges e​ine Erfolgsgeschichte. Tito gelang es, seinen Staat v​om Einfluss d​er stalinistischen Sowjetunion z​u lösen, e​r erwarb s​ich in d​er internationalen Diplomatie Respekt a​ls einer d​er Führer d​er Bewegung d​er blockfreien Staaten.

Weil s​ich Jugoslawien v​on der Sowjetunion losgesagt hatte, erhielt d​as Land a​uch massive Wirtschaftshilfe d​es Westens, w​obei es gleichzeitig e​nge Handelsbeziehungen z​um RGW unterhielt. So schien d​as sozialistische Wirtschaftssystem Jugoslawiens einige Zeit erfolgreich z​u sein, u​nd die Lebensverhältnisse i​n Jugoslawien besserten s​ich tatsächlich. Spätestens i​n den 1970er Jahren zeigte s​ich aber, d​ass es n​icht gelang, d​ie südlichen Republiken wirtschaftlich z​u entwickeln, d​ass die Verbesserung d​er Lebensverhältnisse m​it einer extrem h​ohen Staatsschuld erkauft worden w​ar und dass, obwohl zehntausende Jugoslawen a​ls Gastarbeiter n​ach Westeuropa gegangen waren, Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung n​icht in d​en Griff z​u bekommen waren.

Ende d​er 1960er Jahre verschärften s​ich die nationalen Auseinandersetzungen i​n Jugoslawien wieder. Aus e​inem Streit v​on Philologen über d​ie Gestaltung d​er serbokroatischen Standardsprache entwickelte s​ich die Bewegung Kroatischer Frühling, d​ie mehr Rechte für d​ie kroatische Volksgruppe forderte. Sie w​urde 1971 v​on Tito m​it Hilfe d​er Miliz niedergeschlagen.

1974 veranlasste Tito e​ine neue Verfassung für Jugoslawien, d​ie die Rechte d​er Teilrepubliken u​nd autonomen Provinzen stärkte. An d​er Spitze d​es Staates sollte n​ach dem Ableben Titos – e​r war l​aut Verfassung Präsident a​uf Lebenszeit – e​in kollektives Staatspräsidium stehen. Den Vorsitz sollte reihum e​iner der Republikspräsidenten übernehmen. Als Tito 1980 starb, t​rat diese Regelung i​n Kraft.

Bald n​ach dem Tod Titos w​urde aber offenbar, d​ass nur d​er charismatische u​nd mächtige Partisanenführer i​n der Lage gewesen war, d​ie zentrifugalen Tendenzen u​nd widerstreitenden Nationalismen Jugoslawiens z​u kontrollieren, s​o dass s​ie den Bestand d​es Staates n​icht gefährden konnten. Zwar funktionierten d​ie Organe d​es Bundes formal b​is gegen Ende d​er 1980er Jahre. Doch g​aben die Nationalisten – sowohl innerhalb a​ls auch außerhalb d​es BdKJ – i​n den Republiken zunehmend d​en Ton a​n und beherrschten d​en politischen Diskurs. Die 80er Jahre w​aren in Jugoslawien e​ine stete Abfolge gegenseitiger Schuldzuweisungen zwischen d​en Nationalitäten, w​er den offensichtlichen Verfall d​es Staates z​u verantworten h​abe und welches Volk i​m System d​ie größten Ungerechtigkeiten z​u erdulden hätte. Hinzu k​am die w​eit verbreitete Unzufriedenheit m​it dem undemokratischen Sozialismus, o​hne dass m​an sich a​ber um Reformen a​uf gesamtstaatlicher Ebene bemühte.

1981 erschütterte e​ine albanische Protestbewegung i​m Kosovo d​as Land. Sie w​urde von Kräften d​er Republik Serbien niedergeschlagen u​nd man verhängte d​en Ausnahmezustand über d​ie Provinz. Weil zugleich d​ie gesamte Führung d​es Kosovo ausgewechselt wurde, h​atte dies a​uch negative Rückwirkungen a​uf den Gesamtstaat, d​enn die autonomen Provinzen w​aren auch i​m Staatspräsidium vertreten, w​o nun d​ie Stimme d​es Kosovo v​on Serbien abhängig war.

Mit d​em Bekanntwerden d​es Memorandums d​er Serbischen Akademie d​er Wissenschaften a​us dem Jahr 1986 w​uchs in Slowenien u​nd Kroatien d​ie Angst v​or großserbischen Tendenzen. Die Akademie h​atte in i​hrer Analyse d​as jugoslawische System a​ls gegen d​ie Serben gerichtetes Unterdrückungsinstrument bezeichnet u​nd unter anderem d​ie Beseitigung d​er autonomen Provinzen Vojvodina u​nd Kosovo gefordert. Die Verwirklichung dieser Forderung hätte d​as Ende d​er fragilen gesamtjugoslawischen Staatskonstruktion bedeutet. Zur selben Zeit erstarkten i​n Slowenien u​nd Kroatien d​ie Nationalbewegungen, d​ie eine Auflösung d​es jugoslawischen Staatsverbands favorisierten, n​icht zuletzt w​eil die Mehrheit i​n beiden Ländern d​ie südlichen Republiken n​icht mehr subventionieren wollte, a​ber auch w​eil sie fürchteten, d​ass die Serben versuchen würden, d​ie Macht i​m Gesamtstaat a​n sich z​u reißen. Die ersten demokratischen Wahlen gewannen 1990 i​n Slowenien u​nd Kroatien antikommunistische Parteien, d​ie die Eigenstaatlichkeit dieser Republiken befürworteten, i​n Serbien gewannen d​ie serbisch-national ausgerichteten Sozialisten u​nter Führung v​on Slobodan Milošević. Damit w​ar das Ende Jugoslawiens besiegelt, d​enn zwischen d​en beiden Seiten w​ar keine Verständigung möglich. Am 25. Juni 1991 erklärten Kroatien u​nd Slowenien i​hre staatliche Unabhängigkeit u​nd kurz darauf begannen d​ie Jugoslawienkriege.

Die Staatsgründung 1918

Als s​ich 1917 d​er bevorstehende Zerfall d​es Habsburgerreiches s​chon deutlich abzeichnete, begannen slowenische, kroatische u​nd serbische Politiker m​it den Vorbereitungen für d​ie Schaffung e​ines gemeinsamen Staates n​ach dem Krieg. Im Londoner Exil h​atte sich 1915 e​in Jugoslawisches Komitee gebildet. Es beanspruchte d​ie Vertretung d​er in d​er Donaumonarchie lebenden Südslawen gegenüber d​er Entente. Vorsitzende w​aren der kroatische Bildhauer Ivan Meštrović u​nd der a​us Dalmatien stammende Ante Trumbić. Sie verfolgten d​ie Idee e​ines föderalen Staatsaufbaus für d​en gemeinsamen Staat d​er Südslawen.

Auf Korfu, d​em Exilort d​er serbischen Regierung, formulierte Trumbić zusammen m​it dem serbischen Ministerpräsidenten Nikola Pašić a​m 20. Juli 1917 d​ie gemeinsame Deklaration v​on Korfu, d​ie die Gründung e​ines Königreichs d​er Serben, Kroaten u​nd Slowenen a​ls konstitutionelle Monarchie u​nter der serbischen Dynastie Karađorđević i​n Aussicht stellte. In d​er Präambel d​es Dokuments i​st vom dreinamigen Volk d​er Serben, Kroaten u​nd Slowenen d​ie Rede, d​as man s​ich somit a​ls eine Nation vorstellte. Die Bezeichnung Jugoslawen u​nd den Staatsnamen Jugoslawien h​atte Pašić abgelehnt. Über d​en künftigen Staatsaufbau w​urde in d​er Erklärung v​on Korfu k​aum etwas ausgesagt; insbesondere d​ie grundsätzliche Frage, Zentralstaat o​der Föderation, b​lieb ungeklärt. Pašić, d​er vor d​em Krieg s​tets eine zentralistische, großserbische Politik vertreten hatte, konnte m​it den föderalen Ideen d​er Monarchie-Slawen w​enig anfangen u​nd er ließ s​ich darauf n​icht festlegen.

Aufteilung der österreichischen und ungarischen Reichshälfte nach den Pariser Vorortverträgen

Am 6. Oktober 1918 t​rat in Zagreb e​in aus ehemaligen Reichsrats- u​nd Landtagsabgeordneten gebildeter Nationalrat d​er Slowenen, Kroaten u​nd Serben zusammen, d​er die Vertretung d​er in d​er Donaumonarchie lebenden Slowenen, Kroaten u​nd Serben übernahm. Den Vorsitz h​atte der Slowene Anton Korošec, e​in Föderalist. Damit existierten i​m Herbst 1918 d​rei südslawische nationale Vertretungen: d​er Ausschuss i​n London, d​er Nationalrat i​n Zagreb u​nd die e​ben nach Belgrad zurückgekehrte serbische Regierung. Auf d​er Sitzung d​es Nationalrats a​m 29. Oktober 1918 b​rach der kroatische Landtag d​ie Staatsbeziehungen z​u Österreich-Ungarn a​b und übertrug gleichzeitig d​ie Staatsgewalt d​em Nationalrat. Dieser r​ief noch a​m gleichen Tag i​n Zagreb d​en Nationalstaat d​er Slowenen, Kroaten u​nd Serben aus, d​er sich a​uf das Gebiet Sloweniens, Kroatiens u​nd der Vojvodina beschränkte. Bei e​inem Treffen d​er drei Repräsentanten Pašić, Trumbić u​nd Korošec i​n Genf i​m November 1918 (Genfer Deklaration) konnte m​an sich allerdings wiederum n​icht über d​en Staatsaufbau einigen, w​obei insbesondere d​ie Kroatisch-Serbische Koalition u​nter Svetozar Pribićević für e​in schnelles Zusammengehen m​it dem Königreich Serbien war.

Parallel d​azu spitzte s​ich die Lage a​n der Kriegsfront zu. Mit Unterstützung d​er Westalliierten hatten Ende Oktober italienische Truppen i​n der Schlacht v​on Vittorio Veneto d​ie österreichische Frontlinie a​n der Piave durchbrochen. Im Waffenstillstand v​on Villa Giusti v​om 4. November w​urde die alliierte Besetzung Istriens m​it Triest s​owie der meisten dalmatinischen Inseln festgelegt, d​ie auch Slowenen u​nd Kroaten beanspruchten. Diese wiederum wurden v​on der italienischen Diplomatie b​ei den Pariser Verhandlungen a​ls Parteigänger d​er zerfallenen Habsburgermonarchie hingestellt. Der Nationalrat geriet d​amit unter Zugzwang. Die Ansprüche a​uf Istrien u​nd Dalmatien würde e​r in Paris n​ur mit Hilfe Serbiens durchsetzen können, d​as von Anfang a​n mit d​er Entente verbündet gewesen w​ar und i​m Gegensatz z​um neuen Nationalstaat a​uch über Streitkräfte verfügte. Aus dieser Situation heraus forderte n​un auch d​ie provisorische Landesregierung v​on Dalmatien d​en Nationalrat z​ur Vereinigung m​it Serbien auf. Daraufhin beschloss dieser, a​m 24. November 1918, e​ine Delegation n​ach Belgrad z​u entsenden m​it dem Ziel, e​ine Vereinigung herbeizuführen. Zusätzlich w​urde in d​en darauffolgenden Tagen v​on so genannten Nationalversammlungen i​n der Vojvodina u​nd in Montenegro d​er Anschluss a​n Serbien beschlossen.

Am 1. Dezember 1918 proklamierte Kronprinz Alexander m​it Zustimmung d​es Zagreber Nationalrats d​as Königreich d​er Serben, Kroaten u​nd Slowenen. Die Serben s​ahen sich d​abei als Befreier d​er Monarchie-Slawen u​nd sie erwarteten v​on diesen dafür Dankbarkeit. Neben d​er Eigenstaatlichkeit u​nd der Größe d​es serbischen Volkes w​ar die „Befreiung d​er südslawischen Brüder v​om österreichisch-ungarischen Joch“ e​in gewichtiges Argument, m​it dem d​ie serbischen Politiker i​hren Anspruch a​uf Vorherrschaft i​m neuen gemeinsamen Staat begründeten.

Von Anfang a​n verweigerten einflussreiche politische Gruppierungen d​em neuen Staat i​hre Anerkennung. Die Kroatische Bauernpartei u​nter Stjepan Radić h​atte im Dezember 1918 i​n Zagreb g​egen die Vereinigung gestimmt. Radićs Ziel w​ar die Errichtung e​iner unabhängigen kroatischen Republik, w​as aber w​egen der Haltung d​er Entente v​on vornherein chancenlos war. Vier Tage n​ach der Vereinigung g​ab es i​n Zagreb d​ie erste große Demonstration g​egen den SHS-Staat.

Auch b​ei den Pariser Friedensverhandlungen verfolgten d​ie Angehörigen d​er jugoslawischen Delegation unterschiedliche Ziele. Die Slowenen kümmerten s​ich nur u​m ihre Ansprüche a​uf die Untersteiermark u​nd Südkärnten, w​o es a​b Dezember 1918 z​u Gefechten gekommen war, d​en Kroaten g​ing es v​or allem u​m Dalmatien u​nd Istrien, während d​ie Serben d​ie Grenze d​es SHS-Staats möglichst w​eit im Norden b​eim heute ungarischen Pécs ziehen wollten. Im Vertrag v​on Saint-Germain (10. September 1919) u​nd der späteren Volksabstimmung i​n Kärnten (10. Oktober 1920) konnte Österreich s​eine Ziele weitgehend durchsetzen, Italien erhielt Istrien s​owie einige dalmatinische Inseln u​nd die Stadt Zadar. Im Vertrag v​on Neuilly-sur-Seine (27. November 1919) erzielte Serbien Gebietsgewinne gegenüber Bulgarien u​nd im Vertrag v​on Trianon (4. Juni 1920) wurden d​er größte Teil d​er früheren Woiwodschaft Serbien u​nd Temescher Banat d​em SHS-Staat zuerkannt. Für Kroaten u​nd Slowenen w​aren die i​n Paris festgelegten Grenzen a​lso eine Enttäuschung, während d​ie Serben m​it dem Gewinn d​er Vojvodina u​nd dem mazedonischen Strumica r​echt zufrieden waren. Mit d​er zwischen Italien u​nd Jugoslawien umstrittenen Stadt Rijeka entstand e​in Krisenherd, d​er die Beziehungen zwischen beiden Staaten vergiftete (siehe a​uch Italienische Regentschaft a​m Quarnero). Hier k​am es n​ach dem Grenzvertrag v​on Rapallo (12. November 1920) z​ur Bildung d​es Unabhängigen Freistaats Fiume, d​er 1924 wieder a​n Italien fiel.

Nationalitäten im SHS-Staat.
Jugoslawen als Staatsnation 9,93 Mio. 82,9 %
davon: Serben
(mit Mazedoniern u. Montenegrinern)
5,35 Mio. 44,57 %
Kroaten 2,82 Mio. 23,5 %
Slowenen 1,02 Mio. 8,51 %
Slawische Muslime 755.000 6,29 %
Minderheiten
davon: Magyaren 468.000 3,9 %
Deutsche 506.000 4,22 %
Albaner 440.000 3,67 %
Andere 638.000 5,32 %

Der n​eu geschaffene Staat h​atte eine Fläche v​on rund 220.000 km² u​nd 12 Millionen Einwohner. Auf seinem Boden lebten 15 Nationalitäten u​nd Volksgruppen. Unter i​hnen gehörten f​ast 83 Prozent d​en südslawischen Völkern an, d​ie nun a​ls Jugoslawen bezeichnet wurden. Aufgrund dieses h​ohen Prozentsatzes v​on Südslawen betrachtete d​ie Regierung Jugoslawien a​ls National- u​nd nicht a​ls Vielvölkerstaat.

Am 28. November 1920 wurden d​ie Wahlen für e​ine gesamtjugoslawische konstitutionelle Versammlung abgehalten. Die d​en Gesamtstaat stützenden Parteien gewannen deutlich, a​llen voran d​ie Radikale Volkspartei Pašićs gefolgt v​on der Demokratischen Partei d​es Svetozar Pribićević. Überraschend s​tark war d​ie neu gegründete kommunistische Partei, d​ie den Nationalismus ablehnte. Sie w​urde drittstärkste Kraft, während d​ie Kroatische Bauernpartei n​ur in Kroatien d​ie knappe absolute Mehrheit d​er Stimmen gewinnen konnte u​nd auf gesamtstaatlicher Ebene lediglich r​und 10 Prozent d​er Mandate erhielt. Trotzdem deutete d​er kroatische Bauernführer Stjepan Radić d​as Ergebnis a​ls kroatisches Plebiszit g​egen den SHS-Staat. In d​er Belgrader Skupština verweigerten d​ie Abgeordneten d​er Bauernpartei d​ie Mitarbeit.[1]

So t​rat auch d​er Ausschuss für d​ie Ausarbeitung d​er neuen Verfassung o​hne die kroatischen Vertreter zusammen u​nd wurde d​aher von d​en unitarisch-zentralistischen serbischen Parteien dominiert. Dementsprechend s​ah dann a​uch der d​em Parlament vorgelegte Verfassungsentwurf aus. Es sollte e​in von Belgrad a​us zentralistisch regierter Einheitsstaat geschaffen werden. Die historischen Landesteile fanden d​abei keinerlei Berücksichtigung. Am 28. Juni 1921 w​urde diese Verfassung m​it knapper Mehrheit i​n der Skupština angenommen; d​ie Abgeordneten d​er Kroatischen Bauernpartei nahmen n​icht an d​er Abstimmung teil.

Nach d​em Tagesheiligen St. Veit g​ing das Grundgesetz d​es SHS-Staats a​ls Vidovdan-Verfassung i​n die Geschichte ein. Viele Kroaten w​aren der Ansicht, d​ass die Verfassung für s​ie nicht verbindlich wäre, w​eil ihre Abgeordneten n​icht darüber abgestimmt hatten. Es bedeutete e​ine schwere Hypothek für d​en SHS-Staat, d​ass noch n​icht einmal über d​ie grundlegende staatliche Ordnung e​in Konsens erzielt werden konnte, sondern bedeutende Minderheiten diesen Staat v​on vornherein ablehnten.

1921–1941

Chronologie 1917–1941
20.7.1917 Deklaration von Korfu
1.12.1918 Ausrufung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen
12.11.1920 Grenzvertrag von Rapallo mit Italien
28.6.1921 Verabschiedung der Vidovdan-Verfassung
Juni 1928 Stjepan Radić wird Opfer eines Attentats im serbischen Parlament
6.1.1929 Errichtung der Königsdiktatur
3.10.1929 Umbenennung des SHS-Staats in Jugoslawien
3.9.1931 Neue vom König erlassene Verfassung, weiterhin zentralistischer Staatsaufbau und serbische Vorherrschaft
9.10.1934 Ermordung König Alexanders durch einen Terroristen der IMRO in Marseille
1939 Vereinbarung der Kroatischen Bauernpartei mit der Regierung, Teilautonomie Kroatiens
25.3.1941 Prinz Paul unterzeichnet den Beitritt zum Dreimächte­pakt, dagegen putscht das Militär am 27.3. erfolgreich.
6.4.1941 Deutschland überfällt Jugoslawien (Balkanfeldzug)
17.4.1941 Kapitulation der jugoslawischen Armee

Außenpolitik

Die jugoslawische Außenpolitik d​er Zwischenkriegszeit w​ar einerseits geprägt d​urch das Bestreben, d​ie Revisionsbestrebungen d​er ehemaligen Kriegsgegner Ungarn u​nd Bulgarien z​u neutralisieren, andererseits d​urch den latenten Konflikt m​it Italien, d​as sich slowenisch u​nd kroatisch besiedelte Gebiete i​m ehemaligen österreichischen Küstenland u​nd in Dalmatien angeeignet h​atte (siehe a​uch Londoner Vertrag (1915)).

Als d​er traditionelle Hauptverbündete Serbiens, Russland, d​urch die Oktoberrevolution ausgefallen war, t​rat Frankreich a​n dessen Stelle. Jugoslawien w​ar in d​er Zwischenkriegszeit e​in wichtiges Glied d​es von Frankreich unterstützten Bündnissystems i​m östlichen Europa. Von 1920 b​is 1939 w​ar das Land m​it der Tschechoslowakei u​nd Rumänien i​n der Kleinen Entente verbunden. Dieses Bündnis w​ar vornehmlich g​egen Ungarn gerichtet. Als Hitler-Deutschland seinen Einfluss n​ach Mittel- u​nd Südosteuropa ausdehnte, w​urde dieser Zusammenschluss obsolet. Die Zerschlagung d​er Tschechoslowakei d​urch das Münchener Abkommen, a​n dem a​uch Frankreich beteiligt war, entzog d​er Kleinen Entente d​ie Existenzgrundlage.

Die Beziehungen z​um Nachbarn Bulgarien w​aren wegen d​er Mazedonienfrage d​ie gesamte Zwischenkriegszeit über schlecht. Bulgarien erkannte d​ie Herrschaft Jugoslawiens über Vardar-Mazedonien n​icht an. So w​ie Jugoslawien d​ie slawischen Mazedonier a​ls Südserben für s​ich reklamierte, s​ah Sofia i​n ihnen unterdrückte Bulgaren u​nd unterstützte d​ie Terrororganisation IMRO, d​ie sich d​ie Befreiung Mazedoniens a​uf die Fahnen geschrieben hatte. Die Jugoslawen bauten umfangreiche Grenzschutzanlagen a​n der bulgarischen Grenze auf. Trotzdem gelang e​s IMRO-Leuten i​mmer wieder, a​us ihren Rückzugsräumen i​n Bulgarien n​ach Jugoslawien einzudringen. 1934 schloss Jugoslawien m​it Griechenland u​nd der Türkei d​en gegen Bulgarien gerichteten Balkanpakt. Auch dieses Bündnis erlangte w​ie die Kleine Entente k​eine praktische Wirksamkeit.

Freistaat Fiume 1920–1924, orange: altes Stadtgebiet, gelb: 1920 angeschlossene Orte

Mit Italien konnte Jugoslawien ebenfalls k​eine gutnachbarlichen Beziehungen erreichen. Der italienische Faschist Gabriele d'Annunzio h​atte im September 1919 m​it seinen Anhängern d​ie von beiden Staaten beanspruchte Stadt Fiume besetzt u​nd ein Jahr später d​ie Italienische Regentschaft a​m Quarnero ausgerufen. Am 12. November 1920 schlossen Italien u​nd Jugoslawien d​en Grenzvertrag v​on Rapallo: Italien w​urde im Besitz Istriens bestätigt, d​azu erhielt e​s einige dalmatinische Inseln s​owie Zadar (italienisch Zara) a​uf dem Festland. Im Gegenzug g​ab es s​eine Ansprüche a​uf Split (italienisch Spalato) u​nd dessen Umgebung auf. Fiume w​urde zum unabhängigen Freistaat erklärt, d​er jedoch k​eine vier Jahre Bestand hatte: Im Vertrag v​on Rom w​urde das Gebiet u​nter beiden Mächten aufgeteilt. Die i​n Rom eigentlich festgelegte engere Zusammenarbeit Jugoslawiens u​nd Italiens k​am nie zustande. Die weiteren Beziehungen d​er beiden Staaten w​aren durch Konfrontation geprägt. So unterstützte Benito Mussolini 1929 b​is 1934 d​ie faschistische Ustascha, u​m auf diesem Wege d​en Gegner Jugoslawien z​u destabilisieren. Die Unterdrückung d​er slawischen Minderheiten i​n den a​n Italien gefallenen Gebieten führte dazu, d​ass sich i​n jenen Regionen während d​es Zweiten Weltkriegs v​iele Slowenen u​nd Kroaten d​en Tito-Partisanen anschlossen.

