Automobiles Delahaye
Automobiles Delahaye war ein französischer Automobilhersteller, der 1894 die Fertigung seiner ersten Fahrzeuge nach dem Vorbild des Benz-Motorwagen aufnahm.
Geschichte
Firmengründung und erste Automobilproduktion
Émile Delahaye war Eigentümer und leitete eine 1845 in Tours gegründete Fabrik, die sich mit der Produktion von Maschinen zur Backsteinproduktion sowie stationären Motoren und Eisenbahnwagen beschäftigt hatte. Fasziniert von den ersten Automobilen, gründete er ein entsprechendes Unternehmen.[1]
Rennsportintermezzo und neue Produktionsstätte in Paris
Die ersten ein- und zweizylindrigen Autos hatten Riemengetriebe, Kettenantrieb auf die Hinterräder und Rohrrahmen. Beim Rennen Paris–Marseille–Paris 1896 erzielte Archdeacon, abgeschlagen hinter je drei Panhard & Levassor und De Dion-Bouton Motordreirädern nur den siebten und Delahaye selber den zehnten Rang[2], weshalb Delahaye nach dem Rennen Paris–Wien 1902 die Beteiligung am Rennsport wieder einstellte. Wegen der hohen Absatzzahlen betrieb Delahaye einen Zusammenschluss mit Léon Desmarais und Morane und bezog 1898 eine neue Werkstatt in Paris. 1902 zog sich Delahaye aus dem Unternehmen zurück und warb Charles Weiffenbach als Chefkonstrukteur an, der durch den Einsatz von Lehren und mechanischen Vorrichtungen die Produktion modernisierte und verbesserte. Er führte abnehmbare Zylinderköpfe und andere Neuerungen wie zwei Bremspedale bei Delahaye ein.[3]
Die Société des Automobiles Delahaye errichtete 1901 in der Pariser Rue du Banquier eine Fabrik, in der sie Personen- und Lastkraftwagen sowie Omnibusse herstellte. Auch erste Feuerwehrfahrzeuge rüstete Delahaye aus. Bereits 1903 verfügte Delahaye über einen 4,4-Liter-Vierzylinder. 1908 begann die Herstellung von Vierzylindermotoren mit 1,5 und 2,1 Liter Hubraum. Auf dem Pariser Automobilsalon wurde der 45-60-CV mit 130 mm Bohrung, 150 mm Hub und T-Kopf präsentiert,[1] der für den spanischen König Alfonso XIII. bestimmt war.
Aufstieg zu einem der technisch innovativsten Hersteller
Mit der Entwicklung eines V6-Motors mit 2,6 Liter Hubraum gehörte Delahaye zu den innovativsten Autoherstellern in Europa. Außerdem erhielten Hersteller in den USA und Deutschland Lizenzen der Konstruktionen. Die kleinen und mittleren Vierzylindermodelle galten als sehr zäh und robust, das Fahrgestell als anspruchslos. Dank ihres mäßigen Benzinverbrauchs erlangten sie als Taxis große Verbreitung. Geradezu revolutionär war das 1911 vorgestellte und bis 1914 angebotene Modell 18/24 CV, das mit einem Monoblock-V6-Motor mit stehenden Ventilen und einem den ganzen Block kühlenden Wassermantel versehen war. Die Antriebskraft wurde bereits über eine Kardanwelle auf die Hinterachse übertragen.[4] Am Ende des Ersten Weltkriegs erzielte Delahaye, wie viele andere Fahrzeughersteller auch, seinen Hauptumsatz mit Lastwagen.
Weiffenbach betrieb die Standardisierung bestimmter Bauteile wie Achsen, Federn und Räder und strebte die rationellen Fertigungsmethoden von Renault und Citroën an, als er 1927 mit Chenard & Walcker, Donnet-Zedel und Unic ein Konsortium beschloss. Zwar überstanden die am Konsortium beteiligten Unternehmen die Weltwirtschaftskrise, aber ihre Fahrzeuge wurden technisch immer weniger innovativ und entsprachen nicht mehr dem Zeitgeschmack. Dazu kam ein vertriebspolitischer Fehler: Anders als kleine Firmen wie Derby, Rally, Donnet-Zedel und Corre-La Licorne verfügte Delahaye nicht über eine Schweizer Vertretung. 1932 wurde das Konsortium wieder aufgelöst, aus dem sich UNIC bereits früher zurückgezogen hatte.[5] 1933 präsentierte Delahaye auf dem Pariser Salon erstmals zwei Superlux-Modelle mit Vier- und Sechszylinder-OHV-Motoren, die der Konstrukteur Jean François entworfen hatte.
