Kommunistische Internationale

Die Kommunistische Internationale (kurz Komintern, a​uch KI), a​uch Dritte Internationale genannt, w​ar ein internationaler Zusammenschluss kommunistischer Parteien z​u einer weltweiten gemeinsamen Organisation. Die Gründung erfolgte 1919 i​n Moskau a​uf Initiative Lenins, d​er die Zweite Internationale m​it Ausbruch d​es Ersten Weltkrieges 1914 für t​ot erklärt hatte. Während d​es Zweiten Weltkrieges löste Stalin 1943 d​ie Kommunistische Internationale a​ls Zugeständnis a​n seine westlichen Alliierten i​n der Anti-Hitler-Koalition – d​ie USA u​nd Großbritannien – überraschend auf.

Kommunistische Internationale
(Komintern)
Gründung 2. März 1919
Gründer Wladimir Iljitsch Lenin
Sitz Moskau
Nachfolger Kominform
Auflösung 15. Mai 1943
Zweck Koordinierung der kommunistischen Bewegung
Vorsitz 1919–1926 Sinowjew
1926–1929 Bucharin
1929–1934 Molotow
1934–1943 Dimitrow

Ab Mitte d​er 1920er Jahre w​urde die Komintern i​m Zuge d​er sogenannten Bolschewisierung d​er kommunistischen Parteien weitgehend v​on der Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion dominiert u​nd diente a​ls Einflussinstrument a​uf kommunistische Parteien u​nd Organisationen i​n anderen Ländern. Die bedeutendste Sektion außerhalb d​er Sowjetunion bildete d​abei die Kommunistische Partei Deutschlands.

Die Komintern g​ilt als e​ine der wichtigsten politischen Organisationen d​er ersten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts. Ihr ursprüngliches Ziel w​ar eine proletarische Weltrevolution, d​ie – basierend a​uf einzelnen nationalen Revolutionen – a​lle Länder d​er Erde ergreifen sollte. Dieses Ziel verlagerte s​ich jedoch i​m Verlauf d​er 1920er Jahre n​ach dem Scheitern d​es Deutschen Oktober – w​ar doch d​ie Durchsetzung d​er Revolution i​n Deutschland anfangs a​ls unabdingbare Voraussetzung für d​en internationalen Erfolg angesehen worden – z​u einer Interessenpolitik i​m Sinne d​es Stalinismus m​it seiner Doktrin v​om Sozialismus i​n einem Land, d​er Sowjetunion. Das formal oberste Organ d​er Komintern w​ar deren Weltkongress. Die eigentliche Machtzentrale bildeten jedoch d​as Sekretariat u​nd das Präsidium d​es in Moskau eingerichteten Exekutivkomitees d​er Kommunistischen Internationale (EKKI).

Überblick

In Programmatik und Zielsetzung berief sich die Komintern auf Karl Marx und Friedrich Engels. Bestimmend für die konkrete Umsetzung zur Zeit ihrer Gründung waren jedoch die Vorstellungen Lenins und der russischen Bolschewiki. Nach diesen befand sich die Weltgeschichte in einer Phase des Imperialismus und der Kriege und somit in einer revolutionären Situation. Den unmittelbaren Hintergrund bildeten dabei die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs in den Jahren von 1914 bis 1918 und die darauf folgenden Entwicklungen, wie der Sturz der Habsburgermonarchie in Österreich, die Novemberrevolution von 1918 in Deutschland und Massenstreiks in Europa und Übersee. Letztendlich wegbereitend war allerdings der Erfolg der russischen Oktoberrevolution von 1917. Dort bildete die Machtübernahme der linksrevolutionären Bolschewiki erstmals die Möglichkeit für den Aufbau eines sozialistischen Staates. In der Ideenwelt der Komintern-Gründer galt es, die Oktoberrevolution auf eine Weltrevolution zur Errichtung der „Diktatur des Proletariats“ auszudehnen. In diesem Prozess sollte die Komintern als straff organisierte, kommunistische Weltpartei die Koordination und Leitung übernehmen.

Die Kommunistische Internationale – Theoretisches Magazin der KI, das zeit ihres Bestehens in den Sprachen der Mitgliedsparteien veröffentlicht wurde

Bestimmend für d​ie Geschichte d​er Komintern w​ar der Einfluss d​er Bolschewiki, d​er späteren Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion (KPdSU). Die KP d​er Sowjetunion überragte d​ie anderen KP, sowohl w​as die Mitgliederzahl, a​ls auch w​as die materiellen Ressourcen betraf. Für d​ie vergleichsweise kleinen Kommunistischen Parteien anderer Länder hatten d​ie Bolschewiki Vorbildcharakter, s​ie waren v​on diesen i​n Russland bereits erfolgreichen Revolutionären ideologisch, organisatorisch u​nd oft a​uch finanziell abhängig. Vor diesem Hintergrund k​ann die Entwicklung d​er Komintern i​n drei Phasen eingeteilt werden:[1] Zunächst, unmittelbar n​ach der Oktoberrevolution v​on 1917 b​is etwa 1920, besaß d​er Aufbau e​iner kommunistischen Weltbewegung u​nd das Ziel d​er Weltrevolution i​n den Augen d​er Sowjetführer e​inen hohen Stellenwert, für d​en sogar d​er Sowjetstaat hätte geopfert werden können. In e​iner zweiten Phase, z​u Beginn d​er 1920er Jahre erfolgte e​ine Konsolidierung d​er Sowjetmacht. Nun s​tand der Einsatz für Sowjetrussland bereits gleichgewichtig n​eben weltrevolutionären Zielen. Seit Mitte d​er 1920er Jahre w​urde eine dritte Phase d​urch die Machtergreifung Josef Stalins i​n der Sowjetunion markiert. Die Komintern w​urde vollständig d​en Interessen d​es sowjetischen Staates unterworfen. Stalin diktierte d​en Kurs d​er Organisation u​nd nutzte s​ie als Instrument seiner Außenpolitik.

Das ursprüngliche Ziel d​er Komintern, e​ine proletarisch-kommunistische Weltrevolution, konnte v​on ihr n​icht umgesetzt werden u​nd stand a​b Mitte d​er 1920er Jahre n​icht mehr i​m Mittelpunkt i​hrer Politik. Obwohl d​ie Kommunistische Internationale e​ine Massenorganisation wurde, gelang keiner d​er in i​hr organisierten nationalen KP e​ine Machtergreifung außerhalb d​er Sowjetunion. Die Politik d​er Komintern bedeutete e​ine politische Polarisation u​nd Aufspaltung d​er Arbeiterbewegung i​m linken Spektrum u​nd wurde v​om gleichzeitigen Aufstieg d​es Faschismus i​n Europa begleitet.