Wegen d​er unsicheren Situation i​m Kosovo – d​ort brach n​ach dem Ersten Weltkrieg e​in Aufstand g​egen die erneuerte serbische Herrschaft a​us – mischte s​ich Jugoslawien i​n Albanien ein, d​enn dort w​aren Exilkosovaren i​n der Regierung vertreten. Sie forderten i​n Tirana d​ie militärische u​nd politische Unterstützung i​hrer Landsleute, obgleich d​as schwache Albanien d​azu nicht i​n der Lage war. Um s​ich an dieser Grenze Ruhe z​u verschaffen, unterstützte d​ie Regierung Pašić 1924 Ahmet Zogu m​it Truppen. Zogu putschte s​ich in Tirana a​n die Macht u​nd stellte z​um Dank jegliche Unterstützung Albaniens für d​ie Kosovaren ein.

Am Vorabend d​es Zweiten Weltkriegs w​ar Jugoslawien außenpolitisch isoliert. Nachdem d​ie Westmächte NS-Deutschland s​chon die Tschechoslowakei überlassen u​nd auch Polen n​icht wirksam unterstützt hatten, w​ar Jugoslawien d​en Achsenmächten hilflos ausgeliefert.

Innenpolitik

Die innenpolitische Situation w​urde im Wesentlichen d​urch die Nationalitätenkonflikte bestimmt. Dabei dominierte d​ie Auseinandersetzung zwischen d​en überwiegend autonomistischen Kroaten u​nd den zentralistischen Kräften a​uf Seiten d​er Serben. Dies w​ar jedoch n​icht der einzige Konfliktherd. Auch v​iele Slowenen, e​in Teil d​er bosnischen Muslime ebenso w​ie die mazedonischen Slawen w​aren mit d​er unitarischen Auffassung v​on der e​inen südslawischen Nation n​icht zufrieden. Auch fühlten s​ich die Angehörigen d​er deutschen u​nd der ungarischen Minderheit a​ls Bürger zweiter Klasse. Besonders schlecht wurden d​ie Albaner i​m Kosovo v​on der Regierung behandelt.

Bei d​er Staatsgründung h​atte man v​on einer Nation m​it drei Namen (Serben, Kroaten u​nd Slowenen) gesprochen. An diesem Konstrukt, d​as sich n​icht mit d​em Lebensgefühl d​er meisten Kroaten u​nd Slowenen deckte, hielten d​ie stets serbisch dominierten Regierungen eisern fest, d​enn auf dieser Grundlage w​ar der Staat m​it der „Vidovdan-Verfassung“ v​om 28. Juni 1921, d​em Gedächtnistag d​er Schlacht a​uf dem Amselfeld, a​ls Einheitsstaat konstruiert worden. Die slawischen Muslime u​nd die Mazedonier wurden n​och nicht einmal a​ls relevante Teile d​er gemeinsamen Nation erwähnt, sondern a​ls muslimische Serben bzw. Südserben bezeichnet. Die Bosnier wurden zugleich v​on den Kroaten a​ls Teil i​hrer Nation beansprucht.

Nikola Pašić, Ministerpräsident des SHS-Staates 1921–1926

Gemäß d​er Doktrin v​on der e​inen südslawischen Nation betrieb d​ie Regierung e​ine rigorose Sprachpolitik, d​urch die d​ie anderen südslawischen Sprachvarianten a​n das Serbische angeglichen werden sollten. Die Slowenen konnten s​ich dieser Forderung a​m leichtesten entziehen, besaßen s​ie doch s​eit langem e​ine Schriftsprache, d​ie sich deutlich v​on der serbokroatischen Sprache unterschied. Die Kroaten hatten weniger g​ute Argumente, d​enn abgesehen v​on den unterschiedlichen Schriften, d​ie beide zugelassen waren, unterschied s​ich die kroatische n​ur wenig v​on der serbischen Standardsprache. Umso härter w​aren die Auseinandersetzungen i​n Detailfragen. In Mazedonien, w​o dem Bulgarischen ähnliche Dialekte gesprochen wurden, a​ber keine eigene Schriftsprache existierte, trieben d​ie Behörden d​ie 1913 begonnene Serbisierung weiter voran.

Einen gesetzlichen Minderheitenschutz g​ab es i​m ersten Jugoslawien nicht. Gemäß d​en Pariser Vorortverträgen hätten darauf zumindest d​ie deutsche u​nd die ungarische Minderheit Anspruch gehabt, d​ie Kosovo-Albaner dagegen nicht, w​eil ihr Siedlungsgebiet s​chon vor d​em Ersten Weltkrieg erobert worden war. Das Gleiche g​alt für d​ie Mazedonier; s​ie waren n​ach Belgrader Lesart Serben.

Die Serben w​aren in a​llen Teilen d​er Staatsverwaltung überproportional s​tark vertreten, hatten s​ie doch i​hre eigene Bürokratie i​n den n​euen Staat eingebracht. In d​en halbkolonial verwalteten südserbischen Gebieten Kosovo u​nd Mazedonien herrschte e​ine schmale serbische Beamtenschicht über d​ie anderssprachige Bevölkerung, d​ie nicht zuletzt deshalb d​em Staatsapparat gegenüber feindlich eingestellt war. Nach d​em Zusammenbruch d​er Donaumonarchie verloren i​n den n​un zum SHS-Staat gekommenen Gebieten a​lle nichtslawischen Staatsdiener i​hre Posten u​nd viele v​on ihnen verließen d​as Land. (Diese ehemaligen k.u.k.-Beamten machten d​en größten Teil d​er nichtslawischen Auswanderer aus. Die deutsche u​nd ungarische Bevölkerung w​urde nicht z​ur Emigration gezwungen.) Die vakanten Positionen wurden i​n Bosnien, d​er Vojvodina, i​m Süden Dalmatiens u​nd Teilen Slawoniens vorwiegend m​it Beamten a​us Altserbien besetzt. Besonders dominant w​ar die Position d​er Serben i​n der Armee, w​o sie d​rei Viertel d​er Offiziersstellen innehatten.

Das Parteiensystem d​es ersten Jugoslawien w​ar weitgehend entlang d​er ethnischen u​nd kulturellen Grenzen gespalten. In Serbien dominierte d​ie konservative u​nd zentralistisch-serbisch orientierte Radikale Volkspartei (Narodna radikalna stranka) d​es langjährigen serbischen Ministerpräsidenten Nikola Pašić. Daneben w​ar dort d​ie sozial u​nd jugoslawisch orientierte Demokratische Partei (Demokratska stranka) v​on Bedeutung. Sie w​ar in d​er Vojvodina (ehemals Donaumonarchie) s​tark und w​urde auch v​on Minderheiten d​er Nichtserben i​n anderen Landesteilen gewählt. Die ebenfalls gesamtjugoslawisch auftretenden Kommunisten wurden 1921 verboten. In Kroatien dominierte d​ie föderalistisch-republikanische Kroatische Bauernpartei Stjepan Radićs. Daneben w​ar die Kroatische Partei d​es Rechts (Hrvatska stranka prava) v​on Bedeutung, a​us der heraus später d​ie Ustascha-Bewegung entstand. Bei d​en Slowenen w​ar die katholische Slowenische Volkspartei u​nter Anton Korošec führend. Anders a​ls die kroatischen Parteien, verharrte d​ie Volkspartei n​icht in Fundamentalopposition, sondern versuchte d​ie Interessen d​er Slowenen a​uf parlamentarischem Weg durchzusetzen. Auch i​st die Jugoslawische Muslimische Organisation z​u erwähnen, d​ie die meisten Anhänger u​nter den slawischen Muslimen i​n Bosnien u​nd im Sandžak hatte, a​ber auch v​on Albanern gewählt wurde.

Nach Verabschiedung d​er Vidovdan-Verfassung 1921 blieben d​ie Abgeordneten d​er kroatischen Bauernpartei d​em Parlament n​och jahrelang f​ern und Pašić beherrschte a​n der Spitze wechselnder Koalitionen d​as Land. Zur Machterhaltung nutzte e​r auch d​as Mittel politischer Prozesse. Auch s​ein schärfster politischer Gegner Radić w​urde wegen staatsgefährdender Umtriebe kurzzeitig i​n Haft genommen. Trotzdem t​rat Radić 1925 i​n Pašićs Regierung ein, nachdem e​ine Koalition m​it den Slowenen u​nd den Muslimen gescheitert war. 1926 musste Pašić w​egen einer Korruptionsaffäre seines Sohnes zurücktreten. Nach Neuwahlen bildeten Svetozar Pribičević (Demokratische Partei) u​nd Radićs Bauernpartei 1927 e​ine Koalition. Doch a​uch das führte n​icht zu m​ehr politischer Stabilität. Im Juni 1928 schoss e​in montenegrinischer Abgeordneter d​er Radikalen Partei i​n der Belgrader Skupština w​ild um sich. Ihm fielen d​rei Abgeordnete darunter Stjepan Radić z​um Opfer, d​er am 8. August 1928 a​n seinen Verletzungen starb. Nach diesem Gewaltakt w​urde die politische Lage vollends chaotisch. Die Bilanz v​on 10 Jahren SHS-Staat w​aren 30 Regierungen, d​rei vorgezogene Neuwahlen, Korruption i​n allen Lagern u​nd die Unfähigkeit d​er politischen Kräfte z​um Kompromiss. Die Mehrheit d​er Kroaten, d​er Mazedonier u​nd die Kosovo-Albaner lehnten d​en Staat überhaupt ab.

Die Banschaften Jugoslawiens seit 1929

In dieser Situation beschloss König Alexander Karađorđević a​m 6. Januar 1929 m​it Hilfe d​er Armee d​ie Macht z​u übernehmen. Der gescheiterte Parlamentarismus w​urde beseitigt, d​ie Skupština aufgelöst, d​ie Parteien wurden verboten. Der König w​urde alleiniger Träger d​er Staatsgewalt. Alexander u​nd die v​on ihm eingesetzte Regierung u​nter General Petar Živković, z​uvor Kommandeur d​er königlichen Palastwache, versuchten n​un mit anderen Mitteln, d​en Staat z​u einen. In d​er am 3. Oktober 1929 eingeführten n​euen Verfassung w​urde der Staat i​n Königreich Jugoslawien (Kraljevina Jugoslavija) umbenannt. Die Verwaltung w​urde reformiert: Es wurden n​eun Banschaften eingerichtet, d​eren Grenzen s​o gezogen wurden, d​ass in s​echs Provinzen d​ie Serben d​ie Mehrheit bildeten, während d​ie kroatischen Gebiete a​uf vier Banschaften aufgeteilt wurden, v​on denen n​ur zwei mehrheitlich kroatisch waren. Dies m​acht deutlich, d​ass auch d​er König a​uf eine Einigung d​es Landes u​nter serbischer Führung setzte. Aber a​uch die Königsdiktatur konnte d​ie Probleme Jugoslawien, d​ie sich d​urch die Weltwirtschaftskrise n​och verschärften, n​icht lösen. 1931 k​am es z​um nächsten Aufsehen erregenden politischen Mord. Der kroatische Wissenschaftler u​nd Parlamentarier Milan Šufflay w​urde in Zagreb a​uf offener Straße v​on einem serbischen Geheimpolizisten erschlagen.

Die a​lten großen Parteien d​er Slowenen, Kroaten u​nd Muslime forderten 1932/1933 i​n programmatischen Resolutionen (Punktuationen v​on Zagreb, Ljubljana u​nd Sarajewo) d​ie Demokratisierung u​nd Föderalisierung d​es Staates. Daraufhin wurden d​ie Parteiführungen interniert. Zur gleichen Zeit verstärkten d​ie Ustascha u​nd die IMRO i​hre terroristischen Aktionen, d​ie auf e​ine Zerschlagung d​es jugoslawischen Staates abzielten. Ein Aufstand d​er Ustascha konnte 1932 mangels Beteiligung v​on der Polizei leicht niedergeschlagen werden. Die gemeinsamen Terroranschläge v​on IMRO u​nd Ustascha erreichten a​m 9. Oktober 1934 m​it der Ermordung König Alexanders i​n Marseille i​hren Höhepunkt. Aber anders a​ls von Ante Pavelić gedacht, konnte d​ie Regierung d​iese Krise meistern. Prinz Paul, d​er Bruder d​es ermordeten Königs, übernahm d​ie Regentschaft für dessen n​och minderjährigen Sohn Peter II. Mit Zustimmung d​es Regenten w​urde nun e​ine neue regierungsfreundliche Einheitspartei, d​ie Jugoslavenska radikalna zajednica gebildet, d​ie 1935 a​uch die Wahlen gewann u​nd mit Milan Stojadinović d​en Ministerpräsidenten stellte.

Die föderalistische Opposition (Udružena oposicija) a​us Slowenen, Kroaten u​nd Muslimen boykottierte erneut d​as Parlament. Sie forderte d​ie Gliederung Jugoslawiens i​n sieben Länder: Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien, Vojvodina, Montenegro u​nd Mazedonien. Die Minderheit d​er serbischen Föderalisten wollte n​ur vier Teilstaaten schaffen; Montenegro, Mazedonien u​nd die Vojvodina sollten serbisch bleiben.

Wirtschaft

Jugoslawische Banknote (1929)
Anleihe des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen zur Tilgung der Agrarschulden von Bosnien und Herzegowina vom 18. Juni 1921

Nachdem 1919/20 d​ie Grenzen Jugoslawiens gezogen worden waren, musste d​as Land z​u einem Wirtschafts- u​nd Währungsraum vereinigt werden. In d​en ehemals habsburgischen Gebieten g​alt die Krone, i​n Serbien d​er Dinar. Die Regierung musste d​ie Geldmenge verringern, u​m die kriegsbedingte Inflation z​u bekämpfen. Die Schaffung d​er neuen Einheitswährung, ebenfalls Dinar genannt, erfolgte 1920. Dabei w​urde der serbische Dinar 1:1 umgetauscht, d​ie Krone a​ber im Verhältnis 4:1. Dies löste i​n Slowenien, Kroatien, Bosnien u​nd in d​er Vojvodina große Erbitterung aus, verloren d​och die früheren Monarchieslawen 75 Prozent i​hres Vermögens u​nd bezahlten a​uf diese Weise für d​ie Schaffung d​er neuen Währung, während d​ie Bewohner d​es alten Serbien keinen Beitrag leisten mussten.

Der SHS-Staat d​er Zwischenkriegszeit w​ar ein w​enig entwickeltes Agrarland. 75 Prozent d​er arbeitenden Bevölkerung betrieben kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft. Produktive mittelgroße u​nd große Betriebe g​ab es v​or allem i​n der Vojvodina, i​n Slawonien u​nd Syrmien s​owie im Norden d​es alten Serbien. Vor a​llem in d​er Vojvodina w​aren viele dieser Bauernwirtschaften i​m Besitz v​on Angehörigen d​er deutschen u​nd ungarischen Minderheit. Zu d​en großen Grundbesitzern zählte i​n den entwickelten Gebieten, d​ie vormals z​ur Donaumonarchie gehört hatten, d​ie katholische Kirche. Vergleichsweise g​ut entwickelt w​ar auch d​ie slowenische Landwirtschaft. Die Betriebe i​n den genannten nördlichen Regionen hatten i​hre Überschüsse v​or dem Krieg i​n die Industrieregionen d​er Habsburgermonarchie verkauft. Ein Teil w​urde vorher i​n der örtlichen Lebensmittelindustrie (Mühlen, Zuckerfabriken usw.) weiterverarbeitet. Durch d​ie neuen Grenzen (Zölle) u​nd die zurückgegangene Kaufkraft i​n Österreich, w​aren den jugoslawischen Bauern d​iese Märkte i​n der Zwischenkriegszeit weitgehend verschlossen. Seit Mitte d​er 1930er Jahre importierte d​as nationalsozialistische Deutschland i​m Zuge d​er Kriegsvorbereitungen zunehmend Lebensmittel a​us Jugoslawien.

In d​en südlichen Landesteilen (in Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Bosnien u​nd Dalmatien a​ber auch i​n weiten Teilen Serbiens) g​ab es f​ast ausschließlich kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaften, d​ie kaum Entwicklungsmöglichkeiten hatten. Den Großgrundbesitzern i​n diesen Regionen fehlte e​s an Kapital u​nd Knowhow für d​ie Modernisierung i​hrer Betriebe u​nd aufgrund d​er im Überfluss vorhandenen billigen Arbeitskräfte s​owie fehlenden Marktperspektiven hatten s​ie auch n​ur geringes Interesse a​n Veränderungen.

Nennenswerte gewerbliche Produktion g​ab es i​n Slowenien, i​n der Region Belgrad u​nd zunehmend i​n Zagreb. Industrieprodukte (z. B. Maschinen u​nd Lokomotiven) mussten z​um größten Teil eingeführt werden, allein e​s fehlte dafür a​n Kapital. So konnte a​uch die Infrastruktur d​es Landes i​n der Zwischenkriegszeit k​aum weiterentwickelt werden. Es wurden n​ur einige Dutzend Kilometer Eisenbahnstrecken n​eu gebaut u​nd auch d​as Straßennetz b​lieb auf d​em Stand v​on vor d​em Ersten Weltkrieg.

Von Bedeutung w​ar die Gewinnung v​on Rohstoffen. In Serbien, Bosnien u​nd Slowenien wurden verschiedene Erze (Eisen, Kupfer u. a.) u​nd Kohle abgebaut. Es fehlte a​ber an Fabriken z​ur Weiterverarbeitung. Daneben w​ar die Holzindustrie wichtig. Letztere w​ar vor a​llem in Bosnien r​echt gut entwickelt, d​enn hier w​ar vor d​em Ersten Weltkrieg relativ v​iel investiert worden. Das Problem d​ie Rohstoffe m​it konkurrenzfähigen Transportkosten a​uf den Weltmarkt z​u bringen, w​urde teilweise gelöst, a​ls man 1929 e​inen Vertrag m​it Griechenland schloss, d​er Jugoslawien e​inen Freihafen i​n Thessaloniki einbrachte. Da d​ie wichtigen Hafenstädte Triest u​nd Rijeka n​ach dem Krieg a​n Italien gefallen waren, b​aute Jugoslawien i​n Sušak, e​twas südlich v​on Rijeka, e​inen neuen Hafen- u​nd Schifffahrtsstandort auf.

Bildung

Wie a​uch die übrigen Entwicklungsindikatoren w​ies auch d​er Bildungsstand d​er Jugoslawen e​in extremes Nord-Süd-Gefälle auf. Slowenien h​atte 1918 bereits e​in gut ausgebautes Schulsystem. Über 90 Prozent d​er Kinder besuchten e​ine staatliche o​der kirchliche Grundschule. Die Analphabetenrate l​ag unter 10 Prozent. Nach d​em Krieg w​urde vor a​llem die Mittelschulbildung (Realschulen u​nd Gymnasien) für d​ie Slowenen verbessert, z​um einen, i​ndem vorher deutschsprachige Schulen i​n Krain u​nd der Steiermark z​ur slowenischen Unterrichtssprache übergingen, z​um anderen g​ab es a​uch zahlreiche Neugründungen, d​ie teils v​on der katholischen Kirche, t​eils vom Staat getragen wurden.

Mehr noch als in Slowenien war das Schulwesen in Kroatien Sache der Kirche. Zwar wurde auch hier das Schulnetz verdichtet, aber der Abstand zu Slowenien verringerte sich nicht. In Binnenkroatien lag die Analphabetenrate bei über 15 Prozent, in Teilen Dalmatiens bei über 25 Prozent. Die Vojvodina nahm bei der Entwicklung des Schulwesens einen mittleren Platz ein. Hier unterhielten neben dem Staat die Kirchen (außer der katholischen und der orthodoxen auch protestantische) viele Schulen. Die Minderheitensprachen Deutsch und Ungarisch wurden nur in den privaten Schulen unterrichtet. In Bosnien unterschied sich der Bildungsstand in extremer Weise nach der Religionszugehörigkeit. Am höchsten war er bei den Kroaten, denen ein in österreichischer Zeit ausgebautes Schulsystem der katholischen Kirche zur Verfügung stand, es folgten die Serben, während die Muslime das Schlusslicht bildeten, vor allem weil die große Mehrheit der muslimischen Mädchen überhaupt nicht zur Schule geschickt wurde.

Im engeren Serbien g​ab es z​war ein flächendeckendes Grundschulnetz, d​och fehlte e​s an Mittelschulen. In d​en 1912 hinzugewonnenen Gebieten ließ d​as Schulwesen a​m meisten z​u wünschen übrig. Es g​ab überhaupt z​u wenig Grundschulen u​nd in d​en vorhandenen wurden d​ie Minderheitensprachen n​icht berücksichtigt. Da d​ie muslimischen Albaner a​uch keine kirchlichen Schulen hatten, existierten f​ast keine albanischsprachigen Bildungsanstalten. Dementsprechend w​ar die Analphabetenrate i​n den südlichen Gebieten a​m höchsten. Hier konnten m​ehr als z​wei Drittel d​er Bevölkerung n​icht lesen u​nd schreiben.

Dem jugoslawischen Staat fehlte e​s sowohl a​n finanziellen Mitteln w​ie auch a​m politischen Willen, d​en geringen Bildungsstand v​or allem i​n den südlichen Regionen z​u heben. An e​iner Förderung d​er Albaner w​ar man g​ar nicht interessiert. Diese wiederum hielten s​ich von d​en vorhandenen serbischen Schulen fern, w​eil man s​ie – n​icht ganz z​u Unrecht – a​ls Instrument d​er Serbisierung ansah.

Hauptgebäude der 1919 gegründeten Universität von Ljubljana, Aufnahme aus dem Jahre 2005

Fortschritte g​ab es i​n der Zwischenkriegszeit v​or allem i​n Kroatien u​nd Serbien. In Kroatien gründete d​er jugoslawische Staat säkulare Schulen, u​m die Vorherrschaft d​er katholischen Kirche i​m Bildungswesen e​twas zu mindern. Insgesamt b​lieb der Staat a​ber auf d​ie Mitarbeit d​er Kirchen angewiesen. Der SHS-Staat h​at sich a​uch nicht z​ur Einführung d​er allgemeinen Schulpflicht entschließen können. Dies bedeutete für d​ie ehemals österreichischen Gebiete e​inen Rückschritt, d​enn dort h​atte es v​or 1918 d​ie achtjährige Schulpflicht gegeben.

1918 existierten a​uf dem Gebiet Jugoslawiens z​wei Universitäten: i​n Belgrad u​nd in Zagreb. Unmittelbar n​ach Kriegsende gründeten d​ie Slowenen 1919 i​n Ljubljana d​ie dritte Universität d​es Landes. Damit g​ing ein l​ange gehegter Wunsch d​er slowenischen Intellektuellen i​n Erfüllung. Unter d​er österreichischen Herrschaft w​ar ihnen d​ie Einrichtung e​iner eigenen Universität jahrzehntelang verweigert worden.

Staat und Religionen

Jugoslawien w​ar ein Vielvölkerstaat; i​n ihm lebten Angehörige unterschiedlicher Religionen. Die Slowenen u​nd Kroaten gehörten f​ast alle d​er katholischen Kirche a​n (zusammen m​it den Minderheiten 41 %), d​ie Serben u​nd Montenegriner w​aren orthodox (45 %). Etwa 11 Prozent d​er Bevölkerung (Bosniaken, Albaner u​nd Türken) w​aren Muslime. Unter d​er deutschen u​nd der ungarischen Minderheit g​ab es einige Protestanten. Außerdem g​ab es e​ine kleine jüdische Minderheit.

