Schwarzwaldleitung
Die Schwarzwaldleitung war eine in den 1940er-Jahren errichtete Hochspannungsleitung im deutschen Bundesland Baden-Württemberg. Sie führte vom Umspannwerk Hoheneck in Ludwigsburg zum Umspannwerk Tiengen bei Tiengen und war mit einer Gesamtlänge von ca. 120 Kilometern eine der längsten durchgehenden Freileitungen in Deutschland. Aufgrund von Umstrukturierungen in mehreren Umspannwerken an der Leitungsstrecke wurde die Leitung entbehrlich und 2009 vollständig demontiert.
Leitungsverlauf
| ||||
Umspannwerke der Schwarzwaldleitung in Baden-Württemberg |
Vom Umspannwerk Hoheneck führte die Leitung nach Osten, querte zum ersten Mal den Neckar, wechselte anschließend nach Süden, wo ein Abzweig zum Umspannwerk Kornwestheim bestand, und drehte bei Fellbach nach Südosten. Am Heizkraftwerk Altbach/Deizisau wurde der Neckar ein zweites und bei Köngen ein drittes Mal überquert. Anschließend führte die Leitung ins Umspannwerk Wendlingen und setzte sich nach Südwesten fort.
Bei Oberensingen wurde der Neckar zu vierten und bei Neckartailfingen zum fünften Mal überquert. Nordöstlich von Mittelstadt zweigte eine 220-kV-Leitung nach Metzingen ab. Bei Oferdingen wurde die Nord-Süd-Leitung auf zwei niedrigen Masten (je einer für jeden Stromkreis) unterquert. Über Reutlingen, Mössingen, Hechingen und Balingen führte die Leitung auf die Baar, wo das Umspannwerk Trossingen angebunden wurde. Nach Umgehung von Donaueschingen wurde die Wutachschlucht überquert und der Südschwarzwald erreicht. Südlicher Endpunkt der Leitung war das Umspannwerk Tiengen.
Geschichte
Im Jahr 1934 begann das RWE mit dem Bau einer Hochspannungsverbindung, die vom Koepchenwerk bei Herdecke nach Süden verlaufen sollte, um als Ergänzung zur 1929 fertiggestellten Nord-Süd-Leitung die im Hochschwarzwald erzeugte elektrische Energie (vorzugsweise Wasserkraftwerke des Schluchseewerkes) in die Industriezentren im Norden (Region Stuttgart, Rhein-Main-Gebiet, Ruhrgebiet) zu transportieren.[1] Die Leitungen dieser Verbindung sollten mit 220 kV, der damals höchsten Spannung in deutschen Verteilnetz betrieben werden. Als Freileitungsmasten wählte man Gitterkonstruktionen aus Stahl, die über drei Traversen verfügen (sogenannte Tannenbaummasten). Zur Energieübertragung verwendete man Einfachseile. Von Herdecke führte die erste Leitung über das Umspannwerk Dauersberg nach Kelsterbach, wo das Umspannwerk der Nord-Süd-Leitung angeschlossen wurde. Dieses entwickelte sich zum damals wichtigsten Knoten für Übertragungsleitungen im Rhein-Main-Gebiet.
Die Fortsetzung in Richtung Süden wurde ab 1936 gebaut.[2] Die Leitung verläuft nicht wie die Nord-Süd-Leitung durch die Rheinebene, sondern quer über die Höhen des Odenwaldes und verzweigt sich südlich des Neckars nach Westen in Richtung Mannheim-Rheinau sowie nach Südosten in Richtung Hoheneck. Beide Umspannwerke wurden ebenfalls als Teil der Nord-Süd-Leitung errichtet. Auf diese Weise konnte mit der Leitung auch die Energie aus den Kraftwerken der Neckarstaustufen transportiert werden.
Im Jahr 1944 wurde die Verbindung schließlich um eine weitere Leitung ergänzt, die von Hoheneck bis ins RWE-Umspannwerk im südbadischen Tiengen führte.[3] Mit der Fertigstellung dieser eigentlichen Schwarzwaldleitung (RWE-interne Bezeichnung Bl. 0305) wurde somit eine zweite Verbindung zwischen Südschwarzwald und Rheinischen Industriegebieten geschaffen.
Während alle diese Leitungen bis Hoheneck durch RWE betrieben wurden (heute Amprion), ging die Leitung Hoheneck–Tiengen in den Besitz der EnBW über.[4] Hintergrund war, dass diese Leitung einige EnBW-eigene Umspannwerke anschloss. Dabei handelte es sich um die Umspannwerke Kornwestheim, Wendlingen, Metzingen und Trossingen. Auch wurde in den 1970er-Jahren bei Mittelstadt ein Abspannmast durch Abstandserhöhung der Traversen zu einem Abzweigmast vorbereitet, von dem eine Stichleitung zu einem geplanten aber nie realisierten Kernkraftwerk führen sollte.
