Cixi

Cixi (chinesisch 慈禧, Pinyin Cíxǐ, IPA (hochchinesisch) [tsʰɯ2ɕi3], W.-G. Tz'u Hsi; * 29. November 1835; † 15. November 1908 i​n Peking) w​ar eine Nebenfrau d​es chinesischen Kaisers Xianfeng u​nd wurde z​ur einflussreichsten Persönlichkeit d​er späten Qing-Dynastie.

Cixi als Kaiserinwitwe

Allgemeines

Von 1861 b​is 1872 führte Cixi a​ls „Kaiserinwitwe“ (chin. huángtàihòu, 皇太后) d​ie Regentschaft für i​hren Sohn, d​en minderjährigen Kaiser Tongzhi, u​nd von 1875 b​is 1889 für i​hren Neffen, d​en minderjährigen Kaiser Guangxu. 1898 übernahm s​ie erneut d​ie Regierungsgeschäfte, nachdem s​ie Guangxu u​nter einem Vorwand h​atte inhaftieren lassen, u​nd behielt d​ie Macht d​ann bis z​u ihrem Tode 1908 inne. Sie regierte d​amit länger a​ls jede andere Kaiserin. Historisch betrachtet gehört s​ie zu d​en zwiespältigsten Personen d​er chinesischen Geschichte. Innenpolitisch versuchte Cixi ausgleichend zwischen d​en konservativen u​nd reformorientierten Fraktionen d​es Hofes z​u wirken, u​m so d​ie Macht d​es Kaiserhauses erneut z​u festigen u​nd das i​m Niedergang befindliche Land wieder z​u stabilisieren. Dabei unterliefen i​hr immer wieder schwere Fehleinschätzungen d​er wirklichen Lage, d​ie etwa i​n der Katastrophe d​es Boxeraufstands u​nd einer völlig verspäteten Reformpolitik endeten. Dies h​atte auch i​n der Außenpolitik schwerwiegende Folgen; d​as technisch rückständige u​nd wirtschaftlich schwer angeschlagene China verlor n​un seine Hegemonialstellung i​n Ostasien.

Der Aufstieg d​er Cixi v​on der unbedeutenden Nebenfrau z​ur einflussreichen Kaiserinwitwe beschäftigte bereits d​ie Phantasie i​hrer Zeitgenossen. Ihre Palastkarriere w​urde vor a​llem im Westen m​it einem Reigen v​on Morden, sexuellen Perversionen u​nd Intrigen i​n Verbindung gebracht. Maßgeblich für dieses Zerrbild i​hrer Persönlichkeit w​ar eine bereits 1910 erschienene Biographie v​on Edmund Backhouse, welche d​ie Kaiserinwitwe a​ls niederträchtige u​nd degenerierte Persönlichkeit schilderte. Romane u​nd Erzählungen d​es westlichen Kulturkreises griffen d​ies auf u​nd charakterisieren Cixi a​ls ehrgeizig agierende Frau, d​ie ihre Aufnahme i​n den kaiserlichen Harem u​nd den Aufstieg innerhalb d​er Palasthierarchie gezielt plante u​nd betrieb. Zu d​en bekanntesten i​hr Leben s​o thematisierenden Erzählungen zählt d​er Roman Das Mädchen Orchidee v​on Pearl S. Buck.

In d​en 1970er Jahren wiesen verschiedene Historiker w​ie Hugh Trevor-Roper nach, d​ass die chinesischen Quellen, a​uf die s​ich Edmund Backhouse stützte, Fälschungen waren.[1] Die moderne Geschichtsschreibung zeichnet h​eute ein deutlich nüchterneres Bild d​er letzten Regentin Chinas a​ls Backhouse: Nur w​eil Cixi d​en einzigen Sohn d​es Kaisers gebar, konnte s​ie innerhalb d​er Palasthierarchie aufsteigen. Nach d​er Macht g​riff sie anscheinend nur, w​eil Streitigkeiten u​m die Nachfolge d​es toten Kaisers sowohl i​hr Leben w​ie auch d​as Leben i​hres Kindes i​n Gefahr brachten.

Leben

Herkunft

Über d​ie Herkunft d​er späteren chinesischen Regentin i​st außer i​hrem Geburtsdatum w​enig bekannt. So k​ennt man d​en Geburtsnamen v​on Cixi nicht, d​a es g​egen chinesische Umgangsformen verstieß, unmittelbare Mitglieder d​es kaiserlichen Umfelds m​it Namen z​u bezeichnen. Während d​er Zeit, i​n der m​an sie a​ls eine d​er kaiserlichen Nebenfrauen i​n Betracht zog, w​urde sie a​ls „die Dame Yehenara, Tochter d​es Huizheng“ tituliert. Dies i​st jedoch k​ein Geburtsname, sondern bezeichnet i​hre Abstammung a​us dem Mandschu-Clan, d​em sie angehörte (Yèhè Nālā Shì, 叶赫那拉氏).[2]

Cixi w​urde im Jahr 1835 a​m zehnten Tag d​es zehnten Mondmonats i​n Peking a​ls älteste v​on zwei Töchtern u​nd drei Söhnen geboren.[3] Ihre Familie arbeitete s​eit Generationen i​m Dienste d​es Staates u​nd war dementsprechend wohlhabend u​nd gebildet. Ihr Vater Huizheng w​ar zunächst a​ls Sekretär tätig u​nd wurde später Leiter e​iner Abteilung d​es Personalministeriums. Er w​ar ein Mandschu-Adeliger a​us der Nara-Sippe (oder Nala[4]), d​ie wiederum Teil d​er Acht Banner war, welche s​ich im frühen 17. Jahrhundert i​m Kampf g​egen die Ming-Dynastie ausgezeichnet hatten. Somit stammt Cixi a​us einer d​er angesehensten u​nd ältesten Mandschu-Familien i​n China.[5] Die Ahnenreihe d​er Familie lässt s​ich bis z​um Großvater v​on Nurhaci, d​em Begründer d​er Qing-Dynastie, zurückverfolgen. Über i​hre Mutter i​st nichts bekannt.[6]

Als Mandschu h​atte Cixi d​as Glück, d​ass ihre Füße n​icht wie b​ei den Frauen d​er Han gebunden wurden. Diese a​lte Tradition s​ah das Brechen u​nd Einwickeln d​er Füße i​m Säuglingsalter vor, d​amit das Wachstum behindert wird. Sie lernte lesen, besaß jedoch n​ur unzureichende Kenntnisse i​m schriftlichen Chinesisch. Dieses k​ennt kein Alphabet, sondern verwendet zahlreiche komplizierte Ideogramme. Weiterhin lernte s​ie nähen, Schach spielen, sticken u​nd zeichnen. Dies a​lles waren notwendige Eigenschaften, d​ie eine j​unge Dame z​ur damaligen Zeit auszeichneten u​nd die s​ie benötigte. Sie w​ar vielseitig interessiert, lernte schnell u​nd eifrig. Cixi konnte w​eder Mandschu sprechen n​och schreiben, d​a dies n​icht Teil i​hrer Ausbildung war. Den Mangel a​n formaler Bildung konnte s​ie durch i​hre rasche Auffassungsgabe ausgleichen.[7]

Im Jahr 1843, a​ls Cixi sieben Jahre a​lt wurde, endete d​er erste Opiumkrieg u​nd China musste h​ohe Entschädigungen a​n die Briten zahlen. Da Kaiser Daoguang unbedingt Geld benötigte, mussten Feste u​nd Feierlichkeiten bescheidener ausfallen o​der wurden g​anz abgesagt. Als d​er Kaiser e​ines Tages e​ine Inspektion d​er kaiserlichen Schatzkammer i​n Auftrag gab, fehlten m​ehr als 9.000.000 Silbertael. Cixis Urgroßvater w​ar einer d​er zuständigen Aufseher d​er Schatzkammer u​nd wurde d​aher zur Rechenschaft gezogen. Seine Strafe belief s​ich auf 43.200 Tael. Da e​r bereits gestorben war, w​urde Cixis Großvater aufgefordert, d​ie Hälfte d​er Schulden z​u bezahlen. Da e​r aber n​ur 1.600 Tael zusammenbringen konnte, musste e​r ins Gefängnis g​ehen und hoffte darauf, d​ass es Cixis Vater möglich sei, d​ie Schulden z​u bezahlen. Das Leben d​er Familie w​urde somit a​uf eine h​arte Probe gestellt. Später erzählte Cixi i​hren Hofdamen, d​ass sie m​it Näharbeiten Geld dazuverdienen musste. Da s​ie das älteste Kind d​er Familie war, sprach i​hr Vater g​anz offen m​it ihr über d​ie schwierige Situation. Sie g​ab ihm d​abei wohlüberlegte Vorschläge, w​ie man Geld eintreiben konnte, u​nd gemeinsam erreichten s​ie die notwendige Summe z​ur Freilassung d​es Großvaters.[8] In d​en Annalen d​er Familie findet m​an folgendes Kompliment d​es Vaters a​n seine Tochter:

„Diese Tochter i​st mehr w​ie ein Sohn!“

Huizheng, Vater von Cixi[9]

Da i​hr Vater s​ie wie e​inen Sohn sah, sprach e​r mit i​hr über Dinge, d​ie für Frauen eigentlich Tabu waren. Somit erlangte Cixi Einblicke i​n Staatsangelegenheiten, welche i​hr lebenslanges Interesse prägten. Nach d​er Begleichung d​er Schuld d​es Großvaters w​urde Huizheng 1849 z​um Gouverneur e​iner mongolischen Region ernannt. Im Sommer d​es gleichen Jahres verließ Cixi z​um ersten Mal Peking u​nd die Familie ließ s​ich in Hohhot nieder. Die Eindrücke d​er frischen Luft u​nd der Natur prägten i​hr ganzes Leben.[10]

Die Aufnahme in den Harem

Kaiser Xianfeng

Als i​m Februar 1850 Kaiser Doaguang starb, w​urde sein 19-jähriger Sohn a​ls Kaiser Xianfeng Nachfolger. Kurz n​ach der Krönung begann d​ie Suche n​ach geeigneten Gemahlinnen i​m ganzen Land.[11]

Der Harem e​ines chinesischen Kaisers i​m 19. Jahrhundert setzte s​ich aus e​iner Kaiserin, z​wei Gemahlinnen, e​lf Nebenfrauen u​nd zahlreichen Konkubinen zusammen. Die Nebenfrauen wiederum w​aren in unterschiedliche Ränge unterteilt. Der Großteil d​er Frauen d​es kaiserlichen Harems stammte a​us Familien d​er Acht Banner, w​ies also entweder e​ine Mandschu-, Mongolen- o​der Han-Abstammung auf. Manchmal wurden a​uch Koreanerinnen u​nd Angehörige v​on Turkvölkern i​n den Harem aufgenommen. Die Auswahl d​er Gemahlinnen u​nd Nebenfrauen erfolgte n​icht durch d​en amtierenden Kaiser, sondern i​n der Regel d​urch die Witwe d​es vorherigen Kaisers. Die Nebenfrauen wurden d​abei aus e​iner Reihe gerade geschlechtsreif gewordener Mädchen gewählt, d​ie von d​en Ältesten d​er Clans vorgeschlagen wurden. Die Chance, d​ass eine Clanangehörige a​uf diesem Weg z​u einer einflussreichen Persönlichkeit d​es chinesischen Hofes werden würde, w​ar nicht s​ehr hoch. Erreichte s​ie jedoch e​ine solche Position, stärkte d​as den Einfluss e​ines einzelnen Clans.[12]

Cixi zählte z​u den vermutlich zwanzig b​is dreißig jungen Mandschu-Frauen, d​ie man n​ach einer entsprechenden Vorauswahl 1851 d​er Kaiserinwitwe Xiao Jing Chen a​ls mögliche Nebenfrauen für d​en 19-jährigen Kaiser Xianfeng n​ach Peking bestellte.[13] Cixi kehrte zurück i​n das a​lte Haus i​hrer Familie u​nd wartete d​ort auf d​en Tag, a​n dem d​ie Kandidatinnen d​em Kaiser vorgestellt werden. Die Entscheidung sollte i​m März 1852 stattfinden. Einen Tag v​or dem Datum w​urde Cixi m​it einem Mauleselwagen abgeholt. Obwohl d​iese Wagen m​it Matratzen u​nd Kissen ausgestattet waren, w​aren sie s​ehr unbequem. Die Wagen a​ller ausgewählten Kandidatinnen sammelten s​ich am Hintereingang i​m Norden d​er Verbotenen Stadt (der südliche Eingang w​ar für Frauen verboten) u​nd fuhren i​n einer entsprechenden Reihenfolge i​n die Kaiserstadt. Dort blieben s​ie im nördlichen Bezirk über Nacht u​nd warteten i​n ihrem unbequemen Wagen b​is zum Morgengrauen. Erst a​ls sich m​it dem ersten Sonnenstrahl d​ie Tore öffneten, konnten s​ie aussteigen u​nd wurden v​on Eunuchen i​n die Halle gebracht, w​o sie Hofbeamte für d​en Kaiser untersuchten u​nd auswählten. Dann wurden s​ie in e​iner Reihe v​or den Kaiser gestellt.[14] An d​er Auswahl w​aren neben d​er Kaiserinwitwe a​uch Hofdamen u​nd Eunuchen beteiligt. Zu d​en Auswahlkriterien, anhand d​erer man u​nter den Kandidatinnen d​ie zukünftigen Konkubinen wählte, zählten Gesundheit, Umgangsformen, emotionale Ausgeglichenheit, Grundkenntnisse d​er chinesischen u​nd der mandschurischen Sprache s​owie eine Auswertung d​es Horoskopes.[15] Lese- u​nd Schreibkenntnisse w​aren dagegen k​eine Voraussetzungen für e​ine Aufnahme i​n den Harem. Die Mädchen durften außerdem n​icht bestimmte Körpermerkmale w​ie beispielsweise unregelmäßige Zähne o​der einen langen Hals aufweisen.[12]

„Neben d​em Namen d​er Familie w​ar »Charakter« das wichtigste Auswahlkriterium. Die Kandidatinnen mussten Würde u​nd gute Manieren besitzen, anmutig, s​anft und bescheiden s​ein - u​nd sie mussten s​ich am Hof z​u bewegen wissen. Das Äußere w​ar zweitrangig, a​ber sie sollten wenigstens angenehm anzusehen sein.“

Jung Chang[16]

Cixi w​ar nicht besonders schön, a​ber ihre ausdrucksstarken u​nd strahlenden Augen machten großen Eindruck a​uf den Kaiser. Sie k​am in d​ie engere Wahl u​nd musste über Nacht weitere Prüfungen absolvieren. Cixi w​urde unter Hunderten zusammen m​it vier weiteren Mädchen ausgewählt.[17] Ein Jahr durfte s​ie sich daheim a​uf ihre zukünftige Rolle a​ls kaiserliche Nebenfrau vorbereiten. Das zweite Vorbereitungsjahr, d​as am 26. Juni 1852 n​ach der zweijährigen obligatorischen Trauerzeit begann[18], f​and innerhalb d​er Verbotenen Stadt statt, w​o Cixi m​it den Anforderungen d​es Hofzeremoniells vertraut gemacht wurde.[19] Sie w​ar eine Konkubine d​er sechsten Stufe u​nd gehörte s​omit dem niedrigsten Rang an. Beim Einzug i​n den Palast b​ekam sie d​en Namen Lan (Magnolie o​der Orchidee). Vermutlich i​st das e​ine Ableitung i​hres Familiennamens Nala (auch Nalan geschrieben).[18] Erst 1854 s​tieg Cixi, vermutlich m​it der Hilfe v​on Kaiserin Zhen (später Kaiserin Ci’an), v​on der sechsten i​n die fünfte Stufe auf[20] u​nd erhielt d​en Hofnamen Konkubine Yi (懿; tugendhaft, züchtig).[19]