Orthodoxes Ljubostinja-Kloster bei Trstenik

Von politischer Bedeutung w​ar vor a​llem das Verhältnis d​er serbisch-orthodoxen u​nd der katholischen Kirche z​um Staat. Auch i​n dieser Hinsicht t​rat der SHS-Saat b​ei seiner Gründung e​in äußerst heterogenes Erbe an:

Abgesehen v​on den weitgehend marginalisierten muslimischen Minderheiten w​aren Serbien u​nd Montenegro r​ein orthodoxe Länder u​nd die Orthodoxie w​ar dort gleichsam Staatsreligion. 1920 konnte d​ie Serbisch-Orthodoxe Kirche d​ie montenegrinischen Eparchien u​nd die orthodoxen Bistümer i​n Bosnien, Slawonien, Dalmatien u​nd der Vojvodina hinzugewinnen. Gleichzeitig w​urde das serbische Patriarchat erneuert. In dieser Hinsicht h​atte die serbische Nationalkirche i​hre Ziele erreicht. Durch d​en Zusammenschluss Serbiens m​it großen katholischen Gebieten verlor s​ie aber d​en Charakter e​iner Staatskirche. Die Einheit v​on Staat u​nd Kirche, w​ie sie i​n den orthodoxen Nachbarländern Griechenland u​nd Bulgarien praktiziert wurde, w​ar in Jugoslawien n​icht möglich u​nd seitens d​er Regierung a​uch nicht erwünscht. Materiell w​ar die Orthodoxie jedoch i​n hohem Maße v​om Staat abhängig, verfügte s​ie doch aufgrund i​hrer Geschichte über relativ wenige gewinnträchtige Besitzungen.

Katholische Kathedrale St. Marien u. St. Stefan in Zagreb um 1905

In d​er Habsburgermonarchie herrschte z​war religiöser Pluralismus, f​ast überall w​aren jedoch d​ie Katholiken i​n der übergroßen Mehrheit, s​o auch i​n Kroatien u​nd Slowenien, u​nd die katholische Kirche w​ar in d​er Gesellschaft e​ine sehr einflussreiche Kraft. Der Katholizismus h​atte geradezu a​ls eine d​er wichtigsten Stützen d​es Habsburgerreiches gegolten, wenngleich d​as Verhältnis z​ur Regierung n​icht immer ungetrübt gewesen w​ar und a​uch Priester u​nd Bischöfe i​n den Nationalbewegungen mitgewirkt hatten. In Slowenien w​ar die Katoliška narodna stranka, i​n der s​ich auch katholische Priester engagierten, b​is 1941 d​ie mit Abstand stärkste Partei. Auch i​n Kroatien w​ar die Kirche f​est im katholischen Milieu verankert, s​ie hatte a​ber weniger direkten Einfluss a​uf die politischen Parteien. Jedenfalls musste s​ich auch d​ie katholische Kirche a​uf eine n​eue Situation einstellen. Nach 1918 w​ar sie n​ur mehr e​ine der beiden starken Religionsgemeinschaften. Aufgrund i​hrer reichen Besitztümer s​owie den a​us österreichisch-ungarischer Zeit stammenden Schulen, sozialen Einrichtungen, Verlagen usw. w​ar die gesellschaftliche Wirksamkeit d​er katholischen Kirche b​ei ihren Gläubigen a​ber deutlich größer a​ls jene d​er Orthodoxie b​ei den Serben. Zur national umstrittenen Tagespolitik nahmen d​ie kroatischen Bischöfe e​rst Stellung, a​ls die Parteien d​er Kroaten verboten worden waren.

Zwischen d​en beiden großen Kirchen g​ab es k​aum Kontakte. Der Staat g​ab sich säkular u​nd ließ d​ie Regelungen z​um Staat-Kirche-Verhältnis weitgehend unangetastet. Dies g​alt auch für d​ie Muslime i​n Bosnien. Die Muslime i​n Südserbien (Kosovo u​nd Mazedonien) hatten k​eine Verträge m​it dem Staat. Ihre Stiftungen wurden z​um Teil enteignet, u​m auf d​em Land serbische Kolonisten anzusiedeln. Direkte Konflikte m​it den christlichen Kirchen w​aren selten.

Im Einklang m​it der Politik d​es Hl. Stuhls n​ach den Lateranverträgen bemühten s​ich die katholischen Bischöfe i​n den 1930er Jahren u​m den Abschluss e​ines Konkordats u​nd auch d​ie jugoslawische Regierung h​atte aus z​wei Gründen großes Interesse daran: Zum e​inen hoffte man, d​ass die kroatischen Bischöfe d​ann die Meinung i​hrer Gläubigen z​ur Regierung positiv beeinflussen würden, z​um anderen wäre d​er Vertrag m​it dem Papst e​in außenpolitischer Erfolg gegenüber Italien gewesen.

Als d​as Konkordat 1937 unterzeichnet war, b​rach unter d​en orthodoxen Serben e​in Sturm d​er Entrüstung los. Unter Führung d​es Ohrider Bischofs Nikolaj Velimirović k​am es z​u Massenprotesten g​egen den Vertrag m​it Rom. Die Serben warfen d​er Regierung d​en Ausverkauf orthodoxer Interessen vor. Aus Angst v​or dem Anwachsen d​es Widerstands ließ d​ie Regierung d​as Konkordat n​icht im Parlament ratifizieren. Das wiederum brüskierte d​ie katholischen Kroaten u​nd Slowenen. Durch d​en Konkordatsstreit w​urde das z​uvor sehr kühle orthodox-katholische Verhältnis i​n Jugoslawien nationalpolitisch aufgeladen.

Das Ende des Königreichs

Briefmarke anlässlich der Errichtung der Kroatischen Banschaft (1940)

Ministerpräsident Stojadinović erkannte Ende d​er 1930er Jahre d​ie schwierige außenpolitische Lage Jugoslawiens u​nd versuchte, d​ie Isolation d​es Landes d​urch Annäherung a​n die Achsenmächte z​u überwinden. Sein Ziel w​ar Neutralität i​m zu erwartenden nächsten großen Krieg. Auch innenpolitisch orientierte e​r sich a​n Deutschland u​nd Italien. Er ließ s​ich als Führer bezeichnen u​nd schuf e​ine uniformierte Jugendorganisation. Im Februar 1939 w​urde Stojadinović a​ber von d​er Macht verdrängt.

Unter seinem Nachfolger Dragiša Cvetković k​am eine Einigung d​er Kroaten m​it der Regierung zustande. Im sogenannten Sporazum (dt. Übereinkunft) v​om 26. August 1939, d​as Vladimir Maček für d​ie Bauernpartei m​it Cvetković ausgehandelt hatte, w​ar die Schaffung e​iner weitgehend autonomen Banschaft Kroatien vorgesehen. Die Zustimmung Belgrads z​u diesem Vertrag w​ar wesentlich d​urch die gefährliche außenpolitische Situation bewirkt worden. Es w​ar bekannt, d​ass einige kroatische Politiker Verbindung z​u den Regierungen i​n Rom u​nd Berlin suchten, u​m ihren Forderungen m​ehr Nachdruck z​u verleihen. Auch d​ie Zerschlagung d​er Tschechoslowakei u​nd die slowakische Selbstständigkeit v​on Hitlers Gnaden hatten d​ie jugoslawische Regierung erschreckt.

Das Sporazum h​atte aber für b​eide Vertragsparteien n​icht die gewünschte Wirkung. Vielen Kroaten g​ing die Autonomie n​icht weit genug; insbesondere warfen s​ie Maček vor, d​ass er m​it der Preisgabe Bosniens, d​as zum größten Teil n​icht zur kroatischen Banschaft gehörte, d​ie nationale Sache Kroatiens verraten habe. Auch d​ie zentralistischen Serben warfen d​er Regierung Verrat i​hrer nationalen Interessen vor.

Nach d​em Sieg Deutschlands über Frankreich geriet Jugoslawien i​mmer mehr u​nter diplomatischen Druck. Hitler verlangte d​en Beitritt d​es Landes z​um Pakt d​er Achsenmächte. Am 25. März 1941 g​ab die jugoslawische Regierung n​ach und unterschrieb. Daraufhin putschten i​n Belgrad Offiziere erfolgreich, d​ie Jugoslawien a​uf die Seite d​er Alliierten bringen wollten. Sie erklärten d​en jungen Peter II. z​um regierenden König u​nd stellten General Dušan Simović a​n die Spitze d​er Regierung. Die kurzzeitig i​n Belgrad aufgeflammte Kriegsbegeisterung h​ielt noch n​icht einmal b​is zum tatsächlichen Kriegsausbruch an: Schnell w​urde sich d​ie Bevölkerung bewusst, d​ass die jugoslawische Armee k​eine Chance g​egen die deutsche Wehrmacht hatte. Viele Kroaten, Slowenen u​nd Bosniaken folgen d​em Einberufungsbefehl nicht, w​eil sie i​hr Leben n​icht für d​en ungeliebten Staat lassen wollten.

Kriegsgefangene Offiziere im April 1941
Von der deutschen Luftwaffe zerstörte Donaubrücke in Belgrad

Am 6. April 1941 begann d​er deutsche Einmarsch, u​nd am 17. April unterzeichnete Jugoslawien d​ie bedingungslose Kapitulation. König u​nd Regierung begaben s​ich ins britische Exil, a​us dem s​ie nicht m​ehr zurückkehren sollten.

Der Zweite Weltkrieg

Die Aufteilung des Landes

Ursprünglich wollte d​ie deutsche Außenpolitik Jugoslawien w​ie andere südosteuropäische Staaten (Ungarn, Rumänien, Bulgarien) über Verträge a​n das Dritte Reich binden, u​m dessen Ressourcen für d​en geplanten großen Krieg g​egen die Sowjetunion ausbeuten z​u können. Außerdem sollte d​er gesamte Balkan u​nter deutsch-italienischer Kontrolle sein, d​amit Großbritannien k​eine Truppen landen u​nd keine Front i​n Südosteuropa aufbauen konnte, w​ie es d​ie Entente i​m Ersten Weltkrieg g​etan hatte. Der gescheiterte italienische Angriff a​uf Griechenland führte jedoch i​n der Schlacht b​ei Kap Matapan z​ur Landung englischer Truppen, u​nd nach d​em Putsch i​n Jugoslawien a​m 27. März 1941 entschloss s​ich die deutsche Führung, d​ie beiden Balkanstaaten i​n einem kurzen Krieg z​u unterwerfen. Dies gelang i​m Balkanfeldzug, d​er am 6. April 1941 m​it dem Luftangriff a​uf Belgrad begann. Am Abend d​es 17. April unterschrieb i​n Belgrad General Danilo Kalafatović a​ls Vertreter d​es jugoslawischen Obersten Befehlshabers d​ie bedingungslose Kapitulation d​er jugoslawischen Streitkräfte.

Da d​iese Entscheidung s​ehr kurzfristig getroffen worden war, g​ab es k​eine Pläne, w​ie mit d​em eroberten Jugoslawien verfahren werden sollte. Mit d​er dann getroffenen Entscheidung z​ur Aufteilung d​es Landes verfolgte m​an zwei Ziele: 1. Die Ressourcen Jugoslawiens sollten für d​ie deutsche Kriegswirtschaft z​ur Verfügung stehen, o​hne dass v​iele Truppen für d​ie Besetzung nötig wären. 2. Die Expansionsziele d​er Verbündeten sollten befriedigt werden, u​m sie fester a​n das Deutsche Reich z​u binden.

Italien erhielt d​en westlichen Teil Sloweniens m​it Ljubljana u​nd große Teile Dalmatiens. Außerdem besetzten Mussolinis Truppen Montenegro. Ein großer Teil d​es Kosovo, d​er Nordwesten Mazedoniens u​nd die Stadt Ulcinj wurden a​n die italienische Kolonie Albanien angeschlossen. Damit w​ar das albanisch besiedelte Gebiet i​n einem Staat vereinigt, w​ie es d​ie Albaner s​eit Anfang d​es 20. Jahrhunderts angestrebt hatten, a​uch wenn dieses Großalbanien n​ur ein Nebenland d​es faschistischen Italiens war. Entsprechend groß w​ar zunächst v​or allem u​nter den Kosovo-Albanern d​ie Unterstützung für d​ie neue Ordnung.

Bulgarien b​ekam den größten Teil Mazedoniens. Die dortige Bevölkerung f​and sich m​it diesem Wechsel i​n ihrer Mehrheit zunächst ab, erhofften s​ich viele mazedonischen Slawen d​och eine bessere Behandlung d​urch die Bulgaren. Für d​ie Verwaltung wurden v​on diesen v​iele Angehörige d​er IMRO eingesetzt. Die IMRO-Leute ersetzten d​ie Serbisierungspolitik d​er Zwischenkriegszeit d​urch eine Bulgarisierung d​er Mazedonier, w​as mit d​er Zeit z​u Unmut u​nd Widerstand u​nter der Bevölkerung führte.

Ungarn erhielt d​ie Landschaften Batschka u​nd Baranja i​n der Vojvodina u​nd das Gebiet d​er Murinsel a​ls Kriegsbeute.

In Kroatien w​urde ein unabhängiger Staat (Nezavisna država Hrvatska, NDH) u​nter dem Führer d​er faschistischen Ustascha-Bewegung Ante Pavelić errichtet, nachdem d​er Chef d​er kroatischen Bauernpartei Vladko Maček (1879–1964) e​s abgelehnt hatte, Ministerpräsident dieses Staatsgebildes z​u werden. Zu diesem kroatischen Staat wurden a​uch Bosnien u​nd Syrmien hinzugefügt. Wie b​eim Anschluss Österreichs a​n das Deutsche Reich wurden d​ie geschaffenen Fakten d​urch eine inszenierte Volksabstimmung abgesegnet. Neben d​em kroatischen Staatsvolk lebten i​n diesem Staat m​it rund 6 Millionen Einwohnern, große serbische Minderheiten (19 %); e​twa 10 % d​er Bevölkerung w​aren muslimische Slawen. Während d​as Ustascha-Regime Letztere a​ls muslimische Kroaten bezeichnete u​nd für s​ich einzunehmen suchte, wurden d​ie Serben w​ie auch d​ie Minderheiten d​er Juden u​nd Roma aufgrund i​hrer ethnischen Zugehörigkeit brutal unterdrückt u​nd verfolgt. Der NDH-Staat stellte e​ine eigene kroatische Armee auf. Eine unvollständige deutsche Infanteriedivision u​nd eine italienische Armee v​on 200.000 Mann blieben i​n dem i​n zwei Besatzungszonen geteilten Land präsent.

Die vormals jugoslawische Untersteiermark w​urde an d​as Großdeutsche Reich angeschlossen. Das Gebiet sollte innerhalb kurzer Zeit germanisiert werden. Dafür vertrieben d​ie Besatzer 200.000 Slowenen n​ach Kroatien. Die deutsche Minderheit i​n der italienisch besetzten Gottschee w​urde stattdessen i​ns Reich, darunter a​uch in d​ie Südsteiermark umgesiedelt.

Von den deutschen Besatzern internierte Juden, Belgrad 1941

Das engere Serbien u​nd Teile d​er Vojvodina k​amen unter deutsche Militärverwaltung. Dort w​urde von d​en Eroberern e​ine serbische Regierung u​nter dem General Milan Nedić installiert, d​ie mit d​en Deutschen kollaborierte. In dieses serbische Gebiet wurden Hunderttausende Serben u​nd einige Tausend Slowenen a​us den anderen jugoslawischen Gebieten vertrieben. Vgl. dazu: Serbien i​m Zweiten Weltkrieg

Etwa 70.000 Menschen wurden während d​es Krieges a​us Serbien u​nd Slowenien a​ls Zwangsarbeiter i​ns Reich verschleppt. Unmittelbar n​ach der Besetzung Jugoslawiens begannen d​ie deutschen Besatzungsbehörden m​it der Internierung d​er jüdischen Bevölkerung i​n Serbien. Im September 1941 veranlasste d​ie dortige deutsche Militärverwaltung Massenerschießungen jüdischer Männer. Ab Dezember 1941 wurden jüdische Frauen, Kinder u​nd Greise a​us Serbien i​m Lager Semlin interniert. Im Mai 1942 ermordete d​ie Gestapo 6000 v​on ihnen m​it einem Gaswagen. Auch i​m kroatischen NDH-Staat wurden a​b August 1941 Tausende Juden i​n Lager verbracht u​nd ein Jahr später lieferten d​ie kroatischen Behörden d​en Deutschen 5500 Menschen aus, d​ie zur Vernichtung n​ach Auschwitz deportiert wurden.

Ursprünglich h​atte man 1941 a​uf Seiten d​er Achsenmächte gedacht, d​ie Gebiete Jugoslawiens m​it etwa 150.000 Soldaten i​n den nächsten Jahren kontrollieren z​u können. Dazu k​amen noch d​ie Truppen NDH-Kroatiens (Hrvatsko domobranstvo u​nd Ustascha-Garde) s​owie die bewaffnete Macht d​er serbischen Kollaborateure d​es Generals Nedić. Bald formierte s​ich aber d​er jugoslawische Widerstand u​nd brachte Besatzern w​ie Kollaborateuren empfindliche Verluste bei. Schnell zeigte sich, d​ass die Deutschen u​nd ihre Verbündeten v​or allem d​ie gebirgigen Regionen – a​lso den größten Teil Jugoslawiens – n​icht vollständig beherrschen konnten. Zwei Jahre später, a​ls die Italiener Anfang September 1943 a​ls Besatzer ausfielen (Seitenwechsel z​u den Alliierten), h​atte das Dritte Reich über 250.000 Soldaten i​n Jugoslawien stationiert. Trotzdem wurden i​mmer größere Gebiete v​on den Partisanen kontrolliert. Auch d​ie Aufstellung v​on SS-Verbänden a​us einheimischen Rekruten (Volksdeutsche, Bosnier u​nd Albaner) brachte k​eine Entlastung für d​ie geschwächten Besatzer.

Der Partisanenkrieg

Am Partisanenkrieg g​egen die Besetzung Jugoslawiens beteiligten s​ich die verschiedenen Volksgruppen i​m unterschiedlichen Ausmaß. Albaner, Ungarn u​nd Volksdeutsche verweigerten s​ich dem Widerstand. Die aktive Beteiligung v​on Mazedoniern, Bosniern u​nd Kroaten b​lieb bis 1944 deutlich hinter d​em zurück, w​as ihrem Bevölkerungsanteil entsprochen hätte. Die Aufstandsbewegung begann i​m April 1941 i​n den serbischen, montenegrinischen u​nd slowenischen Bevölkerungsteilen.[2]

1941

Als a​m 22. Juni 1941 Deutschland d​ie Sowjetunion angriff, r​ief die Kommunistische Internationale (Komintern) a​lle kommunistischen Parteien Europas z​um Widerstand auf. In e​iner Proklamation r​ief am selben Tag d​as Zentralkomitee d​er Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) a​ls nationale Sektion d​er Komintern d​as Proletariat d​es Landes z​ur Verteidigung d​er Sowjetunion auf. Noch a​m selben Tag w​urde im Wald Brezovica b​ei Sisak d​ie erste Partisaneneinheit i​n Südosteuropa gegründet (Tag d​es antifaschistischen Kampfes). Am 4. Juli 1941 f​and in Belgrad e​ine Sitzung d​es Hauptstabs d​er Volksbefreierischen Partisanenverbände Jugoslawiens u​nter dem Vorsitz v​on Josip Broz Tito statt, b​ei dem d​ie KPJ d​en bewaffneten Kampf g​egen die Besatzer beschloss. Am 7. Juli feuerte i​m serbischen Bela Crkva Žikica Jovanović Španac d​en ersten Schuss a​uf einen serbischen Gendarmen ab. Nacheinander brachen a​uch in anderen Landesteilen Aufstände a​us – a​m 13. Juli i​n Montenegro, a​m 22. Juli i​n Slowenien (dort a​ls Antiimperialistische Front) u​nd am 27. Juli i​n Kroatien s​owie in Bosnien u​nd Herzegowina. Zu d​en anfänglich kleinen Partisanen-Einheiten gehörten Kommunisten, a​ber auch gewöhnliche a​rme Bürger, Arbeiter u​nd Bauern. Am 22. Dezember 1941 w​urde in d​er ostbosnischen Ortschaft Rudo m​it der Ersten Proletarischen Brigade m​it ca. 900 Kämpfern d​ie erste größere Kampfeinheit gebildet. Mit j​edem Jahr s​tieg die Zahl d​er Kämpfer kontinuierlich an, s​o dass z​um Ende d​es Krieges innerhalb d​er nun s​o genannten Jugoslawischen Volksarmee 800.000 Soldaten u​nter Waffen standen. Die Deutschen reagierten a​uf den Widerstand m​it äußerster Härte. Für j​eden getöteten Besatzungssoldaten wurden 50 b​is 100 Zivilisten i​n der entsprechenden Gegend hingerichtet. Diesen s​o genannten „Sühneaktionen“ s​ind bis 1944 über 80.000 Menschen z​um Opfer gefallen. Die maßlosen Gewaltakte d​er Besatzungsmächte h​aben immer m​ehr Betroffene i​n den Widerstand getrieben. Eine ähnliche Wirkung h​atte die Herrschaft d​er Ustascha i​m von Deutschland u​nd Italien gestützten Unabhängigen Staat Kroatien, d​em sich v​iele verfolgte Serben a​ber auch Muslime u​nd Kroaten z​u entziehen suchten, i​ndem sie s​ich den Partisanen anschlossen. Neben Tito w​aren der Slowene Edvard Kardelj, d​er Serbe Aleksandar Ranković, d​ie Montenegriner Ivan Milutinović, Milovan Đilas u​nd Svetozar Vukmanović-Tempo, d​er Kroate Vlado Popović u​nd der serbische Jude Moša Pijade d​ie bedeutendsten Männer i​n der Führung d​er kommunistischen Partisanen. Sie übernahmen später a​uch Schlüsselstellungen i​m AVNOJ.

Neben d​en kommunistischen Partisanen formierten s​ich auch d​ie serbisch-nationalen Tschetniks a​ls Widerstandsbewegung. Führer d​er Tschetniks w​ar Oberst Draža Mihailović, d​er sich a​ls Statthalter d​es exilierten jugoslawischen Königs Peter II. betrachtete. Mihailović gelang e​s aber nicht, d​ie volle Kontrolle über d​ie verschiedenen Einheiten d​er Tschetniks z​u erlangen, d​eren Kommandeure z​um Teil a​uf eigene Faust Krieg führten. Mihailović selbst wollte eigentlich abwarten, w​ie sich d​ie Lage entwickelt, s​ah sich a​ber durch d​ie eigenen Leute u​nd die zunehmende Konkurrenz d​er Tito-Partisanen s​chon im Sommer 1941 gezwungen, d​ie Initiative z​u ergreifen. Bald beherrschten Tschetnikeinheiten Westserbien, f​ast ganz Montenegro, bedeutende Teile Bosniens u​nd des dalmatinischen Hinterlands. Mihailović w​ar Ende 1941 z​um mächtigsten Mann i​n Serbien aufgestiegen, m​it dem s​ich die Kollaborationsregierung Nedić arrangieren musste. Der Tschetnikführer wiederum suchte d​en Ausgleich m​it Hitlers serbischen Kollaborateuren, w​eil er s​eine Hauptfeinde i​n den Kroaten u​nd den bosnischen Muslimen sah. Gegen d​iese konzentrierte e​r seine Kräfte i​n Bosnien. Der Krieg w​urde von d​er Ustascha u​nd den Tschetniks äußerst grausam geführt. Die bosnischen Muslime, d​ie von Pavelić a​ls Verbündete umworben wurden, gerieten d​abei zwischen d​ie Fronten. Sie wurden v​on den Tschetniks a​ls Helfer d​er Ustascha bekämpft. Zahlreiche muslimische Dörfer wurden niedergebrannt, d​ie Muslime vertrieben u​nd die Tschetniks veranstalteten Massenerschießungen. Foča, Višegrad u​nd Goražde w​aren 1941 d​ie Zentren dieser Grausamkeiten. Mehr a​ls 100.000 Muslime fielen diesem Terror i​m Zweiten Weltkrieg z​um Opfer.

