Bahnstromleitung
Eine Bahnstromleitung ist eine Hochspannungsleitung zur Stromversorgung elektrifizierter Eisenbahnen. Bahnstromleitungen versorgen die Unterwerke, die ihrerseits über den Fahrdraht an der Bahnstrecke die Triebfahrzeuge speisen (Speiseleitung). Dieses System wird auch als zentrale Bahnstromversorgung bezeichnet – im Unterschied zur dezentralen Bahnstromversorgung, bei der die Energie aus dem öffentlichen Stromnetz bereitgestellt wird.
Äußerlich sind Bahnstromleitungen meist daran zu erkennen, dass sie zwei oder vier, in seltenen Fällen auch acht Leiterseile tragen. Das Bahnstromnetz ist weitgehend unabhängig vom Drehstromnetz ausgeführt, das der allgemeinen Stromversorgung dient und dessen Leitungen meist aus drei oder sechs Leiterseilen bestehen.
Die Bahnstromnetze Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sind miteinander verbunden, zum Beispiel über die Bahnstromleitung Muttenz–Haltingen.
Betriebsweise
Bahnstromleitungen werden symmetrisch gegen Erde betrieben. Bei einer 110-kV-Bahnstromleitung weist somit jeder der beiden Leiter eines Stromkreises eine Spannung von 55 kV gegen Erde auf, wobei die Phasenlagen dieser Spannungen um 180° gegeneinander versetzt sind. Die Frequenz des Bahnstroms wurde 1912 erstmals vertraglich auf 16 2⁄3 Hz (≈16,667 Hz) festgesetzt, was genau einem Drittel der Frequenz des Drehstromnetzes (50 Hz) entsprach. Da dieses ganzzahlige Verhältnis jedoch in Umrichterwerken, die Drehstrom in Bahnstrom umwandeln, zu nachteiligen Nebenwirkungen führte, wurde die Bahnstromfrequenz 1995 einheitlich um 0,2 Prozent auf exakt 16,7 Hz angehoben.
Die Erdung des Bahnstromnetzes wird in größeren Unterwerken und in Bahnkraftwerken über Petersenspulen zur Löschung des Erdschlussstroms vorgenommen. Wie bei allen symmetrischen Stromleitungen gibt es auch bei Bahnstromleitungen Verdrillungen.
Während in Deutschland und Österreich fast alle Bahnstromleitungen mit 110 kV, derselben Spannung wie im öffentlichen Drehstromnetz, betrieben werden, sind in der Schweiz die Spannungsebenen 66 kV und 132 kV vorzufinden. Zur Versorgung der Wiener S-Bahn werden einige Bahnstromleitungen auf dem Gebiet der österreichischen Hauptstadt mit 55 kV betrieben (Leitung Auhof–Hütteldorf und Leitungsring Hütteldorf–Meidling–Simmering–Floridsdorf–Hütteldorf).[1]
Geschichte
Anfänge der Bahnstromversorgung
Während die erste elektrische Eisenbahn, die 1879 durch Siemens & Halske in Berlin gebaut und vorgestellt wurde, noch mit einem Gleichstrom-Reihenschlussmotor betrieben wurde, stand schon um das Jahr 1900 im Zuge großflächiger Versuche zur Anwendung elektrischer Energie für Eisenbahnen fest, dass aufgrund der großen Entfernungen ein wirtschaftlicher Betrieb elektrischer Bahnen nur mit Wechselstrom möglich sein kann.
Die erste elektrifizierte Eisenbahnstrecke in Deutschland war 1905 die Ammergaubahn zwischen Murnau und Oberammergau, die mit Einphasenwechselstrom bei einer Spannung von 5,5 kV und einer Frequenz von 16 Hz aus dem Wasserkraftwerk Kammerl versorgt wurde. Der ursprünglich geplante Betrieb mit Dreiphasenwechselstrom war wegen noch nicht beherrschbarer technischer Probleme nicht möglich gewesen, weswegen die Bahnstrecke am 5. April 1900 mit Dampflokomotiven in Betrieb ging und erst später auf die eigens entwickelten Triebfahrzeuge vom Modell LAG Nr. 674 bis 677 umgestellt wurde.
Im Jahr 1909 begann man unter Führung der Königlichen Eisenbahn-Direktion Halle mit dem elektrischen Versuchsbetrieb auf der Fernstrecke zwischen Dessau und Bitterfeld. Zur Bereitstellung von elektrischer Energie wurde ein Kraftwerk im nahegelegenen Muldenstein errichtet, das mit Braunkohle aus der Umgebung (Mitteldeutsches Revier) befeuert wurde. Am 18. Januar 1911, dem 40. Jubiläum der Reichsgründung, wurde der elektrische Betrieb zwischen Dessau und Bitterfeld mit zunächst 5 kV Spannung bei 15 Hz Frequenz und Lokomotiven von der Ammergaubahn gestartet. Zum 1. April 1911[2] wurde auf die vorgesehene Spannung von 10 kV umgestellt. Ab Juni 1911 waren dann ausschließlich elektrische Lokomotiven auf der Strecke unterwegs.
Der große Erfolg des Projektes veranlasste den preußischen Landtag zur Bewilligung weiterer Versuchsstrecken in Anhalt und Schlesien. Wegen der damals noch nicht bestehenden Möglichkeit, kompakte Gleichrichter auf den Zügen zu installieren, war die Nutzung der öffentlichen Netzfrequenz von 50 Hz für den elektrischen Bahnbetrieb nach wie vor nicht möglich. In Preußen legte man daher zunächst die Spannung, entsprechend der Strecke Dessau–Bitterfeld, für neue Projekte auf 10 kV und die Frequenz auf 15 Hz fest. Jedoch ergab sich schnell die Notwendigkeit, für eine mögliche reichsweite Elektrifizierung ein einheitliches System zu betreiben.
Im Übereinkommen betreffend die Ausführung elektrischer Zugförderung legten sich die preußisch-hessische, badische und bayerischen Staatsbahn schließlich auf eine Spannung von 15 kV mit einer Frequenz von 16 2⁄3 Hz fest – dies entsprach genau einem Drittel der Frequenz im öffentlichen Netz von 50 Hz. Später schlossen sich auch Österreich, die Schweiz, Norwegen und Schweden dem Abkommen an.[3]
1913 ging nach dreijähriger Bauzeit das Saalachkraftwerk in Bad Reichenhall in Betrieb, um in die nahegelegenen Bahnstrecken Freilassing–Bad Reichenhall und Bad Reichenhall–Berchtesgaden zu speisen. Im selben Jahr wurde das Kraftwerk Muldenstein auf die neu festgelegte Betriebsspannung umgestellt. Somit kann der elektrische Betrieb der Bahnstrecke von Dessau nach Magdeburg und von Bitterfeld nach Leipzig erweitert werden.