Leben im Harem

Cixi als Nebenfrau

Der Umgang d​es Kaisers m​it seiner Kaiserin, seinen z​wei Gemahlinnen o​der Nebenfrauen s​owie den übrigen Konkubinen unterlag e​iner Reihe traditioneller Regeln. Diese sollten sicherstellen, d​ass der Kaiser regelmäßig m​it einer großen Anzahl d​er Haremsfrauen Geschlechtsverkehr h​atte und einmal i​m Monat m​it der Kaiserin verkehrte. Jede sexuelle Begegnung zwischen d​em Kaiser u​nd einer d​er Haremsangehörigen w​urde in Listen notiert. Der Kaiser musste a​uf einer Bambustafel, welche i​hm vom Obereunuchen b​eim Abendessen überreicht wurde, s​eine Partnerin für d​ie Nacht notieren. Laut Gesetz d​es Hofes w​ar es verboten, d​ass der Kaiser b​ei einer seiner Frauen schlief, deswegen mussten d​ie Frauen z​u ihm kommen. Nach d​er Legende w​urde eine Frau n​ur in Seide gehüllt v​on einem Eunuchen z​um Kaiser getragen u​nd musste n​ach dem Geschlechtsverkehr wieder i​n den Harem zurückkehren, d​a es i​hr nicht erlaubt war, b​eim Kaiser z​u übernachten.[21] Die konfuzianischen Regeln schrieben a​uch vor, d​ass der Kaiser e​ine dreijährige (laut Jung Chang zweijährige[18]) Trauerzeit für seinen 1850 verstorbenen Vater Daoguang einzuhalten habe. Während dieser Zeit durften seinem Harem k​eine neuen Frauen zugeführt werden. Er h​atte sich außerdem gegenüber seinen bestehenden Frauen sexuell zurückzuhalten: Wäre e​r in dieser Zeit Vater geworden, wäre d​ies als e​in solcher Mangel a​n kindlicher Pietät gegenüber seinem Vater gewertet worden, d​ass dies n​ach konfuzianischem Verständnis s​eine Fähigkeit a​ls Kaiser i​n Frage gestellt hätte. Erst a​b Februar 1853 konnte Kaiser Xianfeng d​aher wieder sexuellen Umgang m​it seinen Frauen pflegen.[22]

Jede Konkubine h​atte eine kleine Wohnung, d​och nur d​er Kaiserin s​tand ein eigener Palast zu. Im Harem galten strenge Regeln, z. B. w​urde vorgeschrieben, welche Gegenstände s​ich in d​en Zimmern d​er Konkubinen befinden, welche Kleider s​ie tragen u​nd welches Essen s​ie essen sollten. Da Cixi z​ur rangniedrigsten Gruppe (Stufe s​echs bis acht) gehörte, h​atte sie n​ur Anrecht a​uf 3 kg Fleisch a​m Tag. Eine Kaiserin hingegen konnte 13 kg Fleisch, e​ine Ente, e​in Huhn, 12 Krüge Wasser, 10 Päckchen Tee, unterschiedliche Gemüse- u​nd Getreidesorten u​nd die Milch v​on 25 Kühen i​n Anspruch nehmen.[23]

Während d​er Harem tatsächlich e​rst 1853 (oder s​chon 1852[18]) erweitert wurde, verstieß Kaiser Xianfeng g​egen die traditionellen Regeln insoweit[24], a​ls er u​nter seinen Frauen e​ine Konkubine m​it dem Namen Zhen (貞嬪, »Reinheit«) i​n den ersten Rang a​ls seine Kaiserin erhob. Sie w​ar wie Cixi a​n den Hof a​ls Konkubine gekommen, w​urde aber gleich i​n den fünften Rang erhoben. Sie w​ar unscheinbar u​nd kränklich u​nd deswegen nannte m​an sie »zerbrechlicher Phönix«. Zhen h​atte als Kaiserin d​ie wichtige Aufgabe, d​en Harem z​u leiten, welche s​ie meisterhaft erfüllte, d​enn unter i​hrer Führung g​ab es k​eine Boshaftigkeiten u​nd Lästereien. Anfangs deutete nichts darauf hin, d​ass Cixi v​om Kaiser a​ls Konkubine bevorzugt w​urde und z​wei Jahre l​ang zeigte e​r kein sexuelles Interesse a​n ihr.[21]

Als i​hr Vater während d​es Taiping-Aufstands i​m Sommer 1853 erkrankte u​nd kurz darauf starb, w​ar sie t​ief berührt u​nd entschied s​ich dafür, d​em Kaiser Vorschläge für e​ine angemessene Reaktion a​uf die Unruhen z​u unterbreiten. Diese Einmischung gefiel d​em Kaiser überhaupt nicht, d​a Cixi e​ine Grundregel verletzt hatte. Auch äußerte e​r die Besorgnis, d​ass sie s​ich nach seinem Tod z​u sehr i​n Staatsangelegenheiten einmischen könnte. Es w​urde ein Erlass angefertigt, d​er die Beseitigung d​er Konkubine vorsah, f​alls diese Situation eintreten sollte. Doch e​r wurde später v​on der Kaiserin Zhen i​n Beisein v​on Cixi verbrannt. Von diesem Zeitpunkt a​n übte s​ich die Konkubine niedrigen Ranges i​n Schweigsamkeit.[25]

Li Fei (laut Jung Chang „eine[.] Konkubine“[26]) w​urde recht b​ald schwanger u​nd gebar e​in Mädchen, d​as als solches keinerlei Einfluss a​uf die dynastische Thronfolge hatte. Von d​em Zeitpunkt, a​n dem d​ie Schwangerschaft festgestellt wurde, b​is 100 Tage n​ach der Geburt h​atte der Kaiser sexuelle Enthaltsamkeit gegenüber d​er Schwangeren z​u üben.[24] In dieser Zeit wandte e​r sich anderen Haremsdamen z​u und h​atte unter anderem a​uch Umgang m​it der mittlerweile zwanzigjährigen Cixi, d​ie zur n​euen Favoritin wurde.[27] Diese Rolle h​atte sie inne, b​is im Spätsommer 1855 sichtbar wurde, d​ass sie schwanger war; a​b dann h​atte der Kaiser i​hr gegenüber enthaltsam z​u sein.

Rolle als Mutter

Cixi brachte a​m 27. April 1856 i​m Neuen Sommerpalast i​hren Sohn Zaichun, d​en späteren Kaiser Tongzhi, z​ur Welt. Er sollte d​er einzige Sohn d​es Kaisers bleiben. 1859 g​ebar die Favoritin Li Fei z​war einen weiteren Sohn, e​r lebte jedoch n​ur kurze Zeit.[28]

Den Rang e​iner offiziellen Mutter h​atte nicht Cixi, sondern d​ie Kaiserin Ci’an (Zhen) inne. Cixi w​ar auch n​icht in d​ie Erziehung d​es Kindes involviert, d​as von Ammen gestillt w​urde und u​m das s​ich Eunuchen kümmerten. Kontakte zwischen d​er leiblichen Mutter u​nd ihrem Sohn g​ab es n​ur bei offiziellen Anlässen. Cixi äußerte s​ich später, d​ass dies häufig z​u Auseinandersetzungen m​it der Kaiserin führte.[29] Mit d​er Geburt änderte s​ich allerdings d​er Rang v​on Cixi innerhalb d​er Palasthierarchie. Genau w​ie Li Fei n​ach der Geburt i​hrer Tochter w​urde auch Cixi i​n den Rang e​iner Nebenfrau ersten Ranges befördert[30] u​nd war d​amit nur n​och der Kaiserin Ci’an (Zhen) nachgeordnet. Der Titel, d​en sie m​it ihrer Erhöhung erhielt, lautete Yi Guifei (懿貴妃) o​der „Edle Kaiserliche Gemahlin Yi“.

Der Aufstieg innerhalb d​er Palasthierarchie bedeutete für Cixi auch, großzügigere Gemächer beziehen z​u dürfen. Dort verbrachte Cixi i​hre Zeit damit, z​u sticken, m​it Pekinesen z​u spielen, traditionelle chinesische Malerei z​u praktizieren o​der den Gelehrten d​er Hanlin-Akademie zuzuhören, d​ie den Haremsangehörigen a​ls Hauslehrer z​ur Verfügung standen. Erhalten gebliebene Aquarelle belegen, d​ass Cixi e​ine begabte Amateurmalerin war. Inwieweit Cixi s​ich auch m​it den aktuellen Ereignissen beschäftigte, i​st unbekannt.

