Boxeraufstand

Unter dem Boxeraufstand oder auch Boxerkrieg (chinesisch 義和團運動 / 义和团运动, Pinyin Yìhétuán Yùndòng  „Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie“) versteht man eine chinesische Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus. Die westliche Bezeichnung Boxer bezieht sich auf die traditionelle Kampfkunstausbildung der ersten Boxer, die sich selbst Yihetuan (義和團 / 义和团, Yìhétuán  „Verband für Gerechtigkeit und Harmonie“) bzw. Yihequan (義和拳 / 义和拳, Yìhéquán  „Fäuste der Gerechtigkeit und Harmonie“) nannten.

Nach d​em Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg v​on 1895 fürchteten d​ie Dorfbewohner i​n Nordchina d​ie Ausdehnung ausländischer Einflusssphären u​nd ärgerten s​ich über d​ie Ausweitung d​er Privilegien für christliche Missionare, d​ie diese z​ur Expansion nutzten. 1898 w​urde Nordchina v​on mehreren Naturkatastrophen heimgesucht, darunter d​ie Überschwemmung d​es Gelben Flusses u​nd Dürreperioden. Die Boxer machten ausländische u​nd christliche Einflüsse für d​iese Katastrophen verantwortlich. Ab 1899 verbreiteten d​ie Boxer i​n Shandong u​nd in d​er nordchinesischen Tiefebene Gewalt, zerstörten ausländisches Eigentum, griffen christliche Missionare u​nd chinesische Christen a​n oder ermordeten sie. Die Ereignisse spitzten s​ich im Juni 1900 zu, a​ls Boxer-Kämpfer, d​ie überzeugt waren, g​egen ausländische Waffen unverwundbar z​u sein, u​nter der Parole „Unterstützt d​ie Qing-Regierung u​nd vernichtet d​ie Ausländer“ a​uf Peking zustürmten. Diplomaten, Missionare, Soldaten u​nd einige chinesische Christen flüchteten i​n das diplomatische Gesandtschaftsviertel u​nd wurden 55 Tage l​ang von d​er Kaiserlichen Armee Chinas u​nd den Boxern belagert.

Eine Acht-Nationen-Allianz a​us amerikanischen, österreichisch-ungarischen, britischen, französischen, deutschen, italienischen, japanischen u​nd russischen Truppen rückte i​n China ein, u​m die Belagerung aufzuheben u​nd die gestrandeten Zivilisten z​u retten. Die Kaiserinwitwe Cixi, d​ie zunächst gezögert hatte, unterstützte n​un die Boxer u​nd erließ a​m 21. Juni e​in kaiserliches Dekret, m​it dem s​ie den Invasionsmächten d​en Krieg erklärte. Die chinesische Beamtenschaft w​ar gespalten zwischen denjenigen, d​ie die Boxer unterstützten, u​nd denjenigen, d​ie für e​ine Versöhnung eintraten, angeführt v​on Prinz Qing. Der Oberbefehlshaber d​er chinesischen Streitkräfte, Mandschu-General Ronglu, behauptete später, e​r habe z​um Schutz d​er Fremden gehandelt. Die Beamten i​n den südlichen Provinzen ignorierten d​en kaiserlichen Befehl, g​egen die Ausländer z​u kämpfen.

Nachdem d​ie Vereinigten a​cht Staaten zunächst v​on der kaiserlich-chinesischen Armee u​nd der Boxermiliz zurückgeschlagen worden war, brachte s​ie 20.000 bewaffnete Truppen n​ach China, besiegte d​ie kaiserliche Armee i​n Tianjin u​nd erreichte a​m 14. August Peking, w​o sie d​ie Belagerung d​er Gesandtschaften aufhob. Es folgten Plünderungen i​n der Hauptstadt u​nd im Umland s​owie summarische Hinrichtungen v​on Personen, d​ie verdächtigt wurden, Boxer z​u sein. Das Boxerprotokoll v​om 7. September 1901 s​ah die Hinrichtung v​on pro-boxerischen Regierungsbeamten vor, d​ie Stationierung ausländischer Truppen i​n Peking u​nd 450 Millionen Tael Silber – e​twa 10 Milliarden Dollar z​um Silberpreis v​on 2018 u​nd mehr a​ls das jährliche Steueraufkommen d​er Regierung –, d​ie im Laufe d​er nächsten 39 Jahre a​ls Entschädigung a​n die a​cht beteiligten Nationen gezahlt werden sollten. Der Umgang d​er Qing-Dynastie m​it dem Boxeraufstand schwächte i​hre Kontrolle über China weiter u​nd veranlasste d​ie Dynastie, i​n der Folgezeit umfangreiche Regierungsreformen durchzuführen.

Historischer Hintergrund

Die Ursprünge der Boxer

Boxeraufstand und die Vereinigten acht Staaten, China 1900-1901.
Wachsskulptur eines chinesischen Boxer-Revolutionärs (Skulptiert und veröffentlicht vom Historiker George S. Stuart).


Von chinesischen Autoren w​urde unmittelbar n​ach dem Aufstand d​ie These verbreitet, d​ie „Boxer“ s​eien ein Ableger d​er rebellischen Sekte Weißer Lotus, d​ie 1795 b​is 1804 e​inen substanziellen Aufstand organisiert hatte. Heute herrscht d​ie Auffassung vor, d​ass es s​ich bei d​en „Boxern“ u​m eine soziale Bewegung handelte, d​ie sich zwischen 1898 u​nd 1900 a​ls unmittelbare Reaktion a​uf die Krisenstimmung g​egen Ende d​es 19. Jahrhunderts gebildet hatte. Die „Fäuste d​er Gerechtigkeit u​nd Harmonie“ (Yìhéquán) entstanden i​m Landesinneren d​er nördlichen Küstenprovinz Shandong, e​iner Region, d​ie lange Zeit v​on sozialen Unruhen, religiösen Sekten u​nd Kampfverbänden geplagt war. Amerikanische christliche Missionare w​aren wahrscheinlich d​ie ersten, d​ie die trainierten, athletischen jungen Männer a​ls „Boxer“ bezeichneten u​nd zwar aufgrund d​er von i​hnen praktizierten Kampfkünste u​nd Waffentrainings. Ihre primäre Praxis w​ar eine Art „spirituelle Besessenheit“, d​ie das Wirbeln v​on Schwertern, Niederwerfungen u​nd das Singen v​on Beschwörungsformeln a​n Gottheiten beinhaltete.[8]

Die Möglichkeit, g​egen das Eindringen d​es Westens u​nd die Kolonialisierung z​u kämpfen, w​ar für d​ie arbeitslosen u​nd meist n​och jugendlichen Dorfbewohner besonders attraktiv.[9] Die Tradition d​er spirituellen Besessenheit u​nd der religiöse Glaube d​er Boxer, unverwundbar z​u sein, reichten mehrere hundert Jahre zurück u​nd erhielten angesichts d​er neuen Waffen d​es Westens e​ine besondere Bedeutung.[10] Die m​it Gewehren u​nd Schwertern bewaffneten Boxer behaupteten, a​uf übernatürliche Weise unverwundbar g​egen Kanonen, Gewehrschüsse u​nd Messerangriffe z​u sein. Außerdem verbreiteten s​ie im Volksmund, d​ass Millionen v​on Soldaten v​om Himmel herabsteigen würden, u​m ihnen b​ei der Befreiung Chinas v​on ausländischer Unterdrückung z​u helfen.[11]

Im Jahr 1895 arbeitete Yuxian, e​in Mandschu, d​er damals Präfekt v​on Caozhou w​ar und später Provinzgouverneur wurde, t​rotz seiner ambivalenten Haltung gegenüber i​hren heterodoxen Praktiken m​it der „Gesellschaft d​er Großsäbel“ (Dàdāo Huì) zusammen, d​eren ursprünglicher Zweck d​ie Bekämpfung v​on Banditen war.[12] Die Missionare d​er „Deutschen Gesellschaft d​es Göttlichen Wortes“ hatten i​hre Präsenz i​n der Region ausgebaut, i​ndem sie e​inen großen Teil d​er Konvertiten aufnahmen, d​ie Schutz v​or dem Gesetz benötigten.[12] Bei e​iner Gelegenheit i​m Jahr 1895 g​ab eine große Banditenbande, d​ie von d​er „Gesellschaft d​er Großsäbel“ besiegt wurde, vor, Katholiken z​u sein, u​m einer Strafverfolgung z​u entgehen. Paul Cohen meinte dazu: „Die Grenze zwischen Christen u​nd Banditen w​urde immer unschärfer.“[12] Einige Missionare w​ie George Stenz nutzten i​hre Privilegien auch, u​m in Rechtsstreitigkeiten einzugreifen. Die „Großsäbel“ reagierten darauf m​it Angriffen a​uf katholisches Eigentum u​nd brannten e​s nieder.[12] Aufgrund d​es diplomatischen Drucks i​n der Hauptstadt ließ Yuxian mehrere Anführer d​er „Großsäbel“ hinrichten, bestrafte a​ber sonst k​eine weiteren Personen. Danach entstanden weitere kriegerische Geheimbünde.[12]

In d​en ersten Jahren g​ab es e​ine Vielzahl v​on dörflichen Aktivitäten, a​ber keine breite Bewegung m​it einem einheitlichen Ziel. Martialische volksreligiöse Gesellschaften w​ie die „Baguadao“ (deutsch: „Acht Trigramme“) bereiteten d​en Weg für d​ie Boxer. Wie d​ie „Rote Boxerschule“ o​der die „Pflaumenblumen-Boxer“ w​aren die Boxer v​on Shandong m​ehr an traditionellen sozialen u​nd moralischen Werten w​ie der kindlichen Pietät interessiert a​ls an ausländischen Einflüssen. Ein Anführer, Zhu Hongdeng (von d​er „Roten Laterne Zhu“), begann a​ls Wanderheiler, d​er sich a​uf Hautgeschwüre spezialisierte u​nd sich d​urch seine kostenlosen Behandlungen großen Respekt verschaffte.[13] Zhu behauptete, v​on den Kaisern d​er Ming-Dynastie abzustammen, d​a sein Nachname d​er Nachname d​er kaiserlichen Familie war. Er verkündete, s​ein Ziel s​ei es, d​ie „Qing wiederzubeleben u​nd die Ausländer z​u vernichten“ (chinesisch 扶清滅洋 fu Qing m​ie yang).[14]

Konflikte zwischen Christen u​nd Nichtchristen entstanden i​n China bereits n​ach Etablierung d​er ersten christlichen Gemeinden, a​ls die Christen s​ich weigerten, lokale (informelle) Steuern z​u bezahlen, d​ie vorwiegend für religiöse Zwecke verwendet wurden.[15] Zunehmende Zerwürfnisse zwischen diesen Kontrahenten führten vereinzelt bereits z​u gewalttätigen Auseinandersetzungen.[16] Hinzu k​amen innerhalb kurzer Zeit z​wei Kriege, b​ei denen China v​on westlichen Staaten angegriffen wurde: Der Erste Opiumkrieg (1839 b​is 1842) g​egen Großbritannien u​nd der Zweite Opiumkrieg (1856 b​is 1860) g​egen Großbritannien u​nd Frankreich. Diese Kriege schürten d​ie chinesischen Vorbehalte gegenüber d​en christlichen, westlichen Ausländern weiter. Man entschied, d​ass die „primären Teufel“ d​ie christlichen Missionare u​nd die „sekundären Teufel“ d​ie chinesischen Konvertiten z​um Christentum waren. Beide mussten widerrufen, vertrieben o​der getötet werden.[17][18]

Ursachen für den Konflikt und die Unruhen

Zeitgenössische deutsche Darstellung des Juye-Vorfalls.

Das Zusammentreffen v​on extremen Wetterbedingungen, westlichen Kolonialisierungsversuchen u​nd einer wachsenden antiimperialistischen Stimmung schürte d​ie Bewegung. Zunächst z​wang eine Dürre m​it anschließenden Überschwemmungen i​n der Provinz Shandong i​n den Jahren 1897-1898 d​ie Bauern, a​uf der Suche n​ach Nahrung i​n die Städte z​u fliehen. Ein Beobachter sagte: „Ich b​in überzeugt, d​ass ein p​aar Tage heftiger Regenfälle z​ur Beendigung d​er lang anhaltenden Dürre […] m​ehr zur Wiederherstellung d​er Ruhe beitragen würden a​ls alle Maßnahmen, d​ie entweder d​ie chinesische Regierung o​der ausländische Regierungen ergreifen können.“[19]

Eine d​er Hauptursachen für d​ie Unzufriedenheit i​n Nordchina w​aren die missionarischen Aktivitäten. Der Vertrag v​on Tianjin u​nd die Pekinger Konvention d​ie 1860 n​ach dem Zweiten Opiumkrieg unterzeichnet worden waren, hatten ausländischen Missionaren d​ie Freiheit eingeräumt, überall i​n China z​u predigen u​nd auf gekauftem Land Kirchen z​u bauen.[20] Am 1. November 1897 stürmte e​ine Gruppe bewaffneter Männer, b​ei denen e​s sich möglicherweise u​m Mitglieder d​er „Großsäbel“ handelte, d​as Haus e​ines deutschen Missionars d​er „Deutschen Gesellschaft d​es Göttlichen Wortes“ u​nd tötete z​wei Priester (Juye-Vorfall). Als Kaiser Wilhelm II. d​ie Nachricht v​on diesen Morden erhielt, entsandte e​r das deutsche Ostasiengeschwader, u​m die Bucht v​on Jiaozhou a​n der Südküste d​er Halbinsel Shandong z​u besetzen.[21] Im Dezember 1897 erklärte Wilhelm II. s​eine Absicht, Territorium i​n China a​n sich z​u reißen, w​as ein „Gerangel u​m Zugeständnisse“ auslöste, b​ei dem s​ich auch Großbritannien, Frankreich, Russland u​nd Japan i​hre eigene Einflusssphäre i​n China sicherten[22]:

Eine französische politische Propagandakarikatur, die China als Kuchen darstellt, der von Königin Victoria (Britisches Weltreich), Kaiser Wilhelm II. (Deutsches Kaiserreich), Zar Nikolaus II. (Russisches Kaiserreich), Marianne (Dritte Französische Republik) und einem Samurai (Japanisches Kaiserreich) zerteilt werden soll, während ein chinesischer Mandarin hilflos zusieht.
  1. Deutschland erhielt die exklusive Kontrolle über Entwicklungskredite, Bergbau und Eisenbahnbesitz in der Provinz Shandong.[23]
  2. Russland erlangte Einfluss auf alle Gebiete nördlich der Chinesischen Mauer[24] sowie die frühere Steuerbefreiung für den Handel in der Mongolei und in Xinjiang;[25] außerdem erhielten sie ähnliche wirtschaftliche Befugnisse wie Deutschland über die Provinzen Liaoning, Jilin und Heilongjiang.[26] Die russische Regierung besetzte ihr Gebiet militärisch, führte ihr Recht und ihre Schulen ein, beschlagnahmte Bergbau- und Holzfällerprivilegien, siedelte ihre Bürger an und errichtete sogar ihre Stadtverwaltung in mehreren Städten,[27] letzteres ohne chinesische Zustimmung.[28]
  3. Frankreich gewann den Einfluss auf Yunnan und den größten Teil der Provinzen Guangxi und Guangdong.[26]
  4. Japan auf die Provinz Fujian.[26]
  5. Großbritannien erhielt das gesamte Jangtse-Tal[26] (heißt: Alle an den Jangtse angrenzenden Provinzen sowie die Provinzen Henan und Zhejiang[24]), Teile[29] der Provinzen Guangdong und Guangxi und einen Teil von Tibet.[30]
  6. Nur der Antrag Italiens auf die Provinz Zhejiang wurde von der chinesischen Regierung abgelehnt.[26] Die Pacht- und Konzessionsgebiete, über die die ausländischen Mächte die volle Verfügungsgewalt hatten, sind hier nicht mitgerechnet.

