Deutsche Bundesbahn
Die Deutsche Bundesbahn (DB) war die Staatsbahn der Bundesrepublik Deutschland. Sie ging aus den westdeutschen Teilen der Deutschen Reichsbahn hervor und bestand bis Ende 1993. Obwohl sie als nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Bundes deklariert war, konnte sie selbst klagen oder verklagt werden.
Deutsche Bundesbahn | |
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Rechtsform | Sondervermögen des Bundes |
Auflösung | 31. Dezember 1993 |
Sitz | Frankfurt am Main (ab 1953) |
Branche | Transport/Logistik |
Am 1. Januar 1994 wurde die Deutsche Bundesbahn mit der ostdeutschen Deutschen Reichsbahn zur handelsrechtlich organisierten Aktiengesellschaft Deutsche Bahn AG vereinigt, die sich seither im alleinigen Besitz des deutschen Staates befindet.
Geschichte
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahmen die Besatzungsmächte 1945 den Betrieb der in den Besatzungszonen verbliebenen Teile der Deutschen Reichsbahn.
Unter der Bezeichnung Oberbetriebsleitung United States Zone in Frankfurt am Main wurden die in der amerikanischen Besatzungszone befindlichen Reichsbahndirektionen (RBD) Augsburg, Frankfurt am Main, Kassel, München, Regensburg und Stuttgart (für die Bahnen in Württemberg-Baden) zusammengefasst. Für die Britische Besatzungszone wurde unter Generaldirektor Max Leibbrand in Bielefeld die Reichsbahn-Generaldirektion für die Bereiche der Direktionen Essen, Hamburg, Hannover, Köln, Münster (Westfalen) und Wuppertal gebildet. Mit der Bildung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der Bizone, entstand daraus 1946 die Hauptverwaltung der Eisenbahnen des amerikanischen und britischen Besatzungsgebiets, die 1947 ihren Sitz nach Offenbach am Main verlegte und in „Deutsche Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet“ umbenannt wurde. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 24. Mai 1949 erfolgte mit Wirkung vom 7. September 1949 die Umbenennung in „Deutsche Bundesbahn“.[1]
Die Eisenbahnen der französischen Besatzungszone waren in der Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen (SWDE) mit Sitz in Speyer zusammengefasst. Die SWDE umfasste die Reichsbahndirektionen Karlsruhe (in der US-Zone gelegen), Mainz und Saarbrücken. Nachdem 1947 das Saarland (siehe Saarland 1947 bis 1956) aus der französischen Zone herausgelöst wurde und eine eigene Staatsbahn – die Eisenbahnen des Saarlandes (EdS) – erhielt, ging das außerhalb des Saarlands liegende Netz der Reichsbahndirektion Saarbrücken auf die neue RBD Trier über. Mit der Verabschiedung des Bundesbahngesetzes am 1. Juli 1952 wurde diese Organisationsstruktur legitimiert und damit zur einheitlichen Staatsbahn der Bundesrepublik Deutschland.
Nach dem Vertrag von Luxemburg wurden mit der zum 1. Januar 1957 erfolgten Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik auch die EdS Teil der Deutschen Bundesbahn.
Schon kurz nach Gründung der Bundesbahn, verschärft aber ab den 1960er-Jahren trat das Problem zutage, dass die Politik von der Bundesbahn als Staatsunternehmen verlustbringende Leistungen erwartete, die ein rein betriebswirtschaftlich agierendes Privatunternehmen nie von sich aus erbringen würde. Als Beispiele seien hier der Betrieb von abgelegenen Nebenstrecken mit geringem und weiter sinkendem Verkehrsaufkommen genannt oder Sozialleistungen für ehemalige Mitarbeiter, aber auch das Beibehalten von Werkstätten in Regionen als strukturpolitische Maßnahme. Die jährlichen Verluste der DB stiegen unaufhörlich an. Sehr deutlich wurde dieser Zielkonflikt zwischen volks- und betriebswirtschaftlichem Ansatz, als der DB-Vorstand 1976 Planungen für sein sogenanntes Betriebswirtschaftlich optimales Netz veröffentlichte. Diese führten zwar zu lebhaften Debatten, grundlegende Konsequenzen zog jedoch erst 18 Jahre später die deutsche Bahnreform (1994).
