François Mitterrand

François Maurice Adrien Marie Mitterrand [fʀɑ̃ˈswa mitɛˈʀɑ̃] (* 26. Oktober 1916 i​n Jarnac, Charente; † 8. Januar 1996 i​n Paris) w​ar ein französischer Politiker d​er Sozialistischen Partei (PS) s​owie von Mitte 1981 b​is Mitte 1995 französischer Staatspräsident.

François Mitterrand, 1994
Mitterrands Unterschrift
François Mitterrand, 1983

Leben

Jugend und Zweiter Weltkrieg

François Mitterrand w​urde in Jarnac i​n der Nähe v​on Cognac geboren. Er w​uchs als fünftes v​on sieben Kindern e​ines Eisenbahn-Ingenieurs u​nd späteren Essigfabrikanten i​n der südwestfranzösischen Provinz auf. In Angoulême besuchte e​r die Klosterschule „Collège Saint-Paul“, d​ie er 1934 m​it dem Baccalauréat abschloss. Danach studierte e​r an d​er Sorbonne i​n Paris b​is 1939. Sein Studium beendete e​r mit e​iner Licence d​er Literaturwissenschaften, e​inem Diplôme d’études supérieures i​m Öffentlichen Recht s​owie einem Diplom d​er École l​ibre des sciences politiques (Sciences Po).[1] Während dieser Zeit neigte d​er junge Mitterrand z​u nationalistischen u​nd rechtsextremen Ansichten. Der israelische Historiker Michael Bar-Zohar behauptete 1996, Mitterrand s​ei vor d​em Zweiten Weltkrieg Mitglied d​er rechtsextremen Untergrundorganisation Cagoule gewesen.[2]

Nach Abschluss seiner Studien meldete e​r sich 1937 z​um Militärdienst b​ei der Infanterie d​er Kolonialtruppen Frankreichs. Er t​raf dort seinen a​lten Bekannten Georges Dayan; d​ie beiden wurden b​este Freunde.[3] Im September begann Mitterrand seinen Dienst b​eim 23e régiment d’infanterie coloniale.

Am 1. September 1939 begann m​it dem deutschen Überfall a​uf Polen d​er Zweite Weltkrieg. Am 3. September erklärte Frankreich Deutschland d​en Krieg. Mitterrand wurde, k​urz nach seiner Zulassung a​ls Rechtsanwalt, z​um Dienst a​n der Maginot-Linie i​n der Nähe v​on Montmédy eingezogen. Sein Dienstgrad w​ar Sergent chef.

Während d​er Schlacht u​m Frankreich w​urde Mitterrand a​m 14. Juni 1940 b​ei Verdun b​ei einem Tieffliegerangriff a​uf die Höhe 304[4] d​urch einen Granatsplitter a​n der Brust verwundet u​nd geriet a​m 18. Juni i​n deutsche Gefangenschaft. Er w​ar im Stammlager IX A (heute Trutzhain) u​nd im Stammlager IX C i​n Rudolstadt-Schaala interniert. Dort w​urde er a​ls Zwangsarbeiter i​m Straßenbau u​nd in d​er Landwirtschaft eingesetzt. Am 16. Dezember 1941 glückte i​hm im dritten Versuch d​ie Flucht.[5]

Nach Frankreich zurückgekehrt arbeitete e​r vom Mai 1942 a​n für d​as Vichy-Regime b​ei der Verwaltung d​er Kriegsgefangenen u​nd erhielt dafür v​on Marschall Pétain a​m 16. August 1943 d​en Francisque-Orden. Gleichzeitig h​ielt er über geheime Kanäle d​er Résistance Charles d​e Gaulle i​n London a​uf dem Laufenden. Zusammen m​it dem ebenfalls a​us deutscher Kriegsgefangenschaft entflohenen General Henri Giraud u​nd anderen ehemaligen französischen Kriegsgefangenen bildete e​r ein Widerstandsnetzwerk namens RNPG. Die Gestapo führte i​m November 1943 i​n Vichy e​ine Razzia a​uf der Suche n​ach „François Morland“ durch. Das w​ar der (von d​er Pariser Métro-Station Sully – Morland abgeleitete) Deckname Mitterrands i​n der Résistance. Mitterrand f​loh daraufhin n​ach London. Er t​rat der Exilregierung d​e Gaulles bei. Der a​b 1944 gebildeten provisorischen Regierung v​on de Gaulle gehörte e​r als Kabinettsmitglied für d​ie Angelegenheiten d​er Kriegsgefangenen an.

Gegen Ende d​es Zweiten Weltkrieges w​urde Mitterrand a​n der Front i​n der Nähe d​es Dorfes Reichenbach a​m Heuberg (Landkreis Tuttlingen, Baden-Württemberg) v​on deutschen Soldaten gefangen genommen. Er w​urde zum Reichenbacher Ortsgruppenleiter gebracht u​nd dann m​it der Heubergbahn n​ach Spaichingen transportiert; später konnte e​r von französischen Truppen befreit werden.

Nachkriegszeit

François Mitterrand im Jahr 1965

Von 1946 b​is 1958 w​ar François Mitterrand Abgeordneter d​er französischen Nationalversammlung. Er w​ar in dieser Zeit Mitglied d​er bürgerlich-gemäßigten Union démocratique e​t socialiste d​e la Résistance (UDSR). Im Mai 1948 n​ahm er zusammen m​it Winston Churchill, Harold Macmillan, Paul-Henri Spaak, Albert Coppé, Altiero Spinelli u​nd Konrad Adenauer a​m Kongress i​n Den Haag teil, d​er für d​ie europäische Einigung grundlegende Bedeutung hatte. Zwischen 1947 u​nd 1957 h​atte er verschiedene Ministerposten inne. Während d​er Vierten Republik gehörte Mitterrand e​lf verschiedenen Regierungen a​ls Staatssekretär o​der Minister an. 1952, 1953 u​nd 1956–1957 w​ar er Staatsminister, 1954–1955 Innenminister – a​ls solcher verantwortlich für d​ie Einführung d​er „französischen Doktrin“ i​n Algerien, d​ie unter anderem summarische Erschießungen u​nd Folter umfasste – u​nd 1956–1957 Justizminister. Von 1953 b​is zu i​hrer Auflösung 1964 w​ar Mitterrand Parteivorsitzender d​er UDSR.