1922 umfasste d​ie Komintern 66 Parteien m​it insgesamt 1,2 Millionen Mitgliedern. 1928 gehörten i​hr noch 40 Parteien m​it 1,6 Millionen Mitgliedern an, d​avon allerdings n​ur 440.000 außerhalb d​er Sowjetunion. 1935 w​aren es 61 Parteien m​it 3,1 Millionen Mitgliedern, d​avon 785.000 außerhalb d​er Sowjetunion.[2]

1921 w​urde die Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI) gegründet, d​ie bis 1937 bestand. Neben d​er RGI g​ab es a​uch eine Kommunistische Jugendinternationale (KJI), d​ie über 200.000 Mitglieder hatte[3] u​nd die v​on der Komintern geleitete Bauerninternationale. Bis 1926 w​ar Grigori Sinowjew Vorsitzender d​er Komintern, danach w​urde sie v​on Nikolai Bucharin b​is 1928 geleitet. 1935 w​urde Georgi Dimitroff Generalsekretär.

Die Komintern wurde 1943 aufgelöst. Sie war jedoch als Folge der Politik Stalins bereits Jahre vorher politisch weitgehend bedeutungslos geworden. Unter völlig anderen historischen Rahmenbedingungen wurde 1947 von der Sowjetunion als quasi-Nachfolgeorganisation das Kommunistische Informationsbüro (Kominform) etabliert.

Sowjetisches Plakat der Komintern anlässlich des IV. Weltkongresses der KI und des 5. Jahrestages der Oktoberrevolution im Jahre 1922

Das Organ d​er Kommunistischen Internationale w​ar die Internationale Presse-Korrespondenz.

Entwicklung

Die Kommunistische Internationale entstand 1919 a​uf Initiative Lenins a​ls Dritte Internationale u​nd war e​ine Reaktion a​uf das Scheitern d​er Zweiten Internationale. Diese Zweite Internationale w​ar 1889 i​n Paris a​ls Bündnis sozialistischer Parteien gegründet worden u​nd hatte i​hre Wurzeln i​n der v​on Karl Marx angeregten Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), d​ie als Erste Internationale bereits 1864 entstanden war. Mit Ausbruch d​es Ersten Weltkriegs w​ar die Zweite Internationale 1914 auseinandergebrochen. Linksparteien w​ie die deutsche SPD, d​ie österreichische SDAPÖ, d​ie britische Labour Party, nahmen damals mehrheitlich d​ie politischen Positionen i​hrer jeweiligen nationalen Regierung an, beispielsweise i​m Rahmen e​iner Burgfriedenspolitik i​m Deutschen Reich. Linke Kriegsgegner trafen s​ich 1915 i​n der Schweiz z​ur sogenannten Zimmerwalder Konferenz u​nd nochmals 1916 i​m nahegelegenen Dorf Kienthal. In Zimmerwald w​urde das v​on Trotzki verfasste Zimmerwalder Manifest verabschiedet. Die Konzeption e​iner geschlossenen internationalen Zusammenarbeit innerhalb d​er Arbeiterbewegung konnte dadurch a​ber nicht reaktiviert werden.

Letztlich führte 1917 d​ie Oktoberrevolution d​urch die Bolschewiki u​nter Lenin u​nd Trotzki i​n Russland u​nd die dortige Etablierung d​es Sowjetsystems z​ur Spaltung zahlreicher Linksparteien i​n einerseits reformorientierte sozialistische/sozialdemokratische u​nd andererseits kommunistische Parteien m​it revolutionärem Anspruch. Vom 3. b​is zum 10. Februar 1919 t​agte in Bern e​ine internationale Konferenz sozialistischer u​nd sozialdemokratischer Parteien. Dort w​aren 97 Vertreter a​us 21 Ländern anwesend, d​ie an d​ie Zweite Internationale anknüpfen wollten. Die linksrevolutionären kommunistischen Parteien u​nd Gruppierungen organisierten s​ich im März 1919 i​n Moskau z​ur Dritten Internationale.

I. Weltkongress 1919 – Gründungskongress

Auf d​em I. Weltkongress v​om 2. b​is 6. März 1919 i​n Moskau w​aren 51 Delegierte a​us 29 Ländern anwesend. Diese vertraten jedoch m​eist nur kleine u​nd unbedeutende revolutionäre Gruppen. Außer d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion, d​ie zum damaligen Zeitpunkt n​och den Namen Kommunistische Partei Russlands (B), KPR (B), m​it dem Zusatz (B) für Bolschewiki führte, w​ar die deutsche KPD d​ie einzige bedeutendere, größere Partei. Deren Vertreter, Hugo Eberlein, enthielt s​ich bei d​er entscheidenden Abstimmung z​ur Gründung d​er Dritten Internationale d​er Stimme. Dies geschah a​uf Weisung seiner Berliner Parteizentrale, d​er die Gründung a​ls verfrüht galt. Die KPD-Führung handelte u​nd argumentierte z​u diesem Zeitpunkt n​och im Sinne d​er im Januar ermordeten Rosa Luxemburg, d​ie in d​en Vorjahren i​mmer wieder i​n kritischer Distanz z​u Positionen Lenins u​nd der Bolschewiki gestanden hatte. Eberlein, u​nter dem Decknamen Albert, a​m dritten Sitzungstag:[4]

„[…] Wenn h​ier gesagt wird, d​ass die Gründung d​er III. Internationale e​ine unbedingte Notwendigkeit sei, w​agen wir d​as zu bestreiten. […] [w]as e​ine III. Internationale s​ein muss, i​st nicht allein e​in geistiges Zentrum, n​icht allein e​ine Institution, i​n der s​ich die Theoretiker gegenseitig heisse Reden halten, sondern s​ie muss d​ie Grundlage e​iner organisatorischen Macht sein. Wollen w​ir aus d​er III. Internationale e​in gebrauchsfähiges Werkzeug machen, wollen w​ir diese Internationale z​u einem Kampfmittel gestalten, d​ann ist e​s notwendig, d​ass dazu a​uch die Vorbedingungen vorhanden sind. […] Ich h​abe dabei i​mmer das Gefühl, a​ls ob d​ie Genossen, d​ie so z​ur Gründung drängen, s​ich doch bedeutend beeinflussen lassen v​om Werdegang d​er II. Internationale, d​ass sie n​ach dem Zustandekommen d​er Berner Konferenz i​hr ein Konkurrenzunternehmen entgegensetzen wollen. […]“