Bereits 1991 übernahm der Bund langfristige Schulden der Bundesbahn in Höhe von 6,4 Milliarden Euro.[2]
Transportleistung
Zu Beginn gab es noch erhebliche Schwierigkeiten, die aus den Verlusten und den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges herrührten. So fielen noch 1951 eine ganze Reihe von Zügen, die der Winterfahrplan 1950/51 angekündigt hatte, in der Praxis wegen Kohlemangels aus.[3]
Kennzeichnend für die DB war ein aufgrund der Massenmotorisierung immer schärfer werdender Wettbewerb mit dem Straßenverkehr um die Anteile am Verkehrsmarkt. Um dem Kostendruck zu entgehen, legte die Staatsbahn als unrentabel eingeschätzte Nebenstrecken in großem Rahmen still.
Folgende Transportleistungen wurden registriert:[4]
Transportleistung | 1960 | 1970 | 1980 | 1986 |
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Güterverkehr in Milliarden Tonnenkilometern | 56,2 | 72,6 | 65,3 | 61,1 |
Personenverkehr in Milliarden Personenkilometern | 38,4 | 37,5 | 41,4 | 41,4 |
Andererseits gab es auch Versuche, den Betrieb auf Nebenbahnen wieder attraktiver zu machen, um weitere Streckenstilllegungen verhindern zu können. Ein Beispiel hierfür war die Einführung der City-Bahn (CB).
Erst seit den 1990er Jahren bemühen sich einige der neu gegründeten Verkehrsverbünde um eine Reaktivierung von Bahnen in ländlichen Regionen. Ergänzende Neubauten wurden dagegen bis auf einige Fernverkehrs-, Hochgeschwindigkeits- und S-Bahn-Strecken in vergleichsweise geringem Umfang erstellt.
An Nebenstrecken wurden vereinzelt Trassenveränderungen vorgenommen. Beispiele dafür sind die Verlegung der Biggetalbahn sowie der Innerstetalbahn aufgrund des Baus von Talsperren. Als Bewirtschafterin der Speise- und Schlafwagen sowie der Gastronomie wurde die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft (DSG) gegründet.
Strukturwandel
Bei den Traktionsarten erfolgte ein Strukturwandel, an dessen Ende die Dampflokomotiven nicht mehr benötigt und durch moderne Elektro- und Diesellokomotiven ersetzt wurden (Abstellung der letzten Dampflokomotive im Dezember 1977). Gleichzeitig wurden fast alle Hauptstrecken elektrifiziert. Für den Fahrgast im Personenverkehr hatte der Strukturwandel die Einführung neuer Zuggattungen wie des InterCity (IC) und des Trans Europ Express (TEE) zur Folge. Das Konzept und die Entwicklung der Schienenfahrzeuge für den InterCityExpress (ICE) gehen ebenfalls auf Planungen der DB zurück.
Im Güterverkehr wurde der Versand von Stückgütern vollständig eingestellt, nachdem der Wettbewerb gegen das Speditionsgewerbe nicht mehr durchzuhalten war. Infolge dieser Entwicklung wurde eine große Anzahl von Rangierbahnhöfen stillgelegt. Im gleichen Zeitraum ging der Transport von Massengütern wie Kohle oder Eisenerz ebenfalls zurück.
Aufgrund der schlechten Wettbewerbsfähigkeit – hohe Kosten, lange Umladezeiten der Güterwagen auf Rollböcke bzw. Rollwagen usw. – wurden mit Ausnahme der Wangerooger Inselbahn alle bundesbahneigenen Schmalspurbahnen der Reihe nach stillgelegt.
1985 war die DB immerhin noch der drittgrößte Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland und beschäftigte 322.383 Mitarbeiter, während sie Mitte der 1970er noch der größte Arbeitgeber (vor der Deutschen Bundespost) war. Im Zuge des Programms DB 90 sollte das Unternehmen in den 1980er Jahren wettbewerbsfähiger gemacht werden.
Am 25. Oktober 1993 bezog die DB in Frankfurt am Main einen neu errichteten Gebäudekomplex mit 1.059 Büros.[5] Er diente anschließend bis 2000 der Deutschen Bahn als Zentrale und danach dem Vorstandsressort Personenverkehr als Sitz.
