Schlacht an der Neretva
Die Schlacht an der Neretva (serbokroatisch Bitka na Neretvi / Битка на Неретви) war ein unter dem Decknamen Operation Weiß getarnter strategischer Plan des Deutschen Reichs im Zweiten Weltkrieg für einen gemeinsamen Angriff der Achsenmächte auf die jugoslawischen Partisanen. Zu Beginn des Jahres 1943 befürchteten die Achsenmächte eine Invasion der Alliierten auf dem Balkan. Deshalb sollten die jugoslawischen Partisanen möglichst vollständig vernichtet werden, insbesondere auch das Oberkommando der Partisanenbewegung, das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Jugoslawiens. Es war damit auch geplant, das Hauptlazarett der Partisanen zu zerstören. Der Beginn der Offensive war für den 20. Januar 1943 angesetzt und konzentrierte sich auf das Gebiet Bosnien-Herzegowinas. Die Militäraktion endete im April 1943.[1] Sie wurde nach dem nahegelegenen Fluss Neretva benannt.
Die Operation ist in Quellen der ehemaligen Republik Jugoslawien auch bekannt als Vierte Anti-Partisanen-Offensive, ebenfalls als Vierte-Feind-Offensive (Četvrta neprijateljska ofenziva/ofanziva) oder Schlacht für die Verwundeten (Bitka za ranjenike).
Operation
Die Achsenmächte boten neun Divisionen auf, sechs deutsche und drei italienische. Diese wurden unterstützt von zwei kroatischen Divisionen und einer Anzahl von Tschetnik- und Ustascha-Verbänden. Etwa 150.000 Soldaten auf Seiten der Achse standen einer wesentlich kleineren Streitmacht der Partisanen gegenüber.
Die Militäroperation wurde in drei Phasen durchgeführt:[2]
- Weiß I begann am 20. Januar 1943 mit dem Angriff auf die von den Partisanen gehaltenen Gebiete westlich von Bosnien und zentralen Teilen von Kroatien.
- Weiß II schloss sich am 25. Februar an. Es gab Gefechte im Westen und Südwesten von Bosnien und die Partisanen wichen so weit nach Südosten aus, bis sie das Ufer der Neretva im Rücken hatten.
- Weiß III begann im März 1943 und konzentrierte sich auf die Gebiete der nördlichen Herzegowina, aber es gelang den bedrängten Partisanen, sich aus ihrer Einkesselung zu befreien und ins nördliche Montenegro durchzubrechen, so dass die dritte Phase der Militäroperation aus Sicht der Achsenmächte nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Im Verlauf der Schlacht wurden die Partisanen dicht ans westliche Ufer der Neretva gedrängt. Dabei standen sie deutschen Streitkräften gegenüber, die von Panzerbrigaden unterstützt wurden. Das den Partisanen gegenüberliegende östliche Ufer der Neretva wurde lediglich von Formationen der Tschetniks überwacht, die in Abstimmung mit den Deutschen handelten. Die durch das tiefliegende Flussbett der Neretva getrennten Ufer waren nur durch die Brücke der Narentabahn verbunden. Wäre es den Partisanen rechtzeitig gelungen, den Fluss mit Hilfe der Brücke zu überqueren und ans östliche Ufer zu gelangen, dann wären sie in relativer Sicherheit gewesen. Allerdings fehlte ihnen angesichts der militärischen Überlegenheit der Achsenstreitkräfte die Zeit, alle Leute über die Brücke zu bringen. Um der drohenden Vernichtung zu entgehen, plante der Partisanenführer Marschall Tito nun ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver. Er befahl seinen Pionieren, die Brücke über die Neretva, also die einzige offensichtliche Fluchtmöglichkeit, zu sprengen. Als die Luftaufklärung die Fotos von der zerstörten Brücke General Löhr vorlegte, zog dieser den Schluss, dass die Partisanen ausgehend von ihrer aktuellen Position einen Vorstoß nach Norden planten (entlang des westlichen Ufers der Neretva). Die Sprengung der Brücke wurde auf deutscher Seite als moralisches Druckmittel von Tito interpretiert, um seine Kämpfer anzuspornen und möglicher Desertion vorzubeugen. Aus diesem Grund wurde eine Umgruppierung der Truppen der Achsenmächte vorgenommen, so dass Titos Einheiten im erwarteten Kampfgebiet vernichtet werden konnten, sobald sie angriffen. Stattdessen verschafften diese Maßnahmen den Pionieren der