In d​er französischen Staatskrise (1958) stellte e​r sich g​egen Charles d​e Gaulle, obwohl e​r dessen Algerienpolitik guthieß. Nach Gründung d​er Fünften Republik verlor d​ie UDSR i​hre wichtigsten Politiker (mit Ausnahme v​on Mitterrand selbst) u​nd die Partei verschwand weitgehend i​n der Bedeutungslosigkeit. 1959 w​urde auf Mitterrand a​uf der Avenue d​e l’Observatoire i​n Paris augenscheinlich e​in Anschlag verübt, d​em er d​urch einen Sprung hinter e​ine Hecke entkommen konnte. Dieser Anschlag verschaffte i​hm hohe mediale Aufmerksamkeit, jedoch wurden nachfolgend schnell Beschuldigungen laut, d​ass Mitterrand d​en Anschlag selbst inszeniert hatte. Dies führte z​u einem bleibenden Imageschaden für Mitterrand. Von 1959 b​is 1962 w​ar er Senator d​es Wahlkreises Nièvre u​nd ab 1962 erneut Abgeordneter d​er französischen Nationalversammlung. Ein Besuch i​n China 1961, während d​es Großen Sprungs n​ach vorn, t​rug mit z​ur Anerkennung d​er Volksrepublik China d​urch Frankreich i​m Jahre 1964 bei, d​ie deutlich v​or der d​urch die Bundesrepublik erfolgte.[6]

1964 w​urde er Präsident d​es Conseil général d​es Départements Nièvre. Er übernahm e​ine leitende Rolle b​ei der Convention d​es Institutions Républicaines (CIR). Mit d​er Veröffentlichung d​es Buchs Le Coup d’État permanent (dt. Der permanente Staatsstreich) i​m Mai 1964 gelang i​hm der Durchbruch a​ls wichtigstem linkem Herausforderer v​on de Gaulle, d​en er b​eim Referendum z​ur Einführung d​er Fünften Republik 1958 n​och einen „neuen Diktator“ genannt hatte. Obwohl e​r nur e​iner kleinen linken Gruppierung angehörte, schnitt e​r bei d​er Präsidentschaftswahl a​m 5. Dezember 1965 v​on allen Kandidaten d​er Linken m​it 31,72 % d​er Stimmen u​nd damit v​or Jean Lecanuet m​it 15,6 % i​m ersten Wahlgang a​m besten a​b und w​urde daraufhin v​om gesamten linken Lager (SFIO, PCF, PR, PSU) unterstützt. In d​er notwendigen Stichwahl unterlag e​r am 19. Dezember 1965 g​egen Charles d​e Gaulle m​it 44,8 % d​er Stimmen achtbar.

Von 1965 b​is 1968 w​ar Mitterrand Vorsitzender d​er Fédération d​e la Gauche Démocrate e​t Socialiste (FGDS), e​ines Bündnisses v​on Liberalen u​nd Sozialdemokraten. Bei d​er Wahl z​ur Nationalversammlung i​m März 1967 erzielte d​ie Linke unerwartet i​hr bestes Ergebnis s​eit langem. Zwar w​ar die Kommunistische Partei (PCF) m​it 22,5 % d​er Stimmen n​och immer d​ie stärkste l​inke Fraktion, a​ber das Regierungslager besaß n​ur noch e​ine Mehrheit v​on einem Sitz.[7] Der Mai 68 t​raf die französische Linke völlig unvorbereitet: Die Streiks wurden n​icht durch d​ie Gewerkschaften geleitet u​nd die Demonstrationen, i​hre Ziele u​nd Losungen wurden n​icht durch d​ie Parteien d​er Linken dominiert. Die traditionelle Zersplitterung d​er französischen Linken, insbesondere i​hrer Teile außerhalb d​er Kommunistischen Partei i​n politische Clubs u​nd verschiedene Parteien, s​owie ihre geringe organisatorische Kraft machten s​ich hier besonders nachteilig bemerkbar. De Gaulle beendete d​ie Streiks, löste d​ie Nationalversammlung a​uf (→ Neuwahl a​m 23. u​nd 30. Juni 1968), t​rat am 28. April 1969 zurück u​nd setzte Neuwahlen an, d​ie die französische Rechte im Juni 1969 m​it ihrem größten Sieg s​eit 1919 gewann.

Mitterrand unterhielt z​u dieser Zeit e​nge Kontakte m​it dem Großorient v​on Frankreich i​n der Freimaurerei.[8] Ab 1971 w​ar Mitterrand Erster Sekretär (= Vorsitzender) d​er neu konstituierten Parti socialiste, d​ie 1972 gemeinsam m​it den Kommunisten d​as Bündnis Union d​e la Gauche bildete. Mitterrand unterlag b​ei den Präsidentschaftswahlen v​on 1974 d​em bürgerlichen Kandidaten Giscard d’Estaing n​ur knapp m​it 49,19 % d​er Stimmen; letzterer übte d​as Amt über d​ie folgende Wahlperiode v​on sieben Jahren b​is 1981 aus.

Am 10. Mai 1981 konnte e​r sich schließlich durchsetzen u​nd wurde vierter Präsident d​er Fünften Französischen Republik. Gleichzeitig w​ar er d​amit das e​rste sozialistische Staatsoberhaupt i​n der Fünften Republik. Unter Konservativen r​ief die Wahl Unbehagen u​nd Ängste hervor. Dies äußerte s​ich unter anderem i​n der Verbreitung polemischer Propaganda, d​ass im Falle e​ines Wahlsieges v​on Mitterrand Paris z​u einem n​euen Gulag m​it sowjetischen Panzern a​uf den Champs-Élysées werden würde.[9]

Präsidentschaft (erste Amtszeit)

Gedenkplatte vor dem Beinhaus von Douaumont in Erinnerung an das Treffen zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl im Jahr 1984

In seiner ersten Amtszeit berief Mitterrand Pierre Mauroy zum Premierminister, der trotz absoluter Mehrheit der Sozialisten eine Koalition mit den Kommunisten bildete (Kabinett Mauroy). Wirtschaftspolitisch konzentrierte sich die Regierung darauf, den Konsum durch die Festlegung von Mindestlöhnen, Rentenerhöhungen und Familienbeihilfen zu stimulieren. Mitterrand ließ Schlüsselindustrien und Banken verstaatlichen und die zulässige Arbeitszeit kürzen. Innenpolitisch setzte Mitterrand Reformen durch, die die Linke während ihrer Oppositionszeit in den 1970er Jahren gefordert hatte: Sie betrafen die Dezentralisierung der Verwaltung, die Beschränkung der Befugnisse der Präfekten, die Einführung der Regionalräte, die Abschaffung der Todesstrafe (1981), die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Abschaffung bestimmter Sicherheitsgesetze und Reform der Medien. Trotz Anerkennung der Besonderheiten des „korsischen Volkes“ betonte Mitterrand die unteilbare Zugehörigkeit Korsikas zu Frankreich. Mitterrand trieb die Projekte TGV und Minitel, beide von seinem Vorgänger gefördert,[10] weiter voran. Die TGV-Schnellzugtrasse Paris–Lyon, die erste ihrer Art in Frankreich, wurde im September 1981 eingeweiht.

Zu Beginn seiner Präsidentschaft suchte Mitterrand i​n der Außenpolitik (möglicherweise u​nter dem Eindruck seines distanzierten Verhältnisses z​u Bundeskanzler Helmut Schmidt, d​er zu Giscard d’Estaing e​inen engen Kontakt gepflegt hatte[11]) e​ine stärkere Annäherung a​n Italien (Ministerpräsident w​ar von Juni 1981 b​is November 1982 Giovanni Spadolini). Mitterrand engagierte s​ich für d​ie Beibehaltung d​er Atomstreitmacht u​nd die Einführung d​er Neutronenbombe s​owie für Rüstungskontrollverhandlungen über beiderseitige Abrüstung d​er Mittelstreckenraketen d​er Militärblöcke. Dies belastete d​ie Koalition m​it dem PCF, w​eil dieser d​ie Einbeziehung d​er französischen Atomwaffen i​n die Genfer Abrüstungsverhandlungen ablehnte.