Bis zur vorübergehenden Einstellung des elektrischen Betriebes aufgrund des Ersten Weltkrieges im August 1914 entstand ein Unterwerk in Leipzig-Wahren, das über eine 60-kV-Leitung von Kraftwerk Muldenstein her versorgt wurde und die Fahrleitung speiste.[4]
Bahnstromnetz in Schlesien
Bewilligt durch den preußischen Landtag wurde 1912 mit der Elektrifizierung der Bahnstrecke Lauban–Königszelt sowie einigen von ihr abzweigenden Nebenstrecken begonnen. Für dieses Projekt wurden insgesamt 9,9 Millionen Mark bereitgestellt.
In Mittelsteine wurde ab 1912 ein Kraftwerk errichtet, dass mit Steinkohle aus nahe gelegenen Gruben befeuert wurde. Zur Einspeisung des dort erzeugten Stroms in die Fahrleitung der Bahnstrecke wurden vier turmförmige Unterwerke mit eingehausten Schaltanlagen entlang der Strecke bei Nieder Salzbrunn, Ruhbank, Hirschberg und Lauban errichtet. Obwohl schon im Frühjahr 1913 mit dem Bau der Anlagen begonnen wurde, konnte bis Frühjahr 1914 neben dem Kraftwerk Mittelsteine nur das Unterwerk in Nieder Salzbrunn fertiggestellt werden. Aufgrund des Ersten Weltkrieges stockte die Fertigstellung aller Anlagen, unter anderem, weil die Fahrleitungsanlagen zu Kriegszwecken abgebaut wurde. Erst 1922 wurde die Elektrifizierung der Bahnstrecke mit Inbetriebnahme aller Unterwerke komplett fertiggestellt. Ein fünftes Unterwerk in Breslau war geplant, allerdings nicht realisiert worden.
Das Fernleitungsnetz für die schlesischen Bahnstrecken wurde mit 80 kV Spannung und 16 2⁄3 Hz Frequenz betrieben – im Unterschied zu den heute üblichen 110 kV. In den vier Unterwerken wurde die Spannung von 80 kV auf 15 kV heruntertransformiert. In der letzten Ausbaustufe Ende der 1920er Jahre erzeugte das Kraftwerk Mittelsteine bis zu 24 MW elektrischer Leistung.
Die Freileitungsmasten waren für die Aufnahme von zwei Systemen Einphasenwechselstrom ausgelegt, womit pro Stromkreis zwei Leiterseile (insgesamt vier plus Erdseil) am Gestänge aufgehängt waren. Die zuerst gebauten Masten verfügten über zwei Traversen, von denen die obere schmaler ausgelegt wurde als die untere und schräg nach oben verstrebt war. Da sich diese Bauform als störanfällig bei Eisbildung erwies, baute man anschließend nur noch Masten mit einer Traverse. Am 5. Januar 1929 kam es infolge starker Vereisung bei Gaablau und Juliansdorf zu Mastbrüchen, was zur Einstellung des elektrischen Bahnbetriebs führte. Erst am 7. Januar 1929 konnte der elektrische Bahnbetrieb wieder in vollem Umfang aufgenommen werden, nachdem provisorische Holzmasten aufgestellt wurden. Unweit der betroffenen Stelle waren nach einer ähnlichen Störung schon 1921 neue Masten errichtet worden, die für die achtfache Eislast ausgelegt waren und die Vereisung 1929 schadlos überstanden. Daher wurden bis 1934 die meisten Leitungsabschnitte für die zehnfache Eislast ausgelegt, indem die Abstände zwischen den Masten und damit der Durchhang verringert und Bronze statt Kupfer für die Leiterseile verwendet wurde. Die ursprünglich für das Unterwerk Breslau vorgesehenen Transformatoren wurden für eine Heizschaltung im Unterwerk Niedersalzbrunn verwendet.[5]
Errichtet wurden folgende Leitungsabschnitte:
- Kraftwerk Mittelsteine – Niedersalzbrunn
- Niedersalzbrunn – Ruhbank
- Ruhbank – Hirschberg
- Hirschberg – Lauban
- Niedersalzbrunn – Mettkau (Speiseleitung 15 kV)
Die Leitung von Niedersalzbrunn nach Mettkau sollte ursprünglich weiter zum geplanten Unterwerk Breslau führen und mit 80 kV betrieben werden, wofür die realisierten Teile der Leitung bereits ausgelegt waren.
Da nach Ende des Zweiten Weltkrieges Abschnitte der Leitungen für dem Betrieb mit Drehstrom umgerüstet wurden (siehe Abschnitt Trennung der Bestandsnetze), sind nach wie vor zahlreiche Originalmaste vom Anfang der 1920er Jahre erhalten und in Betrieb:
- Alte, heute mit Drehstrom betriebene Bahnstrom-Freileitung in Schlesien: Zuerst verwendeter Masttyp mit zwei …
- … und später verwendeter Typ mit einer Traverse
- Schutzbrücke über Straße
- Überblick über die verwendeten Masttypen
Ausbau in Süddeutschland
Wie zunächst in Schlesien wurde auch in Bayern ein Elektrifizierungsprogramm der Deutschen Reichsbahn durchgeführt. Schon 1897 gab es Pläne zur Elektrifizierung der bayerischen Bahnstrecken mit Energie aus dem von Oskar von Miller projektierten Walchenseekraftwerk. Nach dem Ersten Weltkrieg war es jedoch erst Anfang der 1920er Jahre möglich, diese Pläne wieder ins Auge zu fassen – auch, da sich der elektrisch Bahnbetrieb in Mitteldeutschland und Schlesien bewährte.
Im Zuge dieses Programmes war die Elektrifizierung von zunächst ca. 800 km Bahnstrecken im Großraum München vorgesehen. Die Energie hierfür sollte aus dem seit 1918 in Bau befindlichen Walchenseekraftwerk kommen. Daneben wurden noch einige Laufwasserkraftwerke entlang der Isar zwischen München und Landshut errichtet und in das Fernleitungsnetz mit einbezogen. Dabei handelte es sich um die Kraftwerke Aufkirchen, Eitting und Pfrombach. Schließlich ging das Walchenseekraftwerk 1924 in Betrieb, außerdem entstanden von dort ausgehend die ersten bayerischen Bahnstromleitungen:
- Walchenseekraftwerk–Pasing
- Pasing–Augsburg
- Pasing–Landshut
- Aufkirchen–Eitting–Pfrombach–Landshut
- Walchenseekraftwerk–Holzkirchen–Rosenheim–Traunstein.
