Leonid Grigorjewitsch Iwaschow
Leonid Grigorjewitsch Iwaschow (russisch Леонид Григорьевич Ивашов; * 31. August 1943 in Frunse (Stadt), heute Bischkek, Kirgisistan) ist ein russischer Militärexperte. Er war einer der maßgebenden Militärstrategen Russlands nach der Wende. Er ist Präsident der Akademie für Geopolitische Probleme und gilt als führender Spezialist für Geopolitik, Konfliktforschung, internationale Beziehungen und Militärgeschichte. Er hat den Rang eines Generalobersten.
Anfang 2022 wendete er sich in einem drastischen Appell an die Öffentlichkeit und warnte vor den staatsbedrohenden Gefahren eines offenen Krieges gegen die Ukraine. Für den Kriegskurs machte er Wladimir Putin verantwortlich und forderte dessen Rücktritt.[1]
Berufliche Karriere
1964 absolvierte Iwaschow die Taschkenter Kommandohochschule, 1974 die Militärakademie Frunse. Seit 1976 diente er in der Zentrale des Verteidigungsministeriums der UdSSR. Er war Leiter des Sekretariats der Verteidigungsminister der UdSSR und Marschälle Dmitri Ustinow (1976–1984) und Sergej Sokolow (1984–1987). 1987–1992 war er Leiter der Vermögensabteilung des Verteidigungsministeriums.
1992–1996 war er Sekretär des Rates der Verteidigungsminister der GUS-Mitgliedsländer.
Im August 1999 wurde er Stabschef zur Koordination der militärischen Zusammenarbeit der Mitgliedsländer der GUS. 1996–2001 war er Leiter der Hauptabteilung für internationale militärische Zusammenarbeit des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation. In dieser Funktion sprach er sich gegen die NATO-Osterweiterung aus. Er soll außerdem einer der Organisatoren des russischen Vorstoßes nach Priština im Juni 1999 gewesen sein. Nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister schlug Sergei Iwanow im Juni 2001 Iwaschow zur Versetzung in den Ruhestand vor. Nach seiner Entlassung erhielt er Posten im akademischen Bereich sowie in Veteranenverbänden.
Im Dezember 2011 kündigte er seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl in Russland 2012 an, die jedoch von der Zentralen Wahlbehörde aus formalen Gründen abgelehnt wurde.[2]
Akademische Posten
1977? verteidigte Iwaschow seine Kandidatendissertation über die militärtechnische Überlegenheit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. 1998 als Leiter der Hauptabteilung für internationale militärische Zusammenarbeit erwarb er den Doktortitel, der in Russland zur Lehrtätigkeit als Professor berechtigt, mit einer Arbeit über eine Kooperation Russlands mit China und dem Iran als Gegengewicht zur NATO-Expansion. Er ist Professor des Lehrstuhls für internationale Journalistik am Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (kurz: MGIMO) des Außenministeriums der Russischen Föderation. Außerdem lehrt er an der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau. 2004–2014 war er Präsident der Akademie für geopolitische Probleme. Nach einjähriger Unterbrechung wurde er Ende März 2015 auf den Posten wiedergewählt.[3]
Positionen – Warnung vor einem Krieg gegen die Ukraine
Iwaschow ist Mitglied im nationalistischen Isborsk-Klub und gilt als entschiedener Gegner der NATO, deren Osterweiterung er immer ablehnte. Zeitweilig führte er eine monarchistische Gruppierung. Anfang 2022 wandte er sich jedoch namens einer „Gesamtrussischen Offiziersversammlung“ in einer Erklärung gegen einen möglichen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Dieser berge die Gefahr den Osten gegenüber China militärisch zu entblößen, vor allem aber würde er Ukrainer und Russen zu „Todfeinden“ machen und zu einem Konflikt mit den NATO-Staaten führen. Die Kriegspläne Putins seien ein Ausweichen vor den wahren Problemen des Landes, die in Bevölkerungsschwund und einem untauglichen Staatsmodell lägen, und würden – „unterstützt vom Oligarchat, der korrupten Beamtenschaft, handzahmen Medien und Sicherheitskräften“ – Russland als Staat selbst gefährden. Putin möge die „verbrecherische Politik der Kriegsprovozierung“ beenden und sein Amt aufgeben.[4][5] Mark Galeotti bewertete Iwaschows Appell als Zeichen dafür, dass es neben dem von westlichen Beobachtern geschätzten liberalen Kritikern auch nationalistische Dissidenten gäbe, die Putin und seinen Kurs ablehnten und vermutlich einen gewissen Rückhalt im Sicherheitsapparat hätten.[6]
Mitgliedschaften in Verbänden
2002 gründete und leitete er den Militär-staatlichen Bund Russlands. Er ist Mitglied des Höchsten Offiziersrats Russlands. Im November 2006 wurde er zum Vorsitzenden der monarchistischen Organisation "Bund des russischen Volkes" gewählt. Seit 2008 ist er Mitglied des Expertenrats und einer der Autoren der Zeitschrift "Geopolitik".
Er ist außerdem Mitglied des patriotischen Isborsk-Klubs und Teilnehmer des internationalen Waldai-Klubs.
Er hat zahlreiche sicherheitspolitische Fachbücher publiziert und tritt in den Medien als begehrter Experte und Zeitzeuge auf.
Familie
Iwaschow ist verheiratet und hat eine Tochter.
Weblinks
- Leonid Iwaschow auf der Seite der Akademie für Geopolitik
- Eintrag in der Bolschaja Biografitscheskaja Enziklopedija
- Ausführliche Biografie auf der russischen Seite biograph.ru
- Presse-Porträt auf Yandex
- Валютно-паркетный генерал (штрихи к портрету Леониду Ивашова) Valuta-Parkett General (Striche zum Porträt von Leonid Iwashow), 29. Juni 2012
Einzelnachweise
- Mark Galeotti: Anti-War Broadside Highlights Nationalist Critique of Putin. In: The Moscow Times. 7. Februar 2022, abgerufen am 11. Februar 2022 (englisch).
- Operation Präsident von Russland, survincity.com, 15. Juli 2013
- Leonid Iwaschow wurde zum Präsidenten der Akademie für geopolitische Probleme wiedergewählt, ruskline, 30. März 2015.
- Friedrich Schmidt, Moskau: Russland und die Ukraine: Ex-Militärs warnen Putin vor Einmarsch in die Ukraine. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 10. Februar 2022]).
- Birger Schütz: Untypischer Kritiker (nd-aktuell.de). In: Neues Deutschland. 7. Februar 2022, abgerufen am 11. Februar 2022.
- Mark Galeotti: Anti-War Broadside Highlights Nationalist Critique of Putin. The anti-war letter published by a fringe former colonel is a useful reminder that Putin’s belligerent nationalist rhetoric certainly doesn’t convince everyone. In: The Moscow Times. 7. Februar 2022, abgerufen am 11. Februar 2022.