Schwere Unfälle
In der Geschichte der Deutschen Bundesbahn ereigneten sich eine Reihe von schweren Unfällen. Im Jahr 1971 ereigneten sich mehrere schwere Unglücke mit vielen Toten, der Eisenbahnunfall von Aitrang, der Eisenbahnunfall von Rheinweiler und der Eisenbahnunfall von Radevormwald.
Straßenverkehr und Schifffahrt
Für die Güterbeförderung, insbesondere der Zustellung von Gütern abseits ihrer Gleisanlagen, besaß die DB eigene Lkw. Darüber hinaus fuhren zahlreiche Fuhrunternehmer ebenfalls im Stückbereich für das Unternehmen. Die DB galt in den 1960er und 1970er Jahren als einer der größten Lkw-Halter in Deutschland. Neben konventionellen Lkw fanden sich im Fuhrpark auch verschiedene Sonderfahrzeuge.
Den ländlichen Raum, teilweise auch als Ersatz für den Personenverkehr unwirtschaftliche Bahnstrecken, hatte die DB oftmals durch Bahnbusse erschlossen und mit größeren Bahnhöfen verknüpft. Wie die meisten Dieseltriebfahrzeuge im Schienenverkehr hatten die Bahnbusse eine rote Lackierung. Dieser Geschäftszweig war bereits zu Zeiten der DR entstanden.
Die DB betrieb in Zusammenarbeit mit den ÖBB und den SBB Passagierdienste auf dem Bodensee und ab 1951 zusammen mit den DSB die Eisenbahnfähre Großenbrode–Gedser zwischen dem Bahnhof Großenbrode Kai und Gedser, die später durch die Vogelfluglinie ersetzt wurde. Es wurde auch ein Inselfährdienst zur Insel Wangerooge betrieben. Die DB besaß hierfür eigene Schiffe.
Gliederung
Die Bundesbahn gliederte sich in vier Stufen:
- Zentralinstanz: Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn, Sitz war ab 1. Oktober 1953 Frankfurt am Main, zuvor Offenbach am Main.[1] Die Hauptverwaltung befand sich in mehreren großen Gebäuden der Nachkriegszeit an der Friedrich-Ebert-Anlage im Stadtteil Gallusviertel, zwischen Hauptbahnhof und Messegelände.
- Mittelinstanz
- Direktionen
- Zentrale Transportleitung (ZTL), Sitz Mainz (seit 1. Januar 1971, entstanden aus den beiden Oberbetriebsleitungen, dem Hauptwagenamt und der Zentralstelle für Betriebsstromversorgung)
- Bundesbahn-Zentralämter, Sitz Minden und München
- Bundesbahnsozialamt, Sitz Frankfurt am Main
- Zentrale Verkaufsleitung (ZVL), Sitz Mainz (bis 31. Dezember 1977 Frankfurt/Main, entstanden zum 1. Februar 1970 aus dem Tarifamt)
- Werbeamt, Sitz Nürnberg
- Film- und Bildstelle der Deutschen Bundesbahn, Sitz Nürnberg
- Zentralstelle für Werkstättendienst (ZW), Sitz Mainz (ab 4. Juli 1973, davor Frankfurt/Main)
- Zentralstelle für Datenverarbeitung und Betriebswirtschaft, Sitz Frankfurt/Main (Dienststelle aus einer Abteilung der BD Frankfurt am 1. Februar 1970 entstanden)
- Zentrale Abrechnungsstelle für den Personen-, Gepäck- und Expreßgutverkehr (ZAV), Sitz Kassel, seit dem 1. Januar 1975 zur Bündelung der Aufgaben der Verkehrskontrollen I (Personenbinnenverkehr) in Kempten, Lübeck und Ludwigshafen/Rhein
- Zentrale Fahrgeldnachforderungsstelle
- Ämterinstanz (gegliedert in Betriebs-, Maschinen- und Neubauämter und Generalvertretungen), weitere Behörden der Ämterinstanz waren:
- Versuchsanstalten
- Abnahmeämter
- Ausbesserungswerke
- Dienststellen des Außendienstes waren in Haupt- und Nebendienststellen sowie zusätzlich nach folgenden Fachgebieten gegliedert:
- Betriebstechnische Dienststelle
- Verkehrstechnische Dienststelle
- Bautechnische Dienststelle
- Maschinentechnische Dienststellen
Den Dienststellen des Außendienstes waren die Generalvertretungen gleichgestellt.
