Ludger Volmer

Ausbildung und Beruf

Nach dem Abitur 1971 am humanistischen Schalker Gymnasium Gelsenkirchen absolvierte Volmer ein Studium der Sozialwissenschaften, der Pädagogik und der Philosophie in Bochum und Gießen, welches er 1978 an der Ruhr-Universität Bochum als Diplom-Sozialwissenschaftler abschloss. Er unterbrach das Studium für seinen Zivildienst im Krankenhaus. Nach dem Studium war er beruflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität, in der Wohnumfeldplanung beim Kommunalverband Ruhrgebiet, in der Erwachsenenbildung bei der Volkshochschule Gelsenkirchen und in der empirischen Sozialforschung tätig. 1998 wurde er bei Wilhelm Bleek an der Ruhr-Universität Bochum mit der Arbeit Die Grünen und die Außenpolitik – ein schwieriges Verhältnis zum Dr. rer. soc. promoviert. 1978 veröffentlichte er (mit Karl-Heinz Lehnardt) das Buch „Politik zwischen Kopf und Bauch“, in dem er aus der Sicht eines 78ers das Selbstverständnis der 68er, Studentenbewegung und APO analysierte.

Volmer war später als freiberuflicher Unternehmensberater im Bereich internationales Marketing und strategische Unternehmensentwicklung tätig. In diesem Zusammenhang ist er Mitgesellschafter einiger Beratungsunternehmen, u. a. der in Bad Honnef ansässigen Synthesis GmbH. Ab 2006 war er zudem Dozent an der Freien Universität Berlin. Er lehrte am Otto-Suhr-Institut Außen- und Sicherheitspolitik.

Heute ist Volmer freiberuflicher Publizist, Dozent und Politikberater.

Familie

Volmers Vater Günter Volmer war von 1969 bis 1983 Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU). Seine Mutter Maria-Theresia und seine Großväter Peter Volmer und Bernhard Saager waren Gründungsmitglieder der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und der CDU. Ludger Volmer hat einen Sohn.

Partei

Volmer war seit 1969 in meist selbst mitgegründeten (Bürger-)Initiativen aktiv, etwa in der freiwilligen Sozialarbeit in Obdachlosensiedlungen. An der Universität gehörte er seit 1974 zu den Initiatoren der „undogmatisch-linken“ Basisgruppen, die er in nahezu allen Uni-Gremien vertrat. In der Folge zählte er 1979 zu den Mitbegründern zunächst der Sonstigen Politischen Vereinigung SPV Die Grünen, dann der Partei Die Grünen. In den Zeiten der Spaltung der Partei in Fundis und Realos war er lange Zeit führender Repräsentant der gemäßigten Linken, gründete das „Linke Forum“ und machte sich für die Integration der zerstrittenen Partei stark. Auf dieser Basis war er von 1991 bis 1994 Parteivorsitzender („Sprecher des Bundesvorstandes“). Er organisierte den Wiedereinzug in den Bundestag 1994, aus dem die westdeutschen Grünen (anders als das ostdeutsche Gegenstück) 1990 ausgeschieden waren. Zu diesem Zweck managte er die Fusion mit Bündnis 90 Bürgerrechtlern der ehemaligen DDR – und den ostdeutschen Grünen und wurde erster Vorsitzender der fusionierten Partei Bündnis 90/Die Grünen. Neben einer tiefgreifenden Reform der Parteistrukturen förderte er die Gründung eines eigenständigen Verbandes der grünen Jugend, initiierte er die Neuordnung des grün-nahen Stiftungswesens (Heinrich-Böll-Stiftung) und rief er die grüne Parteizeitung „Schräg/strich“ ins Leben. Zudem eröffnete er offizielle Beziehungen zum Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und verschiedener Einzelgewerkschaften und bereitete so den Boden für die spätere Rot-Grüne Koalition im Bund. Bei den Koalitionsgesprächen 1998 verhandelte er als Mitglied der grünen Verhandlungskommission die Außenpolitik. Er war maßgeblich an zahlreichen, auch heute noch gültigen Programmschriften beteiligt.