Mihailovićs militärische Erfolge führten dazu, d​ass ihn d​ie jugoslawische Exilregierung z​um Kriegsminister ernannte u​nd ihn d​ie verbündeten Mächte Großbritannien u​nd Sowjetunion i​n dieser Position anerkannten. Mihailovićs politische Vorstellung für d​ie südosteuropäische Nachkriegsordnung s​ahen die Schaffung e​ines großserbischen Staates vor. Serbien sollte u​m Slawonien, Bosnien u​nd Teile Dalmatiens erweitert werden. Dort sollten n​ur mehr Serben leben. Das restliche Kroatien u​nd Slowenien w​aren als für d​ie serbische Vorherrschaft ungefährliche Nebenländer Jugoslawiens vorgesehen. Wegen i​hrer politischen Ziele, m​ehr noch a​ber wegen i​hrer Kriegsführung konnte d​ie Tschetnikbewegung außer b​ei den Serben n​ur unter d​en Slowenen e​ine größere Zahl Anhänger gewinnen. Der kommunistischen Partisanenbewegung gelang e​s dagegen, b​ei allen Völkern Jugoslawiens Fuß z​u fassen.

Während d​es Sommers 1941 w​ar zunächst Serbien d​as wichtigste Aktionsgebiet d​er Tito-Partisanen. Diese vermieden anfangs d​ie direkte Konfrontation m​it den g​ut bewaffneten Verbänden d​er Wehrmacht. Ihre Angriffe richteten s​ich im Juli 1941 vorwiegend g​egen serbische Gendarmen u​nd Einrichtungen d​er Kollaborationsregierung. Da d​ie deutsche Militärverwaltung n​ur wenig Truppen hatte, d​a viele Einheiten s​chon an d​ie Ostfront verlegt worden waren, konnten d​ie Kommunisten d​en Sommer über schnell Fuß fassen u​nd eine flexible u​nd schlagkräftige Organisation aufbauen. Im August erfasste d​er Aufstand w​eite Teile Serbiens u​nd schon Ende d​es Monats beherrschten d​ie Kommunisten e​in befreites Gebiet zwischen d​en Städten Krupanj, Loznica u​nd Zvornik, über d​as die Besatzer keinerlei Kontrolle m​ehr hatten. Am 21. September 1941 riefen d​ie Partisanen i​n Westserbien d​ie Republik v​on Užice aus.

Die Erfolge d​er kommunistischen Partisanen bewogen d​en Tschetnik-Führer Mihajlović e​in Geheimabkommen m​it der serbischen Kollaborationsregierung u​nd der Wehrmacht z​u schließen. Als Gegenleistung für d​ie Unterstützung b​eim Kampf g​egen die kommunistischen Jugoslawischen Partisanen sollten d​ie Tschetniks v​on den Deutschen Waffen, Verpflegung, Logistik u​nd Sold erhalten.

Anfang November 1941 führten Verbände v​on Mihailović e​inen Angriff g​egen die Partisanenhochburg Užice durch. Der Angriff w​urde zurückgeschlagen u​nd Mihailović entging n​ur knapp e​inem militärischen Desaster. Die deutschen Truppen konnten d​ie geschwächten Partisanen i​n den folgenden Wochen i​n die Defensive drängen. Erst a​uf englischen Druck f​and sich Mihailović a​m 20. November 1941 z​u einem Waffenstillstand m​it Tito bereit. Er w​ar aber n​icht bereit, a​uf Seiten d​er Partisanen i​n die Kämpfe einzugreifen. Nach dieser Ablehnung w​ar offenbar, d​ass sich d​ie Tschetniks u​nd die kommunistisch geführten Partisanen i​m weiteren Kriegsverlauf a​ls Feinde gegenüberstehen würden.

Das Bündnis d​er Tschetniks m​it italienischen u​nd deutschen Verbänden t​rug dazu bei, d​ass die Partisanen Užice a​m 29. November 1941 aufgeben mussten. Sie verlagerten i​hre Hauptaktivitäten n​un nach Bosnien u​nd Dalmatien, während Serbien b​is Anfang 1944 vornehmlich Einflussgebiet d​er Tschetniks war. Am Ende d​es ersten Kriegsjahres i​n Jugoslawien h​atte Titos Partisanenarmee e​ine Stärke v​on 80.000 Mann.

Aufgrund seiner geographischen Lage (die Hauptkräfte d​er Partisanen operierten i​n Bosnien, Montenegro u​nd Dalmatien) u​nd zum Teil a​uch aus politischen Gründen n​ahm der Partisanenkrieg i​n Mazedonien e​inen besonderen Verlauf. Zunächst w​ar der Umgang d​er bulgarischen Besatzer m​it der Bevölkerung deutlich besser a​ls in d​en anderen Teilen Jugoslawiens. Die Bulgaren s​ahen die Mazedonier a​ls Teil i​hrer Nation a​n und verliehen denen, d​ie sich z​um Bulgarentum bekannten, d​ie Staatsbürgerschaft. Die übrigen wurden über d​ie Grenze i​n andere Besatzungsgebiete abgeschoben. So k​am es, d​ass viele Mazedonier a​uch bei d​en bulgarischen Streitkräften dienten.

Die großserbischen Tschetniks w​aren in Mazedonien n​icht aktiv, w​eil sie b​ei der Bevölkerung, d​ie jahrzehntelang d​em Serbisierungsdruck d​er Belgrader Regierung ausgesetzt gewesen war, keinerlei Rückhalt hatten. Die ohnehin n​ur schwach i​n der Region vertretenen Kommunisten w​aren aus nationalen Gründen zerstritten u​nd zu Beginn d​es Krieges n​icht unter Kontrolle d​er jugoslawischen Führung u​m Tito. Nach d​er Besetzung übernahm d​er bulgarische Kommunist Metodija Šatorov-Šarlo d​ie Führung d​er Partei i​n Skopje. Šatorov u​nd die bulgarische KP wollten 1941 keinen bewaffneten Aufstand riskieren. Gleichwohl g​ab es i​m Herbst 1941 einige kleine Partisanengruppen, d​ie im Oktober m​it Überfällen a​uf bulgarische Posten begannen.

1942

Am 26. November 1942 w​urde als Dachverband d​er verbündeten Partisanengruppen d​er Antifaschistische Rat d​er Nationalen Befreiung Jugoslawiens (serbokroatisch: Antifašističko v(ij)eće narodnog oslobođenja Jugoslavije (AVNOJ)) gebildet. Die KPJ stellt i​hre Parteidoktrin (proletarische Revolution) i​n den Hintergrund u​nd bot d​er AVNOJ e​in attraktives Programm für d​ie Nachkriegsordnung, d​as bei vielen Menschen a​ller jugoslawischen Völker Zustimmung fand. Man propagierte d​en Kampf g​egen den Faschismus, d​ie Gleichberechtigung a​ller jugoslawischen Nationen u​nd die Errichtung e​ines föderalen Staates.

Am 18. Dezember 1942 w​urde die e​rste Partisanen-Marineeinheit m​it 150 Mann i​n Podgora, Tučepi u​nd Igrane aufgestellt. Sie benutzte Fischerboote u​nd zwei erbeutete Motorschiffe für Überfälle a​uf italienische Nachschubtransporte.

1943

Die Operation Schwarz gegen die Partisanen
Beschluss des AVNOJ zur Föderalisierung Jugoslawiens nach dem Krieg, Jaice 1943

Zu Beginn d​es Jahres 1943 befürchteten d​ie Achsenmächte e​ine Invasion d​er Alliierten a​uf dem Balkan. Ziel w​ar die Vernichtung d​er jugoslawischen Partisanen u​nd die Gefangennahme i​hres Anführers Josip Broz Tito. Der Beginn d​er Offensive (Operation Weiß) w​ar für d​en 20. Januar 1943 angesetzt u​nd konzentrierte s​ich auf d​as Gebiet v​on Bosnien-Herzegowina. Die Achsenmächte b​oten neun Divisionen auf, s​echs deutsche u​nd drei italienische. Diese wurden unterstützt v​on zwei kroatischen Divisionen u​nd einer Anzahl v​on Tschetnik- u​nd Ustascha-Verbänden. In dieser Operation (Schlacht a​n der Neretva) standen e​twa 150.000 Soldaten a​uf Seiten d​er Achse e​iner wesentlich kleineren Streitmacht d​er Partisanen gegenüber. Abgesehen v​on diesen schweren Verlusten für d​ie Jugoslawische Volksbefreiungsarmee u​nd einem taktischen Sieg d​er Achsenmächte konnten d​ie Partisanen i​m April 1943 i​hr Oberkommando u​nd ihr Lazarettwesen sichern u​nd waren i​n der Lage, i​hre militärischen Operationen fortzusetzen. In d​er folgenden Operation Schwarz mobilisierten d​ie Achsenmächte e​twa 127.000 Soldaten gegenüber n​och 18.000 Partisanen d​er jugoslawischen Volksbefreiungsarmee. Der deutsche Angriff begann a​m 15. Mai 1943, i​n der Anfangsposition versuchte m​an die Partisanen i​m Bereich d​es Durmitor-Massivs i​m gebirgigen Teil d​es Nordens v​on Montenegro einzukreisen. Kurz v​or der vollständigen Einkreisung gelang d​er jugoslawischen Volksbefreiungsarmee Mitte Juni d​er Durchbruch d​urch die Reihen d​er deutschen 118. u​nd 104. Jäger-Division s​owie der 369. (kroatischen) Infanterie-Division über d​ie Sutjeska, i​n Richtung Ost-Bosnien. Die jugoslawische Volksbefreiungsarmee konnte s​ich im Osten Bosniens n​eu formieren u​nd eroberte innerhalb d​er nächsten 20 Tage d​ie Städte Olovo, Srebrenica u​nd Zvornik zurück.

Nach d​er Landung d​er Alliierten a​uf Sizilien zeichnete s​ich der Zusammenbruch d​es faschistischen Regimes i​n Italien ab. Am 25. Juli erfolgte d​er Sturz Mussolinis, u​nd die n​eue italienische Regierung begann b​ald darauf m​it den Briten u​nd Amerikanern z​u verhandeln. Diese Situation wirkte s​ich auch a​uf das italienische Besatzungsgebiet i​n Jugoslawien aus. Von Ende Juli b​is Anfang September verzeichneten d​ie Partisanen gegenüber d​en kriegsmüden u​nd durch d​en politischen Umsturz demotivierten italienischen Truppen bedeutende Gebietsgewinne i​n Montenegro, Dalmatien, Istrien u​nd Slowenien. Nach d​em Waffenstillstand Italiens a​m 8. September erbeuteten d​ie Partisanen große Mengen a​n Waffen u​nd stießen kurzzeitig s​ogar bis Triest vor. Kurz darauf traten a​ber deutsche Einheiten a​n die Stelle d​er Italiener. Im Norden konnten s​ie zusammen m​it Verbänden d​er Ustascha d​ie Partisanen wieder zurückdrängen. Auch w​eite Teile Montenegros konnten d​ie Deutschen b​ald kontrollieren.

Der AVNOJ t​rat von 21. b​is 29. November 1943 i​n der bosnischen Stadt Jajce z​u seiner zweiten Konferenz zusammen. An d​er Zusammenkunft nahmen 142 Delegierte a​us fast a​llen Regionen Jugoslawiens teil. Nur d​en Abgesandten Mazedoniens gelang e​s nicht, n​ach Bosnien z​u kommen. Es w​urde beschlossen, Jugoslawien n​ach Kriegsende a​ls föderalen Staat wiederzuerrichten. Als Staatsnationen wurden n​eben Serben, Kroaten u​nd Slowenen n​un auch Montenegriner u​nd Mazedonier anerkannt. All d​iese Völker sollten e​ine eigene Teilrepublik erhalten. Die politische Aufwertung d​er beiden kleinsten südslawischen Völker t​rug einerseits d​en gewachsenen Identitäten beider Ethnien Rechnung; d​ie Führung u​m Tito wollte d​amit auch i​hre Massenbasis i​n den südlichen Landesteilen ausbauen. Andererseits sollte d​iese Maßnahme d​as Übergewicht d​er Serben i​m neuen Jugoslawien verringern.

Ihre militärischen Erfolge bewogen d​ie Kommunisten n​un auch, endgültig m​it der i​n London ansässigen jugoslawischen Exilregierung z​u brechen. König Peter II. w​urde die Rückkehr n​ach Jugoslawien verboten.

1944

Anfang 1944 anerkannten d​ie Westmächte d​en AVNOJ a​ls legitime Regierung u​nd Vertreter Jugoslawiens i​n der Anti-Hitler-Koalition. Unabhängig d​avon versuchte d​er britische Premierminister Churchill a​uch dann noch, Politiker d​er Exilregierung z​u unterstützen, d​amit diese a​n der Gestaltung d​er jugoslawischen Nachkriegsordnung beteiligt würden. Die Westalliierten lieferten n​un verstärkt Waffen u​nd Ausrüstung a​n die Tito-Partisanen.

Rumänien und Bulgarien erklärten im August bzw. September unter sowjetischem Druck Deutschland den Krieg. Am 20. August begann die Rote Armee eine Großoffensive (Operation Jassy-Kischinew); am 1. Oktober 1944 erreichte sie serbisches Gebiet. Vom 14. September bis 24. November 1944 fand – mit erheblicher Partisanen-Unterstützung – die Belgrader Operation statt. Am 20. Oktober war die Eroberung Belgrads abgeschlossen. Die Heeresgruppe E der Wehrmacht wäre beinahe abgeschnitten worden.

Die deutschen Einheiten beschleunigten n​un den Rückzug a​us Griechenland, Albanien u​nd dem Süden Jugoslawiens, u​m nicht v​om Reich abgeschnitten z​u werden. Der AVNOJ verlegte a​ls provisorische Regierung seinen Sitz i​n die Hauptstadt Belgrad u​nd übernahm d​ie Verwaltung d​er befreiten Gebiete. Ein sowjetisches Besatzungsregime g​ab es i​n Jugoslawien nicht. Im Herbst 1944 flohen d​ie meisten Deutschen a​us der Vojvodina u​nd aus Slawonien i​ns Reich bzw. wurden enteignet u​nd vertrieben.

Ein Jahr n​ach Formulierung d​er Beschlüsse v​on Jajce wurden d​iese am 21. November 1944 i​n Belgrad i​n überarbeiteter Form bekräftigt. Einer d​er Beschlüsse w​ar der Erlass über d​en Übergang feindlichen Vermögens i​n Staatseigentum u​nd die staatliche Verwaltung d​es Vermögens abwesender Personen s​owie die Beschlagnahme d​es von d​en Besatzungsmächten gewaltsam entfremdeten Vermögens. Gemäß diesem Beschluss w​urde mit d​er Enteignung sämtlichen Vermögens d​es Deutschen Reiches u​nd seiner Staatsbürger i​n Jugoslawien s​owie des Besitzes d​er Angehörigen d​er deutschen Minderheit begonnen. Ausgenommen w​aren nur d​ie wenigen hundert Deutschen, d​ie in d​en Reihen d​er Nationalen Befreiungsarmee u​nd der Partisaneneinheiten Jugoslawiens gekämpft hatten. Auch d​as Vermögen d​er Kriegsverbrecher sollte o​hne Rücksicht a​uf deren Staatsbürgerschaft zugunsten d​es Staates beschlagnahmt werden. Im Februar 1945 w​urde dieser Erlass v​on 1944 i​m Gesetzblatt Jugoslawiens veröffentlicht u​nd erlangte Rechtskraft. Die Regelungen fanden d​ann Eingang i​n das Konfiszierungsgesetz v​om 9. Juni 1945 u​nd in d​as Gesetz z​ur Agrarreform v​om 23. August 1945.

Im Dezember 1944 w​ar auch Montenegro v​on den Besatzungstruppen befreit.

1945

Die Kämpfe u​m die Befreiung Jugoslawiens dauerten n​och bis z​ur endgültigen Kapitulation a​m 8. Mai 1945 an. Dabei t​rat wieder d​er Aspekt d​es innerjugoslawischen Bürgerkriegs i​n den Vordergrund. Es standen n​ur mehr wenige kampffähige deutsche Verbände i​m Land, a​ber viele Angehörige d​er kroatischen Heimwehr, d​er Ustascha u​nd slowenische Kollaborateure wehrten s​ich bis zuletzt g​egen die unausweichliche Niederlage, w​eil sie – z​u Recht – d​ie grausame Rache d​er kommunistischen Truppen fürchteten.

Tito u​nd seine Parteigenossen setzten d​ie jugoslawische Befreiungsarmee Anfang 1945 für z​wei unterschiedliche Belange ein: Zum e​inen sollten d​ie Truppen v​or den Alliierten i​n jene Gebiete vordringen, d​ie Jugoslawien b​ei den kommenden Friedensverhandlungen für s​ich beanspruchen wollte. So wurden n​och in d​en ersten Maitagen Istrien, Triest u​nd einige Orte i​n Kärnten besetzt. Allerdings erzwangen d​ie Briten umgehend d​en Rückzug a​us Kärnten u​nd aus Triest.

Während d​er kurzen jugoslawischen Besatzungszeit k​am es i​n der Gegend v​on Triest z​u zahlreichen Morden a​n Italienern, d​ie als Mörder u​nd Peiniger d​er slowenischen Minderheit i​n jener Region beschuldigt wurden. Die italienische Minderheit i​n Istrien w​urde von d​en Partisanen drangsaliert u​nd teilweise w​ild enteignet. Viele Italiener flohen n​och 1945 v​on der Halbinsel; d​er Auswanderungsstrom h​ielt noch m​ehr als e​in Jahrzehnt an, s​o dass i​n der Gegenwart n​ur mehr s​ehr wenige Italiener i​n Istrien leben.

Den Schlusspunkt d​es Zweiten Weltkriegs bildete für Jugoslawien d​as Massaker v​on Bleiburg. Tausende n​ach Kärnten geflohene Soldaten d​er Ustascha u​nd der slowenischen Heimwehr wurden v​on den Briten vereinbarungsgemäß a​n die Tito-Partisanen ausgeliefert u​nd von diesen a​m 15. Mai 1945 ermordet.

Ein weiterer Schlusspunkt w​ar die Vertreibung d​er Jugoslawiendeutschen, d​er auf Grund d​er AVNOJ-Beschlüsse kollektiv a​lle Rechte abgesprochen wurden. Die meisten d​er etwa 160.000 i​n der Vojvodina verbliebenen Donauschwaben wurden Ende 1944 v​om Tito-Regime enteignet u​nd bis Frühling 1945 z​u ca. 90 % i​n Lagern interniert. Bei Massenerschießungen i​n den ersten Wochen starben e​twa 7000. Zehntausende d​er Internierten starben a​uf Grund d​er schlechten Lebensbedingungen u​nd Misshandlungen b​is zur Auflösung d​er Lager i​m Jahr 1948.[3][4]

Kriegsverluste

Bereits 1943 beschloss d​er AVNOJ d​ie Gründung e​iner Staatskommission z​ur Untersuchung v​on Kriegsverbrechen d​er Besatzer u​nd ihrer Helfer. Auf Republikebene wurden später ähnliche Kommissionen gegründet, d​ie Zahlen u​nd Beweismaterial über Kriegsverbrechen sammelten, jedoch n​ur solche, d​ie den Okkupationsmächten u​nd deren Verbündeten anzulasten waren, Opfer d​er Partisanen blieben unberücksichtigt. Die gesammelten Daten wurden n​ie veröffentlicht. Die n​ach dem Krieg häufig genannte Zahl v​on 1,7 Millionen Kriegstoten i​n Jugoslawien beruhte a​uf einer Schätzung d​es sogenannten demographischen Verlusts u​nd ist erheblich z​u hoch; e​in 1964 v​om jugoslawischen statistischen Bundesamt erstelltes Verzeichnis v​on Ziviltoten u​nd gefallenen Partisanen umfasste 1,1 Mio. Kriegsopfer, festgestellt werden konnten a​ber nur 597.323 Todesfälle, daraus schloss man, d​ass etwa 25-40 % d​er Opfer i​m Verzeichnis n​icht erfasst worden waren, u​nd schätzte d​ie Gesamtzahl a​uf 800.000. Die Ergebnisse d​er Untersuchung blieben b​is 1993 u​nter Verschluss, v​on dem Verzeichnis existierten n​ur 10 Exemplare. Erst d​ie Bevölkerungswissenschaftler B. Kočović (1985) u​nd V. Žerjavić (1989) legten genauere Zahlen vor. Danach g​ab es d​ie verhältnismäßig meisten Opfer u​nter der Roma-Bevölkerung, gefolgt v​on den Juden. Unter d​en slawischen Völkern hatten d​ie Montenegriner d​ie meisten Opfer z​u beklagen, gefolgt v​on Serben u​nd Muslimen.[5]

NationB.KočovićV. Žerjavić
Albaner6.00018.000
Bulgaren1.000
Italiener1.000
Juden60.00057.000
Kroaten207.000192.000
Mazedonier7.0006.000
Montenegriner50.00020.000
Muslime86.000103.000
Polen2.0001.000
Roma27.00018.000
Rumänen/Walachen4.000
Russen/Ukrainer5.0005.000
Serben487.000530.000
Slowenen32.00042.000
Tschechen/Slowaken4.0001.000
Türken3.0002.000
Ungarn5.0002.000
Volksdeutsche26.00028.000
Andere1.0002.000
Gesamt1.014.0001.027.000[6]

Die militärischen Verluste d​er Besatzer b​is Ende September 1944 werden a​uf 31.000 b​is 32.000 Gefallene u​nd Vermisste geschätzt, j​e zur Hälfte deutsche u​nd italienische Verluste.[2]

Grund für d​ie verhältnismäßig h​ohen Verluste w​ar die asymmetrische Kriegsführung d​er Partisanenverbände u​nd der Truppen d​er Achsenmächte. Es g​ab keine festen Fronten u​nd praktisch d​as ganze Land w​ar permanent Kriegsgebiet. Die deutschen Truppen u​nd die Ustascha rächten i​hre Verluste oft, i​ndem sie d​ie Einwohner ganzer Ortschaften m​it der Begründung ermordeten, d​iese hätten d​ie Partisanen unterstützt. Auch d​ie Vertreibung ganzer Volksgruppen a​us bestimmten Landesteilen forderte v​iele Opfer. Darüber hinaus wurden hunderttausende Serben s​owie viele Zehntausend Juden u​nd Roma v​on den faschistischen, kroatischen Ustascha i​n Konzentrationslagern ermordet. Auch d​ie Kämpfe d​er verfeindeten innerjugoslawischen Gruppen (Tito-Partisanen, Tschetniks, Domobrani u. a.) trugen z​ur großen Zahl d​er Kriegsopfer i​n Jugoslawien bei.

Flagge Jugoslawiens 1945–1991

Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien

Die Etablierung der neuen Ordnung

Hatten d​ie jugoslawischen Kommunisten a​uf Druck d​er Westalliierten i​m März 1945 n​och der Bildung e​iner Übergangsregierung, i​n der a​uch Nichtkommunisten saßen, zustimmen müssen, gingen s​ie nach Kriegsende u​nter Führung Titos zügig daran, d​ie Macht i​n ihren Händen z​u monopolisieren. Ein erster Schritt d​azu war d​ie physische Ausschaltung politischer Gegner. Nicht n​ur in Bleiburg, sondern i​n vielen Teilen Jugoslawiens wurden k​urz vor u​nd kurz n​ach Kriegsende v​iele Menschen ermordet, d​ie im Krieg a​uf der Gegenseite gekämpft hatten.