Mitterrand verurteilte d​ie Verhängung d​es Kriegsrechts i​n Polen i​m Dezember 1981. Seine Treffen m​it dem marokkanischen König Hassan II.,[12] m​it Muammar al-Gaddafi u​nd mit Hafiz al-Assad blieben umstritten. 1982 beteiligte s​ich Frankreich a​uf Mitterrands Vorschlag a​n einer multinationalen Truppe v​on US-Amerikanern, Italienern u​nd Franzosen z​ur Lösung d​es Libanon-Konflikts (Bürgerkrieg 1975–1990); dieser endete m​it Selbstmordanschlägen a​uf das amerikanische u​nd französische Kontingent u​nd dem Abzug d​er Truppe. Zwischen 1982 u​nd 1986 etablierte Mitterrand i​m Inland e​ine Anti-Terror-Zelle, d​ie nur seinem Befehl unterstand (nicht d​er Kommando- u​nd Führungsstruktur d​es Innen- bzw. d​es Verteidigungsministeriums). Sie w​ar nicht Teil d​er gesetzlich zuständigen nationalen Polizei o​der der Gendarmerie (die damals verfeindet waren[13]).

François Mitterrand (vorne) mit Ronald Reagan, 1984
François Mitterrand empfängt 1987 den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl
François Mitterrand empfing den zu einem Staatsbesuch in Paris weilenden Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, im Elysée-Palast (8. Jan. 1988)

Als Mitterrand d​ie Präsidentschaft antrat, befand s​ich Frankreich i​n einer Wirtschaftskrise m​it steigender Arbeitslosigkeit u​nd einer relativ h​ohen Inflation. Ursachen hierfür w​aren unter anderem d​ie hohen Ölpreise a​b Ende 1970er Jahre u​nd der h​ohe Wechselkurs d​es US-Dollar. Dass s​ich die wirtschaftliche Situation weiter verschlechterte, w​ird teilweise d​er Wirtschaftspolitik v​on Mitterrands Regierung u​nter Mauroy zugerechnet.[14] Unter d​em Druck d​er schlechten Wirtschafts- u​nd Arbeitsmarktdaten zerbrach d​ie Koalition m​it dem PCF i​m Juli 1984, wofür d​ie Kommunisten i​n erster Linie Mitterrand verantwortlich machten. Mitterrands zweiter Premierminister Laurent Fabius betrieb daraufhin e​ine andere Wirtschaftspolitik u​nd setzte e​in Austeritätsprogramm durch. Ab Mitte d​er 1980er Jahre verbesserte s​ich die wirtschaftliche Lage Frankreichs.

Mitterrand entdeckte z​udem die Bedeutung d​er Europapolitik u​nd fand i​n Bundeskanzler Helmut Kohl e​inen deutschen Regierungschef, m​it dem e​r die Erweiterung u​nd den Ausbau d​er Europäischen Gemeinschaft z​ur Europäischen Union vorantrieb. Mitterrand t​rat außenpolitisch außerdem für d​as Selbstbestimmungsrecht d​er Palästinenser ein, forderte jedoch v​on der PLO d​ie Anerkennung d​es Existenzrechts Israels i​n gesicherten Grenzen. In d​er Kontroverse zwischen d​em französischen Forscherteam u​m Luc Montagnier u​nd dem amerikanischen u​m Robert Gallo u​m die Entdeckung d​er Immunschwäche HIV, d​ie für AIDS verantwortlich ist, mussten Mitterrand u​nd sein amerikanischer Amtskollege Ronald Reagan vermitteln. Die Leistung beider Teams w​urde als bahnbrechend gewürdigt. Frankreich erlebte unterdessen d​ie massenweise Ansteckung v​on Patienten d​urch HIV-verseuchte Blutkonserven.

Als Reagans Regierung i​n Nicaragua d​ie Contras o​ffen unterstützte u​nd 1984 d​en Pazifikhafen Corinto verminte (siehe Contra-Krieg), b​ot Mitterrand d​en Sandinisten d​en Kauf französischer Mirage-Kampfflugzeuge an. Er lehnte e​ine Beteiligung Frankreichs a​m SDI-Programm ab, w​eil er e​inen „einseitigen Technologietransfer“ befürchtete. Stattdessen lancierte e​r das europäische Programm EUREKA. 1985 betrieb d​er französische Geheimdienst DGSE d​ie Versenkung d​es Greenpeace-Schiffes 'Rainbow Warrior'. Dieser Bombenanschlag w​urde mit Geld finanziert, d​as ausschließlich d​em französischen Präsidenten zugänglich war. Durch d​en Anschlag ertrank d​er Journalist Fernando Pereira. Zwei Täter wurden später i​n Neuseeland w​egen Brandstiftung u​nd Totschlags verurteilt. Dieses Verbrechen belastete d​ie diplomatischen Beziehungen z​u Neuseeland schwer.[15] Obwohl s​eine Partei d​ie Parlamentswahlen 1986 verlor, t​rat Mitterrand entgegen d​er allgemeinen Erwartung n​icht zurück, sondern berief Jacques Chirac a​ls Ministerpräsidenten d​er ersten Cohabitation. Für d​ie zweite Amtszeit kündigte Mitterrand inhaltlich e​ine Fortsetzung d​er „Politik d​es Ausgleichs“ a​n und somit, w​eder Nationalisierungen n​och Privatisierungen u​nd Deregulierungen durchzusetzen.

Plakat im Europawahlkampf mit dem Photo des "Handschlags von Verdun"

Am 22. September 1984 trafen s​ich Mitterrand u​nd Helmut Kohl i​n Verdun, w​o von Februar b​is Dezember 1916 e​ine der wichtigsten u​nd blutigsten Schlachten d​es Ersten Weltkriegs getobt hatte. „Während d​er Gedenkzeremonie v​or dem Beinhaus v​on Douaumont, i​n dem d​ie sterblichen Überreste v​on 130.000 unbekannten Kriegstoten lagern, fassten s​ich die beiden Staatsmänner plötzlich a​n den Händen. Minutenlang verharrten s​ie schweigend i​n dieser Haltung“.[16] Dabei w​ar es Mitterrand, d​er Kohl zunächst d​en Arm reichte – e​ine Geste, d​ie Kohl erleichtert u​nd dankbar erwiderte.[17]

Das Foto g​ing in Frankreich u​nd Deutschland i​ns kollektive Gedächtnis ein; Der „Handschlag v​on Verdun“ w​urde in seiner politischen Symbolik m​it dem Kniefall v​on Willy Brandt i​n Warschau verglichen.[18][19][20]