1973 errichtete die EnBW eine neue 380-kV-Leitung von Pulverdingen nach Oberjettingen[5] und 1978 die Fortsetzung von Oberjettingen nach Laufenburg.[6] Dabei entstand im Balinger Ortsteil Engstlatt ein großes 380-kV-Umspannwerk nahezu direkt auf der Trasse der Schwarzwaldleitung, was zur Folge hatte, dass die beiden 220-kV-Stromkreise auf eine Zusatztraverse der 380-kV-Leitungen Oberjettingen–Engstlatt und Engstlatt–Laufenburg verlegt wurden. Die ursprünglichen Masten wurden dabei demontiert. Dies geschah auch auf einem längeren Abschnitt zwischen Villingen-Schwenningen und Unadingen.
Bis etwa 2007 wurde die Schwarzwaldleitung mit beiden Stromkreisen und 220 kV Spannung betrieben. Danach entfernte man zunächst die beiden unteren Leiterseile, wodurch ein Stromkreis wegfiel. Das vierte verbliebene Seil blieb als stromlose Ankerphase an den Masten montiert.
Demontage und Ersatz
Das Hoch- und Höchstspannungsnetz im Bereich der TransnetBW soll, wie bei allen deutschen Übertragungsnetzbetreibern, umstrukturiert werden, wozu auch der weitgehende Wegfall der 220-kV-Spannungsebene gehört. So werden viele 220-kV-Umspannwerke auf 380-kV-Betrieb umgerüstet, neue Höchstspannungsleitungen dieser Spannungsebene gebaut und alte 220-kV-Leitungen demontiert oder ebenfalls umgerüstet.
Der Abschnitt Hoheneck-Wendlingen wurde zuerst abgebaut. Nachdem zwischen Altbach und Wendlingen bereits seit längerer Zeit ein Teilstück demontiert wurde (vermutlich im Zuge des Baus vom neuen Block 2 des Kraftwerks 1997) endete der südliche Abschnitt der Leitung (südlich des Abzweiges nach Kornwestheim) blind. Die Leiterseile wurden in den Jahren 2007 bis 2008 entfernt, die Masten zum großen Teil allerdings nicht abgebaut, sondern als Ersatztrasse für die im gleichen Zeitraum demontierte Bahnstromleitung Zazenhausen–Plochingen genutzt. Dabei wurden die drei ursprünglichen Traversen entfernt und durch eine Traverse zur Aufnahme von vier Leiterseilen ersetzt. Die Leitung konnte hier ersatzlos demontiert werden, da von Hoheneck nach Wendlingen bereits ein 380-kV-Stromkreis und eine 220-kV-Leitung bestehen. Letztere wurde ab 2015 in eine 380-kV-Leitung umgebaut (Ost-Umfahrung).[7]
Im Bereich nördlich des Abzweiges nach Kornwestheim wurde in der bestehenden Trasse eine neue 380-kV-Freileitung errichtet, die Tannenbaummasten besitzt. Sie ist heute ein Abzweig der auf 380 kV umgerüsteten zweiten 220-kV-Verbindung zwischen Hoheneck und Dellmensingen zum ebenfalls auf 380 kV umgerüsteten Umspannwerk Kornwestheim. Auf dem Abschnitt von Kornwestheim zum Abzweigmasten bei Neckarrems verläuft sie zusammen mit der südlich in der 220-kV-Trasse verlegten Bahnstromleitung nach Plochingen als Hybridleitung.
Im Jahr 1996 wurde auf der Trasse einer 1977 errichteten 110-kV-Leitung eine neue 380-kV-Leitung zwischen Wendlingen und Metzingen errichtet. Das Umspannwerk Metzingen erhielt im Zuge des Leitungsbaus auch eine 380-kV-Anlage. Obwohl die Leitung bereits mit zwei Stromkreisen errichtet wurde, ging sie zunächst nur einkreisig in Betrieb.
2007 wurde auf der 380-kV-Leitung Oberjettingen–Engstlatt ein zweiter Stromkreis installiert, um die Leitungskapazität zu erhöhen.[8]
Die 220-kV-Schaltanlage im Umspannwerk Trossingen wurde 2008 in eine 380-kV-Anlage umgebaut, die Masten der Stichleitung umgebaut und an die 380-kV-Leitung Engstlatt–Laufenburg angebunden.