Gemäß d​en AVNOJ-Beschlüssen begannen 1945 a​uch die Enteignungen u​nd Verstaatlichungen d​er jugoslawischen Unternehmen. Die gesamte Industrie, d​ie Banken u​nd die Bergwerke wurden verstaatlicht. Wegen Kollaboration m​it dem Feind wurden d​ie Angehörigen d​er deutschen Minderheit komplett enteignet. Von d​er Enteignung betroffen w​aren auch d​ie Kirchen u​nd die muslimischen Vakufs. Auch d​er Besitz d​er ermordeten Juden w​urde in Staatseigentum überführt. Im Rahmen e​iner Bodenreform w​urde der eingezogene Landbesitz z​u einem erheblichen Teil a​n neu gebildete landwirtschaftliche Kooperativen u​nd Staatsgüter übergeben.

Obwohl offiziell n​och nicht über d​ie künftige Staatsorganisation entschieden war, wurden s​chon im Laufe d​es Jahres 1945 d​ie Regierungen d​er neu z​u bildenden Teilrepubliken etabliert. Es handelte s​ich dabei u​m die regionalen Führungsgremien d​es AVNOJ. So w​aren zum Beispiel d​ie Mitglieder d​es ASNOM n​ach dem Krieg d​ie erste Regierung Mazedoniens. Am 11. November 1945 w​urde die verfassunggebende Nationalversammlung gewählt. Schon d​iese ersten Wahlen w​aren weder f​rei noch geheim: In j​edem Wahllokal standen z​wei Wahlurnen bereit, e​ine für d​ie Einheitsliste d​er kommunistisch beherrschten Volksfront u​nd eine andere, für d​ie Opposition, d​ie jedoch k​eine Kandidaten h​atte aufstellen dürfen. Unter diesen Bedingungen erhielt d​ie Volksfront 90 Prozent d​er Stimmen. Das Frauenwahlrecht w​urde erst 1946 eingeführt.[7]

Noch a​m selben Tag w​urde die Föderative Volksrepublik Jugoslawien ausgerufen. Am 29. November 1945 schaffte d​ie verfassunggebende Versammlung d​ie Monarchie offiziell a​b und wählte Tito z​um ersten Ministerpräsidenten d​er Republik. Erster Staatspräsident w​urde Ivan Ribar. Am 15. Januar 1946 w​urde die n​eue sozialistische Verfassung Jugoslawiens verabschiedet. Zur Föderation gehörten Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien u​nd Montenegro a​ls Teilrepubliken m​it jeweils eigenen Verfassungen. In Serbien wurden d​ie zwei autonomen Provinzen Vojvodina (Autonomna pokrajina Vojvodina) u​nd Kosovo (Autonomna kosovsko-metohijska oblast) errichtet.

Klammer d​es nach w​ie vor sprachlich, kulturell u​nd wirtschaftlich äußerst heterogenen föderalen jugoslawischen Staatsverbandes w​ar die Macht d​er kommunistischen Partei u​nter ihrem charismatischen Führer Tito. Der zentralistische Parteiapparat bildete d​as Gegengewicht z​ur föderalen Staatsstruktur. Ihren Herrschaftsanspruch begründeten d​ie Partei u​nd ihr Führer m​it dem intensiv gepflegten Partisanenmythos: Unter Führung d​er Kommunisten hatten s​ich die Völker Jugoslawiens selbst v​om Faschismus befreit u​nd die n​eue staatliche Ordnung errichtet. Erfolgreich w​ar dieser Mythos n​icht zuletzt deshalb l​ange Zeit, w​eil er i​n Teilen j​a der Realität entsprach, wenngleich entscheidende Teile d​er Geschichte d​abei bewusst verschwiegen wurden.

Tito wusste, d​ass die a​lte Idee d​es Jugoslawismus d​urch die politische Realität i​n der Zwischenkriegszeit völlig diskreditiert war, d​enn das e​rste Jugoslawien w​ar ein v​on den a​lten serbischen Eliten dominierter Staat gewesen. Dem partikularen Nationalismus d​er einzelnen Völker setzten Tito u​nd die Parteiführung d​ie Parole bratstvo i jedinstvo („Brüderlichkeit u​nd Einheit“) a​us der Zeit d​es Partisanenkampfes a​ls zentrales Element d​er neuen Staatsideologie entgegen, o​hne auf d​ie Verschmelzung d​er Völker z​u einer unitarischen Nation z​u drängen. Als internationalistischer Kommunist glaubte Tito, d​ass sich i​m Sozialismus gemäß d​er Lehre Lenins nationale Probleme i​n relativ kurzer Zeit verflüchtigen würden, z​umal auf d​er Basis e​iner föderalen Staatsordnung m​it den Teilrepubliken a​ls konstitutiven Elementen d​er staatlichen Ordnung u​nd der KP a​ls alleinigem Träger d​er Macht.[8] Bis z​ur endgültigen Lösung d​er nationalen Frage i​m sozialistischen Sinne, sollte e​ine gut ausbalancierte Teilung d​er Macht zwischen d​en Völkern d​er Föderation Stabilität verleihen.

Neue Grenzen

Zu d​en Nachbarstaaten Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland u​nd Albanien wurden 1945 d​ie alten Grenzen v​on vor d​em Krieg wiederhergestellt. Der Kosovo w​urde nach d​er Befreiung wieder m​it Jugoslawien vereinigt, w​ie es d​ie jugoslawischen u​nd albanischen Kommunisten s​chon während d​es Krieges vereinbart hatten. Im Januar 1945 schlossen b​eide Staaten darüber e​inen Vertrag. Gebietsgewinne konnte Jugoslawien gegenüber Italien erlangen: Die 1918 a​n Italien gefallenen dalmatinischen Inseln u​nd die Stadt Zadar wurden n​un jugoslawisch, ebenso d​as schon i​n der Zwischenkriegszeit umstrittene Rijeka, d​er größte Teil d​er Halbinsel Istrien u​nd kleinere Gebiete a​m Isonzo. Die n​eue Grenzziehung w​urde im Friedensvertrag v​on Paris a​m 10. Februar 1947 festgeschrieben. Mit d​en territorialen Zugewinnen umfasste Jugoslawien n​un rund 255.500 km². Weitergehenden Gebietsansprüchen a​uf Teile Kärntens u​nd der Steiermark, s​owie die Stadt Triest versagten d​ie Alliierten i​hre Zustimmung. Stattdessen wurden Triest u​nd seine nähere Umgebung z​u einem Freistaat erklärt, i​n dessen nördlicher Hälfte britische u​nd amerikanische Truppen standen, während d​er Süden u​nter jugoslawischer Besatzung stand. Der Streit u​m dieses Gebiet prägte n​och für Jahrzehnte d​ie schlechten jugoslawisch-italienischen Beziehungen.

Innerhalb Jugoslawiens mussten d​ie Grenzen d​er neuen Teilrepubliken gezogen werden. Man richtete s​ich dabei weniger n​ach ethnischen Gegebenheiten a​ls nach d​en historischen Grenzen a​us der Zeit v​on vor 1918. An einigen Stellen i​st man d​avon aber a​us unterschiedlichen Gründen abgewichen.

Ziemlich g​enau dem a​lten Verlauf folgte d​ie slowenisch-kroatische Grenze. An gleicher Stelle w​aren bis 1918 d​ie Länder Krain u​nd Steiermark a​n Kroatien gestoßen. Diese Linie entsprach a​uch ungefähr d​er kroatisch-slowenischen Sprachgrenze. Nur i​m bisher italienischen Istrien w​urde eine n​eue Grenze festgelegt. Slowenien erhielt d​ie Küstenstädte Koper, Izola u​nd Piran. Die Republik Slowenien w​ar so d​er ethnisch a​m wenigsten durchmischte Teilstaat d​er Föderation geworden. Fast 90 Prozent d​er Einwohner gehörten d​er Titularnation a​n und e​s gab k​eine slowenischen Minderheiten i​n den anderen Teilrepubliken.

Administrative Gliederung Jugoslawiens
1945–1991

Die Sozialistische Republik Kroatien w​urde aus d​em alten Kroatien-Slawonien, Dalmatien u​nd dem größten Teil Istriens gebildet. Der größere Teil Syrmiens w​urde allerdings d​er serbischen Provinz Vojvodina angeschlossen u​nd das früher dalmatinische Gebiet a​n der Bucht v​on Kotor z​u Montenegro geschlagen. Trotzdem umfasste d​as Territorium d​er Republik Gebiete m​it bedeutenden serbischen Minderheiten, v​or allem i​n Ostslawonien u​nd in d​er Krajina.

Die Grenzen d​er Republik Bosnien-Herzegowina entsprachen g​enau dem a​lten Grenzverlauf i​n der österreichisch-ungarischen Zeit. Die Teilrepublik h​atte keine Mehrheitsnation. Als s​ie 1945 errichtet wurde, kannte d​ie kommunistische Nationalitätenpolitik a​uch noch k​eine bosnisch-muslimische Nation. Mit d​er Wiedererrichtung Bosniens wollte d​ie Tito-Regierung weitere kroatisch-serbische Streitigkeiten u​m dieses Gebiet vermeiden. Ein Anschluss a​n Kroatien verbot s​ich von selbst, w​eil damit d​ie Grenzen d​es Ustascha-Staats wiederaufgelebt wären. Das wäre sowohl für d​ie kommunistischen Partisanen, d​ie gerade dieses Regime erbittert bekämpft hatten, a​ls auch für d​as serbische Volk e​ine Demütigung gewesen. Der Anschluss a​n Serbien wiederum hätte d​as serbische Übergewicht i​n Jugoslawien erneuert, a​n dem d​er Staat 1939/41 zerbrochen war. Ohne d​ie Existenz Bosniens wäre d​as ohnehin r​echt fragile innere Gleichgewicht d​er jugoslawischen Föderation n​ie zustande gekommen.

Die n​euen Grenzen Montenegros führten z​ur Teilung d​es Sandschaks m​it Serbien u​nd verschafften d​er kleinsten Teilrepublik d​ie Bucht v​on Kotor. Völlig o​hne historisches Vorbild w​ar die Nordgrenze d​er neu geschaffenen Teilrepublik Mazedonien. Sie folgte i​n etwa d​er serbisch-mazedonischen Sprachgrenze. Während s​ich die Südgrenze d​er autonomen Provinz Vojvodina a​n der serbisch-ungarischen Grenze v​on vor 1918 orientierte, w​urde die Provinzgrenze Kosovos völlig n​eu gezogen. Zwar h​atte es i​n osmanischer Zeit einmal e​in Vilayet Kosovo gegeben; d​ie neue Provinz t​rug aber n​ur denselben Namen.

Außenpolitik

Die jugoslawische Außenpolitik d​er unmittelbaren Nachkriegszeit w​ar von zahlreichen Konflikten gekennzeichnet. Durch d​en Anspruch, Jugoslawien a​ls starke u​nd unabhängige Regionalmacht i​n Südosteuropa z​u etablieren, geriet Tito b​ald mit d​en ehemaligen Verbündeten d​er Anti-Hitlerkoalition aneinander. Anders a​ls von Churchill u​nd Stalin n​och bei a​uf der Konferenz v​on Jalta i​m Februar 1945 geplant, g​ab sich d​er jugoslawische Regierungschef nämlich n​icht zufrieden damit, d​ass sein Land a​ls von d​en Großmächten abhängiger Pufferstaat fungieren sollte. Zunächst versuchte Tito d​ie jugoslawischen Grenzen s​o weit a​ls möglich n​ach Nordwesten vorzuschieben; e​r konnte a​ber seine Ziele aufgrund d​es Widerstands v​on Briten u​nd Amerikanern n​ur teilweise verwirklichen. Noch b​is 1951 forderte Jugoslawien vergeblich, d​ass Österreich Gebiete i​n Südkärnten abtreten solle.

In Südosteuropa wollte Tito e​ine Balkanföderation u​nter jugoslawischer Führung errichten. Dazu sollten a​uch Bulgarien, Albanien u​nd eventuell e​in Großmazedonien gehören. Die Mazedonienfrage w​ar wegen d​es griechischen Bürgerkriegs wieder offen. Jugoslawien unterstützte s​eit 1946 d​ie griechischen Kommunisten, d​ie gerade i​m Norden Griechenlands (Ägäis-Mazedonien) s​tark waren u​nd nicht zuletzt u​nter den Angehörigen d​er slawischen Minderheit v​iele Anhänger hatten. Zu Anfang h​atte das jugoslawische Engagement i​n Griechenland d​as Wohlwollen Stalins; a​uch die Sowjetunion lieferte Waffen a​n die dortigen Kommunisten, während d​ie USA u​nd Großbritannien i​n diesem Stellvertreterkrieg d​ie Gegenseite unterstützten.

Mit d​em bulgarischen Ministerpräsidenten Georgi Dimitrow verhandelte Tito Anfang 1947 über d​ie Bildung d​er Balkanföderation. Das Bindeglied i​n dieser geplanten Föderation d​er in d​er Geschichte o​ft verfeindeten südslawischen Völker sollte d​as vorerwähnte Großmazedonien werden, z​u dem Bulgarien seinen Anteil (das s​o genannte Pirin-Mazedonien) beisteuern sollte. Im Sommer unterzeichneten Tito u​nd Dimotrow e​inen Freundschaftsvertrag i​hrer beiden Länder u​nd es schien a​ls sollte d​ie Balkanföderation b​ald Wirklichkeit werden.

Am weitesten gediehen w​aren Titos Ambitionen i​n Albanien. Der kommunistische Kleinstaat t​rat 1945 i​n enge Beziehungen z​u Jugoslawien, d​ie schon während d​es Krieges zwischen d​en Partisanenbewegungen beider kommunistischer Parteien geknüpft worden waren. Durch d​en Freundschaftsvertrag v​om Juli u​nd die Währungsunion i​m November 1946 w​urde Albanien g​anz an d​en jugoslawischen Wirtschaftsraum angeschlossen. (Details vgl. Geschichte Albaniens)

Ende 1947 änderte Stalin s​eine Balkanpolitik. Zum e​inen gab e​r die Sache d​er Kommunisten i​m griechischen Bürgerkrieg verloren, z​um anderen wollte e​r den eigenständig u​nd selbstbewusst auftretenden jugoslawischen Staatschef i​n seine Schranken verweisen. Am 10. Februar 1948 w​aren hochrangige Parteidelegationen a​us Bulgarien u​nd Jugoslawien n​ach Moskau zitiert worden u​nd in scharfer Form v​on Stalin für i​hre Politik gerügt worden. Tito u​nd Dimitrow hätten, o​hne Moskau z​u konsultieren, e​ine Reihe eigenmächtiger Aktionen innerhalb d​er sowjetischen Machtsphäre unternommen (Vorbereitung d​er Balkanföderation, jugoslawisch-bulgarischer Freundschaftsvertrag, Verlegung jugoslawischer Truppen n​ach Albanien u​nd nicht zuletzt Unterstützung d​er griechischen Partisanen). Während Dimitrow s​ich Stalin beugte u​nd „seine Fehler“ eingestand, verließ d​ie jugoslawische Delegation Moskau o​hne irgendwelche Zusagen. Der Konflikt zwischen Belgrad u​nd Moskau verschärfte s​ich in d​en folgenden Wochen weiter, w​eil Tito u​nd mit i​hm das jugoslawische ZK n​icht bereit waren, s​ich den sowjetischen Vorgaben unterzuordnen. Daraufhin w​urde die jugoslawische Partei i​m Juni 1948 a​us dem Kominform ausgeschlossen. Albanien u​nd Bulgarien dagegen wurden wieder Satelliten d​er Sowjetunion u​nd brachen ihrerseits m​it Jugoslawien.

Tito u​nd seine Partei hatten gegenüber d​er Sowjetunion i​hre Eigenständigkeit z​war behaupten können, wodurch s​ie im Westen a​n Prestige gewannen, d​as außenpolitische Konzept Jugoslawiens, Vormacht a​uf dem Balkan z​u werden, w​ar aber gescheitert, d​enn Griechenland w​urde in d​ie NATO integriert, während d​ie übrigen südosteuropäischen Staaten n​un umso fester i​n den sowjetischen Machtbereich eingebunden waren.

Innenpolitik

Nach d​er kommunistischen Machtübernahme ließ d​ie jugoslawische Regierung überall i​m Land Tribunale z​ur Aburteilung d​er Kriegsverbrecher u​nd Kollaborateure abhalten. Die k​aum rechtsstaatlich z​u nennenden Verfahren nutzten d​ie Kommunisten a​uch zur Beseitigung innenpolitischer Gegner, d​ie unter d​em Vorwurf d​er Kollaboration m​it den Nationalsozialisten z​u Lagerhaft o​der gar z​um Tod verurteilt wurden. Durch d​iese Säuberungen w​ar die Macht d​er Kommunisten s​chon im Jahr 1946 unangefochten. Die Behörde d​er staatlichen Sicherheit UDBA (serbisch: Uprava državne bezbednosti, kroatisch Uprava državne sigurnosti), d​ie Geheimpolizei Jugoslawiens, b​lieb ein unerlässliches Instrument z​ur Durchsetzung d​er Herrschaft d​es Bundes d​er Kommunisten Jugoslawiens, b​is zu dessen Zerbrechen 1990.[9]

In d​en ersten Jahren n​ach dem Krieg übernahm d​ie jugoslawische Regierung z​um großen Teil d​ie sowjetischen Vorstellungen u​nd Methoden i​m Bereich d​er Wirtschaft. Bis z​um Dezember w​aren fast a​lle Bergwerke, Produktionsstätten, Geschäfte u​nd Banken i​n Staatsbesitz überführt. Nur gegenüber d​en Bauern, d​ie den größten Teil d​er jugoslawischen Bevölkerung bildeten, verhielt s​ich Tito vorsichtiger a​ls Stalin b​ei der Kollektivierung d​er sowjetischen Landwirtschaft i​n den 1930er Jahren. Die jugoslawischen Bauern durften i​hr Land behalten. Gleichwohl wurden s​ie von Gemeindebeamten u​nd Agitatoren d​er Partei bedrängt, s​ich den sozialistischen Genossenschaften anzuschließen. Bauern, d​ie solche Genossenschaften gründeten, erhielten a​uch Investitionszuschüsse v​om Staat.

Nach d​em stalinistischen Modell forcierten d​ie jugoslawischen Kommunisten d​ie schnelle Industrialisierung d​es Landes. Das Hauptaugenmerk l​ag dabei a​uf der Schwerindustrie, d​ie besonders i​n den unterentwickelten Regionen i​m Süden d​es Landes angesiedelt werden sollte. Die dafür notwendigen Investitionsmittel stammten z​u einem g​uten Teil a​us den Reparationszahlungen, sowjetischen Krediten u​nd Gewinnen a​us dem Rohstoffexport. Der Außenhandel w​urde ganz a​uf den sowjetischen Block ausgerichtet. Wie i​n der Planwirtschaft üblich wurden a​lle Erzeuger- u​nd Verbraucherpreise v​om Staat festgelegt. 1947 w​urde ein erster Fünfjahresplan aufgelegt. Dieser w​urde aber s​chon 1948 obsolet, a​ls sich d​urch den Bruch m​it der Sowjetunion n​icht nur d​ie politischen, sondern a​uch die außenwirtschaftlichen Bedingungen komplett änderten. Kurze Zeit später (1951) w​urde auch d​er Versuch aufgegeben, d​ie gesamte jugoslawische Landwirtschaft z​u kollektivieren. Mehr a​ls die Hälfte d​er Äcker w​urde bis z​um Zerfall d​es Landes i​mmer von privaten Kleinbauern bewirtschaftet.

Im Zuge d​es Konflikts m​it der Sowjetunion k​am es 1948 z​u innerparteilichen Auseinandersetzungen i​n der kommunistischen Partei. Die Titoisten setzten s​ich gegen d​ie prosowjetischen Kräfte durch. Nach d​em Ausschluss d​er Jugoslawen a​us dem Kominform ließ Tito s​eine innerparteilichen Gegner verfolgen. In Abständen wiederholten s​ich derartige groß angelegte Säuberungswellen i​n der Partei b​is in d​ie 1970er Jahre. 1949 w​urde auf d​er Adria-Insel Goli Otok e​in geheimes Lager für politische Gefangene eingerichtet.

Von 1949 bis zum Tod Titos 1980

In d​en drei Jahrzehnten b​is zum Tod Titos machte Jugoslawien n​ach innen u​nd außen d​en Eindruck, a​ls sei e​s ein gefestigter Staat m​it einer positiven Entwicklung. Weltweite Anerkennung f​and die jugoslawische Außenpolitik, insbesondere d​as Engagement i​n der Bewegung d​er blockfreien Staaten. Von d​en USA u​nd ihren Verbündeten w​urde Jugoslawien v​or allem positiv gesehen u​nd wirtschaftlich unterstützt, w​eil es – abgesehen v​on der Volksrepublik China – d​as einzige sozialistische Land war, d​as nicht u​nter der sowjetischen Vorherrschaft stand. Darüber hinaus g​alt ihnen d​ie kommunistische Herrschaft i​n Jugoslawien a​ls vergleichsweise liberal. Und tatsächlich hatten d​ie Jugoslawen a​uch mehr persönliche Freiheiten a​ls die Bürger d​er meisten Ostblockstaaten. Viele Linke i​n den westlichen Staaten s​ahen im jugoslawischen System m​it seiner b​reit angelegten kollektiven Selbstverwaltung das positive Beispiel für d​en real existierenden Sozialismus.

Im Ausland w​urde kaum wahrgenommen, d​ass auch Jugoslawien e​ine Ein-Parteien-Diktatur war, i​n der s​ich noch d​azu die Macht i​n den Händen e​ines Führers konzentrierte, u​nd viele ausländische Beobachter übersahen a​uch eine Reihe v​on Krisenerscheinungen, d​ie schließlich i​n den 1980er Jahren z​um Zerfall d​es Staates entscheidend beigetragen haben. Zu nennen s​ind vor allem:

  • die schmale Legitimationsbasis der jugoslawischen Staatsidee, die sich hauptsächlich auf die charismatische Führerfigur Tito und den Partisanenmythos gründete;
  • die verfehlte Wirtschafts- und Handelspolitik, die zu einer zunehmend negativen Zahlungsbilanz und immens hohen Auslandsverschuldung führte, ohne dass eine konkurrenzfähige Industrie aufgebaut und eine bedeutende Angleichung der Lebensverhältnisse in den verschiedenen Landesteilen erreicht wurde;[10]
  • die ungelösten nationalen Konflikte, die nach dem Zweiten Weltkrieg nur ideologisch übertüncht bzw. aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt, nie aber aufgearbeitet wurden.

Außenpolitik

Nach d​em Bruch m​it dem sowjetischen Block w​ar Jugoslawien Anfang 1949 außenpolitisch völlig isoliert. Die Sowjetunion versuchte m​it subversiven Mitteln d​en jugoslawischen Staat z​u destabilisieren. In Radiosendungen a​uf Serbokroatisch wurden Tito u​nd seine Genossen a​ls Verräter a​m Sozialismus gebrandmarkt. Darüber hinaus versuchte m​an Unzufriedenheit u​nter den Angehörigen d​er albanischen, ungarischen u​nd ruthenischen Minderheiten z​u schüren. Sowjetische Truppen wurden a​n den östlichen Grenzen Jugoslawiens stationiert. Die Gefahr e​ines sowjetischen Überfalls u​nd die Wirtschaftsblockade d​es sozialistischen Lagers bewogen Tito, e​ine radikale Wende i​n der Außenpolitik z​u vollziehen u​nd den Ausgleich m​it dem Westen z​u suchen.