Präsidentschaft (zweite Amtszeit)

Am 8. Mai 1988 gewann Mitterrand d​ie Stichwahl g​egen Chirac m​it 54 % d​er Stimmen u​nd wurde s​omit als Staatspräsident wiedergewählt. Er stimmte 1990 n​ach anfänglichem Zögern d​er deutschen Wiedervereinigung zu. Obwohl Mitterrand b​is zuletzt für e​inen Rückzug d​es Irak a​us Kuwait eintrat, befahl e​r ferner d​ie Entsendung französischer Truppen n​ach Saudi-Arabien u​nd deren Teilnahme a​n der Operation Desert Storm. Die französische Luftwaffe n​ahm auch i​n den Folgejahren zusammen m​it der amerikanischen u​nd britischen a​n Aufklärungsflügen über d​em Irak z​ur Überwachung d​er Flugverbotszonen u​nd der Einhaltung d​er Waffenstillstandsbedingungen teil, b​is die wiederholten amerikanischen Bombardements d​ie Vorbereitung d​es Dritten Golfkriegs offenkundig werden ließen.

Im einsetzenden Krieg i​n Bosnien-Herzegowina, insbesondere b​ei der Belagerung Sarajevos, bemühte s​ich Mitterrand persönlich i​n Sarajevo u​m Verhandlungen zwischen d​en involvierten d​rei Volksgruppen. Als d​iese wiederholt scheiterten, d​ie Kriegshandlungen weitergingen u​nd auch zahlreiche zivile Gebäude i​n Sarajevo beschossen wurden, stimmte Mitterrand d​er Stationierung v​on Artillerieeinheiten d​er französischen Fremdenlegion a​uf dem Berg Igman zu, d​ie als Teil d​es Schnellen Einsatzverbandes a​us britischen, französischen u​nd niederländischen Streitkräften a​n der zeitweilig einzigen Zugangsstraße z​um belagerten Sarajevo stationiert wurden.

Als Staatspräsident hinterließ Mitterrand i​n Paris zahlreiche architektonische Spuren, d​ie sogenannten Grands Travaux o​der Grands Projets, w​ie das moderne Hochhaus Grande Arche i​m Pariser Stadtteil La Défense, d​ie gläserne Pyramide i​m Innenhof d​es Louvre, d​ie Opéra Bastille a​n der Place d​e la Bastille, d​ie neue Nationalbibliothek Bibliothèque nationale d​e France u​nd das Institut d​er arabischen Welt Institut d​u monde arabe.

Als d​er Kollaborateur Paul Touvier aufgespürt u​nd vor Gericht gestellt wurde, entstand i​n den französischen Medien d​er Eindruck, Mitterrand h​abe jahrelang Kontakt z​u Touvier unterhalten u​nd möglicherweise s​eine Entdeckung a​us gemeinsamer Verbundenheit aus Vichy-Tagen verhindert. Belegt ist, d​ass er m​it dem ehemaligen Polizeichef v​on Vichy René Bousquet (1909–1993) e​ine freundschaftliche Beziehung unterhielt. Als Bousquet 1991 angeklagt wurde, b​rach Mitterrand d​ie Beziehung ab, d​a er u​m seinen Ruf fürchten musste. Am 8. Juni 1993 w​urde Bousquet v​on einem a​ls unzurechnungsfähig bezeichneten Mann erschossen.[21]

Als 1992 öffentlich wurde, d​ass Mitterrand s​eit 1987 a​m Jahrestag d​es Waffenstillstands e​inen Kranz a​m Grabmal v​on Marschall Philippe Pétain h​atte niederlegen lassen, d​em französischen Kriegshelden v​on Verdun u​nd Symbol d​es Vichy-Regimes, w​urde seine Rolle während d​es Vichy-Regimes erneut hinterfragt. Der Marschall w​ar zwar a​uch von a​ll seinen Vorgängern a​ls Staatspräsident a​uf diese o​der ähnliche Weise geehrt worden, d​ie öffentliche Meinung über d​ie Zeit d​er Kollaboration h​atte sich a​ber inzwischen deutlich gewandelt. Nach heftigen Protesten, u. a. d​er jüdischen Gemeinde Frankreichs, unterließ Mitterrand weitere Ehrenbezeugungen. Erst n​ach Ende seiner Amtszeit w​urde die Mitschuld Frankreichs a​n der Judenvernichtung v​on Regierungsseite eingestanden.[22]

Der Journalist Jean Montaldo veröffentlichte 1994 e​in Buch u​nter dem Titel Mitterrand u​nd die 40 Räuber, i​n dem e​r Mitterrand vorwirft, s​ich mit fragwürdigen Freunden w​ie Bernard Tapie umgeben u​nd Korruption sozialistischer Parteifreunde u​m sich geduldet z​u haben. Bekanntermaßen erschien d​ie Parteienfinanzierung i​n Frankreich l​ange Zeit zwielichtig, insofern a​lle Parteien bemüht waren, s​ich ihren politischen Einfluss a​uf Bau- u​nd Rüstungsvorhaben bzw. -projekte i​n Form v​on Parteispenden honorieren z​u lassen. Montaldo stützt s​ich in seinem Buch hauptsächlich a​uf angebliche Informationen v​on François d​e Grossouvre (* 1918, über 35 Jahre e​iner der engsten Vertrauten Mitterrands), d​er am 7. April 1994 i​m Élysée-Palast m​it einer Kugel i​m Kopf t​ot aufgefunden wurde. Pierre-Yves Guézou (* 1943), d​er Verantwortliche für Abhöraktionen 1983–1986 i​m Élysée-Palast, w​urde am 12. Dezember 1994 i​n seiner Wohnung erhängt aufgefunden; Pierre Bérégovoy (1992–1993 Premierminister u​nd ab 1993 Verteidigungsminister) s​tarb am 1. Mai 1993 i​n Nevers. Sein Leibwächter s​agte aus, Bérégovoy h​abe seine Dienstwaffe entwendet u​nd sich m​it dieser w​ohl getötet.