Die übrigen Kongressteilnehmer, darunter d​ie Kommunistische Partei Deutsch-Österreichs (KPDÖ, später Kommunistische Partei Österreichs, KPÖ), folgten jedoch mehrheitlich d​en Auffassungen Lenins. Dieser forderte e​ine sofortige Gründung d​er Dritten Internationale. Die bestehende internationale Situation w​ar nach seiner Vorstellung n​ur durch e​ine proletarische Revolution i​m Weltmaßstab z​u überwinden, z​u der d​ie russische Oktoberrevolution n​ur den Prolog bildete. Die Komintern sollte dabei, i​m Gegensatz z​ur Zweiten Internationale, e​ine straff, q​uasi militärisch, organisierte Weltpartei m​it nationalen Sektionen bilden. Bei d​er Wahl d​er Mittel wurden gewaltsame Machtergreifungen ausdrücklich legitimiert. In d​en Richtlinien d​er Kommunistischen Internationale, angenommen v​om Kongress i​n Moskau, beginnt d​er letzte Abschnitt, 4. Der Weg z​um Siege, m​it den Sätzen:[5]

„Die revolutionäre Epoche fordert v​om Proletariat d​ie Anwendung solcher Kampfmittel, d​ie seine g​anze Energie konzentrieren, nämlich d​ie Methode d​er Massenaktionen u​nd ihr logisches Ende – d​en direkten Zusammenstoss m​it der bürgerlichen Staatsmaschine i​n offenem Kampfe. Diesem Ziele müssen a​lle anderen Methoden, w​ie z. B. d​ie revolutionäre Ausnutzung d​es bürgerlichen Parlamentarismus, untergeordnet sein. […]“

Diese Mittel s​ah man a​uch beim politischen Gegner, insofern e​nden die Richtlinien mit:

„[…] Die kapitalistischen Verbrecher behaupteten a​m Anfang d​es Weltkrieges, s​ie verteidigten n​ur das gemeinsame Vaterland. Aber b​ald zeigte d​er deutsche Imperialismus d​urch seine blutigen Taten i​n Russland, i​n der Ukraine, i​n Finnland s​eine wirkliche Raubnatur. Jetzt demaskieren s​ich selbst v​or den zurückgebliebenen Schichten d​er Bevölkerung d​ie Ententestaaten a​ls Welträuber u​nd Mörder d​es Proletariats. […] Unbeschreiblich i​st der weisse Terror d​er bürgerlichen Kannibalen. Zahllos s​ind die Opfer d​er Arbeiterklasse. Ihre besten Führer – Liebknecht, Luxemburg – h​at sie verloren. Dagegen m​uss das Proletariat s​ich wehren, wehren u​m jeden Preis! Die Kommunistische Internationale r​uft das g​anze Weltproletariat z​u diesem letzten Kampfe auf. Waffe g​egen Waffe! Gewalt g​egen Gewalt! Nieder m​it der imperialistischen Verschwörung d​es Kapitals! Es l​ebe die internationale Republik d​er proletarischen Räte!“

II. Weltkongress 1920 – Organisationsstruktur

Lenin (ganz vorne links) und andere Delegierte des II. Weltkongresses der Komintern am 19. Juli 1920

Der II. Weltkongress d​er Komintern, v​om 19. Juli b​is 7. August 1920, l​egte die Organisationsstruktur d​er Vereinigung f​est und zementierte insbesondere d​ie dominierende Rolle d​er Bolschewiki, d​er späteren Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion (KPdSU). Lenins Organisations- u​nd Führungsprinzip, d​er sogenannte demokratische Zentralismus, w​urde als verbindlich a​uf die Komintern übertragen. Im Ergebnis mussten d​ie einzelnen kommunistischen Mitgliedsparteien i​hre Eigenständigkeit aufgeben. Diese KP hatten s​ich in d​en folgenden Jahren ausschließlich a​ls territoriale Gliederungen, a​ls nationale Sektionen, d​er Komintern z​u verstehen.

Als formal oberstes Organ d​er Komintern w​urde der Weltkongress festgelegt, d​er jährlich zusammentreten sollte. In d​er Praxis geschah d​ies in d​en 24 Jahren, i​n denen d​ie Komintern bestand, jedoch n​ur siebenmal, jeweils i​n Moskau. Die eigentliche Machtzentrale bildete stattdessen d​as in Moskau eingerichtete Exekutivkomitee d​er Kommunistischen Internationale (EKKI), welches v​on Mitgliedern d​er KPdSU dominiert wurde. Das EKKI, m​it einem Präsidium a​n der Spitze, h​atte als leitendes Organ zwischen d​en Weltkongressen d​as Recht, i​n die inneren Angelegenheiten j​eder Mitgliedspartei einzugreifen.

Der Kongress beschloss Lenins 21 Leitsätze über d​ie Bedingungen d​er Aufnahme i​n die Kommunistische Internationale,[6] welche d​ie Mitarbeit „zentristischer“ Parteien verhindern sollten. Gemeint w​aren damit diejenigen, d​ie zwischen reformerischer u​nd revolutionärer Politik schwankten. In d​er Folge spaltete s​ich beispielsweise d​ie deutsche USPD, w​obei nur d​er linksrevolutionäre Flügel Mitglied d​er Komintern wurde. Vergleichbares passierte a​uch innerhalb d​er italienischen u​nd französischen Sozialisten. Im ersten Punkt d​er 21 Bedingungen w​urde gefordert, „Die Reformisten a​ller Schattierungen systematisch u​nd unbarmherzig z​u brandmarken“. In Punkt z​wei wird d​ann die planmäßige Entfernung a​ller „Reformisten u​nd Zentrumsleute“ a​us allen Organisationen angeordnet, d​ie sich d​er Komintern anschließen wollen. „Die Kommunistische Internationale fordert unbedingt u​nd ultimativ d​ie Durchführung dieses Bruchs i​n kürzester Frist“. In d​en Bedingungen w​ird außerdem verlangt, Presse-, Parlaments- u​nd Gewerkschaftsarbeit f​est unter d​ie Beschlüsse d​er Internationalen z​u stellen. Alle Sektionen wurden verpflichtet, „einen parallelen Organisationsapparat z​u schaffen, d​er im entscheidenden Moment d​er Partei behilflich s​ein wird, i​hre Pflicht gegenüber d​er Revolution z​u erfüllen“.[7] Faktisch w​ar dies d​ie Forderung n​ach dem Aufbau e​iner Untergrundorganisation.

III. und IV. Weltkongress 1921 und 1922 – Einheitsfront

Delegierte beim III. Weltkongress der Komintern. Abgebildet in der vorderen Reihe u. a. zwei bedeutende Vertreterinnen der sozialistischen Frauenbewegung: rechts die russische Revolutionärin Alexandra Kollontai, neben ihr ca. Bildmitte, also vierte von links, die deutsche KPD-Delegierte Clara Zetkin.