Partisanen kostbare Zeit, um die Brücke behelfsmäßig zu reparieren. Es gelang den Partisanen, die Truppen der Tschetniks am gegenüberliegenden Ufer der Neretva einzukreisen und auszuschalten. Zwar durchschauten die Deutschen schließlich Titos Finte, waren dann aber nicht mehr in der Lage, rechtzeitig einen ernsthaften Angriff vorzubereiten, da sie die Umgruppierungsbefehle nicht rasch genug zurückdrehen konnten. Die Nachhut der Partisanen kämpfte gegen den wieder zunehmenden Druck durch deutsche Truppen. Letztlich retteten die Partisanen den Großteil ihrer Leute ans östliche Ufer der Neretva. Der Übergang vollzog sich jedoch unter heftigem Bombardement der Luftwaffe. Lediglich die gebirgige Landschaft verhinderte die hinreichende Zerstörung der provisorischen Brücke. Nachdem den Partisanen die Flucht gelungen war, wurde die schwache Brücke wieder unbrauchbar gemacht, um die weitere Verfolgung zu unterbinden. Die Absetzbewegung wurde von Tito propagandistisch aufgewertet, da es ihm doch gelungen war, sein gegebenes Versprechen einzulösen, auch die Verwundeten aus dem Hauptlazarett der Partisanen zu evakuieren, denen im Falle einer Gefangennahme durch die Achsenmächte die Hinrichtung gedroht hätte. Später kam es zu den befürchteten Exekutionen tatsächlich infolge der Schlacht an der Sutjeska.[3]
Folgen
Ende März hatten die Streitkräfte der Achse etwa 8.000 Partisanen getötet und dazu noch 2.000 Gefangene gemacht. Abgesehen von diesen schweren Verlusten für die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee und einem taktischen Sieg der Achsenmächte konnten die Partisanen ihr Oberkommando und ihr Lazarettwesen sichern und waren in der Lage, ihre militärischen Operationen fortzusetzen. Tatsächlich mussten die Partisanen, nachdem sie die östlichen Gebiete von Bosnien und Herzegowina erreicht hatten, sich nur noch den Tschetniks stellen. Die Tito-Partisanen konnten die Tschetniks im Gebiet westlich der Drina fast vollständig außer Gefecht setzten. Die nächste große Militäroperation in Jugoslawien war die Operation Schwarz, die als Schlacht an der Sutjeska bekannt wurde.
Die Vertreibung Titos aus seinem Gebiet in Nordwest-Bosnien erwies sich langfristig ungünstig für die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten, denn nun konnten die Partisanen sich in den unwegsameren Bergen Montenegros festsetzen. Der Übergang an der Neretva erregte internationales Aufsehen, dessen Bedeutung darin lag, dass nun der britische Premierminister Winston Churchill begann, die Partisanen Titos zu unterstützen.
Der im Jahre 1969 Oscar-nominierte Kriegsfilm Die Schlacht an der Neretva stellt die Ereignisse Anfang des Jahres 1943 nach.
An der Schlacht beteiligte Verbände
Truppen der Partisanen
- 1. Kroatisches Korps (16.000 Mann)
- 1. Bosnisches Korps (11.500 Mann)
- Hauptoperationsgruppe (14.500 Mann) bestehend aus
- 1. Proletarische Division
- 2. Proletarische Division
- 3. Sturm-Division
- 7. Banija-Division (kam später dazu)
- 9. Dalmatinische Division
Truppen der Achsenmächte
- 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“
- 369. Infanterie-Division
- 714. Infanterie-Division
- 717. Infanterie-Division
- Ein Regiment der 187. Reserve-Division
- 12. Infanteriedivision Sassari
- 13. Infanteriedivision Re
- 57. Infanteriedivision Lombardia
- 2. kroatische Heimatschutz-Gebirgs-Brigade
- 3. kroatische Heimatschutz-Gebirgs-Brigade
Tschetniks (nominell als italienische antikommunistische Freiwilligen-Miliz)[1]
- Etwa 20.000 Mann
Siehe auch
Literatur
- Lea Christina Meister: Erinnerungskultur in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die Schlacht an der Neretva 1943 – 1965 – 1978. Universität Basel, Basel 2014.
- Wolfram Prihoda (Red.): Militäroperationen und Partisanenkampf in Südosteuropa. Vom Berliner Kongress zum Ende Jugoslawiens. Bundesministerium für Landesverteidigung, Arbeitsgemeinschaft Truppendienst, Wien 2009, ISBN 978-3901183553, S. 222–264 (Inhaltsverzeichnis).