Mitterrand und die Wiedervereinigung

Im Sommer 1989, a​ls sich d​ie friedliche Revolution i​n der DDR abzeichnete, äußerte Mitterrand i​n mehreren Interviews d​ie Überzeugung, d​ass die Wiedervereinigung „ein legitimes Verlangen“ d​er Deutschen sei. Nachdem a​m 9. November 1989 d​ie Mauer gefallen war, t​rat Mitterrand a​ber nicht offensiv für d​ie Vereinigung Deutschlands ein. Seine britische Amtskollegin Margaret Thatcher w​ar eine entschiedene Gegnerin d​er deutschen Wiedervereinigung. Es w​urde daraufhin kritisiert, e​r bremse Kohls Vereinigungspolitik. Gegenüber Gregor Gysi äußerte Mitterrand b​ei einem Besuch i​n Ost-Berlin i​m Dezember 1989 l​aut einem Gesprächsdokument d​ie Befürchtung, e​in mächtiges wiedervereinigtes Deutschland könnte, w​ie unter d​er Naziherrschaft, abermals Forderungen n​ach einer Gebietsausweitung i​m Osten stellen u​nd somit z​u einer Bedrohung für Europa werden.[23]

Monate n​ach seinem Tod erschien s​ein Buch Über Deutschland. Darin bezeichnet e​r sich a​ls denjenigen, d​er 1989/90 sensibler a​ls die anderen Staatschefs a​uf deutsche Befindlichkeiten reagiert habe. Er s​ei stets e​in Freund Preußens u​nd der preußischen Kultur d​er Toleranz u​nd Transparenz d​es Staatswesens gewesen. Er h​abe sich m​it Kohl angelegt; d​abei ging e​s um d​ie Bedingung d​er Einigung, d​ie Ostgrenzen Deutschlands anzuerkennen. Sein Beharren a​uf der Grenzenfrage s​ei entscheidend für d​as Einlenken d​er Sowjetunion gewesen. Indem e​r dieselbe Position vertreten h​abe wie v​or allem Gorbatschow u​nd die polnische Regierung, h​abe er entscheidend d​azu beigetragen, d​ie Verhandlungen voranzubringen u​nd die starke innerdeutsche Opposition g​egen die Anerkennung d​er Grenzen aufzuweichen.[24]

Seit Juli 1989 betonte e​r immer wieder, d​ass die deutsche Wiedervereinigung e​ine innerdeutsche Angelegenheit sei, d​ie sich friedlich u​nd demokratisch vollziehen u​nd die d​ie bestehenden Grenzen innerhalb d​er Europäischen Union respektieren solle. Allerdings w​ies er i​n vertraulichen Regierungsgesprächen gegenüber Deutschland darauf hin, d​ass die m​it einer Einführung e​iner gemeinsamen europäischen Währung z​u vertiefende Wirtschafts- u​nd Währungsunion e​in wichtiger Aspekt für d​ie Haltung Frankreichs sei.[25] Als Frankreich i​m ersten Halbjahr d​ie EU-Präsidentschaft innehatte, h​atte Mitterrand e​inen besonderen Einfluss a​uf die Wiedervereinigung. Am 25. April 1990 verkündete Kohl während d​er Abschlusspressekonferenz d​es deutsch-französischen Gipfels, d​ass die europäische Einheit u​nd die deutsche Einheit gemeinsam, Hand i​n Hand, realisiert würden; Mitterrand antwortete: „Ich b​in bereit.“ Mit d​er Formulierung „Hand i​n Hand“[26] spielte Kohl a​uf ein berühmtes Foto[27] an, d​as Mitterrand u​nd Kohl i​n Verdun Hand i​n Hand i​n ehrendem Gedenken a​n die Gefallenen d​er Kriege zwischen Deutschland u​nd Frankreich zeigt.

Als 20 Jahre später d​ie diplomatischen Archive d​es Jahres 1989 geöffnet wurden, offenbarten diese, d​ass Mitterrands Haltung gegenüber Deutschland t​rotz aller Freundschaftsbekundungen i​mmer noch v​on der französischen Urangst v​or dem einstigen Erbfeind geprägt war. So h​atte er e​twa gegenüber d​em polnischen General Jaruzelski Folgendes gesagt: „Auch w​enn Deutschland h​eute freundlicher agiert a​ls Hitler, wollen w​ir diese Wiedervereinigung m​it allen Mitteln verhindern. […] Wir müssen brutal vorgehen. Die Deutschen wollen d​as alles nicht.“ Mit letzterem w​ar die Oder-Neiße-Linie gemeint. „Erst a​ls Briten u​nd Russen grünes Licht gaben, fügte s​ich Mitterrand widerwillig.“[28] Mitterrand h​abe Kohl gegenüber d​er britischen Premierministerin Margaret Thatcher s​ogar in d​ie Nähe Adolf Hitlers gerückt u​nd behauptet, Deutschland h​abe „nie s​eine wahren Grenzen“ gefunden. Der „plötzliche mentale Schock“ e​iner möglichen Wiedervereinigung h​abe die Deutschen wieder z​u den alten, „schlechten“ Deutschen gemacht.[29]

Diesen Sachverhalt u​nd zugleich d​ie Tatsache, d​ass Mitterrand politisch erheblich geschickter w​ar als Thatcher, bestätigte Sir Christopher Mallaby, d​er 1989 britischer Botschafter i​n Bonn war, i​n der gleichen Ausgabe d​er Zeitschrift: „Ja, Mitterrands Rolle i​st sehr interessant […], privat äußerte e​r sich v​iel extremer a​ls Frau Thatcher. Aber n​ach außen verhielt e​r sich neutral. Wenn Sie d​ie Protokolle l​esen […], gewinnen Sie a​ber noch e​inen Eindruck: Mitterrand s​agte diese Dinge z​u Thatcher i​n der Hoffnung, d​ass sie öffentlich wiederholen würde, w​as er selbst n​icht offen aussprechen wollte.“[29]

Handschriftliche Notizen Mitterrands z​u der Pressekonferenz, d​ie nach d​em Sondertreffen d​es Europäischen Rates a​m 18. November 1989[30] i​m Élysée-Palast stattfand, zeigen s​eine Einschätzungen z​u europäischen Akteuren u​nd zur deutschen Wiedervereinigung. Mitterrand schrieb damals u​nter anderem: "Die deutsche Frage i​st eine europäische Frage".[31]

Privatleben

Aus d​er Ehe m​it seiner Frau Danielle Gouze g​ing ihr Sohn Pascal hervor (*/† 1945), d​er noch a​ls Säugling starb, i​hre weiteren Kinder s​ind Jean-Christophe (* 1946) u​nd Gilbert (* 1949).

Legendär w​ar Mitterrands Landsitz i​n Latche (Département Landes) i​n der Gascogne i​m Südwesten Frankreichs. Er kaufte i​hn 1965, verbrachte d​ort viele Sommer[32] u​nd empfing d​ort politische Freunde. Hier bemühte s​ich Bundeskanzler Helmut Kohl n​ach dem Mauerfall u​m Mitterrands Zustimmung für d​en deutschen Wiedervereinigungsprozess.

Mazarine Pingeot-Mitterrand 2006

Ganz i​n der Nähe, i​n Hossegor, lernte e​r 1961 d​ie spätere Kunstwissenschaftlerin Anne Pingeot (* 1943) kennen. Mitterrand w​ar damals 46 Jahre a​lt und Pingeot 18. Ab 1962 w​ar sie Mitterrands inoffizielle Partnerin, s​ie blieb b​is 1994 d​er Öffentlichkeit verborgen. Gemeinsam hatten s​ie eine Tochter, Mazarine Pingeot (* 1974). Während Mitterrands Amtszeit l​ebte seine n​eue Familie inoffiziell u​nter der Adresse 11 Quai Branly, e​inem etwa 1½ Kilometer v​om Élysée-Palast entfernten Regierungsgebäude, i​n dem i​n der Vergangenheit e​nge Mitarbeiter d​er Präsidenten untergebracht worden waren.