Im Jahr 1927 wurde das Saalachkraftwerk in Bad Reichenhall über eine einkreisige 110-kV-Leitungsverbindung an die Leitung Traunstein–Steindorf angebunden und eine Leitung von Landshut nach Regensburg-Burgweinting errichtet.
In den 1930er Jahren begann die Reichsbahndirektion Stuttgart mit der Elektrifizierung ihrer Strecke Stuttgart–Ulm (Württembergische Ostbahn) samt der Fortsetzung Ulm–Augsburg, dieses Vorhaben wurde im Juni 1933 abgeschlossen. Zur Streckenversorgung entstanden Unterwerke in Neu-Ulm und Plochingen, außerdem wurde zur Bereitstellung zusätzlicher Energie als Reserve im Kraftwerk Stuttgart-Münster ein Turbosatz für Bahnstrom installiert. Von Augsburg wurde eine zweikreisige Bahnstromleitung über die Unterwerke zum Kraftwerk Münster errichtet und 1933 fertiggestellt.[6]
Nach dem Abschluss der Elektrifizierung zwischen Stuttgart und Augsburg beschlossen Reichs- und Landesregierung sowie die Reichsbahn, nun auch die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Strecke Nürnberg–Augsburg zu elektrifizieren. Mitte 1933 begannen die größtenteils ohne Maschinen durchgeführten Arbeiten, die unter dem NS-Regime als Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung propagiert wurde. Am 15. Mai 1935 wurde der elektrische Betrieb dann erstmals aufgenommen. Für die Versorgung der Fahrleitung wurde bei Grönhart ein Unterwerk errichtet, dass über eine zweikreisige Bahnstromleitung mit dem Unterwerk Landshut verbunden war.[7]
Im Jahr 1938 wurde das Unterwerk Grönhart über eine zweikreisige Leitung mit dem neu entstandenen Bahnstrom-Umformerwerk in Nürnberg verbunden. Diese Anlage war im Zuge der voraussehbaren Elektrifizierung der Bahnstrecke von Nürnberg nach Leipzig errichtet worden und war das erste derartige Werk in Deutschland, das den Strom aus dem öffentlichen 50-Hz-Netz in Bahnstrom umformte.
Während die bayerischen Bahnstromleitungen zunächst auf Masten mit zwei Traversen verlegt wurden, baute man ab circa Anfang der 1930er Jahre nur noch Masten mit einer Traverse, so etwa auf den Leitungen Augsburg–Stuttgart, Landshut–Nürnberg, Nürnberg–Leipzig und Landshut–Rosenheim.
Bahnstromnetz in Mitteldeutschland
Nachdem im Frühjahr 1922 der elektrische Betrieb auf der Bahnstrecke Magdeburg–Leipzig wieder aufgenommen wurde, erhöhte man die Stromproduktion im Kraftwerk Muldenstein erheblich, da weitere Nebenstrecken elektrifiziert wurden. Das mit 60 kV betriebene Fernleitungsnetz, das seinen Anfang mit der Verbindung von Kraftwerk Muldenstein zum Unterwerk Leipzig-Wahren genommen hat, wurde um die Verbindungen Muldenstein–Köthen und Köthen–Marke erweitert.[8]
Meilensteine waren 1934 die Elektrifizierung der Strecke Halle–Magdeburg und 1939 der Strecke Nürnberg–Saalfeld. Bis 1942 wurde diese Bahnstrecke bis nach Leipzig durchgehend elektrifiziert, womit das bayerische und mitteldeutsche Netz an elektrisch betriebenen Bahnstrecken miteinander verbunden waren.
Für die Stromversorgung der Strecke Nürnberg–Leipzig wurde 1939 eine zweikreisige 110-kV-Bahnstromleitung gebaut, die im Bahnstromumformerwerk Nürnberg begann und über die Unterwerke Zapfendorf, Steinbach am Wald, Rothenstein und Großkorbetha zum Unterwerk Leipzig-Wahren führte. Somit war eine Verbindung des bayerischen Bahnstromnetzes mit dem mitteldeutschen Netz um das Kraftwerk Muldenstein hergestellt.[9]
Leitungsbau in Österreich
Die Elektrifizierung der Strecken der Bundesbahnen Österreich und der damit einhergehende Bau von Bahnstromleitungen begann 1937 und wurde durch die Elektrisierungsdirektion der Abwicklungsstelle Österreich des Reichsverkehrsministeriums in Wien vorangetrieben. Die erste, 1938 fertiggestellte Leitung führte von der Schaltstelle Vorderstubach bei St. Johann im Pongau über den Pass Lueg an Elsbethen bei Salzburg vorbei nach Steindorf bei Straßwalchen.
Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 durch die Nationalsozialisten wurde diese Leitung, die nun als 110-kV-Bahnstromfernleitung der Deutschen Reichsbahn in der Ostmark bezeichnet wurde, von Steindorf nach Traunstein erweitert, um einen Anschluss an das deutsche Bahnstromnetz anzuschließen. Diese Leitung wurde 1939 fertiggestellt.
Im Unterschied zu den deutschen Bahnstromleitungen wurden die auf österreichischem Gebiet liegenden Leitungen nicht mit Stahlfachwerk-, sondern mit Betonmasten durch das Bauunternehmen A. Porr ausgeführt (sog. System Porr). Montiert wurden die Leitungen durch die Siemens-Schuckertwerke und Brown, Boveri & Cie.[10]
Eine zweite Leitungsverbindung nach Österreich führte, um den Verbundbetrieb zwischen den Netzen zu ermöglichen, vom Walchenseekraftwerk nach Zirl.[11]
Trennung der Bestandsnetze
Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnete die sowjetische Besatzungsmacht als Reparationsleistung den Abbau zahlreicher Bahnstrecken und zugehöriger Versorgungsanlagen in ihrer Besatzungszone an, was die Netze in Schlesien und Mitteldeutschland sowie die Verbindung zum süddeutschen Bahnstromnetz betraf. Von den Bahnstromleitungen im nun unter polnische Verwaltung gestellten Schlesien wurde der Großteil (etwa 80 km) abgebaut, ebenso ein Großteil des elektrisch befahrbaren Streckennetzes. Die Leitung vom Kraftwerk Mittelsteine nach Niedersalzbrunn wurde, wie das Kraftwerk selbst, weitestgehend abgebaut, genau wie der Leitungsabschnitt von Niedersalzbrunn nach Ruhbank bis in Höhe von Obersalzbrunn. Die Abschnitte Hirschberg–Lauban und Niedersalzbrunn–Mettkau wurden zum Teil abgebaut.