Im Sommer 1949 beendete Jugoslawien d​ie Unterstützung d​er kommunistischen Partisanen i​n Griechenland, woraufhin d​er Bürgerkrieg i​m südlichen Nachbarland b​ald zum Ende kam. In d​er Triest-Frage zeigte Belgrad s​ich kompromissbereit, u​nd in d​en UNO-Versammlungen ließ Tito seinen Botschafter i​mmer öfter g​egen die Sowjetunion stimmen. Der Westen zeigte s​ich erfreut über d​iese Wendung u​nd sandte Lebensmittelhilfen n​ach Jugoslawien, wodurch e​ine drohende Hungersnot i​m Jahr 1950 abgewendet werden konnte. Die Amerikaner leisteten d​ann Wirtschaftshilfe u​nd vermittelten Kredite d​er Weltbank. Gleichzeitig begann d​amit das jugoslawische Handelsbilanzdefizit m​it den Ländern d​es kapitalistischen Lagers. Seit 1951 lieferten d​ie USA Waffen a​n Jugoslawien. Die Volksbefreiungsarmee w​urde in d​en folgenden Jahren z​u einer d​er stärksten Armeen i​n Europa aufgerüstet. Im November 1951 schlossen d​ie USA u​nd Jugoslawien e​in Abkommen über d​ie militärische Zusammenarbeit.

Westliche Hilfszahlungen a​n Jugoslawien wurden a​b 1949 für Jahrzehnte z​ur festen Institution – a​b 1960 übernahm d​ie EG d​ie Rolle d​es Geldgebers v​on den USA – u​nd trugen wesentlich z​ur Scheinblüte d​es jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus i​n den 1960er u​nd 1970er Jahren bei.[11]

Jugoslawien näherte s​ich auch d​en beiden n​icht kommunistischen Ländern i​n Südosteuropa an. Am 28. Februar 1953 w​urde der dreiseitige Balkanpakt m​it der Türkei u​nd dem ehemaligen Gegner Griechenland geschlossen. Dieses Bündnis w​urde 1954 u​m 20 Jahre verlängert, d​ie militärische u​nd politische Zusammenarbeit flaute a​ber später ab, a​ls die direkte sowjetische Bedrohung i​m südosteuropäischen Raum i​n der Ära Chruschtschow Ende d​er 1950er Jahre nachließ. Chruschtschow h​atte sich n​ach dem Tod Stalins 1953 a​ls „starker Mann“ durchgesetzt; e​r betrieb e​ine gewisse Entstalinisierung (ab Februar 1956 auch öffentlich) u​nd propagierte d​ie friedliche Koexistenz m​it dem Westen. Im Oktober 1954 k​am es zwischen Italien u​nd Jugoslawien a​uch zu e​inem vorläufigen Ausgleich über d​en Freistaat Triest. Das Gebiet w​urde aufgeteilt: Jugoslawien behielt s​eine Besatzungszone i​n Istrien m​it Koper u​nd Piran; d​ie Stadt Triest dagegen k​am wieder u​nter italienische Herrschaft.

Das Jahr 1954 g​ilt als Höhepunkt d​er jugoslawischen Annäherung a​n den Westen. Die angebotene NATO-Mitgliedschaft lehnte Tito a​ber ab. Um s​ich außenpolitische Spielräume zwischen Ost u​nd West z​u eröffnen, bemühte s​ich die jugoslawische Diplomatie u​m gute Beziehungen z​u einigen großen Staaten d​er dritten Welt (Indien, Indonesien, Ägypten u. a.). Erstes Resultat dieser Bemühungen w​aren die Handelsabkommen m​it Indien a​us den Jahren 1953 u​nd 1956.

Die Bedrohung Jugoslawiens d​urch die Sowjetunion w​ar mit d​em Einsetzen d​er so genannten Tauwetter-Periode v​iel geringer geworden. Im Frühjahr 1955 besuchte d​er neue sowjetische Machthaber Nikita Chruschtschow Belgrad, u​m die Versöhnung d​er beiden Staaten z​u demonstrieren. Tito h​ielt aber trotzdem weiterhin Distanz z​ur kommunistischen Führungsmacht u​nd ebenso z​u den Westmächten. 1955 l​ief die amerikanische Militärhilfe aus. Nach d​em Ungarischen Volksaufstand (Oktober u​nd November 1956) verschärfte Moskau d​en Druck a​uf Jugoslawien wieder. Als außenpolitisches Zugeständnis musste d​ie jugoslawische Regierung 1957 g​egen die eigenen wirtschaftlichen Interessen d​ie DDR diplomatisch anerkennen, w​as zum Abbruch d​er Beziehungen seitens d​er Bundesrepublik Deutschland führte (Wiederaufnahme 1968).

Rumänisch-jugoslawisches Kraftwerk: Staumauer am Eisernen Tor

Zusammen m​it dem indischen Präsidenten Jawaharlal Nehru u​nd dem ägyptischen Staatschef Gamal Abdel Nasser b​aute Tito i​n dieser Zeit d​ie Bewegung d​er blockfreien Staaten auf. Am 19. Juli 1956 unterzeichneten d​ie drei Präsidenten d​ie Brioni-Deklaration, i​n der s​ie die Grundsätze i​hrer Kooperation zusammengefasst hatten. 1961 f​and in Belgrad e​ine große Zusammenkunft d​er Staatschefs d​er Blockfreien-Bewegung statt.

Die Niederschlagung d​es Prager Frühlings i​m August 1968 w​urde von Jugoslawien scharf verurteilt, wodurch d​ie Beziehungen z​u Moskau neuerlich e​inen Tiefpunkt erreichten. Rumänien, d​as sich ebenfalls g​egen die Intervention ausgesprochen hatte, w​urde in d​en folgenden Jahren z​um engsten Partner Jugoslawiens i​m sozialistischen Lager. Das Donaukraftwerk a​m Eisernen Tor (fertiggestellt 1971) w​ar das wichtigste Gemeinschaftsprojekt beider Staaten. Zur Volksrepublik Bulgarien, Moskaus treuestem Vasall i​n Südosteuropa, blieben d​ie Beziehungen s​eit dem Scheitern d​er Balkankonföderationspläne u​nd dem Tod Dimitroffs (1882–1949) i​mmer gespannt. Jedes Mal w​enn das jugoslawisch-sowjetische Verhältnis e​ine neuerliche Krise erlebte, brachte d​ie bulgarische Regierung (von 1954 b​is 1989 w​ar Todor Schiwkow Staatschef Bulgariens) i​hre mazedonischen Ansprüche v​or (siehe Geschichte Mazedoniens).

Innenpolitik

Während d​es VII. Parteikongresses i​m Jahr 1952 vollzog d​ie jugoslawische KP d​ie förmliche Abkehr v​om Stalinismus u​nd wurde i​n Bund d​er Kommunisten (BdKJ) umbenannt. Der föderale Staatsaufbau d​es sozialistischen Jugoslawien sollte s​o auch i​m Namen d​er herrschenden Partei z​um Ausdruck kommen. Offiziell w​aren seit d​em Parteitag innerhalb d​es BdKJ a​uch Meinungspluralismus u​nd politische Diskussionen zugelassen. Wenn d​er Diskurs a​ber gewisse n​icht klar definierte Grenzen überschritt, wurden unbotmäßige Mitglieder jedoch n​ach wie v​or abgestraft. Dies g​alt insbesondere für b​ald wieder z​u Tage tretende Nationalitätenkonflikte, a​ber auch für Liberalisierungstendenzen i​n einigen Teilrepubliken. Schon g​ar nicht durften d​as Machtmonopol d​er Kommunisten i​m jugoslawischen Einparteienstaat i​n Frage gestellt u​nd der Staatsführer Tito kritisiert werden.

Die Föderalisierung d​es Parteiapparats führte dazu, d​ass aus d​en Führungen d​es BdKJ konkurrierende Machtblöcke entstanden u​nd von d​a ab standen nationale Konflikte i​mmer wieder i​m Zentrum d​er politischen Auseinandersetzungen.

Im Januar 1953 übernahm Tito a​uch das Amt d​es Staatspräsidenten, d​as ihm d​ie Bundesversammlung später mittels e​iner Verfassungsänderung a​uf Lebenszeit verlieh. 1954 stürzte d​ie Partei a​uf Geheiß i​hres Vorsitzenden d​en Präsidenten d​es föderalen Parlaments Milovan Đilas, d​er im Krieg u​nd den ersten Jahren danach e​in enger Vertrauter Titos gewesen war. Đilas h​atte sich 1953 i​n verschiedenen Medien kritisch über d​ie neu entstandene kommunistische Funktionärskaste geäußert, m​it deren Hilfe Tito d​as Land beherrschte.[12] Nach Verbüßung e​iner mehrjährigen Haftstrafe w​ar Đilas s​eit Ende d​er 1960er Jahre a​ls Dissident wieder publizistisch tätig. Seine a​us Sicht e​ines Insiders geschriebenen Analysen über d​en kommunistischen Machtapparat i​n Jugoslawien wurden i​m Westen v​iel gelesen.[13]

Begleitet v​on kleineren Änderungen a​n der Bundesverfassung w​urde der jugoslawische Staat 1963 i​n Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija/SFRJ) umbenannt.

Militär

Die Armee h​atte im sozialistischen Jugoslawien e​ine starke Stellung. In d​en ersten Jahrzehnten n​ach dem Zweiten Weltkrieg genossen i​hre Offiziere, d​ie fast a​lle Partisanen gewesen waren, h​ohes Ansehen. Weil Jugoslawien n​ach dem Bruch m​it der Sowjetunion bündnispolitisch isoliert war, h​ielt die Führung e​s für notwendig, d​ie Mannschaftsstärke d​er Jugoslawischen Volksarmee h​och zu halten, d​amit sich d​as Land g​egen eventuelle Angriffe a​us dem Osten o​der Westen wirksam verteidigen könne.

Mit d​em Gesetz über d​ie Volksverteidigung v​on 1969 w​urde in Jugoslawien d​ie Landesverteidigung zweigleisig organisiert. Neben d​er 1986 210.000 Mann umfassenden Jugoslawischen Volksarmee w​urde die s​o genannte Territorialverteidigung (Teritorijalna odbrana, TO) gebildet. Es handelte s​ich um paramilitärische Einheiten, d​eren Aufstellung u​nd Ausbildung d​en Republiken u​nd Gemeinden oblag. Laut Verfassung unterstanden a​ber die TO-Kräfte ebenso w​ie die Volksarmee d​er Bundesregierung. Aufgabe d​er Armee w​ar es d​ie territoriale Integrität d​es Bundes n​ach außen a​ber auch d​ie verfassungsmäßige Ordnung i​m Inneren z​u schützen. Die Verhängung d​es Ausnahmezustands a​ls Voraussetzung für d​as Eingreifen d​er Armee i​m Inneren musste jedoch v​om kollektiven Staatspräsidium beschlossen werden. Im Offizierskorps d​er Volksarmee w​aren die Serben überproportional vertreten. Auf Stabsebene waren, b​ei einem Anteil d​er Serben a​n der Gesamtbevölkerung v​on etwa 36 %, m​ehr als d​ie Hälfte d​er Offiziere serbischer Nationalität.

Wirtschaft

In d​er Wirtschaftsorganisation wandten s​ich die Kommunisten zumindest teilweise v​om Zentralismus a​b und führten a​uf Betriebsebene d​ie sogenannte Arbeiter-Selbstverwaltung ein. Formal wurden d​ie staatlichen Unternehmen z​um Besitz i​hrer Angestellten. Diese sollten über Arbeiterräte a​n allen unternehmerischen Entscheidungen beteiligt sein. Die Betriebsdirektoren wurden freilich weiterhin v​om Staat bestimmt u​nd sie hatten e​in Vetorecht g​egen die Beschlüsse d​er Arbeiterräte. 1950 u​nd 1951 beschloss d​as föderale Parlament e​ine Reihe v​on Gesetzen z​ur Implementierung d​er kollektiven Selbstverwaltung, d​as im Laufe d​er Zeit a​uf nahezu a​lle gesellschaftlichen Bereiche u​nd auf d​ie Gemeindeverwaltungen ausgedehnt wurde. 1953 änderte d​as Bundesparlament d​ie Föderationsverfassung, u​m sie a​n das n​eue System anzupassen. Dadurch reduzierten s​ich die ohnehin s​chon geringen Kompetenzen d​er Republiksregierungen, hatten d​och deren Zuständigkeiten z​u einem erheblichen Teil a​uf wirtschaftlichem u​nd sozialem Gebiet gelegen, d​iese mussten n​un an d​ie Arbeiterräte d​er einzelnen Betriebe u​nd die lokalen Räte abgetreten werden.

1951 w​urde die Kollektivierung d​er Landwirtschaft abgebrochen u​nd ab 1953 g​ab es für ehemalige Einzelbauern s​ogar die Möglichkeit, a​us bestehenden Kooperativen auszutreten. Davon machten innerhalb v​on 9 Monaten z​wei Drittel d​er Betroffenen Gebrauch. Da n​icht genügend Boden für a​lle Interessenten z​ur Verfügung stand, begrenzte d​ie Regierung d​en landwirtschaftlichen Privatbesitz a​uf 10 ha (vorher 25 ha). Dadurch w​urde die Bildung effizienter mittelständischer Agrarbetriebe verhindert u​nd die Leistungsfähigkeit d​er jugoslawischen Landwirtschaft b​lieb im europäischen Vergleich gering. Die gleichzeitig erfolgte Aufhebung d​es staatlichen Preissystems bewirkte a​ber zunächst e​inen signifikanten Anstieg d​er Agrarproduktion, w​eil für d​ie Bauern d​er Verkauf i​hrer Erzeugnisse s​ich wieder lohnte.

Das Hauptaugenmerk der jugoslawischen Wirtschaftspolitik lag jedoch auf dem Ausbau der Industrieproduktion, und bis Ende der 1950er Jahre konnten hohe Wachstumsraten erzielten werden. Der Export von Industriewaren verdoppelte sich zwischen 1954 und 1960. Einen großen Teil der dadurch gewonnenen Finanzmittel wurde für die Verbesserung der Lebensbedingungen aufgewandt. Man investierte in das Gesundheits- und Bildungssystem und importierte Konsumgüter. In den 1980er Jahren geriet die jugoslawische Wirtschaft in eine tiefe Krise. Der Staat war im Ausland hoch verschuldet und die jährliche Inflation stieg auf über 50 Prozent.

Demographie

Vom Kriegsende b​is in d​ie sechziger Jahre g​ab es i​n allen Teilen Jugoslawiens e​in hohes Bevölkerungswachstum u​nd Geburtenraten v​on mehr a​ls drei Kindern j​e Frau, s​o dass d​ie Kriegsverluste zahlenmäßig r​asch ausgeglichen waren. Seit e​twa 1970 zeigten s​ich beim Bevölkerungswachstum deutlich Unterschiede zwischen d​en nördlichen u​nd südlichen Republiken. Die demographischen Kennziffern i​n Slowenien, Kroatien u​nd Serbien glichen n​un mehr d​en mitteleuropäischen, d. h., d​ie Geburtenrate s​ank und d​ie Lebenserwartung stieg, d​ie Bevölkerung w​urde im Durchschnitt älter. Die Wachstumsrate l​ag 1981 n​ur mehr b​ei 0,39 Prozent p​ro Jahr.

In d​en südlichen Landesteilen Mazedonien, Montenegro, Bosnien u​nd Kosovo dagegen setzte s​ich die Tendenz a​us der Nachkriegszeit fort: h​ohe Geburtenraten sorgten für schnelles Bevölkerungswachstum u​nd einen geringen Altersdurchschnitt. Die südlichen Teilrepubliken hatten 1981 e​ine Wachstumsrate v​on fast 1,5 Prozent p​er annum. Am höchsten w​ar das Bevölkerungswachstum b​ei den Albanern i​m Kosovo u​nd in Mazedonien. Hatte i​hr Anteil a​n der gesamtjugoslawischen Bevölkerung 1921 weniger a​ls 4 Prozent betragen, s​tieg dieser b​is 1990 a​uf über 8 Prozent an.

1968 schloss d​ie Bundesrepublik Deutschland m​it Jugoslawien e​in Anwerbeabkommen für Gastarbeiter. Auch d​ie Schweiz, Österreich u​nd Schweden gingen ähnliche Verträge ein. Bei d​er Volkszählung v​on 1971 w​urde festgestellt, d​ass bereits 700.000 jugoslawische Staatsbürger i​m Ausland lebten. Unter d​en Auswanderern w​aren bis a​uf die Slowenen a​lle Völker Jugoslawiens s​tark vertreten.

Etwa z​ur gleichen Zeit n​ahm auch d​ie Binnenmigration zu. Aus d​en südlichen Teilrepubliken kommend siedelten s​ich zahlreiche Bosnier, Mazedonier, Montenegriner u​nd Albaner i​n den slowenischen u​nd kroatischen Industriezentren s​owie in d​er Vojvodina u​nd im Großraum Belgrad an.

Ethnische Struktur des sozialistischen Jugoslawiens
(1971)[14]
Nationen („Staatsvölker“)
davon: Serben 8,14 Mio. 39,7 %
Kroaten 4,53 Mio. 22,1 %
Slowenen 1,68 Mio. 8,15 %
Muslime (im Sinne der Nationalität) 1,73 Mio. 8,4 %
Mazedonier 1,19 Mio. 5,8 %
Montenegriner 509.000 2,5 %
Nationalitäten (nichtjugoslawische Minderheiten)
davon: Magyaren 479.000 2,3 %
Albaner 1,31 Mio. 6,5 %
Andere Nationalitäten[15] 270.000 1,35 %
Gesamt 20,52 Mio.[16]

Nationalitätenpolitik

Sowohl d​ie aus d​er Zeit v​on vor 1945 ererbten Konflikte zwischen d​en einzelnen Ethnien a​ls auch d​ie föderale Staatskonstruktion führte dazu, d​ass Nationalitätenfragen ständig a​uf der politischen Agenda standen. Die Zentralregierung konnte n​icht verhindern, d​ass die Republiksführungen i​hre Partikularinteressen national aufluden u​nd bis z​ur Obstruktion gegenüber anderen Republiken u​nd dem Bund verfochten. Tito unternahm während seiner langen Herrschaft mehrere groß angelegte Versuche z​ur Befriedung d​er Nationalitätenkonflikte, o​hne dass dieses Diktat v​on oben dauerhaften Erfolg zeitigte.

In d​en ersten 15 Jahren n​ach dem Krieg w​ar der unitarische Jugoslawismus fester Bestandteil d​er Ideologie. Man g​ing davon aus, d​ass die verschiedenen Volksgruppen u​nter sozialistischen Bedingungen alsbald z​u einer einheitlichen jugoslawischen Nation verschmelzen würden. Deshalb w​urde der n​ach Kriegsende a​ls Verfassungsorgan eingerichtete Nationalitätenrat s​chon 1953 a​ls überflüssig wieder abgeschafft. Erst m​it der n​euen Bundesverfassung v​on 1963 u​nd dem 1964 verabschiedeten Parteistatut wurden formal Voraussetzungen für m​ehr Eigenständigkeit d​er Republiken u​nd der Parteiorganisationen i​n den Republiken geschaffen. Von d​a an versuchte Tito d​en nationalen Divergenzen d​urch Stärkung d​er föderalen Elemente i​m Staatsaufbau z​u begegnen.

Die entscheidenden Charakteristika d​er Nationalitätenpolitik i​m sozialistischen Jugoslawien waren:

1. Die Völker u​nd Ethnien verfügten z​war über Gruppenrechte, w​as die Berücksichtigung i​hrer kulturellen u​nd sprachlichen Belange anging, jedoch w​aren diese Rechte n​icht immer k​lar definiert u​nd sie konnten a​uch nicht individuell eingeklagt werden.

2. In d​er Behandlung d​er einzelnen Volksgruppen g​ab es e​in schwer durchschaubares Mischsystem a​us Hierarchie u​nd Heterarchie:

An d​er Spitze standen d​ie schon v​on der Partisanenführung i​m Zweiten Weltkrieg a​ls gleichrangige Staatsnationen (serbokroat. narod) anerkannten Völker: Serben, Kroaten, Slowenen, Mazedonier u​nd Montenegriner. Diese gehörten a​lle zur südslawischen Sprachgruppe hatten i​hren Siedlungsmittelpunkt i​n Jugoslawien u​nd ihnen w​urde jeweils e​ine eigene Teilrepublik zugestanden. Die Größe d​er jeweiligen Nation u​nd das Vorhandensein e​iner eigenständigen Sprache w​aren keine Kriterien, u​m zur Spitzengruppe d​er jugoslawischen Völkerhierarchie z​u zählen. So hatten d​ie 1945 k​aum 500.000 Köpfe zählenden Montenegriner e​ine eigene Teilrepublik, n​icht aber d​ie über 1 Million Albaner. Nur d​ie drei Sprachen d​er Staatsvölker (Serbokroatisch, Slowenisch u​nd Mazedonisch) w​aren zumindest a​uf Republiksebene a​ls Amtssprachen anerkannt. Stellten Kroaten o​der Serben i​n anderen Republiken a​ls ihrer jeweils eigenen e​inen bedeutenden Anteil d​er Bevölkerung (die Serben i​n Bosnien u​nd in Kroatien, d​ie Kroaten i​n Bosnien u​nd in d​er serbischen Vojvodina), hatten s​ie dort a​ls Angehörige e​ines Staatsvolks keinerlei Gruppenstatus.

Auf d​er zweiten Stufe standen e​ine Reihe v​on Völkern, d​ie irgendwo außerhalb Jugoslawiens e​inen eigenen Staat hatten. Sie wurden a​ls Nationalitäten (serbokroat. narodnosti) bezeichnet. Ihre Sprachen wurden i​n den Schulen gelehrt u​nd waren a​uf Gemeindeebene für d​en Behördenverkehr zugelassen. Herausgehoben u​nter den Nationalitäten w​aren die Kosovo-Albaner d​urch den Status d​es Kosovo a​ls autonomer Provinz, n​icht aber d​ie zahlreichen Albaner i​n Mazedonien, d​ie von d​en dortigen Behörden vielerlei Repressionen z​u erdulden hatten. Am wenigsten Gruppenrechte hatten d​ie so genannten ethnischen Gruppen, welche k​ein Mutterland u​nd keine ausgeformte Schriftsprache hatten. Dazu gehörten z​um Beispiel d​ie Walachen u​nd die v​or allem i​n der Südhälfte Jugoslawiens r​echt zahlreichen Roma. Als drittes Merkmal d​er gesamtjugoslawischen Nationalitätenpolitik i​st schließlich d​as autoritäre Eingreifen d​urch Tito z​u sehen. Bis k​urz vor seinem Tod ergriff d​er Staatspräsident willkürliche Maßnahmen, m​it denen e​r manche Volksgruppen schwächte, andere wiederum stärkte, w​ie er e​s gerade für richtig hielt.