Bei Rommelsbach entstand im selben Jahr ein neuer Abspannmast der Nord-Süd-Leitung, an dem eine einkreisige 380-kV-Leitung nach Metzingen abzweigt, wodurch der zweite 380-kV-Anschluss in Metzingen in Betrieb gehen konnte. Die 220-kV-Anlage wurde somit entbehrlich und später demontiert. Auf Karten des Stromnetzes der Deutschen Verbundgesellschaft aus den 1980er-Jahren war als Ersatz statt dieser Leitungsverbindung noch der Neubau einer 380-kV-Leitung zwischen Metzingen und Engstlatt mit möglicher Fortführung nach Laufenburg vorgesehen.[9] Davon zeugt heute noch die Bauweise der Leitung Engstlatt–Laufenburg: Bei der Installation einer zusätzlichen Traverse könnten an den Leitungsmasten vier Stromkreise für 380 kV verlegt werden. Planungen der späten 1980er- und 1990er-Jahren sahen vor, die 380-kV-Verbindung von Engstlatt nach Herbertingen zu führen.[10] Auf den Bau dieser wegen der möglichen Landschaftsbeeinträchtigung umstrittenen Leitung wurde Ende 1999 dann doch verzichtet, da die EnBW ein zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht des Teilstückes Tiengen–Herbertingen–Hoheneck der RWE-eigenen Nord-Süd-Leitung aushandeln konnte.[11] Somit konnte ein kürzerer Leitungsneubau in Form des Leitungsabzweiges bei Rommelsbach realisiert werden.
Da somit alle Umspannwerke, die von der Schwarzwaldleitung angebunden wurden, auf 380 kV umgestellt wurden und eine Höchstspannungsverbindung von Wendlingen nach Tiengen über Metzingen und die Nord-Süd-Leitung besteht, wurde die Schwarzwaldleitung entbehrlich und konnte vollständig demontiert werden. Anfang 2009 wurde sie dafür zunächst außer Betrieb gestellt[12], im April 2009 begann dann die Demontage des Abschnittes zwischen Wendlingen und Metzingen, ab Juli dann der restlichen Abschnitte.[13] Das Material der rund 500 abgebauten Strommasten wurde recycelt.[14] Ende des Jahres waren die Abbaumaßnahmen vollständig abgeschlossen.
Die letzten Reste der Schwarzwaldleitung sind ein Mast südlich des Umspannwerks Wendlingen, welcher seit Umstellung der Hochspannungsleitung Wendlingen-Möhringen von 220 kV auf 110 kV Bestandteil dieser Leitung ist und die auf der untersten Traverse der 380-kV-Leitungen Engstlatt–Oberjettingen und Engstlatt–Laufenburg verlegten Leiterseile, die zur Zeit ungenutzt sind.
- Der Leitungsabschnitt zwischen Neckarrems und Altbach wird heute von der Deutschen Bahn genutzt
- Abzweigmast der Nord-Süd-Leitung für einen 380-kV-Abzweig nach Metzingen. Durch diese Verbindung wurde die Schwarzwaldleitung redundant
- Mast der 380-kV-Leitung Engstlatt-Laufenburg südlich des Umspannwerks Engstlatt mit den blind endenden 220-kV-Stromkreis der einstigen Schwarzwaldleitung südlich des Umspannwerks Engstlatt
- Einstiger Mast der Schwarzwaldleitung südlich des Umspannwerks Wendlingen, seit Umstellung der Hochspannungsleitung Wendlingen-Möhringen von 220 kV auf 110 kV von dieser genutzt.
Weblinks
Einzelnachweise
- Chronik der Elektrotechnik: Jahr 1934. Abgerufen am 23. Mai 2015.
- Freileitungen im erweiterten Dreieichgebiet, abgerufen am 26. Mai 2016
- Reutlinger General-Anzeiger vom 4. Februar 2009: Fünfhundert Masten fallen. Abgerufen am 23. Mai 2015.
- Adolf J. Schwab: Elektroenergiesysteme: Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie, Karlsruhe 2006, S. 31, abgerufen am 26. Mai 2016
- Skyscraperpage: Pylons of a powerline branch at Sindelfingen. Abgerufen am 29. Mai 2016.
- VDE Bezirksverein Thüringen Informationen 3/08, Seite 5
- Waiblinger Kreiszeitung vom 20. Februar 2015: Arbeiten in 75 Metern Höhe. Abgerufen am 26. Mai 2016.
- Bundesnetzagentur: Bericht zur Auswertung der Netzzustands- und Netzausbauberichte der deutschen Elektrizitätsübertragungsnetzbetreiber. Abgerufen am 29. Mai 2016.
- Reutlinger General-Anzeiger vom 27. Januar 2005: Mastenwald wird ausgelichtet. Abgerufen am 26. Mai 2016.
- Deutsche Digitale Bibliothek: Raumordnungsverfahren: Errichtung einer 380-kV-Leitung zwischen Engstlatt und Herbertingen. Abgerufen am 29. Mai 2016.
- strom magazin vom 2. Dezember 1999: EnBW verzichtet auf Neubautrasse in Oberschwaben. Abgerufen am 26. Mai 2016.
- EnBW vom 20. April 2009: EnBW Transportnetze AG baut Schwarzwaldleitung ab. Abgerufen am 23. Mai 2015.
- Esslinger Zeitung: Stahlriesen müssen fallen. Abgerufen am 23. Mai 2015.
- Reutlinger General-Anzeiger vom 14. August 2009: Schwarzwaldleitung adieu. Abgerufen am 23. Mai 2015.