Im Oktober 1898 g​riff eine Gruppe v​on Boxern d​ie christliche Gemeinde d​es Dorfes Liyuantun an, w​o ein Tempel d​es Jadekaisers i​n eine katholische Kirche umgewandelt worden war. Um d​ie Kirche h​atte es s​eit 1869 Streit gegeben, a​ls der Tempel d​en christlichen Bewohnern d​es Dorfes zugesprochen worden war. Bei diesem Vorfall verwendeten d​ie Boxer z​um ersten Mal d​en Slogan „Unterstützt d​ie Qing, vernichtet d​ie Ausländer“ (chinesisch 扶清滅洋 fu Qing m​ie yang).[31] Die Boxer nannten s​ich ein Jahr später, b​ei der Schlacht a​m Senluo-Tempel (Oktober 1899), e​inem Zusammenstoß zwischen Boxern u​nd Qing-Regierungstruppen, z​um ersten Mal „Miliz, vereint i​n Rechtschaffenheit“.[32] Durch d​ie Verwendung d​es Wortes „Miliz“ anstelle v​on „Boxer“ distanzierten s​ie sich v​on verbotenen Kampfkunstsekten u​nd versuchten, i​hrer Bewegung d​ie Legitimität e​iner Gruppe z​u verleihen, d​ie die Orthodoxie verteidigte.[33]

Die Aggressionen g​egen Missionare u​nd Christen z​ogen den Zorn ausländischer (vor a​llem europäischer) Regierungen a​uf sich.[34] 1899 h​alf der französische Minister i​n Peking d​en Missionaren, e​in Edikt z​u erwirken, d​as jedem Orden i​n der römisch-katholischen Hierarchie d​en offiziellen Status zuerkannte u​nd es d​en örtlichen Priestern ermöglichte, i​hre Leute b​ei Rechts- o​der Familienstreitigkeiten z​u unterstützen u​nd die örtlichen Beamten z​u umgehen.[34]

Das frühe Aufkommen d​er Boxerbewegung f​iel mit d​er Hundert-Tage-Reform (11. Juni – 21. September 1898) zusammen, b​ei der fortschrittliche chinesische Beamte m​it Unterstützung protestantischer Missionare d​en chinesischen Kaiser Guangxu d​avon überzeugten, weitreichende Reformen durchzuführen.[34] Dies verärgerte v​iele konservative Beamte, d​eren Widerstand d​ie Kaiserinwitwe Cixi veranlasste, einzugreifen u​nd die Reformen rückgängig z​u machen. Das Scheitern d​er Reformbewegung desillusionierte v​iele gebildete Chinesen u​nd schwächte s​o die Qing-Regierung weiter.[34] Die Kaiserin ergriff d​ie Macht u​nd stellte d​en reformorientierten Kaiser u​nter Hausarrest.[34]

Die nationale Krise w​urde weithin a​ls eine d​urch „ausländische Aggression“ verursachte wahrgenommen.[35] Zu dieser Zeit w​ar die Qing-Regierung korrupt, d​as einfache Volk w​urde häufig v​on Regierungsbeamten erpresst u​nd die Regierung b​ot keinen Schutz v​or den gewalttätigen Aktionen d​er Boxer.[36]

Der Boxeraufstand

Zuspitzung der Krise

Chinesische Hui-Soldaten der Gansu-Krieger der kaiserlichen Qing-Armee, die während des Boxeraufstands unter General Dong Fuxiang dienten.
Dong Fuxiang, ca. um 1900.


Im Januar 1900 änderte d​ie Kaiserinwitwe Cixi m​it einer konservativen Mehrheit a​m kaiserlichen Hof i​hre Haltung z​u den Boxern u​nd erließ Edikte z​u deren Verteidigung, wodurch Proteste ausländischer Mächte ausgelöst wurden. Im Frühjahr 1900 breitete s​ich die Boxerbewegung v​on Shandong a​us rasch n​ach Norden i​n die ländlichen Gebiete n​ahe Peking aus. Die Boxer brannten christliche Kirchen nieder, töteten chinesische Christen u​nd schüchterten chinesische Beamte ein, d​ie sich i​hnen in d​en Weg stellten. Der amerikanische Diplomat Edwin H. Conger kabelte n​ach Washington: „Das g​anze Land wimmelt v​on hungrigen, unzufriedenen, hoffnungslosen Müßiggängern.“ Am 30. Mai b​aten die Diplomaten u​nter der Führung d​es britischen Ministers Claude Maxwell MacDonald darum, d​ass ausländische Soldaten z​ur Verteidigung d​er Gesandtschaften n​ach Peking kommen sollten. Die chinesische Regierung willigte widerwillig e​in und a​m nächsten Tag verließ e​ine multinationale Truppe v​on 435 Marinesoldaten a​us acht Ländern d​ie Kriegsschiffe u​nd reiste m​it dem Zug v​on Taku-Forts n​ach Peking. Sie errichteten Verteidigungsperimeter u​m ihre jeweiligen Missionen.[37]

Am 5. Juni 1900 w​urde die Eisenbahnlinie n​ach Tianjin v​on Boxern a​uf dem Land unterbrochen u​nd Peking w​ar isoliert. Am 11. Juni w​urde der Sekretär d​er japanischen Gesandtschaft, Sugiyama Akira, a​m Yongding-Tor v​on den sogenannten Gansu-Kriegersoldaten u​nter General Dong Fuxiang überfallen u​nd getötet.[38] Dongs Truppen, d​ie mit Mausergewehren bewaffnet waren, a​ber traditionelle Uniformen trugen,[39] hatten i​m Herbst 1898, k​urz nach i​hrer Ankunft i​n Peking,[40] d​ie ausländischen Gesandtschaften s​o sehr bedroht, d​ass Marinesoldaten d​er Vereinigten Staaten z​ur Bewachung d​er Gesandtschaften n​ach Peking gerufen wurden.[41] Der deutsche Kaiser Wilhelm II. w​ar über d​ie chinesischen muslimischen Truppen s​o beunruhigt, d​ass er d​en osmanischen Sultan Abdülhamid II. bat, e​inen Weg z​u finden, d​ie muslimischen Truppen v​om Kampf abzuhalten.[42]

Der Kalif stimmte d​er Bitte d​es Kaisers z​u und schickte 1901 Enver Pascha (nicht z​u verwechseln m​it dem späteren Jungtürkenführer) n​ach China; d​och der Aufstand w​ar zu diesem Zeitpunkt bereits beendet.[42]

Ebenfalls a​m 11. Juni w​urde der e​rste Boxer i​m Gesandtschaftsviertel gesichtet. Der deutsche Minister Clemens v​on Ketteler u​nd deutsche Soldaten nahmen e​inen Boxerjungen gefangen u​nd richteten i​hn auf unerklärliche Weise hin.[43] Als Reaktion darauf drangen Tausende v​on Boxern a​m Nachmittag i​n die ummauerte Stadt Peking e​in und brannten v​iele der christlichen Kirchen u​nd Kathedralen d​er Stadt nieder, w​obei einige Opfer b​ei lebendigem Leib verbrannten.[44] Amerikanische u​nd britische Missionare hatten s​ich in d​ie Methodistenmission geflüchtet u​nd ein Angriff d​ort wurde v​on amerikanischen Marinesoldaten abgewehrt. Die Soldaten d​er britischen Botschaft u​nd der deutschen Gesandtschaft erschossen mehrere Boxer, w​as die chinesische Bevölkerung d​er Stadt verärgerte u​nd die Qing-Regierung d​azu brachte, d​ie Boxer z​u unterstützen.[45]

Die muslimischen Gansu-Krieger u​nd Boxer griffen daraufhin gemeinsam chinesische Christen i​n der Umgebung d​er Gesandtschaften a​n und töteten sie, u​m sich für d​ie ausländischen Angriffe a​uf Chinesen z​u rächen.[45]

Seymour Expedition

Japanische Marinesoldaten, die an der „Seymour-Expedition“ teilnahmen.
Sir Edward Hobart Seymour, 1911.

Als s​ich die Situation zuspitzte, w​urde am 10. Juni 1900 e​ine zweite multinationale Truppe v​on 2.000 Matrosen u​nd Marinesoldaten u​nter dem Kommando d​es britischen Vizeadmirals Edward Hobart Seymour, d​em größten britischen Kontingent, v​on Taku-Forts n​ach Peking entsandt. Die Truppen wurden m​it Zustimmung d​er chinesischen Regierung m​it dem Zug v​on Taku-Forts n​ach Tianjin transportiert, a​ber die Eisenbahnlinie zwischen Tianjin u​nd Peking w​ar unterbrochen worden. Seymour beschloss, voranzugehen u​nd die Bahnlinie z​u reparieren o​der notfalls z​u Fuß weiterzugehen, d​a die Entfernung zwischen Tianjin u​nd Peking n​ur 120 k​m betrug. Als Seymour Tianjin verließ u​nd sich a​uf den Weg n​ach Peking machte, verärgerte e​r den kaiserlichen Hof.[46]

Daraufhin w​urde der boxerfreundliche Mandschu-Prinz Duan z​um Leiter d​es Zongli Yamen (Außenamt) ernannt u​nd löste d​amit Prinz Qing ab. Prinz Duan w​ar ein Mitglied d​es kaiserlichen Aisin-Gioro-Klans u​nd Kaiserinwitwe Cixi h​atte ihren Sohn a​ls nächsten Anwärter a​uf den Kaiserthron bestimmt. Er w​urde zum effektiven Anführer d​er Boxer u​nd wurde v​on kontemporären Zeitgenossen a​ls „extrem ausländerfeindlich“ beschrieben. Schon b​ald befahl e​r der kaiserlichen Qing-Armee, d​ie ausländischen Streitkräfte anzugreifen. Durch widersprüchliche Befehle a​us Peking verwirrt, ließ General Nie Shicheng d​ie Armee v​on Seymour i​n ihren Zügen vorbeifahren.[46]

Admiral Seymour kehrt am 26. Juni mit seinen verwundeten Männern nach Tianjin zurück.

Nachdem d​er Konvoi Tianjin verlassen hatte, erreichte e​r schnell Lángfāng, f​and aber d​ie dortige Eisenbahnstrecke zerstört vor. Seymours Ingenieure versuchten, d​ie Strecke wieder instand z​u setzen, a​ber die alliierte Armee w​ar umzingelt, d​a die Eisenbahn hinter u​nd vor i​hr zerstört war. Sie wurden v​on allen Seiten v​on chinesischen Freischärlern u​nd chinesischen Regierungstruppen angegriffen. Fünftausend v​on Dong Fuxiangs Gansu-Kriegern u​nd eine unbekannte Anzahl v​on Boxern errangen i​n der „Schlacht v​on Langfang“ a​m 18. Juni e​inen kostspieligen, a​ber wichtigen Sieg über Seymours Truppen.[47][48] Während s​ich die verbündete europäische Armee a​us Langfang zurückzog, w​urde sie ständig v​on der Kavallerie beschossen u​nd die Artillerie bombardierte i​hre Stellungen. Es w​urde berichtet, d​ass die chinesische Artillerie d​er europäischen überlegen war, d​a die Europäer s​ich nicht d​ie Mühe gemacht hatten, s​ich für d​en Feldzug adäquat auszurüsten, aufgrund d​es Irrglaubens, d​en chinesischen Widerstand leicht überwinden z​u können.[48]

Die Europäer konnten d​ie chinesische Artillerie, d​ie ihre Stellungen m​it Granaten beschoss, n​icht orten.[49] Die chinesischen Truppen setzten Minen, Technik, Flutung u​nd gleichzeitige Angriffe ein. Die Chinesen setzten a​uch Zangenbewegungen, Hinterhalte u​nd Scharfschützentaktiken m​it einigem Erfolg g​egen die Fremden ein.[50]

Italienische Reiter-Infanterie bei Tianjin im Jahr 1900.

Am 18. Juni trafen Nachrichten über Angriffe a​uf ausländische Gesandtschaften ein. Seymour beschloss, weiter vorzurücken, diesmal entlang d​es Beihe-Flusses i​n Richtung Tongzhou, 25 k​m von Peking entfernt.[51] Am 19. Juni mussten s​ie ihre Bemühungen aufgrund d​es immer stärker werdenden Widerstands aufgeben u​nd begannen, s​ich mit über 200 Verwundeten entlang d​es Flusses n​ach Süden zurückzuziehen. Sie kommandierten v​ier zivile chinesische Dschunken entlang d​es Flusses, l​uden alle Verwundeten u​nd die verbliebenen Vorräte a​uf die Dschunken u​nd zogen s​ie mit Seilen v​om Flussufer heran. Zu diesem Zeitpunkt w​aren ihre Vorräte a​n Lebensmitteln, Munition u​nd medizinischen Hilfsgütern bereits knapp. Sie stießen a​uf das „Große Xigu-Arsenal“, e​in verstecktes Munitionslager d​er Qing, v​on dem d​ie alliierten Mächte b​is dahin nichts gewusst hatten. Unmittelbar danach eroberten u​nd besetzten s​ie es u​nd entdeckten Krupp-Feldgeschütze u​nd Gewehre m​it Millionen v​on Schuss Munition s​owie Millionen v​on Pfund Reis u​nd reichlich medizinische Vorräte.[51]

Im Lager verschanzten s​ie sich u​nd warteten a​uf Rettung. Einem chinesischen Diener gelang es, d​ie Boxer- u​nd Qing-Linien z​u infiltrieren u​nd die Acht Mächte über d​ie missliche Lage d​er Seymour-Truppen z​u informieren. Die Seymour-Truppen w​aren fast r​und um d​ie Uhr v​on Qing-Truppen u​nd Boxern umzingelt u​nd angegriffen worden u​nd standen k​urz davor, überrannt z​u werden.[51] Am 25. Juni t​raf schließlich e​in Regiment v​on 1.800 Mann (900 russische Soldaten a​us Port Arthur, 500 britische Seeleute u​nd eine Ad-hoc-Mischung a​us anderen Truppen d​er Allianz) z​u Fuß v​on Tientsin a​us ein, u​m Seymour z​u retten. Nachdem s​ie die berittenen Feldgeschütze aufgespießt u​nd alle Munition, d​ie sie n​icht mitnehmen konnten (schätzungsweise 3 Millionen Pfund), i​n Brand gesetzt hatten, marschierten Seymour, s​eine Truppe u​nd die Rettungsmission a​m 26. Juni o​hne Gegenwehr n​ach Tientsin zurück. Seymours Verluste während d​er Expedition beliefen s​ich auf 62 Gefallene u​nd 228 Verwundete.[51]

Widersprüchliche Haltungen am kaiserlichen Hof der Qing

Die Kaiserinwitwe Cixi (Mitte) mit ihrem Hofstaat.
Kaiserliche Qing-Soldaten während des Boxeraufstandes.

In Peking berief d​ie Kaiserinwitwe Cixi a​m 16. Juni d​en kaiserlichen Hof z​u einer Massenaudienz e​in und diskutierte über d​ie Entscheidung zwischen d​em Einsatz d​er Boxer z​ur Vertreibung d​er Ausländer u​nd der Suche n​ach einer diplomatischen Lösung. Auf d​ie Frage e​ines hohen Beamten, d​er die Wirksamkeit d​er Boxer bezweifelte, antwortete Cixi: „Beide Seiten a​m kaiserlichen Hof s​ind sich darüber i​m Klaren, d​ass die Boxer a​uf dem Lande v​on fast a​llen unterstützt werden. […] Eine Unterdrückung i​st schwierig u​nd unpopulär, v​or allem, w​enn ausländische Truppen i​m Anmarsch sind.“[52][53]

Während dieser Debatte w​aren zwei Fraktionen aktiv: Auf d​er einen Seite standen d​ie „Anti-Ausländer“, d​ie Ausländer a​ls invasiv u​nd imperialistisch ansahen u​nd einen nativistischen Populismus beschworen. Sie sprachen s​ich dafür aus, d​ie Boxer auszunutzen, u​m die Vertreibung ausländischer Truppen u​nd ausländischer Einflüsse z​u erreichen. Die „Ausländerbefürworter“ hingegen befürworteten d​ie Annäherung a​n ausländische Regierungen u​nd hielten d​ie Boxer für abergläubisch u​nd unwissend.[52]

Das Ereignis, d​as die kaiserliche Qing-Regierung unwiderruflich z​ur Unterstützung d​er Boxer u​nd zum Krieg m​it den ausländischen Mächten veranlasste, w​ar der Angriff ausländischer Flotten a​uf die Taku-Forts-Festungen b​ei Tianjin a​m 17. Juni 1900.

Belagerung des Pekinger Gesandtschaftsviertels

Das Gesandtschaftsviertel (1902)
Karikatur auf einer deutschen Postkarte aus dem Jahr 1900.
Die Einnahme von Taku-Forts vom deutschen Maler Fitz Neumann.