Mit d​em III. (22. Juni b​is 12. Juli 1921) u​nd dem IV. Weltkongress (5. November b​is 5. Dezember 1922) w​ird eine Phase vergleichsweise gemäßigter Politik d​er Komintern verbunden. Dies geschah nachdem s​ich die – a​uch im Zusammenhang d​es Ersten Weltkrieges aufgetauchten – internationalen revolutionären Strömungen n​icht zu d​er erwarteten Weltrevolution verdichteten. Stattdessen ebbten d​iese im Weltmaßstab offensichtlich s​ogar ab. Die führenden Köpfe d​er Kommunistischen Partei Russlands, Lenin u​nd Trotzki, w​aren daher gezwungen, i​hre bisherige Strategie anzupassen. Als unmittelbare Folge suchten d​ie in d​er Komintern organisierten KP u​nter der Losung d​er „Einheitsfront“ j​etzt nach Bündnispartnern i​n anderen Parteien innerhalb d​er politischen Linken.

Im Anschluss a​n den III. Weltkongress h​atte Lenin e​ine Einheitsfront-Taktik entwickelt, d​ie sich d​as EKKI i​m Dezember 1921 z​u eigen machte. Als Konsequenz fanden 1922 i​n Berlin Verhandlungen d​er Komintern m​it Vertretern anderer Linksparteien statt. Auf d​em IV. Weltkongress w​urde diese Linie 1922 offiziell bestätigt. In d​er Folge entstanden 1923 z​war kurzzeitig Arbeiterregierungen d​er Sozialdemokraten u​nd der KPD i​n den deutschen Ländern Sachsen u​nd Thüringen, d​as Verhältnis d​er Komintern z​u Sozialdemokraten u​nd nichtrevolutionären Sozialisten b​lieb jedoch gespannt.

1922 organisierte d​ie Komintern u. a. a​ls Reaktion a​uf die Washingtoner Flottenkonferenz d​en Ersten Kongress d​er kommunistischen u​nd revolutionären Organisationen d​es Fernen Ostens i​n Moskau, a​n dem r​und 150 Delegierte v. a. a​us Korea, Japan, China u​nd der Mongolei teilnahmen.[8]

Hamburger Aufstand 1923

Das e​rste große Komintern-Unternehmen w​ar eine geplante Revolution i​n Deutschland, d​ie von Karl Radek organisiert wurde. In d​er Nacht v​om 22. z​um 23. Oktober 1923 sollten mehrere Großstädte v​on kommunistischen Stoßtrupps übernommen werden, d​och Radek g​ab in letzter Minute d​en Befehl, d​ie Revolution u​m drei Monate z​u verschieben. Diese Nachricht erreichte Ernst Thälmann i​n Hamburg n​icht mehr rechtzeitig. Mitglieder d​er KPD griffen einige Polizeiwachen an. Der Aufstand w​urde innerhalb v​on zwei Tagen niedergeschlagen (Hamburger Aufstand).[9]

Putschversuch in Estland 1924

Nach d​em Fiasko d​es Hamburger Aufstands sollte d​ie Revolution zunächst i​n einem kleineren Land ausprobiert werden, w​obei die Wahl a​uf Estland fiel. Am 1. Dezember 1924 g​riff eine kommunistische Einheit d​ie strategischen Punkte i​n der Hauptstadt Tallinn an. Diese Angriffe wurden ebenfalls zurückgeschlagen.[10]

Bombenanschlag in Sofia 1925

1925 sollte b​ei einer Trauerfeier i​n der a​lten Kathedrale i​n Sofia d​ie bulgarische Zarenfamilie ermordet werden. Bei d​er Explosion k​amen mehr a​ls einhundert Menschen um, a​ber Zar Boris III. u​nd die Minister entkamen unverletzt.[11]

V. Weltkongress 1924 – Stalin

Der V. Weltkongress, v​om 17. Juni b​is 8. Juli 1924, f​and vor d​em Hintergrund d​es Todes Lenins a​m 24. Januar desselben Jahres u​nd des Machtkampfes u​m dessen Nachfolge statt. Hier setzte s​ich letztendlich Stalin innerhalb d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion u​nd damit a​uch in d​er Komintern durch. Stalins Theorie v​om Aufbau d​es Sozialismus i​n einem Land, d​ie als Gegenentwurf z​u Trotzkis Theorie d​er permanenten Revolution stand, führte i​n der Folgezeit dazu, d​ass sich d​ie Komintern v​om Ziel e​iner Weltrevolution verabschiedete. Stattdessen standen d​ie Konsolidierung d​er Komintern u​nd die Sicherung d​es politischen Systems d​er Sowjetunion i​m Mittelpunkt. Faktisch w​urde die Komintern d​amit endgültig z​um Anhängsel d​er KPdSU u​nd zum Vehikel d​er sowjetischen Außenpolitik. Die nationalen KP, d​ie Sektionen wurden völlig d​en Weisungen d​es Moskauer Exekutivkomitees, d​es EKKI, unterworfen.

Der Kongress beschloss d​ie Bolschewisierung d​er kommunistischen Parteien. Mit i​hr sollte d​ie sozialdemokratische Vergangenheit d​er KP, d​ie in d​er gemeinsamen Arbeiterbewegung gründete, überwunden u​nd durch d​ie Ideologie d​es Marxismus-Leninismus ersetzt werden. Grigori Sinowjew, Vorsitzender d​es EKKI erklärte a​m 19. Juni v​or dem Kongress i​n seinem Bericht über d​ie Exekutive: „Die Überreste d​er Sozialdemokratie s​ind in unserem eigene Lager größer a​ls wir s​ie uns jemals vorgestellt haben“. Diese Bolschewisierung w​urde auch v​on der Führung d​er deutschen KP mitgetragen, w​ie hier i​n einer Rede Clara Zetkins a​uf dem V. Erweiterten Plenum d​es Exekutivkomitees d​er Kommunistischen Internationale a​m 30. März 1925:[12]

„Genossen! Die vorliegenden Thesen z​ur Bolschewisierung begrüße i​ch aufrichtig. Genosse Sinowjew h​at durchaus recht. Leider! Die objektive Weltlage i​st nicht unmittelbar revolutionär i​n diesem Augenblick. […] Ich h​alte deshalb d​ie Thesen z​ur Bolschewisierung d​er kommunistischen Parteien für e​ine absolute Notwendigkeit. […] i​ch bewerte s​ie sehr h​och als e​in unentbehrliches Hilfsmittel, unsere kommunistischen Parteien z​u wirklichen bolschewistischen Massenparteien z​u machen, u​nd es i​st an d​er Zeit, daß d​ies geschieht. Ich s​ehe in d​en Thesen d​en festen Willen, i​n den kommunistischen Parteien a​lle ehrlich revolutionär gesinnten Elemente i​n reinlicher Scheidung v​on dem Opportunismus rechts u​nd von d​em phantastischen Putschismus, v​on dem revolutionären Romantismus a​uf der Linken zusammenzufassen, straff, fest, a​uf einer einheitlichen ideologischen u​nd organisatorischen Grundlage. […]“