Abgeordneter

Am 10. April 1985 rückte Volmer wegen des damals bei den Grünen geltenden Rotationsprinzips in den Bundestag nach, dem er zunächst bis 1990 angehörte. Seine Fraktion entsandte ihn in den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Auswärtigen Ausschuss und Finanzausschuss. Zudem war er u. a. Mitglied der deutschen Parlamentsdelegation bei Internationaler Währungsfonds und Weltbank. Am 1. Februar 1986 wurde Volmer als bisher jüngster Abgeordneter zu einem der Fraktionsvorsitzenden („Sprecher“) gewählt. Am 18. Juli legte er das Amt nieder, weil er bei der Aufstellung der Landesliste für die nächste Bundestagswahl nur einen unsicheren Platz bekommen hatte.

Inhaltlich übernahm Volmer von seiner Vorgängerin Gabriele Gottwald die Lateinamerika-Politik. Er engagierte sich besonders für die Befreiungs-, Emanzipations- und Friedensprozesse in Nicaragua, El Salvador und Chile.

Sein wichtigstes Anliegen aber war die Neudefinition der Entwicklungspolitik. Gegen die hilfsorientierte Projektpolitik setzte er einen weltwirtschaftskritischen Ansatz, der die ungerechten Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd sowie die internationale Schuldenkrise ins Zentrum rückte. So gehörte er 1985 zu den Initiatoren des ersten „Gegengipfels“ samt Großdemonstration gegen das G7-Treffen in Bonn. Anschließend organisierte er mit einem immer breiter werdenden Bündnis von NGOs eine weltwirtschaftskritische Kampagne, die 1988 anlässlich der Jahrestagung von IWF und Weltbank in West-Berlin in einen international viel beachteten Alternativkongress, eine Großdemonstration und zahlreiche dezentrale Aktionen mündete. In der Folge beteiligte er sich an der Gründung der Koordinierungsstelle WEED (World economy ecology and development) und der Herausgabe des „Infobriefs Weltwirtschaft & Entwicklung“. In der Fraktion verantwortete er als Sprecher für Weltwirtschaftsfragen die Erarbeitung der Programmschrift „Auf dem Weg zu einer ökologisch-solidarischen Weltwirtschaft“. Volmer und seine Mitstreiter versuchten mit der Kampagne zudem, die Dritte-Welt-Bewegung, die Umweltbewegung und die Friedensbewegung, die bis dahin nebeneinander agiert hatten, zu einer einheitlichen Bewegung zu integrieren. Zahlreiche von Volmer propagierte Ideen und Positionen wurden später von globalisierungskritischen Bewegungen wie attac weitergetragen.

1994 zog Volmer erneut in den Deutschen Bundestag ein und konzentrierte sich auf den Auswärtigen Ausschuss. Er wurde Mitglied der deutschen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Dort gründete er die grün-alternative Gruppierung, deren Vorsitz er übernahm. Zudem wurde er stellvertretender Vorsitzender der deutsch-US-amerikanischen und der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Ende 2002 wurde er außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Volmer wandte sich in dieser Funktion von seinen früheren pazifistischen Positionen ab und befürwortete die deutsche Kriegsbeteiligung in Kosovo und Afghanistan im Rahmen des NATO-Militärbündnisses, für dessen Abschaffung er und seine Partei noch bis 1994 eingetreten waren. Eine deutsche Kriegsbeteiligung am Amerikanischen Krieg im Irak lehnte er wie die Bundesregierung ab.

Volmer analysierte die Ideen-, Programm- und Ereignisgeschichte der grünen Außen- und Friedenspolitik 1998 in seiner Doktorarbeit.

Am 3. März 2000 trat der nach ihm benannte Volmer-Erlass in Kraft.