- Delahaye Typ 32 1909
- Delahaye Type 32 Zweisitzer 1910
- Engine Delahaye Type 32L Limousine 1912
- Delahaye Tourer 1925
- Delahaye-LKW 1925
Die 1930er Jahre, Blütezeit des Unternehmens
1934 führte Delahaye ein 12CV-Modell mit einem 2,15-Liter-Vierzylindermotor ein, sowie ein 18CV-Modell, das von einem 90 PS (66 kW) leistenden 3,2-Liter-Sechszylindermotor angetrieben wurde. Beide Motoren waren von den erfolgreichen Lkw-Motoren abgeleitet.
Delahayes zählten zu den schönsten Automobilen in dieser Epoche. Einige der damals bekannten Aufbauhersteller wie Chapron, De Villars, Figoni & Falaschi und Letourneur et Marchand bauten Luxuskarosserien für Delahaye; Brandone in Cannes stellte wiederholt Nachbauten dieser Entwürfe für die örtliche Kundschaft her.
In den 1930er Jahren beteiligte sich Delahaye auch an Rennen. Außer ersten Plätzen im Gesamtklassement und den entsprechenden Klassen bei den Rallyes Paris-Saint-Raphaël, Paris–Nizza, den Bergrennen Chanteloup und Château-Thierry, Alpencup und Grand Prix von Algier sowie den 24 Stunden von Le Mans erlangten die Rekordfahrten in Montlhéry wegen ihrer Werbewirkung besondere Bedeutung. Ziel war der Weltrekord über 48 Stunden. Dies gelang bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 176,294 km/h, wobei auch die bisherigen 4000- und 5000-Meilen-Rekorde unterboten wurden. Durch die Erfolge angespornt, wurde der spontane Vorschlag, den sauber laufenden Delahaye weiter fahren zu lassen, nach einer zweistündigen Unterbrechung begeistert aufgenommen und ein neuer Weltrekord über 10.000 km mit 168 km/h aufgestellt.[5]
Die sportlich weitaus aktivere Marke Delage steckte in finanziellen Schwierigkeiten. 1935 begann eine Zusammenarbeit mit Delahaye in der Finanzierung der unabhängigen Fabrikation eigener Modelle, die sich immer mehr zur Produktion von Delahaye-Modellen mit Markenzeichen und Kühler von Delage entwickelte. Delahaye erschloss sich durch diese Fusion eine neue Kundschaft in einer prestigeträchtigen oberen Preisklasse.[6]
Der 1935 auf den Markt gebrachte PKW Modell 135 wurde zum Erfolg, und auch das Lkw-Geschäft florierte weiterhin. Aus der Sportversion des 18 CV für den Alpencup wurde das Modell Coupe des Alpes mit einer Dreivergaseranlage entwickelt, mit dem es den Delahaye-Fahrern Albert Perrot, Marcel Mongin und Paris neben der Amerikanerin Lucy O’Reilly Schell und ihrem Mann Laury Schell gelang, viele Siege und hervorragende Platzierungen zu gewinnen.[6] Die durch ein Erbe wohlhabende Lucy O’Reilly Schell bot dem Unternehmen an, die Entwicklungskosten für ein Wettbewerbsfahrzeug nach ihren Anforderungen zu übernehmen. Aus dem Modell 135 wurden drei Varianten „Sport normal“, „Coupe des Alpes“ und „Compétition“ abgeleitet, die mit drei Vergasern eine Leistung von 110 PS (81 kW) statt 95 PS (70 kW) erbrachten. Motorblock und Kurbelgehäuse aus Druckguss, Kolben aus Leichtmetall und insbesondere eine Druckumlaufschmierung mit Zahnradpumpe, die durch spezielle Einrichtungen auch die Schmierung des kalten Motors sicherstellte, waren seine Merkmale. 1937 gewannen René Le Bègue und Julio Quinlin die Rallye Monte Carlo auf einem Delahaye.
Zur gleichen Zeit unternahmen in Deutschland die Nationalsozialisten nahezu jede Anstrengung, um ihre Dominanz über die Nationen sicherzustellen: Die Rennteams von Mercedes-Benz und Auto Union wurden gleichgeschaltet, und keine Kosten wurden gescheut, um einige der fortschrittlichsten Fahrzeuge zu bauen, deren Geschwindigkeit in den nächsten 50 Jahren nahezu unerreicht blieb. Die französische Regierung konterte 1937 mit einer Ausschreibung für den schnellsten Rennwagen unter den französischen Herstellern. Als Preis winkten eine Million Francs. Neben Bugatti mit einem 4,5-Liter-Achtzylinder-Modell beteiligte sich auch SEFAC mit einem von Émile Petit entworfenen 3-Liter-Kompressormodell und Delahaye mit seinem neuen Modell 145, das mit einem 4,5-Liter-V12-Motor mit halbkugelförmigen Brennräumen in Magnesiumzylinderköpfen versehen war.[7] Delahaye siegte beim Million-Franc-Rennen mit dem sogenannten Million-Franc-Delahaye, der von René Dreyfus 1938 in Pau auf dem Typ 145 gegen den von Rudolf Caracciola pilotierten schweren deutschen Mercedes-Benz W 154 errungen wurde. Dieser Rennsieg bewirkte in Kombination mit französischem Patriotismus eine Nachfragewelle für Delahaye bis zur deutschen Besetzung Frankreichs während des Zweiten Weltkriegs.