Die nicht von der Demontage betroffenen Leitungsabschnitte wurden für den Betrieb im öffentlichen polnischen 50-Hz-Netz weiterverwendet. Dabei wurde ein Leiterseil entfernt, womit ein Drehstromkreis über die Masten geführt werden konnte. In der Regel handelte es sich dabei um 110- und 15-kV-Verbindungen. Bis heute sind diese Leitungen in Polen auf den Originalmasten vom Anfang der 1920er Jahre verlegt. Unter den noch immer vorhandenen Masten befindet sich auch eine Konstruktion mit Schutzbrücke über eine Straße.
Die Leitungsverbindung von Nürnberg nach Leipzig wurde 1946 unterbrochen und auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone demontiert. Das hatte zur Folge, dass die von Nürnberg aus kommende Leitung, die auf bayerischem Gebiet nach wie vor der Versorgung der Bahnstrecke Nürnberg–Leipzig diente, bis zum Unterwerk Steinbach am Wald betrieben wurde und sich von dort bis kurz vor die Zonengrenze ein funktionsloser Leitungsabschnitt fortsetzte. Für eine geplante Elektrifizierung der Transitstrecke wurde sie allerdings stehen gelassen.[12] Problematisch erwies sich die Führung südlich von Steinbach am Wald, da diese Leitung zwischen Wörlsdorf und Welitsch auf einigen Kilometern über das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR führte. Nach dem Bau der innerdeutschen Grenzanlagen 1961 konnten in diesem Abschnitt seitens der 1949 in Westdeutschland gegründeten Bundesbahn keine Maßnahmen zur Trassenerhaltung mehr durchgeführt werden, weshalb aufgrund der in die Leitungstrasse hineinwachsenden Bäume mehrfach Erdschlüsse auftraten. Im Jahr 1967 wurde dieser Leitungsabschnitt durch eine nur auf bayerischem (westdeutschem) Gebiet verlaufende Leitung ersetzt. Bis zur Erneuerung der Masten in den Jahren 2017 und 2018 konnte man den Wechsel zwischen alter und neuer Trasse anhand der unterschiedlichen Mastebauweisen nachvollziehen.[13]
Netzausbau in der Bundesrepublik
In den 1950er Jahren wuchs mit der Elektrifizierung zahlreicher wichtiger Bahnstrecken das Netz an Bahnstromleitungen in Westdeutschland erheblich.[14] Gegenüber der zunächst in Bayern angewendeten Mastform mit zwei Traversen setzte sich der Masttyp mit einer Traverse durch. Ein Meilenstein war die Elektrifizierung der Bahnstrecke Mannheim–Basel in den 1950er Jahren. Versorgt wurde sie mit Energie aus dem Großkraftwerk Mannheim, das seit 1955 über eine Voith-Marguerre-Kupplung Bahnstrom (Einphasenwechselstrom) erzeugte. Die zugehörige Bahnstromleitung wurde von Mannheim in Richtung Norden über Weiterstadt nach Aschaffenburg verlegt, wo ab 1961 im dortigen Kraftwerk ebenfalls eine Bahnstrommaschine installiert wurde. In Richtung Süden führte die Leitung dann über Karlsruhe, Offenburg und Freiburg bis Haltingen, wo ab 1957 Anschluss an das 132-kV-Bahnstromnetz der Schweizerischen Bundesbahnen bestand.
Auch viele Strecken im Rheinland und im Ruhrgebiet wurden in den 1950er Jahren elektrifiziert, wofür neue Leitungen und Umrichterwerke gebaut wurden. In den 1960er Jahren führte das Bahnstromnetz der Deutschen Bundesbahn von Aschaffenburg über Borken und Lehrte bis nach Hamburg sowie von Borken ins Ruhrgebiet. Bis in die 1970er Jahre war der weitere grundlegende Ausbau zwischen Hamburg, dem Saarland und Bayern weitgehend abgeschlossen und ein durchgehend vermaschtes Netz an Bahnstromleitungen durchzog den größten Teil der alten Bundesrepublik.
Neben Kohlekraftwerken, die besonders im Ruhrgebiet auch Bahnstrom erzeugten, bezog die Bundesbahn auch vermehrt Strom aus Wasserkraftwerken. Einige Laufwasserkraftwerke entstanden an der Donau zwischen Donauwörth und Ingolstadt bei Bergheim, Bertoldsheim, Bittenbrunn, Ingolstadt und Vohburg. Zum Netzanschluss in die 110-kV-Ebene wurde die ursprüngliche Leitung Landshut–Grönhart in ihrem Verlauf neu trassiert und an die Schaltanlagen der Kraftwerke angeschlossen.
Ebenfalls in den 1970er Jahren entstanden zwei wichtige Kraftwerke für Bahnstrom im Süden Deutschlands: Zum einen das Kernkraftwerk Neckarwestheim, zum anderen das Pumpspeicherkraftwerk Langenprozelten. Beide Kraftwerksstandorte wurden über eigene Leitungen miteinander gekoppelt. Diese hoch belasteten Bahnstromleitungen wurden mit Zweier- oder sogar Viererbündeln ausgerüstet. Die später als Ergänzung gebaute Bahnstromleitung Flörsheim–Stuttgart, die neben der Verbindung dieser Standorte mit dem Großkraftwerk Mannheim, einem weiteren Bahnstromerzeuger, auch der Versorgung der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart dient, wurde sogar als durchgehend vierkreisige Leitung mit möglichem Ausbau auf 220 kV dimensioniert. Das Kernkraftwerk Neckarwestheim dient mit seiner Bahnstromversorgung auch als Ersatz für das Kraftwerk Stuttgart-Münster, das die Bahnstromerzeugung 1976 einstellte.
- Typischer Mast der Deutschen Bundesbahn aus den 1950er Jahren (Leitung Aschaffenburg–Weiterstadt)
- Vierkreisige Trasse mit Einführung in das Unterwerk Eutingen
- Die Bahnstromleitung von Flörsheim nach Stuttgart-Zazenhausen (links) ist für einen zukünftigen Betrieb mit 220 kV ausgelegt
Bahnstromversorgung in der DDR
Da nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion die im Zuge von Reparationsleistungen abgebauten Anlagen der elektrischen Bahnstrecken, so auch die Ausrüstung des Bahnkraftwerks Muldenstein, nicht verwenden konnte, wurden sie in den 1950er Jahren wieder an die DDR zurückverkauft. Die Bahnstromerzeugung konnte somit wieder aufgenommen werden. Da die von Muldenstein wegführenden Freileitungen ebenfalls abgebaut wurden, errichtete man Leitungen auf neuen Masten. Das entstehende Netz deckte jedoch nur den Süden des Staatsgebietes (östliches Thüringen, südliches Sachsen-Anhalt und Sachsen) ab.