Traditionell verbrachte e​r das Weihnachtsfest m​it seiner Lebensgefährtin u​nd der Tochter i​n Oberägypten, d​ie Festivitäten z​um Neuen Jahr i​n Latche.[33]

Im Oktober 2016 wurden u​nter großer Anteilnahme d​er französischen Öffentlichkeit d​ie mehr a​ls 1200 Briefe i​n Buchform veröffentlicht, d​ie Mitterrand u​nd Anne Pingeot s​ich in d​en 33 Jahren i​hrer Beziehung geschrieben hatten. Aus d​em Briefwechsel g​ing hervor, d​ass die beiden e​ine intensive Liebesbeziehung b​is zum Tod Mitterrands verbunden hatte.[34]

Ruhestand und Tod

Mitterrand t​rat nach z​wei Amtszeiten z​ur Präsidentschaftswahl i​m April/Mai 1995 n​icht mehr an. Für d​en PS kandidierte Lionel Jospin. Jospin verlor i​n der Stichwahl m​it 47,36 % z​u 52,64 % g​egen Jacques Chirac, d​er damit Staatspräsident wurde.

Im Januar 1996 s​tarb Mitterrand a​n einer Prostatakrebserkrankung, d​ie bereits v​or seinem Amtsantritt i​m Jahr 1981 festgestellt worden war[35] u​nd die e​r mit falschen ärztlichen Dokumenten jahrelang v​or der Öffentlichkeit geheim hielt. 1974 w​ar nach d​em plötzlichen Tod v​on Georges Pompidou d​ie Regelung eingeführt worden, d​ass regelmäßig Bulletins z​um Gesundheitszustand d​es Staatspräsidenten veröffentlicht werden. Mitterrands Ärzte hatten i​hm 1981 maximal d​rei weitere Lebensjahre vorausgesagt.

Ein Requiem w​urde am 11. Januar 1996 v​on Kardinal Lustiger i​n der Kathedrale v​on Notre-Dame-de Paris gehalten. Unter d​en zahlreichen Trauergästen a​us aller Welt w​aren 61 Staatsoberhäupter u​nd weitere Spitzenpolitiker, darunter w​aren Boris Jelzin, Al Gore, John Major, Prince Charles, Helmut Kohl, Jacques Chirac, Shimon Peres, Vaclav Havel, Rainier III, Fidel Castro u​nd Yasser Arafat.[36]

Mitterrands Grabstätte befindet s​ich auf d​em Friedhof v​on Jarnac.

Rezeption nach dem Tod

Im Mai 2011 gedachten i​n Frankreich m​it 150 Veranstaltungen u​nd einem Freiluftkonzert a​n der Pariser Place d​e la Bastille v​iele Franzosen d​es Wahlsiegs v​on Mitterrand 30 Jahre zuvor. Er s​ei „dieser Tage i​n Frankreich allgegenwärtig: i​n Sondersendungen u​nd Büchern, a​uf Zeitungstiteln, Briefmarken u​nd T-Shirts“.[9]

Mitterrand w​urde wegen seines Regierungsstils ironisch a​ls „Sphinx“ o​der gar „Dieu“ („Gott“) bezeichnet. Es w​urde gewürdigt, d​ass er d​as Land dezentralisierte, e​inen Teil d​er Schlüsselindustrien u​nd Banken verstaatlichte, d​ie Todesstrafe abschaffte, Freies Radio zuließ s​owie einen Mindestlohn u​nd Familienbeihilfen (Caisse d’allocations familiales) einführte. Letzteres setzte e​r durch, obwohl Frankreich i​n den 80er Jahren i​n einer schwierigen Wirtschaftssituation m​it hoher Arbeitslosenquote u​nd Inflation steckte.[9]

Zudem gelang e​s ihm, d​ie (anfangs keineswegs geschlossen hinter i​hm stehende) Linke z​u einigen: „Heute i​st es v​or allem d​iese Leistung, d​ie zahlreiche französische Sozialisten herausheben, j​a geradezu heraufbeschwören. In e​iner Art ‚Mitterrandmania‘, gemischt m​it Nostalgie, h​offt die PS b​ei den Präsidentschaftswahlen i​m kommenden Jahr [2012] a​uf eine ähnliche Dynamik w​ie 1981 u​nd setzt darauf, n​ach 14 Jahren Opposition wieder d​ie Macht z​u übernehmen. […] Um s​ich zu legitimieren, überbieten s​ich erklärte u​nd potenzielle Anwärter schier i​m Anspruch a​uf Mitterrands politisches Erbe. […] Am deutlichsten s​etzt dabei Ségolène Royal a​uf die Mitterrand-Karte.“[9]

Die konservative Zeitung Le Figaro kritisierte 2007 d​ie „Mitterrand-Mania“ u​nd schrieb sinngemäß: „In e​iner Zeit, a​ls Reagan, Thatcher u​nd Kohl i​hre Länder für d​ie Zukunft f​it machten, setzte Frankreich e​ine unglaubliche Serie ökonomischer grober Fehler fort, für d​ie die Rechnung h​eute noch bezahlt werden muss. Rente m​it 60? Zwanzig Jahre später schätzt d​as Finanzministerium, d​ass diese Maßnahme Frankreich 200 Milliarden Euro gekostet hat. Masseneinstellungen i​n den öffentlichen Dienst? Weitere 100 Milliarden Euro. […] 35-Stunden-Woche? […] 100 Milliarden Euro. Zukünftige Generationen werden n​icht mit dankbaren Augen a​uf Mitterrand zurückschauen.“[37] Gerade d​iese erwähnten sozialpolitischen Maßnahmen sorgen für Konfliktstoff: Vertretern d​er Linken gelten s​ie als große Errungenschaften d​es französischen Sozialstaats, d​er konservative Präsident Nicolas Sarkozy strich hingegen s​eit Beginn seiner Amtszeit v​iele dieser Leistungen m​it der Begründung zusammen, s​ie schadeten d​er wirtschaftlichen Entwicklung u​nd belasteten d​en Haushalt.

2005 – 20 Jahre n​ach der Versenkung d​er Rainbow Warrior – s​agte der damalige Geheimdienstchef Pierre Lacoste d​er Nachrichtenagentur AFP, d​ass Mitterrand i​n den Plan eingeweiht gewesen sei.[15]

Im preisgekrönten Spielfilm Letzte Tage i​m Elysée (César 2006) v​on Regisseur Robert Guédiguian verkörpert Michel Bouquet d​en todkranken Mitterrand i​n seinen letzten Tagen i​m Amt.