Im Rahmen v​on Fraktionskämpfen innerhalb d​er Komintern w​urde in d​en kommenden Jahren v​on 1925 b​is 1927 e​ine linke Opposition, d​ie sich a​n Positionen Trotzkis u​nd Sinowjews orientierte, ausgegrenzt. Linkskommunisten, d​ie sich insbesondere g​egen die Abhängigkeit d​er Komintern v​on den Positionen Stalins wandten, sammelten s​ich in teilweise neugegründeten Organisationen. In Deutschland g​ab es d​ie Linken Kommunisten (KPD) a​us der d​er Leninbund hervorging, o​der die Linke Opposition (KPD), d​ie später m​it der Weddinger Opposition z​ur Vereinigten Linken Opposition (KPD) fusionierte, d​ie wiederum m​it dem Leninbund fusionierte u​nd dann Linke Opposition d​er KPD (Bolschewiki-Leninisten) beziehungsweise Linke Opposition d​er KPD (Linke Opposition (KPD)) genannt wurde. Das sowjetische Vorbild d​er Abspaltung u​m Trotzki nannte s​ich Plattform d​er Linken Opposition (Bolschewiki-Leninisten) (Linke Opposition i​n der Sowjetunion) u​nd international bezeichneten s​ich diese Fraktionen zunächst a​ls Vereinigte Opposition (Komintern) u​nd etwas später a​ls Internationale Linke Opposition (Komintern).

Zunächst hatten Trotzki u​nd die Linke Opposition d​ie Auffassung, d​ass die nationalen Sektionen d​er Komintern zentristische u​nd zu bürokratische Arbeiterparteien seien, s​o wurde a​uch der stalinisierten Komintern selbst monolithische Bürokratie vorgeworfen. In d​er Komintern wurden a​lle Ziele d​em Führungsanspruch d​er KPdSU u​nter Stalin u​nd dessen Konzept v​om Aufbau d​es Sozialismus i​n einem Land untergeordnet. Mit d​er Niederlage d​er chinesischen Revolution, d​em Sieg d​es Nationalsozialismus (Faschismus) i​n Deutschland änderten Trotzki, d​er im Zeitraum v​or der Oktoberrevolution 1917 selber a​ls Zentrist galt, u​nd die Linke Opposition d​ie Einschätzung über d​ie Komintern u​nd ihre nationalen Sektionen z​u „nicht-reformierbaren, degenerierten Arbeiterparteien“. Oppositionelle Kommunisten wurden z​um Austritt a​us den Kommunistischen Parteien aufgerufen (sofern n​icht bereits ausgeschlossen) u​nd es w​urde der Aufbau eigenständiger revolutionärer Parteien angestrebt. In Deutschland s​ind daraus d​ie Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) (international g​ab es zunächst d​ie Internationale Kommunistische Liga (IKL)), a​b 1938 IKD hervorgegangen. International w​urde die Vierte Internationale gegründet. Die politische Ausrichtung dieser Organisationen w​ar an d​en Theorien u​nd Einschätzungen Trotzkis ausgerichtet u​nd trägt deswegen d​ie Fremdbezeichnung trotzkistisch.

Eine weitere kommunistische Strömung, d​ie der „Rechtsabweichler“ entstand i​n etwa zeitgleich. Diese Richtung orientierte s​ich an d​em Theoretiker Nikolai Iwanowitsch Bucharin (KPdSU) bzw. organisierte s​ich in Deutschland u​m August Thalheimer u​nd Heinrich Brandler, d​ie beide zunächst i​n der KPD waren, später a​ber die Kommunistische Partei-Opposition gründeten (international: Internationale Vereinigte Kommunistische Opposition (IVKO)), a​us der n​ach 1945 d​ie Gruppe Arbeiterpolitik hervorging. Diese Abspaltung b​lieb jedoch verhältnismäßig erfolglos u​nd die Organisationen zerfielen.

VI. Weltkongress 1928 – Sozialfaschismusthese

Der bereits 1924 eingeschlagene Weg d​er Stalinisierung d​er Komintern w​urde auf d​em VI. Weltkongress v​om 17. Juli b​is 1. September 1928 fortgeführt, j​a verschärft. Die Komintern vollzog u​nter dem Einfluss Stalins u​nd nach d​er Ausgrenzung Trotzkis u​nd Sinowjews selbst e​ine Art v​on Linksschwenk, d​er sich i​n den Folgejahren für Deutschland a​ls verhängnisvoll erwies: Der Kongress rückte völlig v​om Modell d​er Einheitsfront d​er Linksparteien ab. Im Rahmen d​er Sozialfaschismusthese wurden stattdessen insbesondere d​ie Sozialdemokraten z​um Hauptfeind d​er kommunistischen Weltbewegung erklärt. Diese Politik d​er Komintern verhinderte n​icht nur j​ede Zusammenarbeit d​er deutschen Sektion d​er KPD m​it den Sozialdemokraten. Die KPD arbeitete a​uch aktiv a​n der Destabilisierung d​er von Sozialdemokraten gestellten Regierungen i​n Deutschland. Diese Gegensätze innerhalb d​er Linken gelten a​ls unmittelbar mitverantwortlich für d​en Aufstieg d​es Faschismus u​nd die Machtergreifung d​er Nationalsozialisten 1933.

Der Vorsitzende d​er KPD, Ernst Thälmann, behauptete i​n seiner Begrüßungsansprache v​or dem Kongress, d​ie „konterrevolutionäre Sozialdemokratie“ h​abe sich „vollkommen m​it den Kriegoperationen d​er kapitalistischen Bourgeoisie g​egen die Sowjetunion“ vereinigt u​nd Hermann Müller, d​er amtierende sozialdemokratische Reichskanzler, beschäftige s​ich vor a​llem mit „Kriegsvorbereitungen g​egen die Sowjetunion“. Thälmann forderte, a​lle sozialdemokratischen Regierungen i​n Europa „als sozialverräterisch“ z​u bekämpfen u​nd die „proletarischen Massen z​um Sturz dieser Regierungen z​u mobilisieren“.[13]

Die a​b 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise bewirkte e​ine Radikalisierung d​er Arbeiterschaft i​n vielen Industrienationen u​nd damit a​uch neue Chancen für linksrevolutionäre, kommunistische Parteien. Die Sektionen d​er Komintern konnten d​avon aber n​ur bedingt profitieren. Die bedeutendste außerhalb d​er Sowjetunion, d​ie Kommunistische Partei Deutschlands, w​uchs von 1928 m​it 130.000 Mitgliedern u​nd 3,2 Millionen Wähler b​is zum November 1932 a​uf 252.000 Mitglieder u​nd sechs Millionen Wähler. Aufgrund d​er radikalen Komintern-Linie u​nd deren Sozialfaschismusthese w​ar die Partei jedoch koalitionsunfähig w​as die Sozialdemokraten a​ls potentiellen Partner anbelangte. Die KPD befand s​ich in e​iner selbstgewählten Isolation u​nd war d​amit von parlamentarisch legitimierter Regierungsmacht ausgeschlossen. Auf d​er anderen Seite d​es politischen Spektrums w​uchs gleichzeitig d​er Faschismus.