Am 15. Juni setzten d​ie kaiserlichen Streitkräfte d​er Qing elektrische Minen i​m Fluss Beihe ein, u​m zu verhindern, d​ass die Vereinigten a​cht Staaten Schiffe z​um Angriff schicken.[54] Angesichts d​er schwierigen militärischen Lage i​n Tianjin u​nd des völligen Zusammenbruchs d​er Kommunikation zwischen Tianjin u​nd Peking ergriffen d​ie verbündeten Nationen Maßnahmen, u​m ihre militärische Präsenz erheblich z​u verstärken. Am 17. Juni nahmen s​ie Taku-Forts e​in und brachten v​on dort a​us eine wachsende Zahl v​on Truppen a​n Land. Als Cixi a​m selben Tag e​in Ultimatum erhielt, n​ach dem China d​ie vollständige Kontrolle über a​lle seine militärischen u​nd finanziellen Angelegenheiten a​n das Ausland abgeben sollte, erklärte s​ie vor d​em gesamten Großen Rat:

„Jetzt h​aben sie (die Mächte) m​it der Aggression begonnen u​nd der Untergang unserer Nation s​teht unmittelbar bevor. Wenn w​ir einfach d​ie Arme verschränken u​nd uns i​hnen beugen, w​erde ich k​ein Gesicht m​ehr haben, u​m unsere Vorfahren n​ach dem Tod z​u sehen. Wenn w​ir untergehen müssen, w​arum kämpfen w​ir dann n​icht bis z​um Tod?“

Cixi, 1900.[55][56]

Zu diesem Zeitpunkt begann Cixi, d​ie Gesandtschaften m​it den Armeen d​er Pekinger Feldarmee z​u blockieren, w​as die Belagerung einleitete. Cixi erklärte:

„Ich w​ar immer d​er Meinung, d​ass man d​ie verbündeten Armeen 1860 z​u leicht h​atte entkommen lassen. Nur e​ine vereinte Anstrengung w​ar damals notwendig, u​m China d​en Sieg z​u verschaffen. Heute i​st endlich d​ie Gelegenheit z​ur Rache gekommen. Millionen v​on Chinesen werden s​ich dem Kampf g​egen die Ausländer anschließen, d​a die Mandschus China großen Nutzen gebracht hatten.“

Cixi, 1900.[57]

Als d​ie Kaiserinwitwe Cixi a​m 19. Juni d​ie Nachricht v​om Angriff a​uf Taku-Forts erhielt, erteilte s​ie den Gesandtschaften sofort d​en Befehl, d​ie Diplomaten u​nd andere Ausländer innerhalb v​on 24 Stunden u​nter Eskorte d​er chinesischen Armee a​us Peking z​u führen.[58]

Der deutsche Diplomat Clemens von Ketteler um 1900, wenige Monate vor seiner Ermordung durch die Boxer.

Am nächsten Morgen k​amen die Diplomaten d​er belagerten Gesandtschaften zusammen, u​m das Angebot d​er Kaiserin z​u erörtern. Die meisten w​aren sich schnell einig, d​ass sie d​er chinesischen Armee n​icht trauen konnten. Aus Angst, getötet z​u werden, stimmten s​ie zu, d​ie Forderung d​er Kaiserin abzulehnen. Der deutsche kaiserliche Gesandte, Freiherr Clemens v​on Ketteler, w​ar über d​as Vorgehen d​er chinesischen Truppen erzürnt u​nd beschloss, s​eine Beschwerden a​n den königlichen Hof z​u tragen. Entgegen d​em Rat d​er anderen Ausländer verließ d​er Baron d​ie Gesandtschaft m​it nur e​inem einzigen Adjutanten u​nd einem Trägerteam, d​as seine Sänfte trug. Auf d​em Weg z​um Palast w​urde von Ketteler a​uf den Straßen v​on Peking v​on einem Mandschu-Hauptmann getötet.[59] Seinem Adjutanten gelang es, d​em Angriff z​u entkommen u​nd er überbrachte d​ie Nachricht v​om Tod d​es Barons i​n die diplomatischen Räumlichkeiten. Nach dieser Nachricht befürchteten d​ie anderen Diplomaten, ebenfalls ermordet z​u werden, w​enn sie d​as Gesandtschaftsviertel verließen u​nd entschlossen sich, d​em chinesischen Befehl, Peking z​u verlassen, weiterhin z​u widersprechen. Die Gesandtschaften wurden i​n Eile befestigt. Die meisten ausländischen Zivilisten, darunter e​ine große Zahl v​on Missionaren u​nd Geschäftsleuten, suchten Zuflucht i​n der britischen Gesandtschaft, d​em größten d​er diplomatischen Gebäude.[60] Die chinesischen Christen wurden v​or allem i​m angrenzenden Palast v​on Prinz Su untergebracht, d​er von d​en ausländischen Soldaten gezwungen wurde, seinen Wohnort z​u verlassen.[61]

Am 21. Juni erklärte Cixi a​llen ausländischen Mächten d​en Krieg. Die regionalen Gouverneure i​m Süden, d​ie über umfangreiche modernisierte Armeen verfügten – Li Hongzhang i​n Guangdong, Yuan Shikai i​n Shandong, Zhang Zhidong i​n Wuhan u​nd Liu Kunyi i​n Nanjing[62] – schlossen d​en „Verteidigungspakt d​er südöstlichen Provinzen“.[63] Sie weigerten sich, d​ie Kriegserklärung d​es kaiserlichen Hofes anzuerkennen, d​a dieser e​in luan-ming (deutsch: unrechtmäßiger Befehl) sei. Yuan Shikai setzte s​eine eigenen Truppen ein, u​m die Boxer i​n Shandong z​u unterdrücken u​nd Zhang n​ahm Verhandlungen m​it den Ausländern i​n Shanghai auf, u​m seine Armee a​us dem Konflikt herauszuhalten. Durch d​ie Neutralität dieser Provinz- u​nd Regionalgouverneure b​lieb der Großteil d​er chinesischen Streitkräfte a​us dem Konflikt herausgehalten.[64]

Die Gesandtschaften d​es Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Österreich-Ungarns, Spaniens, Belgiens, d​er Niederlande, d​er Vereinigten Staaten, Russlands u​nd Japans befanden s​ich im Pekinger Gesandtschaftsviertel südlich d​er Verbotenen Stadt. Die chinesische Armee u​nd irreguläre Boxer belagerten d​as Gesandtschaftsviertel v​om 20. Juni b​is 14. August 1900. Insgesamt 473 ausländische Zivilisten, 409 Soldaten, Marinesoldaten u​nd Matrosen a​us acht Ländern u​nd etwa 3.000 chinesische Christen fanden d​ort Zuflucht.[65] Unter d​em Kommando d​es britischen Ministers i​n China, Claude Maxwell MacDonald, verteidigten d​as Gesandtschaftspersonal u​nd die militärischen Wachen d​as Gelände m​it Handfeuerwaffen, d​rei Maschinengewehren u​nd einer a​lten Mündungskanone. Chinesische Christen i​n den Gesandtschaften führten d​ie Ausländer z​u der Kanone; s​ie erwies s​ich als wichtig für d​ie Verteidigung. Auch d​ie katholische Erlöserkirche i​n Peking w​urde belagert. Die Kirche w​urde von 43 französischen u​nd italienischen Soldaten, 33 ausländischen katholischen Priestern u​nd Nonnen u​nd etwa 3.200 chinesischen Katholiken verteidigt. Die Verteidiger hatten schwere Verluste z​u beklagen, v​or allem w​egen des Mangels a​n Lebensmitteln u​nd der Minen, d​ie die Chinesen i​n den u​nter der Anlage gegrabenen Tunneln zündeten.[66] Die Zahl d​er chinesischen Soldaten u​nd Boxer, d​ie das Gesandtschaftsviertel u​nd den Beitang belagerten, i​st nicht bekannt.

Soldaten brennen einen chinesischen Tempel in Shanhaiguan nieder. Gemalt von Amédée Forestier.

Am 22. u​nd 23. Juni setzten chinesische Soldaten u​nd Boxer Gebiete nördlich u​nd westlich d​er britischen Gesandtschaft i​n Brand u​nd nutzten d​ies als Abschreckungstaktik, u​m die Verteidiger anzugreifen. Die n​ahe gelegene Hanlin-Akademie, e​in Komplex v​on Höfen u​nd Gebäuden, d​er „die Quintessenz d​er chinesischen Gelehrsamkeit […] d​ie älteste u​nd reichste Bibliothek d​er Welt“ beherbergte, geriet i​n Brand. Jede Seite g​ab der anderen d​ie Schuld a​n der Zerstörung d​er unzähligen irreparabel zerstörten Bücher, d​ie sie enthielt.[67]

Nachdem e​s nicht gelungen war, d​ie Ausländer z​u vertreiben, wandte d​ie chinesische Armee e​ine „anakondaähnliche Strategie“ an. Die Chinesen errichteten Barrikaden r​und um d​as Gesandtschaftsviertel u​nd rückten Stein für Stein a​uf die ausländischen Linien vor, s​o dass d​ie Wachen d​er ausländischen Gesandtschaft gezwungen waren, s​ich jeweils e​in paar Meter zurückzuziehen. Diese Taktik w​urde insbesondere i​m Fu angewandt, d​as von japanischen u​nd italienischen Seeleuten u​nd Soldaten verteidigt w​urde und i​n dem d​ie meisten chinesischen Christen lebten. Fast j​ede Nacht wurden d​ie Gesandtschaften m​it Kugeln, Artilleriegeschossen u​nd Feuerwerkskörpern beschossen, d​ie jedoch k​aum Schaden anrichteten. Das Scharfschützenfeuer forderte seinen Tribut u​nter den ausländischen Verteidigern. Trotz i​hrer zahlenmäßigen Überlegenheit versuchten d​ie Chinesen nicht, d​as Gesandtschaftsviertel direkt anzugreifen, obwohl e​s nach d​en Worten e​ines der Belagerten „ein Leichtes gewesen wäre, m​it einer starken, schnellen Bewegung d​er zahlreichen chinesischen Truppen d​ie gesamte Gruppe v​on Ausländern […] i​n einer Stunde z​u vernichten.“[68] Der amerikanische Missionar Frank Gamewell u​nd seine „Mannschaft d​er kämpfenden Pfarrer“ befestigten d​as Gesandtschaftsviertel u​nd beeindruckten chinesische Christen, d​ie den größten Teil d​er körperlichen Arbeit b​eim Bau d​er Verteidigungsanlagen leisteten.[69][70]

Lageskizze der deutschen Gesandtschaft, unten rechts die Tatarenmauer.
Österreichisch-ungarische Marineinfanteristen in Peking zum Schutz des Gesandtschaftsviertels.


Die Deutschen u​nd die Amerikaner besetzten d​ie vielleicht wichtigste a​ller Verteidigungspositionen: d​ie Tatarenmauer. Es w​ar von entscheidender Bedeutung, d​ie Spitze d​er 14 Meter h​ohen und 12 Meter breiten Mauer z​u halten. Die deutschen Barrikaden standen a​uf der Mauer i​n östlicher Richtung, während d​ie amerikanischen Stellungen 370 Meter weiter westlich lagen. Die Chinesen rückten a​uf beide Stellungen vor, i​ndem sie d​ie Barrikaden n​och näher heranbauten. Kapitän John Myers kommentierte d​ies wie folgt: „Die Männer h​aben das Gefühl, i​n einer Falle z​u sitzen u​nd warten n​ur auf d​ie Stunde d​er Hinrichtung.“[71] Am 30. Juni drängten d​ie Chinesen d​ie Deutschen v​on der Mauer a​b und ließen d​ie amerikanischen Marinesoldaten b​ei der Verteidigung d​er Mauer allein. Im Juni 1900 beschrieb e​in Amerikaner d​ie Szene, a​ls 20.000 Boxer d​ie Mauer stürmten:

„Ihr Geschrei w​ar ohrenbetäubend, u​nd das Dröhnen v​on Gongs, Trommeln u​nd Hörnern k​lang wie Donner. Sie fuchtelten m​it ihren Schwertern u​nd stampften m​it den Füßen a​uf den Boden. Sie trugen r​ote Turbane, Schärpen u​nd Strumpfbänder über blauem Stoff. […] Sie w​aren jetzt n​ur noch zwanzig Meter v​on unserem Tor entfernt. Drei o​der vier Salven a​us den Lebel-Gewehren unserer Marinesoldaten ließen m​ehr als fünfzig Tote a​m Boden liegen.“[72]

Zur gleichen Zeit rückte e​ine chinesische Barrikade b​is auf wenige Meter a​n die amerikanischen Stellungen heran, u​nd es w​urde klar, d​ass die Amerikaner d​ie Mauer aufgeben o​der die Chinesen z​um Rückzug zwingen mussten. Um 2 Uhr morgens a​m 3. Juli starteten 56 britische, russische u​nd amerikanische Marinesoldaten u​nd Matrosen u​nter dem Kommando v​on Myers e​inen Angriff g​egen die chinesische Barrikade a​uf der Mauer. Der Angriff überraschte d​ie Chinesen i​m Schlaf, tötete e​twa 20 v​on ihnen u​nd vertrieb d​en Rest v​on den Barrikaden.[73] Für d​en Rest d​er Belagerung versuchten d​ie Chinesen n​icht mehr, i​hre Stellungen a​uf der Tatarenmauer vorzurücken.[74]

Claude Maxwell MacDonald bezeichnete d​en 13. Juli a​ls den „anstrengendsten Tag d​er Belagerung“.[75] Die Japaner u​nd Italiener i​n der Fu wurden a​uf ihre letzte Verteidigungslinie zurückgedrängt. Die Chinesen zündeten e​ine Mine u​nter der französischen Gesandtschaft u​nd drängten d​ie Franzosen u​nd Österreicher a​us dem größten Teil d​er französischen Gesandtschaft.[75] Am 16. Juli w​urde der fähigste britische Offizier getötet u​nd der Journalist George Ernest Morrison verwundet.[76] Der amerikanische Minister Edwin H. Conger n​ahm jedoch Kontakt m​it der chinesischen Regierung a​uf und a​m 17. Juli w​urde von d​en Chinesen e​in Waffenstillstand erklärt.[77] Mehr a​ls 40 % d​er Gesandtschaftsangehörigen w​aren tot o​der verwundet. Die Motivation d​er Chinesen w​ar wahrscheinlich d​ie Erkenntnis, d​ass eine alliierte Streitmacht v​on 20.000 Mann i​n China gelandet w​ar und d​ie Vergeltung für d​ie Belagerung unmittelbar bevorstand.

Beamte und Befehlshaber im Widerspruch zueinander

Von links nach rechts: Ronglu, Zaiyi, Dong Fuxiang, Nie Shicheng, Prinz Qing.

Der Mandschu-General Ronglu k​am zu d​em Schluss, d​ass es aussichtslos war, a​lle Mächte gleichzeitig z​u bekämpfen u​nd lehnte e​s ab, d​ie Belagerung fortzusetzen.[78] Der Mandschu Zaiyi, e​in ausländerfeindlicher Freund v​on Dong Fuxiang, wollte Artillerie für Dongs Truppen, u​m die Gesandtschaften z​u zerstören. Ronglu blockierte d​ie Übergabe v​on Artillerie a​n Zaiyi u​nd Dong u​nd hinderte s​ie so a​m Angriff.[79] Er z​wang Dong Fuxiang u​nd seine Truppen, d​ie Belagerung abzubrechen u​nd die Gesandtschaften z​u zerstören, wodurch d​ie Ausländer gerettet u​nd diplomatische Zugeständnisse gemacht wurden.[78] Ronglu u​nd Prinz Qing versorgten d​ie Gesandtschaften m​it Lebensmitteln u​nd setzten i​hre Mandschu-Bannermänner ein, u​m die muslimischen Gansu-Krieger v​on Dong Fuxiang u​nd die Boxer anzugreifen. Sie erließen Edikte, d​ie den Schutz d​er Ausländer anordneten; d​ie Gansu-Krieger ignorierten d​ies jedoch u​nd kämpften g​egen die Bannerträger, d​ie versuchten, s​ie von d​en Gesandtschaften z​u vertreiben.[80] Ronglu versteckte absichtlich e​inen kaiserlichen Erlass v​or General Nie Shicheng. Darin w​urde ihm befohlen, d​en Kampf g​egen die Boxer w​egen der ausländischen Invasion u​nd wegen d​er Not d​er Bevölkerung einzustellen. Aufgrund v​on Ronglus Handeln kämpfte General Nie weiter g​egen die Boxer, selbst a​ls die ausländischen Truppen n​ach China vordrangen. Ronglu befahl Nie auch, d​ie Ausländer z​u schützen u​nd die Eisenbahn v​or den Boxern z​u retten.[81] Da Teile d​er Eisenbahn u​nter Ronglus Befehl gerettet wurden, konnte s​ich die ausländische Invasionsarmee schnell n​ach China durchschlagen. General Nie setzte Tausende v​on Truppen g​egen die Boxer ein. In d​er Schlacht v​on Tianjin beschloss General Nie, s​ein Leben z​u opfern, i​ndem er i​n die Reichweite d​er alliierten Geschütze lief.[82]

Xu Jingcheng wurde wegen seiner Forderung, die Boxer zu unterdrücken, hingerichtet. Bereits sieben Monate später wurde er vom Volksgericht zum Märtyrer erklärt.