- Delahaye-Drehleiter 1930
- Delahaye 135 MS 1936
- Delahaye 135 M Roadster 1937
- Delahaye 135 M Coupé 1939
Zweiter Weltkrieg
Während des Krieges schloss sich Delahaye gemeinsam mit Simca, UNIC, Bernard & Laffly der Gruppe Groupe Français de l’Automobil (GFA) des Baron Petiet an und produzierte mittelschwere Lastwagen.[8]
Wiederaufnahme der Produktion
Nach dem Krieg wurde die Produktion des Vorkriegsmodells mit einem 2,2-Liter-Vierzylinder- (Delahaye 134) und einem 3,6-Liter-Sechszylindermotor (Delahaye 135 und 148L) wieder aufgenommen. Beide Motoren hatten hängende Ventile und saßen auf einem stabilen Chassis. Vorn gab es eine Einzelradaufhängung an Querlenkern und Querfeder mit Längsschublenkern, während er hinten noch eine Starrachse an Halbelliptikfedern hatte.
Der 3,6-Liter-Sechszylindermotor mit 110 PS (81 kW) trieb den 135 M an, der in der Wettbewerbsversion 135 MS mit drei Vergasern 130 PS (96 kW) erreichte.[9] Bereits 1947 wurde ein neues Modell 175 mit einem 4,5-Liter-Sechszylindermotor eingeführt, dessen Radaufhängung vorn wie hinten grundlegend überarbeitet worden war: Vorn waren die Räder einzeln nach dem System Dubonnet an Kurbeln aufgehängt, die ihrerseits an den schwenkbaren Gehäusen der hydraulischen Stoßdämpfer mit Schraubenfedern saßen, hinten gab es eine starre De-Dion-Achse mit halbelliptischen Blattfedern und Längslenkern. Überdies hatte er hydraulisch betätigte Bremsen und ein Cotal-4-Gang-Getriebe mit einer Zweischeiben-Trockenkupplung. Der Motor leistete 140 PS (103 kW).[9] Auch wenn sich die Vorkriegsrennerfolge nicht mehr einstellten, erreichte Delahaye mit dem 4,5-Liter-Sechszylinder beim Grand Prix du Comminges 1949 einen Sieg und den ersten Gesamtrang bei der Rallye Monte-Carlo 1951.[10]
Absatzeinbruch, Übernahme durch Hotchkiss und Produktionseinstellung 1957
Doch der Absatz ließ nach. Ab 1951 erreichte die Marke nicht mehr als 100 verkaufte Einheiten pro Jahr. Karosseriebauer wie Henri Chapron, Guilloré, Figoni & Falaschi, Carrosserie de Sécheron, Langenthal, Carrosserie Graber in Wichtrach, Pennock, Letourneur et Marchand, Saoutchik, Motta/Charbonneaux und Gebrüder Beutler in Thun gestalteten unterschiedliche Aufbauvarianten.
Das vorletzte Modell, der VLR 1 (voiture légère de reconnaissance), ein 3,5-Liter-Fahrzeug nach dem Vorbild des Jeep mit Allradantrieb, wurde 1951 eingeführt. Es hatte je eine Differenzialsperre vorn und hinten. Der Vorderradantrieb konnte abgeschaltet werden. Das Vier-Gang-Getriebe mit zweistufigem Vorgelege stellte 8 Vorwärtsgänge zur Verfügung. Angetrieben wurde das Geländefahrzeug von einem neuentwickelten 2-Liter-Vierzylindermotor. Es wurde in erster Linie von der französischen Armee gekauft.
Das infolge der französischen Steuergesetzgebung in der Nachkriegszeit schwer verkäufliche Modell 175 wurde im Herbst 1951 von dem Modell 235 abgelöst, das stilistisch gewisse Ähnlichkeit mit dem später erschienen Mercedes-Benz 190 SL besaß. Durch überarbeitete Zylinderköpfe und drei Solex-Fallstromvergaser erreichte der 3,6-Liter-Motor 150 PS (110 kW).