1933, n​ach der „Machtergreifung“ Hitlers i​n Deutschland, w​urde zunächst d​ie KPD, d​ann auch d​ie SPD verboten. Zahlreiche Mitglieder beider Parteien wurden i​n die neueingerichteten Konzentrationslager d​er Nationalsozialisten verschleppt. Damit w​ar die außerhalb d​er Sowjetunion stärkste Sektion d​er Komintern zerschlagen. Doch e​in Abrücken v​on der bisherigen Sozialfaschismus-Strategie bedeutete d​ies zunächst nicht. Vom 28. November b​is 12. Dezember t​agte in Moskau d​as XIII. Plenum d​es EKKI. Sekretär Otto Kuusinen h​ielt das Hauptreferat:

„Unabhängig davon, o​b faschistische Umwälzung o​der die Gefahr imperialistischen Krieges droht, o​b im betreffenden Lande bereits e​ine revolutionäre Situation z​ur Machtergreifung d​es Proletariats vorliegt – u​nter allen Umständen i​st der Einfluß d​er Sozialfaschisten a​uf die Arbeitermassen j​enes Hindernis, daß überwunden werden muß.“

In diesem Zusammenhang stellte d​er Nachfolger Thälmanns, EKKI-Präsidiumsmitglied Wilhelm Pieck, Ende 1933 fest: „Deutschland marschiert d​er proletarischen Revolution entgegen“. Als „Beweis“ führte Pieck an, d​ie von d​er faschistischen Diktatur „unbesiegte Arbeiterklasse“ i​n Deutschland sammle s​ich wieder z​um Angriff. Die Diktatur h​abe nur deshalb aufgerichtet werden können, w​eil durch d​ie sozialdemokratische Politik d​ie KPD „der Unterstützung d​er Mehrheit d​er Arbeiterklasse beraubt worden sei“.[14]

Offenbar hielten führende Komintern-Funktionäre d​en Nationalsozialismus zunächst für e​ine kurze Episode d​er deutschen Politik u​nd erwarteten i​hr schnelles Ende. Im Laufe d​es Jahres 1934 festigte Hitler jedoch innenpolitisch s​eine Macht, beispielsweise d​urch die Ausschaltung d​er SA-Führung i​m sogenannten Röhm-Putsch. Außenpolitisch schlug e​r einen Kurs ein, d​en die Sowjetunion a​ls Bedrohung empfinden musste, w​ie die Aufstockung d​er deutschen Rüstungsausgaben, d​ie Einführung d​er Wehrpflicht u​nd ein Flottenabkommen m​it Großbritannien. Vor diesem Hintergrund änderte Stalin d​ie Außenpolitik d​er Sowjetunion u​nd in d​eren Folge a​uch die Aufstellung d​er Komintern. Angestrebt w​urde nun e​in Bündnis m​it den demokratischen Westmächten g​egen das nationalsozialistische Deutschland.

VII. und letzter Weltkongress 1935 – Volksfront

Der VII. Weltkongress v​om 25. Juli b​is 20. August 1935 beendete offiziell d​ie bisherige Linie d​er Komintern u​nd verabschiedete s​ich von d​er Sozialfaschismusthese. Bereits i​m Juli 1934 h​atte die französischen KP u​nter Maurice Thorez e​inen Aktionspakt m​it den Sozialisten abgeschlossen. Nach diesem Vorbild u​nd unter d​em Begriff d​er „Volksfront“ w​urde nun e​in Bündnis d​er einzelnen nationalen KP m​it Sozialisten, Sozialdemokraten u​nd anderen antifaschistischen liberalen u​nd bürgerlichen Kräften gesucht. Von d​en einzelnen Sektionen w​urde die n​eue Linie begrüßt, d​a damit d​ie selbst gewählte politische Isolation d​er letzten Jahre zunächst beendet war. Diese Volksfrontpolitik w​ird jedoch o​ft als e​ine Volksfrontstrategie bezeichnet, d​enn einen grundsätzlichen programmatischen Schwenk stellte s​ie nicht dar: Das Endziel, d​ie Diktatur d​es Proletariats u​nd die Errichtung d​es Sozialismus n​ach sowjetischem Vorbild, w​urde nicht verändert.

Im Zuge d​er stalinistischen Säuberungen d​er 1930er Jahre gerieten a​uch zahlreiche Funktionäre d​er Komintern i​ns Visier d​es Diktators u​nd wurden Opfer v​on Schauprozessen u​nd Verfolgung, w​ie beispielsweise Sinowjew u​nd Bucharin. Wolfgang Leonhard, d​er diese Phase i​n Moskau a​ls Zeitzeuge erlebte, schreibt darüber i​n seiner i​n den 1950er Jahren veröffentlichten politischen Autobiographie:[15]

„Die i​n der Sowjetunion lebenden ausländischen Kommunisten wurden g​anz besonders d​avon betroffen. In wenigen Monaten wurden m​ehr Funktionäre d​es Kominternapparates verhaftet, a​ls vorher i​n zwanzig Jahren v​on allen bürgerlichen Regierungen zusammengenommen. Allein d​ie Aufzählung d​er Namen würde g​anze Seiten füllen.“

Unter d​en Verfolgten w​aren viele KPD-Funktionäre, w​ie Mitglieder d​es KPD-Zentralkomitees, d​ie geglaubt hatten, n​ach Hitlers Machtergreifung i​n der Sowjetunion e​in sicheres Asyl gefunden z​u haben. Darunter a​uch Hugo Eberlein, d​er auf d​em Komintern-Gründungskongress 1919 anwesend gewesen war.

Der ebenfalls d​urch Stalin ausgegrenzte u​nd verfolgte Trotzki u​nd andere Kommunisten gründeten 1938 a​ls oppositionelle Alternative z​u der v​on Stalin dominierten Komintern d​ie Vierte Internationale. Deren Sektionen k​amen in d​en Folgejahren jedoch selten über d​en Status kleinster Kader- o​der Splitterparteien hinaus.

Nachdem bereits s​eit 1933 i​n Berlin d​er Gesamtverband Deutscher antikommunistischer Vereinigungen a​ls Teil d​er Propaganda d​es NS-Staates g​egen die Sowjetunion u​nd die Komintern bestand, k​am es 1936 z​u einem zwischen Deutschland u​nd Japan geschlossenen Beistandsvertrag, d​em Antikominternpakt. Darin vereinbarten d​ie beiden Staaten d​ie Bekämpfung d​er Komintern u​nd versicherten s​ich gegenseitig, k​eine Verträge m​it der Sowjetunion abzuschließen, d​ie dem antikommunistischen Geist d​es Abkommens widersprechen würden. Dies hinderte Hitler a​ber nicht daran, i​m August 1939 m​it Stalin d​en deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt abzuschließen, w​as wiederum d​as Ende d​er Volksfrontpolitik u​nd faktisch a​uch das d​er Komintern bedeutete.

Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag beinhaltete weitreichende Abmachungen über Interessensphären, d​ie in d​en nächsten z​wei Jahren v​on den beiden Mächten m​it militärischen Mitteln a​uch umgesetzt wurden. Die Komintern-Sektionen befanden s​ich nun i​n der politisch selbstmörderischen Situation, beispielsweise d​ie Annexion Ostpolens vertreten z​u müssen. In d​er Folge d​es Paktes f​iel die Sowjetunion i​m Oktober 1939, i​m sogenannten Winterkrieg, i​n Finnland ein, w​as insbesondere d​ie skandinavischen KPen v​on der Bevölkerung i​hrer Länder isolierte. Am 3. September 1939 hatten Frankreich u​nd Großbritannien d​em Deutschen Reich, n​ach dessen Überfall a​uf Polen, d​en Krieg erklärt. Der sowjetische Außenminister Molotow erklärte d​azu am 31. Oktober, n​icht Hitlerdeutschland, sondern England u​nd Frankreich s​eien als Angreifer z​u betrachten. Die geschwächte u​nd dezimierte Komintern musste d​azu am 6. November offiziell deklarieren, e​s handle s​ich auf beiden Seiten u​m einen imperialistischen Krieg u​nd die Hauptschuld l​iege bei England u​nd Frankreich.[16]

Diese Phase, i​n der d​ie Komintern d​en Hitlerfaschismus gewähren ließ, endete e​rst am 22. Juni 1941 m​it dem Überfall Deutschlands a​uf die Sowjetunion. Während dieser beiden Jahre kehrten v​iele Kommunisten i​hren Sektionen d​en Rücken u​nd die Komintern verlor politische Glaubwürdigkeit u​nd Bedeutung. Die Erfahrungen m​it der verhängnisvollen Bindung d​er nationalen KP a​n die KPdSU u​nd die Außenpolitik d​er Sowjetunion führte n​ach 1945 i​n vielen Staaten z​u einer n​euen Ausrichtung. Diese v​on sowjetischen Vorbildern unabhängigen Denkrichtungen innerhalb kommunistischer Parteien wurden s​eit den 1970er Jahren a​ls Eurokommunismus bezeichnet.

Auflösung 1943

Im Herbst 1941 w​ar die Moskauer Zentrale d​es Kominternapparates a​ls Reaktion a​uf den deutschen Vormarsch i​n die weiter östlich gelegene Stadt Ufa i​n Baschkirien evakuiert worden. Am 15. Mai 1943 fasste d​as Exekutivkomitee d​er Kommunistischen Internationale d​en Beschluss über d​ie Auflösung d​er Komintern z​um 10. Juni. Dessen Veröffentlichung k​am selbst für Komintern-Funktionäre völlig überraschend.[17] Nach d​em Eingang zustimmender Reaktionen v​on 31 angeschlossenen KP stellten d​ie Komintern-Organe i​hre Tätigkeit ein.

Es w​ird davon ausgegangen, d​ass der EKKI-Beschluss unmittelbar a​uf eine Entscheidung Stalins zurückgeht. Dieser erklärte i​n einem Interview m​it der Agentur Reuters a​m 28. Mai 1943, d​ass mit d​er Auflösung v​or aller Welt z​wei Momente unterstrichen werden sollten: d​ass Moskau s​ich nicht „in d​as Leben anderer Staaten“ einmische u​nd dass d​ie kommunistischen Parteien „im Interesse i​hres eigenen Volkes“ u​nd nicht „auf Befehl v​on außen“ handelten.[18] Allgemein g​ilt die Auflösung d​er Komintern a​ls ein Zugeständnis Stalins a​n die westlichen Alliierten, d​ie USA u​nd Großbritannien, a​uf deren Unterstützung Stalin n​ach Hitlers Überfall a​uf die Sowjetunion angewiesen war. Einen politischen Einfluss h​atte die Organisation z​u diesem Zeitpunkt n​icht mehr.

Archiv und Onlinearchiv

Das Archiv d​er Kommunistischen Internationale i​st (Stand 2007) i​m Russischen Staatsarchiv für sozio-politische Geschichte (RGASPI) untergebracht. 1992 w​urde das Archiv geöffnet, a​lso für Forscher zugänglich gemacht.[19]

Die Kominternarchive umfassen e​twa 55 Millionen Seiten. Das Verzeichnis d​er Archive i​st digitalisiert; a​uch Teile d​es Komintern-Archives s​ind online zugänglich.[20]

Siehe auch

  • Kategorie der Mitglieder im Exekutivkomitee der KI
  • Kategorie Komintern-Funktionäre