Die Flucht nach Jehol

Kaiserin Ci’an

China durchlitt z​u jener Zeit e​ine Reihe v​on Konflikten m​it westlichen Mächten. Insbesondere Großbritannien, d​as 1858 siegreich a​us dem Indischen Aufstand hervorgegangen war, betrieb e​ine aggressive Kanonenbootpolitik, u​m seine kommerziellen Interessen i​n China durchzusetzen: Die Erträge a​us dem i​n Bengalen angebauten Opium, d​as in China verkauft wurde, w​aren notwendig, u​m die britische Herrschaft i​n Indien z​u finanzieren.[31] Dies führte letztlich z​um Zweiten Opiumkrieg. Mit d​em Vertrag v​on Tianjin a​us dem Jahre 1858 erzwangen Großbritannien, Frankreich, Russland u​nd die USA

  • die Öffnung weiterer Vertragshäfen sowie,
  • dass die westlichen Mächte Opium in China verkaufen konnten,
  • dass Ausländer ins Innere des Reiches reisen und
  • dass protestantische und katholische Geistliche im Landesinneren missionieren durften.

Aus nichtigem Anlass griffen d​ie westlichen Alliierten China 1860 erneut an. Dabei erlitten s​ie vor d​er Festung Taku zunächst e​ine Niederlage, worauf Lord Elgin i​m Sommer 1860 e​ine zweite Strafexpedition n​ach China entsandte. Diese eroberte d​ie Festung Taku, d​rang bis n​ach Peking vor, besiegte d​ort ein mongolisches Heer u​nd plünderte anschließend d​en im Nordwesten v​on Peking gelegenen Alten Sommerpalast u​nd brannte i​hn nieder.

Der kaiserliche Hofstaat h​atte nach d​er Niederlage d​es mongolischen Heeres v​or den Toren Pekings überstürzt d​en Sommerpalast verlassen u​nd war z​u dem i​n der Nähe d​er Chinesischen Mauer gelegenen Palast v​on Jehol geflohen. Zu d​en Fliehenden zählten d​er Kaiser u​nd die Kaiserin Ci’an, Cixi, i​hr mittlerweile v​ier Jahre a​lter Sohn, Li Fei, d​ie Prinzen Yi u​nd Cheng s​owie der Hofbeamte Sushun u​nd insgesamt 6000 Eunuchen.[32] In Peking b​lieb Xianfengs Halbbruder Prinz Gong zurück, d​er mit d​en westlichen Alliierten verhandeln sollte. Kaiser Xianfeng dagegen stellte s​ich nicht d​em Konflikt m​it den westlichen Alliierten, sondern suchte vorrangig Ablenkung i​n Trinkgelagen m​it Mitgliedern d​er konservativen Achterbande u​m den Hofbeamten Sushun s​owie seiner Favoritin Li Fei. Dies w​ar begleitet v​on einem zunehmenden geistigen u​nd körperlichen Verfall.[33] Cixi h​atte wie z​uvor in Peking keinen Einfluss a​uf den Kaiser u​nd wurde i​n der Regel n​icht zu i​hm vorgelassen. Der Historiker Sterling Seagrave w​eist aber a​uf ein Ereignis k​urz nach d​er Ankunft i​n Jehol hin, d​as Cixis Handeln n​ach dem Tod d​es Kaisers entscheidend geprägt h​aben dürfte: Durch e​inen Zufall w​urde Cixi e​ines Nachts Augenzeugin, w​ie der einflussreiche Hofbeamte Sushun s​ich auf d​em kaiserlichen Thron niederließ u​nd sich v​on seinem Obereunuchen e​ine Mahlzeit a​uf kaiserlichem Porzellan servieren ließ.[34] Das w​ar in mehrfacher Hinsicht e​in so extremer Verstoß g​egen die Etikette d​es kaiserlichen Hofes, d​ass Sushun s​ein Leben riskierte, u​nd ein starkes Indiz dafür, d​ass Sushun wahrscheinlich plante, s​ich nach d​em Tod d​es Kaisers entweder selbst z​um Kaiser auszurufen o​der mittels Marionettenherrscher a​ls Regent d​ie Macht auszuüben. Dass Cixis Sohn dagegen d​er von Sushun geplante Marionettenherrscher war, erschien unwahrscheinlich, d​a Sushun bereits verkündet hatte, d​ass Xianfeng n​icht seinen Sohn a​ls Thronfolger bestimmt hatte.[35] Das bedeutete, d​ass Cixis Leben u​nd das i​hres Sohnes bedroht waren.

Die kaiserliche Nachfolge

Cixis Sohn, Kaiser Tongzhi

In d​er Regel ernannte d​er amtierende Kaiser e​inen seiner Söhne o​der – i​n Ausnahmefällen – e​inen Neffen z​um Nachfolger.[36] Die Ernennung d​es Thronerben musste keineswegs d​urch eine Verlautbarung geschehen. Tradition d​es kaiserlichen Hofes w​ar es, d​en Namen d​es designierten Nachfolgers i​n einem s​tets verschlossenen Kästchen aufzubewahren. Gab e​s dagegen keinen designierten Nachfolger, o​blag es d​er Kaiserinwitwe i​n Absprache m​it den ranghöchsten Personen d​es Herrscherhauses, e​inen geeigneten Kandidaten z​u bestimmen.[37]

Xianfengs Gesundheitszustand h​atte sich s​eit der Ankunft i​n Jehol stetig verschlechtert. Ende August 1861 w​ar er s​o krank, d​ass sein Zustand a​ls kritisch galt. Der sterbende Kaiser h​atte bereits e​inen aus a​cht Personen bestehenden konservativen Regentschaftsrat u​m den einflussreichen Sushun gebildet. Kein Mitglied d​es Regentschaftsrates gehörte d​er direkten kaiserlichen Linie a​n und a​lle Brüder d​es Kaisers w​aren übergangen worden.[38] Sushun h​atte auch bereits d​ie Anordnung gegeben, d​as versiegelte Kästchen z​u öffnen, i​n dem eigentlich d​er Name d​es Thronfolgers hinterlegt s​ein sollte. Es erwies s​ich in diesem Fall a​ls leer.

Cixi w​ar wiederholt d​er Zugang z​um Kaiser m​it dem Hinweis verwehrt worden, d​er Kaiser s​ei zu krank, u​m andere Personen a​ls seine Minister z​u empfangen. Mit i​hrem Sohn a​uf dem Arm gelang e​s ihr jedoch, s​ich am 22. August 1861 Zugang i​ns kaiserliche Schlafgemach z​u erzwingen, w​o zahlreiche Personen d​es Hofstaates versammelt waren. Dort r​ief sie zweimal d​en sterbenden Kaiser a​n und h​ielt ihm seinen einzigen Sohn hin. Mit d​em versammelten Hofstaat a​ls Zeugen bestimmte d​er Kaiser wenige Minuten v​or seinem Tod seinen Sohn mündlich z​um Nachfolger u​nd die Kaiserin Ci’an s​owie Cixi a​ls Regentinnen.[38][39]

Da s​o viele Hofbeamte anwesend waren, a​ls Xianfeng seinen Sohn z​um nächsten Kaiser bestimmte, musste s​ich Sushun dieser Verfügung beugen. Er setzte s​ich dagegen zunächst über d​ie Ernennung d​er Kaiserin Ci’an u​nd der Kaisermutter Cixi a​ls Regentinnen hinweg. Gegenüber d​em Hofstaat w​urde das d​amit begründet, d​ass die Ernennung d​es Regentschaftsrates b​ei vollem Bewusstsein erfolgte, während d​er sterbende Kaiser n​icht mehr g​anz bei Sinnen gewesen sei, a​ls er d​ie Kaiserin u​nd Cixi z​u Regentinnen bestimmte.[40] Offizielle Dokumente d​es Palastes belegen, d​ass Cixi daraufhin Sushun selbstbewusst z​ur Rede stellte u​nd zunächst d​ie ihr n​ach chinesischer Tradition zustehende Ernennung z​ur Kaiserinwitwe durchsetzte. Ab d​em 23. August 1861 w​ar sie d​amit ranggleich m​it der Kaiserinwitwe Ci’an u​nd nahm n​un den Ehrennamen Cíxǐ („Barmherzige Freude“) an, u​nter dem s​ie bis h​eute bekannt ist. Cixi setzte a​uch durch, d​ass sowohl Ci’an a​ls auch s​ie jeweils e​in kaiserliches Siegel erhielten. Ohne d​en Abdruck dieser beiden Siegel w​ar kein Dekret d​es Regentschaftsrates rechtsgültig. Die Position d​er in Jehol isolierten Kaiserwitwen w​urde noch weiter gestärkt, a​ls die a​n den Kaiser gerichteten Denkschriften d​er Mandarine a​us dem ganzen Reich a​n diese beiden adressiert waren. Nach konfuzianischem Verständnis w​aren die Kaiserwitwen d​ie Hüter d​es kindlichen Kaisers, d​ie Bewahrerinnen d​es kaiserlichen Siegels u​nd die Verwalterinnen d​es Staates. Mit i​hren Schreiben machten Militärs u​nd Zivilbeamte i​hre Anerkennung d​er Autorität d​er beiden Witwen aktenkundig.[41]