Am 11. Februar 2005 legte Ludger Volmer im Zuge der sog. Visa-Affäre auf einer Landesvorstandssitzung der Grünen Nordrhein-Westfalen seinen Sitz im Auswärtigen Ausschuss und als außenpolitischer Sprecher nieder. Zudem kündigte er an, für die Dauer seines Bundestagsmandats seine Mitarbeit in der Firma Synthesis ruhen und Gesellschafteranteile von einem Treuhänder verwalten zu lassen. Mit diesem Schritt wollte er erreichen, dass die mediale Berichterstattung zu seiner wirtschaftlichen Tätigkeit keine negativen Auswirkungen für seine Partei bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein habe. In der ersten öffentlichen Anhörung eines Untersuchungsausschusses wurde Volmer später fast zehn Stunden lang zur Visumpolitik befragt. Der Bericht des Ausschusses schreibt Volmer keinerlei Verschulden zu. Auch das abweichende Minderheitsvotum der Opposition wiederholt keinen persönlichen Vorwurf. Zudem hat Volmer seitdem eine Reihe gerichtlicher Auseinandersetzungen wegen falscher Behauptungen in einigen Medien gewonnen.

Bei der Bundestagswahl 2005 kandidierte er nicht wieder für den Deutschen Bundestag. Als Grund gab er die mangelnde Solidarität seines Landesverbandes an.

Öffentliche Ämter

Nach der Bundestagswahl 1998 wurde er am 27. Oktober 1998 als Staatsminister im Auswärtigen Amt in das von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführte Kabinett berufen. Nach der Bundestagswahl 2002 schied er am 22. Oktober 2002 wieder aus der Regierung aus.

Gesellschaftliche Ämter

Sonstiges

Im Jahre 2002 wurde Volmer von einigen Medien vorgeworfen, dienstlich erworbene Bonusmeilen der Lufthansa für private Flüge von Frau und Sohn genutzt zu haben (siehe Bonusmeilen-Affäre). Er konnte aber nachweisen, dass seine Frau mit Einverständnis und im Auftrage des Auswärtigen Amtes geflogen war und für seinen Sohn private Meilen zur Verfügung standen.

Im August 2018 wurde bekannt, dass Volmer die Sammlungsbewegung Aufstehen von Sahra Wagenknecht unterstützt. Dabei zeigte er sich von den Grünen enttäuscht und sagte: „Den Grünen heute geht es nicht mehr um die Bekämpfung struktureller Armut, sondern um die Verschönerung des bürgerlichen Lebens.“[3]

Veröffentlichungen

  • mit Karl-Heinz Lehnardt: Politik zwischen Kopf und Bauch. Zur Relevanz der Persönlichkeitsbildung in den politischen Konzepten der Studentenbewegung in der BRD. Druckladen-Verlag, Bochum 1979, ISBN 978-3-88663-100-1
  • Die Grünen und die Außenpolitik – ein schwieriges Verhältnis. Eine Ideen-, Programm- und Ereignisgeschichte grüner Außenpolitik. Westfälisches Dampfboot, Münster 1998, ISBN 978-3-89691-438-5
  • Die Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten Partei – eine Bilanz. Bertelsmann, München 2009, ISBN 978-3-570-10040-0
  • Kriegsgeschrei und die Tücken der deutschen Außenpolitik. Europa-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-944305-24-0

Auszeichnungen (Auszug)

 Wikinews: Ludger Volmer – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. Vita (Memento vom 9. April 2013 im Internet Archive)
  2. SEF : Globalisierung politisch gestalten: Kuratorium. Abgerufen am 7. November 2019.
  3. Wegen Chemnitz: Grünen-Chefin Baerbock lehnt Wagenknechts „Aufstehen“ ab. 3. September 2018, abgerufen am 7. November 2019.
  4. Volmer Dott. Ludger. Cavaliere di Gran Croce Ordine al Merito della Repubblica Italiana. Presidenza della Republica, 12. April 2002, abgerufen am 19. August 2019 (italienisch).
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