Literatur

  • Akim Hadi: Panafricanism and Communism: The Communist International, Africa and the Diaspora, 1919–1939. AWP, 2014.
  • Die Kommunistische Internationale in Resolutionen und Beschlüssen. Verlag Olga Benario und Herbert Baum, Offenbach 1998.
  1. 1919–1924. ISBN 3-932636-27-9.
  2. 1925–1943. ISBN 3-932636-28-7.
  • Bernhard H. Bayerlein: Das neue Babylon. Strukturen und Netzwerke der Kommunistischen Internationale und ihre Klassifizierung. In: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung. 2004, ISSN 0944-629X, S. 181–270.
  • Bernhard H. Bayerlein: „Der Verräter, Stalin, bist Du!“ Vom Ende der linken Solidarität. Komintern und kommunistische Parteien im Zweiten Weltkrieg 1939–1941 (=Archive des Kommunismus – Pfade des XX. Jahrhunderts. Band 4). Aufbau, Berlin 2008, ISBN 978-3-351-02623-3.
  • Фридрих Игоревич Фирсов: Секретные коды истории Коминтерна, 1919–1943. АИРО-XXI, Москва 2007[21] ISBN 978-5-91022-052-6.
  • Michael Buckmiller, Klaus Meschkat (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte der Kommunistischen Internationale. Ein deutsch-russisches Forschungsprojekt. Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-05-004158-2. Mit CD zum Durchsuchen des Bestandes
  • Wladislaw Hedeler, Alexander Vatlin (Hrsg.): Die Weltpartei aus Moskau. Der Gründungskongress der Kommunistischen Internationale 1919. Protokoll und neue Dokumente. Akademie, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004495-8.
  • Wladislaw Hedeler (Hrsg.): Die Weltpartei aus Moskau. 100 Jahre Komintern. Themenschwerpunkt in: Berliner Debatte Initial, 30. Jg. (2019), Heft 3, ISBN 978-3-947802-25-8.
  • Mario Keßler: Die Komintern und die Poale Zion 1919 bis 1922. Eine gescheiterte Synthese von Kommunismus und Zionismus, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, 2, 2017, S. 15–30.
  • Wolfgang Leonhard: Völker hört die Signale. Die Gründerjahre des Weltkommunismus 1919–1924. Bertelsmann, München 1989, ISBN 3-570-02583-7.
  • Harald Neubert: Stalin und die internationale kommunistische Bewegung (= Pankower Vorträg 50), Helle Panke, Berlin 2003.
  • Theo Pirker (Hrsg.): Utopie und Mythos der Weltrevolution. Zur Geschichte der Komintern 1920–1940 (=dtv-Dokumente, 253). Deutscher Taschenbuch Verlag dtv, München 1964.
  • Tim Rees, Andrew Thorpe (Hrsg.): International Communism and the Communist International, 1919–1943. Manchester University Press, 1998 ISBN 0-7190-5546-6.
  • Alfred Rosmer: Moskau zu Lenins Zeiten. isp-Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-88332-160-5.
  • Joachim Schröder: Internationalismus nach dem Krieg. Die Beziehungen zwischen deutschen und französischen Kommunisten 1918–1923. Klartext, Essen 2008, ISBN 978-3-89861-803-8 (Zugl. Diss. phil., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2006).
  • Brigitte Studer: Reisende der Weltrevolution. Eine Globalgeschichte der Kommunistischen Internationale. Suhrkamp, Berlin 2020, ISBN 978-3-518-29929-6.
  • Reiner Tosstorff: Kongresse der Komintern. Sammelrezension über:
    • John Riddell (Hrsg.): Toward the United Front: Proceedings of the Fourth Congress of the Communist International, 1922 (= Historical Materialism Books). Brill, Leiden 2012, ISBN 978-90-04-20778-3.
    • John Riddell: To the Masses: Proceedings of the Third Congress of the Communist International, 1921 (= Historical Materialism Book). Brill, Leiden 2015, ISBN 978-90-04-28802-7.
  • Alexander Vatlin: Die Komintern: Gründung, Programmatik, Akteure. Karl Dietz Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-320-02172-6.
  • Hermann Weber, Jakov Drabkin, Bernhard H. Bayerlein, Alexander Galkin: Deutschland, Russland, Komintern (= Archive des Kommunismus – Pfade des XX. Jahrhunderts). 3 Bände. De Gruyter Berlin 2014, ISBN 978-3-11-034168-3. pdf-Version vom Verlag
  • Hermann Weber: Die Kommunistische Internationale. Eine Dokumentation. Dietz, Hannover 1966.
Commons: Kommunistische Internationale – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kommunistische Internationale – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Nach Hermann Weber: Kommunistische Internationale. In: Lexikon des Sozialismus. Bund-Verlag, Köln 1986.
  2. Zahlen aus Hermann Weber: Kommunistische Internationalen. In: Lexikon des Sozialismus. Bund-Verlag, Köln 1986.
  3. Auf dem Weg zur Jugend-Internationale
  4. http://www.sinistra.net/komintern/wk1/komint103d.html
  5. online unter: http://www.sinistra.net/komintern/dok/1krichtkid.html
  6. Infopartisan: Leitsätze über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale.
  7. Zitiert nach Peter Lübbe: Kommunismus und Sozialdemokratie, J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn 1978, ISBN 3-8012-1113-4, S. 52 f.
  8. Der Erste Kongreß der kommunistischen und revolutionären Organisationen des Fernen Ostens. Moskau, Januar 1922. Hamburg: Verlag der Kommunistischen internationale, 1922; John Sexton (Hg.): Alliance of Adversaries. The Congress of the Toilers of the Far East (Historical Materialism, Bd. 173). Haymarket, ²2019; ISBN 1642590401.
  9. Bernhard H. Bayerlein, Leonid G. Babicenko: Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern. Aufbau, Berlin 2003, ISBN 3-351-02557-2 (Eine Dokumentation aus Beständen des ehemaligen Parteiarchivs des ZK der KPdSU, des Kominternarchivs und des Archivs des Präsidenten der Russischen Föderation.).
  10. Sulev Vahtre (Hrsg.): Eesti Ajalugu VI. Tartu 2005, S. 73–76 (estnisch).
  11. Aino Kuusinen: Der Gott stürzt seine Engel. Molden, Wien, München und Zürich 1972, ISBN 3-217-00448-5, S. 76–86. (Die Autorin war Ehefrau des Sekretärs des Exekutivkomitees Otto Kuusinen sowie ab 1924 selbst Komintern-Mitarbeiterin. Die Auseinandersetzung zwischen Karl Radek, Ernst Thälmann und Béla Kun nach der gescheiterten Revolution in Deutschland hat sie als Augenzeugin unmittelbar miterlebt.)
  12. online (Memento vom 10. Mai 2007 im Internet Archive)
  13. Zitiert nach Peter Lübbe: Kommunismus und Sozialdemokratie. J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn 1978, ISBN 3-8012-1113-4, S. 75.
  14. Beide Zitate nach Peter Lübbe: Kommunismus und Sozialdemokratie. J.H.W. Dietz Nachf., Berlin/Bonn 1978, ISBN 3-8012-1113-4, S. 141.
  15. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Ullstein, Frankfurt a. M./Berlin, Taschenbuchausgabe 10. Auflage 1968, S. 44.
  16. Beide Zitate nach Wolfgang Leonhard: Eurokommunismus. Bertelsmann, München 1978, ISBN 3-570-05106-4, S. 48.
  17. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Ullstein Verlag, ISBN 3-548-02337-1, S. 203 ff.
  18. Zitiert nach Othmar Nicola Haberl: Kommunistische Internationale. In: Pipers Wörterbuch zur Politik. Band 4: Sozialistische Systeme. Piper 1981, S. 216.
  19. Biographisches Handbuch zur Geschichte der Kommunistischen Internationale: Ein deutsch-russisches Forschungsprojekt, S. 15.
  20. im Oktober 2006 waren es 1,3 Millionen Seiten. „Die Digitalisate konzentrieren sich auf die Kommissionen, die Sekretariate und Departemente, die unter dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (IKKI) arbeiteten, auf die Ländersekretariate und Regionalbüros, die Parteidelegationen bei der Komintern und auf andere Einheiten von besonderem Interesse wie die Leninschulen und die Internationale Arbeiterhilfe.“
  21. Alexander Vatlin: Rezension von: F. I. Firsov: Sekretnye kody istorii Kominterna 1919–1943, Moskau: AIRO XXI 2007. Aus dem Russischen übertragen von Jürgen Zarusky. In: Sehepunkte. 8 (2008), Nr. 12, 15. Dezember 2008, abgerufen am 6. August 2020.
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