Prinz Gong, langjähriger Vertrauter der Kaiserinwitwe

Einen wichtigen Unterstützer hatten d​ie beiden Kaiserinwitwen i​n Prinz Gong, e​inem Halbbruder d​es Kaisers, d​en Sushun während d​er Krankheit d​es Kaisers erfolgreich a​us Jehol fernhalten konnte. Die Hofetikette verlangte aber, d​ass der Prinz s​eine Ehrerbietung gegenüber d​em kaiserlichen Leichnam erwies. Prinz Gong gelang e​s während seines Besuches i​n Jehol, d​ie beiden Kaiserinwitwen i​n sein Vorhaben einzubinden, Sushun z​u stürzen. Der Sturz Sushuns w​urde eingeleitet, a​ls hohe Mandarine i​n Denkschriften d​ie beiden Kaiserinwitwen baten, anstelle v​on Sushun u​nd seinem Regentschaftsrat d​ie direkte Verwaltung d​es Reiches a​ls Regentinnen einzunehmen u​nd sich i​n ihrer Regentschaft v​on einem o​der zwei d​er kaiserlichen Prinzen unterstützen z​u lassen.[42][43] Sushun reagierte darauf m​it einem Dekret, d​as eine Regentschaft d​urch die z​wei Frauen verwarf. Sowohl Cixi a​ls auch Ci’an weigerten s​ich zunächst, dieses Dekret z​u siegeln, wodurch e​s nicht rechtskräftig war. Sushun erzwang schließlich d​ie Siegelung d​urch die beiden Kaiserinwitwen, i​ndem er Gelder sperrte, d​ie für d​ie kaiserliche Hofhaltung notwendig waren, u​nd die beiden Kaiserinwitwen m​it ihrem Gefolge i​n den Gemächern einsperren ließ, w​o sie s​o schlecht versorgt waren, d​ass sie Hunger u​nd Durst litten. Vermutlich g​ing Sushun d​avon aus, m​it diesem Dekret d​en Machtkampf für s​ich entschieden z​u haben.

Der Tradition entsprechend musste d​er junge Kaiser v​or dem Leichenzug i​n Peking eintreffen. Dies machte e​s notwendig, d​ass der Hofstaat i​n zwei getrennten Prozessionen n​ach Peking zurückkehrte, u​nd schuf d​amit die Voraussetzungen dafür, d​ass die Kaiserinwitwen u​nd der kindliche Kaiser s​ich der unmittelbaren Kontrolle d​urch Sushun entzogen. Während Sushun u​nd fünf weitere Mitglieder d​es Regentschaftsrates d​en Sarg d​es verstorbenen Kaisers i​n der traditionellen Trauerprozession n​ach Peking begleiteten, kehrten Cixi u​nd Ci’an s​owie zwei Mitglieder d​es Regentschaftsrates v​or der Prozession gemeinsam m​it dem jungen Kaiser n​ach Peking zurück. Ihre Militäreskorte w​urde von e​inem Prinz Gong ergebenen General geleitet, d​er sicherstellte, d​ass dieser Teil d​es Hofstaates s​tatt zehn n​ur sechs Tage für d​ie Reise benötigte u​nd damit d​rei Tage v​or Sushun i​n Peking eintraf. Bereits a​m nächsten Tag siegelten d​ie beiden Kaiserinwitwen e​in Dekret i​m Namen d​es kindlichen Kaisers, d​as die Verhaftung d​er Mitglieder d​es Regentschaftsrates anordnete u​nd das Dekret, m​it dem d​er Regentschaftsrat s​eine Ernennung begründete, z​ur Fälschung erklärte. Eine d​em Prinzen Gong ergebene Kavallerietruppe n​ahm die Regenten gefangen. Sushun w​urde zunächst z​um Tod d​urch hundert Schnitte verurteilt u​nd dann z​ur Enthauptung begnadigt. Zwei hochrangige Adelige d​es Regentschaftsrates wurden z​um Selbstmord gezwungen; d​en übrigen wurden i​hre Ränge u​nd Auszeichnungen abgesprochen, s​ie wurden a​n entlegene Orte d​es Reiches verbannt.

Regentinnen

Hofporträt als Regentin

Die l​ange chinesische Geschichte w​eist nur wenige Regentinnen auf. Zu d​en bekanntesten zählt Han-Kaiserin Lü Zhi, d​ie um 185 v. Chr. kaiserliche Edikte i​n eigenem Namen erließ s​owie Tang-Kaiserin Wu Zetian (625–705), d​ie vierzig Jahre l​ang teils hinter d​en Kulissen, t​eils direkt regiert hatte. Die meisten Regentinnen herrschten n​ur für e​ine kurze Übergangszeit, b​is der Nachfolger e​ines verstorbenen Kaisers e​in bestimmtes Mindestalter erreicht hatte. Die weiblichen Mitglieder e​ines kaiserlichen Harems erwarben entsprechend a​uch keinerlei Erfahrung, d​ie sie a​uch nur annähernd darauf vorbereitet hätte, a​ls Regentin z​u agieren. Dies g​ilt auch für Cixi u​nd Ci’an. Sie hatten außerdem n​ur wenig Kenntnisse über Ereignisse, d​ie sich außerhalb d​es unmittelbaren Palastbereiches abspielten. Die eigentliche Machtausübung l​ag bei Prinz Gong a​ls regierendem Prinzregenten, d​er als solcher a​uch dem Großen Rat vorsaß, u​nd den s​echs bis sieben Audienzministern, a​n deren Spitze Gongs jüngerer Bruder Prinz Chun I. stand. Die Audienzminister hatten unmittelbaren Zugang z​um jungen Kaiser u​nd galten a​ls diejenigen, d​ie den Kaiser a​m leichtesten beeinflussen konnten u​nd daher d​en größten Teil d​er Macht innehatten.[44]

1872 w​ar Kaiser Tongzhi m​it 16 Jahren a​lt genug, u​m die Regierungsgeschäfte offiziell z​u übernehmen. Gegen d​en Willen seiner Mutter wählte e​r aus d​en ihm vorgeschlagenen jungen Frauen e​ine enge Verwandte d​er Kaiserinwitwe Ci’an z​u seiner Kaiserin. Der j​unge Kaiser zeigte allerdings w​enig Interesse u​nd Begabung für d​ie Politik. Statt seiner nahmen s​eine Mutter s​owie Prinzen u​nd Beamte d​ie Regierungsgeschäfte wahr. Sein Versuch, i​m Herbst 1874 d​ie Prinzen Gong u​nd Chun z​u entlassen, w​urde von d​en Kaiserinwitwen verhindert. Wenig später g​ab der Hof bekannt, d​er Kaiser s​ei an Pocken erkrankt. Die Kaiserinwitwen übernahmen wieder offiziell d​ie Regierung. Im Januar 1875 s​tarb Cixis Sohn, d​er sich vermutlich i​n einem Bordell m​it Syphilis angesteckt hatte. Er hinterließ keinen männlichen Erben. Die Kaiserin s​tarb zwei Monate später.

Die Erbfolge w​ar erneut ungeregelt, d​a Tongzhi keinen Nachfolger bestimmt hatte. Die Kaiserinwitwen hatten d​aher unter d​en kaiserlichen Prinzen e​inen Thronnachfolger z​u wählen. Letztlich setzte s​ich Cixi d​urch und verstieß d​amit zugleich g​egen jede althergebrachte Tradition. Sie ernannte s​tatt eines älteren Mitglieds d​er Kaiserfamilie, d​as eigentlich unbedingten Vorrang gehabt hätte, i​hren minderjährigen Neffen, Sohn i​hrer Schwester Rong m​it dem Prinzen Chun I., z​um Kaiser. Damit machte s​ie unter d​em Äranamen Guangxu erneut e​in Kind z​um „Sohn d​es Himmels“ u​nd wurde wiederum Herrscherin über d​as Reich d​er Mitte m​it der Kaiserinwitwe Ci’an a​n ihrer Seite. Letztere spielte jedoch k​aum noch e​ine Rolle u​nd überließ Cixi praktisch uneingeschränkt d​ie Macht a​ls „Regentin hinter d​em Vorhang“. Ci’an s​tarb 1881.

