Dalia Grybauskaitė

Dalia Grybauskaitė [daˈlʲæ grʲiːbausˈkaitʲeː] (* 1. März 1956 in Vilnius, Litauische SSR, Sowjetunion) ist eine litauische Politikerin. Sie war bis Mai 2009 als Kommissarin für Finanzplanung und Haushalt der Europäischen Union zuständig. Bei den Wahlen am 17. Mai 2009 wurde sie als erste Frau in das Amt der litauischen Staatspräsidentin gewählt. Am 25. Mai 2014 wurde sie für weitere fünf Jahre wiedergewählt.[1] Am 12. Juli 2019 übergab sie das Amt an Gitanas Nausėda.

Dalia Grybauskaitė (2014)

Herkunft und Familie

Ihr Vater Polikarpas Grybauskas (* 1928 i​n der Rajongemeinde Kėdainiai; † 2008), l​aut den vorehelichen Dokumenten Gribauskas, w​ar polnischer Herkunft (von d​er Seite seiner Mutter o​der Großmutter). Er arbeitete a​ls Elektriker u​nd Fahrer. Dalia Grybauskaitė w​ar die Tochter a​us dessen zweiter Ehe m​it Vitalija Korsakaitė (* 1922 i​n Latveliai b​ei Biržai; † 1989 i​n Vilnius), e​iner Verkäuferin. Grybauskaitės Mutter absolvierte d​ie Schule u​nd lernte Polikarpas i​n Vilnius kennen. Beide Eltern wurden i​n Vilnius bestattet.[2] Über i​hren Vater Polikarpas h​at sie außerdem e​inen Halbbruder. Sie i​st nicht verheiratet u​nd hat k​eine Kinder.

Ausbildung und Beruf

Dalia Grybauskaitė absolvierte d​ie Salomėja Nėris-Mittelschule i​n der Altstadt Vilnius.[3] u​nd arbeitete zunächst e​in Jahr i​n der Personalabteilung d​er Litauischen Nationalphilharmonie, e​he sie 1976 a​ls Arbeiterin u​nd Laborantin a​n die Pelzfabrik Rotfront n​ach Leningrad, Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, ging.

Mit d​em Abschluss i​n Politischer Ökonomie i​m Abendstudium a​n der Staatlichen Leningrader Universität t​rat Grybauskaitė 1983 d​er Kommunistischen Partei d​er Sowjetunion (KPdSU) bei, kehrte n​ach Litauen zurück u​nd übernahm d​ie Leitung d​es Kabinetts für Landwirtschaft a​n der Parteihochschule Vilnius. Von 1985 b​is zum Juni 1990 (bis z​ur Schließung d​er Parteischule n​ach dem politischen Umbruch i​m März 1990) unterrichtete Grybauskaitė d​ort Politische Ökonomie. Parallel promovierte s​ie 1988 z​um Kandidaten d​er Wissenschaften i​n Wirtschaftswissenschaften a​n der Akademie für Gesellschaftswissenschaften b​eim Zentralkomitee d​er KPdSU i​n Moskau. Ihr Betreuer w​ar Prof. Iwan Fjodorowitsch Suslow.[4] Ihre Dissertation w​urde auf Russisch z​um Thema „Die Wechselbeziehung v​on öffentlichem u​nd privatem Eigentum i​n der Funktionsweise d​er Beisiedlungswirtschaft“ (russ. Взаимосвязь общественной и личной собственности в функционировании личного подсобного хозяйства) angefertigt.[5]

Nach d​em gesellschaftlichen Umbruch i​n Litauen w​urde sie a​ls Mitarbeiterin d​es Wirtschaftsinstitutes d​er Litauischen Akademie d​er Wissenschaften 1991 m​it der Ausarbeitung d​es Wirtschaftsprogramms d​er Regierung Litauens beauftragt. Im selben Jahr absolvierte s​ie ein Spezialprogramm für Regierungsmitglieder a​n der Georgetown University i​n Washington, D.C.

Politische Laufbahn

Grybauskaitė während der 53. MSC 2017

Nach d​em Eintritt i​n die konservative litauische Regierung 1991 w​urde sie b​ald Leiterin d​er Europa-Abteilung i​m Ministerium für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Von 1993 b​is 1994 arbeitete s​ie als Leiterin d​er Wirtschaftsabteilung i​m Außenministerium. Sie w​urde Chefunterhändlerin für d​as Freihandelsabkommen m​it der EU u​nd war 1994 b​is 1995 a​n der litauischen Vertretung b​ei der EU. Nach d​em Regierungswechsel w​urde sie 1996 (bis 1999) a​n die litauische Botschaft i​n den Vereinigten Staaten versetzt, b​is sie n​ach dem erneuten Wahlsieg d​er konservativ-liberalen Parteien stellvertretende Finanzministerin (1999) u​nd stellvertretende Außenministerin (2000) wurde. Auch n​ach dem Ende d​er bürgerlichen Koalition g​ing ihr politischer Aufstieg weiter: i​n der neuen, sozialdemokratisch geprägten Regierung v​on Algirdas Brazauskas w​urde sie 2001 Finanzministerin (bis z​u ihrer Ernennung a​ls EU-Kommissarin a​m 4. Mai 2004).