Der Bundesbahn war die Bahnpolizei angegliedert.
Zur Kommunikation wurde mit der Bahnselbstanschlussanlage (BASA) ein eigenes Telefonnetz verwendet.
Vorstand
Die Bundesbahn wurde von einem Vorstand geleitet, der aus fünf Personen bestand. Die Vorstandsmitglieder waren gleichberechtigt, der Vorsitzer des Vorstandes trug die Amtsbezeichnung „Erster Präsident der Deutschen Bundesbahn“, die übrigen Vorstandsmitglieder die Amtsbezeichnung „Präsident der Deutschen Bundesbahn“. Sie waren alle in die Besoldungsgruppe B 11 eingruppiert. Umgangssprachlich wurde der Erste Präsident auch „Bundesbahnpräsident“ genannt.
Zeitraum | Name |
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7. September 1949 bis 31. Oktober 1949 | Generaldirektor Fritz Busch |
1. November 1949 bis 12. Mai 1952 | Generaldirektor Walther Helberg |
13. Mai 1952 bis 12. Mai 1957 | Edmund Frohne |
13. Mai 1957 bis 12. Mai 1972 | Heinz Maria Oeftering |
13. Mai 1972 bis 12. Mai 1982 | Wolfgang Vaerst |
13. Mai 1982 bis 18. Juli 1990 | Reiner Gohlke |
1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 | Heinz Dürr (anschließend Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG) |
Bahnreform
Der in der sowjetischen Zone und West-Berlin verbliebene Anteil der alten Deutschen Reichsbahn wurde in der Deutschen Demokratischen Republik aus statusrechtlichen Gründen unverändert unter dem Namen Deutsche Reichsbahn (DR) weitergeführt.
Beide deutschen Staatsbahnen gingen bei der Bahnreform gemeinsam mit der West-Berliner Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens am 1. Januar 1994 im Bundeseisenbahnvermögen auf. Der unternehmerische Teil zum Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und zum Betreiben der Eisenbahninfrastruktur wurde auf die dafür gegründete Deutsche Bahn Aktiengesellschaft am 5. Januar 1994 ausgegliedert. Die hoheitlichen Aufgaben gingen am selben Tag auf das Eisenbahn-Bundesamt über.
Literatur
- Horst Weigelt, Ulrich Langner: 40 Jahre Deutsche Bundesbahn. 1949–1989. Hestra-Verlag, Darmstadt 1989, ISBN 3-7771-0219-9.
- Burghard Ciesla: Als der Osten durch den Westen fuhr. Die Geschichte der Deutschen Reichsbahn in Westberlin. Böhlau, Köln 2006, ISBN 3-412-30505-7 (zugleich Habilitationsschrift, Universität Potsdam 2003).
Weblinks
- Bundesbahnzeit.de (private Seite)
Einzelnachweise
- Jürgen Zabel (Hrsg.): Eisenbahnen in der Region Frankfurt RheinMain. Hestra-Verlag, Darmstadt 2002, ISBN 978-3-7771-0304-4, S. 29.
- An der Weiche des Wahnsinns. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 11, 15./16. Januar 2011, S. 27.
- Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Eisenbahndirektion Mainz vom 22. März 1951, Nr. 13. Bekanntmachung Nr. 160, S. 75; vom 13. April 1951, Nr. 16. Bekanntmachung Nr. 189, S. 88f; vom 27. April 1951, Nr. 18. Bekanntmachung Nr. 220, S. 102.
- Staatliche Zentralverwaltung für Statistik: Statistisches Jahrbuch 1989 der DDR, Staatsverlag der DDR, 1. Auflage, Berlin Juni 1989, VLN 610 DDR, LSV-Nr. 9815, ISSN 0323-4258, Anhang II S. 93.
- Meldung Bundesbahn-Zentrale im Neubau. In: Die Deutsche Bahn. Nr. 11, 1993, S. 807.