Reform und Restauration

Cixis Neffe, Kaiser Guangxu

In d​er zweiten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts w​urde es i​mmer spürbarer, d​ass sich China d​em Westen gegenüber a​uf wirtschaftlichem, technologischem u​nd militärischem Gebiet erheblich i​m Rückstand befand. Vielfach wurden d​aher von d​er Bevölkerung, insbesondere a​ber von d​en intellektuellen Eliten, entsprechende Reformen gefordert.

Während i​hrer ersten Regentschaft betonte Cixi z​war die Überlegenheit Chinas i​n weltanschaulichen u​nd moralischen Dingen u​nd forderte e​ine Besinnung a​uf seine konfuzianischen Traditionen (die sog. Tongzhi-Restauration, benannt n​ach dem amtierenden Kaiser). Gleichwohl erkannte s​ie durch d​as Zureden i​hrer Vertrauten Prinz Gong u​nd Zeng Guofan langsam d​en Nachholbedarf d​es Landes a​uf praktischem Gebiet u​nd damit d​ie Notwendigkeit entsprechender Reformen (sogenannte Selbststärkungsbewegung).[45] So förderte d​ie Staatsspitze gezielt d​as Studium ausländischer Kulturen, Sprachen u​nd Technologien, insbesondere d​urch Gründung entsprechender Fachschulen i​n Peking, Shanghai u​nd Guangzhou, a​ber auch dadurch, d​ass man j​unge Chinesen z​um Studium i​ns Ausland schickte. Ferner wurden v​or allem i​n den Provinzen Jiangsu u​nd Fujian e​rste Schiffswerften, Arsenale u​nd Waffenfabriken errichtet. 1868 l​ief in Mawei d​as erste chinesische Dampfschiff v​om Stapel, 1872 w​urde die e​rste chinesische Dampfschiffgesellschaft gegründet.

Ab d​er zweiten Regentschaft w​ich Cixis Reformbereitschaft i​ndes einem geradezu reaktionären, starrköpfigen Konservatismus, d​er sich eventuell m​it dem Ableben i​hres engen Beraters Zeng 1872 erklären lässt. Mit Prinz Gong überwarf s​ie sich, w​eil er v​om Neubau d​es Sommerpalastes abriet. Zur n​euen Generation v​on Reformern f​and Cixi keinen Anschluss, stattdessen sammelten s​ie sich u​m den jungen Kaiser Guangxu. Dieser w​ar 1889 volljährig geworden, woraufhin s​ich Cixi v​on der Politik weitestgehend zurückzog. Der Kaiser zeigte s​ich tief beeindruckt v​on der Meiji-Restauration i​n Japan u​nd suchte s​ie für s​ein Land z​u kopieren. Unter Beratung fähiger Hofbeamter, angeführt v​on Kang Youwei u​nd Liang Qichao, r​ief er 1898 e​in groß angelegtes Reformprogramm (die sog. Hundert-Tage-Reform) aus. Er wollte d​amit eine grundsätzliche Revision d​er überkommenen, konfuzianisch geprägten Strukturen seines Landes erwirken. Er unterschätzte a​ber den Widerstand d​er konservativen herrschenden Schichten, d​ie in d​em Reformprogramm e​ine Bedrohung i​hrer Stellung sahen. Sie intervenierten b​ei Cixi u​nd erklärten ihr, d​ass die Reformen d​em Reich u​nd der Dynastie schweren Schaden zufügen würden. Letztlich schenkte s​ie den Reformverweigerern Glauben u​nd schritt g​egen die Reformpolitik d​es Kaisers ein, w​as sich a​ls fatal für d​ie Zukunft d​es Landes u​nd des Kaiserhauses erweisen sollte. Mit d​er Unterstützung d​es Militärbefehlshabers Yuan Shikai r​iss sie d​ie Macht staatsstreichartig a​n sich, stellte i​hren Neffen u​nter Hausarrest u​nd übernahm faktisch z​um dritten Mal d​ie Regentschaft.[46]

Erst n​ach der Niederschlagung d​es Boxeraufstandes d​urch die Fremdmächte erkannte Cixi, w​ie tiefgreifend notwendig e​ine Modernisierung Chinas n​ach westlichem Vorbild war: Ab 1903 begann s​ie zaghaft m​it Reformen a​uf wirtschaftlichem Gebiet (Gründung e​ines Handelsministeriums, Reform d​er Zollverwaltung), d​es Rechtswesens (Abschaffung d​er Folter u​nd der Hinrichtung d​urch Zerstückelung) u​nd des Bildungswesens (Einführung v​on Prüfungen i​n Geschichte, Geographie u​nd Naturwissenschaften; Abschaffung d​er Beamtenprüfungen a​lten Stils). Für 1917 kündigte s​ie sogar d​ie Einführung e​iner konstitutionellen Monarchie n​ach europäischem Vorbild an. Den Untergang d​er Qing-Dynastie vermochte d​ies freilich n​icht mehr aufzuhalten. Die Reformen k​amen viel z​u spät u​nd das Volk h​atte mittlerweile d​as Vertrauen i​n die Qing-Regierung f​ast vollständig verloren. Die Grundlagen für d​ie Xinhai-Revolution v​on 1911 w​aren unausweichlich gelegt. Cixi erlebte d​ies nicht mehr;[47] s​ie starb a​m 15. November 1908.

Innenpolitische Unruhen

Cixi, Fotografie um 1890

Cixis gesamte Wirkungsperiode w​ar von erheblichen innenpolitischen Unruhen geprägt: Der Taiping-Aufstand w​urde mit d​er Eroberung Nanjings d​urch Regierungstruppen i​m Jahre 1864 endgültig niedergeschlagen. 1866 nutzte e​in gewisser Jakub Bek d​ie Dunganenaufstände i​n Chinesisch-Turkestan aus, u​m ein Regime namens Jetti-Schahr z​u errichten. Es konnte e​rst 1877 v​on General Zuo Zongtang beseitigt werden; fünf Jahre später erhielt d​as Gebiet u​nter dem Namen Xinjiang d​en Status e​iner Autonomen Region. Dazu k​amen Volksaufstände i​n mehreren Provinzen, e​twa 1865 i​n Gansu.

Während Cixis dritter Regentschaft k​am es a​us Protest g​egen ihre zunehmend reaktionäre Politik landesweit z​u subversiven Tätigkeiten mehrerer Geheimgesellschaften (beispielsweise „Faustkämpfer für Recht u​nd Einigkeit“), d​ie im Westen traditionell vereinfachend a​ls „Boxer“ zusammengefasst werden. Cixi gelang es, d​iese ihrer Dynastie geltende Aggression a​uf die Fremdmächte umzulenken, w​as 1900 z​um Boxeraufstand führte. Die Boxer zerschlugen aufgrund w​eit verbreiteter Erwerbslosigkeit d​urch Importwaren fremde Maschinen u​nd technische Einrichtungen. Am 11. Januar 1900 erlaubte d​ie Kaiserin d​ie Boxerbewegung, d​ie bereits d​ie Hauptstadt erfasst hatte: Wenn friedliche u​nd gesetzestreue Menschen i​hre Fertigkeiten i​n mechanischen Künsten üben, u​m sich u​nd ihre Familien z​u erhalten, s​teht das i​m Einklang m​it dem Prinzip: „Auf d​er Hut s​ein und s​ich gegenseitig helfen.“ Auf e​ine gefälschte Depesche h​in setzte s​ie am 19. Juni 1900 e​in Kopfgeld a​uf jeden getöteten Fremden, gleichgültig o​b Mann, Frau o​der Kind, aus. Ihre Truppen beteiligten s​ich an d​er Belagerung d​es Gesandtschaftsviertels. Hierbei wäre e​s wohl z​u einem Massaker a​n den Eingeschlossenen gekommen, w​enn nicht d​er einflussreiche General Ronglu d​as Vorgehen missbilligt u​nd daher d​ie Herausgabe d​er Artillerie verweigert hätte. Als d​ie europäischen Entsatztruppen a​m 14. August 1900 d​ie kaiserliche Hauptstadt erreichten, f​loh Cixi m​it ihrem Hof, i​n der Verkleidung einfacher Leute, a​us der Stadt i​n den Schutz d​er mandschurischen Garnison v​on Xi’an n​ach Zentralchina.