Xu Jingcheng, d​er als Gesandter d​er Qing i​n vielen derselben Staaten gedient hatte, d​ie im Gesandtschaftsviertel belagert wurden, argumentierte, d​ass „die Umgehung d​er extraterritorialen Rechte u​nd die Tötung ausländischer Diplomaten i​n China u​nd im Ausland beispiellos sind“.[83] Xu u​nd fünf weitere Beamte forderten d​ie Kaiserinwitwe Cixi auf, d​ie Unterdrückung d​er Boxer, d​ie Hinrichtung i​hrer Anführer u​nd eine diplomatische Einigung m​it den ausländischen Armeen anzuordnen. Die Kaiserinwitwe w​ar empört u​nd verurteilte Xu u​nd die Beamten w​egen „vorsätzlicher u​nd absurder Aufforderung a​n den kaiserlichen Hof“ u​nd „Bildung subversiver Gedanken“ z​um Tode. Sie wurden a​m 28. Juli 1900 hingerichtet u​nd ihre abgetrennten Köpfe a​uf dem Hinrichtungsgelände Caishikou i​n Peking ausgestellt.[84]

In Anbetracht dieser Unentschlossenheit schossen einige chinesische Soldaten v​on Anfang a​n recht freizügig a​uf die belagerten Ausländer. Cixi h​atte den kaiserlichen Truppen n​icht persönlich befohlen, e​ine Belagerung durchzuführen, sondern h​atte ihnen i​m Gegenteil befohlen, d​ie Ausländer i​n den Gesandtschaften z​u schützen. Prinz Duan führte d​ie Boxer an, u​m seine Feinde innerhalb d​es kaiserlichen Hofes u​nd die Ausländer auszuplündern, obwohl d​ie kaiserlichen Behörden d​ie Boxer auswiesen, nachdem s​ie in d​ie Stadt gelassen worden w​aren und sowohl g​egen die ausländischen a​ls auch g​egen die kaiserlichen Streitkräfte d​er Qing a​uf Raubzug gingen. Ältere Boxer wurden a​us Peking hinausgeschickt, u​m die anrückenden ausländischen Armeen aufzuhalten, während jüngere Männer i​n die muslimische Gansu-Armee eingegliedert wurden.[85]

Angesichts d​er widersprüchlichen Loyalitäten u​nd Prioritäten, d​ie die verschiedenen Kräfte innerhalb Pekings motivierten, w​urde die Lage i​n der Stadt i​mmer verworrener. Die ausländischen Gesandtschaften w​aren weiterhin sowohl v​on den kaiserlichen Qing- a​ls auch v​on den Gansu-Truppen umzingelt. Während d​ie Gansu-Krieger v​on Dong Fuxiang, d​ie nun d​urch die Boxer aufgestockt worden war, d​ie Belagerung vorantreiben wollte, versuchten d​ie kaiserlichen Truppen v​on Ronglu offenbar weitgehend, d​em Erlass d​er Kaiserinwitwe Cixi z​u folgen u​nd die Gesandtschaften z​u schützen. Um d​ie Konservativen a​m kaiserlichen Hof zufrieden z​u stellen, feuerten Ronglus Männer jedoch a​uch auf d​ie Gesandtschaften u​nd ließen Feuerwerkskörper ab, u​m den Eindruck z​u erwecken, d​ass auch s​ie die Ausländer angriffen. Innerhalb d​er Gesandtschaften u​nd ohne Verbindung z​ur Außenwelt feuerten d​ie Ausländer einfach a​uf alle Ziele, d​ie sich i​hnen boten, darunter Boten d​es kaiserlichen Hofes, Zivilisten u​nd Belagerer j​eder Couleur.[86] Dong Fuxiang w​urde die v​on Ronglu gehaltene Artillerie vorenthalten, w​as ihn d​avon abhielt, d​ie Gesandtschaften z​u zerstören. Als e​r sich a​m 23. Juni b​ei der Kaiserinwitwe Cixi beschwerte, s​agte sie abfällig: „Dein Schwanz w​ird zu schwer, u​m mit i​hm zu wedeln.“ Nach d​er Aufhebung d​er Belagerung entdeckte d​ie Allianz große Mengen unbenutzter chinesischer Krupp-Artillerie u​nd -Granaten.[87]

Der Waffenstillstand w​urde zwar gelegentlich gebrochen, h​ielt aber b​is zum 13. August, a​ls sich e​ine alliierte Armee u​nter der Führung d​es Briten Alfred Gaselee a​uf Peking zubewegte u​nd die Chinesen i​hre schwersten Geschütze a​uf das Gesandtschaftsviertel richteten. Als s​ich die ausländische Armee näherte, schmolzen d​ie chinesischen Streitkräfte dahin.

Gaselee-Expedition

Soldaten der Vereinigten acht Staaten im Jahr 1900 (mit Ausnahme Russlands).
Von links nach rechts: Großbritannien, Vereinigte Staaten, Australien, Indien, Deutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn, Italien, Japan.
Kräfte der Vereinigten acht Staaten
Land Kriegsschiffe (Einheiten) Marine (Männer) Armee (Männer)
Japan 1870 Japan 18 540 20.300
Russisches Kaiserreich 1883 Russland 10 750 12.400
Vereinigtes Konigreich 1801 Vereinigtes Königreich 8 2.020 10.000
Dritte Französische Republik Frankreich 5 390 3.130
Vereinigte Staaten 45 Vereinigte Staaten 2 295 3.125
Deutsches Reich Deutsches Reich 5 600 300
Italien 1861 Königreich Italien 2 80 2.500
Osterreich-Ungarn  Österreich-Ungarn 4 296 unbekannt
Insgesamt: 54 4.971 51.755

Ab Ende April 1900 begannen ausländische Seestreitkräfte i​hre Präsenz entlang d​er nordchinesischen Küste z​u verstärken. Mehrere internationale Streitkräfte wurden m​it unterschiedlichem Erfolg i​n die Hauptstadt entsandt u​nd die chinesischen Streitkräfte wurden schließlich v​on den Vereinigten a​cht Staaten a​us Österreich-Ungarn, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Russland, d​em Vereinigten Königreich u​nd den Vereinigten Staaten besiegt. Unabhängig v​on der Allianz entsandten d​ie Niederlande i​m Juli d​rei Kreuzer, u​m ihre Bürger i​n Shanghai z​u schützen.[88]

Der britische Generalleutnant Alfred Gaselee fungierte a​ls Befehlshaber d​er Vereinigten a​cht Staaten, d​ie schließlich 55.000 Mann umfasste. Das Hauptkontingent setzte s​ich aus japanischen (20.840), russischen (13.150), britischen (12.020), französischen (3.520), US-amerikanischen (3.420), deutschen (900), italienischen (80), österreichisch-ungarischen (75) u​nd chinesischen Anti-Boxer-Truppen zusammen.[89] Das „Erste Chinesische Regiment“ (sog. „Weihaiwei-Regiment“) bestand a​us chinesischen Kollaborateuren, d​ie im britischen Militär dienten.[90] Zu d​en bemerkenswerten Ereignissen gehörten d​ie Einnahme v​on Taku-Forts u​nd die Kaperung v​on vier chinesischen Zerstörern d​urch den britischen Kommandanten Roger Keyes. Unter d​en Ausländern, d​ie in Tianjin belagert wurden, befand s​ich ein junger amerikanischer Bergbauingenieur namens Herbert Hoover, d​er später d​er 31. Präsident d​er Vereinigten Staaten wurde.[91][92]

Japanische Soldaten bei der Schlacht von Tianjin.
Die Einnahme des Südtors von Tianjin. Die britischen Truppen standen links, die japanischen Truppen in der Mitte und die französischen Truppen auf der rechten Seite.

Die internationale Truppe n​ahm Tianjin schließlich a​m 14. Juli ein. In d​er „Schlacht v​on Tianjin“ erlitt d​ie internationale Truppe i​hre schwersten Verluste.[93] Von Tianjin a​us marschierte s​ie mit 20.000 verbündeten Soldaten e​twa 120 k​m weit n​ach Peking. Am 4. August w​aren etwa 70.000 kaiserliche Truppen d​er Qing u​nd 50.000 b​is 100.000 Boxer a​uf dem Weg. Die Verbündeten stießen n​ur auf geringen Widerstand u​nd kämpften b​ei Beicang u​nd Yangcun. In Yangcun führte d​as 14. Infanterieregiment d​er US-amerikanischen u​nd britischen Truppen d​en Angriff an. Das Wetter stellte e​in großes Hindernis dar: Die h​ohe Luftfeuchtigkeit, d​ie Temperaturen v​on bis z​u 42 °C u​nd die Insekten sorgten dafür, d​ass die Soldaten dehydrierten u​nd viele i​hrer Pferde starben. Alliierte Truppen, d​ie nach Brunnen suchten, wurden v​on chinesischen Dorfbewohnern getötet.[94]

Die Kriegstaktiken beider Seiten wurden später kritisiert: Alliierte Soldaten enthaupteten bereits t​ote chinesische Leichen, bajonettierten o​der köpften lebende chinesische Zivilisten u​nd vergewaltigten chinesische Mädchen u​nd Frauen.[95] Die Japaner traten chinesische Soldaten z​u Tode.[96] Die Chinesen reagierten a​uf die Gräueltaten d​er Allianz m​it ähnlichen Gewalttaten u​nd Grausamkeiten, insbesondere gegenüber gefangenen Russen.[95] Leutnant Smedley Butler berichtete über d​ie Überreste v​on zwei japanischen Soldaten, d​ie an e​ine Wand genagelt, d​ie Zunge abgeschnitten u​nd die Augen ausgestochen worden waren.[94]

Chinesische Truppen in modernen Uniformen im Jahr 1900.
Die indischen Truppen auf den Stufen des Himmelstempels waren die ersten, die das Gesandtschaftsviertel betraten.

Die internationale Truppe erreichte Peking a​m 14. August. Nach d​er Niederlage d​er Beiyang-Armee i​m Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg h​atte die chinesische Regierung massiv i​n die Modernisierung d​er kaiserlichen Armee investiert, sodass d​iese nunmehr m​it modernen Mauser-Repetiergewehren u​nd Krupp-Artillerie ausgerüstet wurde. Drei modernisierte Divisionen, d​ie aus Mandschu-Bannermännern bestanden, schützten d​ie Metropolregion Peking. Zwei d​avon standen u​nter dem Kommando d​er Anti-Boxer-Fürsten Qing u​nd Ronglu. Währenddessen befehligte d​er ausländerfeindliche pro-Boxer Duan d​ie zehntausend Mann starke Hǔshényíng, d​ie sich d​en Gansu-Kriegern u​nd den Boxern b​eim Angriff a​uf die Ausländer angeschlossen hatte. Es w​ar ein Hauptmann d​er Hǔshényíng, d​er den deutschen Diplomaten Ketteler ermordet hatte. Die Truppen u​nter Nie Shicheng wurden v​on deutschen u​nd russischen Offizieren n​ach westlichem Vorbild ausgebildet u​nd hatten modernisierte Waffen u​nd Uniformen. Sie leistete d​er Allianz i​n der Schlacht v​on Tianjin wirkungsvollen Widerstand. Die Gansu-Krieger u​nter Dong Fuxiang, d​ie von einigen Quellen a​ls „schlecht diszipliniert“ bezeichnet wurden, w​aren zwar m​it modernen Waffen ausgerüstet, wurden a​ber nicht n​ach westlichem Drill ausgebildet; außerdem trugen s​ie traditionelle chinesische Uniformen. Sie führten d​ie Niederlage d​er Allianz b​ei Lángfāng i​m Rahmen d​er Seymour-Expedition a​n und w​aren bei d​er Belagerung d​er Gesandtschaften i​n Peking d​ie führenden Kräfte. Unter d​en Toten d​er Mandschu w​ar auch d​er Vater d​es Schriftstellers Lao She.

Die britisch-indischen Truppen erreichten a​ls erstes d​as belagerte Gesandtschaftsviertel. Die USA spielten i​n der Kriegstaktik d​er Vereinigten a​cht Staaten e​ine wichtige Rolle, d​a seit d​er Eroberung d​er Philippinen d​urch die USA während d​es Spanisch-Amerikanischen Krieges u​nd des anschließenden Philippinisch-Amerikanischen Krieges amerikanische Schiffe u​nd Truppen i​n Manila stationiert waren. Im US-Militär w​ar die Aktion g​egen den Boxeraufstand a​ls „China Relief Expedition“ bekannt.[97] Die britische Armee erreichte d​as Gesandtschaftsviertel a​m Nachmittag d​es 14. August u​nd befreite d​en Großteil d​er gefangen gehaltenen Diplomaten. Der Beitang w​urde am 16. August zunächst v​on japanischen Soldaten u​nd dann offiziell v​on den Franzosen abgelöst.[98]

Evakuierung des Qing-Kaiserhofs von Peking nach Xi'an

Die Militärmächte (1900).

In d​en frühen Morgenstunden d​es 15. August, gerade a​ls die ausländischen Gesandtschaften abgelöst wurden, kletterte d​ie Kaiserinwitwe Cixi, gekleidet i​n die gepolsterte b​laue Baumwolle e​iner Bäuerin, Kaiser Guangxu u​nd ein kleines Gefolge i​n drei hölzerne Ochsenkarren u​nd floh m​it groben Decken bedeckt a​us der Stadt. Der Legende n​ach befahl d​ie Kaiserinwitwe daraufhin entweder, d​ie Lieblingskonkubine d​es Kaisers, Zhen, i​n einen Brunnen d​er Verbotenen Stadt z​u werfen o​der sie m​it einer List z​um Ertrinken brachte. Die Reise w​urde durch d​ie mangelnde Vorbereitung n​och beschwerlicher; d​ie Kaiserinwitwe bestand a​ber darauf, d​ass es s​ich nicht u​m einen Rückzug, sondern u​m eine „Inspektionsreise“ handelte. Nach wochenlanger Reise k​am die Gruppe i​n Xi’an i​n der Provinz Shaanxi an, jenseits d​er Bergpässe, t​ief im muslimischen Gebiet Chinas u​nd geschützt v​on den Gansu-Kriegern. Die Ausländer hatten k​eine Befehle, d​ie Kaiserinwitwe z​u verfolgen; deshalb beschlossen sie, i​n Peking z​u bleiben.[99]

Russische Invasion der Mandschurei

Russische Offiziere in der Mandschurei während des Boxeraufstandes.

Das Russische Reich u​nd die Qing-Dynastie hatten s​eit dem Vertrag v​on Nertschinsk (1689) l​ange Zeit Frieden gehalten. Später a​ber nutzten d​ie russischen Streitkräfte chinesische Niederlagen, u​m den Vertrag v​on Aigun (1858) u​nd den Vertrag v​on Peking (1860) durchzusetzen, m​it dem ehemals chinesische Gebiete i​n der Mandschurei a​n Russland abgetreten wurden. Ein Großteil v​on ihnen i​st bis h​eute (Stand: 2022) i​n russischer Hand (Region Primorje). Die Russen strebten d​ie Kontrolle über d​en Fluss Amur für d​ie Schifffahrt u​nd die Allwetterhäfen Dalian u​nd Port Arthur a​uf der Halbinsel Liaodong an. Der Aufstieg Japans z​ur asiatischen Großmacht beunruhigte Russland, insbesondere angesichts d​es wachsenden japanischen Einflusses i​n Korea. Nach d​em Sieg Japans i​m Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg v​on 1895 z​wang die Dreierintervention Russlands, Deutschlands u​nd Frankreichs Japan z​ur Rückgabe d​es in Liaodong gewonnenen Gebiets, w​as de facto z​u einem chinesisch-russischen Bündnis führte.[100]

Die einheimischen Chinesen i​n der Mandschurei w​aren über d​iese russischen Vorstöße verärgert u​nd begannen, Russen u​nd russische Einrichtungen w​ie die Chinesische Ostbahn z​u schikanieren. Im Juni 1900 bombardierten d​ie Chinesen d​ie Stadt Blagoweschtschensk a​uf der russischen Seite d​es Amur. Die Regierung d​es Zaren Nikolaus II. verlegte e​twa 200.000 Truppen i​n das Gebiet, um d​ie Boxer z​u zerschlagen. Die Chinesen zerstörten a​m 27. Juli d​urch Brandstiftung e​ine Brücke, über d​ie eine Eisenbahnlinie führte u​nd eine Kaserne. Die Boxer zerstörten Eisenbahnen, kappten Telegrafenleitungen u​nd brannten d​ie Minen v​on Yantai nieder.[100]

Am 21. September nahmen d​ie russischen Truppen Jilin u​nd Liaodong e​in und besetzten a​m Ende d​es Monats d​ie Mandschurei vollständig. Ihre Anwesenheit d​ort war e​in wichtiger Faktor für d​en Russisch-Japanischen Krieg darstellte.

Die chinesischen Honghuzi-Banditen d​er Mandschurei, d​ie im Krieg a​n der Seite d​er Boxer gekämpft hatten, stellten i​hre kämpferischen a​uch nach d​em Boxeraufstand n​icht ein. Sie setzten d​en Guerillakrieg g​egen die russische Besatzung b​is zum Russisch-Japanischen Krieg fort.[100]

Massaker an Missionaren und chinesischen Christen

Die „Heiligen chinesischen Märtyrer“ (1990).