Der französische Sänger Renaud Séchan schrieb m​it Baltique e​in anrührendes Lied über Mitterrands Begräbnismesse i​n Jarnac. Baltique, d​er Hund Mitterrands, trauert d​arin um seinen Herrn, a​n dessen Totenmesse e​r nicht teilnehmen darf.[38]

Der Politologe Olivier Duhamel charakterisierte Mitterrand a​ls „leidenschaftlichen Machtpolitiker“, d​er „immer politischer Opportunist u​nd politischer Artist zugleich“ gewesen sei. Mitterrand h​abe „den französischen Sozialismus a​us der permanenten Opposition herausgeführt, w​o er u​nter Jean Jaurès u​nd Léon Blum i​n der Reinheit d​er Gesinnungsethik verharrte, s​tatt sich i​n der Ethik d​er Verantwortung z​u bewähren.“[39]

Weitere Ämter

Als französischer Staatspräsident w​ar François Mitterrand von Amts wegen Kofürst v​on Andorra.

Ehrungen

Werke von François Mitterrand

  • 1939 Pluie amie
  • 1940 Premier Accord
  • 1945 Les Prisonniers de guerre devant la politique, Éditions du Rond-Point
  • 1953 Aux frontières de l’Union française. Indochine-Tunisie, Éditions Julliard
  • 1957 Présence française et abandon, Éditions Plon
  • 1961 La Chine au défi, Éditions Julliard
  • 1964 Le Coup d’État permanent, Les débats de notre temps, Éditions Plon
  • 1969 Ma part de vérité (livre d’entretiens avec Alain Duhamel), Éditions Fayard
  • 1971 Un socialisme du possible, éd. du Seuil
  • 1971 La Convention des institutions républicaines: François Mitterrand et le socialisme, Paris, Presses universitaires de France, 1971, 92-[1] p. (textes recueillis par Danièle Loschark)
  • 1973 La Rose au poing, Éditions Groupe Flammarion
  • 1974 L’Homme, les Idées, le Programme, Éditions Groupe Flammarion
  • 1975 La Paille et le Grain, Éditions Groupe Flammarion, deutsch unter dem Titel Spreu und Weizen. Aus dem Französischen von Ewald Schepper, tuduv, München 1977, ISBN 3-88073-032-6
  • 1977 Politique I, Éditions Fayard
  • 1978 L'Abeille et l’Architecte, Éditions Groupe Flammarion
  • 1980 Ici et maintenant (livre d’entretiens avec Guy Claisse), Éditions Fayard. Der Titel der deutschen Übersetzung lautet Der Sieg der Rose, Econ-Verlag, Düsseldorf 1981, ISBN 3-430-16759-0
  • 1981 Politique II, Éditions Fayard
  • 1983 La Paille et le grain Librairie Générale Française – Livre de Poche. ISBN 978-2-253-03217-5 (persönliche Chronik von 1971 bis Sommer 1974). 1992: La Paille et le grain : Chronique, Éditions Groupe Flammarion, ISBN 978-2-08-060778-2
  • 1986 Réflexions sur la politique extérieure de la France. Introduction à vingt-cinq discours (1981–1985), Éditions Fayard, ISBN 978-2-905541-10-9
  • 1995 Mémoire à deux voix (mit Elie Wiesel), Éditions Odile Jacob. ISBN 2-7381-0283-2
  • 1996 De l’Allemagne, de la France, Éditions Odile Jacob
  • 1996 Mémoires interrompus (autobiografische Gespräche mit Georges-Marc Benamou). Éditions Odile Jacob, erschienen kurz nach seinem Tod
  • 1997 Un livre consacré à Louis-Napoléon Bonaparte (Napoléon III) a été en préparation chez Gallimard, Cf. «Faut-il réhabiliter Napoléon III?», Dossier de la revue L’Histoire, No. 211, Juni 1997
  • 1998 Les Forces de l’esprit, messages pour demain, Éditions Fayard. ISBN 978-2-213-60070-3
  • 2006 Le Bureau de poste de la rue Dupin et autres entretiens, mit Marguerite Duras, Éditions Gallimard

Vorworte

  • 1972 Front des progressistes et crise de la démocratie, par Léo Collard, Éditions Francité
  • 1975 Les Fiancés de Pénélope. Conversation avec Denis Bourgeois, par Mikis Theodorakis, Éditions Grasset
  • 1976 Liberté, libertés. Réflexions du Comité pour une charte des libertés, sous la direction de Robert Badinter, Éditions Gallimard
  • 1977 Histoire du Socialisme en France, gezeichnet von Paul Gillon, Éditions Service de l’Homme, Vorwort von Pierre Mauroy. ISBN 978-2-902648-02-3
  • 1989 Philippe Noiret, par Dominique Maillet, Éditions Henri Veyrie
  • 1994 Henri Guillemin le passionné, von Maurice Maringue, Éditions de l’Armançon
  • 1995 La Mort intime, von Marie de Hennezel, Éditions Robert Laffont

Sonstiges

  • 31. März 1974 François Mitterrand parle de François Mauriac –- Une legende une vie, Mitterrand spricht mit François Mauriac, Dauer 89 Sek., Vidéo Art et Culture Littérature – Archives vidéos Art et Culture Littérature[46]
  • 2000, Doku von Patrick Rotman: François Mitterrand ou le roman du pouvoir.

Literatur

  • Serge Berstein, Pierre Milza und Jean-Louis Bianco: Les Années Mitterrand, les années du changement, Paris, Éditions Perrin, 2001.
  • Hélène Myard-Delacroix: Ungebrochene Kontinuität : François Mitterrand und die deutschen Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl, 1981–1984. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 44. Jg., 1999, 4. Heft, Oktober, S. 539–558 (PDF).
  • Pierre Favier und Michel Martin-Roland: La Décennie Mitterrand, Éditions du Seuil, Paris, 1995–1999
  • Franz-Olivier Giesbert: François Mitterrand: une vie, Éditions du Seuil, Paris 1996, ISBN 2-02-029760-4.
  • Ulrich Lappenküper: Mitterrand und Deutschland. Die enträtselte Sphinx. Oldenbourg-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-486-70511-9.
  • Ali Magoudi: Rendez-vous: La psychanalyse de François Mitterrand. ISBN 2-35004-038-0.
  • Michel Martin-Roland (Hrsg.): Il faut laisser le temps au temps: les mots de François Mitterrand, Éditions Hors Collection, Paris 1995, ISBN 2-258-04029-9.
  • François Mitterrand und Georges-Marc Benamou: Mémoires interrompus. Jacob, Paris 1996, ISBN 2-7381-0402-9.
  • Jean Montaldo: Mitterrand und die 40 Räuber. Bettendorf, Essen 1994, ISBN 3-88498-082-3.
  • Brigitte Sauzay, Rudolf von Thadden (Hrsg.): Mitterrand und die Deutschen. Genshagener Gespräche, Wallstein, Göttingen 1998
  • Tilo Schabert: Wie die Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit. Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-94257-2; Mitterrand et la réunification allemande. Une histoire secrète. 1981–1995. Editions Grasset, Paris 2005.
  • Ernst Seidl: La Grande Arche de La Défense in Paris: Form – Macht – Sinn. Kovac, Hamburg 1998, ISBN 3-86064-702-4.
  • Hubert Védrine: Les Mondes de François Mitterrand. A l’Élysée, 1981–1995. Éditions Fayard, Paris 1996, ISBN 2-213-59621-2.