Die Leitungsmasten ähnelten dem in der DDR weit verbreiteten Masttyp für Drehstromleitungen in Einebenenanordnung, wurden dabei aber entweder mit einem oder auch zwei Erdseilen ausgestattet. Im Wesentlichen handelte es sich bei dem Leitungsnetz um einen Ring von Muldenstein über die Unterwerke Leipzig-Wahren, Großkorbetha, Gößnitz, Karl-Marx-Stadt, Dresden-Stetzsch, Dresden-Niedersedlitz, Böhla, Riesa, Wurzen zurück nach Muldenstein. Später entstanden Leitungsabzweige von Großkorbetha nach Weimar und von Gößnitz nach Werdau.
In den restlichen Gebieten der DDR, in denen es bis Kriegsende keine elektrifizierten Eisenbahnstrecken und bis zur Wiedervereinigung keine Bahnstromleitungen gab, wurde die Bereitstellung der Energie über dezentrale Umformerwerke aus dem 50-Hz-Landesnetz gewährleistet. Durch den Verzicht auf eigene Bahnstromleitungen konnten die Investitionskosten gesenkt werden, allerdings mussten mehr Umformersätze als eigentlich notwendig vorgehalten werden, um die Netzversorgung auch bei Störungsfällen auf der 50-Hz-Ebene aufrechterhalten zu können.[15]
Entwicklung seit 1990
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden beide deutsche Netze wieder miteinander verbunden. So wurde am 14. März 1995 die Leitung Lehrte–Heeren in Betrieb genommen und somit erstmals wieder eine Verbindung zwischen beiden Bahnstromnetzen hergestellt. Im Lauf der Zeit dehnte sich das Netz an neuen Bahnstromleitungen nun bis nach Berlin und von dort nach Süden zum bestehenden DDR-Bahnstromnetz am 1994 stillgelegten Kraftwerk Muldenstein aus. Eine zweite Leitung ging am 29. Februar 1996 zwischen Bebra und Weimar in Betrieb, die weitgehend parallel der A 4 verläuft. Am 23. Juni 2001 wurde die dritte Verbindungsleitung zwischen Weimar und Saalfeld fertiggestellt.[16] Eine Verbindung von Steinbach am Wald nach Saalfeld wurde bereits 1996 eingerichtet, wobei die alten Masten der bislang blind an der ehemaligen innerdeutschen Grenze endenden Leitung entfernt wurden und stattdessen ein kompletter Leitungsneubau nach Thüringen folgte. Die Leitungen aus Bebra und Saalfeld führen von Unterwerk Weimar bis Mellingen ostwärts auf gemeinsamen Masten mit zwei Traversen. Die obere geht nach Saalfeld die untere nach Bebra. Die Leitungen trennen sich genau über der Bahnstrecke Weimar–Gera. Die Bebrarer Leitung geht dann zur A4 und folgt ihr Richtung Westen.
Eine vierte neu gebaute Leitung, die die ehemalige innerdeutsche Grenze quert, führt von Lüneburg nach Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Es handelt sich um die einzige Bahnstromleitung in dem Bundesland.
Erst als in den 1990er Jahren Bahnstrecken in Schleswig-Holstein elektrifiziert wurden, wurde die erste Bahnstromverbindung im nördlichsten deutschen Bundesland errichtet, die vom Schaltwerk Nenndorf südlich von Hamburg bis nach Jübek bei Schleswig führt. Als Besonderheit nutzt sie vier Leiterseile der beiden bisher ungenutzten Stromkreise der Elbekreuzung 2.
Anfang der 2000er Jahre wurden sämtliche aus den 1920er und 1930er Jahren stammende Bahnstromleitungen in Süddeutschland erneuert, wobei die alten Mastgestänge durch Neukonstruktionen auf gleicher Trasse ersetzt wurden. Da diese Leitungen ursprünglich nur für eine Betriebstemperatur von +40 °C ausgelegt waren und daher sowohl ein aus heutiger Sicht als zu niedrig gesehener Mindestabstand zum Boden eingehalten als auch ein zu niedriger Belastungsgrenzwert gewählt wurde, musste an einigen Stellen, etwa in Germering, eine komplett neue Trasse gebaut werden.[17]
Auch die österreichischen Porr-Betonmasten wurden, größtenteils Mitte/Ende der 1990er Jahre, aufgrund ihres schlechten Zustandes durch konventionelle Stahlfachwerkmasten ersetzt.[10]
Für die zahlreichen in Betrieb gegangenen Neubaustrecken der Deutschen Bahn wurden teils eigene Bahnstromleitungen neu gebaut, so etwa für die Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main oder die Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle, Hier wurde das Unterwerk Weimar sogar erweitert.
Ein einziger Rückbau ist derzeit bekannt: Die Bahnstromverbindung von Holzkirchen nach Rosenheim wurde zunächst nur noch einkreisig betrieben und im Sommer 2004 komplett zurückgebaut.
Das deutsche Netz an Bahnstromleitungen hat (Stand Februar 2016) eine Länge von insgesamt 7754 km.[18]
Freileitungen
Um die Leitungsführung kurz zu halten und um unnötige Beeinflussungen elektrischer Anlagen im Streckenbereich zu vermeiden, werden Bahnstromleitungen üblicherweise nicht parallel zur Bahnlinie verlegt, obwohl dies technisch möglich ist und insbesondere entlang von S-Bahnstrecken auch gemacht wird.
Die meisten Bahnstromleitungen sind als Freileitung ausgeführt. Kabelstrecken gibt es nur in der Nähe mancher Kraftwerke und Unterwerke sowie in einigen Ballungsgebieten, wie etwa in Basel. Als Masten werden in Deutschland und Österreich meistens Stahlfachwerkmasten eingesetzt, in der Schweiz ist die Verlegung auf Betonmasten verbreitet. Eine einzelne Bahnstromleitung besitzt zwei Leiter. Eine Leitungstrasse besteht meist aus zwei voneinander unabhängig schaltbaren Leitungen, es sind somit vier Leiterseile verlegt (im Unterschied zu Drehstrom-Leitungen, deren Leiteranzahl immer ein ganzzahliges Vielfaches von Drei beträgt). Die meisten Bahnstromleitungen mit vier Leiterseilen in Deutschland sind in Einebenenanordnung ausgeführt, in Österreich und der Schweiz ist Zweiebenenanordnung üblich.
