Société de Dietrich et Cie de Lunéville
Société de Dietrich et Cie de Lunéville war ein französischer Hersteller von Automobilen und Eisenbahnwagen.[1]
Société de Dietrich et Cie de Lunéville | |
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Rechtsform | Société en commandite |
Gründung | Ende 1897 |
Auflösung | 1905 (Automobilbau) |
Sitz | Lunéville, Frankreich |
Leitung | Adrien de Turckheim |
Branche | Automobilindustrie |
Vorgeschichte
Der Konzern De Dietrich et Cie existierte seit den 1680er Jahren in Frankreich. Zumindest um 1870 lag der örtliche Schwerpunkt im Elsass und teils in Lothringen. Die Abteilung für Eisenbahnfahrzeuge De Dietrich Ferroviaire war in Reichshoffen ansässig. Die Niederlage Frankreichs im Deutsch-Französischen Krieg von 1870–1871 führte dazu, dass das Unternehmen nun seinen Sitz im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen hatte. Es drohte der Verlust des französischen Marktes.[2] 1880 wurde eine Niederlassung im französischen Lunéville gegründet.[2] Edouard de Turckheim, der in die Familie De Dietrich eingeheiratet hatte, leitete zunächst die Niederlassung.[2] 1890 übernahm sein Sohn Adrien de Turckheim die Leitung.[2]
Eine Absatzrückgang in den 1890er Jahren führte dazu, dass sich das Unternehmen nach einem weiteren Produktionszweig umsah: Automobile.[2]
Eugène de Dietrich leitete das Hauptwerk im deutschen Niederbronn. Zwei Quellen geben an, dass er 1896 ein Abkommen mit Amédée Bollée Junior traf, um eines seiner Fahrzeuge in Lizenz zu fertigen.[3][4] Bereits nach kurzer Zeit war das Modell nicht mehr gut genug.[3][4][5] Zur Verbesserung beauftragte er die Niederlassung in Lunéville mit der Entwicklung und Anfertigung stärkerer Rahmen.[3][4] Auf diese Weise begann 1897 in Lunéville die Automobilproduktion.
Eine andere Quelle meint, dass Adrien de Turckheim im März 1897 die Lizenz von Amédee Bollée Junior erwarb.[2] Zunächst entstanden 20 Fahrzeuge.[2] Im Sommer 1897 wurde ein eigenständiger Lastkraftwagen mit einem Zweizylinder-Frontmotor entwickelt.[2]
Unternehmensgeschichte
Ende 1897 wurde aus der Niederlassung das eigenständige Unternehmen Société de Dietrich et Cie de Lunéville.[2] Die Rechtsform war eine Société en commandite.[2] Mitglieder der Familien de Turckheim und de Dietrich waren beteiligt.[2] Die Produktion von Automobilen wurde fortgesetzt. Der Markenname lautete weiterhin De Dietrich.
1901 waren die Modelle nach Bollée-Art veraltet, was sich auch beim Rennen von Paris nach Berlin im Juni 1901 zeigte.[6] Anfang 1902 wurde ein neues Abkommen mit Turcat-Méry geschlossen, um deren Fahrzeuge mit Frontmotor in Lizenz herzustellen.[2]
1905 kam es zum Streit zwischen Adrien de Turckheim und Eugène de Dietrich. Adrien de Turckheim und Léon Turcat fanden mit Henri Estier, André Lebon, Léopold Renouard und Hubert de Pourtalès vier Personen, die sie finanzkräftig unterstützten, und schafften die komplette Absplittung vom De-Dietrich-Konzern. Das neue Unternehmen hieß Société Lorraine des Anciens Établissements de Dietrich et Cie. Als Markenname wurde Lorraine-Dietrich gewählt.[7]
Die Burlington Carriage Company vertrieb die Fahrzeuge beider De-Dietrich-Marken im Vereinigten Königreich.[8]
De Dietrich baute mindestens bis 1911 weiterhin Eisenbahnwagen in Lunéville.[1]
Fahrzeuge
Die von Eugène de Dietrich 1896 abgeschlossene Lizenz umfasste die dreirädrige[9] De-Dietrich-Voiturette mit Zweizylindermotor[9] und Riemenantrieb[9], für die es keinen Hinweis gibt, dass sie auch in Lunéville gefertigt wurde.