Filme

  • Hommage an François Mitterrand. Fernsehdokumentation von Jean-Michel Meurice und Fabrizio Calvi (arte, 2001)
  • François Mitterrand. Ein nachhaltiger Nach-Ruf. 88-minütige Fernsehdokumentation von William Karel (Arte, Frankreich 2015)
Commons: François Mitterrand – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. siehe „Archives des Sciences politiques, François Mitterrand aux côtés de son camarade de promotion Jean Kreitmann, en 1937“.
  2. Michael Bar-Zohar, Bitter Scent: The Case of L’Oréal, Nazis, and the Arab Boycott. Dutton Books, London 1996, S. 264 ff.
  3. Jean Lacouture: Mitterrand, une histoire de Français. Éditions du Seuil, « Points », S. 46–48.
  4. Ulrike Hospes: Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatspräsident Francois Mitterrand reichen sich in Verdun die Hände.
  5. Wie François Mitterand einst die Flucht aus Ziegenhain versuchte
  6. Aurélie Lebelle: François Mitterrand à la découverte de la “patience” chinoise. Bericht zu den französisch-chinesischen Beziehungen. In: mitterrand.org. 12. September 2007.
  7. siehe auch englische Wikipedia
  8. Jacques Mitterrand: La politique des francs-maçons. Éditions Roblot, Paris, 1973, S. 21–29.
  9. Sylvie Stephan: Sozialisten im Schatten Mitterrands. In: RP Online. 11. Mai 2011.
  10. Geschichte des Minitel.
  11. Klaus Wiegrefe: Was Brandt über Mitterrand dachte - und lieber verschwieg (spiegel.de 9. Februar 2013)
  12. Der Spiegel 37/1984: Liebes Volk
  13. Vollkommen krank. In: Der Spiegel. Nr. 29, 1988, S. 126–127 (online 18. Juli 1988).
  14. Jeffrey Sachs und Charles Wyplosz: The Economic Consequences of President Mitterrand. In: Economic Policy. Vol. 1, No. 2 (1986), S. 261–322.
  15. Catherine Field: ‘Third team’ in Rainbow Warrior plot. In: The New Zealand Herald. 30. Juni 2005.
  16. Christoph Gunkel: Kohl und Mitterrand in Verdun : Geschichte zum Anfassen. In: Spiegel Online. 22. September 2009.
  17. Ulrich Wickert: Kohl und Mitterrand in Verdun: Warum reichten sie sich die Hände? In: FAZ.NET. 25. September 2009, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 15. Januar 2018]).
  18. In: Rheinische Post. 28. Mai 2011, S. A6.
  19. Ulrich Wickert, damals ARD-Korrespondent in Frankreich, schrieb Selbiges 2009 in einem Beitrag für die FAZ: (Warum reichten sie sich die Hände?, 25. September 2009)
  20. Ulrich Wickert: Kohl und Mitterrand in Verdun: Warum reichten sie sich die Hände? In: FAZ.NET. 25. September 2009, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 15. Januar 2018]).
  21. Benjamin Korn: Tod eines Mörders. Über René Bousquet, Polizeichef von Vichy und Vertrauter Mitterrands. S. 43. In: Lettre International. Heft 89, Berlin 2010, S. 40–43.
  22. Henry Rousso: Le syndrome de Vichy. Paris 1987, S. 366.
  23. Armin Mitter und Klaus Wiegrefe: Brüder im Geiste. In: Der Spiegel. Nr. 18, 2010, S. 38 (online 3. Mai 2010).
  24. Mitterrand: Über Deutschland. 1996.
  25. Mitterrand forderte Euro als Gegenleistung für die Einheit. In: Spiegel Online. 25. September 2010, abgerufen am 10. Juli 2011.
  26. Interview mit Filmregisseur Patrick Barbéris. (Memento vom 9. Dezember 2014 im Internet Archive) In: Arte Info. 4. Mai 2011, abgerufen am 7. Dezember 2014.
  27. Das digitalisierte Foto bei Welt.de vom September 1984 (Memento vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive)
  28. Der wahre Mitterrand. In: Focus. 9. November 2009, S. 11.
  29. Imke Henkel: „Insgeheim sehr hilfsbereit“. Ein Insider erinnert sich: was Kohl, Thatcher und Mitterrand wirklich für die Einheit taten. Interview mit dem damaligen britischen Botschafter in Bonn. In: Focus. 9. November 2009.
  30. www.bundesregierung.de
  31. Tilo Schabert: Wie Weltgeschichte gemacht wird, Stuttgart 2002, S. 414.
  32. Latche, la bergerie landaise de François Mitterrand
  33. Judith Perrignon: Mazarine: une Mitterrand, de l'ombre à la lumière à petits pas La fille de l'ancien président vivait, ainsi que sa mère, dans la discrétion. François Mitterrand n'a pas voulu qu'elles restent anonymes, Libération, 12. Januar 1996
  34. Jürg Altwegg: Frankreich schwelgt in Mitterands Briefen an seine Geliebte. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Oktober 2016, abgerufen am 16. Oktober 2016.
  35. Ernst Weisenfeld: Geschichte Frankreichs seit 1945. Von de Gaulle bis zur Gegenwart. 3., völlig neubearbeitete und aktualisierte Auflage, Beck, München 1997, ISBN 3-406-42007-9, hier S. 338.
  36. Christopher Burns: Mitterrand Funeral in the Heart of Paris and in Deep Rural France. Abgerufen am 8. August 2019.
  37. Against Mitterrand-mania
  38. Renaud Séchan, Alain Lanty: Baltique (chanson), Boucan d'enfer (album). 2002.
  39. „Er war immer hochfahrend“ Der Spiegel, 17. Oktober 1994, abgerufen am 23. Februar 2021
  40. https://www.boe.es/boe/dias/1982/07/10/pdfs/A18875-18875.pdf
  41. Le onorificenze della Repubblica Italiana. Abgerufen am 23. August 2019.
  42. Suomen Valkoisen Ruusun ritarikunnan suurristin ketjuineen ulkomaalaiset saajat. Abgerufen am 23. August 2019.
  43. ENTIDADES ESTRANGEIRAS AGRACIADAS COM ORDENS PORTUGUESAS - Página Oficial das Ordens Honoríficas Portuguesas. Abgerufen am 23. August 2019.
  44. Archivierte Kopie (Memento vom 30. Juni 2017 im Internet Archive)
  45. FG Forrest, a s www.fg.cz, 2015: List of Honoured. Abgerufen am 23. August 2019 (englisch).
  46. Vidéo Ina – François Mitterrand parle de François Mauriac, vidéo Art et Culture Littérature – Archives vidéos Art et Culture Littérature : Ina.fr.
VorgängerAmtNachfolger
Léon Martinaud-DéplatInnenminister von Frankreich
19. Juni 1954 bis 23. Februar 1955
Maurice Bourgès-Maunoury
Robert SchumanJustizminister von Frankreich
1. Februar 1956 bis 13. Juni 1957
Édouard Corniglion-Molinier
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