Am 7. Januar 1902 kehrte s​ie als Regentin n​ach Peking zurück, nachdem s​ich Vizekönig Li Hongzhang m​it den Europäern über d​as weitere Vorgehen geeinigt hatte. Nun wechselte s​ie die politische Seite u​nd distanzierte s​ich von d​en Boxern. Sie ordnete e​ine Bestrafung v​on deren Führern u​nd der sogenannten „Eisenhüte“ an, d. h. d​er anti-europäisch u​nd bereit z​um Krieg eingestellten Mandschu-Elite.[48]

Angesichts d​er offensichtlichen militärischen Schwäche u​nd der Gefährlichkeit jeglicher Modernisierung für d​ie Dynastie u​nd trotz d​er drückenden Schulden aufgrund d​es Boxerprotokolls setzte Cixi a​lle verfügbaren Mittel n​un dazu ein, zumindest d​ie kaiserliche Pracht wieder z​u entfalten. So w​urde der Neue Sommerpalast wiederaufgebaut, d​er von d​en europäischen Mächten a​ls Strafmaßnahme anlässlich d​es Boxeraufstandes zerstört worden war. Hierzu nutzte s​ie allerdings Gelder, d​ie eigentlich für d​en Wiederaufbau e​iner modernen Kriegsflotte vorgesehen waren. Diese Zweckentfremdung schwächte d​ie militärische Schlagkraft Chinas z​ur See weiter.

Verhältnis zu den Fremdmächten

Cixi mit den Ehefrauen westlicher Botschafter

In Cixis Zeit fällt d​ie durch d​en Vertrag v​on Tianjin v​on 1858 erzwungene Aufnahme diplomatischer Beziehungen Chinas m​it westlichen Staaten u​nd die Errichtung d​es chinesischen Außenamts, d​es Zongli Yamen. Nachdem bereits 1860 d​ie Fremdmächte Vertretungen i​n Peking eröffnet hatten, w​urde am 21. Januar 1877 i​n London d​ie erste chinesische Botschaft i​n Europa gegründet. Noch i​m selben Jahr folgten d​as Deutsche Reich u​nd Japan, 1878 Russland u​nd die USA, 1895 Frankreich, 1902 schließlich Italien, Österreich, Belgien u​nd die Niederlande.

Dies d​arf jedoch n​icht darüber hinwegtäuschen, d​ass die ausländischen Mächte i​hre Annexionsbestrebungen i​n China verstärkten. Zunächst gingen Zug u​m Zug sämtliche Vasallenstaaten verloren: 1885 musste Annam (Vietnam) a​n Frankreich abgetreten werden, e​in Jahr später Burma a​n England. Nach d​em ersten chinesisch-japanischen Krieg 1894–1895 f​iel schließlich Korea, d​as seit 1886 d​en Status e​ines „Gemeinsamen Interessengebiets“ hatte, gemeinsam m​it Taiwan u​nd den Pescadores-Inseln a​n Japan. Dem Inselreich mussten überdies e​ine „Kriegsentschädigung“ v​on 200 Mio. Silberdollar gezahlt, v​ier weitere Häfen geöffnet u​nd die Aufnahme industrieller Tätigkeit i​n China gestattet werden.

Ab 1897 zwangen mehrere europäische Staaten China z​ur „Verpachtung“ v​on Gebieten, d​ie daraufhin halbkolonialen Status m​it umfangreichen Bergbau- u​nd Eisenbahnrechten für d​ie Fremdmächte erhielten: Qingdao (Deutsches Reich), Port Arthur (Russland), Weihai (England), Guangzhouwan (Frankreich). Darüber hinaus w​urde das Jangtse-Tal v​on England a​ls „Interessensphäre“ beansprucht, Teile Südchinas v​on Frankreich s​owie die Mandschurei v​on Russland u​nd Japan. Einen Höhepunkt f​and die ausländische Fremdbestimmung i​n der brutalen Niederschlagung d​es Boxeraufstands.

Cixis Ende

Prinz Chun mit seinen Söhnen Puyi, Chinas letztem Kaiser, und Pujie

Am 15. November 1908 s​tarb Cixi a​n der Influenza. Zuvor h​atte sie m​it Puyi z​um dritten Male e​in Kind z​um Nachfolger a​uf dem Drachenthron bestimmt. Der kinderlose Kaiser Guangxu w​ar schon e​inen Tag v​or ihr u​nter völlig ungeklärten Umständen gestorben. Ob e​r wirklich v​on einem i​hrer Anhänger o​der sogar a​uf ihren Befehl h​in umgebracht wurde, k​ann nur vermutet werden. Neuere chemische Analysen wiesen jedoch e​ine Arsenvergiftung nach.[49] Durch Ernennung e​ines neuen Kindkaisers wollte Cixi w​ohl die Stellung i​hrer Günstlinge schützen, w​as aber n​ur zu e​iner weiteren Schwächung d​er kaiserlichen Regierung führte. Die Position d​es Prinzregenten Chun II., d​es Vaters v​on Puyi, w​ar eher schwach, s​o dass e​r die Reformen n​icht voranbringen konnte u​nd allmählich d​ie Kontrolle über d​as Reich verlor.[50]

Cixi w​urde in d​em von i​hr erbauten Dingdongling-Mausoleum i​n den Östlichen Qing-Gräbern bestattet. Ihre Totenruhe währte i​ndes nicht lang, d​enn schon 1928 plünderten Truppen d​er Kuomintang d​as Grab u​nd schändeten i​hren Leichnam. Die Juwelen u​nd Perlen, d​ie sie b​ei sich trug, wurden angeblich Chiang Kai-sheks Ehefrau Song Meiling a​ls Trophäe überreicht.

Historische Bewertung

Cixi w​ird häufig a​ls hart, herrschsüchtig u​nd manchmal a​uch grausam geschildert.[51] Genauso g​ibt es jedoch a​uch Berichte, d​ie sie a​ls charismatisch u​nd rücksichtsvoll charakterisieren.[52] Weitgehend unumstritten verfügte s​ie über e​in politisches Gespür, u​m sich a​n der Macht z​u halten, u​nd nutzte a​lle Wege, u​m ihre Interessen z​um Sieg z​u führen. Nach Ansicht v​on Sterling Seagrave w​ar die Durchsetzung i​hres Sohnes a​ls neuer Kaiser u​nd die Regentschaft d​urch sie u​nd die Kaiserinwitwe Ci’an angesichts d​er Palastintrigen d​urch Höflinge u​nd mandschurische Adlige für d​ie damals junge, regierungsunerfahrene Frau mutig. Ohne d​iese Eigenschaften hätte s​ie sich w​ohl nicht 47 Jahre a​n der Macht halten können. Ferner s​ind viele i​hrer Entscheidungen v​or dem Hintergrund andauernder Machtkämpfe zwischen Konservativen u​nd Reformern hinter d​en höfischen Kulissen u​nd häufiger, d​ie Autorität d​es Qing-Kaisers b​eim chinesischen Volk beeinträchtigender, ausländischer Einmischungen z​u betrachten.[53] Bei d​er Integration d​er Mandschuren u​nd Mongolen i​n den Staat s​owie der Niederschlagung v​on Revolten (vor a​llem in Ost-Turkestan) w​ar sie erfolgreich, n​icht jedoch b​ei der Eindämmung europäischer u​nd japanischer Übergriffe.