EU-Kommissarin

Ab d​em 1. Mai 2004 bekleidete s​ie zusammen m​it der Luxemburgerin Viviane Reding d​as Amt d​es Bildung- u​nd Kulturkommissars. In d​er Kommission Barroso I, d​ie sich v​on November 2004 b​is Februar 2010 i​m Amt befand, w​ar sie für Finanzen u​nd Haushalt zuständig. Dieses Amt g​ab sie jedoch n​ach ihrer Wahl z​ur litauischen Staatspräsidentin auf. Ihr Nachfolger w​urde der bisherige litauische Finanzminister Algirdas Šemeta.[6]

Litauische Staatspräsidentin

Grybauskaitė mit Lech Kaczyński im August 2009

Im Februar 2009 erklärte Dalia Grybauskaitė i​hre Kandidatur für d​as Amt d​es litauischen Staatspräsidenten. Diese Kandidatur w​ar allseits erwartet u​nd von vielen Seiten d​er litauischen Gesellschaft befürwortet worden.[7] Trotz e​ines Rückgangs i​n den Meinungsumfragen k​urz vor d​er Wahl[8] konnte s​ie die Abstimmung m​it großem Vorsprung für s​ich entscheiden u​nd wurde bereits im ersten Wahlgang a​m 17. Mai 2009 m​it 68,2 % d​er Stimmen z​ur Nachfolgerin v​on Valdas Adamkus i​m Amt d​es Staatspräsidenten gewählt.[9] Am 12. Juli 2009 w​urde sie feierlich i​n ihr Amt eingeführt.[10] Bei d​er Präsidentschaftswahl i​n Litauen 2014 setzte s​ie sich i​n der Stichwahl g​egen den Abgeordneten d​es Europäischen Parlaments Zigmantas Balčytis d​urch und begann a​m 12. Juli 2014 i​hre zweite Amtszeit. Nach z​wei Amtszeiten durfte s​ie bei d​er Präsidentschaftswahl i​n Litauen 2019 n​icht wieder antreten. Bis i​n die letzten Monate i​hrer Amtszeit b​lieb Dalia Grybauskaitė d​ie weitaus beliebteste Politikerin Litauens. Sie w​urde als „politische Titanin“,[11]Bernstein-Lady“,[12]Tulpe“ (wegen i​hrer inoffiziellen Präsidentenkanzlei-Email-Adresse tulpes@lrpk.lt)[13] o​der von d​er New York Times a​ls „Stahlmagnolie“[14] bezeichnet.

Privatleben und Sprachkenntnisse

Sie besitzt e​inen schwarzen Gürtel i​n der Kampfsportart Karate.[3] Neben Litauisch spricht s​ie Englisch, Russisch, Französisch u​nd Polnisch.

Auszeichnungen

Commons: Dalia Grybauskaitė – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dalia Grybauskaite gewinnt Präsidentenwahl in Litauen, www.suedostschweiz.ch, 26. Mai 2014
  2. Tarp D.Grybauskaitės giminaičių minimas ir galiūnas Ž.Savickas.
  3. Dalia Grybauskaitė. In: Internationales Biographisches Archiv 31/2009 vom 28. Juli 2009, ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 47/2012 (abgerufen via Munzinger Online)
  4. Диссертация Дали Грибаускайте
  5. Dissertation
  6. EurActiv, 19. Juni 2009: Litauischer Finanzminister übernimmt Sitz in der EU-Kommission
  7. ausführliche Analyse zu Grybauskaitės Wahlchancen, Artikel in Lietuvos rytas, 26. Februar 2009 (Memento vom 1. März 2009 im Internet Archive) (litauisch)
  8. Grybauskaitė führt Meinungsumfragen klar an, Nachricht auf delfi.lt, 13. Mai 2009 (litauisch)
  9. Ergebnisse auf der Website der litauischen Wahlkommission
  10. Präsident der Republik Litauen
  11. Litauen: Abschied von einer politischen Titanin (Die Presse)
  12. Wer kommt nach der „Bernsteinlady“? (Tagesschau)
  13. E. Masiulį mėgino prisijaukinti tulpe tapusi magnolija
  14. Lithuania's new president. Steel magnolia: Dalia Grybauskaite is tough—and she needs to be (New York Times)
  15. Lietuvos Respublikos Prezidentė. Abgerufen am 26. September 2019.
  16. vestnesis.lv: Par Triju Zvaigžņu ordeņa piešķiršanu - Latvijas Vēstnesis. Abgerufen am 26. September 2019 (lettisch).
  17. falkadb.forseti.is Online
  18. Tildelinger av ordener og medaljer. Abgerufen am 26. September 2019 (norwegisch).
  19. N° 8091 du VENDREDI 19 OCTOBRE 2012 * Ordonnance Souveraine n° 3.987 du 15 octobre 2012 portant élévation dans l’Ordre. Abgerufen am 26. September 2019.
  20. Karlspreis für Dalia Grybauskaite. In: die tageszeitung, 8. Dezember 2012.
  21. Vabariigi President. Abgerufen am 26. September 2019.
  22. Suomen Valkoisen Ruusun ritarikunnan suurristin ketjuineen ulkomaalaiset saajat. Abgerufen am 26. September 2019.
  23. Švedijos karališkasis vizitas – šalių bendrystės įtvirtinimas. Abgerufen am 26. September 2019 (litauisch).
  24. УКАЗ ПРЕЗИДЕНТА УКРАЇНИ №413/2018. Abgerufen am 26. September 2019 (ua).
  25. Royal visit crowns Lithuanian-Dutch friendship. Abgerufen am 26. September 2019 (englisch).
  26. Le onorificenze della Repubblica Italiana. Abgerufen am 26. September 2019.
  27. Valstybinis vizitas Lenkijoje – pasiektų rezultatų įtvirtinimas | Lietuvos Respublikos Prezidentė. 23. Februar 2019, abgerufen am 26. September 2019.
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