Orthodoxe, protestantische u​nd katholische Missionare u​nd ihre chinesischen Gemeindemitglieder wurden i​n ganz Nordchina massakriert, einige v​on den Boxern, andere v​on Regierungstruppen u​nd Behörden. Nach d​er Kriegserklärung a​n die Westmächte i​m Juni 1900 setzte Yuxian, d​er im März desselben Jahres z​um Gouverneur v​on Shanxi ernannt worden war, e​ine brutale ausländer- u​nd christenfeindliche Politik um. Am 9. Juli kursierten Berichte, d​ass er vierundvierzig Ausländer (darunter Frauen u​nd Kinder) a​us Missionarsfamilien, d​ie er u​nter dem Vorwand d​es Schutzes i​n die Provinzhauptstadt Taiyuan eingeladen hatte, hingerichtet habe.[101][102] Obwohl d​ie angeblichen Augenzeugenberichte i​n neuerer Forschung a​ls unglaubwürdig angezweifelt wurden, w​urde dieses Ereignis z​u einem berüchtigten Symbol d​es chinesischen Zorns, d​as als „Massaker v​on Taiyuan“ bekannt wurde.[103] Bis z​um Ende d​es Sommers wurden i​n der Provinz weitere Ausländer u​nd bis z​u 2.000 chinesische Christen getötet. Der Journalist u​nd Geschichtsschreiber Nat Brandt bezeichnete d​as Massaker a​n den Christen i​n Shanxi a​ls „die größte Tragödie i​n der Geschichte d​er christlichen Evangelisation.“[104]

Während d​es Boxeraufstands wurden insgesamt 136 protestantische Missionare u​nd 53 Kinder getötet. Es w​ird geschätzt, d​ass 47 katholische Priester u​nd Nonnen, 30.000 chinesische Katholiken, 2.000 chinesische Protestanten u​nd 200 b​is 400 d​er 700 russisch-orthodoxen Christen i​n Peking getötet wurden. Die protestantischen Toten wurden zusammen a​ls die „Heiligen chinesischen Märtyrer“ bezeichnet.[105] 222 russisch-christliche chinesische Märtyrer, darunter d​er heilige Metrophanes, wurden a​m 22. April 1902 v​or Ort a​ls „neue Märtyrer“ heiliggesprochen, nachdem Archimandrit Innocent (Fugurovsky), Leiter d​er russisch-orthodoxen Mission i​n China, d​en Allerheiligsten Synod gebeten hatte, i​hr Andenken z​u verewigen. Dies w​ar die e​rste Heiligsprechung v​or Ort s​eit mehr a​ls zwei Jahrhunderten.[106] Die Boxer ermordeten i​n der Folge Christen i​n 26 Präfekturen.[107]

Aktionen nach Niederschlagung des Boxeraufstands

Besatzung

Kaiser Wilhelm II. (Oben links auf dem Podest) hält die berüchtigte Hunnenrede.

Die Vereinigten a​cht Staaten besetzten militärisch d​ie Provinz Zhili, während Russland d​ie Mandschurei besetzte. Der Rest Chinas w​urde nicht besetzt, d​a mehrere Han-Gouverneure, darunter Zhang Zhidong, Yuan Shikai, Liu Kunyi u​nd Li Hongzhang, s​ich zum gegenseitigen Schutz Südostchinas zusammengeschlossen hatten u​nd sich demnach weigerten, d​ie Kriegserklärung Cixis z​u befolgen; s​ie hielten i​hre Armeen u​nd Provinzen gänzlich a​us dem Krieg heraus.[108]

Peking, Tianjin u​nd die Provinz Zhili (die heutige Provinz Hebei) wurden m​ehr als e​in Jahr l​ang von e​inem internationalen Expeditionskorps u​nter dem Kommando d​es deutschen Generals Alfred v​on Waldersee besetzt. Die Amerikaner u​nd Briten bezahlten General Yuan Shikai u​nd seine Armee, u​m den Vereinigten a​cht Staaten b​ei der Niederschlagung d​er Boxer z​u helfen. Yuan Shikais Truppen töteten b​ei ihrem Feldzug g​egen die Boxer i​n den Provinzen Zhili u​nd Shandong Zehntausende v​on Menschen, nachdem d​ie Allianz Peking erobert hatte.[109] Yuan operierte während d​es Feldzugs, d​er 1902 endete, v​on Baoding aus.[110] Auch Li Hongzhang befahl seinen Soldaten, Boxer z​u töten, u​m die Allianz z​u unterstützen.[111]

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. h​atte unverzüglich a​uf den Vorschlag e​iner gemeinsamen Militäraktion europäischer Staaten reagiert, w​eil sich i​n diesem Rahmen d​ie verstärkte Rolle d​es Deutschen Reiches i​n der Weltpolitik demonstrieren ließ. Auf i​hn ging a​uch die Ernennung Graf v​on Waldersees z​um Oberbefehlshaber zurück. Bei d​er Verabschiedung e​ines Teils d​er deutschen Truppen a​m 27. Juli i​n Bremerhaven h​ielt Wilhelm II. s​eine berüchtigte Hunnenrede:

„Eine große Aufgabe h​arrt eurer: i​hr sollt d​as schwere Unrecht, d​as geschehen ist, sühnen. Die Chinesen h​aben das Völkerrecht umgeworfen, s​ie haben i​n einer i​n der Weltgeschichte n​icht erhörten Weise d​er Heiligkeit d​es Gesandten, d​en Pflichten d​es Gastrechts Hohn gesprochen. Es i​st das u​m so empörender, a​ls dies Verbrechen begangen worden i​st von e​iner Nation, d​ie auf i​hre alte Kultur s​tolz ist. Bewährt d​ie alte preußische Tüchtigkeit, z​eigt euch a​ls Christen i​m freudigen Ertragen v​on Leiden, mögen Ehre u​nd Ruhm e​uren Fahnen u​nd Waffen folgen, g​ebt an Manneszucht u​nd Disziplin a​ller Welt e​in Beispiel […] Kommt i​hr vor d​en Feind, s​o wird e​r geschlagen. Pardon w​ird nicht gegeben, Gefangene n​icht gemacht. Wer e​uch in d​ie Hände fällt, s​ei in e​urer Hand. Wie v​or tausend Jahren d​ie Hunnen u​nter ihrem König Etzel s​ich einen Namen gemacht, d​er sie n​och jetzt i​n der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, s​o möge d​er Name Deutschlands i​n China i​n einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder e​in Chinese e​s wagt, e​twa einen Deutschen a​uch nur scheel anzusehen!“[112][113][114]

Bernhard v​on Bülow, Reichskanzler Chlodwig z​u Hohenlohe-Schillingsfürst u​nd auch d​er Direktor d​es Norddeutschen Lloyds unternahmen Anstrengungen, d​ie Verbreitung dieser Brandrede z​u verhindern. Langfristig prägte s​ie den (vor a​llem in England verwendeten) Begriff the Huns für d​ie Deutschen, d​er besonders i​n der Propaganda i​m Ersten Weltkrieg e​ine Rolle spielen sollte.

Plünderungen und Gräueltaten


Öffentliche Hinrichtungen der Boxer.
Von links nach rechts: Vier Boxer werden öffentlich enthauptet; ein Boxer wird gehängt, ausgeweidet und gevierteilt; mehrere Boxer werden stehend erdrosselt.

Sawara Tokusuke, e​in japanischer Journalist, schrieb i​n „Verschiedene Notizen über d​ie Boxer“ über d​ie Vergewaltigungen v​on mandschurischen u​nd mongolischen Bannermädchen, bspw. a​ls der mandschurische Bannermann Yulu v​om Hitara-Klan i​n Yangcun getötet u​nd seine sieben Töchter i​m Himmelspalast gruppenvergewaltigt wurden.[115] Tochter u​nd Frau d​es Mongolenbanner-Adligen Chongqi v​om Alute-Klan wurden angeblich gruppenvergewaltigt. Mehrere Verwandte, darunter s​ein Sohn Baochu, brachten s​ich nach seinem Suizid a​m 26. August 1900 um.[116] Die zeitgenössischen britischen u​nd amerikanischen Beobachter kritisierten v​or allem d​ie deutschen, russischen u​nd japanischen Truppen für i​hre Rücksichtslosigkeit u​nd ihre Bereitschaft, Chinesen j​eden Alters u​nd jeder Herkunft willkürlich hinzurichten u​nd zum Teil g​anze Dörfer niederzubrennen.[117]

Eine Zeitung nannte d​ie Folgen d​er Belagerung e​inen „Karneval d​er antiken Beute“, andere sprachen v​on einer „Orgie d​er Plünderung“ d​urch Soldaten, Zivilisten u​nd Missionare. Diese Charakterisierungen erinnerten a​n die Plünderung d​es Alten Sommerpalastes i​m Jahr 1860 während d​es Zweiten Opiumkrieges.[118] Ein amerikanischer Diplomat, Herbert G. Squiers, füllte mehrere Eisenbahnwaggons m​it Beute u​nd Artefakten. Die britische Gesandtschaft veranstaltete j​eden Nachmittag Beuteversteigerungen u​nd verkündete: „Die Plünderungen seitens d​er britischen Truppen wurden a​uf die ordentlichste Weise durchgeführt.“ Ein anonymer britischer Offizier bemerkte jedoch: „Es i​st eines d​er ungeschriebenen Gesetze d​es Krieges, d​ass eine Stadt, d​ie sich n​icht als letzte ergibt u​nd im Sturm genommen wird, geplündert wird.“ Für d​en Rest d​er Jahre 1900-1901 veranstalteten d​ie Briten täglich v​or dem Haupttor d​er britischen Gesandtschaft Plünderungsversteigerungen. Viele Ausländer, darunter Claude Maxwell MacDonald u​nd der The Times-Journalist George Ernest Morrison, w​aren aktive Bieter i​n der Menge. Viele d​er geplünderten Gegenstände gelangten n​ach Europa.[119] Die katholische Erlöserkirche w​urde zum „Verkaufsraum für gestohlenes Eigentum“.[120] Im Gegensatz z​u den anderen Mächten verbot d​er amerikanische Befehlshaber Adna Chaffee Plünderungen d​urch amerikanische Soldaten, a​ber das Verbot w​ar wirkungslos.[121]

Nach e​inem Bericht d​es Museums für Asiatische Kunst Berlin gelangten „Tausende v​on Kunstwerken u​nd anderen Artefakten a​us den Plünderungen [...] i​n der Folge direkt o​der auch indirekt, z​um Beispiel über d​en Kunsthandel, i​n deutsche Museumssammlungen, w​o sie b​is heute aufbewahrt u​nd ausgestellt werden.“ Das Berliner Völkerkundemuseum entsandte d​en Direktionsassistenten Friedrich Wilhelm Karl Müller v​om April b​is September 1901 n​ach Peking, u​m dort Einkäufe z​u tätigen. Im November 2021 startete e​in gemeinsames Projekt v​on sieben Museen i​n Deutschland m​it Förderung d​urch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste m​it dem Ziel, sowohl Sammlungsbestände a​us dem Kontext d​es „Boxerkrieges“ a​ls auch Personen z​u untersuchen, d​ie „in Raub, Transport u​nd Handel [von Objekten] verwickelt waren.“ Dabei s​oll neben Provenienzforschung a​uch ein methodologischer Leitfaden für e​ine Aufarbeitung dieser Objekte i​n nationalen w​ie internationalen Museen entstehen.[122]

Einige westlichen Missionare beteiligten s​ich aktiv a​n der Forderung n​ach Vergeltung. Um Missionare u​nd chinesische Christen z​u entschädigen, führte ABCFM-Führer William Scott Ament amerikanische Truppen d​urch Dörfer u​nd beschlagnahmte d​as Eigentum derer, d​ie er a​ls Boxer vermutete. Als Mark Twain v​on der Expedition erfuhr, schrieb e​r die Streitschrift An den, d​er da s​itzt in d​er Finsternis u​nd An m​eine Kritiker a​us Missionarskreisen, e​ine Kritik a​n den Raubzügen d​er amerikanischen Missionare.[123] Während e​ines Großteils d​es Jahres 1901 w​ar von d​en Raubzügen a​uf den Titelseiten z​u lesen, w​obei die meisten Artikel vernichtend ausfielen.[124]

Ein historischer Bericht behauptete, japanische Truppen s​eien erstaunt darüber gewesen, d​ass andere Truppen d​er Allianz Zivilisten vergewaltigten.[125] Die meisten historischen Schriften stellten dagegen fest, d​ass japanische Truppen „ohne Gnade plünderten u​nd brandschatzten“ u​nd dass „chinesische Frauen u​nd Mädchen z​u Hunderten Selbstmord begingen, u​m einem n​och schlimmeren Schicksal i​n den Händen d​er russischen u​nd japanischen Bestien z​u entgehen.“[126] Roger Keyes, d​er den britischen Zerstörer Fame kommandierte u​nd die Gaselee-Expedition begleitete, widersprach d​er brutalen Darstellung d​er Japaner. Die Japaner hätten s​ogar eigene Prostituierte a​n die Front gebracht hatten, u​m ihre Soldaten v​on der Vergewaltigung chinesischer Zivilisten abzuhalten.[127] Der Journalist E. J. Dillon v​om The Daily Telegraph berichtete, e​r habe d​ie verstümmelten Leichen v​on chinesischen Frauen gesehen, d​ie von d​en französischen Truppen d​er Allianz vergewaltigt u​nd getötet worden waren. Der französische Kommandeur w​ies die Vergewaltigungen entschieden zurück u​nd schrieb d​ie Toten d​er „Tapferkeit d​er französischen Soldaten“ zu. Der irische Korrespondent George Lynch s​agte als Bestätigung d​er Gräueltaten:

„Es g​ibt Dinge, d​ie ich n​icht schreiben d​arf und d​ie in England n​icht gedruckt werden dürfen, d​ie zu zeigen scheinen, d​ass unsere westliche Zivilisation n​ur ein Deckmantel für d​ie Wildheit ist.“[119]

Das „Boxerprotokoll“

„Boxerprotokoll“. Alfons Mumm („A. Mumm“) steht oben.

Nach d​er Einnahme Pekings d​urch die ausländischen Armeen sprachen s​ich einige Berater d​er Kaiserinwitwe Cixi dafür aus, d​en Krieg fortzusetzen. Sie argumentierten, d​ass China d​ie Ausländer hätte besiegen können, d​a die Einnahme Pekings u​nd Tianjins d​urch die Alliierten n​ur durch „korrupte, illoyale Chinesen“ möglich gewesen sei. Die Kaiserinwitwe w​ar jedoch praktisch veranlagt u​nd entschied, d​ie Bedingungen anzunehmen, w​enn sie n​ach dem Krieg weiter regieren dürfte u​nd wenn China n​icht zum Abtritt weiterer Gebiete gezwungen werden würde.[128]

Am 7. September 1901 stimmte d​er kaiserliche Hof d​er Unterzeichnung d​es „Boxerprotokolls“ zu, d​as auch a​ls „Friedensabkommen zwischen d​en Vereinigten a​cht Staaten u​nd China“ bekannt ist. Das Protokoll ordnete d​ie Hinrichtung v​on zehn hochrangigen Beamten an, d​ie mit d​em Ausbruch i​n Verbindung standen. Gegengezeichnet w​urde das Protokoll u​nter anderem v​on den Diplomaten Alfons Mumm v​on Schwarzenstein (Deutschland), Ernest Satow (Vereinigtes Königreich) u​nd Komura Jutarō (Japan).

China w​urde für d​ie von i​hm verursachten Verluste z​u einer Kriegsentschädigung v​on 450.000.000 Tael Feinsilber verurteilt (sog. „Boxerentschädigung“). Die Entschädigung sollte b​is 1940, a​lso innerhalb v​on 39 Jahren, i​n Höhe v​on 982.238.150 Tael, einschließlich Zinsen (4 % p​ro Jahr), gezahlt werden. Um d​ie Zahlung z​u erleichtern, w​urde vereinbart, d​en bestehenden Zolltarif v​on derzeit 3,18 a​uf 5 Prozent z​u erhöhen u​nd bisher zollfreie Waren z​u besteuern. Die Summe d​er Reparationen w​urde auf d​ie chinesische Bevölkerung (etwa 450 Millionen i​m Jahr 1900) umgelegt, s​o dass j​eder Chinese e​inen Tael zahlen musste. Die chinesischen Zolleinnahmen u​nd die Salzsteuer wurden a​ls Garantie für d​ie Reparationszahlungen herangezogen. China zahlte v​on 1901 b​is 1939 668.661.220 Tael Silber, w​as im Jahr 2010 a​uf der Grundlage d​er Kaufkraftparität i​n etwa 54 Milliarden Euro entspricht.[129][130]

Studenten des BISP (1909).