Bei Bahnstromleitungen mit vier Systemen (acht Leiterseile) wird fast immer die Zweiebenenanordnung gewählt, wobei jede der beiden Traversen vier Leiterseile trägt. Die in den 1980er Jahren gebaute und 1990 komplett fertiggestellte Bahnstromleitung Flörsheim–Stuttgart verwendet Masten mit drei Ebenen, bei denen die oberen beiden und die unterste Traverse je zwei Systeme aufnehmen. Sie dient hauptsächlich der Versorgung der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart. Es gibt auch – meist in der Nähe von Unterwerken – Bahnstromleitungen mit sechs Systemen (zwölf Leiterseile), die fast immer in Dreiebenenanordnung (vier Leiterseile pro Traverse) ausgeführt sind.
Wie die meisten Freileitungen mit Betriebsspannungen von 110 kV verwenden auch Bahnstromleitungen nur selten Bündelleiter. Lediglich bei einigen hoch ausgelasteten Leitungen, z. B. in Südhessen und Baden-Württemberg, parallel zur Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg sowie für die unmittelbaren Abgänge von zahlreichen Bahnkraftwerken wurden Zweierbündel verbaut. Die Bahnstromleitungen vom Kernkraftwerk Neckarwestheim zum Bahnstromschaltwerk Neckarwestheim und die Bahnstromleitung Neckarwestheim–Zazenhausen sind mit Viererbündeln ausgeführt.
Abgesehen von manchen an Oberleitungsmasten verlegten Abschnitten werden Bahnstromleitungen fast immer mit einem Erdseil ausgestattet, nur bei Verlegung auf Hybridmasten, etwa bei Frankfurt-Rödelheim oder Neckarwestheim, kommen gelegentlich zwei Erdseile zum Einsatz.
Manche Bahnstromleitungen führen auf einigen kurzen Abschnitten nahe den Unterwerken auch 15-kV-Speiseleitungen mit, um etwas weiter entfernt liegende Bahnstrecken zu speisen.
Verlegung entlang der Bahnstrecke
Insbesondere in städtischen Ballungsräumen werden Bahnstromleitungen aus Platzgründen mitunter auch entlang einer Bahnstrecke verlegt. Hierbei werden entweder Vollwandmasten mit schmalerem Trassenprofil erstellt und die Freileitung nah an der Bahnstrecke entlanggeführt oder die Bahnstromleitung ist an Auslegern der Oberleitungsmasten oberhalb der Oberleitung aufgehängt.
Da Oberleitungsmasten einen kleineren Querschnitt besitzen als übliche Bahnstrommasten für zwei Systeme, können die Traversen aus Festigkeitsgründen nur geringe Ausladungen haben. Daher ist es in der Regel nicht möglich, die Leitung mit beiden Stromkreisen in Einebenenanordnung auf den Oberleitungsmasten zu führen. Neben der Verwendung der Zweiebenenanordnung können bei zweigleisigen Strecken daher beide Stromkreise getrennt an den Oberleitungsmasten zu beiden Seiten der Strecke geführt werden. Man findet eine solche Anordnung zum Beispiel im Stadtgebiet von Böblingen.
Die Bahnstromleitung von Leer nach Emden ist als einzige in Deutschland ausschließlich an Oberleitungsmasten befestigt und folgt der Emslandstrecke. Sie ist, anders als die meisten Bahnstromleitungen in Deutschland, einkreisig ausgeführt.
An der S-Bahn-Strecke Nürnberg–Hartmannshof (S1) ist eine zweikreisige Bahnstromleitung bis hinter den Haltepunkt Ottensoos bei km 22,2 durchgehend an Fahrleitungsmasten verlegt. Sie verläuft vom Unterwerk Nürnberg nach Neumarkt in der Oberpfalz und wurde 1987 fertiggestellt. Dabei ist sie auch im Nürnberger Hauptbahnhof an den Fahrleitungsmasten verlegt und reicht bis hinter Nürnberg-Schweinau. Auch die Bahnstromleitung vom Unterwerk Markt Bibart zum Unterwerk Emskirchen (Strecke Würzburg–Nürnberg) ist durchgehend an Betonmasten verlegt und läuft parallel zur Strecke. Im Unterschied zur Leitung Emden–Leer sind diese Leitungen jedoch nicht an Oberleitungsmasten, sondern auf eigenen Betonmasten installiert.
Verlaufen Bahnstromleitungen durch Bahnhöfe, werden sie meist auch an Fahrleitungsmasten geführt. Es werden hohe Turmmasten eingesetzt, an denen auch Quertragewerke, Seitenausleger und Speiseleitungen aufgehängt sind. Beispiele dafür sind die Bahnhöfe: Bahnhof Böblingen, Duisburg Hauptbahnhof, Essen Hauptbahnhof, Bahnhof Fulda, Golm (Berliner Außenring), Nürnberg Hauptbahnhof, Offenbach (Main) Hauptbahnhof, und Bahnhof Singen (Hohentwiel).
In Österreich ist entlang der Drautalbahn von Spittal Millstätter See bis kurz vor Lienz die Bahnstromleitung an Fahrleitungsmasten verlegt. Die Leitung ist einkreisig ausgeführt.
Mitverlegung auf anderen Trassen (Hybridleitung)
Es gibt auch Hochspannungsmasten, die sowohl Stromkreise für Bahnstrom als auch welche für Drehstrom tragen. Insbesondere in der Nähe von Ballungsgebieten, Kraftwerken, die sowohl Bahnstrom als auch Strom für das öffentliche Netz liefern und um die Gemeinschaftsunterwerke von Bahngesellschaften und Elektrizitätswerken sind aus Platzgründen solche Hybridleitungen zu finden. Der Mast auf dem rechten Foto trägt sowohl eine zweikreisige 380-kV-Drehstromleitung als auch eine 110-kV-Bahnstromleitung, die im Zuge der Einrichtung der S-Bahn Rhein-Main zwischen Flörsheim und Fronhausen bei Gießen gebaut wurde. Durch die Bündelung auf eine gemeinsame Trasse entlang der BAB 5 wird ein zu großer Flächenverbrauch im dichtbesiedelten Westen von Frankfurt vermieden.
Häufiger ist jedoch Mitverlegung auf 110-kV- und manchmal auch zu 220-kV-Drehstromleitungen üblich. Die gemeinsame Führung von Drehstrom- und Bahnstomkreisen ist aufgrund der kapazitiven Kopplung meistens auf kurze Strecken beschränkt.[19] Eine ungewöhnlich lange Hybridleitung (Bahnstromleitung zusammen mit 220 kV Drehstrom) verläuft im Sauerland zwischen Garenfeld und Elverlingsen.
Auch kreuzende Leitungen an einem Mast gibt es. Ein derartiger Hybridmast ist der Mast 9127 nördlich von Fulda. Bei ihm kreuzt eine 110-kV-Landesleitung mit einer Frequenz von 50 Hz auf einer darunter liegenden Traverse im 90-Grad-Winkel.