Darauf folgten vierrädrige[9] Fahrzeuge mit einem verstärkten Fahrgestell aus eigener Fertigung und liegende Zweizylindermotoren von Bollée. Der Motor des 6 CV hat 95 mm Bohrung, 160 mm Hub, 2268 cm³ Hubraum und etwa 6 PS Leistung.[5] Beim 9 CV sorgt die erweiterte Bohrung von 110 mm für 3041 cm³ Hubraum und 9 PS Leistung.[5] Gemeinsamkeit ist eine Glührohrzündung und Riemenantrieb. 1900 kostete das kleinere Fahrzeug 9000 Franc.[2] Diese Modelle gab es auch aus deutscher Produktion, dort 6 PS und 9/10 PS genannt.
Für 1900 ist zusätzlich ein 18 CV mit einem Vierzylindermotor überliefert.[2] Er kostete als Fahrgestell bis zu 20.000 Franc.[2]
Eine andere Quelle nennt 5 CV, 9 CV, 12 CV und 18 CV, ohne die Jahre anzugeben.[10]
Nach Turcat-Méry-Lizenz sind für 1902 der 8 CV mit einem Zweizylindermotor sowie die 12 CV, 16 CV und 24 CV mit Vierzylindermotor, automatisch gesteuerten Einlassventilen, Vierganggetriebe und Kettenantrieb bekannt.[9] Eine andere Quelle nennt dagegen 10 CV mit Zweizylindermotor, 16 CV und 24 CV.[11] Für den 16 CV sind 4078 cm³ Hubraum bekannt.[12]
Eine Anzeige von 1903 nennt 10 CV, 12 CV, 16 CV, 24 CV und 40 CV.[13] In der Literatur finden sich für dieses Jahr die Hubraumangaben 3 Liter, 4,1 Liter und 5,4 Liter.[6][14] Für das Rennen von Paris nach Madrid 1903 wurden sechs Rennwagen entworfen, die ebenfalls Vierzylindermotoren hatten. Der Motor des 30 CV hat 124 mm Bohrung, 120 mm Hub, 5797 cm³ Hubraum und 33 PS. Der Radstand beträgt 240 cm und die Spurweite 135 cm. Die Fahrzeuge sind 335 cm lang und 156 cm breit. Sie wiegen 996 kg in der Rennausführung und 1200 kg in einer straßentauglichen Version. Der Motor des 45 CV hat jeweils 150 mm Bohrung und Hub, 10.603 cm³ Hubraum und etwa 45 PS. Die schwächeren Modelle lagen auf den Plätzen 10, 40 und 45 und die stärkeren auf den Plätzen 3, 24 und 46, als das Rennen in Bordeaux abgebrochen wurde.[15]
Für 1904 sind Motoren mit mechanisch gesteuerten Einlassventilen bekannt.[6][14] Außerdem gab es einen Rennwagen mit 12,8 Liter Hubraum und 100 PS.[6]
1905 wurde OHV-Ventilsteuerung eingeführt.[14]
1900 wurden auch Lastkraftwagen angeboten[16] und 1903 Omnibusse[13].