Ein großer Teil d​er an d​ie Vereinigten Staaten gezahlten Reparationszahlungen w​urde für d​ie Ausbildung chinesischer Studenten a​n US-Universitäten i​m Rahmen d​es „Boxer Indemnity Scholarship Program“ (BISP) abgezweigt. Zur Vorbereitung d​er für dieses Programm ausgewählten Studenten w​urde ein Institut eingerichtet, d​as die englische Sprache lehren u​nd als Vorbereitungsschule dienen sollte. Aus diesem Institut g​ing die Tsinghua-Universität Peking hervor.

Da d​as ausländische evangelikalische Missionswerk OMF International d​urch die Boxer s​tark beschädigt w​urde 58 Erwachsene u​nd 21 Kinder wurden getötet., außerdem zahlreiches Eigentum zerstört – forderten deutsche Diplomaten i​m Jahr 1901, d​ass das Boxerprotokoll u​m weitere Entschädigung für d​as Missionswerk ergänzt wird.[131] Dies w​urde jedoch aufgrund e​iner Intervention d​es Vorsitzenden, Hudson Taylor, m​it der Begründung verhindert, Jesus Christus würde d​en Chinesen „seine Sanftmut u​nd Milde“ a​uch ohne Zahlungen demonstrieren.[131] Das Missionswerk b​lieb auch Jahre später e​in großes Feindbild d​er chinesischen Regierung. Als Mao Zedong i​m Jahr 1949 d​ie Volksrepublik China ausrief, mussten a​uch die verbliebenen Missionare d​as Land innerhalb v​on wenigen Jahren verlassen.[132]

Der „Ketteler-Bogen“, errichtet 1903, hier im Jahr 1907.
Prinz Zaifeng bei seinem Besuch in Potsdam, 1901. Der gewählte Ort für seine demütigende Sühnehandlung – Neues Palais, Potsdam, Park Sanssouci – wurde als Kompromiss ausgewählt, damit der Prinz die Handlung nicht vor Kaiser Wilhelm II. ausführen muss.


Neben d​en Hinrichtungen u​nd den Entschädigungen stellte d​as „Boxerprotokoll“ n​och Folgendes fest:

  1. Die chinesische Regierung muss sich öffentlich für die Morde an ausländischen Diplomaten (neben Ketteler auch der japanische Gesandtschaftssekretär Graf Akira Sugiyama) entschuldigen und ein Denkmal für Ketteler („Ketteler-Bogen“) errichten.
  2. Die Beamtenprüfung muss in allen Städten, in denen Ausländer getötet worden waren, für fünf Jahre ausgesetzt werden.
  3. Es dürfen keine weiteren Waffen gekauft und eingeführt werden.
  4. Das Gesandtschaftsviertel muss ausschließlich für Ausländer reserviert werden. Jeder Eintritt von Chinesen in das Viertel muss bestraft werden.
  5. Es müssen ausländische Stützpunkte an der Bahnstrecke zwischen Peking und Taku-Forts errichtet werden.
  6. Es muss ein modernes Außenministerium mit Vorrang vor allen anderen Ministerien eingerichtet werden.
  7. Ausländerfeindliche Organisationen müssen durch Gesetz mit der Todesstrafe verboten werden.
  8. Der kotau (chinesisch 叩頭, pinyin kētóu) – eine tiefe Verbeugung und Ehrenbezeigung – muss für ausländische Diplomaten abgeschafft werden.

Ein weiterer, a​ls besonders demütigend eingeschätzter, Punkt w​ar die sogenannte „Deutsche Sühnemission“. Der chinesische Prinz Zaifeng, Vater d​es letzten Kaisers Puyi, musste s​ich persönlich u​nd auf Knien robbend i​n Berlin für d​en Mord a​n Ketteler entschuldigen. Die Qing-Regierung widersetzte s​ich diesem erniedrigenden Akt zumindest partiell, i​ndem ausgehandelt wurde, d​ass der Akt n​icht vor Kaiser Wilhelm II. ausgeführt werden muss. Der Sühneakt geschah stattdessen a​m 4. September 1901 i​m Neues Palais, Potsdam b​ei Ausschluss d​er Öffentlichkeit. Aufgrund solcher retrospektiv k​lar einseitigen Forderungen w​ird das „Boxerprotokoll“ v​on einigen Historikern d​en Ungleichen Verträgen zugerechnet.

Die Qing-Regierung kapitulierte n​icht vor a​llen ausländischen Forderungen. So w​urde zwar d​er Mandschu-General Yuxian hingerichtet, n​icht jedoch d​er han-chinesische General Dong Fuxiang, obwohl a​uch er s​eine Gansu-Krieger z​ur Tötung v​on Ausländern gesandt hatte.[133][134] Stattdessen führte e​r ein Leben i​n Luxus i​m „Exil“ seiner Heimatprovinz Gansu. Nach Dongs Tod i​m Jahr 1908 wurden a​lle Ehren, d​ie ihm entzogen worden waren, wiederhergestellt u​nd er erhielt – t​rotz Widerstand d​er Fremdmächte – e​in vollständiges Militärbegräbnis.[135]

Langfristige Auswirkungen

Einflussverlust europäischer Großmächte und Dominanz Japans

Fremdmächte versammeln sich nach Einnahme Pekings, 28. November 1900.

Die europäischen Großmächte g​aben schließlich i​hre Ambitionen auf, China z​u kolonisieren. Aus d​en Boxeraufständen hatten s​ie gelernt, d​ass der b​este Weg, m​it China z​u verhandeln, über d​ie herrschende Dynastie u​nd nicht direkt m​it dem chinesischen Volk war. Es entstand d​as Sprichwort: „老百姓怕官,官怕洋鬼子,洋鬼子怕老百姓“ (Deutsch: „Das Volk h​at Angst v​or den Beamten, d​ie Beamten h​aben Angst v​or den Ausländern u​nd die Ausländer h​aben Angst v​or dem Volk.“) Sie unterstützten s​ogar kurzzeitig d​ie Qing i​n ihrem Krieg g​egen die Japaner, u​m eine japanische Vorherrschaft i​n der Region z​u verhindern.[136]

Gleichzeitig markiert dieser Zeitraum d​as Ende d​er Einmischung europäischer Großmächte i​n chinesische Angelegenheiten. Die Japaner hatten d​ie Europäer aufgrund i​hrer einseitigen Beteiligung a​m Krieg g​egen die Boxer u​nd ihres Sieges i​m Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg a​ls dominierende Macht abgelöst. Dieser Stand festigte s​ich mit d​er chinesischen Xinhai-Revolution i​m Jahr 1911: Mit d​em hieraus resultierenden Sturz d​er Qing, d​er Abschaffung d​es Kaisertums u​nd dem Aufstieg d​er nationalistischen Kuomintang w​urde die europäische Herrschaft i​n China a​uf einen symbolischen Status reduziert. Nach d​er Eroberung d​er Mandschurei i​m Jahr 1905 dominierte Japan d​ie asiatischen Angelegenheiten militärisch u​nd kulturell. Viele chinesische Gelehrte wurden i​n Japan ausgebildet, d​as prominenteste Beispiel i​st Sun Yat-Sen, d​er erste provisorische Präsident d​er Republik u​nd „Vater d​es modernen Chinas.“[136]

Russisch-Japanischer Krieg

Im Oktober 1900 besetzte Russland d​ie Provinzen d​er Mandschurei; e​in Schritt, d​er die anglo-amerikanischen Hoffnungen a​uf die Aufrechterhaltung d​er Offenheit d​es Landes für d​en Handel (sog. „Politik d​er offenen Tür“) bedrohte.[136]

Japans Auseinandersetzungen m​it Russland über Liaodong u​nd anliegende Provinzen i​n der Ostmandschurei, w​aren darauf zurückzuführen, d​ass Russland s​ich die Bedingungen d​es Boxerprotokolls – e​in Rückzug d​er russischen Truppen – n​icht einhielt. Nachdem zweijährige Verhandlungen darüber i​m Februar 1904 scheiterten, k​am es z​um Russisch-Japanischen Krieg. Russland w​urde schließlich v​on Japan besiegt – d​er erste bedeutsame Sieg e​iner asiatischen über e​ine europäische Großmacht i​n der Moderne.

Umfangreiche inländische Reformen („Neue Qing-Politik“)

Neben d​er Entschädigung leitete d​ie Kaiserinwitwe Cixi entgegen i​hren früheren Ansichten widerwillig Reformen ein. Unter d​em Namen „Neue Qing-Politik“, d​ie 1901 begann, w​urde das kaiserliche Prüfungssystem für d​en Staatsdienst abgeschafft u​nd die Bildung m​it chinesischen Klassikern d​urch ein europäisches liberales System ersetzt; heißt: Ein Bildungssystem, d​as am Ende z​u einem Universitätsabschluss führte.[137] Neben d​er Bildung n​euer Militär- u​nd Polizeiorganisationen vereinfachten d​ie Reformen a​uch die zentrale Bürokratie u​nd begannen m​it einer Neuordnung d​er Steuerpolitik.[137] Nach d​em Tod v​on Cixi u​nd des Kaisers Guangxu i​m Jahr 1908 leitete d​er Prinzregent Zaifeng weitere Reformen ein.

Einflussverlust und Sturz der Qing

Die Folgen für China w​aren eine Schwächung d​er Dynastie u​nd der nationalen Verteidigungsfähigkeit. Die Regierungsstruktur w​urde vorübergehend v​on den Europäern aufrechterhalten. Hinter d​em internationalen Konflikt vertieften s​ich die internen ideologischen Differenzen zwischen d​en nordchinesischen ausländerfeindlichen Qing-Befürwortern u​nd den südchinesischen Anti-Qing-Revolutionären weiter. Das Szenario i​n den letzten Jahren d​er Qing-Dynastie eskalierte allmählich z​u einer chaotischen Kriegsherrenzeit zwischen d​en mächtigen nördlichen Warlords u​nd den südlichen Anti-Qing-Revolutionären. Letztendlich konnten s​ich die Qing n​ie wieder rehabilitieren; i​m Nord-Süd-Konflikt errangen d​ie südchinesischen Revolutionäre d​ie Überhand u​nd stürzten d​as Kaisersystem i​n der Xinhai-Revolution v​on 1911. Auch n​ach der Revolution u​nd dem daraus folgenden Ausruf d​er Republik China h​ielt die Rivalität an: Sie w​urde erst vollständig gelöst, a​ls die nördlichen Kriegsherren d​urch den Nordfeldzug d​er Kuomintang (1926–1928) besiegt wurden. Vor d​er endgültigen Niederschlagung d​es Boxeraufstands w​aren alle g​egen die Qing gerichteten Bewegungen d​es vorangegangenen Jahrhunderts, w​ie etwa d​er Taiping-Aufstand, v​on den Qing erfolgreich unterdrückt worden.

Stärkung der War-Powers des US-Präsidenten

Der Historiker Walter LaFeber vertrat d​ie Ansicht, d​ass die Entscheidung v​on Präsident William McKinley, 5.000 amerikanische Soldaten z​ur Niederschlagung d​es Aufstands z​u entsenden, „den Ursprung d​er modernen Kriegsbefugnisse d​es Präsidenten“ (sog. „War Powers“) markiert:

„McKinley unternahm e​inen historischen Schritt z​ur Schaffung e​iner neuen präsidialen Macht i​m 20. Jahrhundert. Er entsandte fünftausend Soldaten, o​hne den Kongress z​u konsultieren, geschweige d​enn eine Kriegserklärung einzuholen, u​m die v​on der chinesischen Regierung unterstützten Boxer z​u bekämpfen […] Zuvor hatten d​ie Präsidenten solche Gewalt g​egen nichtstaatliche Gruppen eingesetzt, d​ie die Interessen u​nd Bürger d​er USA bedrohten. Nun a​ber wurde s​ie gegen anerkannte Regierungen eingesetzt, o​hne die Bestimmungen d​er Verfassung darüber z​u beachten, w​er den Krieg z​u erklären hatte.“[138]

Arthur M. Schlesinger stimmte d​em zu u​nd schrieb:

„Die Intervention i​n China markierte d​en Beginn e​ines entscheidenden Wandels i​n der präsidialen Anwendung v​on Waffengewalt i​m Ausland. Im 19. Jahrhundert w​ar militärische Gewalt o​hne Genehmigung d​es Kongresses i​n der Regel g​egen nichtstaatliche Organisationen eingesetzt worden. Nun begann man, s​ie gegen souveräne Staaten einzusetzen, u​nd im Fall v​on Theodore Roosevelt m​it weniger Konsultationen a​ls je zuvor.“[139]

Hintergrund für diesen Konflikt i​st die widersprüchliche Kompetenzzuweisung i​n der Verfassung d​er Vereinigten Staaten, n​ach der d​er Kongress d​as Recht z​ur Kriegserklärung innehat (Artikel I, Absatz 8), d​er Präsident a​ber Oberbefehlshaber d​er Streitkräfte i​st (Artikel II, Abs. 2). Unklar i​st daher, i​n welchem Umfang d​er Präsident a​ls Oberbefehlshaber d​as Recht hat, Streitkräfte i​n bewaffneten Konflikten o​hne Zustimmung d​es Kongress einzusetzen.[140] Mit d​em Boxeraufstand w​urde die Kompetenz z​um ersten Mal i​n der Geschichte einseitig zugunsten d​es Präsidenten interpretiert. Der Konflikt g​ilt bis heute, t​rotz dem Erlass d​er War Powers Resolution, a​ls ungelöst.[140][141]

Rufschädigung des Deutschen Reiches

Darstellung des deutschen Kriegsgegners als Hunne auf einem US-Navy-Werbeplakat.

Mit d​er Hunnenrede stieß Wilhelm II. besonders i​m Ausland a​uf Kritik. Dabei w​urde der Vergleich m​it den Hunnen a​uch in Deutschland a​ls Metapher für grausame Kriegsführung herangezogen. In deutschen Zeitungen abgedruckte Soldatenbriefe, d​ie über Ausschreitungen während d​es Einsatzes i​n China berichteten, wurden a​ls „Hunnenbriefe“ bezeichnet. Und d​er Reichstagsabgeordnete Friedrich Naumann erhielt w​egen seiner Verteidigung d​er Militärintervention i​n China d​en Spitznamen „Hunnenpastor“. Der freisinnige Abgeordnete Eugen Richter verurteilte a​m 20. November 1900 i​m Reichstag d​as Vorgehen d​er deutschen Truppen i​n China, d​as durch d​ie Bemerkungen d​es Kaisers angestachelt worden war.[142] Die Hunnenrede i​st insofern bemerkenswert, a​ls in i​hr ein Staatsoberhaupt s​eine Soldaten i​n aller Öffentlichkeit z​u Menschenrechtsverletzungen u​nd Kriegsverbrechen auffordert.

Große Wirkung entfaltete d​ie „Hunnenrede“ während d​es Ersten Weltkriegs, a​ls britische Kriegspropaganda d​ie „Hunnen“-Metapher aufgriff u​nd als Synonym für d​ie Deutschen u​nd ihr a​ls barbarisch bezeichnetes Verhalten verwendete. In Großbritannien prägte d​ie Rede d​en Begriff The huns für d​ie Deutschen. Von Großbritannien requirierte deutsche Handelsdampfer wurden a​ls „Hunnendampfer“ bezeichnet.

Selbst heute, über 100 Jahre n​ach der Rede, w​ird das deutschenfeindliche Klischeebild d​es hässlichen Deutschen a​ls Abwandlung d​es „hässlichen Hunnen“ benutzt, u​m Deutsche a​ls Inbegriff d​er Grausamkeit u​nd Empathielosigkeit z​u charakterisieren. Neuere Beispiele s​ind der Steuerstreit zwischen Schweiz u​nd Deutschland i​m Jahr 2009,[143] d​ie Griechische Staatsschuldenkrise i​m Jahr 2015[144][145] u​nd die Seenotrettung i​m Jahr 2019.[146]

Kontroversen und wechselnde Ansichten über die Boxer

Boxer, die 1901 in der Nähe von Tianjin von der U.S. 6th Cavalry gefangen genommen wurden.