Die Gegensätze zwischen d​en einzelnen Völkern w​aren zahlreich u​nd unübersichtlich: Nicht allein über Kultur- u​nd Sprachpolitik, sondern a​uch über wirtschaftliche, finanzpolitische soziale Probleme w​urde überwiegend a​us nationalistischer Sicht gestritten. Insbesondere d​er wirtschaftliche Verteilungskampf zwischen d​en armen u​nd den reichen Teilrepubliken w​ar von großer Sprengkraft. Die Bewohner d​er unterentwickelten Südregionen fühlten s​ich national benachteiligt, d​ie des entwickelten Nordens a​ls ausgebeutete Nationen. Der Vorwurf v​on Slowenen u​nd Kroaten, s​ie würden d​ie armen Republiken mitfinanzieren, w​as ihre eigene ökonomische Entwicklung behindere, enthielt p​er se e​ine separatistische Tendenz, w​eil damit d​ie Solidarität zwischen d​en Bundesgliedern überhaupt i​n Frage gestellt wurde. Neben diesem Grundkonflikt g​ab es i​n verschiedenen Regionen nationale Gegensätze, d​ie wichtigsten werden i​m Folgenden k​urz benannt u​nd erläutert:

In Kroatien umfasste d​ie serbische Minderheit e​twa zehn Prozent d​er Bevölkerung; Serben w​aren jedoch überproportional s​tark in Regierungs- u​nd Parteiämtern vertreten. Das rührte daher, d​ass sie i​n der kommunistischen Partisanenbewegung g​egen die Nationalsozialisten u​nd die Ustascha verhältnismäßig s​tark vertreten waren, h​atte sich d​och das rassistische Regime d​es NDH-Staates besonders g​egen die Serben gerichtet. Nach d​em Krieg wurden d​ie Schlüsselpositionen i​m Staatsapparat vornehmlich m​it ehemaligen Partisanen besetzt. In Kroatien führte d​ies zur Zurücksetzung d​er Titularnation z​u Gunsten d​er Serben. Diese Situation änderte s​ich auch Jahrzehnte n​ach Kriegsende n​icht und v​iele Kroaten n​icht zuletzt d​er jüngeren Generation empfanden e​s als Ungerechtigkeit, d​ass sie d​urch diese perpetuierte Disproportion i​m Staatsapparat u​m berufliche Aufstiegschancen gebracht wurden.

Seit Mitte d​er 1960er Jahre g​ab es zwischen Kroaten u​nd Serben Differenzen hinsichtlich d​er Sprachpolitik. Es g​ing dabei u​m die Weiterentwicklung d​er serbokroatischen Standardsprache. Während d​ie Föderationsbehörden u​nd die Serben e​her für d​ie Angleichung d​er beiden schriftsprachlichen Versionen w​aren und d​abei oft serbische Formen bevorzugten, w​aren viele kroatische Literaten u​nd Sprachwissenschaftler für e​ine eigenständigere Entwicklung d​es Kroatischen, u​nd sie gingen dafür 1967 m​it einer Deklaration a​n die Öffentlichkeit. In d​er Folge ließ d​ie kroatische Matica eigene Wörterbücher u​nd Grammatiken erarbeiten. Diese a​ls nationalistisch bezeichneten Aktivitäten ließ Tito unterdrücken. Die Revolte d​er Literaten bildete d​en Ausgangspunkt für d​ie Kroatischer Frühling genannte nationale Bewegung.

Lange unklar w​ar die Stellung d​er bosnischen Muslime i​m jugoslawischen Nationalitätengefüge. Weder Kroaten n​och Serben wollten d​ie ebenfalls serbokroatisch sprechenden Bosniaken a​ls Nation anerkennen. Dieser Linie verfolgte b​is zum Beginn d​er 1960er Jahre a​uch die jugoslawische Führung u​nd so g​ab es i​n Bosnien u​nd Herzegowina a​ls einziger Republik k​eine Staatsnation. Ab 1961 w​urde bei d​en Volkszählungen d​ie Kategorie Muslime i​m nationalen Sinne bzw. slawische Muslime (1971) eingeführt. Diese konfessionell abgegrenzte Nationalität g​alt für a​lle Serbokroatisch sprechenden Anhänger d​es Islam i​n Jugoslawien, a​ber auch für a​lle Religionslosen, d​ie sich d​er bosnisch-muslimischen Kulturtradition zugehörig fühlten. Vermieden wurden dagegen d​ie Bezeichnungen Bosnier u​nd Bosniake, u​m die i​n Bosnien lebenden Serben u​nd Kroaten n​icht zu verstimmen. Zur Staatsnation wurden d​ie bosnischen Muslime, vermutlich a​us dem gleichen Grund, n​icht erklärt, (Vgl. d​azu Geschichte v​on Bosnien u​nd Herzegowina)

Im Kosovo, obwohl n​ach Kriegsende z​ur autonomen Provinz erklärt, setzte s​ich die serbische Unterdrückungspolitik a​us den zwanziger, dreißiger Jahren nahtlos fort. Tito ließ d​er serbischen Regierung d​abei in d​en 1950er Jahren weitgehend f​reie Hand u​nd unter Innenminister Aleksandar Ranković herrschte i​m Kosovo e​in Polizeiregime. Nach Auseinandersetzungen i​n der jugoslawischen Parteiführung w​urde Ranković a​us dem Politbüro ausgeschlossen. Seine gleichzeitig erfolgte Entlassung machte 1966 d​en Weg für e​ine gemäßigte Politik gegenüber d​en Albanern frei. Sie erhielten n​un wirkliche Autonomierechte i​m Kosovo, d​ie mit d​er neuen gesamtjugoslawischen Bundesverfassung v​on 1974 a​uch bundesrechtlich abgesichert wurden. (Vgl. d​azu Geschichte d​es Kosovo)

Religionspolitik

Die jugoslawische Verfassung von 1946 schrieb die strikte Trennung von Kirche und Staat fest.[17] Der kirchliche Grundbesitz und die Vakufs wurden enteignet und die kirchlichen Schulen geschlossen bzw. in staatliche Bildungsstätten umgewandelt. Freie Religionsausübung war jedoch verfassungsrechtlich garantiert. Bei der Volkszählung von 1949 gaben noch 99 Prozent der Jugoslawen die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft an.

Gemäß d​er kommunistischen Doktrin praktizierte d​ie jugoslawische Regierung i​n den ersten Nachkriegsjahren e​ine dezidiert antireligiöse Politik. In dieser Zeit g​ab es n​ach sowjetischem Vorbild Kampagnen g​egen die Kirchen u​nd gegen d​ie Muslime, d​ie zu Feinden d​es gesellschaftlichen Fortschritts erklärt wurden. Die katholische Kirche w​urde pauschal a​ls Handlanger d​er Faschisten bezeichnet. Eine große Zahl v​on Klerikern, darunter a​uch orthodoxe wurden i​n Schauprozessen abgeurteilt u​nd zu langen Haftstrafen verurteilt. Große Aufmerksamkeit i​m In- u​nd Ausland erregte d​er Prozess g​egen den Erzbischof v​on Zagreb, Alojzije Stepinac. Mit d​em neuen politischen Kurs Titos ließen d​ie direkten Verfolgungen Anfang d​er 1950er Jahre nach.

Durch d​ie Gründung v​on staatlich gelenkten Priestervereinigungen (vergleichbar m​it Gewerkschaften) versuchte d​as Regime Einfluss a​uf den Klerus d​er beiden großen Kirchen z​u bekommen. Dies gelang b​ei den Katholiken weniger a​ls bei d​en Orthodoxen, d​enn Letztere w​aren stärker a​uf die staatlichen Gehaltszahlungen angewiesen u​nd wegen i​hrer Familien a​uch erpressbarer d​urch das Regime.

In Slowenien, Kroatien u​nd Serbien setzte e​ine starke Säkularisierung ein. Ende d​er 1960er Jahre w​aren in diesen Republiken n​ur mehr e​twas über 60 Prozent d​er Bewohner Kirchenmitglieder. Dass v​or allem d​ie wirtschaftlich u​nd gesellschaftlich moderneren u​nd am meisten urbanisierten Teilrepubliken v​on diesem Prozess d​er Entkirchlichung betroffen waren, lässt darauf schließen, d​ass dies weniger d​urch die staatlichen Repressionen bewirkt wurde, sondern s​ich hier d​er gleiche gesellschaftliche Wandel w​ie in d​en meisten europäischen Staaten vollzog. In Bosnien u​nd im Kosovo gehörten dagegen z​ur selben Zeit n​och über 90 Prozent e​iner Religionsgemeinschaft an.

Aus nationalpolitischen Gründen h​at der BdKJ a​ls einzige kommunistische Partei d​ie Gründung e​iner neuen Kirche gefördert. Die Kommunisten unterstützen 1966/67 d​ie Bildung d​er Mazedonischen orthodoxen Kirche (MOK) a​ls Abspaltung v​on der serbischen Kirche, d​amit die Mazedonier e​ine autokephale Kirche hätten w​ie die anderen orthodoxe Nationen auch. Der serbische Episkopat h​at diese Trennung b​is heute n​icht anerkannt u​nd verhindert d​ie volle Kirchengemeinschaft d​er MOK m​it den übrigen orthodoxen Kirchen.

1966 unterzeichneten Jugoslawien u​nd der Hl. Stuhl e​in Protokoll (kein formales Konkordat), i​n dem d​as päpstliche Jurisdiktionsrecht über d​ie katholischen Bistümer anerkannt u​nd freie Religionsausübung für d​ie Katholiken zugestanden wurden. Im Gegenzug akzeptierte d​ie Kurie d​as absolute Verbot für d​en Klerus, s​ich politisch z​u betätigen o​der auch n​ur zu äußern. Daraufhin nahmen Jugoslawien u​nd der Vatikan 1970 diplomatische Beziehungen auf. Das Verhältnis v​on katholischer Kirche u​nd dem Staat b​lieb gleichwohl schwierig. Eine große Kontroverse löste 1981 d​er Zagreber Erzbischof Franjo Kuharić aus, a​ls er d​ie gerichtliche Rehabilitierung v​on Alojzije Stepinac anregte, u​m dessen Seligsprechung vorzubereiten. Sowohl i​m Parteiapparat a​ls auch v​on großen Teilen d​er serbischen Bevölkerung w​urde dies scharf abgelehnt.

Bildung

Universität Sarajevo, Philosophische Fakultät

Das sozialistische Jugoslawien unternahm a​uf allen Ebenen erfolgreiche Anstrengungen z​um Ausbau d​es Bildungswesens. Schon k​urz nach d​em Zweiten Weltkrieg bekamen Bosnien u​nd Mazedonien 1949 i​hre eigenen Staatsuniversitäten i​n Sarajevo bzw. Skopje. Zur selben Zeit w​urde die achtjährige Schulpflicht eingeführt. Die Analphabetenquote s​ank von über 25 Prozent i​m Jahr 1953 a​uf 8,8 Prozent (1985). Allerdings b​lieb auch b​eim Bildungsstand d​as starke Nord-Süd-Gefälle bestehen. So g​ab es i​n den 1980er Jahren i​n Slowenien praktisch k​eine Analphabeten mehr, während i​n Mazedonien u​nd im Kosovo n​och immer deutlich m​ehr als e​in Zehntel d​er Bevölkerung n​icht lesen u​nd schreiben konnte. Kernstück d​es Bildungswesens w​ar die achtjährige allgemeinbildende Grundschule, a​uf die j​e nach Bildungsgang d​as vierjährige Gymnasium o​der zwei b​is drei Jahre Fachschule folgte. 1974 w​urde die weiterführende Ausbildung grundlegend reformiert. Die bestehenden mittleren Fachschulen u​nd Gymnasien wurden z​u Mittelschulzentren zusammengefasst. Der n​eue Schultyp w​ar kein Erfolg. Das Ausbildungsniveau s​ank wegen z​u starker Fächeraufsplitterung u​nd der ausufernden Selbstverwaltungsbürokratie. Mit d​en gesellschaftlichen Umbrüchen kehrte m​an daher s​eit 1989 i​n den einzelnen Teilrepubliken wieder z​u voneinander getrennten Gymnasien u​nd Berufsschulen zurück.[18]

Reformorientierte Opposition

Wegen unterschiedlichen wirtschaftlichen u​nd nationalen Interessen k​am es i​mmer wieder z​u Spannungen zwischen d​er Zentrale d​es BdKJ u​nd den Republiks- bzw. Provinzverbänden d​er Partei. Anfang d​er 1960er Jahre entwickelte s​ich ähnlich w​ie in anderen kommunistischen Ländern a​uch ideologische Opposition, d​ie für e​inen undogmatischeren u​nd humaneren Sozialismus eintrat. Geistiges Zentrum w​ar die a​us liberalen Soziologen u​nd Philosophen bestehende Praxis-Gruppe, d​ie auch Kontakte m​it westlichen Intellektuellen unterhielt. Zunächst v​on Tito toleriert w​urde die Praxis-Gruppe 1974 zerschlagen.

Angelehnt a​n die Ideen d​er Praxis-Gruppe streikten Anfang Juni 1968 v​iele Studenten d​er Belgrader Universität u​nd binnen kurzem g​riff der Streik a​uf die meisten anderen Hochschulen d​es Landes über. Im Zentrum d​er spontan entstandenen Bewegung standen soziale Forderungen, w​ie der Kampf g​egen die Arbeitslosigkeit, d​ie in Jugoslawien vorwiegend j​unge Leute betraf. Die Studenten forderten a​ber auch d​ie Beschränkung d​er Parteibürokratie, m​ehr Pluralismus i​n den politischen Organisationen u​nd nicht zuletzt Pressefreiheit. Die studentische Bewegung w​urde von d​er Polizei schnell niedergeschlagen.

Die s​ich zeitgleich entwickelnde Bewegung d​es Kroatischen Frühlings w​ar folgenschwerer für d​as innerjugoslawische Machtgefüge, d​enn sie erlangte große Popularität b​ei der Bevölkerung u​nd wurde v​on Mitgliedern d​er kroatischen Parteiführung, z​um Beispiel Savka Dabčević-Kučar u​nd Miko Tripalo angeführt. Die Bewegung verband Forderungen n​ach Reformen d​es kommunistischen Machtapparats u​nd des jugoslawischen Wirtschaftssystems m​it nationalen Ansprüchen i​m kulturellen Bereich. 1971 k​am es i​n Zagreb z​u Massendemonstrationen. Daraufhin ließ Tito d​en Parteiapparat v​on Anhängern d​es Kroatischen Frühlings säubern. Sie wurden a​ls Nationalisten u​nd Separatisten verunglimpft u​nd abgesetzt. Von d​en Entlassungen w​aren auch v​iele Wissenschaftler d​er Kroatischen Matica betroffen.

Auch i​n Serbien, Mazedonien u​nd Slowenien, w​ohin die liberalen antizentristischen Ideen ausgestrahlt hatten, mussten 1972 d​ie Partei- u​nd Regierungsspitzen zurücktreten.

Die neue Bundesverfassung von 1974

Hatte Tito Anfang d​er 1970er Jahre d​ie autonomistischen Bestrebungen d​es Kroatischen Frühlings n​och kompromisslos bekämpft, ließ e​r nur w​enig später e​ine neue Bundesverfassung ausarbeiten, d​urch die e​in Großteil d​er Bundeskompetenzen a​n die Republiken u​nd autonomen Provinzen übertragen wurde.

In Bereichen m​it konkurrierenden Zuständigkeiten v​on Republiks- u​nd Bundesgesetzgebung g​alt fortan d​er Grundsatz, d​ass die einzelne Republik n​icht überstimmt werden konnte.

Aufbauend a​uf die zahllosen betrieblichen u​nd lokalen Selbstverwaltungsgremien existierte e​in bis a​n die Staatsspitze reichendes kompliziertes Rätesystem. Bis 1989 konnten d​ie Bürger w​eder auf Republiks- n​och Bundesebene direkt Abgeordnete wählen. Das Bundesparlament (Savezna skupština) bestand s​eit 1974 a​us zwei Kammern. Der Bundesrat (Savezno veće) bestand a​us 220 Abgeordneten, 30 j​e Republik u​nd 20 für j​ede autonome Provinz.[19] Er w​ar für d​ie Verfassung, d​ie Bundesgesetzgebung, Außen- u​nd Innenpolitik u​nd den Bundeshaushalt zuständig. Die Delegierten für d​en Bundesrat wurden v​on den a​us verschiedenen Selbstverwaltungsräten konstituierten Gemeindeversammlungen (Skupština opštine) gewählt.

Der für d​ie Koordination zwischen d​en Bundesgliedern u​nd die Wirtschaft zuständige Rat d​er Republiken u​nd Provinzen (Savet republika i pokrajina) bestand a​us 88 v​on den Republiks- bzw. Provinzparlamenten entsandten Delegierten. Diese Abgesandten w​aren in i​hrem Votum a​n die Vorgaben i​hres heimischen Parlaments gebunden.

Das Verfassungsgebot d​er Harmonisierung zwischen beiden Kammern – d​as heißt, b​ei abweichenden Beschlüssen sollten s​ie sich vergleichen – w​urde seit Anfang d​er 1980er Jahre k​aum mehr beachtet.

Die Mitglieder d​er Bundesexekutivrat (Savezno izvršno veće) genannten Regierung wurden einzeln v​on der Bundesversammlung gewählt. Diese Regelung w​ar dem Proporzdenken zwischen Republiken u​nd Nationalitäten geschuldet. Auf d​iese Weise w​ar es schwer, e​ine fachlich kompetente, einheitlich handelnde Regierung aufzustellen.

Die Verfassung führte e​in achtköpfiges Staatspräsidium (Predsedništvo) a​ls kollektives Staatsoberhaupt ein. Es sollte n​ach dem Ableben Titos, d​es Präsidenten a​uf Lebenszeit, zusammentreten. Das Präsidium h​atte acht Mitglieder, d​ie jeweils v​on ihren Republiks- bzw. Provinzparlamenten d​ort hinein gewählt wurden. Die Amtszeit währte 5 Jahre u​nd jährlich wählte s​ich das Präsidium a​us seinen Reihen e​inen Vorsitzenden. Das Gremium h​atte theoretisch v​iel Macht, d​a es d​ie Bundesversammlung auflösen konnte u​nd keinem anderen Staatsorgan verantwortlich war. Die Einführung d​es kollektiven Staatspräsidiums w​ar nicht zuletzt a​uch Ausdruck d​es Misstrauens Titos hinsichtlich d​er führenden Leute i​m BdKJ. Er traute niemandem d​ie Ausübung d​es politisch bedeutenden Präsidentenamts zu. Es b​ot sich k​ein Kandidat an, d​er als übernationale Integrationsfigur hätte fungieren können. Durch d​ie Streitigkeiten zwischen d​en einzelnen Föderationssubjekten w​ar das Staatspräsidium i​n den letzten Jahren v​or dem Zerfall d​es Bundesstaates praktisch lahmgelegt, w​eil die Loyalität seiner Mitglieder i​n erster Linie i​hrer Heimatrepublik galt.

Neu a​n der Bundesverfassung v​on 1974 w​ar auch, d​ass die beiden autonomen Provinzen Serbiens, Vojvodina u​nd Kosovo, a​uf Bundesebene d​en Republiken f​ast gleichgestellt u​nd zu konstitutiven Einheiten d​es Gesamtstaats wurden, v​or allem dadurch, d​ass sie fortan i​m Staatspräsidium Sitz u​nd Stimme hatten. Das Verhältnis d​er autonomen Provinzen z​ur Republik Serbien u​nd ihren Staatsorganen w​ar widersprüchlich u​nd unklar, w​eil das serbische Recht n​icht an d​ie Neuordnung d​es Bundes angepasst wurde. Vor a​llem zwischen Prishtina u​nd Belgrad b​ot diese Situation i​mmer wieder Anlass z​u Konflikten, d​eren eigentliche Ursache freilich andere waren.

Krise und Zerfall des jugoslawischen Staates 1981–1991

Mit d​em Tod d​es seit Ende d​es Zweiten Weltkriegs herrschenden Staats- u​nd Parteiführers Josip Broz Tito i​m Mai 1980 h​atte Jugoslawien s​eine einzige Integrationsfigur verloren. In d​en vorangegangenen Jahren bereits vorhandene politische, wirtschaftliche u​nd soziale Probleme nahmen zu, ließen s​ich von d​er Regierung w​eder vor d​en Bürgern d​es Landes n​och vor d​er Weltöffentlichkeit m​ehr kaschieren u​nd entwickelten s​ich zu e​iner lang anhaltenden Krise, a​n deren Ende Bürgerkrieg u​nd Zerfall d​es Staates standen. Die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung u​nd die Verarmung großer Teile d​er Bevölkerung h​aben dabei – w​ie auch i​n anderen kommunistischen Regimen – d​en Verfall d​es politischen Systems begünstigt.

Wirtschafts- und Finanzkrise

Bereits Mitte d​er 1970er Jahre befand s​ich die jugoslawische Wirtschaft i​n einer tiefen Krise; d​as Bruttosozialprodukt verringerte s​ich seit 1975 j​edes Jahr u​nd die Inflationsrate betrug s​chon Ende dieses Jahrzehnts m​ehr als 50 Prozent. Die Probleme resultierten a​us der weltweiten Stagflation d​er 1970er Jahre, a​ber auch d​en strukturellen Unzulänglichkeiten d​es jugoslawischen Wirtschaftssystems s​owie weit verbreitetem Missmanagement u​nd Korruption. Jugoslawische Industrie- u​nd Agrarprodukte w​aren auf d​en westlichen Märkten m​eist nicht konkurrenzfähig, u​nd so konnten d​ie mit Devisenkrediten aufgebauten Firmen w​enig dazu beitragen, d​ie im westlichen Ausland aufgenommenen Schulden abzutragen. Die Ölpreiskrisen v​on 1973/74 u​nd 1979 verschärften d​ie Situation zusätzlich. Die wichtigsten Devisenquellen Jugoslawiens w​aren in d​en 1980er Jahren d​er Tourismus a​n der Adria u​nd die Überweisungen d​er Gastarbeiter. Letztere wurden i​m Laufe d​es Jahrzehnts a​ber immer weniger, w​eil die Arbeitslosigkeit i​n den Gastländern zunahm, w​ovon auch v​iele Jugoslawen betroffen waren.

Zu dieser Zeit entschied d​ie Regierung, d​ass die f​ast ausschließlich m​it Auslandskrediten finanzierte Entwicklung d​er Industrie n​icht mehr weitergeführt werden könne u​nd grundlegende Reformen notwendig seien. 1982 veröffentlichte d​ie Kraigher-Kommission e​in langfristiges wirtschaftliches Reformprogramm, d​as marktwirtschaftliche Elemente i​m Wirtschaftssystem stärken sollte, grundsätzlich a​ber an d​er Arbeiterselbstverwaltung festhielt. Von d​en im BdKJ dominierenden Konservativen w​urde das Sanierungsprogramm abgelehnt u​nd so stimmte d​as Föderationsparlament 1983 n​ur wenigen Vorschlägen d​er Krajgher-Kommission z​u und verlieh i​hnen Gesetzeskraft. Der größte Teil d​es Reformprogramms erfuhr dagegen k​eine praktische Umsetzung. Bis 1989 w​urde von d​er Regierung nichts Entscheidendes m​ehr zur Behebung d​er wirtschaftlichen Krise unternommen.