Erhaltene Fahrzeuge
Ein gelber 6 CV als Doppelphaeton gehört zur Sammlung der Cité de l’Automobile in Mülhausen. 2018 war er anlässlich einer Sonderausstellung im Technik-Museum Speyer ausgestellt – dort explizit mit der Angabe Produktionsort Lunéville. Eine Quelle datiert ihn auf das Jahr 1899.[17]
Ein 16-CV-Teilnahmefahrzeug des Autorennens von Paris nach Wien 1902 mit dem britischen Kennzeichen A 2101 wurde 2014 für 1.255.644 Euro versteigert.[18] Bonhams nennt dagegen einen Betrag von 1.121.899 Euro inklusive Aufgeld.[12]
Ein 24 CV von 1903 mit dem Kennzeichen 3 JOT steht im National Motor Museum im britischen Beaulieu und nimmt gelegentlich am London to Brighton Veteran Car Run teil.[19]
Ein anderer 24 CV von 1903 mit dem Kennzeichen A 1853 steht in der Shuttleworth Collection.[20]
Stückzahlen und Umsatz
Nachstehend eine Tabelle mit der Anzahl hergestellter Automobile und dem Umsatz aus Automobilverkäufen. Das Geschäftsjahr lief jeweils bis Ende September.[21]
Geschäftsjahr | Anzahl hergestellter Automobile | Umsatz aus Automobilverkäufen (in Franc) | |
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1898 | 72 | 642.000 | |
1899 | 100 | 952.000 | |
1900 | 107 | 1.121.000 | |
1901 | 164 | 1.440.000 | |
1902 | 253 | 2.550.000 | |
1903 | 311 | 4.950.000 | |
1904 | 277 | 4.722.000 | |
1905 | 430 | 6.425.000 | Diese Angaben können bereits Zahlen der Nachfolgegesellschaft enthalten. |
Einzelne Zahlen werden an anderer Stelle in der gleichen Quelle und in anderen Quellen bestätigt, wobei dort nicht auf das abweichende Geschäftsjahr eingegangen wird. So sind 72 Autos für 1898[2], 107 für 1900[14], 164 für 1901[2] und 253 für 1902[6] genannt sowie 642.000 Franc für 1898[2] und 1.440.000 Franc für 1901[2].
Weblinks
Einzelnachweise
- Exposition universelle. 1911. Turin (Hrsg.): Groupe VII. Classes 39 et 40. Industrie des Transports. Chemins de fer et tramways. S. Tabelle 6 (cnam.fr).
- James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 56–58 (englisch).
- Harald H. Linz, Halwart Schrader: Die Internationale Automobil-Enzyklopädie. United Soft Media Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8032-9876-8, Kapitel De Dietrich.
- Halwart Schrader: Deutsche Autos. Band 1: 1885–1920. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-02211-7, S. 134–137.
- Hans-Heinrich von Fersen: Autos in Deutschland 1885–1920. Eine Typengeschichte. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-87943-038-1, S. 148–152.
- George Nicholas Georgano: The New Encyclopedia of Motorcars. 1885 to the Present. E. P. Dutton, New York 1982, ISBN 0-525-93254-2, S. 185–186 (englisch).
- James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 162–164 (englisch).
- Burlington Carriage Co Auf gracesguide, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
- George Nicholas Georgano: Autos. Encyclopédie complète. 1885 à nos jours. Courtille, Paris 1975, S. 215 (französisch).
- Eric Favre: Bollée Amédée fils, faire avancer l’automobile Auf gazoline.net vom 12. August 2017, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
- Eric Favre: Turcat-Mery, galéjade marseillaise Auf gazoline.net vom 2. Februar 2003, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
- 1902 De Dietrich 16-hp "Paris-Vienna" Rear-Entrance Tonneau Auf bonhams.com, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
- Anzeige von 1903 Abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
- George Nicholas Georgano (Hrsg.): The Beaulieu Encyclopedia of the Automobile. Band 1: A–F. Fitzroy Dearborn Publishers, Chicago 2001, ISBN 1-57958-293-1, S. 397–398 (englisch).
- Jacques Rousseau, Jean-Paul Caron: Guide de l'automobile française. Éditions Solar, Paris 1988, ISBN 2-263-01105-6, Eintrag 97 (französisch).
- De Dietrich Auf gracesguide.co.uk, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
- Jean-Noël Rossignol: De Dietrich HP Double Phaeton 1899 Auf patrimoineautomobile.com vom 20. Januar 2019, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
- De Dietrich 16 hp Paris-Vienne Tonneau porte arrière (1902) Auf guide-automobiles-anciennes.com, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
- De Dietrich: 3 JOT Auf gracesguide, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
- De Dietrich Auf shuttleworth.org, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
- James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 214 (englisch).