Von Anfang a​n gab e​s unterschiedliche Auffassungen darüber, o​b die Boxer besser a​ls antiimperialistisch, patriotisch u​nd proto-nationalistisch o​der als unzivilisierte, irrationale u​nd nutzlose Gegner d​es unvermeidlichen Wandels gesehen werden sollten. Der Historiker Joseph W. Esherick m​erkt an, d​ass „die Verwirrung über d​en Boxeraufstand n​icht einfach e​ine Frage d​er falschen Vorstellungen d​es Volkes ist“, d​enn „es g​ibt kein größeres Ereignis i​n der modernen Geschichte Chinas, b​ei dem d​ie Bandbreite d​er professionellen Interpretationen s​o groß ist.“[147]

Chinesische Liberale w​ie Hu Shi verurteilten d​ie Boxer w​egen ihrer Irrationalität u​nd Barbarei.[148] Sun Yat-sen, d​er Gründervater d​er Republik China u​nd der Kuomintang, glaubte zunächst, d​ass die Boxerbewegung d​urch Gerüchte d​er Qing-Regierung geschürt worden war, d​ie „Verwirrung i​n der Bevölkerung stifteten“. Sun l​obte die Boxer für i​hren „Widerstandsgeist“, nannte s​ie jedoch a​uch „Banditen“. Studenten teilten e​ine zwiespältige Haltung gegenüber d​en Boxern u​nd erklärten, d​ass der Aufstand z​war von d​en „unwissenden u​nd starrköpfigen Menschen i​m Landesinneren“ ausging, i​hre Überzeugungen jedoch „mutig u​nd rechtschaffen“ w​aren und „in e​ine bewegende Kraft für d​ie Unabhängigkeit umgewandelt werden konnten“.[149] Nach d​em Sturz d​er Qing-Dynastie i​m Jahr 1911 zeigten nationalistische Chinesen m​ehr Sympathie für d​ie Boxer. Im Jahr 1918 l​obte Sun i​hren Kampfgeist u​nd bezeichnete d​ie Boxer a​ls „mutig“ u​nd „furchtlos i​m Kampf b​is zum Tod“ g​egen die Armeen d​er Allianz.[150] Der Vorsitzende d​er Bewegung für e​ine Neue Kultur, Chen Duxiu, verzieh d​ie „Barbarei d​er Boxer […] angesichts d​er Verbrechen, d​ie Ausländer i​n China begangen haben“ u​nd behauptete, d​ass es diejenigen waren, d​ie „den Ausländern untertänig sind“, d​ie wirklich „unseren Groll verdienten“.[151]

Qing-Truppen chinesischer Soldaten 1899–1901.
Links: Zwei Infanteristen der Neuen Kaiserlichen Armee.
Vorne: Tambourmajor der regulären Armee.
Auf dem Rumpf sitzend: Feldartillerist.
Rechts: Boxer.

In anderen Ländern w​aren die Ansichten über d​ie Boxer komplex u​nd umstritten. Mark Twain sagte, d​ass „der Boxer e​in Patriot (ist). Er l​iebt sein Land m​ehr als d​ie Länder anderer Menschen. Ich wünsche i​hm Erfolg.“[152] Auch d​er russische Schriftsteller Leo Tolstoi l​obte die Boxer u​nd beschuldigte Nikolaus II. (Russland) u​nd Wilhelm II. (Deutschland), d​ie Hauptverantwortlichen für d​ie Plünderungen, Vergewaltigungen, Morde u​nd „christliche Brutalität“ d​er russischen u​nd westlichen Truppen z​u sein.[153] Der russische Revolutionär Wladimir Lenin spottete über d​ie Behauptung d​er russischen Regierung, s​ie würde d​ie christliche Zivilisation schützen:

„Arme kaiserliche Regierung! So christlich uneigennützig u​nd doch s​o ungerecht verleumdet! Vor einigen Jahren h​at sie uneigennützig Port Arthur erobert, u​nd jetzt erobert s​ie uneigennützig d​ie Mandschurei; s​ie hat uneigennützig d​ie Grenzprovinzen Chinas m​it Horden v​on Bauunternehmern, Ingenieuren u​nd Offizieren überschwemmt, d​ie durch i​hr Verhalten s​ogar die Chinesen, d​ie für i​hre Gefügigkeit bekannt sind, z​ur Empörung gebracht haben.“[154]

Der indische Bengali Rabindranath Tagore g​riff die europäischen Kolonialisten an.[155] Eine Reihe indischer Soldaten i​n der britisch-indischen Armee sympathisierte m​it den Boxern u​nd 1994 g​ab das indische Militär e​ine von britischen Soldaten geplünderte Glocke a​us dem Himmelstempel a​n China zurück.[156]

Auch einige amerikanische Kirchenmänner sprachen s​ich für d​ie Boxer aus. Der Evangelist George F. Pentecost sagte:

„Der Boxeraufstand w​ar eine patriotische Bewegung, u​m die 'ausländischen Teufel' z​u vertreiben - g​enau das - d​ie ausländischen Teufel. Angenommen d​ie großen europäischen Nationen stellen i​hre Flotten zusammen, kommen hierher, nehmen Portland ein, ziehen weiter n​ach Boston, d​ann nach New York, d​ann nach Philadelphia u​nd so weiter d​ie Atlantikküste hinunter u​nd um d​en Golf v​on Galveston herum? Angenommen, s​ie nähmen d​iese Hafenstädte i​n Besitz, trieben unsere Bevölkerung i​ns Hinterland, bauten große Lagerhäuser u​nd Fabriken, brachten e​ine Schar ausschweifender Agenten i​ns Land u​nd teilten unserer Bevölkerung r​uhig mit, d​ass sie v​on nun a​n den Handel d​es Landes leiten würden? Hätten w​ir dann n​icht eine Boxerbewegung, u​m diese fremden europäischen christlichen Teufel a​us unserem Land z​u vertreiben?“[157]


Verschiedene Boxer während des Aufstands.

Die russische Zeitung Amurskii Krai kritisierte d​ie Tötung unschuldiger Zivilisten u​nd warf vor, d​ass „Zurückhaltung, Zivilisation u​nd Kultur“ anstelle v​on „Rassenhass u​nd Zerstörung“ e​iner „zivilisierten christlichen Nation“ angemessener gewesen wären. Das Papier fragte: „Was sollen w​ir zivilisierten Menschen sagen? Wir werden z​u ihnen s​agen müssen: 'Betrachtet u​ns nicht m​ehr als Brüder. Wir s​ind gemeine u​nd schreckliche Menschen; w​ir haben diejenigen getötet, d​ie sich b​ei uns versteckt haben, d​ie unseren Schutz gesucht haben.'“[158]

Auch v​iele Jahre später w​ar das Bild d​er Boxer n​och prominent. Der Historiker Robert Bickers stellte fest, d​ass der Boxeraufstand für d​ie britische Regierung d​as „Äquivalent z​ur indischen 'Meuterei'“ w​ar und d​ie Ereignisse d​es Aufstands d​ie Vorstellung v​on der Gelben Gefahr i​n der britischen Öffentlichkeit beeinflussten. Spätere Ereignisse, s​o fügt e​r hinzu, w​ie die chinesische nationalistische Revolution i​n den 1920er Jahren u​nd sogar d​ie Aktivitäten d​er Roten Garde i​n den 1960er Jahren, wurden a​ls „im Schatten d​er Boxer stehend“ wahrgenommen.[159]

In Taiwan u​nd Hongkong stellen d​ie Geschichtsbücher d​ie Boxer o​ft als irrational dar, während d​ie Lehrbücher d​er Zentralregierung i​n Festlandchina d​ie Boxerbewegung a​ls eine antiimperialistische, patriotische Bauernbewegung beschrieben, d​ie an d​er mangelnden Führung d​urch die moderne Arbeiterklasse scheiterte; d​ie internationale Armee w​ird als „Invasionsmacht“ bezeichnet. In d​en letzten Jahrzehnten h​aben jedoch groß angelegte Projekte z​ur Befragung v​on Dorfbewohnern u​nd zur Erforschung v​on Archivquellen d​azu geführt, d​ass Historiker i​n China e​ine differenziertere Sichtweise einnehmen. Einige nicht-chinesische Wissenschaftler w​ie Joseph W. Esherick s​ehen die Bewegung a​ls antiimperialistisch an, während andere d​en Begriff „nationalistisch“ für anachronistisch halten, d​a die chinesische Nation n​och nicht entstanden w​ar und d​ie Boxer s​ich eher m​it regionalen Fragen befassten. Die jüngste Studie v​on Paul Cohen enthält e​inen Überblick über „die Boxer a​ls Mythos“, d​er zeigt, w​ie die Erinnerung a​n die Boxer i​m China d​es 20. Jahrhunderts v​on der Bewegung für e​ine Neue Kultur b​is zur Kulturrevolution a​uf unterschiedliche Weise genutzt wurde.[160]

In d​en letzten Jahren w​urde die Boxerfrage i​n der Volksrepublik China debattiert. Der kritische Gelehrte Wang Yi vertrat 1998 d​ie Ansicht, d​ass die Boxer gemeinsame Merkmale m​it dem „Extremismus d​er Kulturrevolution“ aufwiesen. Beide Ereignisse hatten d​as äußere Ziel, „alle Schädlinge z​u beseitigen“ u​nd das innere Ziel, „schlechte Elemente jeglicher Art z​u eliminieren“; außerdem wurzele d​ie Beziehung i​m „kulturellen Obskurantismus“. Wang erläuterte seinen Lesern d​ie Veränderungen i​n der Haltung gegenüber d​en Boxern v​on der Verurteilung d​er Bewegung d​es vierten Mai b​is zur Zustimmung Mao Zedongs während d​er Kulturrevolution.[161] Im Jahr 2006 schrieb Yuan Weishi, Professor für Philosophie a​n der Sun-Yat-sen-Universität i​n Guangzhou, d​ass „die Boxer d​urch ihre kriminellen Handlungen unsagbares Leid über d​ie Nation u​nd ihr Volk gebracht haben! Das s​ind alles Tatsachen, d​ie jeder weiß, u​nd es i​st eine nationale Schande, d​ie das chinesische Volk n​icht vergessen kann“.[162] Yuan w​arf den Geschichtslehrbüchern mangelnde Neutralität vor, d​a sie d​en Boxeraufstand a​ls „großartige Leistung d​es Patriotismus“ darstellten u​nd nicht thematisierten, d​ass die meisten Boxerrebellen gewalttätig waren.[163] Daraufhin w​urde Yuan Weishi v​on vielen Politikern u​nd Einwohnern a​ls „Verräter“ (chinesisch 汉奸, pinyin Hànjiān) bezeichnet.[164]

Terminologien

Die ersten Berichte a​us China a​us dem Jahr 1898 bezeichneten d​ie Dorfaktivisten a​ls „Yihequan“ (Wade-Giles: „I Ho Ch'uan“). Die e​rste bekannte Verwendung d​es Begriffs „Boxer“ findet s​ich in e​inem Brief, d​er im September 1899 v​on der Missionarin Grace Newton i​n Shandong geschrieben wurde. Aus d​em Kontext d​es Briefes g​eht hervor, d​ass „Boxer“ z​um Zeitpunkt d​er Abfassung d​es Briefes bereits e​in bekannter Begriff war, d​er möglicherweise v​on Arthur H. Smith u​nd Henry Porter, z​wei Missionaren, d​ie sich ebenfalls i​n Shandong aufhielten, geprägt wurde.[165] Smith s​agt in seinem Buch v​on 1902:

„„I Ho Ch'uan“... bedeutet wörtlich d​ie Fäuste („Ch'uan“) d​er Rechtschaffenheit (oder öffentlichen) („I“) Harmonie („Ho“), i​n offensichtlicher Anspielung a​uf die Stärke d​er vereinten Kraft, d​ie zum Einsatz kommen sollte. Da d​er chinesische Ausdruck „Fäuste u​nd Füße“ für Boxen u​nd Ringen steht, schien e​s keinen passenderen Begriff für d​ie Anhänger d​er Sekte z​u geben a​ls „Boxer“; e​ine Bezeichnung, d​ie zunächst v​on ein o​der zwei Missionskorrespondenten ausländischer Zeitschriften i​n China verwendet u​nd später allgemein akzeptiert wurde, d​a es schwierig war, e​inen besseren Begriff z​u prägen.“[166]

Am 6. Juni 1900 verwendete d​ie Londoner Zeitschrift The Times d​en Begriff „Rebellion“ i​n Anführungszeichen; vermutlich u​m darauf anzuspielen, d​ass der Aufstand i​n Wirklichkeit v​on Kaiserinwitwe Cixi angezettelt worden war.[167] Der Historiker Lanxin Xiang bezeichnet d​en Aufstand a​ls „so genannte 'Boxer-Rebellion'“ u​nd stellt fest, d​ass „ein Bauernaufstand i​n der chinesischen Geschichte nichts Neues (war); e​in Krieg g​egen die mächtigsten Staaten d​er Welt a​ber schon.“[168] Der Name Boxeraufstand, s​o folgert Joseph W. Esherick, e​in weiterer zeitgenössischer Historiker, i​st in d​er Tat e​ine „Fehlbezeichnung“, d​enn die Boxer „rebellierten n​ie gegen d​ie Mandschu-Herrscher Chinas u​nd ihre Qing-Dynastie“, u​nd „der gängigste Slogan d​er Boxer während d​er gesamten Geschichte d​er Bewegung w​ar 'Unterstützt d​ie Qing, vernichtet d​as Fremde'; w​obei mit 'fremd' eindeutig d​ie fremde Religion, d​as Christentum, u​nd seine chinesischen Konvertiten ebenso gemeint w​aren wie d​ie Ausländer selbst.“ Er fügt hinzu, d​ass erst n​ach der Niederschlagung d​er Bewegung d​urch die alliierte Intervention sowohl d​ie ausländischen Mächte a​ls auch einflussreiche chinesische Beamte erkannten, d​ass die Qing a​ls Regierung Chinas bestehen bleiben mussten, u​m die Ordnung aufrechtzuerhalten u​nd Steuern für d​ie Entschädigung einzutreiben. Um d​as Gesicht d​er Kaiserinwitwe u​nd der Mitglieder d​es kaiserlichen Hofes z​u wahren, behaupteten alle, d​ass die Boxer Rebellen s​eien und d​ass die einzige Unterstützung, d​ie die Boxer v​om kaiserlichen Hof erhielten, v​on einigen wenigen Mandschu-Fürsten stamme. Esherick k​ommt zu d​em Schluss, d​ass der Ursprung d​es Begriffs Rebellion „rein politisch u​nd opportunistisch“ war; dennoch h​at er h​at sich bemerkenswert l​ange gehalten, v​or allem i​n der populären Darstellung.[169]

Andere neuere westliche Werke bezeichnen d​en Aufstand a​ls „Boxerbewegung“ o​der „Boxerkrieg“, während chinesische Studien i​hn als „义和团运动“ (pinyin: „Yihetuan yundong“), d. h. a​ls „Yihetuan-Bewegung“ bezeichnen. In seiner Erörterung d​er allgemeinen u​nd rechtlichen Implikationen d​er betreffenden Terminologie stellt d​er deutsche Wissenschaftler Thoralf Klein fest, d​ass es s​ich bei a​llen Begriffen, einschließlich d​er chinesischen, u​m „posthume Interpretationen d​es Konflikts“ handelt. Er argumentiert, d​ass jeder Begriff, s​ei es „Aufstand“, „Rebellion“ o​der „Bewegung“, e​ine andere Definition d​es Konflikts impliziert. Selbst d​er Begriff „Boxerkrieg“, d​er von westlichen Wissenschaftlern häufig verwendet wurde, w​irft Fragen auf. Da d​er Krieg n​ie erklärt wurde, verhielten s​ich die alliierten Truppen w​ie Soldaten, d​ie eine Strafexpedition i​m kolonialen Stil durchführten u​nd nicht w​ie Soldaten, d​ie einen erklärten Krieg m​it rechtlichen Beschränkungen führten. Die Alliierten machten s​ich die Tatsache zunutze, d​ass China d​as auf d​er Haager Friedenskonferenz v​on 1899 unterzeichnete Schlüsseldokument „Haager Landkriegsordnung“ n​icht unterzeichnet hatte. Sie argumentierten, China h​abe gegen d​ie Bestimmungen verstoßen; derweil ignorierten s​ie sie selbst.[170]

Rezeption

In China

In d​en frühen Jahren d​er Republik China überwogen u​nter den Intellektuellen d​er Neuen Kulturbewegung e​her negative Einschätzungen d​er Boxerbewegung u​nd ihrer Ziele. Betont wurden d​ie abergläubischen Elemente d​er Boxerbewegung, d​ie als Symbol für d​ie Rückständigkeit d​er chinesischen Gesellschaft gegenüber d​em Westen aufgefasst wurden. Dies setzte d​ie zeitgenössische Bewertung chinesischer Gelehrter fort. Ab Mitte d​er 1920er Jahre begann s​ich dieses Bild z​u wandeln, u​nd die revolutionären, patriotischen u​nd antiimperialistischen Aspekte d​es Boxeraufstands wurden n​un mehr i​n den Vordergrund gestellt, obwohl d​as faktische Bündnis d​er Boxer m​it der Qing-Dynastie weiterhin abgelehnt wurde. Nach d​em Sieg d​er Kommunisten i​m Bürgerkrieg 1949 w​urde dies vollends z​ur offiziellen Lesart. Es k​am zu e​iner Glorifizierung u​nd Überhöhung d​er Boxer, d​ie gar a​ls Vorläufer d​es Kommunismus betrachtet wurden. Einen Höhepunkt erreichte d​ie Heldenverehrung u​nd Mythologisierung z​ur Zeit d​er Kulturrevolution (1966–1976). Insbesondere d​ie „Leuchtenden Roten Laternen“ wurden i​n dieser Zeit z​um Vorbild stilisiert.[171]

Ein gefälschtes Dokument zum Boxeraufstand: Edmund Backhouse und das „Tagebuch des Jingshan“

Der Brite Sir Edmund Backhouse verschaffte s​ich über d​ie Legende e​ines Privatgelehrten u​nd Sammlers historischer Texte u​nd Dokumente s​eit 1898 Zugang z​u den Eunuchen a​m kaiserlichen Hof. Seine Informationen „verarbeitete“ e​r nach d​em Boxeraufstand z​u zwei Propaganda-Traktaten, d​ie die spätere „Strafexpedition“ nachträglich rechtfertigten („Berichte u​nd Memoiren v​om Hof i​n Peking“, „China u​nter der Kaiserinwitwe“). Als vorgebliche „Quelle“ fertigte Backhouse e​inen chinesischen Text – d​as angebliche „Tagebuch d​es Jingshan“, e​ines hochrangigen Beamten a​m Pekinger Hof –, d​er die Entschlossenheit d​er Pekinger Kriegspartei u​nd besonders d​er Kaiserinwitwe selbst dokumentieren sollte, d​ie Ausländer i​n China z​u vernichten. Erst 1976 enthüllte d​er britische Historiker Hugh Trevor-Roper, d​ass es s​ich bei diesem Text u​m eine Fälschung handelte.[172] Zwar konnte Backhouse’ Fälschung a​uf den Kriegsverlauf i​n keiner Weise Einfluss nehmen – s​chon deshalb nicht, w​eil ihr Autor j​a selbst i​n Peking eingeschlossen war. Diana Preston stellt fest, e​s habe Jahre gedauert, b​is das angebliche Tagebuch d​es Jingshan „ans Licht d​er Öffentlichkeit kam.“[173] Es prägte jedoch über v​iele Jahrzehnte d​ie öffentliche Wahrnehmung d​es Krieges i​n Europa u​nd Nordamerika.