Bei solchen Leitungen befinden sich die Bahnstromkreise zumindest bei den in Deutschland realisierten Leitungen meist in einer Ebene. In der Schweiz ist auch bei solchen Leitungen die Verteilung über mehrere Traversen nicht selten. Auch werden die Bahnstromkreise in Deutschland meistens auf der untersten Traverse verlegt. Eine Ausnahme ist die Bahnstromleitung Flörsheim–Niedernhausen, bei der auf den Abschnitten zusammen mit einer 110-kV-Drehstromleitung die Bahnstromkreise auf der obersten Traverse verlaufen. Bei Niederjosbach kommen sogar Masten mit fünf Traversen zum Einsatz (Zweiebenenanordnung der Bahnstromleitung und darunter Dreiebenenanordnung der Drehstromleitung).
Verlegung in der Trasse abgebauter Drehstromfreileitungen
Im Zuge von Sanierungen oder Neubauten von Bahnstromleitungen kann es vorkommen, dass diese den Raum oder sogar die Masten einer zurückgebauten Drehstromleitung nutzen. Die aus den 1930er Jahren stammende Bahnstromleitung Stuttgart–Plochingen wurde 2008 erneuert und dabei teilweise neu trassiert: Auf einem Abschnitt zwischen Neckarrems und Aichschieß wurden dabei die Masten der zur gleichen Zeit abgebauten Schwarzwaldleitung (ursprünglich 220 kV) umgebaut, wobei die alten Traversen entfernt und neue Traversen für die Aufnahme von vier Leiterseilen angebaut wurden. Die Bahnstromleitung folgt nun dieser Trasse.
Die Ende 2002 fertiggestellte Bahnstromleitung Köln–Sindorf nutzt auf einem etwa 4 km langen Abschnitt entlang der Erft zwischen Kierdorf und Türnich die Donaumasten einer heute nicht mehr bestehenden 110-kV-Leitung der RWE.[20] Dabei wurden auf der untersten Traverse die beiden äußeren Leiterseile entfernt, die verbliebenen vier werden heute von der Bahnstromleitung genutzt.
Bezeichnungen
Die Bahnstromleitungen sind mit Metallschildern bezeichnet, die etwa 30×40 cm groß sind und schwarze Schrift auf weißem Grund tragen. Darauf sind verzeichnet (Klammern beziehen sich auf das Beispiel im Bild):
- die Anordnung der Leiter (1 TR / 2 TR) in dieser Blickrichtung
- die Leitungsbezeichnungen (linker Stromkreis Amstetten–Osterburken, rechter Stromkreis Amstetten–Aalen). Dabei wird der Name des ersten und letzten an dieses System angeschlossenen Unterwerkes genannt; bloße Abzweige, die die Leitung nicht unterbrechen, werden nicht erwähnt. Ist die Bezeichnung für beide Leitungssysteme gleich, wird sie nur einmal aufgeführt.
- die Mastnummer (2696). Die Mastnummern sind ein- bis fünfstellig und nur pro Leitung einmalig, nicht deutschlandweit. Führende Nullen sind möglich.
- der Betreiber (DB Energie GmbH)
- Beschriftung eines Hochspannungsmastes der DB Energie GmbH
- Beschriftung bei zwei gleich verlaufenden Stromkreisen
- Ältere Beschriftung aus der Zeit vor der Bahnreform 1994 (Hinweis auf Deutsche Bundesbahn). Der Leitungsverlauf mit Anfangs-, Endpunkt und Abzweig sowie Maststandort (vor bzw. hinter dem Abzweig) ist hier schematisch dargestellt.
Besondere Leitungen
- Die 1921 im damaligen Schlesien gebaute 80-kV-Leitung war die erste Hochspannungsleitung im Bahnnetz, sie wurde nach 1945 auf 110-kV-Dreiphasendrehstrom umgerüstet und wird heute für das polnische Landesnetz verwendet.
- Die 1957 gebaute Bahnstromleitung Flörsheim–Bingen wurde auf rheinland-pfälzischem Gebiet auf Masten mit dreieckiger Grundfläche geführt. Die Masten bestanden aus Stahlrohrholmen, die durch kreuzweise verspannte Stahlseile versteift wurden. Von 2016 bis 2018 wurden im Abschnitt östlich des Unterwegs Bingen fast alle dieser Masten durch übliche Gittermasten mit quadratischer Grundfläche ersetzt.
- Die 1977 fertiggestellte Bahnstromleitung Neckarwestheim–Zazenhausen ist eine der wenigen Bahnstromleitungen in Deutschland mit Viererbündeln. Eine weitere führt vom Schaltwerk Neckarwestheim zum Kernkraftwerk Neckarwestheim. Auch die Rückstromleitung von der ICE-Trasse zum Unterwerk Kreiensen ist als Viererbündel ausgeführt, allerdings ist sie nicht Bestandteil einer Bahnstromleitung, sondern einer Oberleitungsspeisung.[21][22]
- Die Bahnstromleitung der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg (Rethen–Gemünden) besitzt im Stadtgebiet von Fulda 30 aufeinander folgende Abspannmasten. Der nördlichste ist Mast 9124 , der südlichste Mast 9095 . Einer davon,Mast 9108 , steht in einem Lagerschuppen am Fuldaer Bahnhof und durchstößt dessen Dach. Der Mast 9127 in derselben Leitung ist ein Hybridmast mit einer darunterliegenden, 90 Grad kreuzenden 110-kV-Drehstromleitung.
- Die in den 1990er Jahren fertiggestellte Bahnstromleitung Nenndorf–Neumünster–Jübek nutzt vier Leiterseile der Elbekreuzung 2, womit diese Kreuzungsmasten die höchsten von der Deutschen Bahn genutzten Freileitungsmasten darstellen. Die höchsten reinen Bahnstrommasten gehören zur westlichen der Weser-Freileitungskreuzungen Bremen-Industriehafen und dienen einer vierkreisigen Bahnstromleitung zur Überquerung der Weser.
- Die 2002 fertiggestellte Bahnstromleitung Köln–Sindorf ist im Bereich der Kölner Südbrücke an Auslegern zu beiden Seiten der Brücke aufgehängt.
- Die Bahnstromleitung Duisburg–Kirchhellen führt unter einer Straßenbrücke der L 155 (Sterkrader Straße) hindurch und verwendet Masten mit zwei übereinander liegenden Halbtraversen, um die Trassenbreite möglichst gering zu halten.
- Die Bahnstromleitungen Leer–Emden, Nannhofen–Geltendorf, Markt Schwaben–Grafing, Schönarts–Waigolshausen, Abzweig Bad Reichenhall und bis zu ihrem Abbau 2004 auch Holzkirchen–Rosenheim sind einkreisig ausgeführt.