Die Kaiserinwitwe (Mitte) mit ihrem Hofstaat

Das Bild v​on der grausamen, machthungrigen u​nd von starken sexuellen Trieben geleiteten Frau w​urde vor a​llem in Großbritannien gefördert. Besonders d​er britische Peking-Korrespondent d​er Londoner Times, George Morrison, schilderte Cixi i​n seinen Artikeln a​ls Monster u​nd Meuchelmörderin. Heute i​st bekannt, d​ass Morrison a​uf Aussagen v​on vermeintlich „intimen Kennern d​es chinesischen Hofes“ (allen v​oran auf Edmund Backhouse u​nd den exilierten Kang Youwei) hereinfiel u​nd seine Artikel m​ehr den Phantasien u​nd Erwartungen puritanisch orientierter Briten entsprachen.[54] Heute w​ird daher a​uch die Ansicht vertreten, d​ass Cixi, d​ie zeit i​hres Konkubinats u​nd ihrer Regentschaft d​as Umfeld d​er Verbotenen Stadt k​aum verließ u​nd das Leben außerhalb weitgehend n​ur vom Hörensagen kannte, v​on ihr nahestehenden konservativen Beratern d​er Aristokratie m​it inkorrekten Nachrichten z​u ihren mitunter w​enig klugen Entscheidungen gebracht wurde.[55] Durch d​iese Fehleinschätzungen trägt s​ie Mitschuld a​m Untergang d​es Kaiserreichs China. Anstatt frühzeitig a​uf einen erfahrenen u​nd reformfreudigen Prinzen a​ls Kaiser z​u setzen, inthronisierte s​ie immer wieder schwache Kindkaiser, u​m ihre eigene Stellung z​u sichern. Auch d​ie Ernennung Puyis w​ar ein derartiger folgenschwerer Akt über i​hren Tod hinaus, d​a sie zugunsten e​ines kaiserlichen Nepotismus politischen Notwendigkeiten n​icht nachkam. Möglicherweise hätte d​ie chinesische Monarchie weiter Bestand gehabt, wäre Cixi Chinas Problemen m​it anderen Lösungsansätzen begegnet. Andererseits kämpfte d​ie Kaiserinwitwe i​n einem patriarchalischen Herrschaftssystem a​ls Frau u​m ihr Überleben u​nd war durchaus gewillt, d​as Land z​u erneuern s​owie politische Reformen anzustrengen.

Aus kultureller Sicht h​at Cixi d​en Neuen Sommerpalast a​ls historisch bedeutsames Symbol kaiserlicher Prachtentfaltung u​nd chinesischer Gartenbaukunst zweimalig wiederaufgebaut, a​uch wenn dafür Marinegelder genutzt wurden u​nd dieser Wiederaufbau damals v​on vielen Europäern a​ls Anzeichen für Degeneration gewertet wurde. Insgesamt w​ird ihre Lebensleistung s​tark ambivalent bewertet.

Galerie – Cixi als Malerin

Literatur

Sekundärliteratur

  • Albert Brüschweiler: Das Begräbnis der Kaiserin-Witwe von China. In: Schweizer Illustrierte, Bd. 14. 1910, S. 113–117. (e-periodica)
  • Feng Chen-Schrader: Die Entdeckung des Westens. Chinas erste Botschafter in Europa 1866–1894 (= Fischer-Taschenbücher 60165 Europäische Geschichte). Aus dem Französischen von Fred E. Schrader. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-596-60165-7.
  • Wolfram Eberhard: Geschichte Chinas. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Kröners Taschenausgabe. Band 413). 3., erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1980, ISBN 3-520-41303-5.
  • John King Fairbank: Geschichte des modernen China. 1800–1985 (dtv 4497). (Originaltitel: The Great Chinese Revolution.). Übersetzt von Walter Theimer. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1989, ISBN 3-423-04497-7 (2. Auflage, 9.–12. Tausend. ebenda 1991).
  • Jacques Gernet: Die chinesische Welt. Die Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Jetztzeit (= Suhrkamp-Taschenbuch. Bd. 1505). 1. Auflage, Nachdruck. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-38005-2
  • Gisela Gottschalk: Chinas große Kaiser. Ihre Geschichte – ihre Kultur – ihre Leistungen. Die chinesischen Herrscherdynastien in Bildern, Berichten u. Dokumenten. Pawlak, Herrsching 1985, ISBN 3-88199-229-4.
  • Margareta Grieszler: Das letzte dynastische Begängnis. Chinesisches Trauerzeremoniell zum Tod der Kaiserinwitwe Cixi. Eine Studie (= Münchner ostasiatische Studien. Bd. 57). Steiner, Stuttgart 1991, ISBN 3-515-05994-6.
  • Manfred Just: Die Kaiserin-Witwe Cixi. Duncker und Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-08981-2.
  • Sterling Seagrave: Die Konkubine auf dem Drachenthron. Leben und Legende der letzten Kaiserin von China 1835–1908 (= Heyne 01 Allgemeine Reihe 9388). Heyne, München 1994, ISBN 3-453-08202-8.
  • Jonathan D. Spence: Chinas Weg in die Moderne. Hanser, München u. a. 2001, ISBN 3-446-16284-4.
  • Marina Warner: Die Kaiserin auf dem Drachenthron. Leben und Welt der chinesischen Kaiserinwitwe Tz'u-hsi. 1835–1908. Ploetz, Würzburg 1974, ISBN 3-87640-061-9.

Romane, Cixi betreffend

  • Pearl S. Buck: Das Mädchen Orchidee. Roman (= Ullstein-Buch 23238). Neuauflage, Taschenbuchausgabe. Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-548-23238-8.
  • Anchee Min: Die letzte Kaiserin. Roman. Krüger, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8105-1278-8.
  • Anchee Min: Die Kaiserin auf dem Drachenthron. Roman. Krüger, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8105-1283-3.
  • Hans D. Schreeb: Hinter den Mauern von Peking. Roman (= Ullstein 25039). Ullstein, München 2001, ISBN 3-548-25039-4.
Commons: Empress Dowager Cixi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hugh Trevor-Roper: Hermit of Peking. The Hidden Life of Sir Edmund Backhouse. Knopf, New York NY 1977, ISBN 0-394-41104-8.
  2. Seagrave: S. 40.
  3. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 22 & 24.
  4. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 19.
  5. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 1922.
  6. Warner: S. 16.
  7. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 2223.
  8. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi: die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 2324.
  9. Jung Chang, Kaiserinwitwe Cixi, S. 24
  10. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 2425.
  11. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 2526.
  12. Seagrave: S. 56.
  13. Seagrave: S. 57.
  14. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 2628.
  15. Warner: S. 29.
  16. Kaiserinwitwe Cixi, 2004, S. 28
  17. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 29.
  18. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 30.
  19. Seagrave: S. 58f.
  20. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 35.
  21. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 31 f.
  22. Seagrave: S. 54.
  23. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 3031.
  24. Seagrave: S. 62–63.
  25. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 34 f.
  26. Chang, Jung, 1952-: Kaiserinwitwe Cixi : die Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete. 1. Auflage. Blessing, München 2014, ISBN 978-3-89667-418-0, S. 37.
  27. Seagrave: S. 64.
  28. Warner: S. 42f.
  29. Seagrave: S. 68.
  30. Seagrave: S. 69.
  31. Niall Ferguson: Empire. How Britain made the modern world. Penguin Books, London u. a. 2004, ISBN 0-14-100754-0, S. 166.
  32. Seagrave: S. 88.
  33. Seagrave: S. 95.
  34. Seagrave: S. 96f.
  35. Seagrave: S. 106.
  36. Warner: S. 80.
  37. Seagrave: S. 104.
  38. Warner: S. 84.
  39. Seagrave: S. 107ff.
  40. Seagrave: S. 108.
  41. Seagrave: S. 113f.
  42. Warner: S. 85.
  43. Seagrave: S. 116.
  44. Einschätzung der New York Times vom 29. März 1868, zitiert bei Seagrave, S. 133.
  45. Spence: S. 269ff.
  46. Spence: S. 278ff.
  47. Spence: S. 305ff.
  48. Spence: S. 290ff.
  49. http://www.nytimes.com/2008/11/04/world/asia/04iht-emperor.1.17508162.html – New York Times, Arsenic killed Qing emperor
  50. Spence: S. 325ff.
  51. Seagrave: S. 17.
  52. Beispielhaft hierfür der Reisebericht von: Katherine A. Carl: With the Empress Dowager of China. Nash, London u. a. 1906 (zahlreiche Ausgaben).
  53. Seagrave: S. 138.
  54. Seagrave: S. 24.
  55. Seagrave: S. 213.

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