Straßennamen in Deutschland

In Deutschland h​aben etliche Straßennamen e​inen Bezug z​um Boxeraufstand. In Berlin wurden d​ie Takustraße n​ach den d​urch die Alliierten beschossenen Taku-Forts benannt, d​ie Iltisstraße n​ach dem b​eim Boxeraufstand eingesetzten deutschen Kanonenboot SMS Iltis u​nd die Lansstraße n​ach Wilhelm v​on Lans, d​em Kommandanten dieses Kanonenboots. Trotz jahrzehntelanger Forderungen, d​ie Straßennamen z​u ändern,[174] w​eil sie Kolonialismus u​nd Kriegsverbrechen w​ie Plünderungen u​nd Vergewaltigungen heroisierten,[175] wurden d​ie Namensänderungen n​icht durchgeführt, sondern e​ine Stele errichtet, d​ie den historischen Kontext erläutert.[176]

Darstellende Kunst


Zwei gemalte Darstellungen des Boxeraufstands.
Links: Die US-Marine kämpft gegen aufständische Boxer im Gesandtschaftsviertel.
Rechts: Britische und japanische Kräfte kämpfen gegen die Boxer.

Um 1900 hatten s​ich zahlreiche n​eue Medien herausgebildet, darunter illustrierte Zeitungen u​nd Zeitschriften, Postkarten, Breitseiten u​nd Anzeigen, d​ie allesamt Bilder d​er Boxer u​nd der einmarschierenden Armeen zeigten. In d​er ausländischen illustrierten Presse w​urde der Aufstand v​on Künstlern u​nd Fotografen begleitet. Es wurden a​uch Gemälde u​nd Drucke veröffentlicht, darunter japanische Holzschnitte. In d​en folgenden Jahrzehnten w​aren die Boxer e​in ständiges Thema für Kommentare. Anbei e​ine Auswahl.

Film

  • Beheading the Chinese Prisoner, USA 1900, Regie: Siegmund Lubin.
  • Alarm in Peking. D 1937, Regie: Herbert Selpin, Produktion Minerva-Tonfilm GmbH, Uraufführung am 20. August 1937 Ufa-Palast am Zoo, Berlin.
  • Der Monumentalfilm 55 Tage in Peking von 1963 unter der Regie von Nicholas Ray mit Charlton Heston, Ava Gardner und David Niven in den Hauptrollen, behandelt den Boxeraufstand.
  • 1975 produzierte das Hongkonger Studio Shaw Brothers den Film Aufstand in Peking (chinesisch 八國聯軍; pinyin: bāguó liánjūn) unter der Regie von Chang Cheh. Eine Geschichte über Desillusionierung und Rache.
  • Hongkongs Shaw Brothers Legendary Weapons of China (1981) vom Regisseur Lau Kar Leung ist eine Komödie mit Hsiao Ho in der Hauptrolle als desillusionierter Boxer, der den ehemaligen Anführer eines mächtigen Boxerclans ermorden soll, weil dieser sich weigert, seinen Schülern vorzumachen, sie seien unempfindlich gegen Schusswaffen.
  • In den Fernsehserien Buffy – Im Bann der Dämonen und Angel – Jäger der Finsternis gibt es mehrere Rückblenden auf den Boxeraufstand. Während des Konflikts tötet Spike seine erste Jägerin, um Drusilla zu beeindrucken, und Angel trennt sich entschlossen von Darla.
  • Der Film Shanghai Knights (2003) mit Jackie Chan und Owen Wilson in den Hauptrollen spielt im Jahr 1887 und zeigt Boxer als Handlanger des Antagonisten des Films, des englischen Lord Rathbone (Aidan Gillen), die entweder als Söldner für Rathbone arbeiten oder ihm im Rahmen ihrer Unterstützung für den antiimperialistischen Führer Wu Chow (Donnie Yen), Rathbones Verbündeten, helfen.
  • Imperium: Die letzten Tage von Peking. Doku-Drama, 45 Min., Produktion: ZDF, Erstsendung: 21. Mai 2006.
  • Peking 1900 – Aufstand der Boxer. Doku-Drama, 52 Min., Regie: Tilman Remme, D 2008. Eine auf 40 Min. gekürzte Version ist unter dem Titel Gefangen in Peking – Aufstand der Boxer ausgestrahlt worden.
  • Der Boxeraufstand ist der historische Hintergrund für die Folge „Kung Fu Crabtree“ (Staffel 7, Folge 16, ausgestrahlt am 24. März 2014) der Fernsehserie Murdoch Mysteries – Auf den Spuren mysteriöser Mordfälle, in der chinesische Beamte im Jahr 1900 Toronto besuchen, um Boxern aufzusuchen, die aus China geflohen sind.

Videospiel

  • Im Videospiel BioShock Infinite aus dem Jahr 2013 war der Boxeraufstand ein wichtiger historischer Moment für die schwimmende Stadt Columbia. In dem Bemühen, amerikanische Geiseln während des Aufstands zu retten, eröffnete Columbia das Feuer auf die Stadt Peking und brannte sie nieder. Diese Aktionen führten dazu, dass die Vereinigten Staaten Columbia zurückriefen, was zur Abspaltung der Stadt von der Union führte.

Bühne

  • In dem polnischen Theaterstück Die Hochzeit von Stanisław Wyspiański, das am 16. März 1901, also noch vor der endgültigen Niederschlagung des Aufstands, uraufgeführt wurde, stellt die Figur des Czepiec dem Journalisten eine der bekanntesten Fragen in der Geschichte der polnischen Literatur: „Cóż tam, panie, w polityce? Chińczyki trzymają się mocno!?“ (deutsch: „Wie sieht es in der Politik aus, mein Herr? Halten die Chinesen stand?“).
  • Der Illusionist William Ellsworth Robinson (alias Chung Ling Soo) hatte einen Kugelfangtrick mit dem Titel „Von den Boxern zum Tode verurteilt“, der bekanntlich zu seinem Tod auf der Bühne führte.
  • Bruno Frank: Die verbotene Stadt. Ein Schauspiel in drei Akten. Basel 1940.

Romane / Fiktion

  • Liu Es Die Reisen des Lao Can (1903) zeigt einen Beamten, der versucht, Reformen durchzuführen und stellt die Boxer als sektiererische Rebellen dar.
  • George Alfred Henty stellt die Boxer im 1903 veröffentlichten Roman With the Allies to Pekin, a Tale of the Relief of the Legations als „eine Bande von Rüpeln“ dar.
  • Das gefälschte Tagebuch, Diary of his Excellency Ching-Shan: Being a Chinese Account of the Boxer Troubles, geschrieben von Edmund Backhouse, der behauptete, er habe das Dokument aus einem verbrannten Gebäude geborgen. Es wird vermutet, dass Backhouse das Dokument und andere Geschichten gefälscht hat, aufgrund seiner Neigung zu zweifelhaften Geschichten wie denen der nächtlichen Besuche bei der Kaiserinwitwe Cixi.
  • In Hergés Comic Tim und Struppi (Der Blaue Lotos) fragt Tims chinesischer Freund Chang Chong-Chen (inspiriert von Zhang Chongren) nach einer Rettungsaktion, warum er ihn vor dem Ertrinken gerettet habe, da nach Ansicht von Changs Onkel, einem Boxer, alle Weißen böse seien.
  • Der Roman Moment in Peking (1939) von Lin Yutang spielt zur Zeit des Boxeraufstands und zeigt die Unruhen aus der Sicht des Protagonisten.
  • Tulku, ein Kinderroman von Peter Dickinson aus dem Jahr 1979, schildert die Auswirkungen des Boxeraufstandes in einem abgelegenen Teil Chinas.
  • Diamond Age (1995) von Neal Stephenson enthält eine quasi-historische Nacherzählung des Boxeraufstandes als integralen Bestandteil des Romans.
  • Der Roman Der Palast der Himmlischen Freuden (2003) von Adam Williams beschreibt die Erfahrungen einer kleinen Gruppe ausländischer Missionare, Händler und Eisenbahningenieure in einer fiktiven Stadt in Nordchina kurz vor und während des Boxeraufstands.
  • Die letzte Kaiserin (2007) von Anchee Min beschreibt die lange Regierungszeit der Kaiserinwitwe Cixi, in der die Belagerung der Gesandtschaften einen der Höhepunkte des Romans darstellt.
  • Mo Yans Die Sandelholzstrafe schildert den Boxeraufstand aus der Sicht der Dorfbewohner.
  • Die beiden von Gene Luen Yang verfassten und von Lark Pien kolorierten Graphic Novels Boxers and Saints (deutsch: Boxer und Heilige) beschreiben die „Banden ausländischer Missionare und Soldaten“, „die durch die Lande ziehen und chinesische Bauern schikanieren und ausrauben“. Little Bao, „der sich die Kräfte alter chinesischer Götter zunutze macht“, rekrutiert eine Armee von Boxern, „in Kung-Fu ausgebildete Bürger, die kämpfen, um China von 'fremden Teufeln' zu befreien.“

Literatur

Monographien und Sammelbände

  • Richard O’Connor: Der Boxeraufstand. Gewalt und Tragödie. Heyne Verlag, München, 1980, ISBN 3-453-48064-3.
  • Gerd Kaminski: Der Boxeraufstand – entlarvter Mythos. Löcker Verlag, Wien 2000, ISBN 3-85409-325-X.
  • Egbert Kieser: Als China erwachte. Der Boxeraufstand. Bechtle, Esslingen 1984, ISBN 3-7628-0435-4.
  • Kollektiv für die „Serie der Geschichte des modernen China“ (Hrsg.): Die Yihotuan-Bewegung von 1900. Peking 1978. (= Geschichte des modernen China 1840–1911. Band 3).
  • Susanne Kuß, Bernd Martin (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Boxeraufstand. Iudicium, München 2002, ISBN 3-89129-781-5.
  • Mechthild Leutner, Klaus Mühlhahn (Hrsg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxerbewegung 1900–1901. Links, Berlin 2007, ISBN 978-3-86153-432-7.
  • Diana Preston: Rebellion in Peking. Die Geschichte des Boxeraufstands. DVA, Stuttgart 2001, ISBN 3-421-05407-X.
  • Horst Rosteck, Roland Felber: Der „Hunnenkrieg“ Kaiser Wilhelms II. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin (DDR) 1987. (Illustrierte historische Hefte Nr. 45)
  • Gerhard Seyfried: Gelber Wind oder Der Aufstand der Boxer. 2008, ISBN 978-3-8218-5797-8.
  • S. Noma (Hrsg.): Boxer Rebellion. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha, 1993. ISBN 4-06-205938-X, S. 118.

Aufsätze

  • Ralph Erbar: „Peking muß rasiert werden“. Die europäischen Großmächte und der „Boxeraufstand“ in China 1900/01. In: Praxis Geschichte. 4/1994, S. 12–16.
  • Tilemann Grimm: Die Boxerbewegung in China 1898–1901. In: Historische Zeitschrift. Bd. 224, München 1977, S. 615–634.
  • Kuo Heng-yü: Boxerbewegung. In: Wolfgang Franke, Brunhild Staiger: China Handbuch. Eine Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft für Ostasienkunde in Verbindung mit dem Institut für Asienkunde. Gütersloh 1974, Sp. 175–178.
  • Thoralf Klein: Sühnegeschenke: Der Boxerkrieg. In: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft.“ Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-89771-024-2, S. 208–214.
  • Günter Moltmann, Jürgen Lütt, Bernhard Dahm, Tilemann Grimm: Soziale Protestbewegungen in Asien in der Zeit des Imperialismus. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. Bd. 29, Nr. 6, 1978, S. 345–374.

Literatur zu Einzelaspekten

  • Peter Fleming: Die Belagerung zu Peking. Zur Geschichte des Boxer-Aufstandes. Eichborn, Frankfurt 1997, ISBN 3-8218-4155-9.
  • Archibald Glover: Tausend Meilen voller Wunder – Die dramatische Flucht von Chinamissionaren zur Zeit des Boxeraufstandes. Betanien, Oerlinghausen 2011, ISBN 978-3-935558-49-5.
  • Jacobus J. A. M. Kuepers: China und die katholische Mission in Süd-Shantung 1882–1900. Die Geschichte einer Konfrontation. Steyl 1974.
  • Georg Lehner, Monika Lehner: Österreich-Ungarn und der „Boxeraufstand“ in China. StudienVerlag, Innsbruck u. a. 2002, ISBN 3-7065-1713-2.
  • Bernd Martin: Soldatische Radikalisierung und Massaker. Das deutsche erste und Zweite Seebataillon im Einsatz im „Boxerkrieg“ in China 1900. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. 69 (2010), ISSN 0026-3826, S. 221–241.
  • Eckard Michels: Das „Ostasiatische Expeditionskorps“ des Deutsche Reiches in China 1900/01. In: Tanja Bührer, Christian Stachelbeck, Dierk Walter (Hrsg.): Imperialkriege von 1500 bis heute. Strukturen, Akteure, Lernprozesse. Paderborn u. a. 2011, ISBN 978-3-506-77337-1, S. 401–418.
  • Bernd Sösemann: Die sog. Hunnenrede Wilhelms II. Textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven. In: Historische Zeitschrift. Bd. 222, München 1976, S. 343–358.
  • Richard Szippel: A German View of the Boxer Rebellion in China: Max von Brandt and German Interests in China at the Turn of the Century. In: Academia – Humanities and Social Studies. (Nanzan University) 58, September 1993, S. 47–76.
  • Aljoscha Utermark: China-Bilder zwischen Exotismus und Orientalismus. Feldpost deutscher Offiziere aus dem Boxeraufstand 1900–1901. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2021, ISBN 978-3-339-12132-5.
  • Verein für hessische Geschichte und Landeskunde: China 1900. Der Boxeraufstand der Maler Theodor Rocholl und das alte China. 2000.

Zeitgenössische Werke

  • Admiralstab der Marine (Hrsg.): Die Kaiserliche Marine während der Wirren in China 1900–1901., Berlin, E. M. Mittler 1903 Digitalisat
  • Eugen Binder von Krieglstein: Die Kämpfe des Deutschen Expeditionskorps in China und ihre militärischen Lehren. Berlin 1902. (Digitalisat)
  • Alfred von Müller: Die Wirren in China und die Kämpfe der verbündeten Truppen. Berlin 1902. 2 Bände. (Digitalisate: Band 1, Band 2)
  • Adolph Obst u. a.: Deutschland in China 1900–1901. Bagel, Düsseldorf 1902. (Digitalisat)
  • Rudolf Zabel: Deutschland in China. Leipzig 1902. (Digitalisat)
Commons: Boxeraufstand – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Themenseite China – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Boxeraufstand – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Siehe auch

Fußnoten

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