- In Hünfeld gibt es eine einkreisige Bahnstromleitung, die ursprünglich zu einem fahrbaren Unterwerk führte. Da das Unterwerk nicht mehr existiert endet die Leitung heute blind. Mit Erneuerung der Isolatoren an der Bahnstromleitung Flieden–Bebra im Jahr 2014 wurde sie auch vom Bahnstromnetz getrennt. Trotzdem stehen die 5 großen Beton- und der eine Stahlmast noch. Auch das Gleis für das fahrbare Unterwerk gibt es noch.
- Bahnstromleitung Flörsheim–Bingen mit dreieckigem Mastfuß. Aufnahme von 2016, bis 2018 wurde hier auf normale Gittermasten umgebaut.
- Bahnstromleitung Neckarwestheim–Zazenhausen mit Viererbündeln
- Das Fundament des Mastes im Schuppen.
- abgespannte provisorische Masten
- Originalmast der ehemaligen Bahnstrom-Trasse von 1921 in Niederschlesien, das vierte Leiterseil wurde entfernt.
Andere Leitungen zur Bahnstromversorgung
Auch die mit Einphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 25 Hertz betriebene Mariazeller Bahn verfügt über eigene Bahnstromleitungen mit einer Betriebsspannung von 27 kV. Diese Leitungen sind an den Oberleitungsmasten oberhalb der Oberleitung angebracht.
In den Gebieten um New York gibt es einige Bahnen, die ebenfalls mit Einphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 25 Hertz versorgt werden. Diese Bahnen verfügen ebenfalls über Bahnstromleitungen, welche meistens an den Oberleitungsmasten befestigt sind.
In Italien wurden bis 1977 zahlreiche Strecken mit Drehstrom von 16,667 Hertz betrieben. Auch diese Strecken wurden über eigene Bahnstromleitungen, die mit 60 kV betrieben wurden, gespeist. Da diese Leitungen wie Drehstromleitungen des öffentlichen Netzes ausgeführt waren, waren sie weit weniger markant als die Bahnstromleitungen der deutschsprachigen Länder.
Auch bei manchen Bahnen für 50-Hertz-Betrieb gibt es Bahnstromleitungen, zum Beispiel existieren für die Energieversorgung von einigen TGV-Strecken einphasige Hochspannungsleitungen.[23]
Situation bei dezentraler Bahnstromversorgung
In Schweden, Norwegen und im Nordosten Deutschlands (vorwiegend Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) wird in dezentralen Bahnstromumformerwerken der dem öffentlichen Netz entnommene Drehstrom in Einphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 16,7 Hz umgewandelt. In diesen Regionen gibt es keine Bahnstromleitungen. Auch in Wolkramshausen (Thüringen) Bahnstrecke Halle–Hann. Münden gibt ein Umrichterwerk für die dezentrale Bahnstromversorgung. Es liegt westlich vom Bahnhof neben einem Umspannwerk und wird mit 220 kV versorgt.
Auch bei Bahnen, die mit Gleichstrom oder Einphasenwechselstrom der Frequenz des öffentlichen Netzes versorgt werden, wird die Umwandlung stets in den Unterwerken vorgenommen, so dass hier üblicherweise keine Bahnstromfreileitungen existieren. Ausnahmen können in Gebieten existieren, wo die elektrische Bahn der erste Großverbraucher war, so dass die Bahngesellschaft für die Stromversorgung erst Versorgungsleitungen bauen musste oder wo eine Umelektrifizierung von einem System mit zentraler Bahnstromversorgung in ein Gleichstrom- oder Wechselstromsystem mit Netzfrequenz erfolgte. In allen diesen Fällen sind die Bahnstromleitungen Drehstromleitungen.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bezeichnung der Bahnstromleitungen in Österreich (PDF-Datei, 55 kB), abgerufen am 6. März 2012
- 110 Jahre Fahrleitungsnennspannung 15 kV. In: Elektrische Bahnen. Nr. 11, November 2021, ISSN 0013-5437, S. 458 f.
- Übereinkommen betreffend die Ausführung elektrischer Zugförderung, elektrische-bahnen.de
- Die weltweit erste elektrifizierte Fernbahnstrecke wurde 1911 zwischen Dessau und Bitterfeld eröffnet, WERK-STADT 01|2011
- drehscheibe-foren.de
- Eberhard Herter: Elektrotechnik in Württemberg. B. G. Teubner Verlag Stuttgart Leipzig 1998, S. 190
- nordbayern.de: Unterwerk Grönhart versorgt die Bahn mit Strom. 27. August 2018, abgerufen am 17. Januar 2019.
- Archivwesen in Sachsen: Deutsche Reichsbahn, Oberste Bauleitung für Automatisierung und Elektrifizierung Leipzig. Abgerufen am 17. Januar 2019.
- Enteignungen zur Herstellung einer 100 kV Bahnstromfernleitung von Nürnberg nach Muldenstein, Deutsche digitale Bibliothek, abgerufen am 14. Juni 2016
- F. Rauscher: Erneuerung der 110-kV-Bahnstromleitungen Steindorf-Elsbethen/Steindorf-Traunstein, 1999
- ETR Ausgabe 1+2 2010, Seite 14
- Aus der Geschichte der Elektrizität, Jahr 1946, Walter Schossig, abgerufen am 14. Juni 2016
- infranken.de: Leitungen werden aufgerüstet. 30. August 2018, abgerufen am 18. Januar 2019.
- ETR Ausgabe 1+2 2010, Seite 15
- Bahnstrom Regenerativ - Analyse und Konzepte zur Erhöhung des Anteils der Regenerativen Energie des Bahnstroms (Memento vom 13. Juni 2016 im Internet Archive), Seite 11, abgerufen am 14. Juni 2016
- 20 Jahre Elektrische Wiedervereinigung Deutschlands, Verband der Elektrotechnik
- ETR Ausgabe 1+2 2010, Seite 16
- DB Informationsbroschüre Bahnstrom, S. 6
- Zusammenfassung Machbarkeitsstudie Verknüpfung Bahn- und Energieleitungsinfrastrukturen, Stand 2. Juli 2012, S. 4
- Kölner Stadt-Anzeiger vom 24. Januar 2003: Leitung stört nur die Pulsuhr. Abgerufen am 30. Juni 2016.
- OpenStreetMap | Way | Kreiensen - Rethen;Bahnrückstrom (28195848)
- http://www2.pe.tu-clausthal.de/agbalck/vorlesung/energ2001/en-vor09/img_6848.htm (Link nicht abrufbar)
- Archivlink (Memento vom 4. Mai 2009 im Internet Archive)