1954 wurde Delahaye von Hotchkiss übernommen, die die Pkw-Produktion stilllegten, um wenige Monate Lkw unter der Bezeichnung Hotchkiss-Delahaye zu produzieren, bis der Namen Delahaye 1956 ganz fallen gelassen wurde.
Fahrzeuge
1895 stellte Delahaye ein noch recht kutschenähnliches Fahrzeug mit selbst entwickeltem Zweizylindermotor vor. Der wassergekühlte Motor war horizontal im Heck eingebaut, lieferte 450/min und leistete 5 PS. Als Höchstgeschwindigkeit wurde 25 km/h angegeben, die Reichweite betrug 300 km. Als Karosserievarianten wurden viersitzige Phaeton- oder sechssitzige Break-Aufbauten angeboten. Die Holzräder hatten eine Gummibeschichtung.[11] Zwei Delahaye-Wagen nahmen im September 1896 am Rennen Paris–Marseille–Paris über rund 1.720 km teil und erreichten das Ziel: Ernest Archdeacon (Nr. 41) wurde Siebter, Émile Delahaye (Nr. 42) Zehnter.[12][13][14]
- Delahaye 5 CV (1895)
- Delahaye 5 CV (Paris–Marseille–Paris 1896, Ernest Archdeacon, Nr. 41, 7. Platz)
- Delahaye 5 CV(Paris–Marseille–Paris 1896, Émile Delahaye, Nr. 42, 10. Platz)
Besondere Fahrzeuge
Der Delahaye 135 M (1937) von Peter Mullin (USA) gewann beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2008 am Comer See die Trofeo BMW Group Italia (Publikumspreis). Es handelte sich hierbei um ein Fahrzeug, von welchem insgesamt nur neun Exemplare gebaut wurden. Das Fahrzeug war 1937 auf dem Pariser Automobilsalon zu sehen und wurde anschließend an einen indischen Maharadscha veräußert. 1987 verließ das Fahrzeug Indien, wurde in England restauriert und anschließend an einen Sammler in Florida verkauft. 1993 kaufte der heutige Eigentümer das Fahrzeug und gewann mit ihm seitdem mehrere Preise.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hediger, Ferdinand; von Fersen, Hans-Heinrich; Sedgwick, Michael: Klassische Wagen, Hallwag AG, Bern und Stuttgart, 1988, ISBN 3-8228-8944-X, S. 144.
- teamdan.com: 24 September – 3 October 1896 – Paris-Marseilles-Paris: 1710 km (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
- Lintelmann, Reinhard: 1000 Automobile, Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft, Köln, ISBN 3-625-10543-8, S. 31.
- Hediger, Ferdinand; von Fersen, Hans-Heinrich; Sedgwick, Michael: Klassische Wagen, Hallwag AG, Bern und Stuttgart, 1988, ISBN 3-8228-8944-X, S. 145.
- Hediger, Ferdinand; von Fersen, Hans-Heinrich; Sedgwick, Michael: Klassische Wagen, Hallwag AG, Bern und Stuttgart, 1988, ISBN 3-8228-8944-X, S. 146.
- edb, S. 147.
- Hediger, Ferdinand; von Fersen, Hans-Heinrich; Sedgwick, Michael: Klassische Wagen, Hallwag AG, Bern und Stuttgart, 1988, ISBN 3-8228-8944-X, S. 148.
- Hediger, Ferdinand; von Fersen, Hans-Heinrich; Sedgwick, Michael: Klassische Wagen, Hallwag AG, Bern und Stuttgart, 1988, ISBN 3-8228-8944-X, S. 150.
- Gloor, Roger: Nachkriegswagen, Benedikt Taschen Verlag, Köln 1994, ISBN 3-8228-8944-X, S. 126.
- Gloor, Roger: Nachkriegswagen, Benedikt Taschen Verlag, Köln 1994, ISBN 3-8228-8944-X, S. 127.
- René Varennes: Voiture à essence de M. E. Delahaye. In: Raoul Vuillemot (Hrsg.): La locomotion automobile. Nr. 8. Paris August 1895, S. 169–172.
- La locomotion automobile: Résultats de la Course des Voitures Automobiles du 24. Septembre 1896. Paris-Marseille-Paris. In: Raoul Vuillemot (Hrsg.): La locomotion automobile. Nr. 17. Paris 1. November 1896, S. 289.
- Le Sport universel illustré: La Course Paris-Marseille-Paris. In: P. Jeanniot (Hrsg.): Le Sport universel illustré. Paris 15. Oktober 1896, S. 314–316.
- The Horseless Age: Paris-Marseille-Paris. Hrsg.: E. P. Ingersoll. The Horseless Age Co., New York Oktober 1896, S. 2–17.