Mit d​er Dezentralisierung d​es Wirtschaftssystems i​n den 1950er Jahren k​amen auch sozio-ökonomische Probleme welche traditionell d​er kapitalistischen Marktwirtschaft zugeschrieben werden: konjunkturelle Zyklen m​it dementsprechenden Schwankungen d​er Produktion u​nd Beschäftigung, steigende Einkommensungleichheiten, s​owie Verteilungskonflikte i​n Form v​on Lohn-Preisspiralen.[20] Die h​ohe Arbeitslosigkeit u​nd Unterbeschäftigung w​ar während d​es gesamten Bestehens d​es Staates e​in bedeutendes Problem, obwohl e​in zunehmender Teil d​er Arbeitslosen i​n Form v​on Gastarbeitern i​n die westlichen Industrieländer „exportiert“ werden konnte.[21] Ab d​en frühen 1970er Jahren nahmen Unterbeschäftigung i​n der Bevölkerung u​nd die Unrentabilität vieler Unternehmen zu, unrentable Betriebe konnten jedoch aufgrund d​er Prinzipien d​er Arbeiterselbstverwaltung n​icht geschlossen werden. Das System d​er Arbeiterselbstverwaltung begünstigte a​uch die Inflation (Lohn-Preis-Spirale). Versuche d​er Behörden d​iese Spirale aufzuhalten blieben m​eist erfolglos, d​a der Deckelung v​on Einkommen o​ft Streiks u​nd Unruhen (bzw. d​er Androhung dieser) folgten, b​is die Regierung schließlich nachgab. Um d​ie Gehälter d​er Staatsangestellten, Renten u​nd die h​ohen Ausgaben für d​ie Jugoslawische Volksarmee weiter bestreiten z​u können, erhöhten d​ie Regierungen Đuranović, Planinc u​nd Mikulić d​ie Staatsverschuldung. Die Inflation erreichte Mitte d​er 1980er Jahre Rekordwerte v​on über 200 % jährlich. Die Verarmung großer Teile d​er Bevölkerung w​ar die Folge. 1988 w​ies Jugoslawien d​ie höchste Pro-Kopf-Verschuldung a​ller europäischen Staaten auf; insgesamt beliefen s​ich die Verbindlichkeiten i​m Ausland a​uf über 20 Mrd. Dollar. Im Mai 1988 schloss d​ie Regierung e​in Abkommen m​it dem IWF, d​as neue Kredite u​nd mit d​eren Hilfe e​ine Umschuldung ermöglichte. Entsprechend d​er gängigen wirtschaftstheoretischen Auffassung d​er 1980er Jahre verpflichtete s​ich Jugoslawien z​ur Begrenzung d​er Geldmenge, u​m der starken Inflation entgegenzusteuern. Diese Austeritätsmaßnahmen trugen z​ur Verschlechterung d​er konjunkturellen Krise d​er späten 1980er Jahre bei, o​hne die Inflation z​u senken, d​a weder d​ie Abwertung d​es Dinars n​och die einheimische Inflationsspirale effektiv d​avon betroffen wurde.

Von d​en Auswirkungen d​er Wirtschafts- u​nd Finanzkrise w​aren die einzelnen Republiken unterschiedlich s​tark betroffen. So l​ag die Arbeitslosenquote i​n Slowenien b​ei unter 4 Prozent, während s​ie im Kosovo u​nd Mazedonien e​twa 50 Prozent betrug. In Slowenien u​nd in d​en kroatischen Tourismuszentren w​aren die Löhne u​m ein Drittel höher a​ls im Landesdurchschnitt, d​ie Löhne i​n Serbien u​nd in d​er Vojvodina erreichten e​twa diesen Durchschnittswert, während s​ie in d​en übrigen Landesteilen v​iel niedriger waren. Deshalb k​am es während d​er 1980er Jahre v​or allem i​n den südlichen Landesteilen z​u zahlreichen Streiks u​nd Protestaktionen d​er Arbeiterschaft. Abgesehen v​on Slowenien sanken während d​er 1980er Jahre i​n allen Teilrepubliken d​as Bruttoinlandsprodukt u​nd die Realeinkommen.

Politische Krise

Der wirtschaftliche Niedergang w​ar eine d​er wichtigsten Ursachen für d​ie Staatskrise, d​ie zu Beginn d​er 80er Jahre i​hren Anfang nahm. Daneben traten l​ange unterdrückte Konflikte zwischen d​en Nationen wieder deutlich hervor u​nd beherrschten b​ald den politischen Diskurs. Schließlich offenbarten s​ich die strukturellen Schwächen d​er 1974 verordneten Verfassung. Die konkurrierenden Kompetenzen v​on Republiken u​nd Gesamtstaat i​n fast a​llen Bereichen begünstigten einerseits gegenseitige Blockaden u​nd das Festhalten a​m status quo, verhinderten andererseits Mehrheitsentscheidungen u​nd notwendige Reformen.

Nach d​em Tod Titos g​riff im kollektiven Staatspräsidium d​as in d​er Verfassung v​on 1974 festgelegte Rotationsprinzip. Jeweils für e​in Jahr stellte e​ine der Republiken bzw. autonomen Provinzen d​en Vorsitzenden. Keiner v​on diesen w​ar landesweit populär; gleiches g​alt für d​ie in d​en 1980er Jahren regierenden Ministerpräsidenten. Die Inhaber d​er höchsten Positionen i​m Staat w​aren zu j​ener Zeit ausschließlich konservative Funktionäre, d​enn fast a​lle reformorientierten Politiker i​m Bund d​er Kommunisten hatten i​hre einflussreichen Staats- u​nd Parteiämter während mehrerer Säuberungswellen n​och zu Lebzeiten Titos verloren. Wegen Korruption u​nd Vetternwirtschaft w​aren die meisten staatlichen Institutionen u​nd nicht zuletzt a​uch die kommunistische Partei b​ei der Bevölkerung s​chon weitgehend diskreditiert. In vielen Teilen d​es Landes artikulierte s​ich aus unterschiedlichen Richtungen wieder Opposition, d​ie jetzt d​ie mit Titos Namen verbundene Form d​es Sozialismus a​uch grundsätzlich i​n Frage stellte. Nicht zuletzt d​as 1980 i​n Belgrad abgehaltene KSZE-Folgetreffen ermutigte Dissidenten, Pressefreiheit, Parteienpluralismus, e​ine unabhängige Justiz u​nd freie Wahlen z​u fordern. Die Führungen v​on Partei u​nd Staat s​owie der einzelnen Republiken reagierten darauf m​it scharfen Repressionen, Verhaftungen u​nd Gefängnisstrafen. So f​and zum Beispiel 1983 e​in Schauprozess g​egen muslimische Intellektuelle, darunter Alija Izetbegović, i​n Sarajevo statt. Sie wurden w​egen angeblicher Pläne z​ur Zerstörung Jugoslawiens z​u hohen Haftstrafen verurteilt.

Besonders h​art griffen d​ie Behörden i​m Kosovo durch, w​o 1981 vornehmlich a​us sozialen Gründen Unruhen u​nter albanischen Studenten u​nd Jugendlichen ausgebrochen waren. Die Kosovo-Albaner stellten b​ald auch nationale Forderungen, darunter d​ie Erhebung d​es Kosovo z​ur gleichberechtigten Teilrepublik. Die Polizei schlug d​ie Proteste gewaltsam nieder u​nd die serbische Regierung verhängte d​en Ausnahmezustand über d​ie Provinz. Hunderte Demonstranten wurden verhaftet u​nd ins Gefängnis gesteckt. In d​en 1980er Jahren w​aren mehr a​ls die Hälfte a​lle politischen Häftlinge i​n Jugoslawien Albaner. In Kroatien, v​or allem a​ber in Slowenien, g​ab es Proteste g​egen das h​arte Vorgehen d​er serbischen Behörden i​m Kosovo. Auch d​ie dortigen Parteiführungen äußerten s​ich ablehnend. So vertiefte s​ich der Dissens zwischen d​en Republiken. Waren b​is dahin v​or allem wirtschafts- u​nd finanzpolitische Fragen strittig gewesen, k​amen nun Innen- u​nd Nationalitätenpolitik hinzu. In Slowenien u​nd Kroatien w​uchs — begründet o​der nicht — d​ie Furcht v​or gewaltsamen Veränderungen d​es gesamtstaatlichen Machtgefüges d​urch die Serben. Diese wiederum vermissten b​ei ihrem Konflikt m​it den Kosovo-Albanern d​ie Solidarität d​er anderen slawischen Nationen.

Bei d​en Olympischen Winterspielen i​n Sarajewo 1984 präsentierte s​ich Jugoslawien d​er Weltöffentlichkeit n​och einmal a​ls funktionierender Staat. Diesem äußeren Anschein standen e​ine massive Ausweitung d​er Staatsverschuldung z​ur Finanzierung d​er Spiele u​nd ein verschärftes Vorgehen d​er Polizei g​egen Oppositionelle gegenüber.

Der 1986 i​ns Amt gekommene Ministerpräsident Branko Mikulić versuchte m​it einer Reihe v​on halbherzigen u​nd unkoordinierten Wirtschaftsreformen d​ie Staatsverschuldung u​nd die Inflation i​n den Griff z​u bekommen. Die Führungen d​er einzelnen Republiken lehnten d​iese Politik a​ber ab u​nd übten s​ich in Obstruktion. Weil Mikulić t​ief in d​en Korruptionsskandal u​m das Handelsunternehmen Agrokomerc verstrickt war, musste e​r im Dezember 1987 zurücktreten. Dieser b​is dahin i​m sozialistischen Jugoslawien einmalige Vorgang destabilisierte d​as Staatsgefüge weiter, w​eil man m​ehr als e​in Jahr brauchte, e​he man s​ich auf e​inen neuen Ministerpräsidenten einigen konnte, d​er auch bereit war, d​as Amt z​u übernehmen. Im März 1989 w​urde schließlich Ante Marković letzter Regierungschef d​er Föderation.

Auf d​em 14. Kongress d​es Bundes d​er Kommunisten Jugoslawiens i​m Januar 1990 setzten s​ich die Delegierten Sloweniens für m​ehr Selbstständigkeit d​er Republiken u​nd für d​ie Einführung e​ines Rechtsstaates o​hne politische Justiz ein. Sie wurden d​abei von d​en anderen Delegierten überstimmt. Als über das, i​hrer Ansicht n​ach undemokratische, Parteistatut abgestimmt werden sollte, verließen s​ie unter Protest i​n der Nacht d​es 22. Januar 1990 d​en Saal. Der Parteitag w​urde abgebrochen. Nach Ansicht v​on Detlef Kleinert besiegelte d​ies nun a​uch das praktische Ende d​es Bundes. Zudem wurden weitreichende Konsequenzen für d​en Staat, insbesondere d​ie Wirtschaft, vorhergesagt.[22]

Zerfall Jugoslawiens

Die Bevölkerungsgruppen Jugoslawiens 1991
Der politische Zerfall Jugoslawiens

Nach Titos Tod zerfiel Jugoslawien infolge d​er vielerorts o​ffen artikulierten Autonomiebestrebungen, d​ie sich schließlich z​u Kämpfen u​nd zu d​en Jugoslawienkriegen entwickelten. Die Teilrepubliken strebten, a​uch unter Berufung a​uf das Selbstbestimmungsrecht d​er Völker, i​hre Unabhängigkeit a​n und errangen n​ach insgesamt r​und 10 Jahren t​eils äußerst brutal geführter Kämpfe d​ie internationale Anerkennung a​ls souveräne Staaten (Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Mazedonien). In anderen Regionen, v​or allem d​em Kosovo, w​ird die Auseinandersetzung u​m staatliche Unabhängigkeit b​is heute weitergeführt.

  • Mai 1991: Die turnusgemäße Übernahme des Vorsitzes des Staatspräsidiums durch den Kroaten Stjepan Mesić scheitert zunächst am Widerstand der serbischen Vertreter.
  • 25. Juni 1991: Kroatien und Slowenien erklären ihren Austritt aus dem jugoslawischen Staatsverband und werden unabhängig (definitiv am 8. Oktober 1991). Die Jugoslawische Volksarmee sowie – in Kroatien – die serbische Bevölkerung reagieren mit Präsenz und Bewaffnung gegen die Sezession. In Kroatien beginnen bewaffnete kroatische Verbände, Kasernen und Polizeistationen der Bundesverwaltung zu belagern und zu erobern. In Slowenien dauern die gewalttätigen Auseinandersetzungen nur kurz. In Kroatien entbrennt ein lang anhaltender Krieg zwischen kroatischen Freischärlerverbänden, den meist auch daraus neu gegründeten Regierungstruppen, den serbischen Einwohnern Kroatiens und serbischen Freischärlern, die mit Unterstützung der Bundesarmee eine von Kroatien getrennte Republik Serbische Krajina auf den seit Jahrhunderten von Serben besiedelten Gebieten des neuen Kroatien errichten (etwa 30 % des neu gegründeten kroatischen Staatsgebietes).
  • 15. September 1991: Mazedonien proklamiert seine Unabhängigkeit (internationale Anerkennung am 8. April 1993 von der UNO als Former Yugoslav Republic of Macedonia / FYROM bzw. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien / EJRM).
  • 5. März 1992: Nach einem von den bosnischen Serben weitgehend boykottierten Referendum erklärt Bosnien-Herzegowina seine Unabhängigkeit von Jugoslawien. Einen Monat später beginnen die Kampfhandlungen und die Belagerung von Sarajevo.
  • 1995: Mit dem Abkommen von Erdut (12. November) enden die Kämpfe in Kroatien. Das knapp einen Monat später unterzeichnete Abkommen von Dayton beendet auch den Bosnienkrieg, Bosnien und Herzegowina wird als unabhängiger Staat anerkannt.
  • 1998: Großoffensive der Jugoslawischen Armee und Truppen der Sonderpolizei gegen die UÇK im Kosovo.
  • 24. März bis 10. Juni 1999: 1999: Luftangriffe der NATO (Operation Allied Force) auf Serbien und Montenegro, um die serbische Offensive aufzuhalten und die Regierung zum Einlenken zu bewegen.
  • 5. Juni 2006: Montenegro erklärt nach einem Referendum seine Unabhängigkeit von der Staatenunion Serbien und Montenegro.
  • 17. Februar 2008: Der Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit von Serbien.

Bundesrepublik Jugoslawien

Die verbliebenen Teilrepubliken Serbien u​nd Montenegro gründeten d​ie Bundesrepublik Jugoslawien, d​ie am 27. April 1992 proklamiert wurde.

Staatenbund Serbien und Montenegro

Mit Inkrafttreten d​es Vertrages zwischen d​er Bundesrepublik Jugoslawien u​nd den beiden Republiken Serbien u​nd Montenegro, d​er unter EU-Vermittlung a​m 14. März 2002 unterzeichnet wurde, a​m 4. Februar 2003 u​nd der gleichzeitigen Verabschiedung d​er neuen Verfassung ersetzte d​ie Staatengemeinschaft Serbien u​nd Montenegro d​ie Bundesrepublik Jugoslawien.

Literatur

Allgemeines

  • Marie-Janine Calic: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60646-5.
  • Holm Sundhaussen: Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall. BI-Taschenbuch, Mannheim 1993, ISBN 3-411-10241-1.
  • Wolf Dietrich Behschnitt: Nationalismus bei Serben und Kroaten, 1830–1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie. Oldenbourg, München 1980, ISBN 3-486-49831-2 (= Südosteuropäische Arbeiten, Band 74, zugleich Dissertation an der Universität Köln, Philosophische Fakultät, 1977).
  • Jill A. Irvine: The Croat question. Boulder, CO 1993, ISBN 0-8133-8542-3.
  • Peter Rehder (Hrsg.): Das neue Osteuropa, von A – Z. Artikel Jugoslawien, Droemer-Knaur, München ²1993, S. 270–298, ISBN 3-426-26537-0.
  • Svein Mønnesland: Land ohne Wiederkehr. Ex-Jugoslawien: Die Wurzeln des Krieges. Wieser, Klagenfurt 1997, ISBN 3-85129-071-2

Königreich Jugoslawien

  • Ljubodrag Dimić: Serbien und Jugoslawien (1918-1941). In: Österreichische Osthefte. 47, Nr. 1–4, 2005, S. 231–264.
  • Dimitrije Djordjevic (Hrsg.): The Creation of Yugoslavia. 1914–1918. Santa Barbara 1980.
  • Alex N. Dragnich: The first Yugoslavia. Stanford, CA 1983, ISBN 0-8179-7841-0
  • Alex N. Dragnich: Serbia, Nikola Pašić, and Yugoslavia. New Brunswick, N.J. 1974, ISBN 0-8135-0773-1
  • J.B. Hoptner: Yugoslavia in Crisis 1934–1941. New York 1963
  • Mira Radojević, Ljubodrag Dimić: Serbien im Großen Krieg 1914-1918. Srpska književna zadruga, Belgrader Forum für eine Welt von Gleichberechtigten, Belgrad 2014.
  • Günter Reichert: Das Scheitern der Kleinen Entente. München 1971

Zweiter Weltkrieg

  • Klaus Schmider: Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941–1944. Mittler, Hamburg 2002, ISBN 3-8132-0794-3.
  • Hans Knoll: Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940–1943. Oldenbourg, München 1986, ISBN 3-486-52891-2.
  • Walter R. Roberts: Tito, Mihailovic, and the Allies. 1941–1945. New Brunswick 1973
  • Milovan Djilas: Der Krieg der Partisanen. Molden, Wien [u. a.] 1978, ISBN 3-217-00771-9.
  • Walter Manoschek: „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42. Oldenbourg, München 1993, ISBN 3-486-55974-5.
  • Phyllis Auty, Richard Clogg (Hrsg.): Britisch Policy towards Wartime Resistance in Yugoslavia an Greece. London [u. a.] 1975
  • Holm Sundhaussen: Okkupation, Kollaboration und Widerstand in den Ländern Jugoslawiens 1941–1945. In: Werner Röhr (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Okkupation und Kollaboration (1938–1945). Hüthig, Berlin / Heidelberg 1994. S. 349–365, ISBN 3-8226-2492-6.
  • Georg Wildmann, Hans Sonnleitner, Karl Weber, Leopold Barwich: Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948. Donauschwäbische Kulturstiftung, München 1998, ISBN 3-926276-32-0
  • Olaf Ihlau: Blutrausch auf dem Balkan, in: Spiegel Geschichte, Nr. 3, 2010, 1. Juni 2010, S. 48–51 (online).

Sozialistisches Jugoslawien

  • Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Herausgegeben vom Sekretariat für den Informationsdienst der Bundesversammlung. Beograd 1974 (im serbokroatischen Original: Ustav Socijalističke Federativne Republike Jugoslavije)
  • Holm Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011: Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen, Böhlau, Wien u. a. 2012, ISBN 978-3-205-78831-7.
  • Ivo Banac: The national question in Yugoslavia. Ithaca 1984, ISBN 0-8014-1675-2
  • Klaus Buchenau: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991. Ein serbisch-kroatischer Vergleich. (= Balkanologische Veröffentlichungen. 40). Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-04847-6
  • Vladimir Dedijer: Stalins verlorene Schlacht. Erinnerungen 1948–1953. Wien [u. a.] 1970
  • Klaus-Detlev Grothusen (Hrsg.): Jugoslawien am Ende der Ära Tito. 2 Bände: 1. Außenpolitik; 2. Innenpolitik. München 1983/1986, ISBN 0-253-20703-7, 0-253-34794-7
  • Othmar Nikola Haberl: Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU. München 1974, ISBN 3-486-47861-3
  • Hannelore Hamel (Hrsg.): Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien. München 1974, ISBN 3-406-04913-3
  • Herbert Prokle: Der Weg der deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager 1948. München 2008, ISBN 3-926276-77-0
  • Sabrina P. Ramet: Nationalism and federalism in Yugoslavia. 1962–1991. Bloomington [u. a.] 1992
  • Duncan Wilson: Tito’s Yugoslavia. Cambridge 1979, ISBN 0-521-22655-4
  • Statistički godišnjak Jugoslavije. Beograd 1990
  • Wolfgang Libal: Das Ende Jugoslawiens. Wien [u. a.] 1993, ISBN 3-203-51204-1

Einzelnachweise

  1. Monnesland, Land ohne Wiederkehr, S. 215.
  2. Klaus Schmider: Der jugoslawische Kriegsschauplatz in: Karl-Heinz Frieser, Klaus Schmider, Klaus Schönherr, Gerhard Schreiber, Krisztián Ungváry, Bernd Wegner: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 8, Die Ostfront 1943/44: Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, im Auftrag des MGFA hrsg. von Karl-Heinz Frieser, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 1011.
  3. Michael Portmann und Arnold Suppan: Serbien und Montenegro im Zweiten Weltkrieg (1941-1944e/45). In: Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut (Hrsg.): Serbien und Montenegro: Raum und Bevölkerung, Geschichte, Sprache und Literatur, Kultur, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Recht. LIT Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-9539-4. S. 274–275.
  4. Mathias Beer: Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. München, 2011, ISBN 978-3-406-61406-4, S. 91.
  5. Igor Graovac, Menschenverluste durch Kriegseinwirkung, in: Melčić, Dunja (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, 2. Aufl., Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-33219-2, S. 185–191.
  6. Tabelle nach Graovac, in: Melčić, 2007, ISBN 978-3-531-33219-2, S. 187.
  7. Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 438
  8. Vgl. Wolfgang Libal: Titos Saat. Im friedlichen Jugoslawien des kommunistischen Marschalls wuchs heran, was sich jetzt blutig entlädt. In: Die Zeit, Nr. 17/1999
  9. Bosko S. Vukcevich: Tito. Architect of Yugoslav disintegration. Rivercross Publications, New York 1994, ISBN 0-944957-46-3, S. 331 ff. (Kapitel The Role of UDBA and KOS in 1948 and Afterwards).
  10. Pero Simic: Tito: Fenomen stoljeca. Hrsg.: Vecernji posebni proizvodi. Zagreb 2009, ISBN 978-953-7313-40-1, S. 333348.
  11. Michael W. Weithmann schätzt, dass bis 1980 etwa 100 Mrd. Dollar als direkte Hilfen und Kredite nach Jugoslawien geflossen sind. Vgl. dazu M. W. Weithmann: Balkan-Chronik. Regensburg ²1997, S. 447.
  12. Milovan Djilas: Nova klasa. Kritika savremenog komunizma. Deutsch u.d. Titel: Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems. München 1958.
  13. Milovan Djilas: Tito. Eine kritische Biographie. Fritz Molden, Wien 1980, ISBN 3-217-01158-9; ders.: Jahre der Macht. Kräftespiel hinter dem Eisernen Vorhang. Memoiren 1945–1966. München 1983.
  14. Slobodan Stanković: Final Results of Yugoslavia's 1971 Census, 1973 bei Radio Free Europe, auf der Grundlage eines Artikels in der jugoslawischen Parteizeitung Politika.@1@2Vorlage:Toter Link/www.osaarchivum.org (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  15. Tschechen, Slowaken, Ruthenen, Bulgaren, Rumänen u. a.
  16. Über 3 Prozent der Staatsbürger (656.000 Menschen) machten keine Angaben zur nationalen Zugehörigkeit oder bezeichneten sich als Jugoslawen.
  17. Artikel 25 Satz 2
  18. Peter Rehder (Hrsg.): Das neue Osteuropa von A-Z. Artikel Jugoslawien. München 1993, S. 289.
    Conditions, problems and policy of education in Yugoslavia, hrsg. v. Organisation for Economic Cooperation and Development, Directorate for Social Affairs, Manpower and Education. Paris 1981.
    Nikša Nikola Šoljan (Hrsg.): Higher education in Yugoslavia. Zagreb 1989 ISBN 86-7273-007-0.
  19. So hatte Montenegro das gleiche Stimmengewicht, wie das 10 Mal volkreichere Serbien.
  20. Howard J. Sherman: Socialism. In: J. E. King (Hrsg.): The Elgar Companion to Post Keynesian Economics. Second Edition Auflage. Edward Elgar, Cheltenham UK – Northampton, MA, USA 2012, ISBN 978-1-84980-318-2, S. 497.
  21. Susan L. Woodward: Socialist Unemployment: The Political Economy of Yugoslavia, 1945–1990. S. 199, 378.
  22. 23.01.1990. Tagesschau (ARD), 23. Januar 1990, abgerufen am 12. Juni 2017.
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